Revolution im Stall: Landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland 1945–1990 [1 ed.] 9783666311222, 9783525311226


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German Pages [395] Year 2020

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Revolution im Stall: Landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland 1945–1990 [1 ed.]
 9783666311222, 9783525311226

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Veronika Settele

Revolution im Stall Landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland 1945–1990

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Gunilla Budde, Dieter Gosewinkel, Christina Morina, Paul Nolte, Alexander Nützenadel, Hans-Peter Ullmann

Frühere Herausgeber Helmut Berding, Hans-Ulrich Wehler (1972–2011) und Jürgen Kocka (1972–2013)

Band 239

Veronika Settele

Revolution im Stall Landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland 1945–1990

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Besucher und Schweine auf der 55. DLG-Ausstellung in Frankfurt am Main 1978. DLG-Archiv Frankfurt. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0130 ISBN 978-3-666-31122-2

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung: Tier, Stall und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Rinder: Optimierung von Körpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Arbeit am Tier I: Wiederaufbau im Stall . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Kuhlose Neubauern und die fehlenden Tiere der DDR . . . 1.1.2 Transatlantische Geschenkrinder und Wiederaufbau in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Kranke Tiere im Stall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Arbeit am Tier II: Füttern, Melken und die tägliche Arbeit im Stall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Füttern: Kampf dem Luxuskonsum! . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Melken: Eine Maschine verändert Mensch und Tier . . . . 1.2.3 Zusammenfassung: Füttern, Melken und der Alltag im Rinderstall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Arbeit am Tier III: Züchten und die stetige Umgestaltung des Rindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Gott und Staat, Prestige und Regulierung: Die Erfindung der Rassen im 19. Jahrhundert . . . . . . . . 1.3.2 Rinder züchten in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Das Schwarzbunte Milchrind, Masthybriden und Populationsgenetik in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Künstliche Besamung: Neue Praktiken im Stall und die Internationalisierung der Rinderreproduktion . . . . . 1.3.5 Zusammenfassung: Neue Tiere für eine neue Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Zwischenfazit: Staat, Stall, Tier und ihre bioökonomische Verquickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 41 42 48 56 61 62 79 95 97 98 103 115 122 137 139

2. Hühner: Rentabilisierung des Wirtschaftens . . . . . . . . . . . . . . 143 2.1 Früher war auch keine Idylle: Vorindustrielles Wirtschaften in den 1950er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.1.1 Hühnerhaltung in weiblicher Tradition . . . . . . . . . . . 145

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2.1.2 Internationale Inspiration: Deutsche Hühnerexperten in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Leistung und Spezialisierung in Deutschland . . . . . . . . 2.2 Volkswirtschaft: Huhn und Handelsliberalisierung im Chicken War, 1961–1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Der Deutschen Hähnchenhunger und die überseeische Karriere der US-Broiler, 1956–1961 . . . . 2.2.2 Das US-Import-Huhn als Gegenstand diplomatischer Verwicklung, 1961–1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Betriebswirtschaft: Kostenrechnung als neues Bekenntnis im Stall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Economies of Scale I: Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Economies of Scale II: Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Das Huhn in der Massenhaltung und seine Mitsprache bei der Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Society strikes back: Widerstand gegen das marktkonforme Huhn 2.4.1 Rentabilität und Tier in Konflikt I: Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, 1966–1973 . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Rentabilität und Tier in Konflikt II: Die Öffentlichkeit kommt hinzu, 1973–1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zwischenfazit: Wegweisendes Geflügel, Rentabilisierung im Stall und der Konflikt um die Hühner im Käfig . . . . . . . . 3. Schweine: Technisierung der Ställe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Technik im Stall I: Architektur und Aufstallung . . . . . . . . . . 3.1.1 Frühere Ställe und traditionelle Probleme . . . . . . . . . . 3.1.2 Spezialisierung, Konzentration und Beschleunigung . . . . 3.2 Technik im Stall II: Arbeitsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Entmistung: Das Ende stinkender Handarbeit . . . . . . . . 3.2.2 Schweinefütterung: Rieseln und fließen statt schaufeln und schieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Grenzen der Technik: Hygiene und Stress . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Stall im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Luft: Olfaktorische Nebenwirkungen der Schweinekonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Boden: Das Gülle-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Zwischenfazit: Andere Techniken im Stall, größere Ställe im Raum und neue Sorgen um Luft und Boden . . . . . . . . . . .

150 154 159 161 165 172 175 185 192 199 202 208 220 225 230 230 238 253 254 265 277 289 290 301 310

Fazit: Der Domestizierung dritter Streich und die Agrarrevolution des Tiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 6

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unveröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

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Vorwort Landwirtschaftliche Tierhaltung ist ein besonderer Forschungsgegenstand. Er ist aus zwei gegensätzlichen Richtungen normativ polarisiert. Es gibt gegenwärtig absolute Befürworter und absolute Gegner der Haltung von Rindern, Hühnern und Schweinen, die sich gegenseitig ideologische Verblendung vorwerfen. Aufgrund der gesellschaftlichen Kon­troverse um die Lebensbedingungen der Tiere rangiert die landwirtschaftliche Tierhaltung heute weit höher auf der politischen Agenda, als es ihre wirtschaftliche Bedeutung nahelegen würde. Die vorliegende Arbeit hat jedoch nicht die Absicht, zur moralischen Dimension der gegenwärtigen Debatte um die legitime Haltung von Rindern, Schweinen und Hühnern beizutragen. Vielmehr möchte sie sowohl die Genese jener heute kontrovers diskutierten Haltungsmethoden verstehen und erklären, als auch die Genese ihrer Kritik ins Blickfeld rücken. Dieser historische Zugriff führt die nicht-zwangsläufige Gewordenheit unserer Gegenwart vor Augen. Wenn die Analyse des spezifischen Zusammenwirkens der Strukturen und Akteure landwirtschaft­ licher Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darüber hinaus das Bewusstsein für gegenwärtige Handlungsspielräume schärfen würde, wäre ihre kühnste Hoffnung erfüllt. Um ein Kind großzuziehen, brauche es ein ganzes Dorf, sagt ein in letzter Zeit häufig bemühtes Sprichwort. Um diese Arbeit anzufertigen, brauchte es die Unterstützung von einer ganzen Menge Menschen und Einrichtungen, denen ich zu großem Dank verpflichtet bin. Für die bereitwillige Bereitstellung von Quellen in nicht-öffentlichen Archiven danke ich: Reiner Luber im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der mir Ausbildungstagebücher für landwirtschaftliche Berufslehren seit den 1950er Jahren zur Verfügung stellte; Prof. Dr. Lars Schrader und Maren Hertlein vom Celler Standort des Friedrich-Loeffler-Instituts für umfangreiches Quellenmaterial zur Geflügelhaltung; Klemens Schulz und Dr. Hubert Cramer vom heutigen Bundesverband Rind und Schwein e. V. für Quellen zur Zuchtgeschichte und ebenso Dr. Gertrud Helm vom Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V.; der Redaktion der heutigen BauernZeitung, insbesondere Ute Janke, in Berlin, die mir Zugang zu ihrem Archiv aller früheren ostdeutschen Ausgaben ermöglichte; der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Frankfurt am Main für die Bereitstellung und Überlassung wertvollen Bildmaterials zu ihren Ausstellungen, und Peggy Reiff Miller, die mir tolle Bilder zu den gespendeten US-Rindern der frühen 1950er Jahren zur Verfügung stellte. Meinem Betreuer Paul Nolte danke ich für sein Vertrauen in mich und das Projekt, seine durchweg konstruktive Begleitung des gesamten Unterfangens und seine stets unglaublich schnellen Rückmeldungen. Danken möchte ich 9

ebenso meiner Zweitbetreuerin Dorothee Brantz, deren Expertise insbesondere während meiner noch unsicheren Schritte zu Beginn der Arbeit eine wertvolle Stütze war. Thomas Mergel, Habbo Knoch, Werner Plumpe, Michael Schneider, Mieke Roscher, Dirk Rupnow und das Berlin-Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte gaben mir die Gelegenheit, die Arbeit in ihren Kolloquien vorzustellen. Die Spuren der dortigen Diskussionen sind unübersehbar. Meine Arbeit hat darüber hinaus in verschiedenen Stadien sehr vom Austausch mit Kolleginnen und Kollegen profitiert. Ich danke an dieser Stelle insbesondere Arnd Bauerkämper, Pascal Eitler, Rüdiger Graf, Benjamin Möckel, Cornelius Torp, Frank Trentmann und Malte Zierenberg. Michael D. Gordin, Erika L. Milam und Harriet Ritvo bescherten mir im Winter 2017/18 eine besonders produktive Zeit an der US-Ostküste, die sich ebenfalls in der vorliegenden Arbeit niedergeschlagen hat. Für praktische Eindrücke landwirtschaftlicher Tierhaltung danke ich Alina Pohl, die mich in die Ställe Brandenburgs mitnahm. Schließlich danke ich meiner Crowd an blitzgescheiten und lieben Menschen, ohne deren Zutrauen, kritische Diskussionsfreudigkeit, Rat an entscheidenden konzeptionellen Punkten und Bereitschaft zur ausgiebigen Lektüre früherer Versionen die Arbeit die vorliegende Form nicht hätte annehmen können. Zwar alphabetisch, aber nicht nur deshalb an erster Stelle: Norman Aselmeyer; außerdem und nicht weniger wichtig: Sören Brandes, Jana Bruggmann, Sindy Duong, Julia Fabig, Malte Fischer, Sophia Gröschel, Francisca Hoyer, Tim Kleinsorge, Norma Ladewig, Laetitia Lenel, Bodo Mrozek, Johanna Noske, Marianne Prast, Karoline Punke, Lena Rudeck, Verena Sauermann, Martin Schmitt, Angela und Peter Settele, Tilmann Siebeneichner und Steven van der Laan – ich danke Euch von Herzen!

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Einleitung: Tier, Stall und Gesellschaft In den Ländern des globalen Nordens stößt landwirtschaftliche Tierhaltung in ihrer heutigen Form zunehmend auf gesellschaftliche Kritik. Sie reicht von Skepsis und Unbehagen bis zu Gegenwehr in Form von kritischer Berichterstattung, Konsumverweigerung, Demonstrationen und strafrechtlich relevantem Aktivismus. Es geht dabei um Milchkühe, die kurz sehr viel Milch geben, dann aber an ihrer eigenen Leistungsfähigkeit zugrunde gehen, um männliche Küken, die unmittelbar nach ihrem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden, sowie um Mastschweine, denen Eckzähne und Schwänzchen abgeschnitten werden, weil sie sich sonst gegenseitig verletzen.1 Die Sorgen um Schutz, Wohl und zuletzt zunehmend Gerechtigkeit gegenüber Tieren gelten immer stärker auch zur Lebensmittelproduktion gehaltenen Rindern, Schweinen und Hühnern. Ihre Haltung wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, infolge sich verändernder Wahrnehmungen und Wertvorstellungen, zur Ursache wachsender gesellschaftlicher Irritation.2 Es scheint, als hätte sich der Großteil der Gesellschaft lange 1 Siehe z. B. Geyer; Busse; im Herbst 2018, war die zweijährige Fristverlängerung der betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel Gegenstand kritischer Berichterstattung und gesellschaftlichen Unmuts, in den sozialen Medien unter #ferkelgate: siehe zur parlamentarischen Debatte o. A., Bundestag erlaubt betäubungslose Ferkelkastration; die Tötung männlicher Eintagsküken ist ein weiteres Beispiel gesellschaftlicher Irritation, die Niederschlag in staatlich geförderter Wissenschaft für die Suche nach Alternativen gefunden hat. Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD gilt für die Landwirtschaft insgesamt: »Wir übernehmen eine Vorreiterrolle beim Tierwohl: Weiterentwicklung Nutztierstrategie unter Beachtung von Tier- und Umweltschutz, Qualität und Marktorientierung. Einführung Tierwohllabel. Förderung besserer Haltungsbedingungen.« (https:// www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad6 72b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, S. 14 u. S. 86 f., abgerufen am 8.3.2019); 2015 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Gutachten, wonach die Tierhaltung in Deutschland in ihrer jetzigen Form nicht zukunftsfähig ist, da mehr Tierschutz dringend erforderlich sei: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/ Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile, S. i (abgerufen am 8.3.2019). Symptomatisch für den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Sorge um die Lebensbedingungen landwirtschaftlich genutzter Tiere ist ein neuartiges Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22.2.2018. Es sprach drei Mitglieder der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch frei, die 2013 in eine Schweinezuchtanlage bei Magdeburg eingedrungen waren, um Verstöße gegen die Tierwohlnutztierverordnung zu dokumentieren, weil der Hausfriedensbruch durch den Notstand des verletzten Tierwohls gerechtfertigt gewesen war. 2 Universität Göttingen; in Niedersachsen logierte die Massentierhaltung 2017 unter den 15 wichtigsten politischen Problemen, die vordringlich gelöst werden müssen, siehe Infratest

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nicht für das Geschehen im Stall interessiert, das heute die Gemüter erhitzt – während sich gerade jenes Geschehen grundlegend veränderte. Ein einzelner Landwirt in Deutschland konnte 1949 zehn, 1980 knapp fünfzig und im Jahr 2000 127 Menschen ernähren,3 obwohl diese Menschen 1950 zwischen zwanzig und vierzig Kilogramm Fleisch pro Jahr verbrauchten und 1980 etwa einhundert Kilogramm.4 Bisherige Analysen der rasanten Umwälzung des Wirtschaftens in den Ställen erklärten nicht, warum landwirtschaftliche Tierhaltung heute, wo der landwirtschaftliche Anteil am Bruttoinlandsprodukt auf 0,7 Prozent gesunken ist,5 prominenter Gegenstand von Koalitionsverhandlungen, Feuilleton und Tischgespräch ist. Bisher wurde das wirtschaftshistorische Narrativ des landwirtschaftlichen Niedergangs gleichgesetzt mit einem sozialen und kulturellen Bedeutungsverlust der Landwirtschaft. Sukzessive sei der landwirtschaftliche Sektor »in seiner wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung« zurückgegangen, ist etwa bei Eckart Conze zu lesen;6 in beiden deutschen Staaten verlor der primäre Sektor »in den 1950er und 1960er Jahren ähnlich schnell an Bedeutung«, schreibt André Steiner.7 So richtig diese quantitativen Beobachtungen sind, so sehr schweigt sich das Narrativ des Strukturwandels als »makro­ ökonomisches Konstrukt«, dem sich das bisherige historische Wissen über die Landwirtschaft angeschlossen hat,8 darüber aus, wie die Industrialisierung der Tierhaltung auf Mikro- und Mesoebene wahrgenommen, vorangetrieben und verarbeitet wurde.9 Die Orientierungs- und Einbettungsleistung der Kultur für ökonomisches Handeln anerkennend,10 erzählt diese Arbeit von einer hinter dem relativen volkswirtschaftlichen Bedeutungsverlust verborgen gebliebenen Veränderung landwirtschaftlicher Tierhaltung. Die Ausgangsfrage ist: Was ging, in beiden deutschen Staaten, im Verhältnis zwischen Menschen und landwirtschaftlich genutzten Tieren vor sich, als dimap; Neben den Haltungssystemen und ihren negativen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Tiere etablierten sich Umweltauswirkungen, Medikamenteneinsatz, Tiertransporte und Futtermittelimport als Gründe für die gesellschaftliche Ablehnung der Nutztierhaltung, siehe Dirscherl; siehe für den jüngeren politischen Niederschlag der gesellschaftlichen Debatte: BMEL, insb. S. 17–32 und Spiller u. a. 3 Deutscher Bauernverband. 4 Die 1980er Jahre markierten einen Wendepunkt des statistischen deutschen Fleischverbrauchs; nach Schwankungen um die 100 kg während der 1980er Jahre geht er seit 1988 kontinuierlich zurück, lag 1991 bei 95 kg und stagniert seit 2000 um die 90 kg, siehe Bundes­ anstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Fleischkonsum. 5 Statistisches Bundesamt, Anteil der Wirtschaftssektoren. 6 Conze, S. 184. 7 Steiner, Abschied von der Industrie?, S. 24. 8 Die Historiographie verwechselte, was die Landwirtschaft anging, relativen Bedeutungs­ verlust mit Inexistenz und spiegelt den populären Irrtum wider, dass der primäre Sektor im 20. Jahrhundert verdampft sei, siehe Patel, Europäisierung, S. 17. 9 Steiner, Abschied von der Industrie?, S. 35. 10 Berghoff u. Vogel, S. 13 u. S. 21; außerdem Dejung u. a., Auf der Suche nach der Ökonomie; Welskopp, Unternehmen Praxisgeschichte; Zierenberg, Stadt der Schieber.

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die Tiere produktiv11 wie nie wurden und zugleich immer weniger Menschen mit ihnen arbeiteten? Das konkrete Geschehen im Stall in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hält Antworten auf diese Frage bereit und doch endet die Geschichte nicht zwischen Futtertisch, Melkmaschine und Misthaufen. Die Handlungen zwischen Menschen und Tieren standen in steter außerbetrieb­ licher Wechselwirkung mit Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Arbeit fragt deshalb auch danach, was der Wandel im Stall sowohl für jene Menschen, die die Tiere bewirtschafteten, als auch für die größer werdende Bevölkerungsmehrheit, die nur mehr über Supermarkteinkauf, Speisezubereitung und Nahrungsaufnahme Kontakt zu Rind, Huhn und Schwein hatte, bedeutete. Wie wirkte das Geschehen in den Ställen auf die Gesellschaft zurück? 1953 hätten zwei Drittel der Deutschen mehr Butter gegessen, »wenn die Preise nicht so hoch [gewesen] wären«, mehr als die Hälfte mehr Fleisch und knapp vierzig Prozent mehr Eier. 1981 indes hatte man sich satt gegessen. Weniger als ein Drittel hätte nun noch mehr Fleisch bei niedrigeren Preisen gegessen, kaum zehn Prozent mehr Butter und magere drei Prozent mehr Eier.12 Schon 1973 wollte die Hälfte der Deutschen nämlich »nicht mehr so fett essen«,13 um gesund zu bleiben und »weniger essen« war nach »mich nicht soviel ärgern« der Neujahrsvorsatz Nummer zwei.14 Nachdem Rinder als Zugtiere ausgedient hatten und als Dunglieferanten ersetzbar geworden waren, wirkte das Konsumverhalten immer unmittelbarer in die Ställe zurück. Die Lebensmittelerzeugung wurde zur alleinigen raison d’être landwirtschaftlicher Tierhaltung. Das Aufkommen von Steaks, die Begeisterung für Fastfood und die nach der »Fresswelle« einsetzende Sorge um Gesundheit und Gewicht schlugen sich in den Ställen nieder, obwohl es weder in Ost- noch in Westdeutschland unmittelbare Marktbeziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten gegeben hat. Die Arbeit bringt damit Licht in eine Entwicklung, in der sich die Menschen die Tiere auf neuartige Weise unterwarfen, während sie sich zugleich von ihnen entfremdeten. Landwirtschaftliche Nutztiere als physische Lebewesen verschwanden aus dem eigenen Erleben, und doch nicht aus der Welt. Sie traten als verpacktes Produkt in der Werbung und im Kühlregal neu in Erscheinung, sie blieben Topoi in Heimatfilmen und Kinderbüchern. Seit Ende der 1960er Jahre wurden sie außerdem zunehmend zum Argument der eigenen moralischen Standortbestimmung.

11 Der Begriff der Produktivität in Bezug auf landwirtschaftliche Tierhaltung schillert zwischen klassischer Betriebswirtschaft und der Leistung von Lebewesen. Produktiver wurde die Tierhaltung erstens durch die Einsparung menschlicher Arbeitskraft bei der Betreuung der Tiere. Die Arbeitsproduktivität wurde jedoch von einem stärkeren Kapitalaufwand für Technik (Traktor, rationalisierungsfähiger Stallbau) flankiert, der sie erst ermöglichte. Zweitens verschob die Zucht fortwährend die genetischen Leistungsanlagen der Tiere für Milch-, Eier- und Fleischproduktion. 12 Noelle-Neumann u. Piel, S. 491. 13 Noelle u. Neumann, Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 1968–1973, S. 18. 14 Ebd., S. 130.

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Drei empirische Beispiele geben einen Vorgeschmack, wie sich die Revolution im Stall im Detail darstellte. Sie zeigen zudem, dass die Gemengelage in Stall und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weder in agrarromantischer Sehnsucht nach traditionellen Bewirtschaftungsmethoden noch in fortschrittsoptimistischer Zukunftsorientierung aufgeht, sondern an die ambivalenten Bewegungen der Moderne, an Differenzierung, Beschleunigung und Vermassung anschließt. Die drei Beispiele nehmen zugleich den Aufbau der Arbeit vorweg. Der Wandel im Stall lässt sich in drei miteinander verwobene, aber doch eigenständige Dimensionen gliedern: die medizinisch-biologische Steuerung der Körper der Tiere, eine vormals unübliche zahlenbasierte Kostenrechnung und neue Techniken der Haltung. In allen drei Teilen bildet ein kontraintuitiver Befund den Grundstock des deutsch-deutschen Zugriffs. Wie ist zu erklären, dass die Ähnlichkeiten im Stall 1990 in West- und Ostdeutschland, nach vierzig Jahren Systemkonkurrenz und unterschiedlicher politischer Überformung, dominierten? Erstens: 1972 resümierten die Tierärzte Dr. Gropp und Dr. Schulz nach einer Reihe von Experimenten mit 191 Kälbern, verschiedenen Futtermitteln und Antibiotika, dass zu bezweifeln ist, »ob eine erfolgreiche Kälbermast […] ohne Fütterungsantibiotika überhaupt möglich ist, da die Verdienstspanne heute ohnehin zu gering bemessen ist, um die Mehrkosten aufzufangen, die infolge erhöhter Arbeitszeiten bei verlängerter Mastdauer und zusätzlichem Futtermehrverbrauch entstehen«.15 Erfolg war im westdeutschen Stall 1972 eine Frage der Steuerung der Tierkörper geworden. Neue medizinische Praktiken wie die standardisierte Fütterung von Antibiotika waren willkommen bei Landwirtinnen und Landwirten, die der allgemeinen Wohlstandsentwicklung dieser Jahre angestrengt hinterherliefen. Die Tiermedizin wurde zum konstitutiven Bestandteil landwirtschaftlicher Tierhaltung, auch dann, wenn gar kein Tier krank war. Die Haupttriebkräfte hinter dem Kostendruck im westdeutschen Kälberstall waren, der massiven Subventionierung der Landwirtschaft zum Trotz, Dynamiken der Handelsliberalisierung innerhalb des entstehenden gemeinsamen Agrarmarktes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Zweitens: »Brigitte«, fragte ein Reporter die junge Frau in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) August Bebel in Wallwitz in der Nähe von Halle im gleichnamigen DDR-Bezirk 1960, »wieviel Hühner halten Sie?« »Viertausend«, sagte Brigitte. Der Reporter verdutzt: »Und wo stecken Ihre Kollegen?« »Welche Kollegen?«, lachte Brigitte. »Na, die Ihnen bei der Arbeit helfen.« »Mir hilft niemand bei der Arbeit. Ich mach das allein.«16 Daraufhin zeigte Brigitte, wie sie insgesamt acht Laufställe für Legehennen in dem ehemaligen Zu-

15 Gropp u. Schulz, S. 384. 16 Bundesarchiv Filmarchiv [im Folgenden BArch Filmarchiv], BSP 9030–2, Film »Flora, Jolanthe und 4.000 Hühner«, DEFA für populärwissenschaftliche Filme 1960, Drehbuch und Regie: Armin Georgi u. Peter Ulbrich.

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ckerspeicher betreut. Nur alle zwei Tage waren die Futtertröge mit bereits fertig gemischtem, angeliefertem Futter zu befüllen. Brigitte hatte sich die kostendegressiven Vorteile großer Bestände zunutze gemacht, ihre Arbeitsschritte rationalisiert und »trotz der vielen Tiere Zeit, sich um die Selektion zu kümmern«. Beständig sortierte sie schwache und kranke Tiere aus, was zu einer Steigerung der Eier- und Hühnerfleischproduktion führte, »die man früher nicht für möglich gehalten hat«. Der Aufbau einer Geflügelhaltung, die eine historisch neuartige Arbeitsproduktivität im Stall ermöglichte, war 1960 in der Glück für jedermann garantierenden sozialistischen Ordnung uneingeschränkt attraktiv. Das Aufholen des ernährungs- und landwirtschaftlichen Hintertreffens stand in den 1950er Jahren in beiden deutschen Staaten ganz oben auf der politischen Agenda, weil die Versorgungslage maßgebliches Kriterium für die politische Loyalität der Bevölkerung war. Drittens: Auf dem sechsten Deutschen Bauernkongress der DDR in Rostock erklärte Walburga Ammler von der LPG »Thomas Müntzer« in Prosigk nahe Köthen (Anhalt) im Bezirk Halle im Dezember 1960, dass sie ihrer Verpflichtung »16 Ferkel je Sau und Jahr aufzuziehen« nachkam, weil sie »jede Geburt auch nachts beaufsichtigte und die neugeborenen Ferkel in einen mit Stroh ausgelegten Korb legte«. Alle zwei Stunden setzte sie die Ferkel händisch an der Sau an, »und zwar 4 Tage lang«; nur so vermied sie erdrückte Ferkel.17 Wenige Jahre später war diese zeitintensive Fürsorge in beiden deutschen Staaten undenkbar geworden. An ihre Stelle war eine technische Vorrichtung getreten, die den Bewegungsspielraum der Muttersau so begrenzte, dass die Erdrückungsgefahr neugeborener Ferkel sank. Bevor das Faktorenbündel an gesellschaftlichen Ursachen und Wirkungen, die hinter biotechnologischen Machbarkeiten, wirtschaftlichen Überlegungen und technischen Veränderungen im Stall standen, aufgeschlüsselt wird, begründet die weitere Einleitung erstens das wirtschaftshistorische Fundament der Arbeit, zweitens ihre Verortung in der geschichtswissenschaftlichen Diskussion und drittens inhaltlichen Zuschnitt und methodisches Vorgehen. Zahlen, Zahlen, Zahlen: Wirtschaftlicher Hintergrund Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich landwirtschaftliche Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark veränderte.18 Üblicherweise wird die Geschichte der Landwirtschaft seit der Weimarer Republik als eine Geschichte von Niedergang und Bedeutungsverlust erzählt. Die Zahlen der Betriebe, der Beschäftigten in der Landwirtschaft und des landwirtschaftlichen Beitrags zum Bruttoinlandsprodukt illustrieren einen Wandel, der in den vier Jahrzehnten seit

17 Ammler, S. 220 f. 18 Plumpe u. Steiner; Steiner, Abschied von der Industrie?, S. 24; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 83; Spoerer, Agricultural Policies; Hesse; Graf u. Priemel.

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1950 ein neuartiges Tempo aufnahm.19 Die herkömmliche Interpretation der Zahlen als abnehmende wirtschaftliche Bedeutung beförderte ein insgesamt abnehmendes ökonomisches, politisches und gesellschaftliches Interesse an den Entwicklungen innerhalb der Landwirtschaft. Dabei weisen auch diese Zahlen, neu gelesen, auf eine bisher übersehene Revolution im Stall hin. Zur Zahl der Betriebe: Zwischen 1949 und 1989 sank die Zahl aller landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik um mehr als zwei Drittel, von 2.017.061 auf 648.772.20 Bezüglich der Haltung von Rindern, Schweinen und Hühnern entsprach der Betriebsrückgang diesem Trend: Zwischen 1949 und 1977 verringerte sich die Zahl der Betriebe mit Rindviehhaltung um 62 Prozent, Betriebe mit Schweinehaltung nahmen um 64 Prozent ab. In der Geflügelhaltung war die Lage anders. Betriebe, die Legehennen hielten, nahmen im selben Zeitraum mit 74 Prozent sogar am deutlichsten ab. Die auffallende Ausnahme waren jedoch Masthähnchen, eine Betriebsart, die 1966/67 mit 42.700 Betrieben zum ersten Mal erfasst wurde und 1977 bei 99.296 lag, sich also in nur zehn Jahren mehr als verdoppelte. In der DDR spricht die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe bekanntlich eine noch radikalere Sprache: Aus 888.245 Betrieben nach der Bodenreform und vor Beginn der Vergenossenschaftlichung 1950 waren 1989 464 Staatsbetriebe und 3.844 LPG geworden; die Anzahl der Betriebe ging um 99,5 Prozent zurück.21 Die nächste Größe, die zur Beschreibung des landwirtschaftlichen Wandels herangezogen wird, ist die Zahl der Menschen, die in der Landwirtschaft den Hauptteil ihres Lebensunterhalts verdienten. Sie sank seit Beginn der 1950er Jahren beschleunigt, was sozialhistorisch als Vermittelschichtlichung der Landwirtschaft beschrieben wurde, weil in erster Linie die besitzlose landwirtschaftliche Unterschicht verschwand.22 Hier ergänzt der deutsch-deutsche Vergleich eine Nuance: In der DDR blieben von 1.701.673 in der Landwirtschaft Beschäftigten etwas weniger als die Hälfte übrig. In der Bundesrepublik hatten sie sich 1990 auf 18 Prozent der Beschäftigtenzahlen von 1949 reduziert. Setzt man die Daten 19 Aufgrund kriegsbedingt verzerrt niedriger Werte in den 1940er Jahren wird 1950 als Startgröße aller folgenden numerischen Vergleiche gewählt. 20 Der Trend setzte sich fort, sodass die Zahl der Betriebe 2010, bei 299.100 angekommen war. Diese und alle folgenden Zahlen zur Bundesrepublik sind, sofern nicht anders angegeben, den Statistischen Jahrbüchern für die Bundesrepublik Deutschland ab 1952 entnommen, hg. v. Statistischen Bundesamt Wiesbaden. Online einsehbar unter: http://www. digizeitschriften.de/dms/toc/?PPN=PPN514402342 (abgerufen am 8.3.2019). Bei allen folgenden Zahlen geht es nicht um absolute Größen, sondern um einen numerischen Eindruck der Entwicklung. Ungenauigkeiten und unterschiedliche Zählweisen sind nicht auszuschließen; ich bemühte mich wo möglich um eine doppelte Absicherung und die jeweils am zuverlässigsten wirkenden Zahlen. 21 Die Zahlen zur landwirtschaftlichen Entwicklung der DDR stammen, sofern nicht anders angegeben, aus den Statistischen Jahrbüchern der Deutschen Demokratischen Republik, die ebenfalls ab 1952 einsehbar sind unter: https://www.digizeitschriften.de/dms/ toc/?PID=PPN514402644 (abgerufen am 8.3.2019). 22 Mai, S. 508; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 82.

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der Landwirtschaft ins Verhältnis zur übrigen Wirtschaft, wird der Eindruck des Niedergangs nicht schwächer. Anteilig an der Gesamtwirtschaft nahmen die Beschäftigten in Landwirtschaft (und Forstwirtschaft) in der Bundesrepublik von 22,1 Prozent 1950 ab auf 3,5 Prozent 1990.23 Die letzte Makrogröße, welche die Niedergangserzählung abrundet, ist der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt: In der DDR sank der Beitrag der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei an der wirtschaftlichen Gesamtwertschöpfung von 6,5 Prozent 1950 auf 2,1 Prozent 1989;24 in der Bundesrepublik von 3,3 auf 1,2 Prozent.25 Wendet man den Blick dem Geschehen im Stall zu, bröckelt der glatte Eindruck von Rückgang und Bedeutungsverlust. Hier hielten nun so wenige Menschen wie nie zuvor so viele Tiere wie nie zuvor – die zudem produktiver waren als all ihre Vorfahren. Aus 11,1 Mio. Rindern in der Bundesrepublik 1950 und 3,6 Mio. in der DDR waren 1989 14,8 Mio. bzw. 5,7 Mio. geworden, das entspricht einem Zuwachs von 35 (Bundesrepublik) bzw. 58 Prozent (DDR).26 Damit lag Deutschland im europäischen Trend.27 Die Anzahl der Schweine nahm europaweit noch stärker zu. Aus 11,9 Mio. Schweinen in der Bundesrepublik 1950 waren 1989 22,5 Mio. geworden. In der DDR verdoppelte sie sich von 5,7 Mio. auf 12 Mio. Mit diesen Steigerungsraten bewegten sich die beiden deutschen Staaten wiederum in der Mitte des europäischen Feldes.28 Schließlich das Geflügel: aus 51,8 Mio. in der Bundesrepublik waren 72 Mio. Hühner geworden, aus 22,7 Mio. in der DDR 49,3 Mio. Wachsende Tierbestände, weniger Betriebe und weniger Beschäftigte bedeuteten, dass immer weniger Menschen immer mehr Tiere hielten; dass, im Wirtschaftsjargon, die Bruttowertschöpfung pro Erwerbstätigem stieg. In der Tat: In der DDR vervierfachte sich diese zwischen 1950 und 1989/90, in der Bundesre-

23 Siehe Statistisches Bundesamt, Anteil der Wirtschaftsbereiche. Landwirtschaft in der Bundesrepublik wurde, nach dem Ausscheiden betriebsfremder Lohnarbeiterinnen und -arbeiter, im Familienverbund betrieben und nicht alle auf dem Betrieb arbeitenden Menschen wurden in den Beschäftigtenzahlen der westdeutschen Landwirtschaft erfasst. Für die Beschäftigten in der DDR-Landwirtschaft, worunter allerdings auch viele Arbeiterinnen und Arbeiter subsumiert wurden, die nicht in der unmittelbaren landwirtschaftlichen Produktion, sondern in vor- und nachgelagerten Bereichen tätig waren, siehe Schwarzer, S. 82 f. 24 Heske, S. 55. 25 Ebd., S. 58. 26 Die Zahlen zu Tierstückzahlen bis 1975 stammen aus Mitchell, S. 309–339, diejenigen für 1980 von Eurostat. 27 In Frankreich (+ 49 %), Großbritannien (+ 35 %) und den Niederlanden (+ 81 %) entwickelten sich die Rinderbestände ähnlich, in Italien und Dänemark stagnierten sie. In Russland stieg die Zahl der Rinder am stärksten an, sie verdoppelte sich fast von 58 Mio. auf 109 Mio. Tiere. 28 Frankreich + 75 %, Großbritannien + 215 %, Italien + 120 %, Dänemark + 200 %, Tschechoslowakei + 81 %.

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publik verneunfachte sie sich.29 Die Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft nahm in den zwei Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs schneller zu als die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität.30 Die Landwirtschaft wuchs schwächer als die anderen Sektoren, an die sie beständig Anteile verlor, aber für sich genommen war sie weder in Ost- noch in Westdeutschland ein schrumpfender Wirtschaftssektor.31 Für dieses Wachstum waren insbesondere die Tiere verantwortlich: Die Wertschöpfung innerhalb der Landwirtschaft verschob sich vom Ackerbau zur Tierhaltung,32 an der sich die agrarische Produktion zwischen 1950 und 1990 in Deutschland immer stärker ausrichtete.33 Die vorgestellten Kennziffern der Tierhaltung deuten bereits einen Wandel an, der nicht nach eindimensionalem Bedeutungsverlust klingt. Nimmt man die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln, von Milch, Eiern und Fleisch, und deren Konsum im selben Zeitraum hinzu, wird greifbar, wie die vorliegende Arbeit zu ihrem Titel kam. Im Jahr 1950 lag der Verbrauch34 von Fleisch bei 37 kg pro Person in der Bundesrepublik (nachdem er von 53 kg 1935 auf 18 kg 1948 abgerutscht war) und 1990 war er bei 100,2 kg pro Person und Jahr angekommen.35 Der Rindfleischkonsum stieg um 92 Prozent, derjenige von Schweinefleisch um 161 Prozent und jener von Geflügelfleisch um 760 Prozent.36 In der DDR ent29 Setzt man für 1950 jeweils 100 % so lag sie 1980 bei 389,2 % in der DDR und bei 616,8 % der Bundesrepublik, Heske, S. 72 f. 30 Plumpe, S. 198. 31 Der Grund, weshalb das Wachstum der Landwirtschaft herkömmlicherweise nicht präsent ist, sondern primär ihr volkswirtschaftlicher Bedeutungsrückgang, ist das Drei-Sektoren-Modell und sein großer Erfolg. In den frühen 1930er Jahren im Kontext der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entstanden, entfaltete diese Lesart wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gemessen an Beschäftigten und Wertschöpfung spätestens ab den 1950er Jahren große Wirkmächtigkeit mit seiner Weltdeutung in Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung, siehe Graf u. Priemel. 32 Dieser Prozess begann im ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Abwanderung von Arbeitskräften in die industrielle Produktion zusammen mit dem Preisverfall von Getreide wegen der Öffnung des Außenhandels die Tierhaltung erstmals nachhaltig stärkte, siehe Kluge, Agrarwirtschaft, S. 78–81; Groschoff u. a., S. 37; Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüch­ ter e. V., Ergebnisse, S. 34 f. 33 Die Tierhaltung rückte ins Zentrum der deutschen Landwirtschaft und wirkte so steuernd auf den Ackerbau. Es wurden zunehmend jene Pflanzen angebaut, die der Tierhaltung als Futterlieferanten oder Güllerezipienten dienten. An erster Stelle ist hier die Ausdehnung von Grünmais zu nennen, der beide Funktionen vereint, siehe z. B. Windhorst, Die Struktur. 34 Der Verbrauch von Fleisch umfasst auch Knochen, Verluste, die Herstellung von Tierfutter und andere industrielle Verwertung von Tierbestandteilen, weshalb in neueren Statistiken seit etwa 1990 unterschieden wird zwischen dem tatsächlichen menschlichen Verzehr und dem Pro-Kopf-Verbrauch, flächig berechnet durch die Anzahl der geschlachteten Tiere. Der menschliche Verzehr liegt seitdem etwa ein Drittel unter dem Verbrauch und betrug im Jahr 2017 59,8 von 87,8 kg pro Person und Jahr verbrauchtem Fleisch in Deutschland, siehe Bundes­verband der Deutschen Fleischwarenindustrie e. V. 35 Teuteberg, Die Entwicklung, S. 94–96; siehe auch, bis 1975: ders., Der Verzehr, S. 349. 36 In der Bundesrepublik von 1,5 kg pro Person 1954, als der Geflügelfleischverzehr erstmals erfasst wurde, auf 11,4 kg 1990.

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wickelte sich der Fleischkonsum ähnlich: Von niedrigen 22 kg pro Person und Jahr 1950 ausgehend, lag er vierzig Jahre später bei ebenfalls 100,2 kg. Der Verzehr von Eiern stieg in den vier Jahrzehnten seit 1950 ebenfalls rasant. In der DDR verfünffachte sich der Eierkonsum fast von 63 Eiern pro Kopf im Jahr 1950 auf 305 im Jahr 1989, in der Bundesrepublik maß man in Kilogramm, dort stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von 7,4 kg Eier 1950 auf 15,4 kg 1989. Bei Milch entwickelte sich der Konsum weniger linear, weil der Eiweißbedarf zunehmend durch den gestiegenen Fleischkonsum gedeckt wurde. In der Bundesrepublik stieg der Milchverbrauch zunächst von 110 kg pro Person und Jahr, was etwa 113 Litern entspricht, auf 119 kg Mitte der 1950er Jahre. Danach nahm er kontinuierlich ab und war 1989 bei 91,7 kg pro Person angekommen. In der DDR trank man 1950 durchschnittlich 72 Liter Milch im Jahr, es gab ebenfalls eine Spitze Ende der 1950er Jahre bei 114 Liter. Anschließend pendelte sich der Pro-Kopf-MilchVerbrauch um die 100 Liter pro Person und Jahr ein. Zwischen 1950 und 1990 konnte die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln immer besser durch inländische Erzeugung befriedigt werden – in Bundesrepublik und DDR. Regelmäßiges Frühstücksei und tägliches Fleischgericht wurden zum ersehnten Standard.37 Die wachsenden Stückzahlen von Rindern, Schweinen und Geflügel reichen als Erklärung dafür, dass der gestiegenen Nachfrage nach tierischen Nahrungsmitteln beigekommen werden konnte, nicht aus. Es gab neunzig (Bundesrepublik) bzw. 125 (DDR) Prozent mehr Schweine, doch es wurde 161 Prozent mehr Schweinefleisch gegessen. Zwar führte die Bundesrepublik mehr Schweinefleisch ein als aus, aber auch das erklärt die Differenz nicht.38 Die Zahl der Legehennen nahm in der Bundesrepublik zwischen 1960 und 1980 sogar um zwanzig Prozent ab, während die Eiererzeugung im selben Zeitraum um 250 Prozent stieg. Hier wird klar: Die Tiere selbst haben damit zu tun. Nimmt man die Leistung von Legehenne, Milchkuh, Mastschwein und Masthähnchen in den Blick, zeigt sich, wo das eigentliche Zentrum des Wandels lag: im Körper des Tiers. Die durchschnittliche jährliche Legeleistung eines Huhns stieg von 120 Eiern 1950 auf 272 Eier 1990 in der Bundesrepublik,39 und von 95 auf 233 Eier in der DDR. Die jährliche Milchmenge der ost- wie westdeutschen Durchschnitts-Kuh 37 Die landwirtschaftliche Produktdiversifikation zugunsten von Fleisch, Eiern und Butter war in beiden deutschen Staaten nachfrageinduziert, wie Ökonomen es fassten. Allerdings fragten, das war nur ein Problem für die Landwirte in der marktwirtschaftlichen Bundesrepublik, die Konsumentinnen und Konsumenten mit immer kleiner werdenden Anteilen ihres Einkommenszuwachses Nahrungsmittel nach. Die landwirtschaftliche Nachfrage wuchs schwächer als die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Diese sinkende Preis- und Einkommenselastizität der Nachfrage der westdeutschen Industriegesellschaft brachte deshalb trotz absolut gestiegener Nachfrage nach tierischen Produkten kein wirtschaftliches Heil für die Landwirte, siehe Henrichsmeyer u. Witzke, S. 301–310; Plumpe, S. 211. 38 Ab 1970 in den EWG-Statistiken, davor nur Fleisch insgesamt in den Statistischen Jahr­ büchern. 39 Grüne Berichte bis 1970, danach Agrarberichte des BMEL; Bundesministerium für Ernäh­ rung und Landwirtschaft, Landwirtschaft verstehen, S. 9; Nause, S. 440.

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verdoppelte sich zwischen 1950 und 1989.40 Bei Masttieren, die zur Fleischerzeugung gehalten wurden, verdeutlicht die sogenannte Zuwachsleistung die enorme Produktivitätssteigerung. Der Fleischertrag pro geschlachtetem Rind stieg in den zehn Jahren nach 1950 von 103 kg auf 144 kg, obwohl das durchschnittliche Schlachtgewicht der Rinder in diesem Zeitraum um nur fünf Kilogramm stieg.41 Die Produktivität der Tierhaltung nahm in der Bundesrepublik im Vergleich zu 1938 bis 1979 um 58 Prozent zu und in der DDR um 21 Prozent.42 Die vorgestellten Zahlen verweisen auf eine drastische Veränderung im Stall, die eine enorme Erhöhung der tierischen Produktivität trotz stetig sinkender Beschäftigtenzahlen ermöglichte. Das ist die eine der zwei Dimensionen des Revolutionsbegriffs, der diese Arbeit überschreibt. Begreiflich machen die Zahlen diese Entwicklung nicht. Um den erkennbaren Wandel in seiner sozialen Bedeutung zu erklären, bilden die quantitativen Zusammenhänge nur den Grundstock dieser Arbeit. Die zweite Dimension des Wandels, die diesen erst zu einer Revolution im qualitativen Sinne macht, ist die kulturelle Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und ihren zur Lebensmittelproduktion gehaltenen Tieren. Am Knotenpunkt von Agrar-, Tier-, Wirtschafts-, Wissens- und Moralgeschichte: Forschungsstand und geschichtswissenschaftliche Verortung Die vorliegende Arbeit will nicht in eine Subkategorie der inzwischen so ausdifferenzierten Geschichtswissenschaft passen. Sie markiert den Knotenpunkt eines ganzen Bündels von Geschichten: der traditionsreichen Agrargeschichte und der neuen Tiergeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der jüngst so produktiven Wissens- und einer beginnenden Moralgeschichte. Dort, wo man die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung in der Zeit ihrer Industrialisierung vermuten würde, sucht man sie bisher vergebens. Zwischen der jüngst etwas belebten Agrargeschichte auf der einen Seite und der Tiergeschichte, die in den letzten Jahren beachtliche Fahrt aufgenommen hat, auf der anderen, klafft die Lücke der Industrialisierung landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert, die diese Arbeit füllen möchte. Die bisherige agrargeschichtliche Forschung stellt wertvolles Wissen über die Strukturentwicklung der Landwirtschaft und deren politische und gesellschaftliche Dimension bereit. Das Tier und das Geschehen im Stall wurden bisher jedoch ausgeblendet.43 So ist Deutschlands »langer Abschied vom Agrarland« gut 40 1950: 1.935 kg (DDR), 2.474 kg (Bundesrepublik), 1989: 4.180 kg (DDR), 4.853 kg (Bundesrepublik). 41 Durchschnittliches Schlachtgewicht aus gewerblich beschauten Schlachtungen aus Statistischen Jahrbüchern der Bundesrepublik, Fleischertrag je Rind aus Grünen Berichten. 42 Was auf planwirtschaftliche Ineffizienzen verweist, siehe Plumpe, S. 203. 43 Transformationsprozesse der landwirtschaftlichen Entwicklung von Boden, Menschen und Maschinen sind gut bekannt und zum Beispiel hier prägnant benannt: Zimmermann; Mah­ lerwein.

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dokumentiert:44 die Schwerpunktverlagerung von Ackerbau zur Tierhaltung im 19. Jahrhundert,45 die lange Tradition des handels- und zollpolitischen Schutzes des deutschen Agrarmarktes,46 das Zeitraffertempo, in dem sich Betriebs­ größenkonzentration, Mechanisierung und Arbeitskräfterückgang, wenn auch regional stark unterschiedlich, nach 1945 vollzogen.47 Knechte, Mägde, Instleute verschwanden und auch die Eigentümer der Höfe, deren Zahl weniger stark abnahm, wurden »zu Arbeitern gewissermaßen im Verlagssystem der Verbände, der Industrie- und Handelsunternehmen sowie besonders des Staates«.48 Das Erkenntnisinteresse verschob sich dementsprechend und ließ die politische Sphäre zum am besten erforschten Bereich der Agrargeschichte der Moderne werden.49 In den letzten beiden Jahrzehnten etablierte eine neue Agrargeschichte, deren Interesse »der Geschichte des ländlichen Raumes und aller seiner Bewohner« gilt.50 Das war in der Tat ein Paradigmenwechsel hin zu dem, was wir inzwischen als Rural History kennen.51 Tiere kommen in all diesen Arbeiten als quantifizierbare Faktoren zur Messung von Betriebsgröße und -spezialisierung vor, aber nicht als Lebewesen, obwohl ihre Lebendigkeit seit jeher den landwirtschaft­ lichen Produktionsprozess beeinflusste und zu seiner spezifischen moralischen Dimension beitrug. Wertvolle Inspiration lieferten zwei Studien, die sich der Geschichte des Ackerbaus im 20. Jahrhundert wissensgeschichtlich annahmen. Deborah Fitzgerald untersuchte in »Every Farm a Factory« die Durchsetzung des industriellen Ideals in der US-amerikanischen Landwirtschaft zwischen 1918 und 1930; Frank Uekötter beschäftigte sich in »Die Wahrheit ist auf dem Feld« mit dem auf deutschen Böden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gewonnenen biologisch-chemischen Wissen, das eine Bewirtschaftung nach industriellen Rhythmen erleichterte.52 Auch die Verwirklichung der politischen Zielvorstellungen produktiverer Tiere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist, analog zum 44 Formulierung entsprechend des wegweisenden Sammelbandes von Münkel, Der lange Abschied. 45 Achilles, S. 254–270. 46 Torp, Weltwirtschaft, S. 592–595; Münkel, Einleitung, S. 13; Spoerer, »Fortress Europe«. 47 Zur regionalen Differenzierung des landwirtschaftlichen Strukturwandels siehe zuletzt und grundlegend: Mahlerwein; Zu den gesellschaftlichen Transformationsprozessen, die der Strukturwandel der Landwirtschaft mit sich brachte, siehe Zimmermann; Mai. 48 Mooser, S. 30. 49 Langthaler u. Redl; Kröger; Hohmann; Kluge, Vierzig Jahre; ders., Ökowende; ders., Deutsche Agrarpolitik; Eichmüller; Bauerkämper, Umbruch und Kontinutität; Rüße; Streb; für die europäische Dimension der Agrarpolitik nach 1945 siehe Spoerer, Agricultural Policies; Patel, Europäisierung; Knudsen. 50 Aldenhoff-Hübinger, S. 239. 51 Die Rural History widmet sich dem ländlichen Raum mit all seinen Lebens-, Erfahrungsund Arbeitswelten. Siehe die inzwischen im 28. Jahrgang bei Cambridge University Press erscheinende Zeitschrift Rural History; besonders bewährt hat sich der umfassende Blick auf den ländlichen Raum zuletzt in kolonialen Settings, siehe Morgan; van Young. 52 Fitzgerald; Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld.

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Ackerbau, wissensgeschichtlich zu erklären. Neues, meist in staatlichen Forschungseinrichtungen gewonnenes, Wissen um körperliche Abläufe im Tier und deren möglichst effiziente Nutzung wurde in die Praxis überführt. Die Menschen der täglichen Interaktion mit dem Tier im Stall wurden Anwenderinnen und Anwender eines andernorts produzierten – und nicht länger intergenerationell tradierten – Wissens. Stellt die Agrargeschichte der Moderne auch wenig Information über die Bewirtschaftung von Tieren als Lebewesen bereit, liefert sie doch unverzichtbares landwirtschaftliches Kontextwissen.53 Der Revolutionsbegriff des Titels stammt aus der Agrargeschichte, in der sprunghafte Produktivitätsanstiege gerne als Revolutionen betitelt werden.54 Auch für Rinder, Schweine und Hühner gilt, dass ihr Produktivitätsanstieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine unbekannte Dimension erreichte, wodurch »die Industrialisierung der Agrarwirtschaft seit 1950 einer zweiten Agrarrevolution gleich[kam], vor deren Folgen selbst die klassische Agrarrevolution seit dem frühen 19. Jahrhundert verblaßte«.55 Anknüpfend an die These einer zweiten Agrarrevolution seit 1950, deren Bestandteile systematische Zucht, Mechanisierung, Kapitaleinsatz und eine auf den (politisch gesteuerten) Markt ausgerichtete Produktion waren,56 argumentiert diese Arbeit, dass dieser Umbruch nur dann in seiner Ambivalenz erfasst werden kann, wenn das Geschehen im Stall zusammen mit seiner gesellschaftlichen Verarbeitung in den Blick kommt. Sie geht damit über bisherige Revolutionsdiagnosen hinaus. Die Revolution, die landwirtschaftliche Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausmacht, erschöpft sich nicht in technokratischen und ökonomischen Veränderungen innerhalb der landwirtschaftlichen Sphäre. Sie umfasst ebenso das gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnis. Im Unterschied zur Agrargeschichte wimmelt es in der Tiergeschichte nur so von lebendigen Tieren. Ohne die tiergeschichtlichen Denkanstöße der letzten gut zehn Jahre, ohne die Auseinandersetzung mit ihren Konzepten, theoretischen Überlegungen und empirischen Fallstudien gäbe es die vorliegende Arbeit nicht. Rinder, Schweine und Hühner, zumal im modernen Setting ihrer industriellen Haltung, schafften es bisher allerdings kaum in den Fokus der Tiergeschichte. Noch viel stärker als die Tiergeschichte sind die interdisziplinären Human-Animal-Studies gewachsen.57 Sie beschäftigen sich mit dem Platz der 53 Anders als die Agrarsoziologie, in der ein verändertes gesellschaftliches Nachdenken über das Tier bereits neue Fragen zu Beziehung von Landwirt und Tier im Stall provozierte, siehe z. B. Jürgens. 54 Sowohl die landwirtschaftliche Revolution des ausgehenden 19. Jahrhunderts als auch die »Grüne Revolution« der 1960er Jahre kamen durch pflanzliche Ertragssteigerungen zu ihrem Namen, siehe Dipper; Torp, Die Herausforderung, S. 89 f.; Dix, Grüne Revolutionen; Federico, S. 84–89; Patel u. Moore, A History of the World, S. 149 f. 55 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 84. 56 Rüße. 57 Human-Animal-Studies sind ein interdisziplinäres internationales Forschungsfeld, dessen Institutionalisierung in Form von Handbüchern, Einführungswerken, Zeitschriften und

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Tiere in der sozialen und kulturellen Welt der Menschen58 und sind zugleich Ausdruck einer neuen Vorstellung von der Bedeutung von Tieren in Vergangenheit und Gegenwart.59 Die vorliegende Arbeit untersucht die Interaktionen zwischen Menschen und Tieren im Stall sowie die materielle und kulturelle Rolle landwirtschaftlich genutzter Tiere in der Gesellschaft und kann damit diesem Forschungsfeld zugerechnet werden. Auch ihr dezidiert historischer, das heißt empirischer und rekonstruierender Zugriff, löst ein in der Tiergeschichte formuliertes Desiderat nach Arbeiten jenseits der kulturellen Repräsentation der Tiere ein.60 Dieser historisierende Zugriff verträgt sich allerdings nur eingeschränkt mit den fortgeschrittenen Theoriediskussionen der Human-Animal-Studies.61 Die Gretchenfrage der tierhistorischen Theoriebildung ist, wie das Tier Einzug in die Vergangenheit halten soll. Unter dem Stichwort Agency leuchteten Historikerinnen und Historiker in den letzten Jahren den Platz der Tiere in der Geschichte aus, wobei die Bedeutung von Agency dabei von indirekten Formen der Mitwirkung und des Effekts – beispielsweise von Regenwürmern – bis zu intentionalem Handeln reicht.62 Inzwischen hat die Vorderfront der Agency-Debatte begonnen, die Grundfesten der Disziplin Geschichte zu unterwandern: »Animals Studiengängen nicht übersehbar ist. Arbeiten aus Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Geografie, Anthropologie, Geschichte, Literatur, Philosophie und (Verhaltens-)Biologie, Veterinärmedizin oder Animal Welfare Science beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen Menschen und Tieren in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Siehe vor allem: Marvin u. McHugh; die seit 2008 erscheinende Zeitschrift Humanimalia (https://www. depauw.edu/humanimalia/index.html, abgerufen am 8.3.2019); Taylor; Das Animals & Society Institute in Ann Arbor, Michigan, gibt seit 1993 die Zeitschrift Animals and Society heraus und ist die global wichtigste Institution zur Verbreitung von Human-Animal-Studies (https://www.animalsandsociety.org/human-animal-studies/has-links/, abgerufen am 8.3.2019). Für Deutschland siehe Kompatscher u. a.; Roscher, Human-Animal Studies; Berliner Arbeitskreis Chimaira für Human-Animal-Studies (http://www.chimaira-ak.org/, abgerufen am 8.3.2019) und die seit 2012 erscheinende Zeitschrift Tierstudien (http://www. neofelis-verlag.de/animal-studies/tierstudien/, abgerufen am 8.3.2019). 58 DeMello, S. 4. 59 Ritvo, S. 119. 60 Innerhalb der Tiergeschichte überwiegen bisher theoretische Arbeiten und solche, die sich auf die kulturelle Repräsentation der Tiere beschränkten. Das konkrete und tatsächliche Tier wurde jedoch schon als Desiderat erkannt und ausgerufen, siehe z. B. Krüger u. a., Animate History, S. 19; Wirth u. a., S. 12. 61 Siehe als Zusammenstellung der wichtigsten moralphilosophischen Texte: Schmitz; Gall, insb. Teil II und III für eine philosophische Kritik der deutschen Agrartierhaltung; Precht; die politisch-rechtliche Theoriebildung umfasst, gemessen am aktuellen Zustand des Verhältnisses zwischen Menschen und Haus, Labor- oder Nutztieren realistischere und utopischere Versionen, siehe Donaldson u. Kymlicka; das Themenheft »Politische Tiere«, Mittelweg 36 23. 2014, H. 5; und für einen aktuellen Überblick: Ladwig. 62 Themenheft »Does History Need Animals?«, History & Theory 52. 2013, darin insb. Shaw; Fudge, Milking Other Men’s Beast; Despret; zudem Latour; Schiel u. a., S. 19–22; zu den Regenwürmer siehe als ersten: Darwin.

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should not (always) be historicized« war kürzlich in History & Theory zu lesen, als Ewa Domańska vorschlug, die Vergangenheit »from the animal’s point of view« zu adressieren.63 Von Ansätzen dieser Art nimmt diese Arbeit Abstand.64 Sie strebt keine überzeitlich gültigen Gesetzmäßigkeiten des Verhältnisses zwischen Menschen und Tieren an, sondern rückt die Wandelbarkeit dieses Verhältnisses in ihr Zentrum.65 Rinder, Schweine und Hühner sind in dieser Arbeit potenziell historisch wirkmächtig. Ihr Einfluss auf das Geschehen war abhängig von ihrer Art, ihrer Beziehung zu anderen Akteuren und den Umständen, in denen sie lebten.66 Wendet man eine kürzlich formulierte Definition an, wonach »an agent or actor is minimally someone without whom things, especially a particular doing, might have been significantly different«, sind die Tiere dieser Arbeit wesent­liche Akteure.67 Letztlich aber ist die Fixierung auf Agency, obwohl eine wichtige Etappe der Tiere auf ihrem Weg in die Geschichte, nicht die produktivste, weil es die in der Geschichtswissenschaft überwundene Vorstellung von autonomen Akteuren, die losgelöst von wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen Geschichte machen, wiederbelebt.68 Die Rinder, Schweine und Hühner dieser Arbeit wurden aus wirtschaftlichen Gründen gehalten. Sie verbrachten ihr gesamtes Leben von Menschen kontrolliert, beherrscht und unterworfen. Landwirtschaftliche Tierhaltung erscheint deshalb geradezu als Paradeexempel für Michel Foucaults biopolitische Theorien: Tierhaltung als »Machtausübung, die auf die Entwicklung, Steigerung oder

63 Domańska, S. 278 u. S. 281; Ergebnis wäre »an alternative to history« und dabei käme »studies about animal cognition« eine große Rolle zu, siehe ebd. S. 278. 64 Zur Unüberwindbarkeit des Anthropozentrismus und zur Unzugänglichkeit der Präferenzen von Tieren (was jedoch menschliche Empathie und Fürsorge gegenüber Tieren nicht denunziert!), siehe Reemtsma, S. 88. 65 Unter Beweis stellten dies bisher z. B. Wöbse u. Roscher; Wöbse; Roscher, Zwischen Wirkungsmacht und Handlungsmacht; Zelinger. 66 Pearson. Zur situativen Akteursqualität von Tieren siehe Eitler, S. 261. Zwei Studien unterstrichen die Produktivität dieses Ansatzes für landwirtschaftliche Tiere kürzlich: Kendra Smith-Howard verortete Rinder in der US-amerikanischen Geschichte der Milch im 20. Jahrhundert zwischen den ökonomischen Interessen von Landwirten, Molkereien und Supermärkten und den Gesundheitsinteressen der Konsumentinnen und Konsumenten. Thomas Fleischman zeigte in der Gegenüberstellung von kollektivierter Schweinehaltung in den LPG der DDR und der dortigen ideologisch zwar nicht vorgesehenen, gegen Ende des Regimes aber immer wichtiger werdenden privaten Haltung von einzelnen Tieren, wie sehr die (von Menschen gesetzten) Rahmenbedingungen die Lebensbedingungen der Schweine beeinflussen. Siehe Smith-Howard; Fleischman. 67 Swart. In den Quellen landwirtschaftlicher Tierhaltung wird den Tieren sprachlich intentionale Akteursqualität zugeschrieben. Insbesondere dann, wenn die Bewirtschaftung nicht funktionierte wie intendiert, wurde den Tieren die Verantwortung dafür zugewiesen. Diese sprachliche Verakteurlichung des Tiers diente der moralischen Rechtfertigung seiner Schlachtung, die es sich durch seine verweigerte Mitwirkung selbst zuzuschreiben hatte. 68 Specht, S. 331.

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Verbesserung von Lebensprozessen zielt«,69 der Bauer, der dazu bestimmt ist, »Kräfte hervorzubringen, wachsen zu lassen und zu ordnen«,70 in Deleuze’scher Weiterentwicklung der Stall als »Kontrollgesellschaft«71 oder auch, nach Hardt und Negri, als Ort »biopolitischer Produktion«, in der »das Leben der Produktion und die Produktion dem Leben« dient.72 Das ist alles wahr. Ertragreich sind Foucault et al. im Stall jedoch nur, wenn man die Tiere als politisch zu berücksichtigende Mitglieder der Gemeinschaft denkt. Das werden sie inzwischen in Texten der Human-Animal-Studies,73 doch in den deutschen Ställen zwischen 1945 und 1990 wurden sie es nicht.74 Rinder, Schweine und Hühner hatten kein grundsätzliches Recht auf Leben. Das Ergebnis einer biopolitischen Analyse ihrer Haltung verspricht deshalb wenig Erklärungsmehrwert für die Veränderung landwirtschaftlicher Tierhaltung jenseits moralischer Verurteilung. Landwirtschaftliche Tierhaltung ist eine Wirtschaftspraktik. Es geht darum, die Lebensprozesse von Tieren möglichst gewinnbringend zu bewirtschaften. Ein praxeologischer Zugriff auf die Mikroebene des Geschehens im Stall bringt Licht in das Gefüge aus volkswirtschaftlichem Bedeutungsrückgang, ungekannten betriebswirtschaftlichen Steigerungsraten und einer spezifischen Melange aus Traditionen und neuartigen Verfahren. Das Geschehen in westdeutschen und erst recht in den industrialisierten ostdeutschen Ställen widerspricht einer monolithischen und naturwüchsigen Kapitalismusexpansion, der die Industrialisierung der Tierhaltung gern angekreidet wird. Die Tiere stellten sich einer völligen Umstellung auf kapitalistische Handlungslogiken immer wieder in den Weg. Sie taten das nicht durch intentionalen Widerstand, sondern durch die ihnen als Lebewesen eigenen körperlichen Prozesse und deren eingeschränkter Übersetzbarkeit in Zahlen. Die Eigenlogik der Körper zieht sich als roter Faden durch diese Wirtschaftsgeschichte »in action«,75 obwohl die Kapitalisierung der Tierhaltung in Bundesrepublik wie DDR zwischen 1950 und 1990 reichlich Fortschritte machte. Das landwirtschaftlich genutzte Tier ist ein Hybrid. Es ist zugleich Lebewesen, Maschine und Produkt. Die Gleichzeitigkeit von Geschöpf, Produktivkraft und Sache machte Rinder, Schweine und Hühner moralisch spannungsgeladen. Wurde die wirtschaftliche Nutzung von Tieren zur Lebensmittelherstellung auch nicht grundsätzlich abgelehnt, und das wurde sie im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit weder in der Bundesrepublik noch in der DDR, erzeugte 69 Folkers u. Lemke, S. 11. 70 Foucault, S. 66. 71 Deleuze, darin: Postskriptum über die Kontrollgesellschaften. 72 Hardt u. Negri, S. 290. 73 Donaldson u. Kymlicka; das Themenheft »Politische Tiere«, Mittelweg 36 23. 2014, H. 5. 74 In Settings, wo das weniger stark der Fall ist, können Tiere aber hilfreiche »Signifiers« für Machtkonstellationen sein, siehe Roscher, Animals as Signifiers. 75 Hier folge ich Sven Beckert, der für die Geschichte des Kapitalismus fordert: »Yet for the history of capitalism to succeed, it needs to focus very much on the materiality of capitalism, or what I call ›capitalism in action‹«, siehe Beckert, The New History of Capitalism, S. 247.

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sie eine Spannung, die eine Aushandlung darüber verlangte, bis zu welchem Punkt die Nutzung von Tieren ethisch akzeptabel war. Mit der Anwendung von neuem biologischem, betriebswirtschaftlichem und technischem Wissen im Stall wurden die Tiere – holprig und immer wieder stockend – eingepasst in den Rhythmus eines industriellen Produktionsprozesses. Diese Revolution im Stall forderte zusammen mit den sich wandelnden Rahmenbedingungen der Wohlstandsgesellschaft das herkömmliche Regelwerk landwirtschaftlicher Tierhaltung, in dem der wirtschaftliche Charakter in Einklang mit einer legitimen Tiernutzung gestanden hatte, heraus. Die Untersuchung landwirtschaftlicher Tierhaltung in der Phase ihrer Industrialisierung liefert ein empirisches Beispiel moralischer Ökonomie.76 Moral Economy, so Andrew Sayer, »is the study of how economic activities of all kinds are influenced and structured by moral dispositions and norms, and how in turn those norms may be compromised, overridden or reinforced by economic pressures«.77 Der Definition ist die Ökonomie des Moralischen hinzuzufügen, die Verhandlung der Moral als eine begehrte Ressource diskursiver und gesellschaftlicher Macht. Die moralische Bewertung von Tierhaltung und betriebswirtschaftlicher Optimierung beeinflussten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegenseitig. Der dem Tier in der Branche zugeschriebene Wert orientierte sich zunehmend an seinem Geldwert im Produktionsprozess, während die Konsequenzen der Kostenoptimierung für das Tier ihrerseits über gesellschaftliche Kritik auf die Bewertung wirtschaftlicher Praktiken zurückwirkten. Die Veränderung der Praktiken der Tierhaltung wurde von weiteren moralischen Anforderungen flankiert: Der Verbesserung mühsamer und schlecht entlohnter Arbeitsbedingungen im Stall, der stetigen, ausreichenden und günstigen78 Bereitstellung gesundheitlich unbedenklicher Lebensmittel und der Verantwortung dem Tier als Lebewesen gegenüber. Durch diese vielfältigen und zum Teil konfligierenden moralischen Ansprüche an das Geschehen im Stall hat die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert über das Ökonomische hinausgehend etwas beizutragen zu einer Moral History.79 Moral tritt neben dem ökonomischen Alltagsgeschäft des Stalls als Wissenskultur in Erscheinung, als seit den 1970er Jahren die Verhaltensforschung auszuloten versuchte, an welchem Punkt eine ökonomisch günstige Nutzung ethisch bedenklich wird und als Prozess öffentlichen Aushandelns, seit sich die Me76 Inspirierend für den moral economies approach waren empirische Studien, die einzelne Wirtschaftspraktiken auf die sie beeinflussenden moralischen Ansprüche hin befragten wie: Zaloom; Trentmann. 77 Sayer, Approaching Moral Economy, S. 78. 78 Die geringe Haltbarkeit von Milch, Eiern und vor allem Fleisch schwächte zusammen mit dem schwach ausgeprägten Markencharakter tierischer Lebensmittel die Bereitschaft mehr Geld als nötig auszugeben zusätzlich, weil Konsumentinnen und Konsumenten generell umso billigere Ware bevorzugten, je kurzfristiger das Konsumziel war, siehe Langer, Revolution im Einzelhandel, S. 394. 79 Knoch u. Möckel, S. 93 f.

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dienöffentlichkeit ebenfalls seit den 1970er Jahren für das Geschehen im Stall interessierte. Moral also steht nicht am Beginn dieser Untersuchung, sondern ist ihr Gegenstand in Form einer nachgeordneten Analysekategorie. Bis 1990 war sie noch zu keinem Movens der Geschichte geworden.80 Aber sie war bereits zum neuen Bindeglied zwischen Stall und deagrarisierter Gesellschaft geworden. Zuschnitt, Quellen, Aufbau Die Produktivitätssteigerung im Stall begann nicht erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts, und sie endete nicht 1990. Aber seit etwa 1950 verdichtete sich der Wandel und richtete das Verhältnis zwischen Mensch und landwirtschaftlich genutztem Tier grundlegend neu aus. Landwirtschaftliche Tierhaltung durchlief in beiden deutschen Staaten einen biologischen, wirtschaftlichen und technischen Wandel. Die Idee unbeschränkter Machbarkeit bekam trotz der enormen Produktivitätssteigerung parallel bereits Risse, weil die neuen Haltungsmethoden unbeabsichtigte Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt zeitigten. Angesichts der zwei konkurrierenden politischen Regime in Deutschland nach 1945, die höchst unterschiedliche gesellschaftliche Programme verfolgten, wecken die Ähnlichkeiten des Geschehens im Stall besonderes Interesse. Die Arbeit nimmt die Phase in den Blick, in der die Weichen für die Bahnen gestellt wurden, in denen sich landwirtschaftliche Tierhaltung seither im wiedervereinigten Deutschland bewegt. Die Arbeit beginnt, als es an vielem mangelte, an Butter, Fleisch und Eiern, an Wohnraum für die Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und in der Landwirtschaft vor allem an Tieren: Während es in zahlreichen Neubauernstellen nach der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR überhaupt keine Tiere gab,81 fehlte es in den westlichen Besatzungszonen und der frühen Bundesrepublik zumindest an gesunden Tieren, die sich zum Wiederaufbau der Tierbestände eigneten.82 In den 1950er Jahren vollzog sich »die jährliche Abwanderung aus der Landwirtschaft […] dreimal so schnell wie im Durchschnitt der vorangegangenen 100 Jahre«83 und stellt mit der Freisetzung von etwa zwei Millionen landwirtschaftlichen Arbeitskräften »die spektakulärste Entwicklung« auf dem Arbeitsmarkt dieses Jahrzehnts dar.84 Dass die Reduzierung des traditionell radikalisierungsanfälligen agrarischen Milieus in der Konsolidierungsphase der westdeutschen Demokratie ohne nennenswerte Konflikte ablief, ist der Erfolg der später wegen ihrer Kosten in 80 In Form von ethisch motivierter, die Wirtschaftlichkeit einschränkender Rechtsprechung oder ebensolchem Konsumverhalten. 81 Steiner, Von Plan zu Plan, S. 39 u. S. 47 f. 82 Dix, Ländliche Siedlung als Strukturpolitik. 83 Ambrosius, S. 107. 84 Schildt, S. 19; Lutz Raphael weist auf die Rolle des öffentlichen Diensts neben der Industrie hin, der in Deutschland und Frankreich, im Gegensatz zu Großbritannien »die vielen Söhne von Landwirten, die mit dem Ende der traditionellen Bauernwirtschaft Aus- und Einkommen […] suchten« aufnahm, Raphael, S. 36.

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die Kritik geratenen Agrarpolitik.85 Dieses »politische Wunder« war möglich geworden durch die Wachstumskraft »während des ›Wirtschaftswunders‹ […], das die freigesetzten Arbeitskräfte in eine expandierende Industrie aufnahm«.86 Agrarpolitik im 20. Jahrhundert war damit, nicht nur wegen der bleibenden Bedeutung einer ausreichenden Lebensmittelversorgung, stets mehr als die Organisation der Landwirtschaft. Sie war immer auch Wohlfahrts- und Sozialpolitik und stand in engem Zusammenhang mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.87 Auch in der DDR wanderten die landwirtschaftlichen Beschäftigten, vielerorts erfolglos gebliebene Neubauern, kräftig in Industrie und Dienstleistung ab, während 1952 die Kollektivierung der einzelnen Bauernstellen in die ersten LPG begann.88 Ziel war in beiden Ländern die Versorgung der Bevölkerung mit günstigen Lebensmitteln und zugleich ein Einkommen der Beschäftigten in der Landwirtschaft, das diese mit der Einkommensentwicklung in der restlichen Gesellschaft Schritt halten ließ.89 Ein »Syndrom aus Wissenschaft und Staat«90 machte dafür seit den 1950er Jahren große Pläne: in der DDR Fünfjahrespläne mit Produktionssoll und Ablieferungspflichten in Absprache mit Moskau91 und in der Bundesrepublik seit 1956 den »Grünen Plan«, der mit Subventionen, Zuschüssen und Prämien zugleich die Einkommen der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die Produktivität im Stall und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft verbessern sollte.92 Für die Bundesrepublik wurden die Pläne mit Beginn der Integration des Agrarsektors in die Zuständigkeit der EWG seit

85 Zur Rolle des Deutschen Bauernverbandes bei der Reduzierung »des Protestpotentials eines besonders radikalisierungsanfälligen Teils der Gesellschaft« und der Förderung der Demokratieakzeptanz deutscher Bauern, siehe Patel, Der Deutsche Bauernverband, S. 161. Zur breiteren, nicht nur wirtschaftlichen, historiografischen Einordnung der Agrarpolitik der EWG außerdem: Spoerer, Agricultural Policies, S. 192. 86 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 82; Plumpe, S. 200. 87 Siehe vor allem Knudsen, S. 308–317. Knudsen zeigt, dass die hohen Steuerausgaben im Bereich der Landwirtschaft seit den 1950er Jahren in eine Kontinuität wohlfahrtsstaatlicher Ziele im 20. Jahrhundert einzuordnen sind. Programme zur Einkommenssicherung der Landwirte wurden als sozialpolitische Verteilungsmechanismen konzipiert und sind damit eher »social engineering« als erfolgreiche Lobbyarbeit starker Produzentenverbände. 88 Ambrosius, S. 115; zum Scheitern der Bodenreform und Beginn der Kollektivierung, Schöne, Frühling auf dem Lande?, S. 57 u. S. 63. 89 Siehe zur Rolle von Konsum zur Herrschaftsstabilisierung in Bundesrepublik und DDR und der Einschließung der bäuerlichen Bevölkerung in den gesamtgesellschaftlichen Konsumtrend, Siegrist, S. 30. 90 Herbert, S. 807: Ein Syndrom aus Wissenschaft und Staat prägte das lange Jahrzehnt der Planungseuphorie zwischen 1963 und 1975, das sich aber bereits seit den 1950er Jahren ausgebreitet hat. 91 Steiner, Von Plan zu Plan, S. 92–101. 92 Der Grüne Plan fußte auf dem Landwirtschaftsgesetz von 1955, siehe neben den Originaldokumenten, https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/lwg/gesamt.pdf (abgerufen am 8.3.2019), Funk; van Deenen.

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Ende der 1950er Jahre auf europäischer Ebene gemacht.93 Hier war die Steigerung der Produktivität der Kern aller Pläne; sie war seit der Konferenz von Stresa 1958, auf der die Bundesrepublik mit Frankreich, Italien und den Benelux-­ Staaten beschloss, die Agrarpolitik zu vergemeinschaften und einen gemeinsamen Markt für Agrarprodukte zu schaffen, die »konsensfähige Zauberformel« der europäischen Agrarpolitik.94 Und sie blieb es: Das Dogma der Produktivitätssteigerung blieb durch alle Windungen der in den nächsten Jahrzehnten folgenden Spirale aus Überproduktion und subventioniertem Export hindurch unangetastet.95 Wegen der rigideren Möglichkeit der Planbarkeit im Staatssozialismus und wegen tatsächlicher Erfolge der Landwirtschaft der DDR verfolgten Agrarexperten in Westdeutschland die Tierhaltung im Osten ab Mitte der 1960er Jahre einige Jahre sehr aufmerksam.96 Ab Mitte der 1970er Jahre aber wurden die Größenordnung und die Spezialisierung der Betriebe in der DDR wirtschaftlich nicht mehr beherrscht. Sie zogen so große Effizienzverluste nach sich, dass das planwirtschaftliche Agrarmodell an westlicher Aufmerksamkeit verlor.97 Den überschwänglichen Planungszielen folgte auch in der Bundesrepublik Ernüchterung, und zwar in der westdeutschen Landwirtschaft bereits im Laufe der 1960er Jahre und damit etwa ein Jahrzehnt früher als in anderen Politikfeldern.98 Das Geschehen in den Ställen und die gesellschaftliche Reaktion darauf eignen sich, die These von zunächst uneingeschränkt begeisterter Fortschrittsplanung und anschließendem Bruch der Machbarkeitsfantasien »nach dem Boom« zu akzentuieren: in Richtung einer Ernüchterung in- und außerhalb der Branche bereits »während des Booms« auf der einen und einem Fortbestehen ökonomischer Prosperität und Technikgläubigkeit über manifeste kulturelle Krisen hinaus auf der anderen Seite.99 Unbehagen, Skepsis und Widerstand in 93 Hierzu wegweisend: Patel, Europäisierung; außerdem Germond; Türk, Das Bild des Bauern; zum »Mansholt Plan« als Paradebeispiel für den Glauben an die großflächige Modernisierung von Agrargesellschaften zu (post-)industriellen Gesellschaften durch Planung: Seidel. 94 Patel, Europäisierung, S. 105. 95 Für eine kritische Einordnung der europäischen Agrarpolitik für die Bundesrepublik als »evidentes System der Irrationalitäten […] zugunsten einer winzigen Minderheit von Produzenten, auf Kosten aber der erdrückenden Mehrheit, die von der Wohltat niedriger Weltmarktpreise konsequent ferngehalten wurde«, siehe Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 86. 96 Merkel u. Immler; Immler, Arbeitsteilung. 97 Steiner, Von »Hauptaufgabe zu Hauptaufgabe«, S. 239. 98 Patel, The Paradox of Planning, S. 268. 99 In zweierlei Hinsicht fügt sich die Entwicklung der Tierhaltung nicht in das Konzept von Strukturbruch und gesellschaftlichem Wandel, siehe ursprünglich Doering-Manteuffel u. Raphael; für die Ausdifferenzierung des Formwandels in Arbeit, Gesellschaftspolitik und Konsum, Doering-Manteuffel u. a. Nicht nur war ihre Fortschrittsplanung der 1950er und 1960er Jahre bereits begleitet von Niedergangs- und Destabilisierungsängsten, das fordistische Produktionsmodell mit kleinteilig zerlegten Arbeitsschritten und standardisierten Massenprodukten setzte sich flächendeckend erst nach 1970 durch  – aller begleitenden Skepsis zum Trotz.

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der Branche selbst und seit Ende der 1960er Jahre auch in der Gesellschaft raten an, die Ambivalenz stets miteinzubeziehen, die Fortschrittsplanung, Modernisierung und Wachstum im Stall stärker begleitete, als dass sie ihnen nachfolgte. Landwirtschaftlicher Tierhaltung in Westdeutschland kam eine Vorreiterrolle beim Hinweis auf die Grenzen von Machbarkeit und die Kosten des Wachstums in anderen Währungen als der Ökonomie zu. 1990, am Ende des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit, waren mit einer spezialisierten und mechanisierten Tierhaltung, die in neuen Dimensionen und neuen Rhythmen wirtschaftete, jene Prozesse etabliert, die der Branche auch seither zu anhaltenden Produktivitätsrekorden verhalfen. Warum Deutschland? Die Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel ist ein globales Phänomen.100 Die hier erzählte Geschichte ist ohne internationalen Austausch und Transfer nicht denkbar und ein nationaler Zuschnitt ist in globalhistorischen Zeiten begründungsbedürftig. Dennoch sprechen drei Gründe für dieses räumliche Format der Arbeit. Erstens ist es der im internationalen Vergleich durch Nachkriegsmangel und anschließenden Wirtschaftsaufschwung zeitlich verdichtete Wandel, der den deutschen Fall zu einem ansprechenden historischen Untersuchungsgegenstand macht.101 Zweitens ist es die nationalsozialistische Vorgeschichte als diskursives Präludium der Revolution im Stall. Als wirtschaftliche Grundlage von Erzeugungsschlacht, Vierjahresplan und Kriegsproduktion wurde Schweinen und Rindern im Nationalsozialismus eine bemerkenswerte und im Vergleich zur Weimarer Republik anders gelagerte Aufmerksamkeit zuteil:102 Sie sollten, eingepasst in die rassistische Blut-und-Boden-Ideologie, ernährt von deutschen Futtermitteln, auf deutschen Böden und mit deutschen Genen, möglichst effizient Fleisch, Milch und Arbeitskraft bereitstellen, um dem deutschen Volk zum Sieg zu verhelfen.103 Der Reichsnährstand forderte die deutschen Landwirte bereits im Dezember 1934 auf »Leistungstiere und nicht leistungsunfähige Fresser« zu halten.104 Dieses faschistische animalische Modernisierungsprojekt blieb zum größten Teil in politisch-ideologischen Absichtsbekundungen stecken. In seinem Kontext aber wurde das Wissen der Effektivitätssteigerung im Stall generiert, das wesentlich

100 Landwirtschaftlicher Tierhaltung in Deutschland wurde im Unterschied zur derjenigen anderer europäischer Länder, allen voran der britischen, bisher weniger historiografische Aufmerksamkeit zuteil, siehe Godley u. Williams, The Chicken, the Factory Farm, and the Supermarket; dies., Democratizing Luxury; Godley u. Tessari; Sayer, ›His Footmarks on her Shoulder‹; Woods, Rethinking the History; dies., Science, Disease and Dairy Production; Martin, The Development; Sayer, Animal Machines; daneben: Gnabro; Bieleman. 101 »[I]m Zeitraffertempo« vollzog sich der Wandel ab 1950 im Gegensatz zur ersten Jahrhunderthälfte, was Betriebsgrößenkonzentration, steigende Mechanisierung und den Rückgang der Arbeitskräfte anbelangt, so Münkel, Einleitung, S. 14. 102 Roscher, Das nationalsozialistische Tier, S. 32. 103 Saraiva, S. 13 u. S. 101–135. 104 Schulze, S. 14 f.; Roscher, Das nationalsozialistische Tier, S. 40; Corni u. Gies, S. 325.

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war für die Geschwindigkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich stattfindenden Transformation der Tierhaltung. Drittens und vor allem ist es die deutsche Teilungsgeschichte, die den Untersuchungsraum legitimiert. Sie ist, dafür plädiert diese Arbeit, mehr als die Summe aller Unterschiede zwischen Bundesrepublik und DDR. Als »asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte«105 entlang der »pragmatischen Problemstellung«106 landwirtschaftlicher Tierhaltung bietet sie eine gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte. Die Landwirtschaft war ein Wirtschaftsbereich, der im jeweils anderen deutschen Teilstaat rezipiert wurde und die dortige Landwirtschaftspolitik beeinflusste. Das Scheitern einer Bodenreform in Westdeutschland ist ohne die pauschale und entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) kaum zu erklären und die Kollektivierung in der DDR wiederum trug zum langen Festhalten am Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes in der Bundesrepublik bei.107 Gerade durch die Teilung blieben Ost- und Westdeutschland zentrale Bezugspunkte und wichtiger füreinander als andere Nachbarländer. Rivalität, Konkurrenz und permanente Abgrenzung verliehen dem Geschehen in den Ställen im jeweils anderen Teilstaat Bedeutung.108 In ganz Deutschland war bis 1945 die Diskrepanz zwischen ideologischem Anti-Modernismus und praktizistischer Modernisierung im Unterschied zur landwirtschaftlichen Entwicklung anderer europäischer Länder am stärksten ausgeprägt.109 Nach 1945 stellte es für DDR und Bundesrepublik weiterhin eine Herausforderung dar, Praxis und Rhetorik in Einklang zu bringen, jedoch auf neue Weise: Die DDR rang nun darum, in der Praxis ihr industrielles Ideal zu erreichen, das – nicht ohne Ironie – der landwirtschaftlichen Konzeption des »imperialistischen Klassenfeindes«, der USA, zu weiten Teilen entsprach, während die Bundesrepublik ihre industrielle Praxis der Tierhaltung vor der Gesellschaft zu verbergen versuchte und nicht müde wurde, sich trotz beständigem materiellen und ideellen Austauschs mit den USA von deren Produktionsweise abzugrenzen.110 Ein deutsch-deutscher Blick auf die Tierhaltung, und damit auf einen gesellschaftlichen Basisprozess mit großer Alltagsbedeutung, ist attraktiv, weil er 105 Kleßmann, Spaltung und Verflechtung; ders., Konturen einer integrierten Nachkriegsgeschichte, S. 8–10. Aber anders als Kleßmann sehe ich in der landwirtschaftlichen Tier­ haltung stärker bereits in den Anfangsjahren der beiden deutschen Staaten und nicht erst seit den 1970er Jahren geteilte und systemübergreifende Herausforderungen. 106 Wirsching, S. 15. 107 Bauerkämper, Verflechtung in der Abgrenzung, S. 74. 108 Bösch, Geteilte Geschichte. Plädoyer, S. 106. 109 Mai, S. 505. 110 Zwischen 1918 und 1930 entstand das industrielle Ideal in der Landwirtschaft der USA. »Agricultural economy« als wissenschaftliche Disziplin und »farm management« als deren praktische Umsetzung sind die zwei Säulen der ideengeschichtlichen Umwälzung von Bauernhof zu Fabrik, siehe Fitzgerald. Zum Amerikabild der DDR in Staatspropaganda, Schulunterricht und privaten Haushalten siehe Borthfeldt, zu den strukturellen Ähnlichkeiten der Landwirtschaft in USA und Sowjetunion siehe Fleischman, S. 17.

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ausgetretene Pfade verlässt:111 Die DDR-Tierhaltung fügt sich in kein Bild einer nachgeholten Modernisierung im Sinne einer Anpassung an den Westen, eher eilte sie ihr voraus. Zumindest punktuell tat sie das in Form realisierter industriemäßiger Tierproduktion, die dem verklärten bäuerlichen Familienbetrieb gegenüberstand.112 Aber auch mit Blick auf Betriebsstruktur und Arbeitsabläufe großer spezialisierter Rinder-, Schweine- und Geflügelbetriebe zeigen sich zentrale Entwicklungen moderner Tierhaltung in der DDR nicht später oder weniger radikal als im Westen. Ein breites Spektrum an Haltungsformen unter europä­ ischer Integration und protektionistischer Marktwirtschaft hier und Zwangskollektivierung und sozialistischer Planwirtschaft dort unterstreicht, dass die Demarkationslinie nicht entlang der politischen Grenze verlief.113 Milch, Fleisch und Eier sollten zur sicheren eigenen Versorgung der Bevölkerung in beiden deutschen Staaten so rasch, günstig und reichlich wie möglich erzeugt werden und landwirtschaftliche Tiere durch systematische Zucht so leistungsstark, dass sie zu begehrten, devisenbringenden Exportgütern wurden. Auf dem Weg zu diesen Zielen einte DDR und Bundesrepublik eine landwirtschaftliche Wachstumsideologie.114 Der Glaube an Fortschritt und Planung entfaltete trotz markanter Nebenwirkungen in beiden Staaten eine bemerkenswerte Beharrungskraft.115 Der größte Fallstrick dieser Perspektive ist es, die systembedingten Unterschiede zu nivellieren, allem voran die Reichweite der SED-Diktatur.116 Landwirte, die bis Anfang 1960 noch nicht freiwillig in die LPG eingetreten waren, 111 Historische Überblickswerke bringen die strukturelle Ähnlichkeit der Entwicklung der Landwirtschaft in den Jahrzehnten seit 1950 in Ost- und Westdeutschland oft unintendiert auf den Punkt, wenn sie für das eine Deutschland Bestandsaufnahmen fassen, die ebenso für das andere gelten könnten, siehe z. B. Wolfrum, S. 148: »Der primäre Sektor, die Landwirtschaft, schrumpfte stark, die übriggebliebenen Betriebe entwickelten sich immer mehr in Richtung auf eine Agrarindustrie, sowohl was Ackerbau als auch was Formen der Tierhaltung anbelangte.« 112 Der bäuerliche Familienbetrieb hatte keine moderne Tradition, er entstand erst in den Nachkriegsjahrzehnten, als die familienfremden Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter von den Höfen verschwanden. Gunther Mai spricht von einer Refamiliarisierung der Betriebe, siehe Mai, S. 496. Ann-Christina Knudsen bezeichnet die von den Interessenverbänden beständig befeuerte zentrale soziokulturelle Institution des bäuerlichen Familienbetriebs im ländlichen Raum Europas als Mythos, Knudsen, S. 308. Zudem ist der Begriff, in den USA wie in Europa, erst in den agrarpolitischen Auseinandersetzungen des beginnenden Kalten Krieges populär und politisch geworden, siehe Hamilton. 113 Wirsching, S. 18. 114 Kluge, Agrarwirtschaft, S. 45; Rüße. 115 Planungseuphorie und Fortschrittsoptimismus war allgegenwärtig in den landwirtschaftlichen Verlautbarungen von Wissenschaft und Politik der DDR, siehe Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft; Heinz, Von Mähdreschern und Musterdörfern; Poutrus, Lebensmittelkonsum; zum Glauben an die Planbarkeit in der Bundesrepublik: Metzler. Zu den Nebenwirkungen für Flora und Fauna siehe Uekötter, Die Wahrheit ist auf dem Feld, S. 391–434; zu den fiskalpolitischen Nebenwirkungen des eigeschlagenen Subventionspfades in der Bundesrepublik: Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 85. 116 Bösch, Geteilte Geschichte. Plädoyer, S. 105.

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wurden wegen angeblicher Kriegsschuld, Unterschlagung oder anderer »Feindtätigkeiten« angeklagt, man erhöhte ihre Ablieferungspflichten und entzog ihnen jegliche Unterstützung bei der Zuteilung von Maschinen, Krediten, Saatgut und Tieren.117 Die Zahl der bäuerlichen Republikflüchtlinge erhöhte sich daraufhin ebenso deutlich wie die der Brandstiftungen und Selbstmorde.118 Der Verlust der bäuerlichen Handlungsautonomie über die eigenen Tiere erzeugte derartigen Zorn und Verzweiflung, dass es nach der erzwungenen Vollkollektivierung 1960 zu Misshandlungen und illegalen Schlachtungen, vor allem von Rindern, kam.119 Das ist ein Unterschied zur westdeutschen Landwirtschaft, selbst wenn der dortige Kostendruck Bauern ebenfalls zu Vergrößerung oder Betriebsaufgabe »zwang«. Dennoch halte ich es für fruchtbar, die politische Demarkationslinie nicht a priori als Explanans zu setzen, sondern von dem Geschehen her an die Geschichte heranzutreten. Dafür bietet sich der Alltag in den Ställen an, da es sich bei der Landwirtschaft um einen nicht systemspezifischen Sektor handelt und ein Vergleich deshalb durchaus möglich ist.120 In beiden deutschen Staaten nutzten die Menschen vor Ort ihre Handlungsspielräume und konstituierten damit die hier erzählte Geschichte. Schließlich war der Systemunterschied zwischen statischer Planwirtschaft und dynamischer Marktwirtschaft bei der landwirtschaftlichen Tierhaltung weniger stark ausgeprägt als in anderen Wirtschaftsbereichen.121 Die Agrarpolitik von Bundesrepublik und EWG bediente sich gesteuerter Preis- und Marktmechanismen, die produktive Betriebe unterstützten und weniger produktive in das betriebswirtschaftliche Abseits drängten; die ostdeutsche Agrarpolitik führte Betriebsformen, die Produktion und Produktivität steigern sollten, per direktem Arm in die Ställe ein.122 In beiden 117 Laue, S. 157. 118 Schöne, Die Landwirtschaft der DDR, S. 35 f. 119 Schöne, Frühling auf dem Lande?, S. 38, S. 194–199 u. S. 234. Herbert, S. 724; vor allem aber: Laue, S. 158–163: Die Tiere wurden vernachlässigt und verendeten unzureichend gefüttert in zu kalten Ställen, sie wurden aber auch explizit misshandelt: Kühen wurden die Schwänze gebrochen, ihnen wurden Stich- und Schnittwunden zugefügt, sie wurden blind geschlagen, ihr Futter wurde mit Glasscherben, Nägeln oder Pflanzenschutzmitteln vergiftet. 120 Möller, S. 7. Dorothee Wierling folgend begreife ich die doppelte Asymmetrie zwischen der stärker von der wirtschaftskräftigeren Bundesrepublik abhängigen DDR und dem unterschiedlichen Charakter der Quellen als beherrschbar, nicht zuletzt, weil auch von den West-Quellen nicht direkt auf tatsächliche Verhaltensweisen geschlossen werden kann, echte Parallelquellen kaum je zur Verfügung stehen und der schärfende Vergleich somit stets Herausforderungen zu nehmen hat, siehe Wierling. 121 Die Preise landwirtschaftlicher Produkte, als eines von vielen Regulierungsbeispielen, blieben in beiden deutschen Staaten, im Unterschied zum Abbau der Preisregulierung anderer Konsumgüter, unter staatlicher Kontrolle, siehe Haupt u. Nolte, S. 132. 122 Plumpe, S. 207–209: Die staatliche Intervention in die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge des Agrarsektors war paradox, weil ihre Maßnahmen den Preisdruck der einzelnen Betriebe senken sollten, oft genug aber angebotssteigernd wirkten, sodass die Preise weiter fielen, das Überangebot stieg und der Preisdruck auf die Betriebe nicht gemildert wurde.

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Systemen waren die Produktionsbedingungen landwirtschaftlicher Tierhaltung politisch bestimmt. Öffentliche Archive und ihre Akten bildeten den Grundstock der Rekons­ truktion des Geschehens in den Ställen. Die Akten der Landwirtschaftsministerien von Bundesrepublik und DDR im Bundesarchiv an den Standorten Berlin und Koblenz waren ebenso hilfreich wie die umfassenden Bild- und Filmsammlungen des Filmarchivs des Bundesarchivs und des Sächsischen Staatsarchivs am Standort Leipzig. Bildquellen und Filmmaterial, das zu Bildungs- und Aufklärungszwecken seit den 1950er Jahren in großer Zahl angefertigt wurde, war nützlich, weil darin, im Unterschied zu Schriftgut, die Tiere selbst sichtbar sind. Als besonders einträglich erwies sich daneben Archivmaterial aus landwirtschaftlichen Forschungsinstituten wie dem Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung in Mariensee, der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle, des Land- und Hauswirtschaftlichen Auswertungs- und Informationsdienstes (AID) und dem Archiv der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Zeitungen und Zeitschriften der Branche, wie das auflagenstarke Bayerische Landwirtschaft­liche Wochenblatt, die Tierärztliche Umschau, die Mitteilungen der DLG und die ostdeutschen Zeitschriften Tierzucht, Aktuelles aus Wissenschaft und Politik für die sozialistische Landwirtschaft, Neue Deutsche Bauernzeitung und Ratgeber für die Sozialistische Landwirtschaft, aber auch die Protokolle der DDR-Bauern­kongresse gaben Auskunft über die jeweils aktuellen Herausforderungen im Stall. Agrarwissenschaftliche Publikationen, darunter die Zeitschrift Berichte über Landwirtschaft des bundesdeutschen Landwirtschaftsministeriums, populäre landwirtschaftliche Lehrbücher und Veröffentlichungen von praktischen Akteuren wie Zuchtverbänden oder Futtermittellieferanten machten den Wissenstransfer in die Ställe seit 1950 greifbar. Der breiteren gesellschaftlichen Diskussion wurde vor allem im Neuen Deutschland, der Berliner Zeitung, der Neuen Zeit, dem Spiegel und der ZEIT nachgegangen. Neben dem klassischen Quellenstudium ist Praxeologie als sozialtheore­ tische Perspektive hervorzuheben. Der Tiere wegen bietet sich ein praxeologischer Blick an, der historische Phänomene als Ergebnis beständiger Handlungen und Praktiken versteht und aus dem Geschehen heraus erklärt.123 Sein Kern ist eine Nahaufnahme des Geschehens im Stall und dessen materieller Dimension. Durch ihre körperliche Präsenz und die Auswirkungen ihres Verhaltens erhalten die Tiere so auch in der historischen Analyse jenes Gewicht, das sie in den täg­lichen Interaktionen ihrer Bewirtschaftung hatten. Der Mehrwert einer praxeologischen Perspektive reicht noch weiter: Erstens schärft die Arbeit das Bewusstsein für die historische Gewordenheit einer Sphäre, die herkömmlicherweise der überzeitlichen Natur zugeordnet wird. Die Praktiken der Nutztierhaltung lassen erkennen, dass die Tiere »nichts Fest123 Brandes u. Zierenberg. Zu Praxeologie in der Tiergeschichte siehe Krüger u. a., Animate History, S. 30–33.

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stehendes sind, sondern Produkte von Materialisierungsprozessen«.124 Sie sind das Ergebnis konkreter gesellschaftlicher Forderungen nach Lebensmitteln mit spezifischen Eigenschaften und ausreichend bezahlter Arbeit, die über Konsumentscheidungen und politische Weichenstellungen an das Wirtschaften im Stall herangetragen wurden. Die Rinder, Schweine und Hühner der Nachkriegsjahrzehnte sind Produkte menschlichen Handelns – allerdings Produkte sui generis, deren lebendige Materialität ihre Bewirtschaftung verkomplizierte. Sie wirkten zurück auf die Menschen, sodass mit Edmund Russell festgehalten werden kann: »Humans have shaped the evolution of other species and this intervention has significantly changed both, humans and other species.«125 Zweitens verspricht die praxeologische Perspektive Licht ins Dunkel der Ausgangsfrage zu bringen, wie es dazu kam, dass mit der landwirtschaftlichen Tierhaltung ein Wirtschaftszweig, mit dem die meisten Menschen in täglichem Kontakt standen, aus der Gesellschaft herausfiel. Durch die »genaueste Beschreibung der Arten und Weisen, wie wir unsere wirtschaftlichen Aktivitäten als Subjekte der Moderne miteinander hervorbringen«,126 vergrößert sie das Verständnis für die Entstehung und Durchsetzung industrieller Tierhaltung. Im besten Falle möchte die hier vorgelegte Analyse durch ihre Sensibilisierung für die Alltagspraktiken landwirtschaftlicher Tierhaltung beitragen zu einer »Aufklärung im wirtschaftlich-politischen Sinne, die politische Initiativen […] auf konkrete Zukunftspfade, jenseits aller Utopie, lenken könnte«127 – anstatt resignativ die niederträchtige Natur des Menschen zu beklagen, derentwegen er nicht ordentlich mit der Kreatur in seiner Obhut umzugehen vermag. Der Fokus auf konkrete Körper und das was sie tun, auf kleinteilige Praktiken und ihre materielle Dimension ist die methodische Konsequenz der pra­ xeologischen Perspektive. Damit knüpft die Arbeit an einen jüngeren kulturund geschichtswissenschaftlichen Trend an, der weg von Symbolen und Sprache, hin zu einem nahen Blick auf Material und konkrete Handlungen weist.128 Landwirtschaftlich genutzte Tiere eigneten sich dafür in besonderer Weise, weil ihr Beitrag zu Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft konkret, fassbar und materiell war.129 In drei Dimensionen veränderte sich die Arbeit mit den Tieren seit der Mitte des 20. Jahrhunderts: Körper, Wirtschaft und Technik. Biologische und medizinische Praktiken veränderten erstens die Körper der Tiere. Zweitens überformte ein für landwirtschaftliche Tierhaltung neuartiges wirtschaftliches Denken 124 Möhring, Andere Tiere, S. 251. 125 Russell, S. 2. 126 Welskopp, Zukunft bewirtschaften, S. 82. 127 Ebd. 128 Für eine Forschungsperspektive, die den Materialitätsbegriff von Artefakten zugunsten einer »Sozio-Materialität«, die Materialität immer schon verschränkt sein lässt mit ihrer sozialen Wirkung, siehe Kalthoff u. a., S. 14. 129 Shaw, S. 11.

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das Geschehen in den Ställen. Drittens revolutionierten neue Techniken der Unterbringung und Versorgung das Mensch-Tier-Verhältnis. Das Geschehen in den Ställen erfuhr in allen Sparten landwirtschaftlicher Tierhaltung eine Umwälzung in diesen drei Hinsichten. Die körperlichen, wirtschaftlichen und technischen Praktiken änderten sich sowohl in den Rinder- als auch in den Geflügel- und Schweineställen. Allerdings waren sie nicht bei jeder Tierart gleich gut beobachtbar. Die drei Dimensionen des Wandels im Stall werden daher jeweils anhand derjenigen Tierart untersucht, bei der sie am aussagekräftigsten beschrieben werden können.130 Die Arbeit gliedert sich dementsprechend in drei gleichberechtigte Teile:131 Erstens wird die Veränderung der Praktiken am Tierkörper untersucht, und zwar entlang der Körper von Kühen und Bullen, von Kälbern und von Jungrindern. Den Körpern der Rinder als große und teure Tiere kam besondere Bedeutung zu: Ihre Produktivität sollte erhöht werden, aber möglichst ohne Verluste, weil bereits ein totes Tier ein verhältnismäßig großes Loch in die Kasse des Betriebs riss. Zweitens wird die Etablierung des neuen wirtschaftlichen Regimes landwirtschaftlicher Tierhaltung anhand der Geschichte der Geflügelhaltung analysiert. Planung und Schaffung der Geflügelhaltung als eigenständige Sparte landwirtschaftlicher Tierhaltung in Deutschland seit den 1950er Jahren zeigen die neue wirtschaftliche Logik beständiger Kostenrechnung am eindrücklichsten. Jede landwirtschaftliche Nutzung von Tieren war allerdings stets Wirtschaft. Auch die Optimierung der Körper, die anhand der Rinderhaltung des ersten Kapitels, und die technische Umgestaltung der Ställe, die im dritten Kapitel anhand der Schweinehaltung zur Sprache kommt, fanden unter wirtschaftlicher Ägide statt. Stets ging es darum, die Bewirtschaftung der Tiere gewinnträchtiger und verlustärmer zu gestalten. Die zeitlich verdichtete Entwicklung der Geflügelhaltung zeigt jedoch besonders deutlich, wie strategische Zahlenüberlegungen als eigenständige Dimension neben die Optimierung der Tierkörper und die Neuorganisation der Ställe trat. Rechnen, Kalkulieren und Planen wurden zu täglichen Praktiken der Akteure im Stall. Drittens zeigen die Arbeitsabläufe im Schweinestall entlang der Ursachen technischer Rationalisierung und ihrer Auswirkungen, inwiefern sie das Verhältnis zwischen landwirtschaftlich genutzten Tieren und den mit ihnen arbeitenden Menschen räumlich 130 Analytisch sind die drei Dimensionen nicht absolut gleichrangig, weil ökonomische Zusammenhänge der letztendliche Fluchtpunkt auch körperlicher und technischer Veränderungen im Stall waren. Doch einem allein auf ökonomische Veränderungen gerichteten Blick blieben jene Verschiebungen im Stall verborgen, die für die qualitative Neukonfiguration des Verhältnisses zwischen Menschen und landwirtschaftlich genutzten Tieren verantwortlich waren. 131 Diese Gliederung erinnert, unabsichtlich aber nicht unpassend, an William Cronons lehrreiche Stadtwerdung Chicagos, dessen zweiten Teil »Nature to Market« er entlang dreier Rohstoffe und deren Prozessdimensionen der Vermarktlichung erzählt (»Pricing the ­Future: Grain«, »The Wealth of Nature: Lumber« und »Annihilating Space: Meat«), siehe Cronon.

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neu konfigurierten. Der analytische Zugriff dieser Dreiteilung entbehrt nicht aller Chronologie. Die drei Kapitel Rinder / Körper, Hühner / Wirtschaft und Schweine / Technik sind ihrerseits chronologisch aufgebaut und bilden zusätzlich selbst eine ungefähre Chronologie ab. Die Rinderhaltung des ersten Kapitels bewegte sich am stetigsten auf seit Ende des 19. Jahrhunderts eingeschlagenen Pfaden und dominierte die Diskussion über landwirtschaftliche Tierhaltung in Branche wie Gesellschaft in den 1950er Jahren. Das änderte sich ab etwa Mitte der 1960er Jahre, als die Geflügelhaltung als industrialisierter Betriebszweig aus dem Boden schoss und in kurzer Zeit einen neuartigen wirtschaftlichen Modus der Tierhaltung ins Zentrum der Diskussion rückte. Die neue Art Geflügel zu halten inspirierte wiederum die Schweinehaltung, die dem Geflügel nicht nur in ökonomischer, sondern auch in technischer Hinsicht nacheiferte. Das allerdings verstärkte moralische Fragen, die mit dem Aufkommen neuer Haltungstechniken zunächst die Branche selbst beschäftigten. Seit etwa 1970 trat zunehmend die breitere Gesellschaft an ihre Stelle und ließ mit dem Aufkommen äußerer Kritik die brancheninternen kritischen Stimmen leiser werden. Im Kontext des ökologischen Paradigmenwechsels entstanden neue Perspektiven auf Ernährung und Umwelt, die die moralische Einbettung landwirtschaftlicher Tier­ haltung seither rekonfigurierten.

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1. Rinder: Optimierung von Körpern »This is a cow«, sagte Pat Paulsen unter großem Gelächter, als er 1968 zum ersten Mal als Präsident der USA kandidierte.1 »This is another cow«, fuhr er fort, und das Gelächter wurde größer. Sechs Mal kandidierte Paulsen (1927–1997) bei US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen – immer als Komiker und Satiriker. »Now back to politics«, setzte er wieder an, »let’s talk about communism. Under communism, if you had these two cows, you would milk those cows and give your milk to the government. As soon as it got sour, the government would sell it back to you. […] Let’s move right along to capitalism«, steuerte er mit schneller werdenden Worten auf die Pointe zu, »under capitalism, if you have two cows, you milk one, sell the other to make a down-payment on a bull. Then you put them both in your wife’s name and declare bankruptcy«. Um kapitalistische und kommunistische Kühe geht es in diesem Teil, allerdings um deutlich mehr als zwei. Anders als bei Paulsen legt die Geschichte der Rinderhaltung im Staatssozialismus der DDR und der gesteuerten Marktwirtschaft der Bundesrepublik jedoch nahe, dass gerade Kühe kein geeigneter Fall für Wirtschaftsbeispiele aus dem Lehrbuch sind. Ihre körperliche Beschaffenheit und das ihrer Art eigene Verhalten machten die Bewirtschaftung von Rindern zu einer ökonomisch verzwickten Angelegenheit  – unabhängig vom übergeordneten Wirtschaftssystem. Besonders deutlich wurde diese körperliche Eigenlogik seit 1950, als die Tiere um ihrer Produktivitätssteigerung willen in ein betriebswirtschaftlich optimiertes Produktionsarrangement eingepasst werden sollten.2 Legt man zwei Bilder desselben Betriebs von 1950 und 1990 nebeneinander, stechen die Veränderung der Gebäude ins Auge sowie neue Maschinen, die die Felder bearbeiten. Beides erklärt jedoch nicht, weshalb die Durchschnitts-Kuh 1950 um die 2.000 Kilogramm Milch im Jahr gab und 1990 etwa doppelt so viel. Die Erklärung dafür ist in der Arbeit am Tierkörper zu finden. Tiermedizin, Tierzucht und Biologie popularisierten altes und neues Wissen über körper­liche Abläufe der Rinder. Die Politik versuchte sicherzustellen, dass dieses Wissen 1 Der Sketch »Two Cows« kann nachgehört werden auf dem Album Pat Paulsen, Pat Paulsen For President, Rubicon River Records 1968, Track 2. Live lief er in einer Sendung der »The Smothers Brother Comedy Hour« des Senders CBS, http://www.smothersbrothers.com/ episodes.htm (abgerufen am 8.3.2019); zu Kühen und ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung als »kapitalistisches Tier par excellence« siehe Werner, Die Kuh. Werner führt ebenfalls Paulsens Sketch an, allerdings reduziert um die entscheidende Schlusspointe nach dem Bullenkauf, wonach Betrug und illegitime Bereicherung Teil des Kapitalismus sind, S. 20. 2 Zur Bedeutung der Zukunftsorientierung wirtschaftlichen Handelns und der daraus resultierenden Prekarität der Entscheidungen siehe Beckert, Capitalism as a System of Expectations.

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seinen Weg in die Ställe fand. Die Anwendung von Körperwissen in einer neuartigen flächendeckenden Durchdringung der Rinderhaltung war verantwortlich für eine präziser und umfassender werdende Steuerung der Körper der Tiere.3 Dieser Teil untersucht, wie neue und alte Körperpraktiken den Rindern zu einer ungekannten Produktivität verhalfen. Die Neuausrichtung der Arbeit am Tier ging nicht glatt vonstatten, weder von Seiten der am Tier arbeitenden Menschen noch von Seiten der Tiere selbst. Um das zu verstehen, müssen wir zurück in die 1950er Jahre. Das einzelne Tier verlor im Zuge der Wohlstandsentwicklung in beiden deutschen Staaten an materiellem und ideellem Wert. Der vormals hohe ökonomische und zugleich moralische Wert eines Rindes wurde in der deutschen Landwirtschaft seit 1950 abgelöst von einem variableren, stets an die aktuelle körperliche Produktivität gebundenen Körperwert des Tiers. Hier, am Körper des Tiers, wurde die legitime Grenze der Tiernutzung unter Bauern und Bäuerinnen, Tierärzten und Agrarpolitikern verhandelt4 – und zwar bevor sich die breitere Gesellschaft für das Geschehen in den Ställen zu interessieren begann. Dabei überrascht, in welchem Maße auch die Tiere den Prozess ihrer körperlichen Transformation beeinflussten. Ihre Lebendigkeit sprengte die reibungslose Implementierung veränderter Körperideen stets aufs Neue. Appetitlosigkeit, Milchverweigerung oder ein ausbleibender Besamungserfolg begrenzten die wirtschaftliche Planbarkeit im Stall. Drohender Leistungsabfall und drohender Tod waren in Form von Verdienstausfall und Gewinnminderung das Argument für die Berücksichtigung der Tiere im Produktionsprozess. Doch ihre Mitgestaltung im Stall blieb begrenzt: Die Entfaltungsmöglichkeit des körperlichen, »viehischen Eigensinns«5 endete dort, wo es günstiger erschien, das Tier auszumustern, als seinen Befindlichkeiten Rechnung zu tragen. Im Folgenden wird zunächst die miserable Ausgangslage nach 1945 in den Blick genommen, als es an Futter, an Ställen und an gesunden Tieren mangelte (1.1). Die Mangelsituation verdeutlicht die stets gültig bleibende Grundvoraus3 Wissen und Wissenschaft prägten bereits seit Aufklärung und Koselleck’scher Sattelzeit sowohl wirtschaftliche Praktiken als auch die Vorstellungen von Wirtschaft, siehe bspw. Vogel. 4 Gewalt gegen landwirtschaftlich genutzte Tiere war innerhalb der Branche nicht per se mora­ lisch toleriert; manche Gewalt gegen manche Tiere wurde als moralisch anstößig empfunden und verurteilt, und diese Konflikte weisen auf Verschiebungen im Verhältnis zwischen Mensch und Tier im Stall hin. Zur anthropologischen Aussagekraft von Gewalt gegenüber Tieren siehe Reemtsma, S. 88. 5 Welskopp, Zukunft bewirtschaften, S. 93; Alf Lüdtke entwickelte Eigen-Sinn als historiografisches Konzept in den 1980er Jahren zur Beschreibung der Relevanz individueller Handlungen für Macht, Unterwerfung, Mitmachen oder Aufbegehren und zeigte dessen Potential zunächst anhand der Handlungen von Fabrikarbeitern siehe Lüdtke, Eigen-Sinn; ders., The History of Everyday Life, S. 313 f. Die historiografische Idee des Eigensinns ist insofern ­adaptierbar auf die Verhaltensweisen der Rinder, als auch die eigentliche Intention der Handlungen eigensinniger Menschen nicht kausal maßgeblich für deren historische Wirksamkeit ist, sondern gerade das Geflecht der Individuen mit Herrschaftskonfigurationen deutlich machen möchte.

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setzung funktionierender Tiere für landwirtschaftliche Tierhaltung. Eine stärkere Kontrolle, Überwachung und eine präzisere Steuerung körperlicher Abläufe der Tiere jedoch deuten sich bereits hier als Merkmale einer veränderten Rinderhaltung an. Anschließend wird die alltägliche Arbeit am Tier untersucht. Füttern und Melken als traditionelle, jedoch seit 1950 sich deutlich verändernde, Praktiken erstens (1.2) und die Rinderzucht samt Einführung der künstlichen Besamung der Tiere zweitens (1.3) intensivierten den Zugriff des Menschen auf den Körper des Tiers. Bundesrepublik und DDR stehen in der Analyse dieses Teils etwa gleichberechtigt nebeneinander, wobei die einzelnen Praktiken am Rind jeweils nacheinander betrachtet werden, um die unterschiedlichen agrarpolitischen Weichenstellungen in diesem ersten Teil gründlich einzuführen. In beiden Ländern rückt der Konsum jener Produkte, die Rinder herstellten oder selbst zu werden bestimmt waren, wiederholt ins Blickfeld – als Ratio hinter dem Unterfangen landwirtschaftlicher Tierhaltung. Der Zusammenhang zwischen lebendigem Tierkörper, konsumierbarem Produkt und menschlichem Körper verknüpfte das Geschehen im Stall auf intime, wenn auch zunehmend unbemerkte Weise mit dem Kern individueller und kollektiver Existenz.

1.1 Arbeit am Tier I: Wiederaufbau im Stall Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fehlte es in Deutschland an ausreichend Futter, an Ställen, in denen die Rinder nicht krank wurden und an Tieren selbst, an Kälbern, Kühen und Bullen. Die Rinder fehlten als Zugtiere auf den Feldern. Aber vor allem fehlten sie, weil es ohne sie an Milch und Fleisch mangelte und damit an Eiweiß und Fett für die Bevölkerung. In der Mangelerfahrung wurde die Verbindung zwischen dem Zustand der Tierbestände und der Verfügbarkeit von Grundnahrungsmitteln unmittelbar spürbar. In allen Besatzungszonen und seit 1949 sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik herrschte deshalb einmütiger politischer Konsens über einen möglichst schnellen Aufbau einer leistungsfähigen Tierhaltung. Die Mangelerfahrung erklärt, inwiefern die Radikalität der angespannten Ernährungssituation die körperliche Leistungsverbesserung der Tiere zu einem Leitnarrativ hat avancieren lassen, das auch in der späteren Wohlstandsgesellschaft wirkmächtig blieb. Zudem zeigen sich bereits in der Verwaltung des Mangels Organisationsschwierigkeiten einer staatlich geplanten Milch- und Fleischproduktion, die die Rinderhaltung in den folgenden Jahrzehnten in beiden deutschen Staaten begleiten sollten.

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1.1.1 Kuhlose Neubauern und die fehlenden Tiere der DDR Der Wiederaufbau der Rinderhaltung rangierte hoch auf der Agenda der Sowjetischen Militär-Administration (SMAD), die die spätere DDR 1945 verwaltete. »Zum Zwecke der Erhaltung und schnellster Vermehrung landwirtschaftlicher Nutztiere in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Deutschlands befehle ich«, ließ der Oberste Chef der SMAD Georgi Schukow am 3. November 1945 verlauten, »[i]m Laufe eines Monats alle landwirtschaftlichen Zuchttiere männlichen Geschlechts aufzunehmen und einen Plan zu deren Ausnutzung aufzustellen«.6 Insgesamt zwölf Punkte fasste der auch von Armeegeneral Wassili Sokolowski, der Schukow im März 1946 als oberster Chef der SMAD nachfolgte, unterzeichnete Befehl Nummer 134. Er verbot eigenmächtige Schlachtungen, verlangte die Wiederherstellung einer lückenlosen Dokumentation des Zuchttierwesens und übertrug den Ländern die Verantwortung für die Erfüllung des Befehles.7 Aufgrund dieser Vorlage erließ die Abteilung Landwirtschaft und Forst der Landesverwaltung Sachsen, wie alle Landesverwaltungen der SBZ, am 23. November 1945 eine Anordnung zum Befehl Nr. 134, die vorsah, sämtliche zur Zucht verwendete Vatertiere zu registrieren.8 Unter Punkt 5 wurde »[d]as Schlachten und der Verkauf zum Schlachten« von männlichen und weiblichen Tieren aller Arten verboten. Verstöße waren »beim ersten Mal mit einer Geldstrafe in fünffachem Marktpreis der Tiere, bei Wiederholung durch gerichtliche Verantwortung« zu ahnden. Selbst Bauern, die »nach Erfüllung ihrer Pflicht­ abgabe einen Überschuss an Vieh haben«, durften die Tiere nur an Personen verkaufen, »die eine Bescheinigung des Landrates haben, dass sie das Vieh nicht zum Schlachten, sondern zur Aufzucht« erwerben.9 Die landwirtschaftliche Situation in der SBZ war verheerend. Bauernhöfe waren zerstört, Felder vermint, Gutsbetriebe fluchtartig verlassen worden. Der Landwirtschaft fehlte »jegliches lebende und tote Inventar«, notierte Edwin Hoernle, 1918 Gründungsmitglied der KPD und nach 1945 »einziger ausgewiesener Agrarexperte der erweiterten Parteispitze«,10 der seit September 1945 als Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Land- und Forstwirtschaft für die Durchführung der Bodenreform verantwortlich war.11 900.000 Rinder weniger als vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in der sowjetischen Besatzungszone.12 Der Mangel an Arbeitskräften, an Gespannen und Maschinen, an Saatgut 6 Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde [im Folgenden: BArch Berlin], DK 1/8327, Befehl des obersten Chef d. SMAD vom 3. November 1945: Maßnahmen zur Vermehrung des Viehs. Berlin, 3.11.1945, Bl. 23. 7 Ebd. 8 BArch Berlin, DK 1/8327, Landesverwaltung Sachsen, Abteilung Landwirtschaft und Forst, Dresden, den 23.11.1945, Anordnung zum Befehl Nr. 134 vom 3.11.1945. 9 Ebd. 10 Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 44. 11 Hoernle, S. 146. 12 Eckart, S. 185.

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und Futtermitteln ließ die Aussichten landwirtschaftlicher Erzeugung desolat erscheinen.13 Die Viehbestände waren »katastrophal dezimiert«;14 vor allem in den Nordbezirken, in Brandenburg und Mecklenburg waren nur mehr 38,7 bzw. 58,1 Prozent der Rinder im Vergleich zu 1938 vorhanden.15 Fehlende Tiere bedeuteten fehlendes Essen. Es gab 1945, und auch in den folgenden Jahren, weder Ressourcen, noch die dafür nötige Infrastruktur, noch den dafür notwendigen ernährungswissenschaftlichen Überbau, um Fett und Eiweiß anders als durch örtliche Tiere bereitzustellen.16 Zudem waren immer mehr Menschen zu ernähren: Die Provinzen der späteren DDR waren insbesondere betroffen von den ankommenden Flüchtlingen. Ende 1947 stellten die in der SBZ euphemistisch als »Umsiedler« bezeichneten Flüchtlinge 24,3 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner, in Mecklenburg waren es 1950 sogar 42,5 Prozent – zu etwa 21,1 Prozent in Bayern im Vergleich.17 Es gab zu wenige Rinder für eine ausreichende Versorgung einer steigenden Zahl von Menschen, zunächst vor allem mit Milch als wichtigstem Fett- und Eiweißlieferanten. Um den Rinderbestand aufzubauen, war es notwendig, die vorhandenen Tiere erst dann zu schlachten, wenn sie möglichst viele Nachkommen in die Welt gesetzt hatten. Allerdings gab es Landstriche, in denen es selbst hierfür nicht genug Tiere gab. Die Lösung war bereits in Befehl Nr. 134 angedacht: Nach Erfassung aller Tiere sollten Rinder aus den viehreicheren Gegenden in die viehärmeren oder gar »viehleer« gewordenen verschickt werden.18 Die Viehverwertungsverbände GmbH in Berlin-Charlottenburg war beauftragt worden, vor allem in Thüringen Rinder anzukaufen und sie »den zu beliefernden Ländern und Provinzen zuzuleiten«.19 Die auf dem Papier einsichtige Maßnahme stieß in der Praxis jedoch auf Widerstand.20 13 Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 233–235. 14 BArch Berlin, DK 1/8327, Aktenvermerk für Herrn Präsident Hoernle, Berlin, d. 19.11.1945, Betrifft Durchführung d. Befehles No. 134, Bl. 31. 15 Bauerkämper, Antinomien der Modernisierung, S. 367; ders., Ländliche Gesellschaft, S. 234. 16 Dieser wirtschaftshistorische Zusammenhang ist bisher zu kurz gekommen in der aktuellen Debatte über Tiere als Nahrungsmittel: Die Legitimität von Fleisch als Nahrungsmittel in nicht traditionell vegetarischen Gesellschaften steht in Zusammenhang damit, in welchem Maße das Nutzen und Töten von Tieren eine unverzichtbare Ernährungsgrundlage darstellte. Diese historische Lokalisierung allerdings schwächt das moralische Argument nicht – wie intuitiv zu erwarten wäre: Sämtliche moralische Ideen sind in einem spezifischen wirtschaftlichen Kontext entstanden. Gerade aus diesem Wissen um historische Variabilität kann die freie Entscheidung erwachsen, in einer Ernährungssituation, in der die eigene Gesundheit nicht vom Verzehr tierischer Lebensmittel abhängt, auf jene zu verzichten. Hierzu auch Precht, S. 366–368. 17 Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 237; zum Einfluss der landwirtschaftlichen Entwicklungen Bodenreform und Kollektivierung auf die gesellschaftliche Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen, siehe Bretschneider. 18 Schimmelpfennig. 19 BArch Berlin, DK 1/8327, Aktenvermerk für Herrn Präsident Hoernle, Berlin, Betrifft: Durchführung des Befehles No. 134, 19.11.1945, Bl. 19. 20 Ebd., Bl. 31.

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1946 konnte die Zahl der Rinder in der gesamten SBZ um 17,8 Prozent erhöht werden, regional verhielt sich der Rinder-Wiederaufbau aber sehr unterschiedlich.21 Thüringen hatte im April 1947 bereits 97 Prozent der Bestandszahl von 1938 erreicht, Brandenburg und Mecklenburg waren jedoch mit 52 und 59 Prozent nach wie vor nur bei etwas über der Hälfte der Vorkriegs-Rinderbestände.22 Die SMAD befahl aufgrund dieser Zahlen eine 1947 und 1948 anhaltende »Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg«, um Tiere längerfristig aus den viehreicheren Gegenden in die viehärmeren zu verfrachten.23 Weiterhin ging der Rinder-Transfer nicht glatt vonstatten, und zwar aus drei Gründen, die auf die Dimension des Mangels und auf die Eigenheiten der Produktion von Tieren verweisen: Zunächst mussten die Waggons, in denen die Tiere transportiert wurden, polizeilich begleitet werden, damit die Kühe, Kälber und Bullen nicht gestohlen wurden. Nicht nur innerhalb Thüringens, also nahe der unfreiwilligen Viehspender, sondern auch »innerhalb der anderen Eisenbahndirektionsbezirke, die diese durchlaufen«, waren die Transporte zu bewachen, um »Diebstähle an Rindern« zu verhindern.24 Zweitens trat die »Viehaufbauaktion« in Konkurrenz zum Plan der Tiervermehrung. Wenn die zuchttauglichen Tiere wie befohlen abgegeben wurden, standen sie nicht mehr dort zur Verfügung, wo sie den berechneten Zielen der Produktionssteigerung durch Tiervermehrung zugrunde gelegt worden waren. Drittens schuf die »Viehaufbauaktion« Unmut unter denjenigen Bauern, die Tiere abzugeben hatten: »Allzu verständlich«, sei es, »dass niemand gerne, wenn er etwas hat, davon abgibt, zumal es sich hier um lebendige Werte handelt, die durch Geld schwerlich aufzuwiegen sind«, hielt die Hauptabteilung Tierzucht der Landwirtschaftsverwaltung der SBZ fest, als sie am 12. Juni 1947 den Ursachen der Verzögerung auf den Grund ging.25 In der angespannten Ernährungssituation war der Wert des Rindes als Lebensmittellieferant nicht in Geld aufzuwiegen, weil die Bauern 21 BArch Berlin, DK 1/8344, Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948, Befehl des Oberbefehlshabers der Sowjetischen Militär-Administration – des Oberkommandierenden der Gruppe Sowjetischer Besatzungstruppen in Deutschland. Über den Plan der Entwicklung der Tierzucht im Jahre 1947, S. 5. 22 BArch Berlin, DK 1/8344, Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948, Dr. Lützenberg in der Deutschen Verwaltung für Land- u. Forstwirtschaft, Bl. 137, 21.4.1947. 23 Umverteilungen von Vieh zugunsten von Mecklenburg und Brandenburg »schwächten die Viehwirtschaften in den südlichen Gebieten der SBZ und schürten Konflikte zwischen Altund Neubauern«, siehe Steiner, Von Plan zu Plan, S. 48; BArch Berlin, DK 1/8344, Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948, Abkommen zwischen der Landesregierung Thüringen und der Provinzialregierung Mark Brandenburg, Viehaufbauaktion Brandenburg-Mecklenburg laut Befehl 64 der SMAD, Bl. 43. 24 BArch Berlin, DK 1/8344, Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948, Berlin, den 24.7.47, Hauptabteilung Tierzucht An die Hauptabteilung Technik Herrn Gohlke, im Hause. Betr.: Viehaufbauaktion Mecklenburg / Brandenburg; Sicherung der Transporte vor Diebstahl, Bl. 89. 25 BArch Berlin, DK 1/8344, Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948, Berlin, Hauptabteilung Tierzucht, 12.6.1947, Bl. 105.

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sich von diesem Geld im Gegenzug kein Nahrungsäquivalent kaufen konnten. Fleisch, Milch, Fett und Eier waren nicht frei verfügbar, sondern rationiert und, sofern überhaupt verfügbar, nur gegen Vorlage der entsprechenden Lebensmittelkartenabschnitte erhältlich.26 Dass es speziell in Brandenburg und Mecklenburg an Rindern mangelte, hatte seinen Grund nicht nur in den dortigen Kriegszerstörungen. Die Bodenreform hatte neben nun verstaatlichte Gutsbetriebe auf Lohnarbeiterbasis und alteingesessene Mittel- und Kleinbauern eine Vielzahl neubäuerlicher Parzellenbesitzer treten lassen.27 Im September 1945 hatte die entschädigungslose Enteignung von Großgrundbesitzern mit über einhundert Hektar Land sowie von als Kriegsverbrecher eingestuften Bauern und die anschließende Neuverteilung dieses Landes an landlose Kleinbauern, Landarbeiter und Flüchtlinge eingesetzt. Brandenburg und Mecklenburg waren wegen ihrer vormaligen großflächigen Gutsherrschaften von der Umstrukturierung der Besitzverhältnisse auf dem Land besonders stark betroffen. Etwa ein Drittel des Landes war konfisziert und neu verteilt worden, im Unterschied zu nur 6 Prozent in Thüringen, wo klein- und mittelbäuerliche Betriebe dominiert hatten und zunächst, längstens allerdings bis zur Zwangskollektivierung 1960, als solche fortbestanden.28 All die entstandenen Neubauernstellen brauchten zumindest eine einzige Kuh, damit aus ihnen Zukunftsperspektiven erwachsen konnten. Nicht nur als Milch- und Fleischlieferanten fehlten die Rinder nämlich,29 sie fehlten auch für die Erzeugung pflanzlicher Nahrung. Die Rinder wurden noch gebraucht als Arbeitskräfte auf Feld und Acker. Traktoren waren zwar schon aufgefahren am Horizont, aber sie blieben zunächst nirgends weiter entfernt als in den prekär 26 Roesler, S. 294; Milch, Fett und Fleisch waren in der DDR bis 1958 und damit acht Jahre länger als in der Bundesrepublik rationiert. 27 Kluge, Die »sozialistische Landwirtschaft«, S. 20. 28 Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 67 f. 29 Die Verbesserung der Fleischversorgung sollte nicht nur durch wachsende Rinderbestände erreicht werden, sondern auch durch den Ausbau der Schweinemast. Zu diesem Zweck erließ die SMAD am 24.11.1948 den Befehl Nr. 181 »Schweinemastaktion«. Die Aktion sah Verträge mit Einzelbauern und Volkseigenen Gütern (VEG) vor, wonach einzelne Betriebe den VEG pro Vertragsschwein festgesetzte Mengen an Futter (»650 kg Hafer oder Kleie oder 2300 kg Kartoffeln oder teils teils«) liefern und die so auf den über das Fleischablieferungssoll hinaus gemästeten Schweinen »in Höhe von dreifachen Erfassungspreisen« vergütet wurden. Die Maßnahme verbesserte die Schweineproduktion, aber wegen eines Planungsfehlers nicht in erhofftem Maße, weil der Großteil der Futtermittel erst »nach Ablieferung des gemästeten Schweins« geliefert wurde und keine Ressourcen vorhanden waren, das Futter vorzustrecken. Siehe BArch Berlin, DK 1/8342, SMAD-Befehl Nr. 181, 24.11.1948, Schweinemastaktion; Schreiben an den Leiter der HVLhF Herrn Hoernle, Problem: keine rechtzeitige Futterversorgung, Berlin 18.2.1949. Die Landwirtschaftsverwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebiets der westlichen Trizone sah im Wirtschaftsgebiet 1948/49 ebenfalls eine Schweinemastaktion vor, die auch – anvisiert waren 1.000.000 Mastverträge, abgeschlossen wurden 400.000 – hinter ihren Erwartungen zurückblieb; nicht aber weil es an Futtermitteln mangelte, sondern wegen einer fehlenden Ablieferungsprämie als Anreiz für die Bauern, siehe BArch Koblenz, B 116/260, Vermerk Schweinemastverträge, Frankfurt a. M., 9.5.1949.

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Abb. 1: Doppelkuhgespann. Rückseite: Nov. 1958 Kleinwirtschaften im Krs. Worbis Bez. Erfurt.

wirtschaftenden Neubauernstellen. Dort wurden Rinder vor Pflug, Egge oder Wagen gespannt und an Führstricken zu Fuß begleitet. »Das Kuhgespann des Bauern beherrscht auch heute noch das Bild des Kreises Worbis«, beschriftete die Bildstelle des Deutschen Bauernverlages die als Abbildung 1 abgedruckte Fotografie noch 1958.30 Die Umstrukturierung der Besitzverhältnisse auf dem Land war ein politisches Projekt. Konzipiert war die Bodenumverteilung als Instrument der Herrschaftssicherung von zunächst KPD und seit 1946 der SED, die wusste: »[…] ohne daß wir den Bauern etwas geben werden, werden wir sie niemals bekommen«.31 Doch obwohl die SED-Führung die Gangart gegen die von der Bodenreform unberührt gebliebenen größeren Betriebe verschärfte32 und diese 30 Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig [im Folgenden SStL], 20314/A 000003, Einfahren mit Kuhgespannen 1945–1960, Bodenbearbeitung mit Kuhgespannen. Rinder als Arbeitskräfte auf dem Feld waren auch im Westen Deutschlands bekannt, vor allem ärmere, kleinere Bauern hatten bisher kein Geld für einen Traktor. 1953 leisteten von den 5.822.200 Milchkühen, die die Dezemberzählung 1952 ergab, noch 29,5 % Arbeit als Zugkühe, siehe Winnigstedt, Die deutschen Rinderrassen, S. 6. 31 Florin, S. 156. 32 Vor allem mit einer neuen Regel für die Ablieferung tierischer Erzeugnisse: Seit dem 1. Januar 1949 wurde der Ablieferungspflicht für Milch und Fleisch nicht länger die Größe des Viehbestands zugrunde gelegt, sondern die Ackerflächen. Das traf produktiver wirt-

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gegenüber den Neubauernstellen wirtschaftlich diskriminierte, liefen der Partei, die eine neue ländliche Gesellschaft schaffen wollte, die neuen Bauern davon.33 Zwischen 1946 und 1952 gaben pro Jahr durchschnittlich 13.000 Neubauern ihre Parzellenwirtschaften zurück, weil ihre Lage zu prekär blieb.34 Zweieinhalb Rinder hatte jede Neubauernstelle durchschnittlich 1950; zahlreiche Neubauernstellen hatten jedoch weiterhin keine einzige Kuh.35 Diesen »kuhlosen Betrieben« wurde politische Aufmerksamkeit zuteil. »Kuhlos« war nicht geeignet, politische Loyalität aufzubauen. Am 11. September 1951 kam die Landesregierung Brandenburgs deshalb der Aufforderung des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft nach, alle »kuhlosen Wirtschaften« nach Berlin zu melden. 3.542 waren es insgesamt, der Landkreis Ruppin »führte« mit 393 vor Fürstenwalde mit 256 und Angermünde mit 243 kuhlosen Betrieben. Knapp zwei Monate später, als alle Rückmeldungen der Landesregierungen eingegangen waren, hielt das Landwirtschaftsministerium in Berlin fest, dass »rund 13.000 Kühe bzw. tragende Färsen benötigt«36 werden und für deren Zuteilungsaktion an kuhlose Wirtschaften »13.000.000 DM [sic!] zinsfreie Kredite und 3.900.000 DM Zuschüsse zum Kaufpreis« bereitzustellen sind.37 Trotz dieser Finanzhilfen blieb es für die wirklichen Bedarfsträger aus Mangel an Eigenmittel unmöglich, »Zucht- und Nutzvieh zur Planerfüllung in notwendigem Umfange zuzukaufen«.38 Ein Beispiel verdeutlicht die Misere: Neubauer Fenkert in Schenkenberg in der Uckermark bekam 1948 eine Färse zugeteilt, die er aber »wegen Unfruchtbarkeit abgeben musste«; 1950 bekam er »dann ein zweites Tier, das er […] zur Abdeckerei abgegeben hat«. Jetzt hatte er bereits 4.000 Mark Schulden, bekam wegen dieser vorhandenen Schuldenlast keinen weiteren Kredit und schaftende erfahrene »Großbauern«, die in der Regel »im Verhältnis zu ihren Ackerflächen geringe, aber hochwertige Viehbestände« hatten, führte zu hohen Schulden und erzeugte Spannungen innerhalb der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Neben der neuen Hektarveranlagung, den daraus entstehenden Ablieferungsschulden und deren strafrechtlicher Verfolgung, waren größere Betriebe benachteiligt durch die Verweigerung von Krediten und den geringeren Zugriff auf Maschinen der Maschinen-Ausleih-Stationen. Siehe Schier, S. 59. 33 Kluge, Die »sozialistische Landwirtschaft«, S. 24. 34 Ein weiterer Grund, weshalb die Neubauernstellen instabil blieben und an ihre Konsolidierung für eine über die Eigenversorgung hinausgehende Marktproduktion von Milch und Fleisch nicht zu denken war, war, dass nur etwa 40 % aller Neubauern über landwirtschaftliche Kenntnisse verfügte, siehe Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 76. 35 Ebd. 36 Färse ist der außerhalb der Branche wenig geläufige Begriff für ein weibliches Rind, das noch kein Kalb geboren hat, seinerseits aber kein Kalb mehr ist. Mit der Geburt des ersten Kalbes wird die Färse zur Kuh. 37 BArch Berlin, DK 1/3877, Meldungen über kuhlose Neubauern 1951, Landesregierung Brandenburg, Potsdam, den 11. Sept. 1951, an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Betrifft: Meldung über kuhlose Wirtschaften, sowie Übersicht über die kuhlosen Wirtschaften, Berlin, 2.11.51. 38 BArch Berlin, DK 1/3938, Maßnahmen für produktive Viehwirtschaft 1953–54, Beschluß über Maßnahmen zur Förderung der tierischen Produktion, Berlin 27.7.1953, S. 2.

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konnte sich den »unbedingt notwendigen Ankauf einer Kuh« nicht leisten.39 Abweichendes körperliches Verhalten der Tiere war nicht einkalkuliert in den Wiederaufbau der Rinderhaltung. Die Handlungslogik einzelner Bauern und Bäuerinnen in Übereinstimmung mit den volkswirtschaftlichen Zielen zu bringen, blieb schwierig, auch als sich die Versorgungslage zunehmend entspannte. Die Eigenlogik der Rinderhaltung ließ die Produktion von Milch und Rindfleisch in Konkurrenz zueinander treten. 1952 war der Rinder-Wiederaufbau erneut ins Stocken geraten. Die Ursachensuche ergab, dass ein zu hoher Milcherlös der Bauern schuld war. Infolge hoher Preise für Milch war der Bauer geneigt, möglichst wenig Kälber damit aufzuziehen, um stattdessen den Barerlös der Milch einzustreichen, wurde am 17. Januar 1952 aus dem Land Brandenburg an das Berliner Landwirtschaftsministerium berichtet.40 Milch war Anfang der 1950er Jahre nicht nur begehrtes Nahrungsmittel für Menschen, sondern ebenso Futtermittel für das Kalb, damit aus ihm überhaupt ein erwachsenes Tier werden konnte. War der Preis, den der Landwirt für die Abgabe von Milch erhielt, attraktiver als der später winkende Gewinn für den Verkauf eines älteren Tieres, stieg zwar die aktuelle Milchproduktion, nicht aber die Zahl der zukünftigen Tiere. Diese Steigerung der Milchproduktion war kein nachhaltiger Segen, weil weder genügend weibliche Kälber als zukünftige Milchkühe aufgezogen wurden noch männliche als Fleischlieferanten. Erstaunlich offen adressierte der Tierzuchtleiter von Clausberg, einer Zweigstelle des Instituts für Tierzuchtforschung in Dummerstorf, des wichtigsten Tierzuchtforschungsinstituts für Rinder in der DDR, noch vier Jahre später diese problematisch gebliebene Anreizstruktur der Rinderhaltung im Neuen Deutschland: »Solange der Aufkaufmilchpreis die Verwertung der für die Aufzucht notwendigen 300 bis 400 kg Milch bei Mastjungbullen ungünstig erscheinen läßt, wird auch die beste Propaganda zu keinem Erfolg führen.«41 1.1.2 Transatlantische Geschenkrinder und Wiederaufbau in der Bundesrepublik Die verwickelte Dynamik von Milcherzeugung und Kälberaufzucht torpedierte die Bemühungen, Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen auch in den westlichen Besatzungszonen. Mensch und Kalb konkurrierten um die Milch, »angesichts der drohenden Ernährungskatastrophe« im Jahr 1946 auf dramatische Weise: »Zu größter Besorgnis« veranlasste Karl Schimmelpfennig, 39 BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung d. Viehwirtschaft 1956, 1958–61, Bericht über die Einzelberatung der Bauern des Kreises Prenzlau Sektor Viehwirtschaft (ohne Datum), 2 S. 40 BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung d. Viehwirtschaft 1956, 1958–61, Stand der Viehhaltung und Planerfüllung, 17.1.1952, HA II  – Viehwirtschaft, HA III zu Händen d. Koll. Fronnhold, S. 3. 41 Bartsch.

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von 1932 bis 1971 Tierzuchtdirektor der Oldenburger Herdbuchgesellschaft und eine wichtige Figur der bundesdeutschen Rinderzucht, »die Tatsache, daß die Kälberaufzucht wesentlich zurückgegangen ist. […] Die weiblichen Kälber müssen unter allen Umständen zur Zucht angesetzt werden, auch wenn die dringendst benötigte Aufzuchtmilchmenge in vielen unserer Bauernbetriebe beängstigend knapp geworden ist. […] Wir haben jedes weibliche Kalb nötig.«42

Schimmelpfennig appelliert an die »riesengroße Verantwortung« der Bauern, »bei sparsamster Verwendung der Nahrungsgüter im Haushalt und Viehstall die größtmöglichsten [sic!] Mengen auf dem vorgeschriebenen Ablieferungswege der menschlichen Ernährung zuzuführen«.43 Nötig erschien ihm dieser Appell, weil die Bauern demjenigen ihre Milch gaben, der sie dafür am großzügigsten entlohnte. Mit einem moralischen Finale, dass »die Not in den Städten und das Gespenst des Hungers« dieses Verhalten verbiete, versuchte Schimmelpfennig, die individuelle Handlungslogik der Bauern in Übereinstimmung mit gesamtgesellschaftlichen Versorgungszielen zu bringen.44 In der Tat hatte der »Zusammenbruch der Viehbestände« 1946 und 1947, als anders als während des Zweiten Weltkriegs kaum mehr Reserven an Futter und Tieren in den Betrie­ben vorhanden waren, den »Hunger in wesentlich größerem Maße als in der schlimmsten Kriegszeit« Verbreitung finden lassen.45 Ziel war deshalb, die Konkurrenz um die Milch zwischen Menschen und Kälbern zu überwinden. Die Vergrößerung und Gesundung des Viehbestands galt dabei auch in den westlichen Besatzungszonen und seit 1949 der Bundesrepublik als das beste Rezept für eine Entspannung der Ernährungssituation. Anders als die Sowjetunion in der SBZ stellten die USA entscheidende Mittel dafür bereit: Seit April 1948 flossen die im Vorjahr beschlossenen US-Finanz­ hilfen des European Recovery Program (ERP), des Marshall-Plans, nach Europa.46 Ihr Ziel war primär der Wiederaufbau der europäischen Industrie. Doch daneben sollte die landwirtschaftliche Erzeugung gesteigert werden, um Devi42 Schimmelpfennig, S. 24. 43 Ebd., S. 25. 44 Ebd. 45 Maier-Bode, S. 25; Die Konjunktur der Versorgungssituation in Deutschland, die »guten« und die »schlechten Zeiten«, verlief nicht deckungsgleich mit Beginn und Ende des Nationalsozialismus. »Was heute als Befreiung bezeichnet wird [ist] erfahrungsgeschichtlich völlig daneben«, sagt Lutz Niethammer über die Jahre 1943–1948, siehe Niethammer, S. 121. 46 Am 5. Juni 1947 hatte George Marshall, der Namensgeber, als U. S.-Außenminister die Idee eines umfassenden Wiederaufbauprogramms der europäischen Wirtschaft in einer Rede vor der Abschlussklasse der Harvard University vorgestellt. Skepsis im Kongress gegenüber der unangemessen großzügigen Zuwendung an vor allem Deutschland wurde durch die Ausbreitung des Kommunismus, konkret die Machtübernahme der kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei im Februar 1948, weiter überwunden. Neben Westdeutschland nahmen 16 Nationen am European Recovery Program teil, von den insgesamt vergebenen Mitteln entfielen 524,26 Millionen DM auf die westdeutsche Agrarwirtschaft, siehe Kluge, »Veredelungswerkstatt«, S. 48.

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senausgaben für die Einfuhr von Nahrungsmitteln zu begrenzen.47 Westdeutsche Devisen sollten stattdessen für Rohstoffe für die eigene industrielle Produktion oder die Einfuhr von US-amerikanischen Konsumgütern aufgewendet werden, um sich so bei der amerikanischen Wirtschaft zu revanchieren. Sechs direkte Kreditlinien und ein Zuschussprogramm unmittelbarer Finanzhilfen für die Verbesserung von Tierzucht, Tierernährung und der Bekämpfung von Tierseuchen innerhalb des ERP nahmen sich dem landwirtschaftlichen Wiederaufbau an. Dieses Bündel verpasste dem Wiederaufbau der Rinderhaltung zwischen 1948 und 1952 in diesem Teil Deutschlands einen entscheidenden Schub.48 Die US-amerikanische Unterstützung des Wiederaufbaus der Rinderhaltung ging über die staatliche Marshall-Plan-Hilfe hinaus. Seit Anfang 1949 spendeten private kirchliche Organisationen drei Jahre lang Rinder an Westdeutschland. Die Tiere wurden vom Heifer Project Committee und dem German Program der Brethren Service Commission in den USA gesammelt und von dort per Schiff nach Deutschland transportiert. Am 20. Mai 1949 teilte die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, der Tri-Zone, den Landesministerien für Landwirtschaft in München, Stuttgart, Wiesbaden, Hannover, Kiel, Düsseldorf, Hamburg und Bremen erstmalig mit, dass die aus den USA zugesagten Rinder in Kürze eintreffen.49 Das Heifer Project Committee und damit seine Mission  – Heifer ist das englische Wort für Färse oder junge Kuh – im Namen tragend, nahm sich 1949 der am Boden liegenden deutschen Rinderhaltung an.50 Rückblickend weniger bedeutend als der 47 1950 war Westdeutschland hinter Großbritannien der weltweit zweitgrößte Importeur von Lebendvieh und Fleisch, siehe Dansmann, S. 348. Der Abstand zu Großbritannien als Welteinfuhrland Nummer 1 war immens, auf Großbritannien allein entfielen 1950 drei Viertel aller Importe, da es seine Fleischversorgung im 19. Jahrhundert in seine Überseegebiete ausgelagert hatte, siehe Woods, The Herds Shot Round the World; siehe außerdem BArch Koblenz, B 116/7718, Rechtsstreitigkeiten Fleisch- und Viehimporte 1948–1958. 48 Maier-Bode, S. 29–39. 49 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten, Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes an 16 Landesstellen; Betr. Schenkung von Rindern aus den USA, 20.5.1949, 3 S. 50 Die Initiative geht zurück auf Dan West, der als Mitglied der Church of the Brethren nach seiner Rückkehr aus dem Spanischen Bürgerkrieg anstieß, Kälber in Indiana für einen Transport nach Spanien aufzuziehen, um die dortige Milchversorgung nachhaltig zu verbessern. »What if they had not a cup, but a cow?«, wird ihm nachgesagt, gedacht zu haben, siehe Reiff Miller, S. 8–11; sowie https://www.heifer.org/about-heifer/index.html (abgerufen am 8.3.2019). Der Zweite Weltkrieg verunmöglichte den Transport nach Spanien und die ersten Tiere gingen nach Mittelamerika und in die südlichen U. S.-Bundesstaaten. Die Idee aber war geboren und findet bis heute, inzwischen unter Heifers international, global Anwendung. Siehe Brethren Historical Library and Archives, http://www.brethren.org/ bhla/ag/h_heifer_project.html (abgerufen am 8.3.2019). Die Autorin Peggy Reiff ­Miller widmet sich der Geschichte der die Rinder begleitenden sogenannten seagoing cowboys, von denen es insgesamt 7.000 gab, und macht ihre Forschungsergebnisse auf https:// seagoingcowboysblog.wordpress.com/ (abgerufen am 8.3.2019) zugänglich.

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tatsächliche Effekt der US-amerikanischen Geschenkrinder für die Entwicklung der westdeutschen Rinderbestände zeigt das Programm eindrucksvoll, welcher Stellenwert Rindern als Lebensgrundlage einzelner Familien für den gesellschaftlichen Wiederaufbau zugeschrieben wurde. Seit Juni 1949 lief alle vier bis sechs Wochen ein Dampfer mit Rindern an Bord in Bremerhaven ein. John Eberly, der Vertreter der amerikanischen kirchlichen Organisationen in Deutschland, erhielt bei »Abgang des Dampfers ein spezifiziertes Kabel« darüber, welche Tiere sich an Bord des Schiffes befanden.51 Daraufhin beriet sich Eberly, dem 1950 Joseph (Joe) C. Dell nachfolgte, jeweils mit dem Amt für Fragen der Heimatvertriebenen und der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Weiterreise der Tiere. Denn die amerikanischen Geschenkrinder hatten zwei Aufgaben zu erfüllen. Etwa ein Zehntel der Tiere war für Versuchszwecke in wissenschaftlichen Instituten bestimmt, der überwiegende Teil war »an Flüchtlinge zu schenken«.52 Die Ankunft der Tiere in Bremerhaven hielt Dr. Rink, Mitglied des Zentralen Planungsausschusses für das Rinderspendenprogramm, für den zweiten Transport, der am 12. Juli 1949 in Deutschland einlief, so fest: »Ich fuhr aus diesem Grunde am 12., vormittags, nach Bremen und fragte am 13., früh, bei der Cralog53 im Haus des Reiches, Bremen, nach der Ankunft des Dampfers. […] Ich suchte daraufhin gemeinsam mit Herren der Cralog in Bremen eine Unterkunftsmöglichkeit für die Herdbuchtiere, welche an Tierzuchtinstitute geliefert werden sollen, um zunächst einmal diese Tiere unterzubringen und sie dann gemeinsam mit den Vertretern der Tierzuchtinstitute Hohenheim und Grub aufzuteilen. Am 14. fuhr ich mit den Vertretern der Cralog nach Brake, wo im Schiff eine Vorbesichtigung und Vorauswahl der Tiere erfolgte. […] Es wurden insgesamt gemeinsam mit den Vertretern von Grub und Hohenheim 23 Tiere der Jersey und Guernsey-Rassen ausgesucht, die dann in dem ausgesuchten Stalle auf die beiden Institute verteilt worden sind.«54 51 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten, Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes an 16 Landesstellen; Betr. Schenkung von Rindern aus den USA, 20.5.1949, S. 1. 52 Ebd., S. 2; BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Vermerk: Besuch von Mr. Eberly am 29.6.1949 und darauffolgende Besprechung am 30.6.1949 mit Mr. Williams in der Landesanstalt für Tierzucht in Grub, um sich die mit dem ersten Transport angekommenen Rinder anzusehen, Frankfurt, 1.7.1949. 53 Die Cralog, Abkürzung für Council of Relief Agencies Licensed to Operate in Germany, war jene Organisation, die private Hilfslieferungen nach Deutschland abwickelte. Sie übernahm den Weitertransport der Geschenkrinder von Bremen und stellte dafür Futter, Halfter und Stricke zur Verfügung, siehe BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten, Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes an 16 Landesstellen; Betr. Schenkung von Rindern aus den USA, 20.5.1949, S. 2 f. 54 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Vermerk Dr. Rinck [sic!], Frankfurt / M., 18.7.1949.

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Gemeinsam mit den nach Bremen gereisten Tierzuchtexperten teilte Rink die Tiere in zwei Gruppen: Für die Zucht vielversprechende so genannte Herdbuchtiere mit dokumentierten Leistungsanlagen wurden für den Weitertransport an Forschungsinstitute ausgewählt. Die übrigen Tiere waren in utilitaristischer Manier »an die Bedürftigsten abzugeben, wo es zum grössten Nutzen der grösstmöglichen Anzahl von Personen geschieht«.55 Die Bedürftigsten, bei denen eine geschenkte Kuh den größten Nutzen entfalten konnte, waren 1949 auch in Westdeutschland neu angekommene Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostprovinzen Deutschlands. Mitte 1950, als ein am 2. Juni in New York abgegangener Transport in Deutschland erwartet wurde, entschied der Ausschuss für das Rinderspendenprogramm, »dass in Zukunft weibliche Tiere […] ausschliesslich an Fluechtlingsbauern verteilt werden sollen«, weil sie den Ansprüchen der Forschungsinstitute »nicht entsprochen haben«.56 Bei den Flüchtlingen aber taten die Tiere ihren Dienst. »Vor allem wegen ihrer geringen Ansprüche an Qualität und Menge des Futters« seien die neuen Besitzer »ausserordentlich zufrieden«.57 Neben der unmittelbaren Nothilfe, die mittellosen Kleinbauern zumindest prekäres Wirtschaften ermöglichen sollte und damit an die kuhlosen Neubauern der DDR erinnert, brachten die Geschenkrinder aus den USA eine trans­ atlantische Wertbindung mit sich. Das Bonner Bundeslandwirtschaftsministerium schrieb am 3. November 1952 an das Heifer Project Committee, »dass für den einzelnen Siedler der Besitz einer solchen Geschenkkuh beinahe eine Lebens- und Existenzgrundlage darstellt« und damit »über Grenzen und Meere hinweg ein Kontakt zwischen Spendern und Empfängern hergestellt wird«.58 Jedes Tier begleitete eine Schenkungsurkunde, die eine persönliche Verbindung zwischen Spender und Empfänger herstellte.59 Diese Völkerfreundschaft der Rinder wurde auch öffentlich zelebriert. Die Ankunft der 250. Kuh mit dem vierten Transport am 21. Oktober 1949 wurde ebenso feierlich hervorgehoben,

55 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Protokoll der Sitzung des Haupt­ ausschusses vom 7.6.1950, Joe Dell (Frankfurt / Main), 30.6.1950. 56 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Bayerisches Staatsministerium Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten, Betreff: Geschenkrinder aus USA, München, 5.1.1951; Vermerk Besuch Mr. Eberly am 29.6.1949 in Landesanstalt für Tierzucht in Grub, Frankfurt 1.7.1949. 57 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Vermerk 3.11.1952. 58 Ebd. 59 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Senator für Ernährung und Landwirtschaft der Freien Hansestadt Bremen, Hr. Wolters an Bundesminister, Betr.: Geschenkrinder aus USA, 28.12.1951; weitere Evidenz, worin die Verbindungen genau bestanden, fand sich in den Quellen nicht.

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Abb. 2: Eine Flüchtlingsfamilie mit ihrer neuen Färse nach der Verteilung in Coesfeld am 8. September 1950.

wie die Ankunft der 1.000 Kuh zwei Jahre später, am 22. November 1952.60 Die 250. Kuh wurde von der Chicagoer Organisation »Safe [sic!] a Friend in Europe« gespendet und hieß deshalb »Miss Safe«. Sie zierte, als sie von einem Kran erhoben aus dem Luk und von Deck schwebte, ein Plakat, auf dem stand: »Ich heiße Miß Safe. Bin zwei Jahre alt und hoffe, mindestens 17 Lenze alt zu werden. Während der 15 Jahre, die ich noch zu leben habe, möchte ich Jahr für Jahr und Tag für Tag 18 Menschenkinder ernähren. Wenn ich auch selbst nur 200 Dollar koste, so trage ich dadurch bei, Menschenleben im Wert von Millionen zu erhalten.«61

Doch so glatt und rundum erfreulich wie diese Feierlichkeit glauben machte liefen die Rinderspenden nicht ab. Vom ersten Transport an verkomplizierten die Tiere das Programm. Die Überfahrt über den Atlantik war nicht nur für menschliche Passagiere körperlich belastend. Die Strapazen führten zu numerisch zwar vage bleibenden »Tierverlusten während des Transportes«, die den Landwirtschaftssenator Bremens Ende 1951 aber immerhin bewogen haben vorzuschlagen, dass »die in den USA gespendeten Tiere dort ortsüblich ver60 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; o. A., Ich heiße »Miss Safe«, in: Weserkurier 22.10.1949; Vermerk an Ministerialdirektor Maier-Bode, Betr.: Geschenkrinder aus USA, 4.11.1952. 61 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; o. A., Ich heiße »Miss Safe«, in: Weserkurier 22.10.1949.

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kauft werden würden und der Erlös nach Deutschland überwiesen würde«.62 Aber selbst die lebend in Deutschland eingetroffenen Tiere machten die Pläne, die man mit ihnen hatte, mitunter zunichte. Am Institut für Tierzucht und Milchwirtschaft der Universität Gießen brach unter allen zwölf Tieren, die mit einem Transport im Dezember 1949 angekommen waren, das »Shipping-Fever«, eine »Wild- und Rinderseuche«, aus. Niedergeschlagen berichtete das Hessische Landwirtschaftsministerium nach Bonn: »Auf vet.pol. Anordnung mußte der Bestand abgeschlachtet werden, d. h. die Tiere standen bzw. stehen teilweise noch unter Sperre bis sie abgemolken sind und werden dann getötet«.63 Auch jenseits von Krankheit und Tod erfüllten die Tiere ihren vorgesehenen Beitrag zum Wiederaufbau des westdeutschen Rinderbestandes nur eingeschränkt. Die Bewirtschaftungsgenossenschaft »Weißes Venn« in Velen, ein Zusammenschluss von »14 Siedlern (davon 11 Ostflüchtlinge)« im westlichen Münsterland, meldete im April 1951 resigniert an das BMEL, dass es »kaum möglich ist, die Tiere wieder tragend zu bekommen«, weil es sich bei den »gespen­deten amerikan. Kühen« um Tiere handelt »die man in der Größe als sehr klein bezeichnen kann«. Das Problem mit ihrer Körpergröße war, dass bei einer Befruchtung der kleinen Kühe mit hiesigen Bullen zu schwere Kälber entstünden, die das Leben der Muttertiere gefährdeten.64 Die Angelegenheit war brisant, weil »ein großer Teil der Kühe bereits vor längerer Zeit gekalbt« und die Tiere, sollte sich ihre Bewirtschaftung weiterhin lohnen, »bald wieder tragend werden« mussten.65 Der Vertreter des Heifer Projects in Deutschland, Joe Dell, »konnte sich hier von unseren Nöten in Bezug auf die Haltung der amerikanischen Kühe überzeugen«, wie Abbildung 3 zeigt.66 In Bonn war das Problem bekannt. Dell hatte nach seinen Besuchen auf Höfen mit US-Kühen gemeldet, dass sich »die grossen einheimischen Bullen als zu gross und schwer fuer diese kleineren Tiere erwiesen«.67 Die Lösung, die die 62 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Senator für Ernährung und Landwirtschaft der Freien Hansestadt Bremen, Hr. Wolters an Bundesminister, Betr.: Geschenkrinder aus USA, 28.12.1951. 63 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Ministerialdirektor für Landwirtschaft in Vertretung des Hessischen Ministers für Arbeit, Landwirtschaft und Wirtschaft an Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Wiesbaden 18.12.1950, S. 1. 64 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Bewirtschaftungsgenossenschaft »Weißes Venn« an Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, Antrag auf Genehmigung der Einfuhr eines Bullen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Velen, 28.4.1951, S. 1. 65 Ebd. 66 Ebd. 67 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Joseph C. Dell, Heifer Project Committee, Treffen des Planungskomitees, Bonn 13.12.1950.

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Abb. 3: Joseph C. Dell (stehend mit Klemmbrett), der Vertreter des Heifer Project Committees in Deutschland, bei seinem Besuch in der Kleinsthofsiedlung »Weißes Venn« im September 1950. Zu diesem Anlass war eine lange, festlich gedeckte Kaffeetafel im Kuhstall aufgebaut worden.

Genossenschaft »Weißes Venn« vorschlug, war »die Notwendigkeit der Haltung eines amerikan. Bullen anzuerkennen« und ihnen einen solchen durch das ­Heifer Project, das entgegen seines Namens bereits von Beginn an auch vereinzelt Bullen nach Deutschland gebracht hatte, zuzuweisen.68 Dell setzte sich in Bonn dafür ein und erreichte auch, dass einer der beiden Guernsey-Bullen, die sich an Bord des nächsten Transport im Juli 1951 befanden, »an die Flüchtlingssiedlung ›Weißes Venn‹« ging.69 Wenige Jahre später hatte sich das Pro­blem erledigt. Die Rinderschenkungen des Heifer Projects liefen 1953 aus und die 68 Bullen an Bord wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil, nicht nur weil sie größer und für die begleitenden Menschen gefährlicher waren, sondern auch, weil es sich bei ihnen um ausgewiesene Zuchttiere handelte, deren Geldwert wesentlich höher als jener der weiblichen Tiere war. Die Vertreter des Heifer Project sandten die Abstammungsnachweise der Bullen jeweils an das Bundeslandwirtschaftsministerium, das über die Versendung des Bullen an ein Forschungsinstitut befand. Das Heifer Project in Deutschland sah ursprünglich nicht vor, dass einzelne Bauern männliche Tiere bekamen, siehe BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Joe Dell (Heifer Project Vertreter) an Dr. Stoeve (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), 1.11.1950. 69 BArch Koblenz, B 116/98, Tierzucht, Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten; Vermerk 27.7.1951, Betr. Besprechung über Geschenkrinder aus USA.

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westdeutsche Rinderhaltung kehrte in die Spur ihrer traditionellen Rassen zurück. Die US-Geschenkrinder blieben eine Episode der Nothilfe. Eine Episode, die lehrte, dass es mit Rindern nicht immer so läuft wie geplant. Die Körper der Tiere verwehrten sich mitunter den an sie gestellten Ansprüchen und verlangten, gefasste Pläne nachzujustieren. 1.1.3 Kranke Tiere im Stall Nicht nur eine Reise über den Atlantik forderte die Gesundheit der Rinder heraus. Gefahr lauerte auch im heimischen Stall. »Mit Besorgnis« beobachtete der Zentralverband Deutscher Rinderzüchter 1947 »die alljährlich großen Schäden in den Rinderbeständen durch die Tuberkulose«.70 59 Prozent aller Betriebe und 38,5 Prozent aller Rinder waren 1952 »tuberkulös infiziert«.71 In manchen Gegenden waren noch wesentlich mehr Bestände betroffen, in Wangen im Allgäu etwa 82 Prozent.72 Die Rindertuberkulose sorgte Rinderzüchter aus wirtschaft­lichen und gesundheitlichen Gründen. So wie »jeder von uns an Menschen, die an Tbc erkrankt sind, gesehen hat, wie die Körpersubstanz, die Arbeits- und Willenskraft gelitten haben […] so wird uns klar, übertragen wir diese Beobachtung auf unseren Rinderbestand«, dass die Landwirtschaft unter »ständigen Verlusten« leide, benennt Robert Winnigstedt, seit 1951 Leiter der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter, das Problem.73 Der zweite Grund wog nicht minder schwer: Mensch und Rind teilten nicht nur ähnliche Leistungseinbußen im Falle einer Tuberkuloseerkrankung, sie konnten sich auch gegenseitig anstecken.74 Kinder steckten sich hauptsächlich »durch den Milchgenuss« an, Erwachsene »durch die Einatmung von Rindertuberkelbakterien im Kuh70 Protokoll der Mitgliederversammlung des Zentralverbandes Deutscher Rinderzüchter am 11.71949, zit. n. Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 80. Andere Seuchen, die um 1950 die Rinderhaltung in beiden deutschen Staaten herausforderten, waren die Rinderbrucellose, auch Bangseuche genannt und die Maul-und-Klauen-Seuche. Sie alle eint, dass ein infiziertes Tier schnell den gesamten Bestand anstecken konnte, sie nicht immer erkennbar waren (was ihre Verbreitung weiter begünstigte) und die Leistungsfähigkeit der Tiere nicht abrupt endete. Vor allen anderen Tierseuchen wurde die Bekämpfung der Rindertuberkulose in den 1950er Jahren zu einem zentralisierten Projekt und zu einem Gradmesser der Leistungsfähigkeit der Rinderhaltung. 71 Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 75. 72 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Referat von Prof. Dr. Adolf Meyn am 30.10.1952 auf der Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose, S. 2. 73 Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 78. 74 Zunächst konzentrierte man sich in der Rinderhaltung ausschließlich auf die Tilgung der Tuberkulose in den Rinderbeständen. Als die jedoch befreit waren, rückte die Gefahr einer Reinfektion durch infizierte Menschen in den Fokus, weil diese auch Jahrzehnte nach einer Sanierung der Tierbestände, die Tiere wieder anstecken konnten. Siehe Röder, S. 549 u. S. 559, sowie Sattelmair, S. 153.

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stall«.75 Etwa 1.800 Todesfälle im Jahr forderte die bovine Tuberkulose, an der laut Tuberkulosejahrbuch 1950/51 etwa 41.000 Menschen jährlich erkrankten.76 Tuberkulose im Kuhstall war nichts Neues. Sie war kein auf Deutschland begrenztes Phänomen und ihre Bekämpfung zur Leistungssteigerung der Rinderhaltung hatte auch vor und während des Zweiten Weltkriegs auf dem Programm gestanden.77 Der »Stand der Verseuchung« allerdings war in Deutschland Anfang der 1950er Jahre besonders hoch, weil »die Kriegs- und Nachkriegsjahre der Verbreitung der Rindertuberkulose Vorschub geleistet haben«.78 Zudem standen neue medizinische Erkenntnisse zur Verfügung. Bisher hatten nur Tiere als gefährlich gegolten – und waren entsprechend dem Viehseuchengesetz von 1909 aus den Ställen entfernt und getötet worden –, die äußerliche Symptome zeigten.79 Nun begannen die Bauern mit tierärztlicher Hilfe, auch jene infizierten Tiere zu identifizieren, die keine äußerlichen Krankheitsanzeichen zeigten. Wurde die Haut des Tieres dicker an einer Stelle, an die der rasch Schule ma-

75 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Referat von Prof. Dr. Adolf Meyn am 30.10.1952 auf der Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose, S. 2. 76 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Referat von Prof. Dr. Adolf Meyn am 30.10.1952 auf der Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose, S. 2; 1. Resolution des Bundeskuratoriums Fassung 15.9.1953, S. 2. Die etwa 1.800 jährlichen Todesfälle an boviner Tuberkulose waren etwa 10 % der jährlichen Tuberkulosetoten Anfang der 1950er Jahre in der Bundesrepublik. 77 Lohner, Ein praktisches Beispiel der Rinder-Tuberkulosebekämpfung. Dänemark und die Niederlande, die beiden wichtigsten Vorbilder für die deutsche Rinderhaltung, hatten 1936 bzw. 1943 mit der systematischen Tuberkulosebekämpfung mit Tuberkulintests begonnen und waren 1952 bzw. 1956 »seuchenfrei«, siehe Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 76 u. S. 79 f.; die Ungenauigkeit der Tuberkulintests, die »in 2–4 %« der Fälle nicht stimmten, verunsicherte Karl Blume, den Vorsitzenden der Westfälischen Herdbuchgesellschaft, der sich deshalb im Ministerium erkundigte, »ob es stimmt, dass in den Niederlanden und Dänemark einfachere und sicherer wirkende Methoden angewandt werden würden«. Die Antwort bescheinigte ihm, dass in der Bundesrepublik genau das gleiche wie in den USA, Dänemark, Finnland, Schweden und auch den Niederlanden gemacht wurde. BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Karl Blume an Dr. Winnigstedt 18.1.1954, Dr. Hübner an Karl Blume 4.3.1954. 78 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Referat von Prof. Dr. Adolf Meyn am 30.10.1952 auf der Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose, S. 1; ebd., 1. Resolution des Bundeskuratoriums Fassung 15.9.1953, S. 2. 79 Tuberkulose im fortgeschrittenen Zustand in der Lunge oder an Euter, Gebärmutter und Darm waren die äußerlichen Symptome, die im Viehseuchengesetz aufgeführt waren, BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose; Vermerk »Was ist seit der letzten Sitzung des Bundeskuratoriums am 28. April 1953 geschehen?« (ohne Autor, ohne Datum), sowie: Tagesordnung 1. Treffen des Bundeskuratoriums zur Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose am 28.4.1953.

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chende Tuberkulintest80 gespritzt wurde, war das Tier ein sogenannter Reagent. Bekannt war dieses Verfahren bereits seit der Jahrhundertwende. Doch bisher galt die Vorstellung, »die auf Grund der Tuberkulinprobe positiv reagierenden Tiere ohne äußerlich erkennbare Zeichen der Tbc-Erkrankung auszumerzen«, in den Augen von Tiermedizin wie praktischer Landwirtschaft als nicht zumutbar,81 zum einen wegen »einer Furcht vor Prestigeverlusten beim Bekanntwerden der Verseuchung« und zum anderen »einer Scheu vor den zunächst unvermeidlichen wirtschaftlichen Einbußen«.82 Jetzt aber, als die Rinderhaltung insgesamt darniederlag und ihr rascher Wiederaufbau hoch auf der politischen Agenda rangierte, war das Gelegenheitsfenster für diesen großflächigen und radikalen Eingriff in die Kuhställe günstig. Die Bekämpfung von Tuberkulose einschließlich ihrer unsichtbaren Form wurde zu einem zentralen Baustein des Wiederaufbaus der Rinderhaltung in Bundesrepublik und DDR und markierte zugleich den Beginn einer neuen Phase des Verhältnisses zwischen Tierhaltung und Tiermedizin, das sich nach und nach in allen Praktiken am Tier manifestierte: Der medizinische Zugriff begann nun, ohne dass das Tier Krankheitssymptome zeigte. Die tierärztliche Tätigkeit im Stall verlagerte sich vom Heilen erkrankter Einzeltiere zur präventiven Gesunderhaltung der Herde.83 In der Bundesrepublik formierte sich für die Überwindung der Tuberkulose im Stall ein bemerkenswertes Joint Venture, das nicht zu Unrecht für die im internationalen Vergleich zügige Überwindung der Tuberkulose innerhalb von acht Jahren verantwortlich gemacht wurde.84 Am 30. Oktober 1952 beschlossen insgesamt 73  Vertreter des Verbandes der Landwirtschaftskammern, des Deutschen Bauernverbandes, des Verbandes der Deutschen Milchwirtschaft, der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), des Bundesmarktverbandes Vieh und Fleisch, der Arbeitsgemeinschaft der Rinderzüchter und der für das Veterinärwesen zuständigen Landesbehörden im Bonner Bürgerverein »die Bildung eines Kuratoriums zur Bekämpfung der Rindertuberkulose«.85 80 Ein Präparat aus Bakterien, das, liegt oder lag eine Tuberkuloseinfektion vor, eine Haut­ reaktion hervorrief. 81 Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 76. 82 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Referat von Prof. Dr. Adolf Meyn am 30.10.1952 auf der Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose, S. 9. 83 Diese Entwicklung wurde in der veterinärmedizinischen Öffentlichkeit mit einem Schwerpunkt in den späten 1950er Jahren kontrovers diskutiert, siehe z. B. Buurmann; Bauer, Tierzucht und präventive Veterinärmedizin; Trautwein; Mempel u. Ritter; Dieter; Zur Durchsetzung der Überzeugung Prävention sei besser als Behandlung in Großbritannien, siehe Woods, Is Prevention better than Cure?. 84 »Die Gemeinsamkeit des Wollens und Strebens« von Tierärzten, der Landwirtschaft, der Milchwirtschaft und von Tierzüchtern habe den Erfolg begründet, so Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 81. 85 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose, Protokoll »Arbeitstagung betr. Bekämpfung der Rindertuberkulose«, Bonn

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Im darauffolgenden Frühjahr, am 28. April 1953, verabschiedete das Kuratorium seine erste Resolution. Das vierseitige Dokument ging am 15. September 1953 an den Bundesfinanzminister in Bonn, an alle Minister und Senatoren der Finanzen im Bundesgebiet und an »die Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestags« und bringt mit dieser Adressatenriege seine Hauptstoßrichtung zum Ausdruck: Geld war nötig, um die Untersuchungen aller Rinder zu finanzieren und die finanziellen Ausfälle der Tiere, deren Besitzer noch nicht einmal gewusst hatten, dass sie krank waren, zu kompensieren. Schnelligkeit war geboten, denn beständig drohten die bisherigen Erfolge durch die Logik der Infektionskrankheit zunichte gemacht zu werden, indem verbliebene tuberkulöse Tiere befreite Bestände erneut infizierten. Sowohl Bund als auch Länder stellten deshalb Mittel, und zwar bis 1959 insgesamt über 1,6 Milliarden DM, zur Verfügung. Die Ausrottung einer Infektionskrankheit, auch der bei Menschen und Rindern so ähnlichen Tuberkulose, ist bei letzteren wesentlich einfacher. Infizierte Tiere wurden getötet und waren so als Ansteckungsherde im wahren Wortsinn ausgelöscht. In »schwach verseuchten Beständen«, wenn zwanzig Prozent oder weniger der Tiere infiziert waren, »sollte die sofortige Ausmerzung der Reagenten erfolgen«.86 In stärker betroffenen Betrieben ging die Sanierung, wie die Gesundung erkrankter Tierbestände in der Branche mit technischer Konno­tation genannt wurde, schrittweise vonstatten: Die infizierten sollten von den noch tuberkulosefreien Tieren getrennt werden; ihre Kälber waren mit der Milch von nicht infizierten Ammenkühen aufzuziehen und neue Tiere aus ausschließlich freien Beständen zuzukaufen. Die Krux der Tuberkulosebekämpfung im Stall aber blieb die Willfährigkeit der Bauern. Für deren individuelle Wirtschaft ergab es nicht zwangsläufig Sinn, infizierte Tiere zu schlachten. Auch eine infizierte Kuh gab Milch – eine tote Kuh nicht. Zu finanzieren also waren nicht nur die regelmäßige Untersuchung aller Tiere, sondern auch der finanzielle Verlust, der dem einzelnen Betrieb durch getötete Tiere entstand.87 Die Mittel wurden deshalb ausgegeben für Prämien für Milch aus »staatlich anerkannten ­Tbc-freien Betrieben« und »Ausmerzungsbeihilfen für die Abschlachtung positiver ­Reagenten«.88 Die Bundesländer meldeten regelmäßig ihre Erfolge:

30.10.1952. Auch die ausführenden Behörden auf Länderebene wurden nicht müde, die »schöne Zusammenarbeit und zielstrebige Planung« zu betonen, die in dieser geschlossenen Form wohl ein Novum deutscher Agrarpolitik darstellte. Siehe für Bayern und den bayerischen Rindergesundheitsdienst, der zwischen der Abteilung Veterinärwesen im Staatsministerium des Inneren und der Abteilung Tierzucht im Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angesiedelt war, Dürrwaechter, Landwirtschaft und Tuberkulosebekämpfung. 86 Sattelmair, S. 155 f. 87 BArch Koblenz, B 116/50201, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose; 1. Resolution des Bundeskuratoriums Fassung 15.9.1953, S. 3. 88 Winnigstedt, Die Bekämpfung der Rinder-Tuberkulose, S. 77.

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»Jede dritte Kuh staatlich anerkannt tbc-frei«, ließ etwa Bayern stolz im Dezember 1954 verlauten.89 Allerdings wurde auf der 4. Sitzung des Kuratoriums am 1. Dezember 1954 bemängelt: »Es kann oft beobachtet werden, dass Reagenten von Land zu Land verschoben werden« – sogar nachdem für das infizierte Tier eine Ausmerzungsbeihilfe kassiert wurde.90 In Baden-Württemberg bekamen deshalb »alle eingeführten Tiere, die auf Tuberkulin reagieren, ein Loch ins Ohr«. Damit wollte sich das Bundesland »vor einer Invasion von Reagenten aus anderen Ländern […] schützen«.91 In Südbaden wurde sogar insgesamt eine »zwangsmässige Ohrlochung« von Reagenten eingeführt. Diese Praxis stieß auf Widerstand in der Branche, die speziell vor dem Hintergrund der gewaltsamen Landwirtschaftspolitik der DDR allergisch gegen »Zwangsmaßnahmen« aus Bonn war. Franz Xaver Unertl, CSU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied des Kuratoriums und grundsätzlicher Gegner der Ohrlochung meinte: »In der Tuberkulosebekämpfung wurde bisher viel erreicht, ohne dass ein Loch ins Ohr gemacht wurde. Je weniger Zwang ausgeübt wird, desto besser ist es. Je weniger Gesetze es gibt, und je klarer sie sind, desto besser geht es draussen in der Praxis.«92

Mitte der 1950er Jahre verhinderten die westdeutschen Bauern mit der Ohr­ markierung der Tiere genau jene Maßnahme – eine stetige eindeutige Identifizierung des einzelnen Tiers, die dessen Leistungen zweifelsfrei zuordenbar machte –, die wenige Jahre später zu einem zentralen Baustein der körperlichen Revolution im Kuhstall werden sollte. Das war anders in der DDR, wo der Ministerrat am 1. September 1955 den »Beschluß über die Durchführung eines 10-Jahresplanes zur Bekämpfung der Rindertuberkulose 1955–1965« fasste, den keine vergleichbare landwirtschaftliche Lobby beeinflusste. Die Struktur der Tuberkulose-Problematik im Rinderstall war in Ostdeutschland ähnlich, ihre akute Situation in den 1950er Jahren jedoch verschärft. »Milch – Kraftquell des Lebens« hieß ein 1954 produzierter Film zur Volksaufklärung, dessen Inhalt seinem Titel allerdings wenig gerecht wurde. Das Stillen von Babys wurde beworben, denn Kuhmilch war insbesondere für »unsere Kleinsten« gefährlich, sagte der Sprecher, während man einen Bauern in den Milcheimer husten sah und der anschließende Blick durch das Mikroskop Tuberkuloseerreger zeigte.93 89 O. A., Mittelfranken steht an des Spitze. 90 BArch Koblenz, B 116/50202, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose; Bericht über die 4. Sitzung des Bundeskuratoriums zur Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose in Bonn am 1.12.1954, S. 3. 91 Ebd., S. 18. 92 Ebd. 93 BArch Filmarchiv, BSP 15483–2, VEB Defa für populärwissenschaftliche Filme, »Milch – Kraftquell des Lebens« 1954.

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Der intensive Transport von Rindern während der Viehverschickungen seit Ende der 1940er Jahre und die wirtschaftlich prekäre Lage vieler Rinderhaltungen mit mangelhaften Ställen und ungenügender Futterversorgung hatten die Ausbreitung der Rindertuberkulose begünstigt.94 1956 waren in neunzig Prozent aller Bestände Tiere, die positiv auf die Tuberkulinprobe reagierten; insgesamt waren 48 Prozent aller Tiere infiziert.95 Die von der SED-Führung präferierten Großbestände der Volkseigenen Güter (VEG) und die ersten bereits kollektivierten genossenschaftlichen Tierhaltungen (LPG) waren mit einem Anteil von sechzig bis neunzig Prozent infizierter Tiere besonders stark betroffen, weil sich in ihnen ständig neue Rinder auch aus nicht tuberkulosefreien Beständen zusammengefunden hatten.96 Der 10-Jahres-Plan zur Tuberkulosebekämpfung stellte neben Vorschriften zur Bekämpfung, die den Maßnahmen in der Bundesrepublik weitgehend glichen, auch Mittel bereit, aber mit 300 Millionen Mark deutlich weniger als in der Bundesrepublik, die zusätzlich bereits zuvor von Marshallplanmitteln profitieren konnte. Es verwundert deshalb nicht, dass in der DDR auch noch in den 1960er Jahren und damit länger als in der Bundesrepublik, in der Ende des Jahres 1960 bereits 95 Prozent der Bestände »amtlich anerkannt tuberkulosefrei« waren,97 Verluste aufgrund der Rindertuberkulose beklagt wurden.98 Erst Mitte der 1970er Jahre galt die Rindertuberkulose und damit zugleich eine wesentliche Ursache der körperlichen Produktivitätseinbußen der Tiere in der DDR als »praktisch getilgt«.99

1.2 Arbeit am Tier II: Füttern, Melken und die tägliche Arbeit im Stall Seit sich der Mensch während der mehrere tausend Jahre dauernden neolithischen Revolution, in der englischen Historiografie der »agrarian revolution« überhaupt, Rinder zur Vor-Ort-Erzeugung von Milch und Fleisch in seinen häuslichen Lebensbereich geholt hatte,100 begann er, um mit und von ihnen zu 94 Martin, Sind zur Realisierung. 95 Sattelmair, S. 157. 96 Moeller, S. 45. 97 BArch Koblenz, B 116/50202, Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose; Schreiben des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an die Mitglieder des Bundeskuratoriums zur Bekämpfung der Rindertuberkulose, in dem er »die dem Bundeskuratorium gestellte Aufgabe als weitgehend erfüllt« ansieht, Bonn 17.1.1961. 98 Sattelmair, S. 158. 99 Moeller, S. 103. 100 Zur Domestizierung von Tieren zur landwirtschaftlichen Nutzung siehe Clutton-Brock, Animals as Domesticates. Zum aktuellen zooarchäologischen Forschungsstand der Rinderhaltung siehe dies., Archaeozoology, S. 481–484; zur Ausbreitung der Laktosetoleranz

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leben, die Kontrolle über ihre körperlichen Prozesse zu übernehmen. Füttern101 und Melken wurden die wichtigsten Praktiken an zur Milch- und Fleischproduktion gehaltenen Rindern102 und waren so gesehen ganz und gar nichts Neues in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern vertraute Arbeitsroutine und bekannte Stellschrauben wirtschaftlicher Ergiebigkeit. Neu hingegen war die rasche und breite Anwendung von biologischem Wissen über die Körperzusammenhänge des Rindes. Sie veränderte die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier seit 1950 entscheidend. Dieses Kapitel untersucht, wie traditionsreiche Arbeitsschritte am Tier ergänzt und abgelöst wurden von neuen Fütterungs- und Melkpraktiken. Die These dieses Kapitels ist, dass veränderte Körperpraktiken am Rind innerhalb von wenigen Jahrzehnten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Zusammenspiel von Mensch und Tier in der landwirtschaftlichen Tierhaltung neu ausrichteten. Die Anwendung von neuem Fütterungswissen und von maschinellen Melkmethoden führte zu einer vormals unüblichen bioökonomischen Strategie im Stall und einer fortwährenden steuernden Überwachung des Tiers. Über ihre Körper, die auch und gerade im enger gewordenen Korridor der tolerierten Verhaltensweisen nicht immer taten, was Wissenschaft und Stallpersonal von ihnen erwarteten, beeinflussten die Rinder die Transformation ihrer Haltung. 1.2.1 Füttern: Kampf dem Luxuskonsum! Vor dem Luxuskonsum der Kühe warnte »Kollege Schuster«, Abteilungsleiter für Tierische Produktion im Landwirtschaftsministerium der DDR, auf dem Zentralen Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion und der Entwicklung der Kuhbestände am 25. Oktober 1960 in Leipzig. Schusters Sorge war, dass die Kühe in den ostdeutschen Ställen mehr Futter verspeisten, als sie über den Verkauf ihrer Milch finanziell wieder hereinspielten. »Der Nachweis ist erbracht, dass sie es tun«, mahnte er geradezu vorwurfsvoll und fuhr fort: »Die und damit einhergehend der Milchwirtschaft zwischen 9000 und 5000 v. Chr. siehe Kar­ dashian, S. 29–37. 101 Füttern meinte zunächst und vor allem die zwar überwachte aber selbsttätige Futter­suche des Tieres während dem Weidegang. Arbeitsökonomisch war die Selbstfütterung des Rindes der menschlichen Futterbereitstellung überlegen; nur wenn im Winter witterungsbedingt keine eigenständige Futterbeschaffung möglich war, versorgte der Mensch das Rind im Stall mit Futter. Erste Versuche der Sommerstallfütterung, also der menschlichen Futterbereitstellung, auch wenn das Rind eigenständig weiden könnte, verbreiteten sich in Europa in der wirtschaftlichen Aufklärung des späten 18. Jahrhunderts, siehe Nisly, zur Sommerstallfütterung als Kern der propagierten proto-industriellen Tierhaltung siehe S. 89 f. 102 Die Nutzung von Sekundärprodukten des Tiers, wie Milch beim Rind, also von Produkten, die genutzt werden konnten, ohne das Tier zu töten und damit einen längerfristigen Nutzen boten, verschafften der Domestizierung zusätzlichen Auftrieb, siehe Clutton-Brock, Animals as Domesticates, S. 41 f.; Rinder jedoch blieben lange Zeit Luxus und Ziegen waren die Hauptprotagonisten dieses Prozesses.

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Kuh richtet sich in der Futteraufnahme nicht nach dem, was sie braucht, sondern sie frisst, wie sie Appetit hat.«103 Gerade bei »alten Kühen, die bloss noch 8 bis 9 Liter Milch geben«, fresse deren »Luxuskonsum« Löcher in die Betriebsbilanz. Bis Anfang der 1960er Jahre war die Frage, welches Futter in welchem Rhythmus an welche Tiere im Rinderstall verabreicht werden sollte, in beiden deutschen Staaten eines der prominentesten Themen unter Agrarplanern, Tierernährungsforschern und Bäuerinnen und Bauern. Der Tenor: Es sei höchste Zeit, längst bereitstehendem Wissen seinen Weg in die Praxis zu ebnen, denn das verbreitete falsche Füttern verteuere die Rinderhaltung unnötig. Das Füttern von Rindern wurde seit 1950 zu einem ausdifferenzierten Wissensregime und entfernte sich zunehmend von der Binsenweisheit ländlicher Romantik, wonach Rinder auf der Weide Gras fraßen. Die in dieser Zeit breitenwirksam einsetzende strategische Futterverabreichung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse veränderte die Interaktion zwischen Mensch und Tier im Stall und zugleich den Blick auf das Tier. Zur ausschließlich futterkonvertierenden Maschine wurden die Tiere aber dennoch nicht, wofür sie selbst sorgten: durch Verschmähen von vorgesetztem Futter,104 durch für die Nachbarschaft zu lautes Schreien, wenn sie zu lange auf ihr Futter warteten oder durch in den Augen des Bauern unsachgemäßes, ja verschwenderisches Spielen mit dem Futter, etwa wenn die Kühe das Heu mit ihrem Maul hochwarfen oder mit ihren Beinen nach hinten unten zogen.105 Wissen um die möglichst effiziente Rinderfütterung stand nicht erst seit Kurzem bereit. »Warum hält der Landwirt überhaupt Nutztiere?«, hatten Alfred Schmid und Bernhard Schuemacher in ihrem 1910 in der Reihe »Des Landmanns Winterabende« erschienen Bändchen »Zucht und Haltung des Rindes« gefragt.106 Ihre Antwort: »Um durch sie sein Futtererzeugnis in Geld umzuwandeln. Das Vieh kauft ihm sozusagen das Futter ab und bezahlt dafür durch die mehr oder weniger bedeutende Nutzleistung auch einen mehr oder weniger hohen Preis.«107 Die beiden Freiburger Landwirtschaftslehrer an der dortigen Kreiswinterschule schrieben gegen den verbreiteten Irrglauben an, »diejenige Kuh, die zu ihrer Ernährung verhältnismäßig wenig Futter bedürfe, […] das sei die beste«.108 Sie klärten auf, um ihre Botschaft, »besser wenig Vieh aber viel Futter, als wenig Futter und viel Vieh« an Mann und Frau zu bringen.109 Der 103 BArch Berlin, DK 1 /10320, Erfahrungsaustausch Probleme der Milchproduktion am 25. Oktober 1960, Sieben Anfertigungen, unkorrigiert, Verhandlungsstenografen Brigade Leipzig, S. 33. 104 Bögl. 105 Müller, Möglichkeiten zur Lärmminderung, S. 574. 106 Schmid u. Schuemacher, S. 97. 107 Ebd. 108 Ebd. 109 Schmid u. Schuemacher, S. 116 f. Nicht nur die menschliche Ernährung erlebte seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Verwissenschaftlichung, auch die möglichst ökonomische Ernährung von landwirtschaftlich genutzten Tieren wurde zum Forschungsgegenstand von Biologen und Agrarökonomen. Siehe z. B. Settegast, Die Thierzucht, S. 349 u.

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Reihentitel »Des Landmanns Winterabende« und die Kreiswinterschule verweisen auf eine frühere Saisonalität der Landwirtschaft, als die kalten Monate die Zeit der Wissensvermittlung waren, weil in Frühjahr, Sommer und Herbst zu viel auf den Höfen zu tun war. Die Hinweise aus dem Jahr 1910 bereiteten unter Experten bekanntes Wissen für die Praktikerinnen und Praktiker im Stall didaktisch auf und markierten damit den Beginn der Wissenspopularisierung in der Rinderhaltung. Die »Gleichmäßigkeit der Fütterung« blieb das Mantra der Tierfütterungsexperten in den folgenden Jahrzehnten, deren Ton allerdings an Schärfe zunahm.110 Gereizt bemerkte Fritz Stockklausner, Professor für Tierzucht der Universität München, 25 Jahre später, dass trotz des gewachsenen Wissens um die Fütterung des Viehs die meisten Leute, »die im Viehstall tätig sind, »in dem althergebrachten Schlendrian weiter[wursteln]«.111 »Wer aus seinem Viehstall mehr herausbringen will als den Mist«, fasste Stockklausner seine Position zusammen, »der muss sich über den Nährwert der einzelnen Futtermittel und über den Nährstoffbedarf der einzelnen Tiere im Klaren sein«.112 Wissen, rudimentäreres (»fünf gut gefütterte Kühe [bringen] mehr Nutzen als sechs schlecht gefütterte«113) und ausgeklügelteres (Nährwertbestandteile einzelner Futtermittel und individueller Bedarf des Tiers nach Alter und Körperleistung114), stand 1950 bereit, allerdings vorwiegend nach wie vor unter Experten. Ihre Ratgeber, seien sie noch so nachdrücklich im Ton, ebneten diesem Wissen seinen Weg auf die einzelnen Höfe zunächst nicht. Erst eine in den 1950er Jahren einsetzende neuartige Bildungs- und Beratungsoffensive änderte die Fütterungspraxis im Rinderstall in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts großflächig. Das allerdings war nicht allein ein Prozess nachholender WissensS. 381 f. In einer ersten Welle eine Institutionalisierung der Nutztierernährungsforschung seit der Jahrhundertwende wurden in verschiedenen Reichsteilen Forschungseinrich­ tungen geschaffen, zwei führend bleibende Einrichtungen waren das 1910 von Friedrich Loefflers gegründete Forschungsinstitut auf der Insel Riems im Norden und das 1917 gegründete Institut für praktische Tierzucht im bayerischen Grub. Auch vor dem szientistischen Blick auf die Tierernährung des 19. Jahrhunderts waren ökonomische Überlegungen zur Verpflegung von Tieren und Menschen eng verbunden, siehe Zilberstein, Bastard Breadfruit and other Cheap Provisions, sowie dies., Fodder for Empire. 110 Stockklausner, S. 28. 111 Ebd., S. 5 f. 112 Ebd., S. 25. 113 Ebd., S. 29. 114 Sinnbildlich für die Entwicklung des Ernährungswissens beim Rind ist das zwischen 1938 und 1968 in 31 Auflagen erschienene Werk »Praktische Viehfütterung« von Karl Richter, der zunächst seit 1929 das Institut für Fütterungstechnik der Preussischen Versuchs- und Forschungsanstalt für Tierzucht in Kraftborn bei Breslau leitete und ab 1948 das Institut für Tierernährung der Forschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode. Das Wissen dehnte sich quantitativ aus, qualitativ blieb die Struktur des Inhaltsverzeichnisses jedoch unangetastet, siehe Richter, Praktische Viehfütterung [1938] und ders., Praktische Viehfütterung [1968].

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implementierung, sondern bedeutete auch eine Verschiebung im Verhältnis zwischen Mensch und Tier: Neue Fütterungspraktiken beinhalteten die Evaluierung der Körperleistung des einzelnen Tiers. Entsprach die Körperbilanz nicht der gewünschten Norm, wurde das Tier, in der marktwirtschaftlichen Logik der bundesdeutschen Betriebe stärker als in der DDR, zum ökonomischen Verlustgeschäft erklärt und verlor mit immer kurzfristigerer Wirkung sein Lebensrecht. Wissen, Stall und Geld in der Bundesrepublik: »Kühe sind keine Automaten«115 »Wer während des Jahres auch nur vorübergehend schlecht füttert, bringt sich für die nachfolgende bessere Fütterung um die Rente«,116 versuchte das auflagenstarke Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt seinen Leserinnen und Lesern 1951 die nun schon Jahrzehnte beschworene gleichmäßige Fütterung der Tiere nahezubringen. Es verbreitete die Botschaft, dass das Zusammenspiel aus Futter, Tier und Erlös zeitlich verzögert sei. Das einmal ungenügend gefütterte Tier revanchiere sich mit einer dauerhaft niedrigeren Leistung. Doch eine ganzjährige gleichmäßige Fütterung war in den 1950er Jahren leichter gesagt als getan. Es war ja gerade der Charme der Rinder, dass sie sich im Sommer ihr Futter eigenständig auf der Weide einverleibten und sich mit dem Gras einer Ernährungsressource bedienten, die für den Menschen selbst nicht nutzbar war. Doch der Übergang zwischen dem Winter im Stall und dem Sommer auf der Weide schwächte die Körper der Tiere empfindlich, wenn er zu abrupt stattfand. Möglichst nur stundenweise war den Tieren Zugang zum frischen Gras zu gewähren und außerdem sollte der Mensch sich um eine stärke- und ballastreiche Beifütterung, »eine tägliche Mineralstoffgabe von kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk und eine entsprechende Gabe Kuhsalz« kümmern.117 Gleichmäßiges Füttern der Tiere bei wechselnden Futtervorräten bedeutete eine zunehmend steuernde Tätigkeit des Landwirts.118 Nicht alle waren fähig oder willens, die Fütterungspraxis ihrer Tiere zu verändern. Mitte der 1960er Jahre jedoch klangen Tierernährungsexperten nicht mehr verzweifelt, sondern stellten mit zunehmender Genugtuung fest, dass »die von vielen Landwirten betriebene Mißachtung der primitivsten Erkenntnisse der Landwirtschaftswissenschaft nicht mehr lange« leistbar sein wird.119 Die »im Tun und Denken etwas Langsameren« seien »für die moderne Nahrungsproduktion« ungeeignet; für sie gebe es »am Fließband oder – im Büro« Platz, ließ Max Witt, ein führender westdeutscher Tierernährungswissenschaftler 1964 verlauten.120

115 O. A., Kühe sind keine Automaten. 116 Dürrwaechter, Zwölf Erfahrungsätze für die richtige Fütterung der Milchkuh. 117 Laub u. Schnepf, S. 479. 118 Dietrich; o. A., Futter und Fütterung. 119 Eckert, S. 26. 120 Witt, Aufrechterhaltung der Nahrungsproduktion in Europa, S. 6.

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Neben dem Wechsel der Jahreszeiten war der wandelnde Körper des Tiers zu einer futterpraktischen Herausforderung geworden. Für das Ziel, die »erblich bedingte Leistungsfähigkeit« des Tieres möglichst vollständig auszuschöpfen,121 war den mit der Veränderung des Körpers einhergehenden Bedarfsveränderungen beizukommen. Wuchs das Kalb zum Jungrind heran, veränderte sich sein Futterbedarf. Wiederum war man inzwischen dahintergekommen, dass sich die Futterpraktik zeitverzögert im Geldbeutel bemerkbar machte: »Eine reichliche Jugendernährung ist auch die billigste Form der Aufzucht, denn je jünger das Kalb ist, um so besser ist die Futterausnutzung.« Auch dieser Zusammenhang war jedoch in sich komplex. »Des Guten nicht zuviel« durfte der Bauer füttern, denn wurde »das Kalb nach Beginn der Geschlechtsreife« zu reichlich gefüttert, »leidet die spätere […] Milchleistung des zu schwer gewordenen Tieres«.122 Neben der Veränderung der Körper heranwachsender Tiere waren die drei Rhythmen der Milchkuh – in der Sprache der Branche: Trächtigkeit, Trockenstehen, Laktation – und ihre möglichst leistungsfördernde Fütterung Gegenstand der Diskussion der 1950er Jahre. Unter der Überschrift »Kühe sind keine Automaten« wurde 1959 angemahnt, dass »jedes Lebewesen von Zeit zu Zeit eine Erholung« braucht. Dann aber folgte eine Betriebsanleitung wie für einen Automaten. Die notwendige Erholung sei bei der Milchkuh das achtwöchige Trockenstellen, in der sie besonders reichhaltig gefüttert werden müsse, damit sich ihr Körper von »den starken Beanspruchungen erholen und auf die nahende Geburt vorbereiten« könne.123 Von »täglich 150g eines bewährten Mineralstoffgemisches, in dem neben genügend phorphorsaurem Kalk auch Spurenelemente enthalten sein sollten«, hing die »kommende Milchleistung«, »die Gesundheit der Kuh«, »die Entwicklung und Lebenskraft des Kalbes« und der »Nährwert der Kolostraloder Biestmilch« ab.124 Stand die Kuh im Winter trocken, lieferte »gute Silage« die »notwendigen Vitamine«. Der Artikel sprach damit die Silofütterung an, einen neuen und bleibenden Trend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Einsäuern von Gras, von Rübenblättern oder von Mais, die ­Zubereitung von sogenanntem Gär- oder Saftfutter begeisterte in den 1950er Jahren Praxis und Politik außerordentlich. Eine Delegation des BMEL nahm vom 12. bis 20. September 1955 am Internationalen Silolehrgang in Zürich teil, auf dem neben der Schweiz auch Dänemark, Schweden und Norwegen ihre Silier­ methoden vorstellten.125 Die Branche merkte rasch auf, weil die Herstellung von Silage weniger aufwändig war als diejenige von trockenerem Heu und sein Gehalt nährstoffreicher. Insbesondere in regenreichen Sommern bot die feuchtere Einlagerung des Futters »so viele Arbeits- und sonstige Vorteile«.126 121 O. A., Kühe sind keine Automaten. 122 Langen. 123 O. A., Kühe sind keine Automaten. 124 Ebd. 125 BArch Koblenz, B 116/2917, Bericht über eine Auslandsdienstreise von Oberregierungsrat Wachter. 126 Gieden; o. A.; Brummer.

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Hatte die Kuh das Kalb geboren hing von ihrer Milchmenge ab, wie sie weiter gefüttert wurde. Seit Mitte der 1950er, vor allem jedoch in den 1960er Jahren, setzte sich diese »Leistungsfütterung« der Kühe durch, wobei die »frischmelkenden Kühe selbstverständlich die guten Heuqualitäten«, »Kraftfuttergaben von 1–2 kg täglich« und eine »regelmäßige Ergänzung der Futterration durch Mineralstoffe« bekamen.127 Zehn Jahre später war mehr geworden aus den ein- bis zwei Kilogramm täglichem Kraftfutter, das Getreide und Leguminosen wie Weizen, Gerste, Hafer, Körnermais, Ackerbohne, Erbse, Soja, Raps oder Sonnenblume in variierender Zusammensetzung meint. 1970 rechnete das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt vor, dass jedes Pfund Kraftfutter ein weiteres Kilogramm Milch pro Kuh bringe.128 Acht kräftige Rinder lagen ruhig wiederkäuend unter dem Schriftbanner »Wirtschaftliche und leistungsbezogene Milchviehfütterung mit wirtschaftseigenem Getreide und Sojaschrot« auf der Landwirtschaftsausstellung der DLG 1978 in Frankfurt und wurden von einer Gruppe Herren aufmerksam inspiziert, wie Abbildung 4 zeigt. Mit ihren gut gediehenen Körpern sollten sie den Slogan »Sojaschrot ist immer ein Volltreffer« illustrieren. Der lebendige Ausstellungsstand markierte die Popularisierung der Getreidefütterung von Rindern. Die Verfütterung von zu­ gekauftem Getreide an Rinder hatte eine Umwertung erfahren. Sie war nicht länger teures Übel, sondern Ursprung der Rentabilität. Das war ein Paradigmenwechsel im Kuhstall mit globalen Implikationen. »Mit Hilfe von viel Kraftfutter wird die eigene Futterfläche ausgeweitet und der Umsatz des Betriebes gesteigert«, galt seit etwa 1970.129 Die Fläche zur Erzeugung des Futters wurde nun auch beim Rind zunehmend – Getreideimporte bildeten die Ernährungsgrundlage der deutschen Schweine seit dem 19. Jahrhundert – in andere Erdteile, vor allem in die Amerikas ausgelagert.130 Die Verwissenschaftlichung des Fütterns im Stall räumte mit tradierten Halbwahrheiten auf.131 Die Praktiken am Tier wurden auf ihre ökonomische Wirkung hin befragt und nur jene, deren Bilanz positiv war, überlebten.132 Mit dem nuancierter werdenden Fütterungswissen verengte sich die Bandbreite der akzeptierten Körperprozesse des Tiers. Es war berechenbar geworden, »ab wann

127 O. A., Kühe sind keine Automaten; AGF / o. A., Sind hohe Milchleistungen immer richtig?. 128 O. A., Entweder schaffen Sie Ihr Milchvieh ab oder holen Sie das Letzte aus Ihren Kühen heraus. 129 Ebd. 130 Comberg, S. 30. 131 »Gut geputzt ist halb gefüttert« hatten sich die Bauern etwa seit den 1860er Jahren zugeraunt, siehe Settegast, Die Thierzucht, S. 485. Knapp einhundert Jahre später wurde klargestellt: »Die Kuh denkt gar nicht daran, bei Verringerung der Futtermenge auf die Hälfte aus Dankbarkeit für gute Putzarbeit die alte Milchleistung beizubehalten«, siehe Blanken, Aus Leserbriefen. 132 Siehe hierzu z. B. Blohm u. Jungehülsing.

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Abb. 4: Rinder auf der 55. DLG-Ausstellung in Frankfurt 1978.

die Kuh ihr Futter wert ist«133 und die Tage von »vielen unnützen Fressern«134 waren gezählt. Ein Rind war nicht länger grundsätzlich besser als kein Rind: »Wenn wir uns das Kuhmaterial betrachten, so sehen wir immer wieder, daß in den meisten Betrieben noch viel zu viel unnütze Fresser im Stall stehen. Kühe mit schlechten Fettprozenten oder geringer Milchleistung […] sollte man ausmerzen«, wurde 1954 geraten.135 Ohne damit die frühere Zusammenarbeit von Mensch und Rind romantisieren zu wollen, als der Wert eines Rindes weniger stark an seine momentane körperliche Leistungsfähigkeit gebunden war, ist auffällig, dass in den 1950er Jahren aus dem NS-Zusammenhang bekannte, dort aber auf Menschen bezogene, Formulierungen unter den Auspizien ökonomischer Effizienz auf Tiere übertragen fortexistierten. Die Körper der Rinder brachten eine Eigenlogik in die Bewirtschaftung, weil ihre Lebendigkeit, obwohl Ressource allen Gewinns, zugleich verantwortlich war für fortwährende Unwägbarkeiten im Stall. War die ideale Futterration nach Alter und Leistungsziel gefunden, konnten die Tiere einen Strich durch die Rechnung machen. Kälber balgten sich mit ihren Stallgefährten so sehr um das Futter, dass sie schlechter gediehen und nicht die berechnete Zuwachsleistung verzeichneten.136 Gar die »Hauptursache für Futterverluste« bestand darin, be-

133 AGF / o. A., Sind hohe Milchleistungen immer richtig?. 134 Dreves. 135 Ebd. 136 O. A., Fütterung einzeln oder in Gruppen?.

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klagte die Branche 1965, »daß die Kühe von der Futterkrippe zurücktreten und mit vollem Maul den Kopf hochwerfen, wobei Futter auf den Boden fällt und zertrampelt wird«.137 Daraufhin wurden sogenannte Fressgitter konstruiert, die dieses Verhalten unmöglich machten. Die Fressgitter oder Fangfressgitter verhinderten überdies, dass sich die Tiere »gegenseitig belästigen«. Denn es gäbe »doch einige, die prinzipiell Gefallen daran finden, die anderen zu stören«, so die Futteraufnahme behinderten und jegliche Futterberechnungspläne torpedierten.138 Mit der Formulierung, die Tiere »fänden Gefallen daran«, ihre Mitstreiter zu stören, wurde ihnen Intentionalität zugeschrieben. Das geschah in den Quellen immer dann, wenn ihr Verhalten die reibungslose Bewirtschaftung erschwerte. Funktionierten die Tiere wie gewünscht, wurde es als menschliches Verdienst verbucht. Funktionierten sie nicht, war es ihr persönliches Fehlverhalten, das Maßregelungen rechtfertigte. Die Lebendigkeit der Kuh trat nicht nur als Saboteurin der Futterpraxis in Erscheinung. »Eine ansteckende Wirkung« habe die Nahrungsaufnahme auf die Tiere untereinander. Stellt man gut fressende Tiere deshalb neben weniger gut fressende, erhöhe sich die Futteraufnahme der letzteren.139 »Das Kapitel vom Tränken der Tiere« unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung der Mitarbeit des Rinds ein weiteres Mal. Das Tier »sauft sich nicht einmal so voll, als man annehmen möchte«, stellte ein anonymer Autor erstaunt fest, als er 1955 die neuen Selbsttränkeanlagen im Stall evaluierte.140 Rinder brauchen nicht nur Futter, sondern auch Wasser. Herkömmlicherweise brachte ihnen der Mensch das Wasser in den Stall. War noch keine Wasserleitung verlegt, geschah das händisch. Bei zehn ausgewachsenen Rindern waren das etwa 400 Liter am Tag. Alternativ wurden die Tiere zum Hofbrunnen geführt oder Wasser von dort per Handpumpe in den Futterbarren gepumpt. Die Mitte der 1950er Jahre aufkommenden Selbsttränker verbreiteten sich schnell. Sie ersparten nicht nur Arbeit und Kraft, sondern versetzten die Bauern in Erstaunen darüber, dass ihre Tiere sich selbst besser tränken könnten, als sie es zu tun verstanden: »Das ist eben das Eigenartige, daß bei der Selbsttränke nicht mehr Wasser aufgenommen wird, als für die Verdauung und zur Stillung des Durstes notwendig ist. Das Aussehen der Tiere wird ein besseres«, stellte der erstaunte Landwirt fest.141 Mit einem Schwerpunkt in den 1950er Jahren war das Füttern von Rindern zur strategischen Arbeit am Tier geworden. Der Mensch sprang nicht länger nur dann ein, wenn das in seiner Verantwortung lebende Tier sich sein Futter nicht selbst beschaffen konnte, sondern begann, die Ernährung der Tiere syste137 Stu. / o. A., Gegen Futterverderb. 138 BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Referat Dr. Breitenstein, Forschungsstelle für Tierhaltung Knau, S. 34. 139 Reinbrecht, S. 218. 140 O. A., Das Kapitel vom Tränken der Tiere, S. 2244. 141 Ebd.

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Abb. 5 u. 6: Einzelfütterungsbuchten im Kälberstall und Einzelfütterung von Kühen im Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung Mariensee.

matisch, umfassend und kleinteilig zu steuern. Der Tiere Leistung wurde überwacht und die landwirtschaftliche Fachpresse popularisierte die neuen Futterpraktiken. Doch woher kam das Wissen hierfür? Das führende deutsche Institut für Tierernährung, das 1938 gegründete ­Kaiser-Wilhelm-Institut für Tierzuchtforschung in Dummerstorf bei Rostock, stand der westdeutschen Landwirtschaft seit der heraufziehenden deutschen Teilung nicht mehr zur Verfügung. In Niedersachsen, als Standort wegen seiner prominenten Tierhaltung besonders geeignet, fand sich Ersatz. 1946 wurde mit dem Klostergut Mariensee der Grundstein für die Forschungsanstalt für Tierzucht und Tierernährung gelegt, die sich in den folgenden Jahren auf 1140 Hektar Land erweiterte. Max Witt wurde 1948 vom Lehrstuhl für Tierzucht in Jena als Direktor des Instituts berufen, das seit Februar desselben Jahres als »Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung« firmierte.142 142 Das Institut hob sich durch die rege Publikationstätigkeit seiner hauseigenen Schriftenreihe von kleineren, aber an ähnlichen Fragen arbeitenden Institutionen ab. Als die Max-Planck-Gesellschaft die Forschung zu landwirtschaftlichen Themen einstellte, wurde das seit jeher politiknahe Institut an die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft mit Hauptsitz in Braunschweig-Völkenrode angegliedert und damit Teil der Ressortforschung des BMEL, siehe https://www.fli.de/de/ueber-das-fli/historie/standort-mariensee/ (abgerufen am 8.3.2019).

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Die Rinder in Mariensee konnten sich ihr Futter nicht gegenseitig stibitzen, da sie einzeln fraßen. Neben Kälbern und Jungrindern wurde an zweihundert Kühen, wie sie in Abbildung 6 zu sehen sind, 14 Jahre lang eine tägliche Leistungs- und Futterverzehrskontrolle durchgeführt. Die Wissenschaftler legten genau fest und dokumentierten ebenso exakt, was die Tiere zu sich nahmen. Neben deren Gewicht werteten sie die Milch auf ihre Menge und Zusammensetzung hin aus.143 Das Futterverhalten des Einzeltiers wurde erfasst, die Einzeldaten wurden zur Norm aggregiert und anhand von dieser wurden die einzelnen Tiere anschließend wiederum beurteilt. In diesem Sinne verweist die Forschung zur Fütterung der Rinder auf den nicht nur für Menschen geltenden Zusammenhang von Individualisierung und Normierung. Die Wissenschaftler des MPI publizierten die Ergebnisse ihrer Experimente rege in der hauseigenen Schriftenreihe und der landwirtschaftlichen Fachpresse.144 Doch damit allein fanden die wissenschaftlichen Schriften ihren Weg in den Stall noch nicht. Der AID, der Land- und Hauswirtschaftliche Auswertungs- und Informationsdienst, dessen Abkürzung nicht zufällig das englische aid, also Hilfe, bedeutete, spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Wissensverbreitung seit 1950. Mit Marshallplanmitteln nahm er im Mai 1950 seine Arbeit auf und verschrieb sich der Weiterbildung der westdeutschen Landwirte. Da Lerneffekt und Reichweite von Text in der Branche beschränkt blieben, setzte er auf das Format Film. Da Kinos auf dem Land spärlich gesät waren, die meisten Bauern weder Zeit noch Geld für den Kinoausflug in die Stadt hatten und Fernseher noch keinen Einzug in die Wohnzimmer gehalten hatten, fanden die AID-Filmvorführungen regen Zulauf. Mitte der 1960er Jahre fuhr eine Flotte VW-Busse, ausgerüstet mit Projektor und Leinwand, durch die gesamte Bundesrepublik und führte in Dorfgaststätten neu gedrehte Lehrfilme vor, für die zuvor an den örtlichen Anschlagtafeln geworben worden war (Abb. 7).145 1952 war der Höhe­ punkt der Filmproduktion für eine veränderte Praxis der Rinderfütterung. »Sind wir reich genug, um falsch zu füttern?«, fragte beispielsweise der 33-minütige »Film-Nr. 212«. Er zeigte einen Querschnitt durch die Winterfütterung in Nord- und Süddeutschland, vom Allgäu über Württemberg und Westfalen nach Oldenburg. Zeichentrickanimationen erklärten, wieviel Kilogramm mehr Milch die richtige Futterration verspräche.146

143 Max-Planck-Gesellschaft, S. 19 f. 144 Siehe zur Fütterung Holtze; Farries. 145 https://www.aid.de/inhalt/zur-geschichte-des-aid-989.html (abgerufen am 8.3.2019), sowie Telefonat mit Martin Lange, Leiter Vertrieb des AID am 18.1.2017. 146 Heydenreich, Sind wir reich genug um falsch zu füttern?, AID-Film Nr. 212, Deutschland 1952, 33 Min. (Filmbeschreibungen aus dem AID-Archiv, Bonn; manche der Filme einsehbar in BArch Filmarchiv); siehe außerdem König, Kälberaufzucht will verstanden sein, AID-Film Nr. 218, Deutschland 1952, 21 Min; Schmücker, Von der Standweide zur Portionsweide, AID-Film Nr. 222, Deutschland 1952, 23 Min.

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Abb. 7: VW-Busse des AID zur Filmvorführung von landwirtschaftlichen Lehrfilmen in den 1950er Jahren.

DDR: »Die Kuh melkt nach wie vor durch das Maul«147 Ferdinand Kunz, der seit 1945 Melkermeister auf dem Volkseigenen Gut (VEG) Dennin148 in Pommern nahe der polnischen Grenze war und als »Held der Arbeit« in den 1950er Jahren zum bekanntesten Melkermeister der DDR werden sollte, organisierte die Fütterung der dortigen Rinder neu. Nach ihrem Alter hatte er die Rinder in drei Gruppen eingeteilt, Milchkühe, ein- bis zweijährige und unter einjährige. Die Milchkühe ihrerseits gliederte er in vier Gruppen nach ihrer täglichen Milchleistung, unter zehn Kilogramm, zwischen zehn und 18 Kilogramm, zwischen 18 und 24 Kilogramm und über 24 Kilogramm.149 Heu, Stroh, Rüben, Silage und Zuckerrübenschnitzel bekam in Dennin jedes Tier, die zusätzliche Menge an Roggenkleie und Rindermischfutter war abhängig von seiner Milchleistung. Damit diese Fütterungsmethode praktisch umgesetzt werden konnte, wurden die Tiere »entsprechend ihrer Leistung aufgestallt«.150 Beweis für den Erfolg von Kunz’ Fütterungspraxis war die Performance der Tiere. Die Kuh »Zitrone« beispielsweise gab »durch richtig angewandte Gruppenfütterung« und »richtige Fütterungstechnik« im Jahr 1953 7.153 Kilogramm Milch mit 230 Kilogramm Fett, wohingegen sie noch 1949 bei 4.175 Kilogramm mit 127 Kilogramm Fett gelegen hatte.151 Ferdinand Kunz wurde zum Namenspatron eines »Kampfprogramms zur Steigerung der Milchproduktion«.152 Die Methoden der Ferdinand-Kunz-Bewegung sollten die Nahrungsmittelproduk147 Stoike, S. 180. 148 Damals auch parallel: Demmin. 149 Zentrale Mitschurinkommission beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der Deut­ schen Demokratischen Republik, S. 20–23. 150 Ebd., S. 25 f. 151 Ebd., S. 27; für eine neue Fütterungsstrategie für tragende Kühe, die die Produktivität im Stall in die Höhe schnellen ließ, siehe Kühling, S. 102. 152 Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 151.

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tion landesweit ankurbeln.153 Denn auch in der DDR konnte »eine Kuh die besten Anlagen nicht ausnutzen, wenn sie nicht genügend Leistungsfutter erhält«.154 Allen »Kampfplänen«155 der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (Vdgb)  in den 1950er Jahren zum Trotz hielt die beschriebene strategische Rinder­f ütterung zunächst keinen Einzug in die meisten Ställe. Zu tiefgreifend waren die agrarpolitischen Manöver, die vor, während und nach der Kollektivierung durchgehend das bestimmende Merkmal der Landwirtschaft im Osten blieben. In Abstimmung und Abhängigkeit von Moskau war die Kollektivierung der Landwirtschaft seit Anfang Juni 1952 ausgerufenes Politikziel der SED. Obwohl die gegründeten LPG umfangreich gefördert wurden, funktionierte der freiwillige Aufbau einer kollektivierten Landwirtschaft nicht. Nur für jene Bauern, die ihr Überleben anders nicht sichern konnten, war der Beitritt zu einer LPG interessant. Die frühen LPG waren Notgemeinschaften und Ende des Jahres 1952 nahezu gesammelt zahlungsunfähig; aus politischen Gründen blieben sie mit großer finanzieller Unterstützung weiterbestehen.156 Im Frühjahr 1953 radikalisierte sich die Kollektivierungspolitik, was zu massiver Unzufriedenheit auf dem Land führte und sich auch dort um den 17. Juni 1953 entlud. Einzelne LPG wurden bestreikt, zerstört oder feixend wieder aufgelöst. Die Spannungen zwischen den mit hohen Ablieferungspflichten und schlechtem Zugang zu Kredit und Maschinen benachteiligten selbstständigen Landwirten, die bei Nichterfüllung ihrer Ablieferungspflichten inhaftiert oder enteignet wurden, und den genossenschaftlichen Bauern verschärften sich weiter.157 Die Kollektivierungspolitik der Jahre 1952 und 1953 schlug sich in einem Rückgang der Lebens­mittelproduktion nieder, was zu einer gemächlicheren Gangart in den folgenden Jahren führte – zu wichtig war die ausreichende Versorgung der Bevölkerung als Grundlage politischer Loyalität. Doch der Gangartwechsel war nur von kurzer Dauer, insgesamt triumphierte die Ideologie der Kollektivierung

153 Die Ferdinand-Kunz-Bewegung, auf der 17. Tagung des Zentralkomitees der SED ins Leben gerufen, ist einzuordnen in den Kontext der 1950 von der SED initiierten Mitschurin-Bewegung, die sowjetische Agrarmethoden in die ostdeutsche Landwirtschaft transferieren sollte. Da ihre Inhalte nicht an den tatsächlichen Herausforderungen ausgerichtet waren, sondern an der ideologischen Passform, verstärkte die Bewegung die Vorbehalte der Bauern gegenüber sowjetischen Methoden und sie verlor bis Mitte der 1950er Jahre rasch an Zuspruch, siehe Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 150 f. 154 Zentrale Mitschurinkommission beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik, Kap. V.: Das VEG Groß-Vielen überträgt die Ferdinand-Kunz-Bewegung auf die Milch- und Fleischproduktion, S. 40–47, hier S. 43. 155 Siehe zum Beispiel »Kampfplan zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion für die Ortsorganisation Klein-Neuschönberg, Kreis Marienberg, Bezirk Karl-Marx-Stadt«, gefasst am 3. und 4.6.1954 in einer »ernsten Beratung der werktätigen Bauern mit den Funktionären der VDGB«, in: Zentrale Mitschurinkommission beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik, S. 5–7. 156 Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 106–108. 157 Kowalczuk, S. 284–293; Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 112–118; Schier, S. 58–66.

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über praxisnähere Erwägungen trotz aller Unruhe, die die agrarpolitischen Eingriffe in die Ställe brachten.158 Zurück in den Stall: »Schlendrian« habe 1954 in der LPG »Wilhelm Pieck« in Kauern (Bezirk Gera) geherrscht, stellte die Zentrale Mitschurinkommission beim Landwirtschaftsministerium der DDR, ein wie in vielen Ostblockstaaten zu Ehren des sowjetischen Pflanzenzüchters Ivan Mitschurin159 gegründetes Gremium zur Verbesserung der Landwirtschaft, fest. »Unter Missachtung der primitivsten Erfahrungen« wurden die 228 Rinder gehalten und die Fütterung fand »nicht nach Leistung« statt.160 Die identifizierte Ursache in Kauern, und nicht nur dort: »Die Mitglieder [der LPG, V. S.] waren zum Teil ungenügend qualifiziert. Es fehlte vor allem an praktischen Erfahrungen […] in der Vieh- und Futterwirtschaft.«161 Am 5. Juni 1953 wurde deshalb der zootechnische Beratungsdienst gegründet, der die gemeinschaftliche Viehhaltung auf einen grünen Zweig führen sollte, indem insgesamt 2.454 Zootechniker, wie der Ausbildungsberuf Tierwirt in der DDR hieß, jeweils vor Ort optimale Futterstrategien für die Rinder der neuen LPG entwickelten. Doch die die mangelhafte Fütterung hielt an. Das Landwirtschaftsministerium analysierte: Die »jungen Kräfte […], die gerade von der Fachschule gekommen sind, haben […] wenig praktisches Können und können sich daher in den LPG nicht durchsetzen«.162 Zudem hatten »die jungen Beratungskräfte einen schweren Stand gegenüber den Viehpflegern« und wurden »von ihnen nicht anerkannt«.163 Ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten in den bereits vergemeinschafteten Betrieben forcierte die SED Ende der 1950er Jahre die weitere Kollektivierung der Landwirtschaft. Der »sozialistische Frühling« auf dem Lande, die erzwungene Vollkollektivierung, war ihr Höhepunkt. Menschliche Existenzen zerbrachen und die Ausreisen in die Bundesrepublik nahmen ebenso zu wie die Selbstmorde.164 Tiere wurden zum Gegenstand bäuerlichen Widerstands gegen die erzwungene LPG: Vernachlässigt oder aktiv geschädigt, wurden ih158 Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 123. 159 Mitschurins irrtümliche Vererbungslehre, wonach Pflanzen auch nicht-genetische, sondern ihnen beigebrachte Eigenschaften vererben würden, wurde zur Parteilehre in den Staaten der Sowjetunion und zu einem Beispiel politisch gestützter Pseudowissenschaft, siehe o. A., Festveranstaltung zu Ehren Mitschurins; Gordin. 160 Ministerium für Land- und Forstwirtschaft / Zentrale Mitschurin-Kommission, S. 4. 161 Ebd., S. 8 f. 162 BArch Berlin, DK 1/3962, Vorbildbetriebe 1955–56, Bericht über die Situation im landwirtschaftlichen Beratungsdienst und Vorschläge einer Verbesserung seiner Tätigkeit, Berlin 3.12.1956, S. 4; BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung der Viehwirtschaft 1956. 163 BArch Berlin, DK 1/3859, Problemanalyse zur Nichtdurchsetzung des Leistungsprinzips in der Viehhaltung 1957; BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Pro­blemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Referat Dr. Tann, S. 53. 164 Schöne, Die Landwirtschaft der DDR, S. 36; Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft und kommunistische Diktatur, S. 456 f.

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nen Nägel, Glasscherben oder Dünge-, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel ins Futter gemischt.165 219.000 unnatürlich verendete Rinder wurden 1960 als Sabotage-Opfer der Kollektivierung verzeichnet.166 Die Zwangskollektivierung im Frühjahr 1960 verdeutlicht das Ausmaß, mit dem agrarpolitische Eingriffe das Alltagsgeschäft in den ostdeutschen Ställen bestimmten. Agrarwissenschaft und die Praktiker vor Ort beschworen nicht weniger mantrahaft als in der Bundesrepublik ein regelmäßiges, leistungsbezogenes und zielgerichtetes Füttern der Tiere.167 Sie beklagten, wie zum Beispiel der Melkermeister Unger aus der LPG Bas Lausink, dass »in den meisten LPG das Vieh den ganzen Tag über keine Ruhe kriegt«, weil »das Futter erst um 9 oder ½ 10 Uhr kommt«; sie beklagten, dass es »viele LPG nicht verstanden, die Maissilage mit ihren Stärkewerten über das ganze Jahr zu verteilen« und diese Stärkewerte, weil »im Winter wahllos Maissilage verfüttert [wurde], im Frühjahr, wo es nur Klee gab, fehlten«.168 Überhaupt fehlte ausreichendes Futter in der Planwirtschaft der DDR öfter, als es im Überfluss vorhanden war. Wiederkehrende Phasen der Futterknappheit führten dazu, dass insgesamt bis zu einem Fünftel des Futters »versaut« wurde, weil es nicht gewinnbringend in Milch oder Fleisch umgewandelt wurde.169 Der tiefgreifende staatliche Eingriff in die Tierhaltung erschwerte die praktische Umsetzung wissenschaftlicher Fütterungsziele. Das war auch nach Abschluss der Kollektivierung, von Walter Ulbricht am 25. April 1960 vor der Volkskammer verkündet, nicht vorbei.170 Auch nachdem mit Karl-Marx-Stadt am 14. April der letzte Bezirk seine »Vollgenossenschaftlichkeit« nach Berlin gemeldet hatte, wurden die landwirtschaftlichen Tiere der DDR zum Großteil nicht gemeinschaftlich bewirtschaftet.171 Drei Typen von LPG standen den Bauern zur Verfügung, und nur im Typ III waren neben Ackerland und Maschinen auch die Tiere Gemeinschaftseigentum. Dieser Typ III fand jedoch, obwohl vom Regime seit Beginn der Kollektivierung 1952 favorisiert, gerade unter Bauern mit bedeutenden Tierbeständen geringen Zuspruch und wurde in den folgenden Jahren mit mehr politischem Willen als mit ökonomischem Mehrwert durchgesetzt.172 Maßgeb165 Laue, S. 162 f. 166 Ebd., S. 164. 167 Für die Praxis siehe die Protokolle der Bauernkongresse 1960, 1962, 1964 und 1968 der DDR, auf denen die Fütterung der Tiere und ihre Probleme insbesondere im Jahr 1960 prominenter Vortragsgegenstand waren, z. B. Krüger, Viehzuchtbrigadier; Reinhardt, Institut für Veterinärmedizin, S. 300; Halinski, S. 312; Holzschuh, S. 106 f. 168 BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Referat Melkermeister Unger, S. 84 f. 169 Krenz, S. 179. 170 Ulbricht, Regierungserklärung, S. 1160. 171 Verband für Agrarforschung und -bildung in Thüringen e. V., S. 28. 172 LPG vom Typ I und II gingen zwischen 1960 und 1975 von 12.976 auf 698 zurück, Ge­ nossenschaften vom Typ III von 6.337 auf 5.066 – die Betriebe nahmen insgesamt stark ab, jene mit vergemeinschafteter Tierhaltung wurden zum beherrschenden Betriebstyp,

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lich dafür, dass die Bauern die Vergemeinschaftung ihrer Tiere mittrugen, war die Möglichkeit der individuellen Hauswirtschaft. Jedem LPG Typ III-Mitglied stand ein viertel und jeder Familie ein halber Hektar Land zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung und die Haltung von zwei Kühen mit Kälbern, zwei Mutterschweinen mit Nachwuchs und beliebig viel Geflügel (und anderen als »Kleinvieh« gelisteten Tieren wie Ziegen oder Kaninchen) war gestattet.173 Die Ernährungssituation dieser individuellen Tiere war besser als diejenige der LPG-Tiere. Sie wurden gewissenhafter gefüttert, da sie entweder unmittelbar zur Eigenversorgung beitrugen oder aber ihre Erzeugnisse steuerfrei verkauft werden konnten. Die individuelle Hauswirtschaft stellte eine ideologisch nicht vorgesehene, aber insbesondere bei Knappheit tierischer Produkte wertvolle Win-Win-Situation für die individuellen Tierhalterinnen und -halter auf der einen und Konsumentinnen und Konsumenten auf der anderen Seite dar.174 Die unterschiedliche Praxis der Fütterung von LPG-Tieren und jenen in individueller Hauswirtschaft verdeutlicht ein Strukturproblem der gemeinschaftlichen Rinderhaltung in der DDR. Eine »persönliche Verantwortlichkeit« durch die »individuelle Zuteilung von Tieren an die Brigademitglieder« war nach der Vergemeinschaftung erst wieder künstlich, durch Prämien und Besoldungs­ modelle, herzustellen.175 Fehlte sie, machte sich bei der Fütterung der Tiere (und nicht nur dort) die LPG-Weisheit »Ob faul oder fleißig – 1,36«, die auf den leistungsunabhängig ausbezahlten Stundenlohn anspielte und aus der in den 1970er Jahren »Ob faul oder fleißig – Stunde 5,30« geworden war, bemerkbar.176 Aufgefangen werden sollte das Motivationsproblem in der kollektivierten Tierhaltung zusätzlich durch Frauen. »Für mich«, sagt Hildegard Fuhrmann, Kälberpflegerin der LPG Typ III in Seerhausen bei Riesa auf dem achten Deutschen Bauernkongress in Schwerin 1964, »war es selbstverständlich, nicht nach der Uhr zu sehen, ganz gleich ob es 21 oder 24 Uhr war, weil diese Tiere eben einer besonderen Pflege bedurften«.177 Sie fuhr fort, dass sie für ihre Vertretung, »wenn ich unterwegs bin«, selbst sorgt: »Dann vertritt mich meine 64-jährige Mutter, und von ihr weiß ich, daß sich bei ihr das Vieh in den besten Händen befindet.«178 Von Politik und Beratern, aber auch den Praktikerinnen und Praktikern im Stall wurden die für die Tierpflege besonders nützlichen Sorge-Fähigkeiten von Frauen beschworen, über die diese biologisch-essentialisiert schlicht siehe Statistisches Jahrbuch der DDR, Berlin 1975, S. 176 f.; Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 134; ein Drittel der Typ III LPG musste vollständig subventioniert werden, um den LPG-Mitgliedern das staatlich garantierte Mindesteinkommen zu sichern und nur knapp 7 % der LPG Typ III kamen ohne Subventionen aus, siehe Steiner, Von Plan zu Plan, S. 93. 173 Schier, S. 224 f.; Heinz, Die Geschichte; Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft und kommunistische Diktatur, S. 168, S. 345, S. 497 u. S. 512; Laue, S. 213. 174 Schier, S. 224. 175 Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, S. 17. 176 Schier, S. 199. 177 Fuhrmann, S. 247. 178 Ebd.

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verfügten.179 Frau Fuhrmann selbst führte an, als bedürfe das keiner weiteren Erklärung, dass »die Kälber einige Monate von den Melkern betreut« worden waren – »Wie das aussah, könnt ihr euch denken.«180 Die Überzeugung war: »Dort, wo die Frauen in der Viehwirtschaft tätig sind, sind die Viehverluste sehr gering.«181 Vor allem als man bei der Fütterung der Kälber dazu überging, ihnen weniger Milch ihrer Mutterkühe zu verabreichen, war ein fürsorglicher Umgang im Stall gefragt, damit mehr Milch dem menschlichen Verzehr zur Verfügung stand und die nächste Generation Rinder dennoch  – nun mit sogenannten Milchaustauschern aufgezogen – unbeschadet heranwuchs.182 In der DDR als »Kälmil« bekannt geworden, lösten Milchaustauscher die Kuhmilchfütterung der Kälber nach ein bis zwei Wochen ab. »Kälmil« bot zwei weitere Vorteile der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Kälberaufzucht: Ihm war neben Spurenelementen und Vitaminen standardmäßig Antibiotika zugesetzt, was Wachstum und Gesundheit förderte, und es gewöhnte »den Digestionstrakt« der Kälber »frühzeitig an industriell hergestellte Futtermittel«, sodass auch ihre spätere Mast gut mit »relativ billig zu erzeugenden Massenfuttermitteln« funktioniert.183 Fütterungsantibiotika in der Kälbermast sind symptomatisch für den Bedeutungswandel der Tiermedizin bei zur Lebensmittelerzeugung gehaltenen Tieren zwischen 1950 und 1990 – in Bundesrepublik und DDR.184 Medikament und Behandlung lösten sich vom erkrankten Einzeltier und wurden zu prophylaktischen Maßnahmen im gesamten Bestand. Doch das neuartige Kälberfutter löste die Aufzuchtprobleme der Rinderhaltung – viele schwache Kälber, prädestiniert für lebensbedrohlich werdende Durchfallerkrankungen  – in der DDR nicht, weshalb erneut Frauen richten sollten, was die agrarpolitische Umstrukturierung zu verantworten hatte: Erich Honecker führte vor dem 2. Plenum des Zentralkomitees der SED im April 1963 jegliche strukturelle Verantwortung ausblendend aus, »dass man offen sagen 179 BArch Berlin, DK 1/10965, Technisch-ökonomische Zielstellung für Viehanlagen, Dr. Lenschow vom Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf hält für das VEG Berlingerode im Kreis Worbis fest, dass der Vorteil der arbeitsteiligen Bewirtschaftung von Rindern der »Einsatz […] besonders geeigneter Personen (vornehmlich Frauen)« ist. 180 Fuhrmann, S. 247. 181 Lisek, S. 292. 182 BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Referat Prof. Dr. Pfeiffer, S. 18. 183 Stock, S. 196; Mothes, Tiere am Fließband, S. 59. 184 Fütterungsantibiotika in der Bundesrepublik galten der Branche als unabdingbare Zutat, um im Wettbewerb um die rentable Kälbermast teilzunehmen, siehe z. B. Gropp u. Schulz, S. 384. Im Unterschied zur DDR entwickelte sich Anfang der 1970er Jahre zeitgleich eine kritische Öffentlichkeit, die speziell die standardmäßige Antibiotika-Fütterung der Kälber angriff, siehe z. B. Spiegel-Titelthema, 21.7.1971 »Drogen im Futter. Gift auf den Tisch«, in: Der Spiegel 1971, H. 26, S. 46–62; Großklaus; zu den strukturellen Vorausetzungen des neuartigen großflächigen Antibiotikaeinsatzes seit den 1950er Jahren in der Bundesrepublik siehe Thoms.

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müsse, daß die Hauptursache für die hohen Tierverluste […] in der nicht genügend liebevollen Pflege der Tiere liegt«. Er appellierte an alle LPG, »Frauen als Tierzüchter einzusetzen und auszubilden«.185 Von Walter Ulbricht war eine Woche später im Neuen Deutschland zu lesen: »Wo die Bäuerin im Viehstall regiert, da wird viel produziert«. Die Frauen nämlich gingen »mit Lust und Liebe an die Pflege, Haltung und Fütterung der Tiere heran«.186 Von den hohen Herren angeregt – Honecker war seit 1958 Mitglied des Politbüros der SED und Ulbricht stand seit 1960 an der Spitze von Partei und Staat – echoten Praktiker das hohe Lied der Frau im Stall in den 1960er Jahren und damit parallel zur Ausdifferenzierung des Wissens um die Körpervorgänge im Tier.187 Frauen waren die doppelte Lösung: Sie besäßen »ein ausgesprochenes Talent zur Viehpflege« und seien zusätzlich »wissbegieriger und emsiger, was die Qualifizierung betrifft«.188 Nach der Konsolidierung in den genossenschaftlichen Ställen in den 1960er Jahren war Spezialisierung der nächste agrarpolitische Winkelzug, der die Futterversorgung der Tiere erneut verkomplizierte. Spezialisiert wurde nicht nur durch eine Trennung von Ackerbau und Viehzucht, sondern auch innerhalb der Tierhaltung.189 Seit 1972 wurde nur mehr der Bau sogenannter Typenställe genehmigt. In der Rinderhaltung waren das Milchviehställe mit 2.000 und Jungrinderställe mit 4.400 Plätzen.190 Mehr an einem Ort konzentrierte Tiere verlangten mehr Futter und dessen Bereitstellung machte zunehmend Schwierigkeiten.191 Die Betriebe der Pflanzenproduktion, die das Futter erzeugten, wirtschafteten nach anderen Rhythmen und Logiken, sodass Probleme der Futterversorgung zur Tagesordnung im Rinderstall und zum Charakteristikum der geplanten Landwirtschaft Ostdeutschlands wurden. Fehlendes Futter torpedierte alle fortgeschrittenen Überlegungen der Tierernährung. Die Praktikerinnen und Praktiker vor Ort mahnten gegenüber der Parteiführung auch dann, als Füttertechniken für Rinder in der Theorie der Lehrbücher längst ausdifferenziert geworden waren, den banalen Zusammenhang zwischen einer 185 O. A. / Erich Honecker. 186 Ulbricht, Brief des Zentalkomitees. 187 BArch Berlin, DK 1/10965, Technisch-ökonomische Zielstellung für Viehanlagen, Kälberaufzuchtanlage mit der Kapazität von 600 Plätzen in VEG Berlinerode, Kreis Worbis, Dr. Lenschow, Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf (undatiert): Als »Vorteil der separaten Kälberaufzucht« wird unter Punkt 1 der »Einsatz für die Kälberaufzucht besonders geeigneter Personen (vornehmlich Frauen)« aufgeführt. 188 Breuste; Marwitz; Kohler; Huth. 189 Zur Sprengung des altbewährten landwirtschaftlichen Stoffkreislaufs Boden-Pflanze-Tier-Boden durch die vollständige Trennung von Feldwirtschaft und Tierproduktion seit 1978 und deren logistische Nachteile für die Tierhaltungsbetriebe siehe Sächsische Landesanstalt, S. 35 f.; Schöne, Die Landwirtschaft der DDR, S. 56–59; Bauerkämper, Strukturwandel und Alltagsleben, S. 216–219. Zum negativen Einfluss der Spezialisierung der Landwirtschaft auf ihre Produktivität siehe Steiner, Von »Hauptaufgabe« zu »Hauptaufgabe«, S. 239. 190 Verband für Agrarforschung und -bildung Thüringen e. V., S. 68. 191 Ebd., S. 42.

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ausreichenden Ernährung der Tiere und ihrer Leistungen an. 1976/77 war die Futtergrundlage der »kontinuierlich unterernährten« Kühe in der LPG im thüringischen Merxleben beispielsweise erneut derart misslich geworden, dass die Todesrate der geborenen Kälber 18 Prozent erreichte.192 Unterernährte Kühe brachten dort labile Kälber zur Welt, für die wiederum nicht genug Futter vorhanden war. Auch fünf Jahre später, 1982, beschwerte sich die Melkerin Kirsten Stoike auf dem 12. Bauernkongress in Berlin über das nicht ausreichende Futter der Tiere und bemerkte: »Die Kuh melkt nach wie vor durch das Maul«.193 1.2.2 Melken: Eine Maschine verändert Mensch und Tier »Als langjährigem Benutzer der Interzonenstrecke Hamburg-Berlin« war dem Hamburger Ingenieur Johannes Spiehs »seit längerer Zeit aufgefallen, daß beiderseits der Bahnlinie die Zahl der Genossenschaftskühe ständig zugenommen hat«.194 Das ließ Spiehs am 4. August 1970 den westdeutschen Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl wissen, per Brief nach Bonn. »Wegen der Eingleisigkeit« dauerte die Fahrt »heute etwa 6 Stunden, gegenüber früher 1,5 Stunden« und diese Zeit verbrachte Spiehs damit, aus dem Zugfenster zu schauen und »Zählungen der weidenden Tiere vorzunehmen«. Bei »2000 Tiere[n] […] an beiden Seiten der Strecke« hat er in der letzten Juliwoche 1970 aufgehört zu zählen. Warum schrieb der Hamburger Ingenieur seinem Bundeslandwirtschaftsminister von dem trivialen Zeitvertreib im Zug? Spiehs’ sechststündige Zugbeobachtung war unterfüttert worden von einem »Gratisheft des DDR Bildmagazins ›Visite‹«, das er seinem Schreiben nach Bonn mit händischen Unterstreichungen beifügte. Darin war »eine interessante […] Abhandlung über die industrialisierte Milchviehhaltung« zu lesen. Man möchte dem Regisseur dieser Episode anerkennend zunicken, so geschickt komponiert wirkt das Zusammenspiel aus langsam fahrendem Zug, unendlichen vorbeiziehenden Kühen und der passenden Zuglektüre im Kontext der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz. Der Eindruck der ostdeutschen Milchkühe zwischen Berlin und Hamburg begeisterte Spiehs derart, dass er Ertl vorschlug, »einen Großversuch in der Bundesrepublik an geeigneter Stelle mit diesem System machen« zu lassen. Spiehs’ interessiertes Erstaunen ist nicht verwunderlich. Unter der Überschrift »Die Kuh vorm neuen Tor oder: Die Knöpfchendrücker von Dedelow« wurde die Milchviehanlage Dedelow beschrieben.195 Sie war der Vorzeigebetrieb der Milchwirtschaft in der DDR. Als »Beispielanlage der Kooperationsgemeinschaft Dedelow«, ein 192 Schier, S. 218. 193 Stoike, S. 180. 194 Hier und alle folgenden Zitate: BArch Koblenz, B 116/23293, Abt. II A, Johannes Spiehs, Ingenieurbau, Hamburg an Bundesminister Ertl, Bonn, 4.8.1970. 195 BArch Koblenz, B 116/23293, Abt. II A, Johannes Spiehs, Ingenieurbau, Hamburg an Bundesminister Ertl, Bonn, 4.8.1970, Anhang: Roland Steyer, Die Kuh vorm neuen Tor oder: Die Knöpfchendrücker von Dedelow.

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Zusammenschluss aus sieben LPG und einem VEG, war sie ein Betrieb neuer Größenordnung und Technik, was in einer Milch-Pipeline direkt in die gut acht Kilometer entfernte Molkerei in Prenzlau gipfelte.196 Am 10. Januar 1969 waren die ersten 141 der 2.000 Milchkühe eingezogen, Ende Juli desselben Jahres waren es schon 1.589 Tiere – und laut Herrn Spiehs ein Jahr später mehr als 2.000.197 Gerhard Krenz, der als betriebswirtschaftlicher Berater mit der Entwicklung der Kooperationsgemeinschaft und der Realisierung der Anlage betraut worden war, erinnerte sich, dass die Standortwahl von ihrer Sichtbarkeit abhängig gemacht wurde. Die Anlage sollte »nicht versteckt« sein, sondern »möglichst an einer Transit Straße, die Leistungsfähigkeit des Sozialismus als entwickeltes gesellschaftliches System demonstrieren«.198 Diese Marketingstrategie war aufgegangen. Was den Hamburger zusätzlich zur schieren Zahl der Kühe so beeindruckte, war der Arbeitsablauf des Melkens dieser Riesenherde, der so gar nichts mehr mit einem Melkschemel auf Stroh und kräftigen Händen am warmen Euter zu tun hatte. Die Kühe in Dedelow wurden auf dem M691–40 gemolken, einem Melkkarussell.199 Das ging, so informierte die Broschüre, wie folgt vonstatten: Nachdem ein Melker die Tiere eingelassen hatte, reihten sie sich, ermuntert durch das dort angebotene Kraftfutter, auf dem sich kontinuierlich bewegenden Karussell ein; nebeneinander, mit Blick nach außen und Hinterhand und Euter nach innen. Innen stand Melker oder Melkerin Nummer zwei, knapp einen Meter tiefer als die Tiere. Sie reinigten die Euter mit einem desinfizierenden Tuch und setzten die sogenannten Melkzeuge an, ein Becherchen der Maschine an jede der vier Zitzen.200 Der nächste Arbeitsschritt, in der Regel ausgeführt vom »Melkstandmeister«, war die Kontrolle des Melkprozesses der Karussell fahrenden Kühe. Je nach der Melkdauer der gerade an Bord befindlichen Kühe regelte er die Drehgeschwindigkeit des Karussells. Damit der Melkprozess insgesamt möglichst flüssig ablief, wurden die Tiere vor ihrer Fahrt in »leicht und schwer melkbare Gruppen« eingeteilt.201 Nach ihrer Rundfahrt verließ die gemolkene Kuh das Karussell und ihr Platz wurde von einer nächsten mit noch vollem Euter übernommen. 196 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR, Abt. Landwirtschaftsbau, Abt. Veterinärwesen, Abschlussbericht über veranlasste Maßnahmen zur Sicherung der Eutergesundheit und Verbesserung der Milchhygiene in der Beispielanlage der Kooperationsgemeinschaft Dedelow, Berlin 25.9.1969. 197 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Gutachten zur Entscheidung über die Anwendung des Systems der Beispielanlage für 2000 Milchkühe Dedelow im Angebotsprojekt für das Jahr 1970, Dedelow 30.7.1969. 198 Krenz, S. 99. 199 Görlich u. Lamprecht. 200 Die Beschreibung basiert auf dem Lehrfilm des Bildungszentrums für industrielle Rinderwirtschaft Dedelow, SStL, agra 011.12VHS, Fachgerechtes Melken, 1982, 28:37 Min. 201 Kintzel, S. 54.

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Melken 1970 in Dedelow unterschied sich außerordentlich von seit Jahrhunderten weitgehend unverändert gebliebenen Gewinnung von Kuhmilch für den menschlichen Verzehr. Das Dedelow’sche Beispiel zeigt: Mit Siebenmeilenstiefeln hat sich die Interaktion zwischen Mensch und Rind am Euter in den 1960er Jahren verändert. Revolution der Maschine und Persistenz der Tradition in der DDR 14 Jahre zuvor war noch diskutiert worden, welche Melkmethode bei Schulun­ gen gelehrt werden sollte, Faustmelken, Druckknebeln oder Strippen. Das »Fausten« gewann.202 Dabei drückten, im Unterschied zu den stärker ziehenden Melkgriffen des Knebelns und Strippens, Mittel-, Ring- und kleiner Finger die Milch nach unten aus dem Euter, nachdem Daumen und Zeigefinger die Zitze an ihrer Wurzel abgesperrt hatten. Jedoch: Fausten ging nur, solange »der Melker keine Ermüdungserscheinungen in der Handmuskulatur verspürt«.203 Wurden die Hände müde, nahm man die Unterarme zu Hilfe und aus dem drückenden Melkgriff wurde ein Reißen und Ziehen, das dem empfindlichen Drüsengewebe des Euters schadete. Beim Knebeln und Strippen, wo entweder die Zitze zwischen Daumen und Mittelfinger fixiert wurde, damit Ring- und kleiner Finger die Milch herausdrücken konnten, oder die Zitze mit Daumen und Zeigefinger abgestreift wurden, entstanden »noch viel leichter Schäden« im feinen, nervenreichen Drüsengewebe des Euters.204 Gestrippt wurde in jenen Betrieben, wo kein fachkundiges Melkpersonal arbeitete,205 weshalb Ausbildung und Schulung von Melkern und Melkerinnen auch vor der Einführung der Melkmaschine wichtiges Anliegen der Agrarpolitik war.206 War ein Euter erst einmal krank, waren »viele Handgriffe notwendig«, um es »wieder zu gesunden«.207 Die Angst vor der Krankheit des Euters charakterisierte die Geschichte des Melkens über den radikalen Umbruch der Melkmaschine hinweg. Jedes kranke Euter lieferte vorübergehend keine verwertbare Milch mehr und höhlte damit den Daseinszweck der Milchkuh aus. Ferdinand Kunz, der Melkermeister auf dem VEG Dennin und als Held der Arbeit aufgebauter Initiator der Bewegung zur Steigerung der Milchproduktion, hielt die unter ihm arbeitenden Melker Mitte der 1950er Jahre an, sich Melkschürze und Melkschemel um den Bauch zu binden und so gründlich wie möglich die Hände zu waschen, bevor sie das Euter der Kuh anfassten.208 Saß der

202 Zentrale Mitschurinkommission, S. 16 f. 203 Andresen, S. 8. 204 Ebd., S. 9. 205 Ebd. 206 SStL, Bestand 20314, A 1850/1-/3 Melkunterricht in der LPG Schenkenberg 1954 oder auch ebd., A 1853/1, Ausbildung auf dem Volksgut Jahnishausen (Krs. Riesa), Melkermeister Erich Kießig und die Lehrlinge Gerlinde Schwarzenberg und Christine Scheiblich. 207 Zentrale Mitschurinkommission, S. 16 f. 208 Ebd., S. 16.

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Melker auf seinem Schemel – einem ein- oder dreibeinigen im Übrigen, weil er mit dem vierbeinigen nicht rechtzeitig unter der Kuh hervorkam, fing diese an sich ungefragt zu bewegen –209 begann er, indem er die ersten bakterienreichen Strahlen, das Vorgemelk, ins Stroh kippte. Anschließend, die Arbeit am Euter als empfindlichem Organ war voraussetzungsvoll, fand das sogenannte Anrüsten statt, eine Massage, die die Milch in die Zitzen lockte. Zügiges Faust­melken sollte folgen, weil langsames Melken gerade den fetthaltigsten und deshalb wertvollsten Milchrest im Euter zurückließ.210 Es durfte aber keine Milch im Euter verbleiben, weil auch das die Krankheitsgefahr der Kuh steigerte, weshalb ein Nachmassieren des Euters den Melkprozess abschloss. Das gesamte Melken hatte unter »Wahrung äußerster Ruhe« abzulaufen und zwar täglich gleich. »Bei einem Melkerwechsel«, so habe Kunz festgestellt, gab »die Kuh in den ersten Tagen nur ein Drittel von der bisher ermolkenen Milch ab«. »Deshalb muß jeder Melker, bevor er mit dem Melken von Kühen anderer Kollegen beginnt, sich über die Melkart und das Melktempo des Vorgängers genau informieren.«211 So die Theorie, der die sozialistische Melkpraxis nicht selten Hohn sprach, weil finanzieller Anreiz zur optimalen Melktechnik fehlte und Handmelken als anstrengende und wenig prestigeträchtige Tätigkeit überdies einer Negativselektion der dafür zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte unterlag.212 Die am Horizont aufgefahrene Maschine versprach Abhilfe gegen unregelmäßiges Melken, ungenügend ausgemolkene Euter, ruppige Hände und wechselnde Melktempi, die die Milchgewinnung sinken ließen. Doch der Übergang vom umgeschnallten Melkschemel zum Wirklichkeit gewordenen Rinder-Futurama ging weder in Dedelow noch anderswo glatt vonstatten. Von der neuen Maschine überraschte Tiere und unberatene Menschen an den Knöpfen der Maschine verursachten zunächst nicht weniger Probleme am Euter als müde, ungelernte oder unwillige Hände. In Dedelow war die Situation im Juli 1969, im ersten Sommer der neuen Milchviehanlage (MVA), derart misslich, dass »die anfallende Milch des Gesamtbestandes 20 Tage […] nicht der menschlichen Ernährung zugeführt werden« konnte.213 Damit war der Sinn des gesamten Unternehmens untergraben. Wöchentliche Beratungen »zur Veränderung der Situation« unter Leitung von 209 BArch Filmarchiv, BSL 21719, DEFA-Produktion Mit der Kuh auf du und du, Regie: Ulrich Kluck, 1956. 210 Die Beschreibung basiert auf Zentrale Mitschurinkommission, Kap. III.: Wie verwirklicht die Brigade Kunz ihre Verpflichtungen?, S. 17. 211 Ebd. 212 Siehe z. B. Seidl, S. 313; Steiner, Von Plan zu Plan, S. 93; Schier, S. 199 f. 213 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR, Abteilung Landwirtschaftsbau, Abteilung Veterinärwesen: Abschlußbericht über veranlasste Maßnahmen zur Sicherung der Eutergesundheit und Verbesserung der Milchhygiene in der Beispielanlage der Kooperationsgemeinschaft Dedelow, Berlin, den 25.9.1969, unterzeichnet von Zinne (Stellvertreter des Produktionsleiters) und Heinicke (Leiter des Veterinärwesens).

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Norbert Rossow, Oberveterinärrat und Leiter des Bezirksinstituts Neubrandenburg, wurden einberufen. Der Grund der unverzehrbaren Milch lag im missglückten Zusammenwirken von Maschine und Tier. Die neuen »technischen Einrichtungen zur Milchgewinnung […] führen zu unvertretbar hohen Euterreizungen, die eine wesentliche Ursache für die Euter-erkrankungen sind«.214 Euterentzündungen, Mastitis in der Fachsprache, waren ein Graus für die Milchwirtschaft: Dem Tier bereiteten sie Schmerzen und bedrohten seinen gesamten Organismus  – so wurden beispielsweise 173  Kühe »wegen unheilbarer Euter­ verletzungen und anderer Eutererkrankungen« im Sommer 1969 in Dedelow geschlachtet. Zudem war die Milch aus entzündeten Eutern unbrauchbar für die weitere Verarbeitung. Als Ursache der vielen entzündeten Euter in ­Dedelow förderten die Beratungen im August und September 1969 zutage, dass sich Mensch, Tier und Maschine noch nicht auf ihr neues Miteinander eingestellt hatten. Der Mensch machte »Bedienungsfehler […], die zur Störanfälligkeit beitrugen«.215 Sie tauschten die Gummiteile der Becher nicht rechtzeitig aus und »1.500 Betriebsstunden länger als vorgesehen« umfassten bereits rissig gewordene Gummi die empfindlichen Zitzen.216 Außerdem waren die Melkbecher der Maschine »innen stark verschmutzt«, weil die »mindestens 1 × wöchentlich notwendige manuelle Reinigung des Melkbecherinnenraumes unterlassen« wurde.217 Neben einer Schulung des Karussellpersonals war die Maschine selbst schuld: »Technische Störungen am MK« waren an der Tagesordnung und schädigten die Euter umso mehr, wenn sie nicht durch kundige menschliche Hände kompensiert wurden.218 Die Pulsatoren fielen aus, die die Milch rhythmisch aus den Eutern saugen sollten und die ungenügend ausgemolkenen Euter entzün­ deten sich. Das wirtschaftliche Risiko eines entzündeten Euters vervielfachte sich mit den Umdrehungen des Karussells, weil der Bewegungsradius der Bakterien von Melkzeug zu Melkzeug, von Euter zu Euter, von Tier zu Tier vergrößert wurde.219 Die unentdeckte Krankheit des Einzeltiers wurde zur Bedrohung und erklärt, weshalb die medizinische Prophylaxe an Bedeutung gewann.

214 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Gutachten zur Entscheidung über die Anwendung des Systems der Beispielanlage für 2000 Milchkühe Dedelow im Angebotsprojekt für das Jahr 1970, Dedelow, den 30.7.1969, unterzeichnet von Peisker (Wissen­schaftlicher Mitarbeiter beim RLN der DDR) und Dr. Wutzig (Direktor des VEB IBR Ferdinandshof). 215 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Bericht über die 3. Beratung zur Veränderung der Situation in der MVA Dedelow am 26.8.1969, Neubrandenburg, den 27.8.1969, unterzeichnet von Vet. Rat Dr. habil Rossow. 216 Ebd. 217 Ebd. 218 Ebd. 219 BArch Berlin, DK 1/10965, Technisch ökonomische Zielstellung für Viehanlagen, Veterinärmedizinische Stellungnahme von Haupttierarzt Dr. Schiller, 9.12.1964.

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Doch auch wenn die Tiere körperlich unbeschadet mit der Maschine kooperierten, beeinflussten sie die Wirtschaftlichkeit kontinuierlich. Die Tiere waren nämlich gestresst durch die neue Maschine. Mit dieser Stress-Zuschreibung wurden die Rinder in die menschliche Weltdeutung eingegliedert, in der Stress seit den 1970er Jahren eine zentrale Rolle als Überlastungstopos zu spielen begann.220 Die »Streßbelastung« der Kühe in großen Herden auf großen Melkkarussellen war für ihre intendierte Nutzung unhaltbar geworden.221 Als Resultat schwankte ihre Milch nicht nur im Fettgehalt, sondern auch in der Menge. Die Beratungen in Dedelow machten als Stressfaktoren, wieder einmal, eine zu große Wechselhaftigkeit im Stall aus. Die Unregelmäßigkeit des Fütterns, des Klimas, ständiges Umstellen und problematische Gruppenzusammenstellungen der Tiere und zudem eine ungenügende Klauenpflege versetzten die Kühe in Stress und schmälerten den Milcherlös.222 Die Durchsetzungsgeschichte der Melkmaschine war learning by doing. Die Mechanisierung der Arbeit am Euter erhöhte wegen der Lebendigkeit von sowohl Mensch als auch Tier weder unmittelbar noch zwangsläufig den Erlös der Milchwirtschaft. Die Melkmaschine funktionierte nur wie vorgesehen, wenn Mensch, Tier und Maschine im neuen Arrangement zueinanderfanden. Die Sorgepraktik von Melker und Melkerin hatte sich auszuweiten auf die Maschine, um deren reibungslose Arbeit am Euter zu ermöglichen. Die Handgriffe an Tier und Maschine griffen ineinander. Der Mensch hatte vorab den Zustand der Milch zu prüfen und das Euter zu massieren, dann die Maschine korrekt anzusetzen und den Melkvorgang zu überwachen, anschließend die Becher der Maschine am Euter hin und her zu bewegen, um alle Milch aus dem Euter zu bekommen und nach dem Melkvorgang die Reinigung der Maschinenteile zu kontrollieren. »Die Kuh schlägt nach dem Melkzeug« war aufgeführt als Funktionsstörung der Melkmaschine und die Lösung lag im zwischen Tier und Maschine geschalteten Menschen.223 An ihm war es, Tier und Automat gleichermaßen »pfleglich zu behandeln«,224 kontinuierlich zu überwachen und bei Kom220 Haller u. a.; Kury; Jackson; Cantor u. Ramsden. 221 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Bericht über die 1. Beratung zur Veränderung der Situation in der MVA Dedelow am 11.8.1969, Neubrandenburg, den 21.8.1969, unterzeichnet von Vet. Rat Dr. habil Rossow. 222 BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Bericht über die 4. Beratung zur Veränderung der Situation in der MVA Dedelow am 9.9.1969, Neubrandenburg, den 10.9.1969, unterzeichnet von VR Dr. habil. N. Rossow, Leiter der AG; siehe außerdem BArch Berlin, DK 1/11901, Gesamtvorgang Unterlagen der Beispielanlage für 2000 Kühe Dedelow, Bereich Technologie, AG Ökonomie: Protokoll. Erfahrungsaustausch über die Bewirtschaftung von Anlagen zur Milchproduktion mit industriemäßigem Charakter, Ferdinandshof, den 14.10.69, Protokollführer: Dr. Hübner. 223 Kintzel, S. 75. 224 Siehe 20 Gebote für maschinelles Melken, in denen sich technische Hinweise zur Bedienung der Maschine mit durch die Maschine neuen und alten bekannten Körperpraktiken am Tier abwechseln in Kintzel, S. 80.

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plikationen korrigierend einzugreifen. Nur wenn er »ganz genau aufpasst« und »ganz individuell mit der Maschine mitmelkt«, funktioniere das neue Gefüge.225 Die Maschine ließ aus dem er in den Milchviehställen der DDR immer häufiger eine sie werden. Die neue Maschine im Stall bot durch ihre Kraftersparnis »günstige Bedingungen für den Einsatz von Frauen«, was dem Politikziel der Vollbeschäftigung möglichst beider Geschlechter dienlich war.226 Dedelow und sein Karussell waren nicht repräsentativ für die Mechanisierung des Melkens in der DDR, aber sie waren zukunftsweisend.227 Noch 1977, als alle Kühe der DDR als maschinell gemolken galten, fuhren nur sechs Prozent von ihnen Karussell. Die größte Gruppe, genau die Hälfte aller ostdeutschen Kühe, wurden mit einer Rohrmelkanlage gemolken, 32 Prozent mit einer Kannenmelkanlage und 12 Prozent im sogenannten Fischgrätenmelkstand.228 Bei Rohr- und Kannenmelkanlage blieb die Kuh angebunden an ihrem Platz im Stall stehen und der Mensch kam mit der Maschine zu ihr. Die ermolkene Milch floss dann entweder selbstständig in ihre Kühlkammer (Rohrmelkanlage) oder wurde händisch dorthin geschleppt (Kannenmelkanlage). Das Karussell in Dedelow war, zusammen mit dem Fischgrätenmelkstand, dessen Prinzip dem Karussell ähnelte ohne dass er sich drehte, zukunftsweisend, weil es die Leben­ digkeit der Kuh produktiv zu nutzen wusste. In Karussell und Melkstand brachte die Kuh ihre Milch zum Menschen und sparten diesem dadurch Wege.229 Gesparte Wege waren gesparte Zeit und um diese ging es bei der Mechanisierung des Melkens in den sozialistischen Ställen der DDR nicht weniger als in den bundesdeutschen mit Kostendruck aus Brüssel, von denen gleich die Rede sein wird.230 Die Geschichte des Melkens zwischen 1950 und 1980 ist die Durchsetzungsgeschichte einer Maschine, die sich zwischen Mensch und Tier schob. Das Argument der Maschine war ein ökonomisches, gemessen nicht in km / h sondern K / h, in Kühen pro Stunde, und stets im Vergleich zu den sechs bis acht Tieren, die geschickte Melkerinnen und Melker per Hand in einer Stunde gemolken hatten (ihre müder werdenden Finger nicht mit einkalkuliert). Im Karus225 BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Kollege Lüders von einer Viehzuchtbrigade im Krs. Teterow, S. 139. 226 Patel, The Paradox of Planning, S. 255 f.; Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 391–397; BArch Berlin, DK 1/15276, Sicherung der Eutergesundheit, Gutachten zur Entscheidung über die Anwendung des Systems der Beispielanlage für 2000 Milchkühe Dedelow im Angebots­projekt für das Jahr 1970, Dedelow, den 30.7.1969, unterzeichnet von Peisker (Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim RLN der DDR) und Dr. Wutzig (Direktor des VEB IBR Ferdinandshof). 227 SStL, agra-011.12VHS, Bildungszentrum für industrielle Rinderwirtschaft Dedelow (Produzent), Film Fachgerechtes Melken, 1982, 28:32 Min. 228 Bartmann, 19806, S. 14. 229 Ebd., S. 15. 230 Siehe für betriebswirtschaftliche Überlegungen sozialistischer Rinderhaltung in der DDR z. B. Kleiber.

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sell waren daraus 50 bis 75 Kühe pro Stunde pro Arbeitskraft geworden oder: 825 Prozent mehr.231 Entzündete Euter und kranke Tiere allerdings, von denen es durch die neuen Maschinen zunächst mehr gab, erinnerten beständig daran, dass das Melken einer Kuh eine sensible Körperpraktik blieb. Auch unter industriellen Bedingungen wie in Dedelow war die Arbeit an dem empfindlichen Organ aus biologischen Gründen störanfällig. Die Krux blieb die Lebendigkeit des Tiers, im Osten wie im Westen. Milch, Markt und Moral in der Bundesrepublik »Die ganze Anlage mit ihren technischen Finessen würde nicht funktionieren, wenn die Kühe nicht mitmachten. Sie mußten umschulen. Die Menschen hatten das bereits hinter sich«,232 war in der Broschüre zu lesen, die Herr Spiehs 1970 aus dem Interzonenzug mitgenommen hatte und an Josef Ertl schickte. Auch wenn das Ministerium das Schreiben bereits am folgenden Tag mit einem dicken handgeschriebenen »Antwort nicht erforderlich  – z.d.A.« archivieren ließ, mussten Menschen und Tiere auch in der Bundesrepublik umschulen, als die Melkmaschine den Stall betrat. Die Beschleunigung des Melkens, die die Maschine in Aussicht stellte, lockte westdeutsche Agrarpolitiker und Praktiker nicht weniger als ihre ostdeutschen Kollegen. Die geteilte Wachstumsideologie im Kuhstall schlug sich in ähnlicher Weise in der Arbeit am Körper des Tiers nieder. Planung und nicht minder deren unerbetene Folgen kennzeichneten die Agrarpolitik in beiden deutschen Staaten. Im Unterschied zur DDR aber stabilisierte die seit 1962 in der EWG vergemeinschaftete Agrarpolitik trotz ihrer Irrationalitäten, die sogleich vorgestellt werden, das politische System langfristig.233 Von außen betrachtet, das ist der bisherige Blick auf die Geschichte der deutsch-deutschen Ställe, unterschied sich die vergemeinschaftete westdeutsche Landwirtschaft deutlich vom sozialistischen Geschehen in der DDR. Im Westen Deutschlands bewirtschafteten selbstständige Bauern Tiere, über die sie frei verfügen konnten. Das Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit boten sie auf einem Markt feil. Doch dieser Markt offenbart – als gesteuerter Markt für Milch und Milcherzeugnisse – strukturelle Gemeinsamkeiten mit der planwirtschaftlichen Milchproduktion der DDR. Zunächst national und seit 1962 auf die supranationale Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verlegt, garantierte die Politik den Bauern einen Preis für ihre Milch. Der Grund für den stark steuernden Eingriff entgegen der sonstigen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsphilosophie war, dass die Landwirtschaft in den beiden mächtigsten EWG-Staaten, Westdeutschland und Frankreich, als krankes Kind galt. Am 231 Ebd., S. 14. 232 BArch Koblenz, B 116/23293, Abt. II A, Johannes Spiehs, Ingenieurbau, Hamburg an Bundesminister Ertl, Bonn, 4.8.1970, Anhang: Roland Steyer, Die Kuh vorm neuen Tor oder: Die Knöpfchendrücker von Dedelow. 233 Patel, The Paradox of Planning, S. 268; Türk, Weichenstellung für den EWG-Agrarmarkt.

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5. September 1955 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Landwirtschaftsgesetz, dessen Ziel, »der Landwirtschaft die Teilnahme an der fortschreitenden Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft« zu ermöglichen und zugleich »der Bevölkerung die bestmögliche Versorgung mit Ernährungsgütern zu sichern«, zum Grundstein der Regulierung in Westdeutschland wurde.234 Vom Milchgesetz 1951 geregelt, bestimmten »administrativ festgelegte Erzeugerpreise und staatliche Einfuhrmonopole« den Markt für Milch und damit die Einkommen der milcherzeugenden Bauernhöfe.235 Milchüberschüsse wurden aufgekauft, um einen uneingeschränkten Absatz zu garantieren. Ausländische Importeure hatten ihre Milchprodukte staatlichen Stellen vorzulegen, die deren günstigere Preise auf das deutsche Niveau hoben, bevor sie angeboten werden durften. Die Überzeugung, mit Tony Judts Worten nicht weniger als Europas politische Religion nach 1945, den Fortschritt mit Plänen in die gewünschte Richtung lenken zu können, war Anwältin der großmaßstäblichen Regulierung.236 Die Probleme der Landwirtschaft und die nationale Protektion als ihre Lösung verbanden die westeuropäischen Staaten in den 1950er Jahren.237 Sie teilten auch, so Ann-Christina Knudsen, eine gegen Ende des Jahrzehnts gewachsene Unzufriedenheit mit den gewachsenen jeweiligen nationalen Kosten der landwirtschaftlichen Unterstützungspolitik.238 Das entstandene Förderinstrumentarium barg zudem ein Strukturproblem: Die Subventionen regten die Produktion an, die Mehrproduktion drückte die Preise; die dadurch bedrohten Einnahmen wurden durch Preisgarantien aufgefangen; die führten zu weiteren Subventionen und die regten die Produktion erneut an.239 Diese Überschussspirale zeigte sich bei der Milch bereits seit Anfang der 1950er Jahre, weswegen die Bauernschaft parallel zum gestützten Preis »Mehr Milchpropaganda!« forderte und auch bekam, um den Absatz zu steigern.240 Allen frommen Wünschen der Erzeuger 234 Bundesgesetzblatt, 6.9.1955, S. 565 f., hier S. 565, https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start. xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl155031.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_ id%3D%27bgbl155031.pdf%27%5D__1516735925646 (abgerufen am 8.3.2019). 235 Patel, Europäisierung, S. 55; Neben Milch wurden Fleisch und Getreide subventioniert, außerdem der Zugang landwirtschaftlicher Betriebe zu Krediten verbessert, Mechanisierung gefördert und Düngemittel verbilligt; daneben wurden Mittel der insgesamt 900 Mio. DM bereitgestellt für Flurbereinigung und Wegebau, Wasserableitungen und die Förderung von Forschung, Ausbildung, Beratung und Aufklärung, siehe Funk; van Deenen. 236 Judt, S. 67; Herbert, S. 805. 237 Siehe Artikelserie »Grüne Pläne in aller Welt« I bis X, die die agrarpolitischen Fördermaßnahmen in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Dänemark, Schweden und Italien vorstellte, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 146, 1956, H. 29 bis H. 37, jeweils S. 6. 238 Knudsen, S. 315 f. 239 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 85. 240 Grüter; v. Stetten; Reitmayr; o. A., Millionen sollen für die Werbung rollen. Auch noch 1977, als wegen der großen Überschüsse den Bauern eine Nichtvermarktungsprämie für Milch zur Verfügung stand, wenn sie weniger Milch als bisher zur Molkerei brachten, sah die Branche das Heil in einer Steigerung des Trinkmilchverbrauchs, siehe Wege.

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zum Trotz: Die Milch hatte das Nachsehen in der verbesserten Ernährungssituation der Bundesrepublik seit 1950. Ihr Nimbus als unverzichtbarer Starkmacher bröckelte, während ihr zunehmender Überfluss hohe Steuerausgaben für ihre Produktion begründungsbedürftig machte und in den folgenden Jahrzehnten zu derben Milchvermeidungsstrategien wie der »Abschlachtaktion« im Frühjahr 1970 führte.241 Die nationale Landwirtschaftspolitik wurde mit ihren Problemen nach Brüssel überführt und deshalb in den folgenden Jahrzehnten mehr als Fehlplanungsdenn als Planungspolitik bekannt. Zwei widerstreitende Seelen schlugen von Beginn an in der Brust der europäischen Landwirtschaftspolitik: Die gestützten Preise sollten ein Auskommen der landwirtschaftlichen Bevölkerung sicherstellen, das Schritt hielt mit der übrigen Wirtschaftsentwicklung.242 Zugleich sollten die festgesetzten Preise Anreiz zur Optimierung der Produktivität der Betriebe sein. Die zwei Seelen befanden sich in einem andauernden Spannungsverhältnis. Ihr gegenseitiges Ringen um die Oberhand verhinderte eine prinzipielle Neukonzeption der europäischen Agrarpolitik – auch dann noch, als ihre Schwächen unübersehbar geworden waren.243 Der Milchpreis hatte für Deutschland von Beginn der Integrationsüberlegungen an im Mittelpunkt aller Marktfragen gestanden,244 weil die Rinderhaltung allein und in ihr vor allem der Milcherlös für mehr als die Hälfte aller (ohnehin für zu gering gehaltenen) landwirtschaftlichen Einnahmen verantwortlich war.245 Das Instrumentarium aus »Festpreisen, Richtpreisen, Stützungspreisen, Höchst- und Mindestpreisen, Einschleusungspreisen, Abschöpfungsbeträgen, Ausrichtungs- und Garantiefonds, Einfuhrreglementierungen und Versorgungsplänen« war komplexer geworden, der Mechanismus, nun zum Schutz des gemeinsamen Binnenmarkts, blieb gleich.246 Die produzierte Milch fand unabhängig von der Nachfrage auf dem nach außen abgeriegelten Markt der EWG 241 Der Milchkonsum pro Person und Jahr stieg in der ersten Hälfte der 1950er Jahre noch einmal an, von 110 kg auf 119 kg, ab 1955 jedoch nahm er kontinuierlich ab und lag 1980 bei 84 kg. Die von den Agrarministern der EWG-Länder am 16.9.1969 beschlossene Abschlachtaktion legte fest, dass zwischen Februar und Ende April 1970 allen Landwirten, die insgesamt mehr als zwei Milchkühe besaßen und »sämtliche Milchkühe ihres Betriebes bis zum 30. April 1970 abschlachten und sich gleichzeitig zur Aufgabe der Milchproduktion in ihrem Betrieb verpflichten […] 800 DM / Milchkuh« gezahlt werden. Die Prämie führte in der Bundesrepublik zu 168.000 Mehr-Schlachtungen im Vergleich zum Vorjahr, BArch Koblenz, B 116/25567, Unterrichtung des Herrn Bundeskanzlers und des Kabinetts über Gesetzentwürfe und sonstige Vorhaben von politischer Bedeutung, Bonn, 2.10.1969. 242 Spoerer, Agricultural Policies. 243 Kiran Klaus Patel beschreibt die zwei Seelen als Paradox der Agrarpolitik, die als wirtschaftliche Planung konzipiert war und darin versagte, gerade wegen dieses Versagens jedoch als eine effektive Sozialpolitik betrachtet werden könnte, siehe Patel, The Paradox of Planning, S. 242. 244 Patel, Europäisierung, S. 318. 245 Versbach, S. 7. 246 O. A., Landwirtschaft. Hohe Milchbehörde, S. 25.

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uneingeschränkten Absatz und regte ihre Produzenten so zur Mehrproduktion an, um ihre Einkommen zu erhöhen.247 Trotz spätestens mit der Regierungsbeteiligung der SPD in der Großen Koalition lauter gewordenen Kritik kam es erst mit der Quotierung der Milch 1984 zu einem Kurswechsel.248 Die Quote bereitete der Angebotssteigerung ein Ende, indem sie für jeden einzelnen westdeutschen Betrieb festlegte, wie viel Milch er bei der Molkerei abliefern durfte. Die politische Linse lässt die Geschichte der Milcherzeugung zwischen 1950 und 1990 bräsig und verquast erscheinen; als ein durch den europäischen Einigungsprozess verkompliziertes Kontinuum agrarischen Protektionismus mit streitbaren sozialen Konsequenzen.249 Im Stall jedoch veränderte sich in diesem Zeitraum durch die widerstreitenden Doppelziele der Europäischen Agrarpolitik Erhebliches. Die garantierten Preise allein erlaubten den Betrieben nicht, mit der Wohlstandsentwicklung mitzuhalten. Dafür hatten sie ihre Zusammenarbeit mit dem Tier zu verändern – und in der Rinderhaltung kam der Melkmaschine dabei auch in westdeutschen Ställen eine Schlüsselrolle zu. Die Menschen, die im Stall zu arbeiten bereit waren, wurden weniger. Stärker als in der DDR, die die Abwanderung vom Land in die Stadt jedoch grundsätzlich teilte,250 war das ein Argument für die Maschine am Euter, die sich auch in Westdeutschland, dort ebenfalls in bemerkenswerter Geschwindigkeit und mit einem Schwerpunkt zwischen 1950 und Mitte der 1960er Jahre durchsetzte.251 Landflucht war das Wort der Stunde Anfang der 1950er Jahre und blieb es für die nächsten zwanzig Jahre.252 Nachdem sich die Versorgungslage stabilisiert hatte, wurde das Leben auf dem Land wegen der zunehmend vorhandenen Arbeitsplätze mit anderen Arbeitsbedingungen, vor allem in der Industrie, weniger attraktiv. Wirklich fluchtartig war die Landflucht selten. Aber in großem Ausmaß bevorzugten die Kinder des Landes ein städtisches Leben. Das galt nicht nur für die Söhne der Landwirte, die den Hof nicht erbten, sondern auch für die Bauerstöchter, klagte die Branche 1952, die »heute schon nicht einmal mehr einen Bauern heiraten« wollen.253 Vor 247 Patel, Europäisierung, S. 333. 248 Ebd., S. 452. 249 Siehe für eine volkswirtschaftliche Kritik der Agrareinkommenspolitik wegen ihrer gesamtgesellschaftlichen Ungerechtigkeit Streb. 250 Patel, The Paradox of Planning, S. 258. 251 1949 waren 5.600 Melkmaschinen im Gebiet der neugegründeten Bundesrepublik vorhanden, 1954 waren bereits in 75.316 von 1.542.245 Betrieben mit Milchkühen Melkmaschinen im Einsatz, 1966 molk in mehr als jedem zweiten Betrieb die Maschine: 520.200 Maschinen wurden in den 951.000 Milchviehbetrieben verzeichnet, siehe Statisti­ sches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1954, S. 140 u. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1966, S. 174. 252 Zur Kontinuität der Landflucht seit dem 19. Jahrhundert und ihrer neuartigen Quantität Anfang der 1950er Jahre, die die »Bevölkerungserhaltung des Landvolks« gefährdet erscheinen ließ siehe Haushofer. 253 Bichl.

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allem aber begannen die Landarbeiterinnen und Landarbeiter zu verschwinden. Deren Hände hatten bisher einen Gutteil der Kühe gemolken. Für sie, die Arbeiterinnen und Arbeiter ohne eigenes Landeigentum, waren die in jeder Hinsicht geregelteren Arbeitsbedingungen anderer Berufe so verlockend, dass sich ihr Berufsstand zwischen 1950, wo es noch mehr Landarbeiter als Beamten gegeben hatte, und 1970 geradezu auflöste.254 Ihre nun allgegenwärtig in der Luft liegenden »Gedanken zum Berufswechsel« wurden zur Bedrohung der Bauern. Auch eine pfleglichere Behandlung der Arbeiterinnen und Arbeiter und sie beispielsweise nicht »Sonntag für Sonntag« unentgeltlich Kühe hüten zu lassen, konnte diesen Trend nicht aufhalten.255 Der vergleichsweise schlechte Verdienst in der Landwirtschaft – in der öffentlichen Meinung galt Landarbeiter 1965 als der am schlechtesten bezahlte Beruf überhaupt256  – war nur die eine Hälfte der Motivation zur Abwanderung, die in den 1960er Jahren auf hohem Niveau anhielt.257 Die andere war die persönliche und in dieser Form historisch überkommene Dimension des Arbeitsverhältnisses. »Schattenseiten der Landwirtschaft« nannte sie ein »ostvertriebener Bauer«, der, nach dreißig Jahren bäuerlicher Selbstständigkeit, »die ›Herrschafts‹- mit der ›Gesinde‹stube vertauscht« hatte.258 Dort angekommen machte er sich vergebens auf die Suche nach der Würde des Landarbeiters: Er hat den einzigen Beruf, »in dem nicht – wenigstens zeitweise – der freie Samstagnachmittag eingeführt wäre«, »was ihm z. T. als Wohnraum angeboten wird, trägt nicht […] zur Hebung seiner Würde bei« und er »steht vom Wecken bis zum Schlafengehen unter Aufsicht und Kontrolle seines Chefs«.259 Die beruflichen Perspektiven von Menschen ohne eigenen Landbesitz unterschieden sich stark zwischen Ost- und Westdeutschland. Systemloyale LPG-Arbeiter und -Arbeiterinnen hatten eine stabile berufliche Perspektive im Stall vor sich, inklusive der Annehmlichkeiten eines geregelten Arbeitsverhältnisses. Ihre Beschäftigung wiederum sicherte der Partei Rückhalt in der ländlichen Bevölkerung, weshalb die Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft durch Abbau der dort beschäftigten Menschen weniger hoch auf der politischen Agenda rangierte als in Westdeutschland. 254 1950 war Landarbeiter als eigenständiger Berufskreis neben, Arbeitern, Angestellten, Beamten, Selbstständigen und Landwirten geführt und lag mit 5,0 % auf dem fünften Platz vor Beamten mit 4,7 %. 1974 waren daraus, ihre Zahl wurde bereits geschätzt, weil sie nicht mehr im Mikrozensus ausgewiesen worden waren, 0,8 % geworden, siehe Noelle-Neumann, S. 3; Erhard. 255 L. L. 256 Auf die Frage »Hier habe ich eine Liste mit Arbeiter-Berufen – könnten Sie die fünf Berufe aussuchen, in denen zur Zeit am wenigsten verdient wird?« platzierten 71 % der Befragten »Landarbeiter« auf Platz eins, vor Friseurgehilfe und Holzfäller, siehe Noelle u. Neumann, S. 365. 257 Frese u. Paulus, S. 4. 258 O. A., Aus Leserbriefen: Schattenseiten der Landwirtschaft. 259 Ebd.

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Die dortige Schwierigkeit, Personal für die Arbeit am Tier zu finden befeuerte die Mechanisierung. Melken als die arbeitsaufwändigste Tätigkeit im Rinderstall machte die Melkmaschine – noch vor dem Traktor260 – zur Heilsbringerin in der agrarpolitischen Misere. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts stellten erste Prototypen der Melkmaschine eine Erleichterung der Handarbeit am Euter in Aussicht.261 Aber erst die arbeitswirtschaftliche Situation im Kuh­ stall der 1950er Jahre verschaffte ihr den Durchbruch. Sie versprach, nicht nur den Arbeitsaufwand des Melkens insgesamt zu reduzieren, sondern dazu, wie in der DDR, durch ihre Arbeitserleichterung zusätzlich Frauen für das Melken zu gewinnen.262 Zufrieden lächelte die junge Frau in Arbeitskleid und Kopftuch deshalb in einer Melkmaschinenwerbung von 1953.263 Je einen Milcheimer trägt sie in jeder Hand. Die Milch darin ermolk sie nicht selbst mit ihren Händen. Das erledigte die rechts neben ihr abgebildete Eimermelkmaschine. Sie hatte nur mehr die Maschine zwischen zwei Kühen zu platzieren und konnte so »mit Arbeitskraft und -zeit geizen!« Denn Melken allein machte mehr als Hälfte des Arbeitsaufwandes im Kuhstall aus. Dass die Maschine mit ihren Vorteilen speziell für die Frauen im Stall beworben wurde, ist bemerkenswert. Die politische Ideologie der Frauenerwerbstätigkeit in der Bundesrepublik der 1950er Jahre stand derjenigen in der DDR entgegen, und in der Landwirtschaft trat dieser Gegensatz besonders deutlich zutage.264 Die Abwanderung familienfremder Arbeiterinnen und Arbeiter von den Höfen jedoch machte aus den Frauen und Jugendlichen der Bauernfamilie begehrte, weil günstige, Arbeitskräfte im Stall. Und dennoch lief der Durchbruch der Maschine in den 1950er Jahren schleppend an. Die Bauern standen der Maschine zunächst skeptisch gegenüber: »Die Sauberhaltung der Maschine nimmt so viel Zeit in Anspruch, daß im ganzen gesehen, die Arbeitseinsparung zu gering ist, um Anschaffungs- und Erhal-

260 Melkmaschine und Traktor konkurrierten als teure Investitionen um das beschränkte Kapital der Bauern. »Notwendiger und auch nützlicher« sei aber zunächst die Melkmaschine, so Lohner, Das maschinelle Weide-Melken; O. A., Die Melkmaschine setzt sich immer mehr durch. 261 Der US-amerikanische Ingenieur L. O. Colvin ließ 1860 eine Maschine patentieren, die mit konstantem Unterdruck am Euter saugte, es dabei allerdings verletzte. Gut 30 Jahre später wurden in Europa Melkmaschinen mit Pulsator erfunden, die dem Kalb nachempfunden rhythmisch am Euter saugten. Dazu Olmstead u. Rhode, S. 41. Bekannte europäische Erfinder sind die Schotten William Murchland und Alexander Shields, der 1895 die »Thistle Mechanical Milking Machine« patentieren ließ, siehe Trow-Smith, S. 308. In Schweden führte Gustav de Laval 1913 eine verbesserte, ebenfalls pulsierende Melkmaschine ein. 262 AID-Film-Nr. 203, »Die Melkmaschine hilft«, Regie: Fritz Heydenreich, 1951 beginnt mit dem Satz »Die Anschaffung einer Melkmaschine bedeutet in erster Linie eine Arbeitserleichterung für die Bäuerin.« 263 Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 142, 1953, S. 591. 264 In der Landwirtschaft tätige Frauen blieben in der Rechtsgeschichte der Lohngleichheit in der Bundesrepublik der 1950er Jahre außen vor, siehe Muti.

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tungskosten zu rechtfertigen«, war eine verbreitete Besorgnis.265 Überhaupt, so waren sich die Experten einig, lag die als zögerlich wahrgenommene Verbreitung der Melkmaschine in Westdeutschland »nicht an der Maschine als vielmehr am Menschen, der sie nicht richtig zu bedienen verstand«.266 Eine Bildungsoffensive war deshalb auch hier die Antwort, in der sich Wandermelklehrer und Melkkurse an Landwirtschaftsschulen speziell der Bedienung der neuen Maschine annahmen. Das Melken mit der Maschine forderte, in Abgrenzung zu dem sich in größerer Pfadabhängigkeit professionalisierenden Füttern und der künstlichen Besamung, von der noch die Rede sein wird, die jedoch von externen Experten durchgeführt werden sollte, den umfangreichsten Wissenstransfer in die Ställe. Die am Tier arbeitenden Menschen hatten ihr Verhalten zu ändern, damit die Maschine ihrem Zweck gerecht werden konnte. Auch in der Bundesrepublik hatte nicht nur der Mensch Neues zu lernen, sondern auch die Kuh. »5 bis 6 Wochen« dauerte ihr Lehrgang, bis sie sich an die Maschine gewöhnt hatte  – gemessen an ihrer Milchmenge, die in dieser Zeit um »5 bis 6 Prozent« gesunken war, bevor sie ihr vor-maschinelles Volumen wieder erreichte.267 Die Reaktionen der Tiere auf die Maschine machte die Bauern ratlos: »Wir sind seit längerer Zeit, voll zufrieden, im Besitz einer Melkmaschine. Nur eine Kuh gibt durch das Maschinenmelken weniger Milch. Was ist zu tun?«, fragte ein anonymer Leserbrief das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt im Herbst 1956. Die Experten antworteten »alles zu vermeiden, was die Kuh irgendwie beunruhigen könnte«, zum Beispiel das neue »Geräusch des Melkzeugs« oder »Lärm im Stall«.268 Sie rieten weiter, Kühe, bei denen das nichts half, »am besten von Hand« zu melken. Die Menschenhand nämlich kann »die Fehler des Euters weitgehend berücksichtigen«, die Maschine nicht.269 Die »Fehler« des Euters waren Zitzen, die nicht recht in die Melkbecher der Maschine passten, und Euterviertel, die unterschiedlich schnell oder unterschiedlich viel Milch gaben. 14 »fehlerhafte« Eutervariationen listeten Experten, die den Einsatz der Melkmaschine behinderten.270 Mit der Einführung der Melkmaschinen waren stärker als bisher Euter gefragt, deren vier Viertel gleichmäßig gleichviel Milch gaben, deren Zitzen nicht zu lang und nicht zu kurz, quadratisch und in gleichmäßigem Abstand zueinander angeordnet waren.271 Euter dieser Form waren kein Normalfall und konnten im Gegensatz zur Milchmenge der Kuh nicht herbeigefüttert werden, sondern wurden ebenso wie das Verhalten des Tiers während des Melkens, die zusammen die »Eigenschaft der Melkbarkeit« bildeten, »sehr stark vererbt«.272 265 Von Oertzen. 266 Becker, Über 700mal arbeitet die Melkmaschine. 267 Sommer u. Bareiß. 268 G. D. aus T. 269 O. A., Gibt es ein Melkmaschinen Euter?. 270 Dürrwaechter, Anleitung, S. 41 f. 271 Ebd. 272 Ebd.

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Unregelmäßigkeiten des Euters führten dazu, dass das feine Drüsengewebe von der Maschine geschädigt wurde, indem entweder Milch im Euter verblieb oder die Maschine zu lange an einem bereits leeren Viertel saugte. Beides resultierte in der aus den ostdeutschen Ställen bereits bekannten Euterentzündung. Sie war Alptraum und zugleich Realität auch im westdeutschen Kuhstall. Diese Gefahr war umso größer, je mehr Arbeitseinsparung die Maschine durch ihre hohe Melkgeschwindigkeit bringen sollte.273 Mitte der 1960er Jahre hatte die Euterentzündung die Stellung der niedergerungenen Rindertuberkulose übernommen als Hauptursache sinkender Produktivität der Milchkühe.274 Die von Euter zu Euter wandernden Zitzenbecher der Maschine verbreiteten die Entzündung im Stall. Das entzündete Euter ließ die Milchleistung sinken, machte den Tierarzt und seine Kosten erforderlich und bedrohte im schlimmsten Fall das Leben der Kuh, deren Tod durch den Wegfall ihrer weiteren Milch und weiterer Nachkommen eine große Lücke in die Betriebsbilanz riss. Trotz Maschinen, die seit Beginn der 1970er Jahre fähig waren, mit dem Saugen aufzuhören, wenn das Euterviertel leer war, geübteren Melkerinnen und Melkern an der Maschine275 und neuen Desinfektionspraktiken, blieb die Euterentzündung eine ungeliebte Begleiterin im Stall. Ihre medizinische Bekämpfung war 1980 zur Standardpraxis am Rind geworden. In Werbungen für Präparate zur Behandlung von Euterentzündungen, wurde die Kuh 1980 gar auf ihr Euter reduziert – derart präsent war die Mastitis im modernen Rinderstall geworden.276 Die durch die neue und nicht einwandfrei am Euter sitzende Saug-Maschine hervorgerufene Entzündung führte dazu, dass die Kuh mit ihren Beinen schlug, um weiteres Melken zu verhindern. Das wiederum setzte eine Spirale an Körperpraktiken in Gang, die die Herrschaftsdimension landwirtschaftlicher Tierhaltung in Erinnerung ruft. Kühen, »die beim Melken schlagen«, würde häufig »der Kopf in Richtung Melker zurückgebunden« oder sie würden »an den Nasenlöchern zurückgezogen«, beklagte der um die Brutalität im Kuhstall besorgte Landwirt Alois Wuschek 1957.277 Die Tiere würden »geknebelt«, indem »ein kräftiger Strick etwa zwei Finger breit hinter den Vorderfüßen um den Brustkorb gebunden« würde, unter den wiederum »ein rundes Stück Holz (­a lter 273 R. B. 274 O. A., Beste Milch nur aus gesunden Eutern. 275 Aus den traditionellen Melkwettbewerben im Handmelken wurden um 1960 Wettbewerbe im Maschinenmelken. Der seit 1951 von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft ausgerichtete Bundesmelkwettbewerb, dessen Sieger wiederum bis heute auf europäischer Ebene gegeneinander anmelken, verlagerte seine Disziplin 1960 erstmals auf die Arbeit mit der Maschine, siehe O. A., Der erste Melkmaschinen-Wettbewerb im Spitalhof in Kempten, sowie Lachenmaier, S. 118. 276 Werbetext: Das Euter ist die Kuh. Deshalb Mastitis-Behandlung mit Totocillin. Für kerngesunde Euter, Tierärztliche Umschau 35. 1980, S. 494. 1975 hatte geschätzt jede dritte Kuh ein wundes Euter, 95 % davon blieben unbemerkt und schmälerten still den Milcherlös – um bis zu zwanzig Prozent, siehe Deneke u. Meyer. 277 Wuschek.

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Rechenstiel usw.)« geschoben würde, das den Strick spannte. Denn: »Durch das Abschnüren der einzelnen Muskelpartien wird die Kuh am Schlagen gehindert«. »Vielfach geübt« sei außerdem die Methode »die beiden Hinterbeine aneinanderzufesseln«. Melken war die Arbeit am Tier, bei der der legitime Umgang mit der Kuh im Stall unter Bäuerinnen und Bauern ausgehandelt wurde. Dort kam es zu Zwischenfällen, die die Branche beunruhigten und über die bis Mitte der 1960er Jahre in der landwirtschaftlichen Fachpresse zu lesen ist.278 Es kam zu Püffen, Schlägen und Stößen mit Hand, »der Gabel oder dem Melkschemel«, die als moralisch unzulässig gewertet wurden.279 Es sei »das Schlimmste, gegenüber verhältnismäßig wehrlosen Tieren den Jähzorn auszulassen«;280 nicht nur, weil »brutale Stöße […] dem Tierkörper genau so weh wie dem Menschen« tun, seien sie unhaltbar. Sie seien »um so verwerflicher, weil sie wehrlosen Kreaturen zugefügt werden, die wir zu schützen hätten«.281 Die moralische Integrität der Menschen zeige sich im Umgang mit dem Tier, so lautete das aus dem anthropozentrischen Tierschutz bekannte Argument hinter der Sorge im Kuhstall.282 Der beim Melken verurteilten Gewalt allerdings wurde stets das Argument des Geldbeutels hinzugefügt: »Bei Jähzorn keine Milch«, heißt es 1957, weil die Kuh »so liebesbedürftig wie kein anderes Tier« sei und ihre Milchleistung zunehme, »wenn man liebevoll zu ihr spricht und sie freundlich und geduldig behandelt«.283 »Sofort« ließen die Kühe hingegen »in der Milchleistung nach, wenn sie schlecht behandelt, angeschrien oder grob angefasst werden«.284 Diese Beispiele zeigen: Der legitime Umgang mit der Kuh war eine stete Gratwanderung zwischen moralischer Verantwortung gegenüber dem in die menschliche Verantwortung geholten Tier und der Produktivität seiner Bewirtschaftung. 1956 hatte das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt geraten, eine Kuh, die mit der Maschine weniger Milch gibt, von Hand zu melken. ­Zwanzig Jahre später, 1976, war dieser Rat undenkbar geworden. Aus den 53 Prozent 278 Diese Berichterstattung endete just dann, als Tierschutzfragen begannen in der allgemeinen Öffentlichkeit ihren Platz zu finden. Meine These ist, dass die Kritik von außen die Debatten um den legitimen Umgang mit dem Tier innerhalb der Branche zum Verstummen brachte, weil sich die Meinungsführer innerhalb der Landwirtschaft fortan auf die Abwehr des als Angriff wahrgenommenen Unmuts von Tierschützerinnen und Tierschützern konzentrierten. 279 O. A., Zum Welttierschutztag am 4. Oktober. 280 Bauer, Tiere nicht wie »Vieh« behandeln. 281 O. A., Zum Welttierschutztag am 4. Oktober. 282 Roscher, Tierschutz- und Tierrechtsbewegung. Dem anthropozentrischen Tierschutz, wonach das Tier um der Verhinderung der Verrohung der Menschen Willen geschützt werden müsse, folgten Tierschutzgedanken nach, die das Tier um seiner Empfindungen selbst zum schützenswerten Lebewesen erhoben. Von der seit den 1970er Jahren aufkommenden Tierrechtsbewegung, die für die Tieren innewohnenden unveräußerlichen Rechte eintritt, werden beide Tierschutzgedanken als anthropozentrisch abgelehnt. 283 O. A., Lob der Milchkuh. 284 O. A., Zum Welttierschutztag am 4. Oktober; Bauer, Tiere nicht wie »Vieh« behandeln.

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des Arbeitsaufwandes, der im Stall auf das Melken entfiel, waren trotz der flächendeckenden Verbreitung der Melkmaschine sechzig bis siebzig Prozent geworden.285 Der Grund: Die Zahl der pro Person zu melkenden Tiere war entsprechend gewachsen. Mehr noch als zu Beginn der Einführung der Maschine waren zur Maschine passende Tiere so zur Bedingung des Melkens geworden. Eine Kuh, deren Körper oder Verhalten nicht mit der Melkmaschine kompatibel war, erfüllte die Einstellungsvoraussetzung für den Dienst im Stall nicht länger. Sie wurde nicht mehr von Hand gemolken, sondern geschlachtet. 1.2.3 Zusammenfassung: Füttern, Melken und der Alltag im Rinderstall Nachdem die Tierhaltung Anfang der 1950er Jahre wieder auf die Beine gekommen war, änderten sich die Alltagspraktiken im Rinderstall grundlegend. Durch eine enorme Wissenspopularisierung war in etwa 15 Jahren, bis Mitte der 1960er Jahre, das Füttern der Rinder von einem notgedrungenen Erfordernis zur begrüßten Stellschraube der Leistungssteigerung geworden, die es seither blieb. Das Melken der Kühe wurde im selben Zeitraum mechanisiert und erlaubte im Arrangement aus Mensch, Tier und Maschine eine neuartige Dimension menschlicher Arbeitsproduktivität. Die Transformation der beiden Alltagspraktiken Füttern und Melken war in West- und Ostdeutschland mehr als nur Ausdruck einer Wachstumsideologie im Kuhstall. Neue Techniken wurden mehr nolens-volens akzeptiert, getrieben von einem Mangel an Arbeitskräften. Die Rinderhaltung in Bundesrepublik und DDR unterschied sich hinsichtlich ihrer politischen Konzeption, hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse und Arbeitsorganisation im Stall, nicht aber hinsichtlich der Eigenheiten der Bewirtschaftung der Rinder. Das ließen die Körper der Tiere nicht zu, deren Abläufe die tägliche Arbeit am Tier strukturierten. Das Füttern der Rinder blieb, das zeigte die Geschichte der ostdeutschen Ställe im Besonderen auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, stets zweierlei: ein immer ausdifferenzierteres Wissensregime und zugleich die prekäre Grundvoraussetzung aller Tierhaltung. Die scharfen agrarpolitischen Haken in der DDR warfen das Füttern der Tiere immer wieder auf seine triviale Dimension zurück: den vorhandenen Tieren genug Futter bereitzustellen.286 Sie unterschied sich darin von dem Geschehen in westdeutschen Ställen. Die Agrarpolitik der Bundesregierung zog die Schrauben der Effizienzsteigerung im Stall erfolgreicher an, weil jede Bauernfamilie finanziellen Anreiz verspürte, den Wirtschaftsgrad ihrer Tiere zu verbessern, und auch, weil die 285 Weber. 286 Grund der anhaltenden Futterproblematik war, dass die ausgegebene Lösung für die Erhöhung der Lebensmittelproduktion ein eindimensionales Mehr an Tieren war, ohne dass parallel für eine Erhöhung der Futterflächen gesorgt worden wäre, siehe Immler, Agrarpolitik, S. 92; Schier, S. 218; Laue, S. 185.

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Bereitstellung von Futtermitteln in der Marktwirtschaft effizienter organisiert war als in der Plan-Mangelwirtschaft der DDR. Die ideologisch motivierten agrarpolitischen Unwetter der DDR,287 die die regelmäßigen Versorgungsengpässe der Tiere verschärften, sollten jedoch nicht den Blick darauf verdecken, dass sich Füttern und Melken als Alltagspraktiken am Tier in beiden deutschen Staaten ähnlich veränderten. Art und Erfolg der Implementierung von biologisch-betriebswirtschaftlichem Wissen unterschieden sich, die Verschiebung im Blick auf das Tier im Stall jedoch glich sich. Nun waren vor allem diejenigen Tiere zu füttern, »die ihr Futter wert sind«. Protokollierte Körperleistungen gaben Aufschluss darüber,288 welches Futter dem einzelnen Tier in welcher Menge zustand. Die Wissenschaft in beiden deutschen Staaten beschäftigte sich mit der Auswirkung verschiedener Futterpraktiken auf den Tierkörper. Landwirtschaftliche Beratung versuchte anschließend, den erforschten Praktiken im Stall Anwendung zu verschaffen.289 Welche Mitsprache hatte das Tier dabei? Sein Körper war zentral, da er den Dienst bei ungeeigneter Fütterung versagte.290 Aber zunehmend weniger beeinflusste der Körper des einzelnen Tiers die Futterpraktik im Stall. Dort, wo die Körper herkömmlicherweise Widerspruch eingelegt hatten, hatte entweder die Medizin begonnen auszuhelfen oder das Tier war wegen seiner abnehmenden Leistung aussortiert worden. Weil nun verstärkt jene Tiere im Stall versammelt 287 Nach der Bodenreform waren das die Kollektivierungsschübe der 1950er Jahre, die in der Zwangskollektivierung 1959/60 gipfelten und die in den 1970er Jahren aufkommende und ab 1976 durchgesetzte Trennung von Ackerbau und Viehhaltung, die nach der Konsolidierung der Kollektivierung neue Unwuchten auslöste, siehe Schöne, Das sozialistische Dorf, S. 151 f.; zur sich in den 1950er Jahren sukzessiv verschärfenden Kollektivierungspolitik: Bauerkämper, Ländliche Gesellschaft, S. 159–194; Heinz, Von Mähdreschern und Musterdörfern, S. 157–159. Eine weitere Episode bildete die Offenstallhaltung der Rinder, die zwischen 1958 und 1963 Anwendung fand und als Sinnbild der stärker ideologisch als von Sachverstand gekennzeichneten Agrarpolitik im Gedächtnis blieb. Aufgrund der günstigeren Baukosten wurden ab 1958 keine anderen Rinderställe als Offenställe, deren gesamte Breitseite nach hinten offen war, gebaut. Die Offenställe versprachen, so in der Sowjetunion, hohe Erträge durch Frischluft und Bewegung der Tiere. Bereits im ersten Winter der so gehaltenen Rinder froren Tränken und Saftfutter, und nicht selten auch die Haut der Tiere, wenn sie sich auf den zu kalten Boden legten, fest. 1963 erfolgte die Abkehr von der Rinderoffenstallhaltung. Siehe Krenz, S. 58–62. 288 BArch Berlin, DK 1/10320, Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion, der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe am 25.10.1960 in Leipzig, Referat Prof. Dr. Pfeiffer, S. 18. 289 In der DDR neben dem Forschungszentrum für Tierproduktion Dummerstorf-Rostock samt seiner Zweigstellen Clausberg und Siptenfelde waren das die Forschungsstelle für Tierhaltung Knau und das 1962 gegründete Institut für Rinderproduktion im sachsenanhaltinischen Iden-Rohrbeck, das durch die rege Publikationstätigkeit seines Direktors Hans Kleiber in Erscheinung trat, siehe z. B. Kleiber. 290 Ebd., S. 139. Lüders plädiert dafür, jedem zwischen zwei LPG verschicktem oder frisch vergemeinschaftetem Tier einen »Futterzettel« mitzuschicken, »so dass man weiß ob es sich um Stall- oder Weidevieh handelt und es dementsprechend behandeln kann.«

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wurden, deren Körper steigenden Leistungsanforderungen nachzukommen in der Lage waren, sich daher glichen und sie in größer werdenden Herden gehalten wurden, veränderte sich ihre Bewirtschaftung weg von individueller Betreuung hin zum Management einer Herde aus homogeneren Tieren. Die körperliche Gleichheit der Tiere erschloss neue Produktivitätsquellen, weil sie die tägliche Arbeit an den einzelnen Tieren zu standardisieren erlaubte, wie die Durchsetzungsgeschichte der Melkmaschine zeigte. Mit einem Schwerpunkt zwischen Anfang der 1950er und Ende der 1960er Jahre entwickelte sich Melken als zeitintensivste Arbeit am Tier im Rinderstall von einer individuellen Körperpraktik am Einzeltier zu einem Arrangement aus wenigen Menschen, mehr Tieren und einer zwischengeschalteten Maschine. Doch das Arrangement Mensch-Kuh-Maschine funktionierte nur dann, wenn die Tiere zur Maschine passten. Die Durchsetzung der Melkmaschine und ihr Wunsch nach genormten Körpereigenschaften der Kuh trugen dazu bei, dass die Rinderzucht, der sich das nächste Kapitel zuwendet, seit 1950 an Bedeutung für die Produktivitätssteigerung im Stall gewann. »Für das Pferd das Bein, für die Kuh das Euter«, wurde in dem Maße zum Leitspruch der Rinderzüchter, wie die wirtschaftliche Bedeutung der maschinellen Melkbarkeit in der Betriebsbilanz zunahm.291

1.3 Arbeit am Tier III: Züchten und die stetige Umgestaltung des Rindes »Unter ›Züchten‹ verstehen wir das Auswählen und Paaren der Vater- und Muttertiere nach dem gesteckten Zuchtziel«, antwortete Heinz Senger, der Tierzuchtleiter der Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung in Barby im Bezirk Magdeburg 1952.292 »Was heißt ›Züchten‹?«, war die Frage, abgedruckt in einer »Unterrichtshilfe für Tierhaltung und -fütterung«, die »das Beherrschen der gesamten Materie« wesentlich erleichtern sollte.293 Das Züchten der Tiere ist, neben Füttern und Melken, die dritte Körperpraktik, die die Rinderhaltung begleitet, seit der Mensch die Tiere in seine Verantwortung holte. Sie erfuhr ebenfalls in den Jahrzehnten nach 1950 eine entscheidende Veränderung. »Da die Kuh ihre volle Nutzung [= Milch, V. S.] erst nach dem Kalben bringt, so stehet beim Rindvieh die Viehhaltung mit der Paarung in unzertrennlicher Verbindung«, schrieb der preußische Statistiker Georg von Viebahn 1868 und erklärt damit auch einhundert Jahre später noch, warum die Zucht des Rindes Teil der Praxis in den meisten Rinderställen blieb;294 anders als die Zucht von Schweinen und Hühnern, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der 291 Witt, Leistungsschau der Rinderzucht, S. 35 u. S. 38. 292 Senger, S. 11. 293 Ebd., S. 5. 294 Viebahn, S. 11.

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Aufzucht und Haltung der Tiere aus Rationalisierungsvorteilen getrennt und in eigenen Betrieben konzentriert wurde. Strategisches Züchten, im Sinne der taktischen Paarung eines männlichen und eines weiblichen Tieres, um Nachkommen mit im Vorfeld definierten Eigenschaften zu erhalten, hat eine Vorgeschichte, die zurück ins 18. Jahrhundert reicht, für Deutschland jedoch vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert zu verorten ist. In dieser Zeit hat sich das Wissensregime moderner Tierzucht herausgebildet und wurde in einzelnen Einrichtungen auch bereits angewandt. Ähnlich dem Wissen um die Fütterung des Rinds war damit vor allem der theoretische Überbau festgelegt. In der deutschen Praxis fand die breite Entwicklung seit 1950 statt – im Unterschied zu Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und den USA, deren Rindern die deutschen Züchter nacheiferten, weil die dortige Rinderzucht durch Krieg und Nachkriegsjahre weniger stark zurückgeworfen worden war und sich ohnehin bereits etwa zwei Jahrzehnte früher zu professionalisieren begonnen hatte.295 Zucht ist das Gegenteil von Revolution. Die züchterische Veränderung der Tiere erfolgt schleichend. Von Generation zu Generation wird versucht, gewünschten Eigenschaften zu verstärkter Ausprägung zu verhelfen und weniger erbetene zurückzudrängen. Dieses Kapitel erklärt, nach einem einführenden Blick auf die Vorgeschichte im 19. Jahrhundert, in deren Bahnen sich die Rinderzucht im 20. Jahrhundert bewegte, warum die Veränderung der Tiere seit 1950 durch die Transformation ihrer ererbten Anlagen derart an Fahrt aufnahm, dass auch die Rinderzucht unter den Titel »Revolution im Stall« gestellt werden kann. Drei Entwicklungen stehen dabei im Vordergrund, die in beiden deutschen Staaten verantwortlich für die nun so rasante Umgestaltung der Tiere waren: erstens die verstärkte überbetriebliche züchterische Zusammenarbeit, zweitens eine Verengung des Nutzungszwecks der Rinder hin zu entweder Milch oder Fleisch und drittens die Verlagerung der Bewertung der Tiere von Schönheit zu Funktion. 1.3.1 Gott und Staat, Prestige und Regulierung: Die Erfindung der Rassen im 19. Jahrhundert Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich die Pfeiler der Rinderzucht heraus, die diese durch die gesamte Moderne hinweg kennzeichneten. Aufgrund der ihr zugeschriebenen gesellschaftlichen Bedeutung wuchs ein staatliches Interesse an der Rinderzucht. In staatlichem Auftrag wurden die zum Einsatz kommenden Vatertiere reguliert. Strategische, öffentliche Zucht schuf Rinderrassen, in deren Bahnen die weitere Organisation der Rinderzucht ablief. Die »Aufgabe der Thierzucht« habe der Mensch, »weil ihm die Tiere nicht fertig überliefert wurden«, schrieb Hermann Settegast 1870 über die »moderne 295 Comberg, S. 24 f.

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Thierzucht«.296 Settegast, seit 1857 Direktor der neu gegründeten Landwirtschaftlichen Akademie Waldau bei Königsberg, die er sechs Jahre später zugunsten der Landwirtschaftlichen Akademie Proskau im damaligen Oberschlesien verließ, war spätestens seit Erscheinen seines knapp 300 Seiten umfassenden Werks »Die Thierzucht« 1868 einer der bedeutendsten Tierzuchtwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Die strategische Paarung von Tieren, um gewünschten Eigenschaften zur stärkeren Ausprägung zu verhelfen, war für ihn naturgegebener Auftrag: »Ihm [dem Menschen, V. S.] führte die Natur zwar nicht das fertige Hausthier zu, aber sie versah ihn mit Verstand, die Geschöpfe zu entdecken, die vorzugsweise ausersehen waren, zur Beglückung des Menschen beizutragen.«297 Warum das Rind am allermeisten ausersehen war »zur Beglückung des Menschen beizutragen«, ergänzte Georg von Viebahn zur selben Zeit: nur die »proteinreiche Nahrung, die Fleischkost des Europäers« befördere »muthige, widerstandsfähige, unermüdlich thätige Charaktere«.298 Die Verbesserung landwirtschaftlicher Tiere war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Kernbereich des Politischen vorgerückt. Der Zustand der Rinderzucht galt als »Maßstab für die Culturstufe der Völker Europas«, weil sie die Grundlage einer ausreichenden »animalischen Nahrung« bildete und nur diese »müde Arbeiter und träge Denker« verhindere.299 Das Hohe Lied des Fleisches war bereits zeitgenössisch nicht unumstritten. Die frühen Vegetarierinnen und Vegetarier um zum Beispiel den evangelischen Theologen Eduard Baltzer blieben aber eine begrenzte Gegenbewegung zur staatlichen Ernährungspolitik, die höchste Eile für die Weiterentwicklung der deutschen Tiere zu optimierten Lebensmittellieferanten geboten sah.300 Denn die europäischen Staaten befanden sich im Wettstreit miteinander. Nur ein Staat, so der politische Konsens, der es »als seine Aufgabe« anerkennt, »durch Förderung der Viehzucht der kräftigen Ernährung der Bevölkerung Vorschub zu leisten«, würde »ein mannhaftes Volk heranziehen« und international bestehen.301 Die wichtigste staatliche Stellschraube der Rinderzucht war die Regulierung der zur Zucht verwendeten männlichen Tiere. Die Idee stammte aus der erstmals im späten 16. und vor allem seit Ende des 18. Jahrhunderts in England ent ­w ickelten Pferdezucht.302 Obwohl Vater- und Muttertiere zu gleichen Teilen verantwortlich waren für die Weitergabe ihrer Gene, wurde allein die Verwendung der Bullen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts flächendeckend reguliert. Deren Überwachung bot sich praktisch-organisatorisch an, weil es weni296 Settegast, Aufgaben und Leistungen, S. 394. 297 Ebd., S. 379. 298 Viebahn, S. 1. 299 Settegast, Aufgaben und Leistungen, S. 386 u. S. 384. 300 Baltzer; Treitel, S. 29–40; Fritzen, S. 14. 301 Settegast, Aufgaben und Leistungen, S. 385. 302 1732 hatte Friedrich II. die erste deutsche Zuchtordnung mit den Zulassungsregeln für Hengste in Ostpreußen erlassen, siehe Derry, S. 14–16 u. S. 95.

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ger Vater- als Muttertiere zum Erhalt der Herden brauchte. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schrieben staatliche Körordnungen überall im Reich vor, dass »ein Vatertier zum Bedecken [von] Muttertieren erst verwendet werden durfte, wenn es nach vorhergehender Prüfung [das war die Körung, V. S.] als zur Zucht tauglich befunden worden war«.303 Der Staat schaltete sich kontrollierend vor die Reproduktion der Rinder, um die Rinderherden nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Der Kreis Kleve bildete 1761 mit der ältesten deutschen Körordnung für Bullen die Vorhut, 1829 folgte Wiesbaden und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sämtliche andere deutsche Länder.304 Die Regulierung der Rinderreproduktion ist ein frühes Beispiel für die Tätigkeit der sich verfestigenden Organisation der Landwirtschaft.305 War der Bulle »tüchtig« genug, stellte ihm die Körkommission – meist drei bis fünf Personen der organisierten Landwirtschaft, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten Landwirtschaftskammern  – eine befristete Deckerlaubnis aus, die gewöhnlich für ein Jahr galt.306 Damit in der Praxis tatsächlich vorrangig gekörte Bullen zum Einsatz kamen, wurde die Anschaffung und Haltung der Bullen gefördert.307 Die entscheidende Vorgabe war in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Gemeinden, wenn sich die örtlichen Rinderhalter nicht freiwillig zur einer gemeinschaftlichen Bullenhaltung zusammenschlossen, für etwa achtzig bis einhundert Kühe einen kommunalen Bullen zu halten.308 Die weitreichende Regulierung der Haltung und Verwendung der Bullen zeigt die große Motivation, Einfluss auf die Entwicklung des Rinderbestands zu nehmen. Die Herausbildung einzelner Rinderrassen ging Hand in Hand mit der Regulierung der Körung der Vatertiere im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Unterschied zu früheren Körordnungen begannen die um die Jahrhundertwende erlassenen Ordnungen vorzuschreiben, nur Bullen der in der Gemeinde vorherrschenden Rasse zu verwenden, weil die rassische Homogenisierung der Tiere als Schlüssel ihrer Leistungssteigerung betrachtet wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde immer öfter verlangt, dass der Bulle seine Zugehörigkeit zu »der im Körbezirk vorherrschenden Rasse« durch einen Abstammungsnachweis, aus303 Comberg, S. 143. 304 1858 Bremervörde, 1862 Wesermarsch, 1879 Kassel, 1888 Hannover und ebenfalls Bayern, 1896 Baden und 1897 Württemberg und nun das ganze Großherzogtum Oldenburg, 1898 Schlesien, 1900 Schleswig-Holstein und 1901 folgten, als war das Werk im gerade angebrochenen neuen Jahrhundert augenblicklich zu vollenden, Sachsen, Westfalen und Hessen, siehe ebd., S. 156. 305 Siehe die zahlreichen um die Jahrtausendwende erschienenen Festschriften anlässlich der hundertjährigen Bestehen der Landwirtschaftskammern: Albers, S. 1–28; Koeller; Bremi­ scher Landwirtschaftsverband; Ewert; Behrens; Gräber. 306 Comberg, S. 144 f. 307 Durch Zuschüsse und Darlehen für die Anschaffung des teuren Bullen, die zurückerstattet werden mussten, wenn das Tier den anderen Tierhaltern am Ort nicht zur Zucht zur Verfügung gestellt wurde, siehe Comberg, S. 148. 308 Ebd., S. 147.

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gestellt von der für die jeweilige Rasse zuständigen Züchtervereinigung, belegen könne.309 Biologisch gab es keinen Zusammenhang zwischen der Leistungssteigerung der Tiere und ihrer durch diese Zuchtpraxis hergestellten, homogener werdenden Rasse. Da die systematische Auswahl der Vatertiere jedoch die Produktivität der Rinderherden verbesserte, wurde der Leistungsanstieg mit ihrer zunehmenden »Reinrassigkeit« in Verbindung gebracht. Die Vorstellung am Ende des 19. Jahrhunderts war:310 Wurde Ordnung in das durch die willkürliche Kreuzung zahlloser Landschläge entstandene »Rassenwirrwarr« gebracht, ging es mit der Leistung der Tiere voran.311 Die rassebezogene Zuchtpraxis hatte seit etwa 1890 in Deutschland zehn Rinderrassen entstehen lassen, die grundsätzlich in das nord-/nordwestdeutsche Niederungsvieh und das Höhenvieh der Mittelgebirge und Süddeutschlands eingeteilt wurden.312 Zuchtvereinigungen, -verbände und -genossenschaften und sogenannte Herdbuchgesellschaften, wie die 1893 gegründete Allgäuer Herdbuchgesellschaft für das Allgäuer Braunvieh, nahmen sich dem Aufbau jeweils einer homogenen Rasse an. Sie verzeichnete zunächst Tiere, die die gewünschten Merkmale aufwiesen und anschließend diejenigen, deren Abstammung von einem bereits verzeichneten Tier belegt war. Sie war zudem der erste deutsche Zuchtverband, der zusätzlich die stetige Leistungsüberwachung seiner Mitgliederkühe in seiner Satzung festschrieb. 1894, im ersten Jahr der Aufzeichnung, lag die durch regelmäßiges Wiegen der Tagesgemelke errechnete Jahresdurchschnittsmilchleistung der Allgäuer Herdbuchkühe bei hohen 3.217 Kilogramm.313 Das bescherte der Rasse und der Allgäuer Herdbuchgesellschaft als Verwalterin dieser Rasse einen führenden Ruf. Die Zuchtvereinigungen bestimmten fortan die Abläufe der Rinderzucht, die sich damit aus den staatlichen Händen von Kreistag oder Landrat hin zur Landwirtschaft selbst verlagerte, sich jedoch weiterhin mit staatlicher Aufsicht überlappte.

309 Ebd., S. 144. 310 Die Begeisterung züchterischer Gestaltung landwirtschaftlicher Tiere im 19. Jahrhundert machte nicht an nationalen Grenzen Halt, sondern war ein globales Projekt, dem die globalen Machtverhältnisse eingeschrieben waren. Im Rahmen der nach Australien, Neuseeland und in die USA ausgelagerten britischen Tierhaltung, um dort günstiger, dennoch aber den heimischen Geschmack treffendes, Fleisch zu erzeugen, adaptierten Tierzüchter die Körper der Rinder und Schafe an ungewohntes Klima und unbekannte Böden, siehe Woods, The Herds Shot Round the World. 311 Siehe z. B. Gründungsgedanken von Max Eyth für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft 1885, Lachenmaier, S. 32. 312 Das Niederungsvieh gab es in schwarzbunt und rotbunt, Angler und Shorthorn zählten außerdem dazu; zu den Höhenviehrassen zählte das Höhenfleckvieh, das rote und das gelbe Höhenvieh, Braunvieh, Murnau-Werdenfelser, Pinzgauer, Vorderwälder und Hinterwälder, siehe Winnigstedt, Die deutschen Rinderrassen, S. 4. 313 Landeskontrollverband Bayern, 40. Jahre, S. 9.

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Tierschauen und Ausstellungen waren entscheidend für die Popularisierung des Rassegedankens.314 Regelmäßig trafen sich dort Rinderzüchter, um ihre Tiere in den Kategorien der einzelnen Rassen gegeneinander antreten zu lassen. Die dem Zuchtziel gemäß besten Tiere wurden vor großem Publikum mit Geldund Ehrenpreisen ausgezeichnet.315 Die Tierschauen der DLG, deren erste 1887 in Frankfurt am Main stattfand, waren die wichtigsten überregionalen Ausstellungen. Dort prämierte Tiere vervielfachten ihren Wert als Zuchttier und damit das Vermögen ihres Halters.316 Seit 1903 hatten alle zu einer DLG-Ausstellung angemeldeten Tiere einer von der DLG anerkannten Züchtervereinigung zu entstammen und konnten nicht länger von Einzelzüchtern angemeldet werden.317 Diese Regelung, die eine Prüfung der Züchtervereinigung auf die lückenlose Kennzeichnung der gekörten Tiere und ihrer Nachkommen beinhaltete, stärkte die Stellung der Zuchtverbände in der Branche und trug zur Formierung voneinander abgegrenzter Rinderrassen bei.318 Dass die Tierschauen der DLG auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein zentraler Ort der nun westdeutschen Rinderzucht blieben, hätte Hermann Settegast nicht verwundert. Ihm war schon 1870 bewusst, dass die Zucht des Rindes eine Aufgabe ohne Ende ist: »Es […] bleibt keine Züchtungsrace für alle Zeit dieselbe, ja neue tauchen auf und werden als solche anerkannt, wenn die vorhandenen für Bedürfnisse, welche sich aus der fortschreitenden Cultur ergeben, nicht mehr ausreichen und in dem neu Geschaffenen diesem Mangel abgeholfen wird.«319

Neues zu schaffen, das den Anliegen der »fortschreitenden Cultur« entspricht, blieb die Motivation der Rinderzucht, die jedoch stets zugleich der retrospektiven Fiktion einer Reinheit der Rassen nachjagte. Die »fortschreitende Kultur«

314 Das England des ausgehenden 18. Jahrhunderts war das europäische Zentrum des Rassegedankens und seiner Verwirklichung in der Rinderzucht. Die Idee der genetischen Steuerung zur sowohl moralischen als auch funktionalen Verbesserung der Tiere verbreitete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa. Siehe, auch zur gegenseitigen Inspiration der Konzepte menschlicher und tierischer Rassen, Ucelay-Da Cal, S. 719 u. S. 721; Die Faszination, Erfahrungen der Tierzüchtung auf »die eigene Art« zu übertragen stand am Beginn aller Eugenik, siehe Weingart u. a., S. 15; Amir Zelinger zeigt, wie Haustiere im Deutschen Kaiserreich aufgrund des sowohl Menschen als auch Tiere umfassenden rassistischen Wissensparadigma (das er deshalb humananimalisch nennt) zu einem Referenzpunkt für die Qualität der Gesellschaft, das Ausmaß ihres intendierten Fortschritts oder ihrer Degeneration wurden, siehe Zelinger, S. 269–346; außerdem: Irrgang, S. 71–77; Becker, Die Gestaltung der Kreatur. 315 Lachenmaier, S. 32. 316 Zur Schlüsselrolle von Ausstellungen und den dortigen Vergleichen und Preisen für die Popularisierung des Wettbewerbsgedankens in der Rinderhaltung siehe Orland. 317 Obée, S. 92. 318 Lachenmaier, S. 34. 319 Settegast, Aufgaben und Leistungen, S. 395.

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war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das zeigt die Geschichte der Rinderzucht in Bundesrepublik und DDR in den nächsten beiden Kapiteln, die möglichst günstige Herstellung von Milch und Fleisch mit körperlich optimierten Tieren. 1.3.2 Rinder züchten in der Bundesrepublik Seit 1950 schlug die Stunde der Rinderzucht in der Bundesrepublik stärker als im 19. Jahrhundert. Rückblickend erscheint der Zuchthype in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts befremdlich. Eine verbesserte Fütterung der Tiere, vor allem im Winter, hätte mehr beigetragen zur Leistungssteigerung der Tiere als die damals so populär gewordene strategische Wahl ihrer Paarungspartner, meinen heutige Agrarexperten.320 In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hingegen, als die Futterversorgung der Tiere in der Bundesrepublik ein beständig hohes Niveau erreichte, wurde die Veränderung der Leistungsanlagen im Tier zur entscheidenden Stellschraube.321 Praktisch war ein zunehmend überregional kooperierendes Evaluieren und Auswerten der Leistungen der Tiere verantwortlich für die Optimierung der Tiere. Drei Entwicklungen kennzeichnen die bundesdeutsche Rinderzucht in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und führen durch dieses Kapitel: erstens der anhaltende staatlich geförderte Wettstreit der »besten« Tiere in den Rassebahnen des 19. Jahrhunderts, zweitens die zunehmend feinere Anpassung der Tierkörper an die Konsumwünsche der Wohlstandsgesellschaft und drittens Bedenken innerhalb der Branche, die dem Fortschrittsnarrativ der uneingeschränkten Machbarkeit am Tierkörper ethische Risse zufügten. Spitzentiere im Wettstreit »Aufgrund ihrer hervorragenden Qualität« wurde Lilie 2066 die Siegerkuh unter den Rinderleistungskühen der Rasse Höhenfleckvieh. Ihre Milchleistung ließ die Konkurrenz auf der 42. DLG-Ausstellung, die im Frühjahr 1953 in Köln stattfand, abfallen. 5.312 Kilogramm Milch mit 4,13 Prozent Fett gab die in Abbildung 8 zu sehende elf Jahre alte Lilie 2066 im Durchschnitt ganzer acht Jahre. Zusammen mit »viel Adel und Ausdruck« verschaffte ihr diese Leistung einen

320 Achilles, S. 259. 321 Zum verwobenen Zusammenspiel von Zucht und Fütterung bei der Entstehung von Hochleistungskühen seit 1950 siehe Theunissen, S. 308. Theunissen zeigt, dass der Futtersituation der niederländischen Friesian-Rinder wenig Beachtung geschenkt wurde, als in den 1970er Jahren diese durch U. S.-amerikanische Holsteins, die eine höhere Milchleistung versprachen, ersetzt wurden. Möglicherweise wären die Friesian-Tiere bei einer weiteren Verbesserung ihrer Futtergrundlage zu ähnlichen Leistungen in der Lage gewesen; was sich, nachdem sie verschwunden waren, jedoch nicht mehr eruieren ließ.

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Abb. 8: Fleckvieh-Kuh »Lilie 2066« auf der 42. DLG-Ausstellung 1953 in Köln.

ersten Platz der Kategorie »Rinderleistungskühe Milch«322. Breiter bekannt wurden Lilie 2066 und neun weitere Siegerkühe und -bullen durch ihre im Büchlein »Deutsche Spitzentiere im Wettstreit« abgedruckten Fotografien.323 Seit 1951 publizierte die DLG unter diesem Titel im Anschluss an ihre in den 1950er Jahren sechsmal und seit 1960 im zweijährlichen Rhythmus in Frankfurt, München, Köln und Hannover abgehaltenen und von jeweils einer guten halben Million Menschen besuchten Ausstellungen eine bebilderte Analyse der Tiere, die dort gegeneinander angetreten waren. Dieser Überblick über die deutschen Pferde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Kaninchen und Fische, die aufgrund ihrer dokumentierten Leistungen als die besten Tiere ihrer Art galten, fand rege Verbreitung unter den Praktikerinnen und Praktikern im Stall und in Landwirtschaftsschulen. Der Fokus auf die zentralen und großen Ausstellungen der DLG darf die Bedeutung der zahlreichen kleineren, lokalen Veranstaltungen mit der Vorführung und Prämierung lokaler Rinder nicht schmälern, die jedoch weni322 Darüber dürfte sich besonders Anton Wolpert aus Hohenrot im Kreis Künzelsau gefreut haben, der als ihr Züchter antrat, siehe Sommer, S. 40. Das Deutsche Rinderleistungsbuch war von der DLG zum 1.10.1926 gegründet worden, um Kühe mit besonders hohen Milchfett- und Milchmengen-Leistungen herauszustellen. Um diese Kühe ausfindig zu machen, wurden neue Prüfbezirke für eine Sonderleistungsprüfung eingerichtet, die 1937 allerdings zugunsten der Auswertung der Lebensleistung der Kuh mit mindestens 54.500 kg bis zum 18. Lebensjahr und einem Fettgehalt je nach Rasse zwischen 3,8 und 4,2 % abgeschafft wurden, siehe Werkmeister, S. 16 f.; Scholz u. Müller, S. 62. 323 DLG, Deutsche Spitzentiere.

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ger schriftliche Überlieferung hinterließen als die Ausstellungen der ressourcenstarken DLG und deshalb historisch weniger gut greifbar sind. Das standardmäßige Fotografieren der prämierten Tiere und der Abdruck umfangreicher Bildteile seit Anfang der 1950er Jahre war neu. Obwohl Bullen ebenfalls fotografiert wurden, verstärkten die Fotografien der Kühe Analogien stereotyper Weiblichkeit zwischen Mensch und Rind. Anfang der 1950er Jahre nahm seinen Ausgang, was zu den heutigen Schönheitswettbewerben weiblicher Rinder führte, bei denen die Branche ihre schönsten Kühe zunächst zur »Miss« ihrer Rasse und anschließend im besten Fall zur »Miss Germany«324 kürt. 1951 druckte das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt ein Gedicht über »Das ewig Weibliche«, das die neue Praxis des Fotografierens der Kühe erörterte. Ein »Hollywood der Kühe« sei auf dem Vormarsch, in dem schöne Kühe mit dem »richtigen Gestell« auf Reichtum und Fans hofften, um als »Kuh-Pin-up-Modell« an die Stallwand geheftet zu werden.325 Die Körperdaten der 1953 abgelichteten Lilie 2066, ihre Milch- und Fett­ leistung, unterschieden sich von den üblichen Tieren in den westdeutschen Rinderställen. Max Witt wies als Berichterstatter auf der 42. DLG-Ausstellung in Köln darauf hin, wie wenig die Ausstellungstiere mit denjenigen »zu Hause« zu tun hätten.326 Dort war von einer Revolution noch keine Spur. Die Pointe der Geschichte der Rinderzucht in den drei Jahrzehnten seit 1950 war, den gewünschten Körpereigenschaften, die bei den prämierten Spitzentieren bereits ausgeprägt waren, Verbreitung in den weit verstreuten Ställen der Republik verschafft zu haben – und zwar stärker als in den sechzig Jahren zuvor. Verantwortlich dafür war die Umsetzung eines neuen Zuchtprinzips. Form follows function, das Motto des Industriedesigns, hielt Einzug in die Ställe. Sein Kern war eine Abkehr von der ästhetischen Auswahl der Tiere entsprechend ihres Phänotyps und die Zuwendung zu ihren körperlichen Fähigkeiten. Der mit dem Auge beurteilbare »Typ« des Tieres, trat zurück hinter messbare Leistungseigenschaften.327 Denn nicht der Typ schaffe die Leistung, wie bisher angenommen, »sondern die Leistung den Typ«.328 324 Die Wahl wird von der größten deutschen Herdbuchzuchtvereinigung Masterrind veranstaltetet, zu der sich 2006 die Genossenschaft Rinderproduktion Niedersachsen mit der Zuchtrindererzeugergemeinschaft Hannover und dem Sächsischen Rinderzuchtverband zusammenschlossen, https://www.masterrind.com/ (abgerufen am 8.3.2019); Über die Gewinnerin der deutschen Rinder-Miss-Wahl 2011 und 2012, Kuh Krista, wurde 2013 ein 95-minütiger Dokumentarfilm gedreht: https://www.aries-images.de/verleih/16-dieschoene-krista.html (abgerufen am 8.3.2019). Krista folgte 2013 die Kuh Loh Nastygirl nach, die wiederum von Lady Gaga und 2017 Madame abgelöst wurde. Die Namensgebung zeigt die Sexualisierung der Rinderzucht. Für einen Sieg auf einer Rinder-Miss-Wahlen ist das gewünschte Aussehen zusammen mit der Körperleistung ausschlaggebend. 325 Tyroler, Das ewig Weibliche. 326 Witt, Leistungsschau der Rinderzucht, S. 37. 327 Eckert, S. 24. 328 Ebd.; sowie o. A., In Bayerns Viehzucht geht Leistung jetzt vor Schönheit.

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Die Zuchtkontrollverbände auf Länderebene, bei denen die Daten der körperlichen Performance der Kühe zusammenliefen und aggregiert ausgewertet wurden, prägten diese Entwicklung maßgeblich. Nach der Funktion konnte nur gezüchtet werden, wenn man auch über die unsichtbaren Lebensvorgänge im Tier Bescheid wusste. Kontrollvereine zur überbetrieblichen Leistungsüberprüfung von Milchkühen waren eine europaweite Bewegung, die seit 1895 von Dänemark nach Norddeutschland ausgegriffen hatte und sich in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts parallel mit den vielerorts entstandenen (privaten) Herdbuchgesellschaften und staatlichen Kontrollbezirken verbreitete. Gemein hatten alle Organisationsformen die regelmäßige Überwachung der Kontrollkühe durch Wiegen der Milch, Analysieren ihres Fettgehalts, Buchführung über Alter und Gewicht und Verzeichnen aller Bedeckungen und Kalbungen durch die Bauern selbst sowie regelmäßig in den Stall kommende Probennehmer, Kontrollassistenten und Zuchtwarte.329 Anhand dieser Daten wurden sowohl die in einem Kontrollverein versammelten Kühe miteinander verglichen, als auch die Wirtschaftlichkeit des einzelnen Tieres beurteilt und seinem Halter mitgeteilt. 1934 waren 11,2 Prozent aller reichsdeutschen Kühe zu Kontrollkühen geworden; am 22. November des Folgejahrs wurde die Kontrolle der Kühe mit der »Verordnung über Milchleistungsprüfung« zur Pflichtaufgabe aller Betriebe mit drei und mehr Kühen erhoben.330 Für das Ziel der flächendeckenden Überwachung aller Kühe wurde der bestehende bunte Teppich an Kontrollvereinigungen zwischen 1936 und 1938 in Landeskontrollverbände integriert. In dieser auf Länderebene zentralisierten Struktur setzte sich die Überwachung der deutschen Kühe nach 1945 fort.331 Der schärfer werdende Konkurrenzkampf unter den Bauern half, die Skepsis gegenüber äußerer Kontrolle in den 1950er Jahren zu überwinden. Die Landwirte versprachen sich von ihrer Kooperation Hinweise auf das eigene finanzielle Optimierungspotential im Stall. Aus den zehn Prozent der geprüften bayerischen Kühe 1948 waren 1968 bereits 27,6 Prozent geworden und zehn Jahre später 35,5 Prozent; auch Baden-Württemberg knackte um 1970 das lange gesteckte 30-Prozent-Ziel.332 Bundesweit näherte sich der Anteil der kontrollierten Kühe 1980 mit 48,1 Prozent der 50-Prozent-Marke.333 In Schleswig-Holstein wurden 1955 schon mehr als die Hälfte aller Kühe überwacht. 12,8 Kühe standen dort im Schnitt im Stall, führten damit den Bundesdurchschnitt an und erleichterten mit ihrer Herdengröße die Durchführung der Kontrollen, weil sie dem 329 Werkmeister, S. 3–16. 330 Schulze, S. 14 f. 331 Landeskontrollverband Bayern, Festschrift. 332 Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V., S. 36; Landes­ kontrollverband Bayern, Festschrift; Werkmeister, S. 44. 333 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e. V., Rinderproduktion in Deutschland 2016, S. 40; heute liegt der Anteil der unter einer kontinuierlichen Milchleistungsprüfung stehenden Kühe bei 87,0 %, siehe ebd.

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Kontrolleur Anfahrtszeit und -weg sparten.334 Mit der vom Reichsnährstand verordneten Pflichtkontrolle und der anschließenden freiwilligen Ausbreitung der Milchleistungsprüfung löste sie sich aus ihrem Entstehungszusammenhang der einzelnen Züchtervereinigungen, die mit diesem Instrument ihre jeweilige Rasse zu verbessern versucht hatten, und wurde zum allgemeinen Merkmal von Rinderzucht und Milchwirtschaft.335Alle 21 Tage wurde die Milch- und Fettleistung der geprüften Tiere seit dem 1. Juni 1951 festgehalten.336 Mit dem stetigen Mehr an überwachten Kühen vergrößerte sich der Verarbeitungsaufwand der erhobenen Daten. So kam es, dass die Rechentechnologien der 1950er und 1960er Jahre in der Rinderzucht eine frühe Anwendung fanden und dort ihrerseits eine neue Dynamik entfachten. Am 17. Dezember 1968 fragte UFA-Dabei, die für das Kino produzierte UFA-Wochenschau, zu schmissiger Musik: »Was tun die deutschen Bauern selbst, um den Anschluss an die moderne Industriegesellschaft nicht zu verlieren?«337 Die vorgestellte Antwort war ein Computer, der per Lochkarte »die erbbiologische Auswahl für die beste Paarung von tausenden von Rindern« vornehme.338 Zunächst, seit 1954 in Baden-Württemberg als erstem westdeutschen Bundesland, wurden die vom Zuchtwart im Stall auf der »Kuhkarte« eingetragenen Daten von Locherinnen in der Geschäftsstelle des Landeskontrollverbandes auf Lochkarten übertragen, um in der Lochkartenstelle des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums ausgewertet zu werden.339 Wenige Jahre später, in Bayern 1956 durch die Anschaffung von IBM-Rechnern der 400er- und 600er-Serie und 1963 einer IBM-1401-Anlage, löste neuere Technik, die mehr Daten schneller verarbeiten konnte, das Hollerith-Lochkartenverfahren ab.340 Das neue Potential der großmaßstäblichen Rechnerei mit der Kühe Leistungen waren Aussagen über die Bullen. Die Vatertierorientierung der Rinderzucht blieb kennzeichnend. Die Milchkontrolle aller weiblichen Vor- und vor allem Nachfahren eines Bullen gab Aufschluss über dessen Wert als Vatertier. Von elektronischer Hand ausgewertete Daten lieferten fortan die Entscheidungsgrundlage für die Paarung der Rinder.341 Inzwischen war durch die Einrichtung des Europäischen Komitees für Milchleistungsprüfungen 1951 die praktische Durchführung der Milchprüfung weiter normiert worden, sodass die Ergebnisse international verglichen werden konnten.342 Die Bedeutung der Milchleistungs334 Dies., Ergebnisse der Milchleistungsprüfungen im Jahre 1955, S. 11. 335 Dies., Die deutschen Rinderrassen, S. 14. 336 Dies., Ergebnisse der Milchleistungsprüfungen im Jahre 1950, S. 7 f. 337 UFA-Dabei 647/1968, 17.12.1968, https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/584837 (abgerufen am 8.3.2019). 338 Ebd., ab 0:00:46:15. 339 Werkmeister, S. 32. 340 Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V., S. 31. 341 BArch Koblenz, B 116/17922, Schreiben 13.7.1966 BML an australischen Rinderzüchter George M. Parker. 342 Cattin-Vidal.

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prüfung für die Rinderzucht stieg von Jahr zu Jahr und auf dem Jahrestreffen des Europäischen Komitees 1968 in Rom beschworen die gesandten Vertreter der nationalen Rinderzuchten deren »Schlüsselstellung […] für eine moderne Rinderproduktion«.343 Trotz der mit Lochkarten, Computern und Rechenzentren anonymer und technischer gewordenen Zucht blieb die öffentliche Vorführung von Zuchttieren Knotenpunkt der Branche und ein emotionales Geschäft. Im Freien drehten 470 Kühe auf der 51. DLG-Ausstellung in Köln 1970 nach Rassen getrennt ihre Runden, genau beobachtet von den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der überdachten Tribüne. Als Team mit ihrem Halter (deutlich seltener: ihrer Halterin) traten sie an, mit Startnummern am Halfter. Auch 1978 waren die meisten Sitzplätze belegt, als sechs massige Fleckviehbullen mit an ihren Nasen befestigten Führstangen im Kreis um den Richtertisch schlenderten. Ihre sie führenden Halter hofften nervös, die begutachtenden Tierexperten so zu überzeugen, dass sie mit einem Preis nach Hause gehen konnten (Abb. 9). Ethos, Prestige und die Rituale der Rinderzucht blieben unbeeindruckt davon, dass Computer begonnen hatten, über die Paarung der Tiere zu entscheiden. Rinderzucht galt, der landwirtschaftlichen Sphäre ohnehin, aber auch der hohen Politik, weiterhin als von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Ein Erfolg auf einer DLG-Ausstellung blieb der Höhepunkt einer Züchterkarriere und auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit höchster staatlicher Ehrerweisung verbunden, wenn auch seit der sozialliberalen Koalition mit abnehmender Begeisterung. 1962 richtete Bundespräsident Heinrich Lübke einen mit je 5.000 DM und einer Urkunde bestehenden »Ehrenpreis zur Auszeichnung verdienter Tierzüchter« ein, der jeweils auf den Ausstellungen der DLG an zwei Rinderzüchter, einen aus Nord- und einen aus Süddeutschland, vergeben wurde.344 Die DLG unterbrachte ihren Siegervorschlag dem Bundespräsidialamt, das die Vorschläge prüfte, annahm und Reden für die Preisverleihung vorbereitete.345 Lübke hatte den Preis nur für die folgenden fünf Ausstellungen zugesagt, sodass die DLG seit 1972 den Bundespräsidenten vor jeder Ausstellung um die Erneuerung der »bedeutendsten Auszeichnung für praktische Tierzuchtbetriebe in Deutschland« bat.346 Das Bundespräsidialamt kam der Bitte bis 1978 nach, aber die Prio­rität 343 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e. V., Jahresbericht 1968, S. IX u. S. 34. 344 BArch Koblenz, B 122/8493, Richtlinien zur Verleihung des Preises des Herrn Bundespräsidenten für besondere Leistungen in der Tierzucht, fol. 24. 345 BArch Koblenz, B 122/8493, Konrad Jacob (Präsident der DLG) an Herrn Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Dr. Dr. Gustav Heinemann, 9.5.1972, fol. 16. 346 BArch Koblenz, B 122/8493, Vermerk Ehrenpreis des Herrn Bundespräsident für verdiente Tierzüchter, 15.2.1972, fol. 52; ebd., Brief von H. A. Ihle an Ministerialrat Dr. Merkel im Bundespräsidialamt, 11.3.1974, fol. 3; BArch Koblenz, B 122/16722, Vorlage Dr. Merkel betreffend Eröffnung der 54. DLG-Ausstellung am 21. Mai 1976 in München durch den Herrn Bundespräsidenten, 3.10.1975, fol. 164; ebd., Vermerk Ansuchen DLG, Preis erneut zu stiften, 23.2.1978, fol. 45.

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Abb. 9: Bullen auf der 55. DLG-Ausstellung 1978 in Frankfurt, wie sie an Führstangen im Prüfring dem Richtertisch vorgeführt werden.

des Termins schwand, und 1974 eröffnete der neue Bundespräsident Walter Scheel die Ausstellung nur auf Bitten von Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl, der wegen einer Fußverletzung verhindert war. Scheels Rede dürfte bei den anwesenden Landwirtinnen und Landwirten auf begrenzte Zustimmung gestoßen sein. Nicht sie standen in ihrem Zentrum, sondern der Markt, der allein »darüber entscheidet, ob die richtige Ware zur rechten Zeit in der gebotenen Menge zu annehmbaren Preisen produziert worden ist«.347 Warnend fuhr Scheel fort, dass sich auf die Dauer »der Verbraucher der freien Welt und der Steuerzahler nicht gefallen [lassen], daß auf seine Kosten mehr produziert wird, als der Markt abnimmt«.348 Der Verbraucher ließ sich noch etliche Jahre gefallen, dass die deutschen Rinder mit seiner Unterstützung mehr produzierten als die Binnennachfrage verlangte, doch parallel machten sich seine Konsumwünsche zunehmend im Stall bemerkbar. Eine neue Fleischeslust und das Faszinosum Charolais »Riesige Fleischportionen« nach »amerikanischen Sitten« wurden den Gästen in dem im November 1962 »seit kurzem« eröffneten »Steak House« in Frankfurt am Main serviert.349 Das war neu. Ein Beobachter des Frankfurter Restaurants, der die Neuigkeit in der landwirtschaftlichen Fachpresse verbreitete, fragte: 347 BArch Koblenz, B 122/16722, Rede des Bundespräsidenten auf der DLG-Ausstellung 1974, fol. 196–201, hier fol. 199. 348 Ebd. 349 V. B.

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»Wer bekam schon einmal ein Steak angeboten, das 3 bis 5 cm dick war?«, um gleich darauf zu bemerken: »Ach nein, derartige Fleischgenüsse sind hierzulande wirklich noch sehr ungewohnt«. Dennoch hielt er den Siegeszug des Steaks auch in der Bundesrepublik für wahrscheinlich. »Wir brauchen mehr!«, rief er deshalb. Mehr von »jenen vollfleischigen Vertretern der Rinderrassen, auf denen die dicken Steaks wachsen«, weil »nach denen auch die wohlhabenden Bundesbürger […] eines Tages rufen werden«.350 Eines Tages kam schneller als gedacht. Die Melange aus besseren Einkommen, weniger kalorienzehrender Arbeit, zunehmender außerhäuslicher Erwerbs­ tätigkeit der Frau und der Sorge um die Gesundheit bereiteten dem schnell zubereiteten dicken Stück Rindfleisch in den 1960er Jahren eine beeindruckende Karriere.351 Ein demonstrativer Umgang mit Essen, das Verzehren von besonderen Nahrungsmitteln zur Darstellung des Selbst entfalteten sich in diesem Jahrzehnt, entweder um zu zeigen, dass man es wieder zu etwas gebracht hatte oder dass man endlich dazugehörte. Zudem übernahm der Konsum der 1960er Jahre »die Funktion von moralischer Reinigung, Verdrängung von Schuld und Linderung von schmerzlicher Erinnerung an Verlust, Hunger, Kälte, Demütigung und Not«, wie der Historiker Hannes Siegrist bemerkte.352 1968 waren deshalb »zwei Finger dicke« Steaks von der »Größe einer Männerhand« allseits bekannt geworden.353 Sowohl schmorend »auf dem Rost der Holzkohleöfen in den Grillrooms« als auch rasch gebraten in der heimischen Pfanne versprachen sie einen »Genuß ohne Reue«, weil sie zwar »hervorragend schmecken, aber nicht dick machen« – sollten. Zunächst wuchsen die Steaks an den Rindern noch nicht wie bestellt. Die deutschen Rassen waren Zweinutzungsrinder, zwar entweder milchbetonter (wie die Rassen Schwarz-bunt, Rot-bunt, Holstein) oder besser »im Fleisch« (wie Gelbvieh oder Fleckvieh), doch grundsätzlich für beides zu gebrauchen. Ihre genetische Disposition für den Fleischansatz war niedriger als jene reiner Fleischrassen. Wurden sie über diese Grenze hinaus weitergefüttert, setzten sie das zunehmend unbeliebter werdende Fett an: Ein 300 Gramm schweres Steak konnte deshalb mit nur »400 Kalorien, wenn es mager ist« zu Buche schlagen; es konnte »aber auch 1.500 Kalorien haben, wenn es von einem Tier stammt, das reichlich Fett angesetzt hat«.354 Mit der wachsenden Lust auf Steak der Bürgerinnen und Bürger verzauberten sogenannte reine Fleischrassen, allen voran die französischen Charolais, die westdeutschen Rinderhalter. An diesen Tieren wuchs schneller mehr von dem begehrten Fleisch als an den deutschen Zweinutzungsrindern. 350 Ebd. 351 Zu den Faktoren der veränderten Ernährungsgewohnheiten nach der »Fresswelle« des westdeutschen »Wirtschaftswunders«, siehe Wildt, S. 72–75 u. S. 90–94, sowie Witt, Vom Fettschwein; Teuteberg, Der Verzehr; Oberregierungsrat Schmitt. 352 Siegrist, S. 26. 353 Schmitter, S. 14. 354 Ebd.

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Am 27. April 1961 berichtete W. Graf Harrach aus der Wirtschaftsabteilung der westdeutschen Botschaft in London nach Bonn, dass die britische Regierung der Einfuhr von zwanzig Charolais-Bullen stattgegeben hatte.355 Als Kälber aus Frankreich importiert, blieben die Bullen Eigentum der britischen Regierung, um in deren Dienst britische Kühe zu bedecken und so die britische Rindfleischproduktion zu erhöhen.356 Der Bericht blies in das Horn der westdeutschen Rinderzüchter. Sie trugen 1961 ebenfalls den Wunsch an ihre Regierung heran, die Einfuhr französischer Charolais-Bullen zu erlauben und überdies deren »hohen Ankaufspreis« mit Bundesmitteln zu subventionieren. Im September 1961 erteilte das BMEL gegenüber dem so bekannten wie umtriebigen Max Witt, der für sein Max-Planck-Institut staatlich importierte Charolais-Bullen haben wollte, eine Absage – aus drei Gründen: Durch »geeignete Auslesemaßnahmen innerhalb der deutschen Bestände« könne erstens noch mindestens so viel herausgeholt werden für eine gesteigerte Rindfleischproduktion wie »durch Einfuhr und Einkreuzung von reinen Fleischviehrassen«.357 Zweitens würde die Sache insgesamt nicht funktionieren, weil »wir nicht die Käuferkreise haben, die – wie in Frankreich – für ein ›Charollais-Beefsteak‹ und ›Pule de presse‹ einen höheren Preis zahlen wollen«.358 Und drittens drohe durch die staatliche Einfuhr eine Beunruhigung der deutschen Rinderzucht, was die gewünschte »Entwicklung unseres Zweinutzungsrindes« gefährden würde.359 Dennoch fanden die Charolais ihren Weg in die westdeutschen Ställe. Zu attrak­tiv war, dass die französischen »Charollais-Mäster [sic!] kaum Zukunftssorgen« hatten  – im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen.360 Mehreinnahmen aus der Rindfleischproduktion durch die wachsende Steak-Nachfrage erschienen in Zeiten sich füllender Milchseen und zum Himmel wachsender Butterberge als plausibles betriebswirtschaftliches Heilmittel.361 Sechs Jahre später, 1972, war die Überproduktion auf dem Milchmarkt auch der Politik Argument genug geworden, die Fleischrinderhaltung stärker zu fördern, umso mehr, weil sich seit 1970 das »Rindfleischdefizit der Gemeinschaft« auf über eine halbe Milliarde Tonnen vergrößert hatte.362 355 BArch Koblenz, B 116/17922, Dr. W. Graf Harrach, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Wirtschaftsabteilung, London GB an BMEL am 27.4.1961. 356 Ebd. 357 BArch Koblenz, B 116/17922, MD Dr. Herren im BML an Professor Dr. Max Witt, Max-​ Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung Mariensee, 22.9.1961. 358 Ebd. 359 Ebd. 360 O. A., 400 kg Fleisch je Hektar Weide, S. 13. 361 1976 machten die Erlöse landwirtschaftlicher Tierhaltung 73 % aller landwirtschaftlichen Einnahmen aus, siehe DLG, Willkommen in München-Oberbayern, S. 25. Aus Betriebsperspektive erschien die Erschließung neuer tierischer Einnahmequellen durch die Fleischproduktion bei sinkenden Milchpreisen angeraten. 362 BArch Koblenz, B 116/23272, Kommissionsvorschläge für 1. Prämienregelung zur Förderung der Rindfleischproduktion, 1.3.1972.

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Seit dem 1. Januar 1974 förderte die EWG deshalb mit einer »Umstellungsprämie« und einer »Ausrichtungsprämie« die verstärkte Produktion von Rindfleisch, womit zugleich die Milchüberschüsse sinken sollten.363 Betriebe konnten sich nun verpflichten, spätestens sechs Monate nach Förderungsbeginn keinerlei Milch oder Milcherzeugnisse aus ihrem Betrieb mehr abzuliefern.364 Dafür bekamen sie in drei Raten 27,50 DM je zwischen 1. Januar und 31. Dezember 1972 abgelieferten einhundert Liter Milch. Sie verpflichteten sich zudem, weiterhin die gleiche oder größere »Anzahl von Großvieheinheiten zu halten« wie am 1. Januar 1973 und, dass spätestens im dritten Jahr der Förderung achtzig Prozent dieser Tiere »entweder aus Kühen bestehen, die die Merkmale einer der anerkannten Fleischrassen aufweisen, oder aus Kühen, die aus der Kreuzung mit einem im Herdbuch eingetragenen Bullen einer dieser Rassen hervorgegangen sind« bestehen.365 Bei der zeitgleich startenden Ausrichtungsprämie war der Betrieb »schwerpunktmäßig auf die Rindfleischerzeugung auszurichten«.366 Nachzuweisen war in diesem Fall, dass mehr als die Hälfte der Verkaufserlöse aus »den Verkäufen von Rindern« erwuchsen. War das der Fall, floss ein Zuschuss von 55 bis 165 DM je Hektar Land.367 Politisch gefördert und von den Restaurantbesucherinnen und -besuchern immer stärker nachgefragt, verbreiteten sich seit Ende der 1960er Jahre Kreuzungszuchten zugunsten fleischigerer Rinder in den westdeutschen Ställen. Konsumwünsche und die Wirtschaftlichkeit schnellen Fleischwachstums hatten das Dogma der Reinheit der Rassen abgelöst. Gekreuzt wurden »hochgezüchtete Milchkühe mit Fleischviehbullen«, um so »raschwüchsige Jungtiere für die Rindermast« zu liefern.368 Tiere wie der in Abbildung 10 zu sehende »Sohn eines Charolaisbullen und einer schwarzbunten Kuh« beeindruckten Bauern mit Ta-

363 Ebd.; Blaschke, S. 2. 364 In den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Baden-Württemberg und Bayern und etlicher Kreise und Städte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen waren nur fünf oder mehr Milchkühe Förderungsvoraussetzung. Ursprünglich, im Vorschlag für die EWG-Verordnung zur Einführung der Prämienregelung sollten nur Betriebe mit einem Mindestkuhbestand von 20 Kühen förderungsberechtigt sein. Dagegen wehrte sich die Bundesrepublik in Brüssel, weil damit gerade jene Betriebe, »die für eine wirtschaftliche Milcherzeugung am interessantesten« sind, zur Aufgabe ihrer Milchkühe angeregt würden, siehe BArch Koblenz, B 116/23272, Vermerk Dr. H. H. Messerschmidt, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter, Zusammenfassende vorläufige Stellungnahme, Bonn 10.2.1972. 365 Blaschke, S. 4. 366 Ebd., S. 5. 367 Ebd., S. 6. 368 O. A., Mit weniger Kälbern mehr Fleisch erzeugen, S. 14; Diese Einkreuzung von Fleischrindern markiert zusammen mit der parallel stattfindenden Einkreuzung von Milchrindern den langsamen Abschied von der so lange gut gehüteten heiligen Kuh des deutschen Zweinutzungsrindes. Durch die Einfuhr und Einkreuzung von U. S.-Milchkühen der Rasse Friesian wurde seit den 1960er Jahren am großrahmigen, muskelärmeren und heute führenden Milchrind Holstein-Friesian gearbeitet.

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Abb. 10: »›Ganz der Vater‹ könnte man bei diesem Sohn eines Charolaisbullen und einer schwarzbunten Kuh sagen. Mit genau einem Jahr erreichte er ein Gewicht von 500 kg«.

geszunahmen von über 1.000 Gramm und Steakliebhaber mit ihrer massiv bemuskelten Hinterhand. Die enge Verzahnung von Milch- und Fleischproduktion im Körper des Rindes ließ sich von den politischen Korrekturversuchen der aus den Fugen geratenen Marktsteuerung jedoch nicht beeindrucken.369 Wegen der Körperlogik der Rinderhaltung konnte die Erzeugung von Rindfleisch trotz der Einkreuzung von Fleischrassen nicht wesentlich schneller wachsen als der Milchabsatz – zumindest solange »mit herkömmlichen Methoden gearbeitet wird«.370 Als Silber­ streifen am Horizont der verfahrenen Marktsituation erschien deswegen die sogenannte Färsenvornutzung, von der das BMEL seit 1968 angetan war. Im Dezember 1967 hatte das Ifo-Institut in München die Krux der Verquickung von Milch- und Fleischerzeugung berechnet. Es sei nicht möglich, »die Inlandserzeugung an Rindfleisch bis zur Deckung des Inlandsbedarfs anzuregen, ohne gleichzeitig auf dem Milchmarkt Überschüsse zu erzeugen«, berichtete es nach

369 Plate. 370 O. A., Mit weniger Kälbern mehr Fleisch erzeugen, S. 14.

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Bonn.371 Weil die Haltung reiner Fleischrassen »kein ausreichendes Einkommen bringt«, fuhr der Bericht fort, »dürfte die Färsenvornutzung […] für die deutsche Landwirtschaft der gegebene Weg sein«.372 Was steckte hinter diesem Zaubermittel, das versprach, die Rinderhaltung wieder in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen des Marktes zu bringen? Zum ersten Mal trächtige weibliche Rinder, Färsen, wurden dabei wenige Tage vor ihrem ersten Abkalben geschlachtet, um Fleisch zu liefern, aber keine Milch. Das während der Schlachtung »von einem geübten Metzger mit zwei bis drei Hilfskräften in etwa 60 Sekunden« aus dem Körper der Färse geschnittene Kalb wurde aufgezogen, um seinerseits einige Monate später zum Fleischlieferanten zu werden. Zwar erforderte die Aufzucht der »so entbundenen Kälber […] in der ersten Zeit ein hohes Maß an Sorgfalt«, informierte die Fachpresse über die marktkonforme neue Körperpraktik, an der späteren Fleischqualität der Kälber wurden jedoch »keine Mängel festgestellt«.373 Die Akteure im Stall allerdings zeigten weder Dankbarkeit noch Begeisterung für diesen Einfall, sondern große Empörung. Die wütende Ablehnung der 1973 im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt vorgestellten Färsenvornutzung ließ die Leserbriefseite der folgenden drei Ausgaben überlaufen. Für Landwirt Alois Rohrer aus Hurlach war die Färsenvornutzung eine »bodenlose Unverschämtheit«, zu deren Beendigung er sich – für landwirtschaftliche Tierhalter untypisch – den Tierschutzverein herbeiwünschte.374 Sein Berufskollege Alfons Baumann hielt die Meldung zunächst für einen »Fastnachtscherz«. Er fragte ratlos: »Wer bringt das schon fertig, eine vor der Geburt stehende Färse töten zu lassen, nur um einen Gewinn zu erzielen«? »Man braucht sich heute über nichts mehr zu wundern«, schloss er resigniert, »wenn solche Rohheitsakte [sic!] empfohlen werden – noch dazu von einem Professor«.375 Empfohlen wurde das von dem in Stuttgart-Hohenheim lehrenden Professor J. Kurt Hinrichsen und seinem Team entwickelte neue Verfahren wegen seinem raschen Umschlag, seinem genauen Zeitplan und weil, zynischerweise, kein Geburtsrisiko für die Kuh bestehe – die ja während des Geburtsvorgangs geschlachtet wurde.376 Das Geburtsrisiko einer jungen und zum ersten Mal kalbenden Kuh, wenn sie ein schweres Mastkalb erwartete, war signifikant. Dieser »echte Vorteil«, »dem Tier eine schwere und schmerzliche Geburt« zu ersparen und dem Landwirt zusätzlich »die Abkalbeversicherung«, verschafften der Idee einzelne Fürsprecher, die gegen den Chor ihrer aufgebrachten Berufsgenossen darum baten, das »Verfahren praxisreif zu machen«.377 In der Branchenbreite aber überwog Entrüstung, 371 BArch Koblenz, B 116/17922, Vermerk Dr. Preiss an Herrn Bundesminister, Beziehungen zwischen Rinderpreis und Milchproduktion, 1.2.1968, S. 1. 372 Ebd., S. 3. 373 O. A., Ein neuer Weg der Färsenvornutzung. 374 Rohrer. 375 Baumann. 376 O. A., Ein neuer Weg der Färsenvornutzung. 377 Hofmann, Was ist tierfreundlicher?.

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wie bei Franz Schorefes bei Nürnberg, der meinte: »Wir nennen uns stolz ›die Krone der Schöpfung‹ und trotzdem ist keine Grausamkeit so groß, als daß der Mensch sie nicht erfinden würde«.378 Die Besorgnis der westdeutschen Landwirte an der Färsenvornutzung macht deutlich, dass der Moralkodex landwirtschaftlicher Tierhalterinnen und Tierhalter mehrdeutig war. Tiere wurden gehalten, um mit ihnen Geld zu verdienen. Der Aufruhr um die Färsenvornutzung jedoch zeigt, dass ethische Bedenken auch innerhalb der Branche dem ökonomischen Argument in die Quere kommen konnte – trotz aller zeitgleich stattfindenden betriebswirtschaftlichen Rationalisierung des Tiers. Selbst unter wirtschaftlicher Bedrängnis, um mit der allgemeinen Wohlstandsentwicklung Schritt halten zu können, blieb die Verantwortung »gegenüber der Kreatur« Teil des ethischen Kodexes der Rinderhalter.379 Die Moral im Stall begrenzte die Machbarkeit neuer Körperpraktiken allerdings nur punktuell. Die Debatte um die Färsenvornutzung 1973 markiert einen der wenigen Punkte der westdeutschen Rinderhaltung zwischen 1950 und 1990, bei dem die Erhöhung der Tier-Rentabilität von den Akteuren im Stall abgelehnt wurde. So blieb trotz der Begeisterung der Agrarpolitik, die die Färsenvornutzung mit einer Bereitstellung geeigneter Fleischrassebullen und der Einführung der Handelskategorie »sehr junges Kuhfleisch« förderte, ihr Durchbruch in der beschriebenen Variante aus.380 Die Färsenvornutzung fand seit Anfang der 1970er Jahre ihren Weg in die Praxis, allerdings in einer Form, bei der die jungen Kühe lebend ihr erstes Kalb zur Welt brachten, es säugten, und erst danach, ohne Kalb im Bauch, geschlachtet wurden. 1.3.3 Das Schwarzbunte Milchrind, Masthybriden und Populationsgenetik in der DDR Vierzig Jahre Sozialismus seien an der Kuh nicht spurlos vorübergegangen, berichtete der Spiegel im Januar 1991. Schmal und gedrungen wirke »das sozialistische Einheitsvieh«, »wie ein Trabi neben einem Mercedes« stünde es neben den großrahmigen West-Kühen«.381 Die großrahmigen Mercedes-Kühe hatte der ebenso großrahmige West-Bauer Georg Neubauer aus Niederbayern mitgebracht in die LPG »Neues Leben« in Beeskow bei Frankfurt / Oder, als er sie 1990 kaufte. Der Trabi, der dort so zahlreich im Stall stand, 720 Tiere waren es bei der Übernahme, war das Schwarzbunte Milchrind der DDR. Abgekürzt als SMR 378 Schorefes. 379 Rohrer. 380 BArch Koblenz, B 116/23272, Vermerk Dr. H. H.  Messerschmidt, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter, Zusammenfassende vorläufige Stellungnahme, Bonn 10.2.1972; BArch Koblenz, B 116/17922, Vermerk Dr. Preiss an Herrn Bundesminister, Beziehungen zwischen Rinderpreis und Milchproduktion, 1.2.1968, S. 3. 381 Schmidt-Klingenberg, S. 95.

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wurden diese Tiere mit dem zweiten zentralen Zuchtprogramm zwischen 1971 und 1975 ins Leben gerufen.382 1977 bereits war der »gesamte Rinderbestand der DDR in den Umzüchtungsprozess einbezogen«. Die züchterische Arbeit an früheren Einzelrassen wie dem Thüringer Fleckvieh, dem Frankenrind oder dem Vogtländischen Rotvieh waren zum Leid von deren Züchtern eingestellt worden.383 Möglich war die rasche und flächendeckende genetische Veränderung der Rinder in der DDR erstens durch die seit 1963 von der VVB Tierzucht (Vereinigung der Volkseigenen Betriebe Tierzucht) straff zusammengehaltenen Fäden einer zentral gelenkten Tierzucht.384 Zweitens begünstigten »die Vorteile des sozialistischen Großbetriebes […] den Fortschritt der Züchtung«.385 Mit dem Beschluss des Zentralkomitees der SED zum Bau von »industriemäßigen Anlagen der Tierproduktion« im Februar 1968 waren Rinderställe einer neuen Größenordnung entstanden. Für Milchkühe und deren Milchproduktion waren das standardmäßige »2000er Anlagen«, nach dem Vorbild der Pilotanlage in Dedelow. Für die Aufzucht junger Rinder, entweder als spätere Milchkühe, als Zuchttiere oder als Mastrinder entstanden Anlagen nach dem Vorbild der Rindermastanlage Ferdinandshof bei Ueckermünde mit standardmäßigen 16.000 Plätzen, die im Laufe der 1970er und 1980er Jahre nicht selten auf 20.000 bis zu über 30.000 Plätze erweitert wurden und damit eine Größenordnung erreichten, die in den westdeutschen Rinderställen dieser Zeit undenkbar war.386 Die Konzentration von vielen Tieren in einem einheitlichen Körperstadium erleichterte die genetische Neuausrichtung des gesamten Rinderbestands in kurzer Zeit. Der »Stallgruppendurchschnitt« als »idealer Vergleichsmaßstab« ermöglichte es, jedes Tier »unter ziemlich gleichartigen Bedingungen« mit einer großen Zahl anderer Tiere seiner Altersgruppe zu vergleichen.387 Die staatlich gelenkte Tierzucht wurde in der DDR zum Innovationszentrum der Rinderhaltung. Im Glauben an die »wissenschaftlich-technische Revolution im Interesse des Fortschritts« der 1960er Jahre versprach sie die Erhöhung der stark nachgefragten tierischen Lebensmittel  – und zwar ohne dafür die Zahl der Tiere erhöhen oder mehr Futter bereitstellen zu müssen.388 Von der SED auf ihrem VIII. Parteitag 1971 präzisiert, sollte der »wissenschaftlich-technische Fortschritt in der Tierzüchtung« nun »neue hochleistungsfähige Tierrassen für die Fleisch- und Milchproduktion« entstehen lassen.389 Der »wissenschaftliche

382 Langner, S. 109; Brade, S. 10 f. 383 Langner, S. 110; Brade, S. 10; Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, S. 4. 384 Trapp u. a., S. 1. 385 Lenschow, S. 45 f. 386 Langner, S. 103 u. S. 114. 387 Schaaf, S. 50; sowie Vogel, Durch Selektion zu einer hohen Milchleistung, S. 17. 388 Boguschewski, S. 441. 389 Langner, S. 54.

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Fortschritt«, der in den 1970er Jahren das SMR hervorbrachte und in viele Ställe führte, hatte durch Kontrolle und Überwachung, strategische Selektion und taktische Paarung der Rinder, also unter denselben Auspizien wie in der Bundesrepublik, Einzug in Rinderställe und Versuchsanstalten der DDR gehalten. Dieses Kapitel blickt erstens auf die Entstehungsgeschichte des SMR und zeigt dabei die Verquickung von Wissenschaft, Staat und Stall, die sich im Körper des Rindes niederzeichnet. Zweitens stehen neue Zuchttechniken der Rindermast im Fokus, die dem steigenden Rindfleischappetit auch in Ostdeutschland beikommen sollten. Die beiden Episoden machen deutlich, dass ebenso wie in der Bundesrepublik die drei Hauptfaktoren des Wandels der Rinderzucht die verstärkte überbetriebliche züchterische Zusammenarbeit, die Verengung des Nutzungszwecks des einzelnen Tiers entsprechend späterer Konsumwünsche und die Verlagerung der Bewertung der Tiere von ihrem Aussehen zu ihrer überprüften körperlichen Leistung waren. An die Kreation einer punktgenauen Kombinationskreuzung aus 25–37,5 Prozent Deutsche Schwarzbunte, 12,5–25 Prozent Dänische Jersey und 50 Prozent Holstein-Friesian, wie die theoretischen Genanteile des SMR lauteten, war Anfang der 1950er Jahre nicht zu denken.390 Zwar schritt der Aufbau der Rinderbestände fort, aber von der fortwährenden Kontrolle, der Vorbedingung einer strategischen Zucht, war das Geschehen im Stall weit entfernt. Weil die Leistungsprüfungen »nicht mit der erforderlichen Genauigkeit und Regelmäßigkeit« vorgenommen würden, blieben »die Mängel welche es in Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit gibt« verborgen. Die Folge war, dass »der Züchter nicht ordentlich auslesen« könne.391 Die 1950er Jahre sahen deshalb eine Konsolidierung der durch die agrarpolitischen Brüche aus dem Tritt gekommenen Rinderzucht in bekannten Rassebahnen.392 Schon 1948 waren die bestehenden Zuchtverbände aufgelöst bzw. zur Angliederung an den VdgB (Verein der gegenseitigen Bauernhilfe) gezwungen worden, der fortan die Herdbücher führte, die Milch prüfte und die Bullen körte. 1954 übernahmen fünf Bezirkstierzuchtinspektionen, denen die Tierzuchtinspektionen der Kreise unterstanden und die ihrerseits von der 1952 gegründeten »Zentralstelle für Tierzucht« gelenkt wurden, die Aufgaben des VdgB. In Stendal wuchs die dortige Tierzuchtinspektion von 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 1958 auf 455 zehn Jahre später, von denen 80 fest in Stendal arbeiteten und knapp 400 in Außenstellen.393 1963 übernahm die VVB Tierzucht als »höchste Verwaltungsinstanz für die Tier390 Ebd., S. 110. 391 BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung d. Viehwirtschaft 1956. Stand der Viehhaltung und Planerfüllung, 17.1.1952, HA II  – Viehwirtschaft, HA III zu Händen d. Koll. Fronnhold, S. 2. 392 BArch Berlin, DK 1 /3837, Bericht inkl. Zusammenarbeit mit RGW-Staaten, Tierzuchtgesetz 1959–66, Bl. 167; Stock, S. 77; BArch Berlin, DK 1 /3873, Entwicklung und Leistungssteigerung Rinder 1957–58, 66, S. 1. 393 Jungk, S. 296.

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produktion der DDR« mit Sitz im Schloss Paretz bei Potsdam die einheitliche Leitung der Tierzucht.394 Die Zentralisierung allein jedoch machte die Milch nicht fett.395 Das Zentralkomitee der SED legte deshalb in seiner achten Sitzung 1961 fest, dass Bullen der Rasse Jersey eingekreuzt werden sollen »in die schwarzbunten Rinder unserer Republik«.396 Die Gene der Jersey-Rinder, das hatten die Wissenschaftler des Instituts für Tierzucht und Haustiergenetik der Humboldt-Universität in Berlin, das seit 1963 auch »Leitinstitut für Jerseyeinkreuzung« genannt wurde, gezeigt, ließen den Fettgehalt der Milch ansteigen.397 Georg Schönmuths Experimente, die er seit 1963 als nur 35-jähriger Institutsleiter durchführte, waren maßgeblich für die Einkreuzung der Dänischen Jerseys und die anschließende Weiterentwicklung dieser Kreuzung zum SMR.398 Die Tierzüchter der DDR gaben das Dogma der Reinrassigkeit in stärkerem Maße auf als ihre bundesdeutschen Kollegen, die weiterhin in nach Rassen organisierten Zuchtvereinigungen arbeiteten. Die Einführung der Kreuzungszucht bei Rindern seit Anfang der 1960er Jahre war ein Paradigmenwechsel in der Rinderzucht. Die Rasse des Tiers war nicht länger die Leitplanke tierzüchterischer Freiheit.399 Der neue Gestaltungswille war gemeinsam mit der politischen Durchregierbarkeit der DDR und einem neuen Niveau an körperlicher Buchführung über die tierischen Leistungen die in den 1960er Jahren geschaffene Vorbedingung für den Siegeszug des SMR seit 1970. Voraussetzung für das neue Niveau ständiger Leistungskontrolle war die Identifikation des Einzeltiers. Zu diesem Zweck setzte sich die Ohrmarke durch, die den Zuchttieren der DDR als »Jungviehmarke in das rechte und als Herdbuchmarke in das linke Ohr« gestanzt wurde, zusätzlich zu einer ebenfalls als Ohrmarke angebrachten laufenden Stallnummer bei großen Beständen.400 Neben der Ohrmarke waren sogenannte Kerbschlüssel, die mit einem Messer ins Ohr gekerbt wurden, in Gebrauch bei einfarbigen Zuchttieren, die auch im Falle des Verlusts der Ohrmarke identifizierbar bleiben sollten, daneben Eutertätowierungen (ebenfalls fortlaufender Nummern in Laufställen) und Brandzeichen.401 War die Identifikation der Tiere, was in den größer werdenden Beständen mit mehr und wechselndem Personal der LPG eine größere

394 Werner / Stiftung Preussische Schlösser, S. II. 395 Zelfel, 40 Jahre Deutsche Demokratische Republik – 40 Jahre erfolgreiche Tierzucht, hrsg. v. VEB Kombinat Tierzucht Paretz 1989, von der Veröffentlichung zurückgezogen, zit. n. Langner, S. 46 f. 396 BArch Berlin, DK 1/577, Vieheinkäufe aus GB 1960–1963, VVB Tierzucht an Leiter der Inspektionsgruppe Viehwirtschaft Schuster, 21.3.1963, S. 1. 397 Ebd. 398 Schönmuth, S. 17. 399 Schmidt, Industriemäßige Rinderproduktion, S. 20. 400 Liebenberg, S. 9. 401 Ebd., S. 10–12.

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Herausforderung geworden war, gewährleistet, konnte die züchterische Arbeit in jedem Betrieb beginnen. Die Jerseys aus Dänemark versprachen »gute Erbanlagen« in Bezug auf die ersehnten gesteigerten Fettprozente in der Milch. Im Bezirk Rostock begann das Unterfangen 1961, als Jimmy, Robby und Pit in die Besamungsstation Stralsund einzogen.402 Die drei Bullen taten, was von ihnen erwartet wurde und verbesserten die Milchfettleistung ihrer Töchter in den Folgejahren um zwanzig bis dreißig Prozent.403 Allerdings verkleinerten die kleinen Jerseys die Nachkommen der schwarzbunten Rinder. Das Skelett der Kreuzungsrinder war kleiner und ihre maximale Körpermasse damit niedriger. Das war problematisch, weil die Steigerung des Milchfetts so zu einem Rückgang von Rindfleisch zu führen drohte. Rindfleisch aber stand auch in der DDR immer höher im Kurs, weil es sich »gegenüber dem Schweinefleisch […] durch einen höheren Eiweiß- und niedrigeren Kaloriengehalt« auszeichnete.404 Um die Kreuzungsrinder wieder größer zu bekommen und den drohenden Rückgang der Rindfleischproduktion abzufangen, wurden, federführend untersucht und praxisreif gemacht wiederum von Georg Schönmuth in Berlin, englische und amerikanische Friesian eingekreuzt.405 Glen, Witt, Walter, Ponto und Brown waren deshalb aus Kanada importiert worden und leisteten nun neben Jimmy, Robby und Pit ihren Dienst in der Stralsunder Besamungsstation.406 Doch der »durch die Jerseyeinkreuzung genetisch bedingte Wachstumsverlust« war durch die Holstein-Friesians nicht wie erhofft ausgeglichen worden.407 Die »Zunahme je Lebenstag« und die maximale Muskelbildungsfähigkeit des SMR waren nicht geeignet, den auch in Ostdeutschland rapide gestiegenen Rindfleischappetit zu befrieden.408 Obwohl man »unter Beefsteak […] bei uns meist nur eine Bulette, durch den Fleischwolf gedrehtes, dann geformtes und gebratenes Fleisch« versteht und nicht das »saftige, gebratene Stück Rinderfleisch«, das das »beefsteak im wahrsten Sinne des Wortes ist«, so Eckard Mothes, Autor zahlreicher wissenschaftlicher und populärer Bücher zur Haltung landwirtschaftlicher Tiere in der DDR, stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von Rindfleisch zwischen 1955 und 1974 um neunzig Prozent.409 Das SMR allein war dafür nicht verantwortlich und wurde von einer zweiten Neuerung der Rinderzucht flankiert: den Masthybriden. »Nach Witt können Muskeln nicht erfüttert, sondern müssen erzüchtet werden«, war im Handbuch des Genossenschaftsbauers für die »Produktion von 402 Langer, S. 100. 403 Lenschow, S. 37. 404 Breitenstein, S. 12. 405 Schönmuth, S. 21. 406 Langner, S. 110. 407 Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e. V.; Langner, S. 102. 408 Lenschow, S. 42. 409 Mothes, Tiere am Fließband, S. 61; Schmidt, Industriemäßige Rinderproduktion, S. 16.

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Rindern (Mast)« 1972 zu lesen.410 Die Tierzüchter der DDR zogen die Ergebnisse der Experimente im niedersächsischen MPI für Tierzucht und Tierernährung als Erklärung heran, warum sich das SMR nicht als Allrounder eignete. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf beschäftigten sich seit Mitte der 1960er Jahre damit, dass sich beim Versuch der gleichzeitigen Milch- und Fleischerzeugung im selben Tier züchterisch die Katze in den Schwanz biss – und zwar beinahe wortwörtlich: »Die von Fleischrindern geforderte volle, weit nach unten reichende Bemuskelung der Keule ist nicht vereinbar mit einem hochangesetzten, gut platzierten, großvolumigen Euter, wodurch sich gute Milchkühe auszeichnen.«411 Im Gegensatz zur Kombinationskreuzung des SMR entstanden bei den Gebrauchskreuzungen für die Fleischerzeugung Tiere, die sich ihrerseits nicht selbst weiter reproduzierten, sondern nur in jeweils erster Generation Rindfleisch lieferten, sogenannte Masthybriden. Nur mehr jene Kühe, deren Kälber für die Reproduktion des Milchkuhbestandes disponiert worden waren, wurden mit »Vatertieren der Zuchtrichtung Milch« angepaart. Alle anderen Milchkühe wurden mit »Bullen mit hoher Vererbungsleistung für Mastleistung und Schlachtwert« gekreuzt.412 Federführend für die Spezialisierung der Rinderhaltung in Milchwirtschaft und Mast waren die neuen Großbetriebe der 1970er Jahre und darunter besonders das bereits erwähnte Ferdinandshof. Seit 1966 wurden in dem Forschungsstützpunkt der Universität Rostock »Grundlagen für die Kreuzung der Milchkuhpopulation mit Fleischrindern und die Rindermastverfahren in Großbetrieben« erforscht, die von Ferdinandshof aus ihren Weg in weitere Ställe nahmen.413 1972 stellte eine im Auftrag der VVB Industrielle Tierproduktion produzierte 24-minütige Dokumentation die Arbeitsabläufe in Ferdinandshof vor.414 Die Mast von Rindern fand dort Anfang der 1970er Jahre in drei Einheiten mit insgesamt 21.000 Plätzen statt. Jedes Jahr wurden 17.000 Kälber angeliefert und in die erste Einheit des dreigliedrigen Haltungssystems eingestallt. Nachdem die 45 Kilogramm schweren männlichen Kälber von drei bis vier Menschen die Rampe des sie liefernden LKWs hinuntergedrückt und zugleich von unten an den Ohren heruntergezogen worden waren, fanden sie sich zu je 840 im Stall der »Tränk-Mäst-Periode« wieder, für vier Wochen »in Einzelständen angekettet und kontaktarm auf Beton Vollspaltenboden gehalten«, wie der Sprecher des Films die gezeigten Bilder kommentierte. Zwei Arbeitskräfte pro SechsStunden-Schicht betreuten die 840 jungen Tiere pro fensterlosem Stall, dessen Ausleuchtung »nur während der Stallarbeiten« erfolgte. Nach der zweiten 410 Breitenstein, S. 20. 411 Lenschow, S. 43. 412 Breitenstein, S. 26. 413 Langner, S. 53. 414 Siehe hier und für das folgende: SStL, agra-059/03-VHS, industriemäßige Rindfleischproduktion (»Ferdinandshof«), agra-Filmstudio 1972.

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»Aufzuchtperiode« von ebenfalls vier Wochen auf Vollspaltenboden, allerdings in Gruppen zu 18, wurden die nun zu Vormastbullen mit etwa 150 Kilogramm herangewachsenen Kälber »in die Mastanlage umgesetzt«, auch das in beeindruckendem Tempo, »innerhalb von sechs Stunden bis zu 1.600 Tiere«. Bevor sie die dritte und ihre letzte Station, Laufboxen für 18 bis 25 Tiere, bezogen, wurden die Tiere nach Konstitution sortiert, im Film von zwei Männern mit zum Bewegen der Tiere in der Rinderhaltung üblichen Elektroschockern in der Hand. In 180 bis 200 Tagen wurden die Vormastbullen zu Mastbullen von 420 Kilogramm gemästet und trugen mit ihrer guten »Kilogramm-Rindfleisch-Erzeugung pro Stallplatz in Lebendmasse« entscheidend dazu bei, dass »dem wachsenden Rindfleischhunger beizukommen« war. Nicht nur retrospektiv irritiert die Kombination der optimistisch-beschwingten Musik der Dokumentation mit den gezeigten neuen Abläufen der Rindermast in Ferdinandshof. Die Einführung der Haltungsmaßnahmen stieß in der Praxis auf Widerstand, der ihren Durchbruch allerdings nicht zu gefährden vermochte. Fritz Kranz, der Leiter der ZBE (Zwischenbetrieblichen Einrichtung) Jungrinderaufzucht Seegrehna im Kreis Wittenberg, berichtete 1972 über die Schwierigkeiten beim »schrittweisen Übergang zur industriemäßigen Tierproduktion«:415 In ähnlich gestaffelten Produktionsschritten wie die Mastbullen in Ferdinandshof, wurde in der neugebauten Anlage mit 2.000 Plätzen in Seegrehna »das Stufenprodukt« einjährige Färsen »erzeugt«. Der industriellen Rhetorik entsprach ein industrialisierter Arbeitsablauf. »Dieser Entwicklungsprozess vollzog sich natürlich nicht so einfach«, bemerkte Kranz auf dem elften Bauernkongress in Leipzig. »Sehr viel alte Auffassungen und ideologische Probleme« hätte er zu klären, womit er die ethischen Einstellungen seiner Mitarbeiter meinte. Als die neuen Ställe für die »Kälberaufzucht in größeren Dimensionen« bereitstanden, »weigerten sich die Kollegen mit dem Argument, in dieses ›Zuchthaus‹ könne man keine Kälber einsperren«.416 Anders als bei der nicht zum breiten Einsatz gelangten Färsenvornutzung mit Schlachtung der hochträchtigen Färse in der Bundesrepublik hat dieser Widerstand den neuen Mastpraktiken in der DDR keinen Einhalt geboten. Dennoch weist auch diese Episode auf eine ethische Verantwortung dem Tier gegenüber hin, die die Menschen empfanden, die es täglich bewirtschafteten. Ohne eine neue Körperpraktik am Rind, die bisher nur am Rande erwähnt wurde, hätte die Entwicklung der Zucht zwischen 1950 und 1990 weder in der beschriebenen zeitlichen Dimension noch in der Durchdringung und Breite stattfinden können: der künstlichen Besamung der weiblichen Rinder. Die menschliche Übernahme des Reproduktionsaktes, durch die Gewinnung von Bullensperma und dessen anschließender Einführung in die Vagina der Kuh, war ein neues Verfahren am Tier und im Stall – anders als die traditionellen Körperpraktiken Füttern, Melken und Züchten via natürlichem Sprung, wie 415 Kranz. 416 Ebd., S. 465.

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der wiewohl menschlich kontrollierte, aber von zwei Rindern selbstständig ausgeführte Geschlechtsakt genannt wurde. Die künstliche Besamung veränderte die zeitliche und räumliche Dimension von »Zuchtfortschritt« in der Landwirtschaft und ebenso den menschlichen Zugriff auf das Tier. Was das konkret bedeutete, klärt das nächste Kapitel. Es nimmt sich der Entstehungs- und Durchsetzungsgeschichte der künstlichen Besamung an und erklärt, inwiefern diese neue Körperpraktik am Tier die Rinderhaltung revolutionierte, weil die »Perspektiven der animalischen Eugenik«, wie der Arzt, Journalist und Schriftsteller Richard Lewinsohn 1952 angesichts der heraufziehenden künstlichen Besamung feststellte, im Unterschied zur menschlichen »unbegrenzt sind«.417 1.3.4 Künstliche Besamung: Neue Praktiken im Stall und die Internationalisierung der Rinderreproduktion Reproduktion und Gesundheit wurden zwischen 1950 und 1990 zu den zwei wichtigsten Stellschrauben der auf stetige Steigerung ausgerichteten Produktivität im Rinderstall. Sie lösten die Optimierung von Fütterung und Haltung als lohnendste Orte der Veränderung der Körperpraktiken am Rind ab. Landwirtschaftliche Tierhaltung verlagerte sich an einen Kreuzungspunkt aus Agrarwissenschaft, Biologie und Medizin und damit hinaus aus der Sphäre der reinen Agrarwissenschaft.418 Das spiegelte sich auf der Ebene der am Geschehen im Stall beteiligten Akteure wider. Medizinisches Fachpersonal, Tierärzte und Besamungstechniker lösten den Landwirt als Hauptexperten für die Reproduktion und Gesundheit der Tiere ab und betraten die Ställe häufiger als je zuvor.419 Die internationale Wissensgeschichte der künstlichen Besamung am Schnittpunkt von Stall und Klinik hat in den letzten 15 Jahren in der englischsprachigen Wissenschaftsdiskussion Form angenommen.420 Im Stall und an den Tieren wurde Wissen um Zyklus, Hormone und Befruchtungserfolg generiert, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter den Stichworten Pille und künstliche Befruchtung auch Anwendung in der menschlichen Reproduktionsmedizin fand.421 Inwiefern diese neuen Körpertechniken am Rind rund um seine Fortpflanzung die Praktiken zwischen Mensch und Tier im Stall veränderten, wurde hingegen noch nicht beschrieben und steht im Zentrum dieses Kapitels. Eine Episode aus den Anfängen des Spermahandels über die Blockgrenze hinweg zeigt, inwiefern die durch Gefriertechnik herkömmliche Raum- und 417 Lewinsohn, S. 346. 418 Siehe hierzu: Clarke, Disciplining Reproduction; dies., Reflections on the Reproductive Sciences. 419 Ein Prozess, der in anderen europäischen Ländern und den USA zwei bis drei Jahrzehnte früher stattfand, siehe für Großbritannien: Woods, The Farm as Clinic. 420 Clarke, The History of Three Scientific Societies; Franklin; Benninghaus; Gaudillière. 421 Siehe empirisch z. B. Seitz; Besalier u. a.

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Zeitgrenzen sprengende neue Praxis der künstlichen Besamung der Internationalisierung der Rinderhaltung einen Schub verpasste. Um den Jahreswechsel 1962/63 zog eine Spermasendung des Verbandes der Züchter des Anglerrindes in Schleswig-Holstein an Nikita Chruschtschow die große politische Aufmerk­ samkeit des Kalten Krieges auf sich. Weil Chruschtschow »durch eine weise und mutige Entscheidung den Weltfrieden gerettet« habe, »der während der Kuba-Krise ernstlich gefährdet war«, bot der Tierzuchtdirektor Hofmann vom Verband der Züchter des Anglerrindes in Süderbrarup (Schleswig-Holstein) am 20. Dezember 1962 200 kostenlose »Portionen tiefgekühlten Samen unserer besten Zuchtbullen« als Dankeschön an.422 So war es am 27. Januar 1963 auf der ersten Seite der sowjetischen Parteizeitung Prawda zu lesen – zusammen mit einem von Chruschtschow unterzeichneten Dankesschreiben.423 Chruschtschow begrüßte einen »Erfahrungsaustausch zwischen unseren Völkern«.424 Nachdem die beiden Briefe auch im »Neuen Deutschland«, der sowjetischen Landwirtschaftszeitschrift »Seljaskaja Zhisan« und der westdeutschen Presse abgedruckt wurden,425 wandte sich der Bauer Walther Rockenfeller an Bundeskanzler Konrad Adenauer, damit »in Zukunft derartige, das Ansehen des deutschen Bauernstandes schädigende Pannen vermieden werden«.426 Rocken­feller war wütend angesichts des »Anbiederungsversuchs beim Herrn ­Chruschtschow«.427 Ihn machte die plumpe Art, dem eigenen Spermaexport auf die Sprünge zu helfen, rasend, weil der Eindruck erweckt würde, »deutsche Bauern in Schleswig-Holstein« würden sich »nach den kolchosenbäuerlichen Zuständen in der Ostzone und in der UdSSR sehnen«.428 Dennoch war die ungewöhnliche Marketingstrategie des Verbandsvor­ sitzenden Hofmann erfolgreich: Im Februar 1963 berichtete das Auswärtige Amt dem Bundeslandwirtschaftsminister, dass der Landwirtschaftsattaché der sowjetischen Botschaft in Rolandswerth und der für die Propagandatätigkeit der Botschaft zuständige Presseattaché »bereits zweimal in diesem Jahre den Verband der Züchter des Anglerrindes e. V. in Süderbrarup besucht«429 hätten. Der »frühzeitig erfolgende Export von Rindersperma der Besamungsstation Süder422 BArch Koblenz, B 116/17922, Übersetzung Prawda vom 27.1.1963, Verband der Züchter des Anglerrindes e. V. an den Herrn Ministerpräsidenten der UdSSR Chruschtschow und Antwortbrief an Herrn Hofmann, Verband der Züchter des Anglerrindes e. V. Süderbrarup, Schleswig-Holstein, Bundesrepublik Deutschland. 423 Ebd. 424 Ebd. 425 BArch Koblenz, B 116/17922, Auswärtiges Amt an Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, 21.2.1963. 426 BArch Koblenz, B 116/17922, Walther Rockenfeller, Bauer, Elisabethhof Kreis Schleswig, an Herrn Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, Rhöndorf, Betreff: Anbiederungsversuch beim Herrn Chruschtschow, 11.2.1963. 427 Ebd., S. 2. 428 Ebd., S. 3. 429 BArch Koblenz, B 116/17922, Auswärtiges Amt an Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, 21.2.1963.

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brarup des Anglerzuchtverbandes […] vor allem nach Rußland« ist als früher westdeutscher Spermaexport in die Literatur eingegangen.430 Ein neues Niveau der Gestaltbarkeit des Tiers in der DDR Um 1980 als Bulle zur Rinderzucht in der DDR zugelassen zu werden, genügte es nicht, erfolgreich vor einer Körkommission aufzumarschieren und lückenlose Leistungsnachweise der jährlichen Milchmenge von Mutter und Schwestern zu haben. Hinzugekommen war eine gänzlich neue Fähigkeit des »Besamungsbullenanwärters«, der Sprung auf das sogenannte Phantom. Nur Tiere, die regelmäßig fähig waren, ein Phantom, entweder ein an einen Bock aus dem Sportunterricht erinnerndes Gestell oder aber eine lebende Kuh mit einer Plane über ihrem Rücken, zu bespringen und das dabei ejakulierende Sperma in eine Kunststoffröhre fließen zu lassen, bestanden die sogenannte Eigenleistungsprüfung.431 Das zeigte der gut 21-minütige Dokumentarfilm des agra-Filmstudios mit dem Titel »Intensivierung der Rinderproduktion durch künstliche Besamung« aus dem Jahr 1982 anhand der Zentralen Bullenaufzuchtstation Meißen.432 An die dortige Eigenleistungsprüfung der Bullen schloss sich als zweiter Teil des Prüfeinsatzes die Nachkommenschaftsprüfung an. Mit 600 bis 900 Portionen des durch Sprünge am Phantom gewonnenen Spermas wurden rasch Kühe besamt, um zwei bis drei Jahre später die erste Jahresmilchmenge der bei diesem Prüfeinsatz entstandenen Töchter zu evaluieren. Dann erst entschied sich, ob der Bulle insgesamt positiv abgeschnitten hatte und zur breiten Rinderzucht zugelassen wurde. Warum etablierte sich in Zeiten der betriebswirtschaftlichen Optimierung ein derart aufwändiges Prozedere mit jahrelangem Warten auf das Ergebnis des Prüfkriteriums? Die künstliche Besamung hatte die Bedeutung der schon seit Ende des 18. Jahrhunderts erkannten Stellschraube Vatertier maßgeblich ver­ größert. Aus den 15.000 bis 20.000 Bullen, die für die Bedeckung der 2,2 Millionen Kühe der DDR vor der Einführung der künstlichen Besamung notwendig waren, ließ die neue Technik wenige Hundert werden.433 Das vergrößerte den Einfluss eines Bullen auf die intendierte Entwicklung der Rinder. 15.000 Nachkommen pro Bulle und Jahr hatte die zwischengeschalteten menschlichen Hände 1980 möglich gemacht statt der 100 bis 120 beim natürlichen Sprung drei 430 Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 248. 431 SStL, agra-024/09-VHS, Produzent: agra-Filmstudio, Intensivierung der Rinderproduktion durch künstliche Besamung, 1982, 21:20 Min. 432 Das agra-Filmstudio entwickelte sich 1967 aus den Aktivitäten vormaliger Amateurfilmer und war in die agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR in Leipzig-Markkleeberg eingebunden. Es drehte zunächst auf 16mm, seit 1969 auch und vor allem auf 35mm und seit 1985 auf Video in den 23 Jahren seines Bestehens etwas über 300 Filme für die »Anschauliche Vermittlung der Entwicklung der Produktionsverhältnisse und der Produktivkräfte in der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft«, siehe Volker Petzold, Porträt agra-Filmstudio zu Bestand agra/20314 im SStL, 1.12.2014. 433 Mothes, Tiere am Fließband, S. 43.

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Jahrzehnte zuvor.434 Die Tiefgefrierung des Spermas gestattete die zeitliche Entkoppelung der Reproduktion.435 Die Möglichkeit, das Sperma tiefgefroren, zunächst »auf der Basis von CO2-Eis« und seit 1966 in flüssigem Stickstoff, zeitlich unbeschränkt aufzubewahren, vergrößerte den potentiellen Einsatz eines Vatertiers ungemein.436 Der Bulle konnte nun auch weit nach seinem Tod und damit nach ausführlicher Evaluierung seiner ersten Testnachkommen flächendeckend fortgepflanzt werden. Stiersperma wandelte sich von einer lokalen Ressource, zu einem überregionalen und überzeitlichen, jederzeit auch unabhängig vom Tier verfügbaren Produktionsmittel der Rinderhaltung.437 Es war vor allem die neue Dimension züchterischer Gestaltbarkeit, die Politik und Praxis gleichermaßen dafür einnahm, den Deckakt der Rinder zur menschlichen Sache zu machen. »Großen Schaden durch einen Bullen in Bezug auf das Milchfett« hatte die LPG Typ III in Nebra Anfang der 1960er Jahre gehabt, was sich allerdings »erst beim Mütter-Töchter-Vergleich nach Jahren herausstellte«.438 »Soweit als möglich« wollte der Leiter der LPG, Georg Reich, deshalb von nun an »die künstliche Besamung in Anspruch nehmen«, da das mit deren erbwertgeprüften Bullen nicht passieren könne.439 Jürgen Claasen, ein Kollege Reichs und Vorsitzender einer LPG Typ III im Bezirk Magdeburg, bestätigte den positiven Zusammenhang zwischen erstrebtem höheren Milchfett und der künstlichen Besamung zwei Jahre später. Die »seit 4 Jahren […] mit bestem Erfolg« durchgeführte Praxis hatte dazu geführt, dass »die aus der technischen Besamung stammenden Färsen wegen ihrer guten Abstammung im Durchschnitt 0,5 Prozent Fett mehr haben als die übrigen Kühe«.440 1949 wurden 0,5 Prozent des deckfähigen Rinderbestandes der DDR künstlich besamt, 1950 2,9 Prozent und 1956 schon 42 Prozent. Diese Entwicklung setzte sich fort und fünfzehn Jahre später, 1970, waren es über 90 Prozent, 1980 schließlich 99,7 Prozent.441 Etwa 25.000 Portionen Sperma wurden 1982 von einem Zuchtbullen in einer Besamungsstation, wie dem Institut für künstliche Besamung in Schönow bei Bernau, der Zentralstelle der künstlichen Besamung in der DDR, gewonnen, indem der Bulle dort zwei- bis dreimal pro Woche das 434 Ebd.; SStL, agra-024/09-VHS, Produzent: agra-Filmstudio, Intensivierung der Rinder­ produktion durch künstliche Besamung, 1982, 21:20 Min. 435 Zur konstitutiven Bedeutung der Gefriertechnik für die moderne Gesellschaft siehe Fried­ rich u. Höhne; zur auf Tiefkühlung basierenden Konservierung von Tiersamen und deren Zusammenhang mit der menschlichen Ernährung und Reproduktion, damit den Kernbereichen gesellschaftlicher Existenz, siehe insb. S. 32 f. 436 Peter, S. 13. 437 Bächi, S. 78. 438 Reich, S. 529. 439 Ebd. 440 Claasen, S. 381. 441 Peter, S. 13; Mothes, Tiere am Fließband, S. 43; SStL, agra-024/09-VHS, Produzent: agra-​ Filmstudio, Intensivierung der Rinderproduktion durch künstliche Besamung, 1982, 21:20 Min.

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Phantom besprang.442 Der neuartige quantitative Einsatz des Bullen war verantwortlich für den Aufwand seiner vorherigen Prüfung. Denn unerwünschte Eigenschaften verbreiteten sich mit der neuen Technik ebenso flächendeckend wie die angestrebten milchfettsteigernden Gene. »Größte Schäden können entstehen«, warnte der Leiter der Besamungsstationen im Bezirk Gera, Martin Riedel, 1957, »wenn der Bulle Anlagen für niedrige Fettprozente, geringe Milchleistung, Schwerfuttrigkeit, schwache Konstitution, Euterfehler u. a. vererbt«.443 Genau das war eines der Probleme, weswegen die Durchsetzungsgeschichte der künstlichen Besamung in der Rinderhaltung in den 1950er Jahren noch lange nicht der reibungslosen Darstellung des agra-Filmstudios von 1982 entsprach.444 Auch nachdem 1958 die 50-Prozent-Marke geknackt worden war, konnte von einem Erfolg keine Rede sein. Die Befruchtungsergebnisse der künstlich besamten Kühe »erreichten kaum 50 %«, monierte der Leiter des Sektors Operative Inspektion in einem Bericht über die Lage in der künstlichen Besamung am 10. Februar 1959.445 Problematisch waren diese »mangelhaften Arbeitsergebnisse der KB« in den Augen der politischen Agrarlenker insbesondere deshalb, weil sie »Mißtrauen bei den Rinderhaltern« schürten, die dann zur eigenen Deckbullenhaltung zurückkehrten, anstatt sich auf die Arbeit der Besamungsstationen zu verlassen, wodurch sie das ganze Unternehmen gefährdeten.446 In den Ende der 1950er Jahre insgesamt gut fünfzig Besamungsstationen der DDR, deren erste 1947 in Bad Freienwalde an der Oder eröffnet worden war, wurde der Kern der schlechten Ergebnisse verortet. Besamungsstationen waren neue Orte der Rinderhaltung, die zwischen etwa 1950 und 1965 zu zentralen Schaltstellen aufstiegen. Wiederholt führte die künstliche Besamung in ihren Kinderjahren zum Gegenteil der an sie gerichteten Hoffnungen. Die 1959 beklagten »mangelnden Arbeitsergebnisse der KB« in Form schlechter Befruchtungsergebnisse des per Pipette an den Uterus der Kuh gebrachten Spermas hatten ihre Ursache, so die Abteilung Tierische Produktion des DDR-Landwirtschaftsministeriums am 11. Februar 1959, in der zu starken Verdünnung des Spermas mit Kuhmilch, Eigelb und keimhemmenden Substanzen.447 442 Das Institut für künstliche Besamung in Schönow wurde am 1.9.1958 auf Beschluss des Landwirtschaftsministeriums der DDR gegründet und begleitete als zentrale Forschungsstelle der Biotechnologie rund um die künstliche Besamung die Zentralisierung der Rinderzucht, siehe Peter, S. 12. 443 Riedel, S. 4. 444 BArch Berlin, DK 1/3920, Künstliche Besamung, Dokument »Die künstliche Besamung in der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1956« versandt an alle Kollegiumsmitglieder, 14.3.1957, S. 8. 445 BArch Berlin, DK 1/3925, Vorlage für die Dienstbesprechung des Ministeriums für Landund Forstwirtschaft, Zusammenfassung des Berichtes über die Lage der künstlichen Besamung zur Beratung mit der Abteilung Tierische Produktion, 10.2.1959. 446 Ebd. 447 Ebd.; verdünnt wurde das Sperma, um aus einem Ejakulat des Bullen möglichst viele Portionen für die künstliche Besamung zu gewinnen.

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Hinzukam, mit für die Landwirte, Tierärzte und Agrarpolitiker der DDR Ende der 1950er Jahre schlimmeren Konsequenzen, »verseuchtes« Sperma.448 Mit der Einführung der künstlichen Besamung war die Hoffnung verbunden, den durch den örtlichen Deckbullen verbreiteten Krankheiten, die bei der natürlichen Paarung der Tiere übertragen wurden, den Garaus zu machen.449 Diese Idee verkehrte sich jedoch bisweilen in ihr Gegenteil, zum Beispiel in der Besamungs- und Deckstation Erfurt Ende 1958. »Um das Sperma nicht zu schädigen«, hatte der Diplom-Landwirt Dr. Jähnichen, ein Mitarbeiter der Besamungsstation Schönow, »die Anweisung gegeben, daß das zum Aufspringen benutzte Phantom überhaupt nicht mehr desinfiziert werden dürfe«, beklagte der Bezirkstierarzt in Erfurt, Dr. Riedel.450 Riedel hatte sich Anfang 1959 mit dem »ansteckenden Bläschenausschlag« bei Kühen herumzuschlagen, die mit in Erfurt gewonnenem Sperma besamt worden waren. Als ihm der Zusammenhang zwischen den infizierten Tieren und der Arbeitspraktik in der Erfurter Besamungsstation Ende November 1958 aufgefallen war, war dort bereits »bei 20 Bullen von den insgesamt 36 Bullen diese Deckinfektion festgestellt« worden. Sie alle hatten sich am nicht-desinfizierten Phantom bei Questelino angesteckt, einem am 2. November aus Stralsund angeliefertem Jungbullen, der ohne Quarantänezeit sofort eingesetzt worden war und als Quelle der Misere identifiziert wurde.451 Die Zentralisierung der Reproduktion durch die Spermagewinnung in den Besamungsstationen hatte diese zu potentiellen Knotenpunkten der Krankheitsverbreitung werden lassen. Die Folge der Geschehnisse in Erfurt war, dass Landwirtschaftsminister Hans Reichelt die Veterinärinspektion, eine Abteilung seines Ministerium, beauftragte, Durchführungsbestimmungen für die Tätigkeiten in allen Besamungs- und Deckstationen auszuarbeiten, die mit dem neuen Tierzuchtgesetz in Kraft treten sollten.452 Nachrichtlich war fortan das Ministerium zu informieren, wenn ein geprüfter Zuchtbulle aus Krankheitsgründen aus dem Dienst ausschied, wie beispielsweise der am 12. Dezember 1956 geborene Bulle Martini mit der Herdbuchnummer 12558 im Juli 1962 wegen einer »chronischen Indigestion«, die auch ein Aufenthalt in der Tierklinik Neubrandenburg nicht beseitigen 448 BArch Berlin, DK 1/10954, Künstliche Besamung, Rat des Kreises Wittenberg an das Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft, Betr. Durchführung der Besamung durch Tierärzte, 9.6.1962. 449 So der Kreistierarzt Dr. Sittner 1951/52 im Land Sachsen-Anhalt »zur Bekämpfung der Trichonomadenseuche«, siehe BArch Berlin, DK 1/10954, Künstliche Besamung, Rat des Kreises Wittenberg an das Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft, Betr. Durchführung der Besamung durch Tierärzte, 9.6.1962. 450 BArch Berlin, DK 1/10954, Künstliche Besamung, Rat des Bezirkes Erfurt, Bezirksvete­ rinärinspektion, Betr. Neuausbruch von ansteckendem Bläschenausschlag der Rinder auf der VE Besamungs- und Deckstation Erfurt, 1959. 451 Ebd. 452 BArch Berlin, DK 1/10954, Künstliche Besamung, Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft, Ergänzung zur Richtlinie über die Durchführung einer regelmäßigen zuchthygienischen Untersuchung der Rinderbestände, 21.12.1961.

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konnte.453 Die Meldung eines erkrankten Bullen an das Landwirtschaftsministerium in Berlin zeigt die Ambivalenz der neuartigen Rinderzucht: Während die Mehrheit der Tiere als genormte Lebewesen in homogener werdenden Herden verschwand, stieg die individuelle Bedeutung einzelner (männlicher) Tiere durch die künstliche Besamung rapide an. Parallel zur heimischen Organisation der künstlichen Besamung um 1960 engagierte sich das Landwirtschaftsministerium der DDR für den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet. Seit Februar 1959 informierten sich die Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe in Moskau über ihren jeweiligen Stand der künstlichen Besamung.454 Delegierte aus Albanien, Bulgarien, Ungarn, der DDR, Polen, Rumänien, der UdSSR, der CSSR und »außerdem Beobachter aus Korea, der Mongolei« besprachen, wie staatliche und genossenschaftliche Stationen für die künstliche Besamung die Voraussetzungen schaffen könnten, »hochwertige Vatertiere maximal zu nutzen«.455 Die künst­ liche Besamung war ein internationales Projekt. Durch die wirtschaft­liche Integration der DDR im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe seit 1949 und die Vorreiterrolle der Sowjetunion bei der Erforschung und Anwendung der künstlichen Besamung bereits seit der Zwischenkriegszeit waren die Bahnen für Planung und Implementierung der neuen Technologie in der DDR stärker vorgezeichnet als in der Bundesrepublik, obwohl beide deutsche Staaten eine Frühgeschichte der künstlichen Besamung während des Nationalsozialismus teilten.456 Im Oktober 1959 waren, so teilte Reichelt seinem Moskauer Kollegen Woltschenko mit, »alle sozialistischen Staaten in der Lage, die KB technisch nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen durchzuführen«.457 Was jedoch 453 BArch Berlin, DK 1/10954, Veterinäruntersuchungs- und Tiergesundheitsamt in Neubrandenburg. Zuchthygienische Abteilung, 18.7.1962. 454 BArch Berlin, DK 1/3822, Tagung KB in Moskau 1959, Moskau, 16.2.1959. 455 Ebd. 456 1933 hatte der Veterinärwissenschaftler Richard Götze nach einer Forschungsreise an das 1931 gegründete Zentralinstitut für künstliche Besamung in Moskau über die dortige Praxis der künstlichen Besamung der Rinder berichtet und damit den Startschuss für die Diskussion in Deutschland gegeben. Faszination und Bewusstsein um die führende Stellung der Sowjetunion in Fragen der künstlichen Besamung nahm mit den gedeihenden nationalsozialistischen Expansionsplänen in den folgenden Jahren zu, da die einverleibten Gebiete viehzüchterisch überwiegend als »Versorgungsfälle« angesehen wurden, die an einem »ungeheuren Mangel an qualifizierten Vatertieren« litten, dem die künstliche Besamung der weiblichen Tiere Abhilfe verschaffen sollte. Siehe Klemm, S. 92; Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 13; Heim, S. 56–58: im September 1940 und damit weniger als ein Jahr vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Sowjetunion unternahmen der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Institut für Tierzuchtforschung in Dummerstorf in Begleitung zweier weiterer deutscher Agrarwissenschaftler erneut eine Forschungsreise nach Moskau, um sich dort über den Stand der sowjetischen Forschung in Fragen der künst­l ichen Besamung zu informieren – mit der Idee, das dortige Wissen in den deutsch besetzten Gebieten in die Praxis zu überführen. 457 BArch Berlin, DK 1/7158, RGW, Einrichtung eines internationalen Spermadepots, Reichelt an Woltschenko, 30.10.1959, Bl. 1–5, hier Bl. 4.

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noch nicht geschah, war das Ausnutzen der immensen zeitlichen und räumlichen Flexibilisierung, die die künstliche Besamung erlaubte. Es war nicht länger notwendig, mühsame und riskante Standortwechsel von Bullen zu arrangieren, wenn sie andernorts zum Einsatz kommen sollten – man erinnere sich an das shipping fever der um 1950 aus den USA nach Westdeutschland verschifften Tiere. Nun konnte ihr Sperma, tiefgefroren in speziell entwickelten Thermosgefäßen, wesentlich unaufwändiger reisen. Die Flexibilität war eine Chance für den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, für die Reichelt plädierte. Zwar wurden bereits zwischen einzelnen Ländern »Spermaexporte« vorgenommen; so sandte die DDR »nach der Koreanischen Volksrepublik, der Mongolischen Volksrepublik und nach der Volksrepublik Bulgarien«.458 Die Einrichtung eines internationalen Sperma-Depots, in dem auf -179 Grad Celsius tiefgefrorenes Sperma aller begehrten Zuchtrassen beständig lagerte und kontinuierlich bestellbar war, stand jedoch noch aus. Die UdSSR folgte Reichelts Anstoß und wies im Februar 1960 die Zentrale Besamungsstation des Moskauer Unions-Forschungsinstituts als Ort des internationalen Spermadepots aus.459 Auch in der Bundesrepublik ließ die künstliche Besamung die genetische Entwicklung der nationalen Rinderbestände Teil eines internationalen Modernisierungsprojekts werden. Die Durchsetzungsgeschichte der neuen Körpertechnik in den bundesdeutschen Ställen, der sich der folgende Abschnitt annimmt, war nicht weniger holprig als in der DDR, zumal dort zunächst ethische Bedenken skeptischer Bauern zu überwinden waren – ein wiederkehrender Unterschied zur staatlich gelenkten Landwirtschaft der DDR. Von der Angst, Gott ins Handwerk zu pfuschen, zum Stolz auf Pabst Ideal: Der Siegeszug der künstlichen Besamung in der Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre war die künstliche Besamung der Rinder eines der am meisten diskutierten Themen der landwirtschaftlichen Branche in Westdeutschland. Allerdings nicht, weil sich damit einmütige Zukunftshoffnungen verknüpften. »Bedenken, die sich nicht mit Verstandesgründen oder Zahlen aus der Welt schaffen lassen«, trieben die Bauern stattdessen um.460 Als »gegen die Natur gerichtet« lehnten sie »eine durch Generationen angewandte künstliche Befruchtung« ab. Sie befürchteten »Störungen oder Veränderungen des Tierlebens«, die sich erst nach mehreren Generationen zeigen würden, dann jedoch bereits einen Großteil des Rinderbestands beträfen. Die »Besamungsfanatiker«, so wurde das befürwortende Lager von seinen Gegnern tituliert, blendeten die ungewissen Langzeitfolgen des Eingriffs in Mutter Naturs Abläufe aus.461 Nicht nur im Süden Deutschlands hatten die Menschen im Stall ein mulmiges Gefühl, als sie den Zeugungsakt ihrer Rinder zu übernehmen begannen. 458 Ebd., Bl. 5. 459 Ebd., Bl. 4. 460 Scholz. 461 Ebd.

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Knapp zehn Jahre zuvor, 1942 und wenige Monate nachdem die erste deutsche Besamungsstation in Pinneberg in Holstein ihren Betrieb aufgenommen hatte, warnten höchste Veterinäre des NS-Staates, wie der in Jena lehrende Victor ­Goerttler, vor der künstlichen Besamung. Im speziesübergreifenden Vokabular der NS-Rassenlehre befürchteten sie »Entartungserscheinungen und Erbfehler«.462 »Die Tatsache, daß ein […] gesunder Bulle freiwillig und regelmäßig […] das Phantom deckt«, beweise »eine Geschlechtsperversion des betreffenden Vatertiers«, dessen Gene dann aber ja gerade die größte Verbreitung erführen.463 Zusätzlich zu den »sexualpsychischen Invertierungen der männlichen ­Tiere«,464 weil die Phantombespringung eine »psychische Krankheit« sei, kämen die »empfindungsmäßigen Einflüsse auf das weibliche Tier« durcheinander.465 Die künstliche Besamung sei deshalb nicht nur ein »wirtschaftliches und biolo­ gisches« Problem, sondern auch ein »ethisches und ästhetisches […], durch das die Natur vergewaltigt wird«.466 In Goerttlers früher Ablehnung sind alle Argumente versammelt, die parallel zum tatsächlichen Siegeszug der neuen Technik in der Bundesrepublik bis Mitte der 1970er Jahre in der Branche erhalten blieben. Die Pioniere der künstlichen Besamung sahen es deshalb als Teil ihrer Aufgabe an, die ideelle Überzeugung hinter der neuen Körpertechnik zu verbreiten.467 Wirtschaftlicher Erfolg »zum Nutzen des einzelnen Bauern und der ganzen Volkswirtschaft« durch die Einsparung teurer Einzelbullen und den Zugang zu »wertvollen Vererbern« auch für kleine Höfe war hierbei das Hauptargument.468 Jenen »Leuten, die die künstliche Besamung der Tiere als eine teuflische Maßnahme, mit der man dem lieben Gott ins Handwerk pfusche, brandmarkten«, entgegnete der führende Tierarzt in Pinne­berg, Richard Götze, beispielsweise, dass die künstliche Besamung »auch auf den Vatikanischen Gütern in Italien Anwendung fände«.469 Angst und Ablehnung der Unnatur gewannen keine Oberhand. Die Erfolgsgeschichte zweier führender Besamungsstationen in Westdeutschland, der frühesten Pinneberger Station und der im mittelfränkischen Neustadt an der Aisch, 462 Goerttler, Grundsätzliches zur Frage der künstlichen Besamung, in: Deutsche Landwirtschaftliche Tierzucht, H. 36, 5.9.1942, o. S.; zit. n. Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 39–43. 463 Ebd. 464 Wille, S. 276 f. 465 Als sich Anfang der 1950er Jahre abzeichnete, dass »sich die Geschicklichkeit des Menschen […] als zeugungstüchtiger« erweist »als die Wollust der Stiere« wurde der Eingriff in das Sexualleben der weiblichen Tiere als »große Wendung für das Leben der Tiere« diskutiert, weil er bisher nur (meist durch Kastration) männliche Tiere betroffen hatte, siehe Lewinsohn, S. 345. 466 Goerttler, zit. n. Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 41. 467 Künstliche Besamung war mehr als der medizinische Akt der Befruchtung der Kuh; für die Rolle von Vertrauen, Freundschaft, Verwandtschaft und Hierarchie bei ihrer Durchsetzung siehe Grasseni. 468 O. A., Aus Schwaben. 469 Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 47.

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die rasch zur größten Besamungsstation der Bundesrepublik avancierte, führt dies im Folgenden vor Augen. Die Motivation hinter der Errichtung der beiden Stationen war verschieden. Die Kritik, die ihnen von Seiten arrivierter Rinderzüchter entgegenschlug, ähnelte sich jedoch ebenso wie die Janusköpfigkeit ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere. Dass im Frühjahr 1943, zehn Monate nach der ersten Besamungsrundfahrt der Pinneberger Tierärzte am 8. Juni 1942 »die ersten aus der KB stammenden Kälber geboren« wurden, lag an Holsteins geografischer Nähe zu Dänemark. Die »ausgesprochen fortschrittsfreudigen« Dänen hatten die künstliche Besamung Mitte der 1930er Jahre »als erste in der westlichen Welt« in die Praxis eingeführt und den benachbarten norddeutschen Besamungsprotagonisten  – erleichtert durch die deutsche Besatzung Dänemarks seit 9. April 1940 – damit »das erste Versuchsstadium in der Praxis abgenommen«.470 Aus Dänemark übernommen war ebenfalls die Hauptmotivation hinter der neuen Technik in Holstein, die bekannte Erhöhung des Fettgehalts der Milch, indem Bullen mit »durchschlagender Fettgehaltserhöhung« über die künstliche Besamung zu verstärkter Fortpflanzung verholfen wurde.471 Diese Motivation unterschied sich von der Errichtung der ersten Besamungsstationen in Bayern um 1950.472 In Bayern versprach man sich von der künstlichen Besamung zuvorderst die Überwindung der bei der natürlichen Paarung übertragenen Geschlechtskrankheiten der Tiere, die den einzelnen Rinderhalter finanziell belasteten und die Steigerung der Milch- und Rindfleischproduktion insgesamt hemmten; meist indem die beim Deckakt übertragenen Krankheiten zur Unfruchtbarkeit der Kühe führten.473 In Gemeinden mit hoher Verbreitung der Vibrionen- oder Trichonomadenseuche wurde die künstliche Besamung sogar amtstierärztlich angeordnet – sofern eine Besamungsstation in der Nähe war, die die Versorgung mit Bullensperma gewährleistete.474 Damit dies im Norden Bayerns möglichst oft der Fall war, standen 180.000 DM aus Marshallplan-Mitteln für den Bau der Rinderbesamungszentrale Nordbayern bereit. Als sie »bei herrlichem Sommerwetter« am 12. August 1951 vom ersten Vorsitzenden des Besamungsvereins Neustadt an der Aisch, Baron Freiherr von und zu Franckenstein, eingeweiht wurde, war der nicht etwa Feuer und Flamme für die neue Technik. Er warnte vor einer »Verdrängung der natürlichen Paarung« und rief »die Sanierung der mit Deckseuchen belasteten Rinderherden« als temporäres Ziel in Erinnerung.475 Dass die folgenden Jahre trotz rascher Überwindung der 470 Ebd., S. 16, S. 25 u. S. 28. 471 Ebd. 472 O. A., Aus Schwaben. 473 Bauer, Tierarzt und Tierzucht, S. 451. 474 G. G.; BArch Koblenz, B 116/50288, Verordnung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Verordnung zum Schutz gegen übertragbare Geschlechtskrankheiten der Rinder, Begründung der Verordnung, 20.2.1975, S. 1. 475 Hopf; Rettenmaier.

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Deckseuchen kontinuierlich steigende Zahlen der künstlich besamten Rinder meldeten, lag an den ökonomischen Vorteilen, die sich in den Ställen bemerkbar gemacht hatten.476 Gegen eine Gebühr von 15 bis 20 DM standen jedermann, »gleich ob Hochzüchter oder Anfänger, Kleinbauer oder Gutsbesitzer […] Spitzenbullen und bewährte Vererber« zur Verfügung.477 Die künstliche Besamung war zu einem Katalysator für eine Überarbeitung der Körreglements geworden. Besamungsbullenanwärter wurden ab Mitte der 1950er Jahre regelmäßig anhand der an ihren Nachkommen ablesbaren Leistungen für eine gewisse Anzahl weiterer Besamungen zugelassen und lenkten so die körperliche Performance der Kälber in die gewünschte Richtung ihrer Besitzer.478 Die künstliche Besamung verbreitete sich seit 1954 mit jährlichen Zuwachsraten zwischen sechs und 14 Prozent und hatte 1967 in der Hälfte der zehn westdeutschen Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein mit 73,5 Prozent und Bayern mit 58,6 Prozent, die 50-Prozent-Marke passiert.479 Verbleibende Gegenstimmen ließen sich immer genauer lokalisieren: Nicht länger um Gott und Mutter Natur besorgte Bauern, sondern etablierte Rinderzüchter, die in der Vergangenheit »beachtliche Verkaufserlöse aus dem Zuchtbullenverkauf erzielten«, blieben skeptisch.480 Sie sahen den Absatz ihrer Bullenkälber mit dem viel einfacher zur Kuh reisenden Sperma in Ampullen davonschwimmen und warnten deshalb vor dem Risiko »übermäßiger Inzucht«.481 Doch der – nicht völlig von der Hand zu weisenden – Sorge vor einer so großen genetischen Konzentration, die die gewünschte Entwicklung gefährdete, begegneten Rinderzuchtprogramme auf Landesebene mit regelmäßigem Samenaustausch von Station zu Station.482 An die Stelle der Skepsis vor der menschlichen Übernahme der Reproduktion der Rinder war die Begeisterung für Tiere mit besonderen Leistungen getreten, die mitunter Züge religiösen Kults annahm. Pabst Ideal hieß ein 1964 aus Wisconsin importierter und in Europa berühmt gewordener Holstein-Friesian-Bulle, der als erstes Vatertier 100.000 Nachkommen durch die künstliche Besamung hatte.483 Seit Anfang der 1970er Jahre hatte die Reproduktion der Rinder nicht mehr viel mit der alternativlosen Paarung der Kühe mit dem einen vorhandenen Gemeinde- oder Genossenschaftsbullen vor Ort zu tun. Nun bestellten Tierhal476 BArch Koblenz, B 116/50288, Verordnung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Verordnung zum Schutz gegen übertragbare Geschlechtskrankheiten der Rinder, Begründung der Verordnung, 20.2.1975, S. 1. 477 Sell, Ein aktuelles Thema. 478 O. A., Neue Bewertung bei der Besamung; o. A., Besamungsbullen stehen unter laufender Kontrolle; o. A., Das Kalb gibt die sicherste Auskunft; o. A., Jedes dritte Kalb aus der Besamung. 479 Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 110; o. A., Mehr Rinderbesamungen. 480 Schwarz. 481 Rinderle. 482 O. A., Der richtige Bulle für Ihre Kuh. 483 Thiede, S. 29; Muenchhausen; Strothmann.

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terin und -halter das Sperma telefonisch beim zuständigen Tierarzt oder Besamungstechniker, nachdem sie eine Reihe potentieller Bullen studiert hatten. Mit null bis drei Sternchen in den Kategorien Milchmenge, Fettgehalt, Melkbarkeit, Wuchs / Fleisch und Leichtkalbigkeit markiert waren die je Besamungsstation zur Auswahl stehenden Vatertiere in landwirtschaftlichen Zeitschriften aufgelistet.484 Doch selbst wenn die Landwirte das Bullenangebot studierten, war nicht gewährleistet, dass die künstliche Besamung die gewünschte Wirkung zeigte. 1975 mehrten sich erneut jene Stimmen, die »der natürlichen Paarung höhere Fruchtbarkeitserfolge nachsagen als der künstlichen Besamung« – die verbliebene Restunsicherheit nämlich war durch »moderne Stallhaltungsformen« erneut befeuert worden.485 Funktionsvoraussetzung der künstlichen Besamung war, dass Tierhalterin oder Tierhalter den Zeitpunkt der Fruchtbarkeit des weiblichen Tieres erkannten. Das war bereits so, als die brünstigen Kühe dem leibhaftigen Gemeindebullen persönlich vorgeführt wurden. Größere Tierbestände und die sich parallel dazu laufend verkürzende Arbeitszeit im Stall erschwerten nun die Möglichkeiten, die zwischen 12 und 24 Stunden dauernde Brunst einzelner Kühe rechtzeitig für ihre Anmeldung bei Besamungstierarzt oder -techniker zu erkennen.486 Hinzukam, dass die Brunstkennzeichen der Kuh – ein verstärkter Appetit, verstärkte Bewegung und der sogenannte Duldungsreflex, dessentwegen sich die brünstige Kuh von anderen Kühen bespringen lässt und dabei still stehen bleibt – mit ihrer wachsenden Leistungsfähigkeit, auf die hin sie nun ja gezüchtet worden war, schwächer und somit schwieriger identifizierbar wurden.487 »Gerade Kühe mit hoher Leistung« schlugen der Gewinnrechnung durch »keine Brunst, zu schwache Brunst, mehrfaches Umrindern [erneute Brunst nach Besamung, V. S.] und lange Zwischenkalbezeiten« ein unbeabsichtigtes Schnippchen,488 weil all das die Milchleistungen sinken ließ.489 Die Kontrolle über die Fruchtbarkeit der Milchkuh wurde über die weiter ausgreifende veterinärmedizinische Betreuung der Tiere aufrechterhalten. Die Pille für die Kuh machte seit etwa 1970 die Runde unter Milchbauern.490 1968 wiesen »erfolgversprechende Versuche« darauf hin, dass die »Antibabypille« bald »auch für Kühe« bereitstünde, um die »beim Hochleistungstier oft problematische Brunsterkennung […] gerade bei der künstlichen Besamung«, zu erleichtern.491

484 O. A., Züchten Sie nach Maß; o. A., Was bieten unsere Besamungsbullen?. 485 Hahn, S. 16. 486 Ebd., S. 17. 487 O. A., Die Pille verhilft der Kuh zum Nachwuchs. 488 Ebd. 489 Faller, S. 1561. 490 Siehe z. B. Leserbrief o. A., Die »Pille für die Kuh«: »Man liest immer wieder von der ›Pille für die Kuh‹. Wo bekommt man sie?«. 491 Günzler, »Antibabypille« auch für Kühe, S. 30.

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Anders als bei der hormonellen Regulierung der menschlichen Fruchtbarkeit ging es im Stall um eine Steigerung der Empfängnisbereitschaft durch deren hormonelle Manipulation. Dies »kann laienhaft so verstanden werden«, erklärten Tierärzte das neue Verfahren den Bauern und Bäuerinnen, dass der durch die Pille unterdrückte Eireifungsvorgang nach Absetzen der Pille umso ausgeprägter stattfand. Den das Tier bewirtschaftenden Menschen ermöglichte diese hormonelle Steuerung überdies eine flexible zeitliche Kontrolle der Brunst.492 Die standardmäßige medizinische Reproduktionsüberwachung der Rinder verstärkte den Bedeutungsgewinn der Tiermedizin im Stall weiter.493 Weil »der erfahrene Milchviehhalter« wisse, »welche wirtschaftliche Bedeutung Fruchtbarkeit und kurze Zwischenkalbezeiten im Milchviehstall haben« und die »Problembestände« ungenügender Fruchtbarkeit »immer häufiger« wurden, boomte der Markt für die Fruchtbarkeitsmedizin der Kuh, wie zwei Werbungen der 1970er Jahre zeigen (Abb. 11 u. 12). Das Wissen über Regulierung und Beeinflussung des Fortpflanzungsgeschehens ebnete einer weiteren neuen Biotechnik, dem Embryonentransfer, den Weg, der um 1980 zur Praxisreife gebracht wurde und seither in den ersten Ställen Anwendung fand.494 Sein Versprechen war, nicht mehr nur die Erbanlagen der besten Bullen großflächiger als bei natürlicher Paarung möglich zu verbreiten, sondern ebenso diejenigen der besten Kühe. Diesen wurden dafür, nachdem sie künstlich besamt worden waren, befruchtete Eizellen entnommen, die anschließend einer »durchschnittlichen Kuh eingesetzt« wurden.495 Die Kuh, der das befruchtete Ei entnommen wurde, konnte wenige Wochen später erneut besamt werden, auch dieses befruchtete Ei wurde erneut entnommen und einer Ammenkuh, der selbst weniger erfreuliche Erbanlagen zugeschrieben wurden, eingesetzt. Zwar wurden 1985, als die Embryonentransfers erstmals gesammelt erfasst wurden, bereits 6.374 befruchtete Eizellen transferiert, in den folgenden dreißig Jahren vervierfachte sich die Zahl jedoch »nur«, weshalb diese Biotechnik nicht an die Bedeutung der wesentlich unaufwändigeren künstlichen Besamung, die bereits 1985 5.831.038 Anwendungen zählte, heranreichte.496 492 O. A., Die Pille verhilft der Kuh zum Nachwuchs. 493 Abigail Woods zeigte, wie die britische Rinderzucht zwischen 1939 und 1945 medikalisiert wurde, wie auch »formerly overlooked«, »healthy animals and those with breeding problems« in den Zuständigkeitsbereich der Veterinärmedizin wanderten, weil in Kriegszeiten Sorgen über die sinkende Produktivität wegen unzureichender Nahrungsversorgung zu einer vitalen nationalen Angelegenheit wurden. Das Produktivitätsdogma innerhalb landwirtschaftlicher Tierhaltung der Nachkriegsjahrzehnte ließ »bovine reproductive performance« als »veterinary and farming priority« auch in Friedenszeiten unangetastet fortexistieren, siehe Woods, The Farm as Clinic, S. 482. 494 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter, Rinderproduktion, S. 57. 495 Urban. 496 Im Unterschied zu dem sich zwischen 1985 und 2015 vervierfachenden Embryonentransfer lag die Zahl der künstlichen Besamungen 2015 sogar anderthalb Millionen unter derjenigen von 1985, siehe Bundesverband Rind und Schwein, S. 31.

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Abb. 11 u. 12: Frühe Werbung für die Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen mit dem Hormonpräparat Gonagestrol (links); Werbung für gleiches Präparat, sechs Jahre später (rechts).

Die künstliche Besamung war nicht nur dann störungsanfällig, wenn der die Tiere betreuende Mensch den Zeitpunkt der Paarung verpasste oder neue medizinische Verfahren notwendig wurden, um die Fruchtbarkeit der Kühe zu garantieren. Wie in der DDR konnte eine unentdeckte Krankheit eines Besamungsbullen der anfänglichen Motivation der Überwindung der Deck­seuchen nachträglich Hohn sprechen, wenn sich dieser durch seinen großräumigen Einsatz als Krankheitsverbreiter neuer Größenordnung entpuppte. Mit der Tiefgefrierung des Spermas, die die Vetomacht von Zeit und Raum weiter zusammenschrumpfen ließ, stieg dieses Risiko umso mehr an, weil damit Sperma aus Besamungsstationen importiert werden konnte, die nicht unter dem Zugriff der deutschen Behörden standen. Damit die künstliche Besamung nicht zur neuen Malaise wurde, beteiligten sich westdeutsche Agrarpolitiker an der internationalen Regulierung der künstlichen Besamung. Auch in der Bundesrepublik internationalisierte die künstliche Besamung die Rinderhaltung wesentlich, obwohl noch ein halbes Jahrhundert zuvor gerade der Reinhaltung regionaler Rassen die größte Optimierung der Körper zugeschrieben worden war. Die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen und die Europäische Gesellschaft für Tierzucht luden seit 1950 ein, um eine internationale Kon­ trolle der künstlichen Besamung zu vereinbaren. Im Frühjahr 1955 folgten drei deutsche Tierärzte und Rinderzüchter im Auftrag des Staates einer solchen Einladung ins britische Cambridge, um die »jüngsten Entwicklungen […] mit 135

der Konservierung von Samen durch die Tiefkühlmethode« zu diskutieren.497 Punkt eins waren »Prüfungen zur Sicherstellung, daß durch den Gebrauch von Samen keine Krankheiten übertragen werden«.498 Nachgewiesene verlässliche Tests derjenigen Bullen, deren Sperma importiert werden sollte, wurden vor dem Import vorgeschrieben, um die heimischen Herden nicht zu gefährden. Das waren insbesondere Tests für die verbreiteten Infektionen der Geschlechtsorgane und für die Tuberkulose, deren Reimport auf keinen Fall die kostspieligen Sanierungsbemühungen in Deutschland torpedieren sollte. Die Internationalisierung des Spermahandels war die wesentliche Triebkraft hinter veterinärmedizinischen Auflagen für Besamungsbullen.499 Anfang der 1970er Jahre belief sich der deutsche Spermaexport auf 1,3 Millionen DM und damit auf mehr als zehn Prozent des Weltumsatzes und der Zuchtviehexport insgesamt auf 75 Millionen und ein knappes Drittel des Weltumsatzes.500 Die Bundesrepublik agierte auf beiden Seiten des Spermahandels. Insgesamt übertraf der bundesdeutsche Spermaexport den -import um ein Vielfaches,501 mitunter suchten Besamungsstationen und die Spermahandelsfirmen, zu denen sie geworden waren, jedoch auch um Einfuhrausnahmen an, um an vielversprechendes Sperma zu kommen. Die schleswig-holsteinische »Gesellschaft zur Vermittlung von tiefgefrorenem Tiersperma« Nordsperm etwa beantragte 1974 in Bonn eine Ausnahmeregelung für Sperma des kanadischen Bullen »Flemingdale Perseus Mark 503 044«, von dem sie etwa 450 Portionen bestellt hatten, weil in dessen Besamungsstation in Ottawa die deutschen veterinärmedizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.502 497 BArch Koblenz, B 116/2917, Bericht über eine Tagung zu Fragen der künstlichen Besamung und einer internationalen Kontrolle derselben in Cambridge vom 22.–26. März 1955, S. 2. 498 Ebd. 499 BArch Koblenz, B 116/50287, Niederschrift über die Prüfung des Veterinärausschusses vom 20.–22.2.73 in Bonn, S. 13 f.; BArch Koblenz, B 116/50287, Ministerium des Inneren Rheinland-Pfalz an BMEL Bonn-Duisdorf, Antwort auf Verordnungsentwurf zum Schutz gegen übertragbare Geschlechtskrankheiten des Rindes vom 11.6.1974, 25.9.1974; Arbeits­ gemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e. V., Rinderproduktion in Deutschland 2016, S. 31. 500 BArch Koblenz, B 116/50288, BMEL-Information Nr. 25, Gegen Geschlechtskrankheiten des Rindes: Deckinfektionen-Verordnung erlassen, 23.6.1975, S. 6; BArch Koblenz, B 116/50287, Schreiben an alle für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden mit Hinweisen zu den halbmonatlichen Tierseuchenmeldungen an das BML, 12.12.1972; Niederschrift über die Sitzung des Unterausschusses Tierseuchenrecht am 21. und 22. Mai 1974. 501 Der Export von bundesdeutschen Rindersamen wurde seit 1971 von der Firma Spermex, die von vier großen süddeutschen Besamungsstationen und der größten norddeutschen Station in Hannover gegründet wurde und der sich die Nordsperm kurz darauf anschloss, von Neustadt an der Aisch aus koordiniert, siehe Sell, Drei Jahrzehnte Rinderbesamung, S. 250. 502 BArch Koblenz, B 116/50288, Ansuchen um Sondergenehmigung für den Import von Sperma aus Kanada, das den hiesigen Anforderungen nicht genügt: Nordsperm (Gesellschaft zur Vermittlung tiefgefrorenen Tierspermas m.b.H.) an Landwirtschaftsminister Schleswig-Holstein, 1.6.1974.

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1.3.5 Zusammenfassung: Neue Tiere für eine neue Landwirtschaft Die Geschichte der Rinderzucht in Bundesrepublik und DDR seit 1950 zeigt, wie sich tradiertes und neues Wissen in der Stallpraxis überlagerte und das dortige Verhältnis zwischen Mensch und Tier veränderte. Der Zweck hinter der genetischen Gestaltung jener Tiere, deren Existenz gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigen sollte, wurde spezifischer. 1965 wurde die Zahl der Zugkühe mit 2,8 Prozent aller Kühe zum letzten Mal in der Bundesrepublik erfasst.503 Ihr Abtreten markiert den vollständigen Übertritt der Rinder in die Konsumgesellschaft. Dieser Sphärenwechsel erinnert an die anderen landwirtschaftlichen Zugtiere, die Pferde, die mit der Motorisierung der Feldarbeit ebenfalls als Zug- und Transporttiere verschwanden. Die Pferde traten in die Sphäre des Sports und des gehobenen Freizeitvergnügens hinüber,504 während Rinder zu ausschließlichen Lebensmittellieferanten wurden. Die Ernährungswünsche der Konsumgesellschaft wurden zu den alleinigen Bestimmungsfaktoren der Rinderzucht. Sie lauteten zunächst schlicht günstige Milch, günstige Butter und günstiges Fleisch; bald wurden zusätzlich spezielle Fleischstücke bevorzugt. Die Tiere wurden diesen Wünschen umso besser gerecht, je stärker ihre Körper vorrangig auf eine Sache programmiert worden waren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Rind für seine Vielseitigkeit, für seine Milch, seine Butter, seinen Käse, sein Fleisch, seinen Talg, sein Leder, seine Arbeit und für seinen wertvollen Dünger gepriesen.505 1990 waren nicht einmal mehr Milch und Fleisch in einem Tier gleichberechtigt nebeneinander übriggeblieben. Die Rinder waren spezialisiert worden auf jenes Produkt, das sie den Menschen am rentabelsten lieferten. Um dem wachsenden Rindfleischappetit beizukommen, war um 1970 in Bundesrepublik und DDR mit der Rindermast ein neuer, eigenständiger Betriebszweig mit Tieren entstanden, deren Gene ihnen mit möglichst wenig Futter möglichst rasch möglichst viele Muskeln wachsen ließen. Alle Tiere, unabhängig von dem ihnen zugedachten Daseinszweck, standen in einem engmaschiger werdenden Netz aus Kontrolle und Überwachung. Bauern und Bäuerinnen dokumentierten Körperleistungen, überregionale landwirtschaftliche Verbände führten die Zahlen zusammen und werteten sie aus. Zahlen als Währung der Tierzucht lösten die Schönheit des Tiers und den kundigen Blick des Tierzüchters ab.506 Die Rinderhaltung vollzog den Kurswechsel der klassischen Vernaturwissenschaftlichung.507 Karin Schneider, Schichtleiterin einer LPG Tierproduktion bei Cottbus fasste 1982 zusammen, dass die genaue 503 Eckart, S. 228. 504 Dieser Prozess ist wunderbar erzählt in Raulff. 505 Schmid u. Schuemacher, S. 2. 506 Burscheit, S. 236. 507 Deborah Fitzgerald charakterisierte diesen Kurswechsel für den Ackerbau der USA in den 1920er Jahren mit den Worten: »Thus it was numbers, not narrative, that became the dominant language of agricultural knowledge«, siehe Fitzgerald, S. 35.

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Dokumentation des »Liebeslebens« und der Milchleistung einer jeden Kuh der Schlüssel zum Erfolg der »Arbeit mit und an dem Tier« sei.508 Die strategische Anpaarung der Rinder stand auf einer neuartigen bio­ ökonomischen Basis. Die Rinder in Frau Schneiders LPG hatten »EDV-gerechte Namen«. Rinderzucht war zu einem »weiten Gebiet für die angewandte Mathematik […] unter Ausnutzung der elektronischen Datenverarbeitung« geworden, bei dem »sehr viel gerechnet« werden musste, ehe die Entscheidung fiel, welche Tiere miteinander zu paaren waren, »um Nachkommen mit den gewünschten Eigenschaften zu erzielen«.509 Die künstliche Besamung beschleunigte diesen Prozess enorm. Vereinzelt getestet seit den 1940er Jahren, fand diese neue Körpertechnik bis Mitte der 1960er Jahre Eingang in beinahe jeden ost- und westdeutschen Rinderstall und führte zugleich zur verstärkten internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rinderhaltung. Sie potenzierte die Zahl der Nachkommen einzelner Bullen. Besamungsstationen für Bullenhaltung, Spermagewinnung und Spermaversand entstanden als neue Orte der Rinderhaltung. Der abnehmende Aufwand der gemeinschaftlichen Bullenhaltung im Dorf fiel als Vorteil der künstlichen Besamung hinter der neuartigen züchterischen Gestaltbarkeit, die sie eröffnete, zurück. Zunehmend kamen nur mehr Bullen als Vatertiere zum Einsatz, deren Vererbungseigenschaften zuvor an Test-Nachkommen geprobt worden waren. Die seit Mitte der 1960er Jahre bestehende Möglichkeit, das Sperma tiefgefroren aufzubewahren, hebelte herkömmliche Grenzen von Zeit und Raum aus und entfaltete eine volkswirtschaftliche Bedeutung, die dem traditionellen Sprichwort »Der Bulle ist die halbe Herde« zu neuer Gültigkeit verhalf.510 Die Tiefkühlung war die Voraussetzung für die uneingeschränkte Kommerzialisierung der Rinderreproduktion; sie eröffnete einen großräumigen, internationalen Markt für Genmaterial von für besonders wertvoll gehaltenen Tieren. Die künstliche Besamung brachte neue Akteure in den Stall, die die Befruchtung der Kuh vor Ort durchführten. Tierärzte und Tierärztinnen sowie durch einen mehrwöchigen Lehrgang qualifizierte Besamungstechniker, legten Hand an den Kühen an, um ihnen während ihrer Brunst das mitgebrachte Sperma einzuführen. In der DDR waren Besamungstechniker seit 1973 Teil aller Betriebe mit mehr als 1.200 Tieren; in der Bundesrepublik mit ihren kleineren Herdengrößen rief der Bauer oder die Bäuerin bei entdeckter Brunst telefonisch den Tierarzt und das gewünschte Sperma herbei.511 Die Lebendigkeit der Körper der Rinder führte der Durchsetzungsgeschichte der künstlichen Besamung trotz ihres großen Erfolgs beständig Risse hinzu, die 508 Schneider, S. 442; Diese Entwicklung erlaubt eine Rückbindung des Geschehens im Stall an die menschliche Gesellschaft, in der Leistung als Konzept für ihre Organisation ebenfalls eine beeindruckende Karriere seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hinlegte und Leistungsindikatoren zur Grundlage der Bewertung einzelner Menschen wurden, siehe Verheyen. 509 Mothes, Tiere am Fließband, S. 42. 510 Nieradzik, Art. Geschichte der Nutztiere; Holloway u. Morris, S. 82. 511 Peter, S. 32–34.

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stets erst wieder gekittet werden mussten, bevor der weitere Weg beschritten werden konnte. Erkrankte ein Besamungsbulle unentdeckt, potenzierte sich die Gefahr der Krankheitsverbreitung durch den großflächigen Einsatz seines Spermas. Stellte sich bei der Kuh wiederholt keine Trächtigkeit ein, weil ihre Brunstsymptome zu schwach oder mehrdeutig waren, als dass sie der Mensch im Stall identifizieren konnte, nutzte auch Sperma von sogenannten Spitzenvererbern nichts. Reproduktion und Fruchtbarkeit avancierten zum wirtschaftlichen Kern der Rinderhaltung. Sie machten die Tiermedizin zur beständigen Begleiterin im Stall, weil nur mit ihrer Hilfe den neu entstandenen körperlichen Unwägbarkeiten der Rinderhaltung beizukommen war.

1.4 Zwischenfazit: Staat, Stall, Tier und ihre bioökonomische Verquickung Die Arbeit am Tier veränderte sich seit 1950 erheblich: Planung, Steuerung und Kontrolle hielten ungekannten Einzug in jeden Rinderstall und kennzeichneten fortan das dortige Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Die Revolution im Rinder­stall ist keiner einzelnen Erfindung zuzuschreiben, sondern der geballten Anwendung von Wissen um die Kernpraktiken der Rinderhaltung Füttern, Melken und Züchten im politischen und wirtschaftlichen Möglichkeitsraum nach 1945. Bis Mitte der 1960er Jahre war eine strategische Fütterung der Tiere gemessen an ihrem optimalen Wirkungsgrad genauso auf den Weg gebracht worden wie die mechanische Unterstützung des vormals arbeitsintensiven manuellen Melkens, und eine systematische überregionale Tierzucht ebenso wie die beständige medizinische Betreuung der Tiere. Die Hintergrundfolie all dieser Prozesse waren zunächst massiver Mangel und Lebensmittelknappheit, die ohne Unterbrechung in eine von Ost- und Westdeutschland geteilte agrarpolitische Produktivitätsbejahung des Tiers mündeten, und zwar auch dort, wo die Mangelsituation die Ausgangslage nicht entscheidend geprägt hatte. Das Rind, das durch die präzisere Steuerung seiner Körpervorgänge begehrte und für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung unverzichtbare Nahrungsmittel günstiger zu liefern in der Lage war, fand uneingeschränkte politische Unterstützung über Partei- und Systemgrenzen hinweg. Das produktivere Tier versöhnte erstens gegenläufige Interessen von Produzenten und Konsumenten: Für das Jahr 1969 beispielsweise wünschte sich Ludwig Hopfner als Ministerialdirektor im Bayerischen Landwirtschaftsministerium, dass »die Erzeugerpreise für die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse den jetzigen Kostenverhältnissen angeglichen werden«, während die Landtagsabgeordnete Luise Haselmayr (SPD) erbat, dass »die Verbraucherpreise im neuen Jahr nicht höher werden als 1968«512 – womit die politische Kon512 O. A., Drei Wünsche an das Jahr 1969.

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fliktlinie zwischen Produzenten und Konsumenten auch in den späten 1960er Jahren in bemerkenswerter Kontinuität zu der Konstellation im späten Kaiserreich stand.513 Das produktivere Rind vermochte beides zugleich in Aussicht zu stellen. Zweitens waren seine Lebensmittel, Butter und Fleisch, zur Metapher des steigenden Lebensstandards schlechthin und damit auch zu Indikatoren der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz geworden. Der weiteren Erforschung seiner Körperprozesse wurde in staatlichen Forschungseinrichtungen deshalb ebenso Vorschub geleistet, wie der Verbreitung und Implementierung dieses Wissens in den Ställen. Geteilter Fortschrittsoptimismus und eine ungebrochene Wachstumsideologie landwirtschaftlicher Tierhaltung führten zur parallelen Entwicklung im Stall – das ist der Hauptbefund der empirischen Analyse der Arbeit am Tier zwischen 1950 und 1990. Dennoch gab es Unterschiede der Rinderhaltung zwischen Bundesrepublik und DDR, und zwar quantitative und qualitative. Gemessen an den Körper­ leistungen der Tiere und der menschlichen Arbeit, mit der diese erzeugt wurden, geriet die DDR in ein (bekanntes) Hintertreffen der Produktivität, wofür sich (ebenfalls bekannt) die Schwierigkeiten der Planwirtschaft einerseits und die sozialistische Arbeitsorganisation andererseits verantwortlich zeichneten. Tiere als Lebewesen mit variierenden Bedürfnissen erschwerten die Einpassung in planwirtschaftliche Arbeitsabläufe. Dienst jenseits der Vorschrift, wie jener der Kälberpflegerin Hildegard Fuhrmann der LPG Typ III in Seerhausen, die »ganz gleich ob es 21 oder 24 Uhr war« den Bedürfnissen der Tiere im Stall nachging und die, wenn sie verhindert war, ihre Mutter damit beauftragte, fand besondere Erwähnung, weil derartigem Verhalten in einem System, in dem das eigene Auskommen nicht unmittelbar mit dem Zustand der Tiere im Stall korrelierte, üblicherweise der finanzielle Anreiz fehlte.514 Das Argument der unproduktiven sozialistischen Tierhaltung ist jedoch nicht allzu absolut zu bemühen, weil die Kosten der Subventionen in der Produktivitätsbilanz der westdeutschen Tiere bisher nicht gesondert ausgewiesen worden sind.515 Für den Wandel der Arbeit am Tier und dessen Unterschiede zwischen Bundesrepublik und DDR wichtiger sind zwei mit dem Regimecharakter zusammenhängende qualitative Beobachtungen: Weder innerhalb noch außerhalb der Branche war in der DDR Gegenwind und Widerstand gegenüber der politisch verordneten Tierhaltung möglich. Im Unterschied zur Bundesrepublik waren Tierärzte, die Skrupel hatten, sich in den Dienst der neuen Großbetriebe zu stellen, Repressionen ausgesetzt,516 und Bedenken einzelner LPG-Bauern gegenüber neuen Haltungsmethoden517 fanden kein Gehör. Auch konnte sich 513 Nonn, Fleischvermarktung; ders., Fleischteuerungsprotest. 514 Fuhrmann, S. 247. 515 Siehe für eine volkswirtschaftliche Kritik der westdeutschen und europäischen Agrarpolitik, weil sie das Effizienzziel vernachlässigte, Streb, S. 372. 516 Azar u. Prange. 517 Kranz, S. 465.

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im Unterschied zur Bundesrepublik keine kritische Öffentlichkeit in der Frage des unbeschränkten Medikamenteneinsatzes in der Rinderhaltung entwickeln. Stärker als die Unterschiede prägte der Körper des Tiers als geteiltes Zen­trum der Wertschöpfung landwirtschaftlicher Tierhaltung die Entwicklung im Stall. Ziele, Probleme und Herausforderungen glichen sich, weil es Tiere waren, die produziert werden sollten. Ihre physiologischen und psychologischen Eigenschaften diktierten dem Produktionsprozess gewisse Spielregeln. In beiden Staaten wurde seit 1950 mit neuer Geschwindigkeit an den bekannten Stellschrauben der Tierkörper gedreht: neue Futtermittel, Melkmaschine und Medizin verbesserten die Wertschöpfung und die durch die künstliche Besamung beschleunigte Rinderzucht arbeitete an der Optimierung des genetischen Innenlebens der Tiere. Zwischen 1950 und 1990 prägte sich systemübergreifend ein neues bio­ ökonomisches Regime in der Rinderhaltung aus. In drei Thesen lässt sich das abschließend zusammenfassen. Erstens: Die Lebendigkeit des Rindes war zunehmend weniger ein Wert an sich. Ausschlaggebend für die Wertbestimmung des Tiers wurde seine in Zahlen gemessene Körperleistung in einem bestimmten Zeitraum. Zweitens: Durch die Erfassung der körperlichen Leistung der einzelnen Tiere und die Rückkopplung der Einzeldaten an den Herdendurchschnitt veränderte sich die Position des Einzeltiers in der Stallgemeinschaft. Die Herde rückte ins Zentrum der Produktivitätssteigerung. Drittens: Eine neuartige Medikalisierung der Tiere ermöglichte ihre Produktivitätssteigerung und wurde zum konstitutiven Faktor im Stall. Die Funktionsfähigkeit der Körper der Tiere blieb die conditio sine qua non landwirtschaftlicher Tierhaltung und somit zugleich ihr größter Fallstrick. Intendierte höhere Leistungsfähigkeit zog unintendierte neue Schwächen nach sich, die eine medizinische Einhegung verlangten, um die Produktivität zu erhalten. »Berufskrankheiten« der Tiere, denen medizinisch so beigekommen werden konnte, dass sie die Produktivität der Bewirtschaftung nicht gefährdeten, wurden akzeptiert.518 Das beste Tier war nicht länger das gesunde, robuste und langlebige, sondern jenes mit der gewinnträchtigsten Körperleistung. Doch die bioökonomische Neuausrichtung des Rindes blieb moralisch ambivalent. Parallel zu allem Zahlenmessen und Körperwerten existierte die Vorstellung des Rindes als achtenswertes Mitgeschöpf fort. Ein Punkt blieb bestehen, an dem die Nutzung des Rinds in Konflikt mit der Verantwortung des Menschen geriet, wie das Beispiel der Färsenvornutzung mit Schlachtung der trächtigen Färse zur Rindfleischgewinnung ohne Milchproduktion zeigte. Der Ort, wo Wirtschaft und Moral in Konflikt gerieten, verweist auf die Kontingenz der Geschichte. Ethische Überlegungen geboten – punktuell! – der immer feiner justierbaren Unterwerfung des Tierkörpers unter menschliche Nutzungsinteressen Einhalt. Die der landwirtschaftlichen Tierhaltung inhärente moralische Spannung des beständig zwischen Ware und Produzent einerseits und zwischen 518 Plank.

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Lebewesen und Geschöpf andererseits changierenden Tiers blieb während der bioökonomischen Neuausrichtung der Arbeit im Stall erhalten. Die moralische Implikation der Gleichzeitigkeit von Lebewesen und Produkt im Körper des Tieres unterschieden sich je nach dem Wert des Tiers, sowohl seinem ökonomischen als auch seinem kulturellen Wert. In beiderlei Hinsicht war das Rind anders eingruppiert als das Huhn, dessen Industrialisierung in den 1960er Jahren weit revolutionärer ablief als die beschriebene Entwicklung der Rinderhaltung. In nur einem guten Jahrzehnt wurde aus dem ökonomisch nicht ernstgenommenen Zubrot der Bauersfrau jene Sparte landwirtschaftlicher Tierhaltung, deren wirtschaftliche Funktionsprinzipien Vorbildcharakter für landwirtschaftliche Tierhaltung an sich entfalteten. Der nun folgende zweite Teil der Studie widmet sich deshalb den wirtschaftlichen Praktiken der Hühnerhaltung.

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2. Hühner: Rentabilisierung des Wirtschaftens Fröhlich gackernd spazierten die Hühner über den Hof, pickten hier und pickten dort, bevor sie sich abends in ihrem gemütlichen Stall mit Strohnestern und hölzernen Stangen einfanden. So beginnt die herkömmliche Geschichte der Veränderung der Geflügelhaltung und so beschreibt Superhenne Hanna in Felix Mitterers 1977 erschienenem gleichnamigen Kinderbuch das Leben mit ihren »Schwestern« auf einem Bergbauernhof, bevor sie eines Tages eine »furchtbare Entdeckung« macht:1 Auf einem Ausflug sah sie eine lange Betonhalle ohne Fenster. Ihr Freund, der Fuchs Bartholomäus, verrät Hanna, was sich in der Halle befindet: »Hühner sind da drin! Tausende von Hühnern! Tausende!«2 Beim Abendessen zuhause erklärt Hannas Bauer, dass der Bauunternehmer Klotzinger, der mit allem handelt »was Geld einbringt«, diese »Legehennenfabrik« gebaut habe.3 Klotzinger ist ein großer, dicker Mann, der gerne neben seinem Mercedes steht. Die sprechende Superhenne ist derart erschüttert, dass Klotzingers Hühner nie an die Sonne dürfen, dass sie beschließt loszuziehen, um sie zu retten.4 Dies gelingt mit abenteuerlichen Hürden und sie bringt Klotzinger seine Hühner erst zurück, als er eingewilligt hat, einen neuen Stall mit Auslauf zu bauen. Den Fabrikhühnern erklärt sie derweil die Funktionsweise ihrer Haltung: »Euer Besitzer heißt Klotzinger. Und er verkauft die Eier an die Menschen. […] Wenn man euch Hühner auf engem Raum in Massen hält, dann kostet eure Haltung und Betreuung den Klotzinger weniger. Und zwar deshalb, weil er weniger Personal braucht. Und das wieder führt dazu, daß eure Eier erstens ziemlich billig verkauft werden können, und zweitens, daß der Klotzinger mehr an euch verdient.«5

Die Geschichte suggeriert, in erstaunlicher Parallelität mit Friedrich Engels’ Lage der arbeitenden Klasse vor der »Einführung der Maschinen« in England:6 Die Welt war heil, bevor eine von der Geldgier Einzelner getriebene Vermassung der Hühnerhaltung einsetzte, bevor die »natural world« zu einer »profit-making machine« wurde.7 Mitterers Beschreibung der wirtschaftlichen Überlegungen 1 Mitterer, S. 9. 2 Ebd., S. 18. 3 Ebd., S. 22. 4 Ebd., S. 28. 5 Ebd., S. 44 f. 6 Auch Engels nutzte die vorindustrielle Situation der späteren Industriearbeiterinnen und -arbeiter auf dem Land, um die Härte und Unmenschlichkeit der Industriearbeit stärker herauszustreichen, siehe Engels, S. 237–239. 7 Patel u. Moore, How the Chicken Nugget.

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Klotzingers mag zutreffend sein, doch so schwarz-weiß wie Mitterers Gegenüberstellung von Hannas Haltung mit derjenigen der Massenhühner es nahelegt, verlief die Geschichte der Geflügelhaltung nicht. Das Narrativ Idylle-Horror funktioniert nur, wenn man den wirtschaftlichen Charakter früherer Tierhaltung ausblendet. Die Haltung von auf dem Hof frei umherspazierenden Hühnern für deren Eier oder ihr Fleisch in der Sonntagssuppe unterschied sich in ihrem innersten Funktionsprinzip nicht von der großmaßstäblichen Massenhaltung, die sich seit den 1960er Jahren in Deutschland durchsetzte. Kosten-Nutzen-Kalkulationen lagen beiden Arten der Hühnerhaltung zugrunde. Dennoch verschoben sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die ökonomischen Parameter im Hühnerstall massiv. Mit dem Blick auf solche Verschiebungen möchte dieser Teil der Arbeit den Wandel jener Sparte landwirtschaftlicher Tierhaltung erklären, die sich in der kürzesten Zeit am stärksten veränderte und dabei über die schablonenhafte Dichotomie von vormoderner Agrarromantik und postmoderner Kulturkritik hinausgehen. Der Teil gliedert sich in vier Kapitel, die von der Vorgeschichte der Industrialisierung, der Bedeutung internationalen Handels, von betriebswirtschaftlicher Effizienzsteigerung und von der moralischen Neuaushandlung der Geflügelhaltung berichten. Anders als im ersten Teil der Arbeit werden die ost- und westdeutschen Geflügelgeschichten in einem kontinuierlichen Wechselspiel analysiert. Im zweiten und vierten Kapitel hat die DDR allerdings das Nach­sehen, weil weder der internationale Handel noch eine kritische öffentliche Diskussion maßgebliche Faktoren für den Verlauf der dortigen Industrialisierung der Geflügelhaltung waren. Das erste Kapitel nimmt das vorindustrielle Wirtschaften mit Geflügel bis etwa 1960 in den Blick, als Hühnerhaltung vorwiegend Frauensache war und weit weniger Interesse von Tiermedizin und Agrarwissenschaft auf sich zog als die Haltung von Rindern oder Schweinen, aber eben doch bereits eine Wirtschaftsangelegenheit darstellte. Das zweite Kapitel wechselt die Perspektive, verlässt den Stall und begibt sich auf die Ebene internationaler Politik. Dort, in der Auseinandersetzung um Handelsliberalisierung, Einfuhrbeschränkungen und Wettbewerbsfähigkeit auf einem zunehmend globalen Markt für Eier und Geflügelfleisch wurden um 1960 die Weichen für das Geschehen im Stall gestellt. Das dritte Kapitel führt zurück in den Stall und beschreibt, wie das Primat der Kostenrechnung Einzug hielt und die Geflügelhaltung zu einem Geschäft mit Zahlen machte. Eine im Stall bisher ungekannte Verwirklichung ökonomischer Nutzenmaximierung veränderte das Wirtschaften mit Hühnern in den 1960er und 1970er Jahren in beiden deutschen Staaten derart grundlegend und rasant, dass die Verfahren des vormaligen Stiefkinds landwirtschaftlicher Tierhaltung seit Ende der 1960er Jahre aufgrund ihrer neuartigen Wirtschaftlichkeit wegweisend für andere Tierhaltungszweige geworden waren. Wegen ihrer zeitlich verdichteten Transformation waren es die neuen Methoden der Geflügelhaltung, die um 1970 verstärkt in das Interesse der nicht-landwirtschaftlichen Öffentlichkeit rückten. Das abschließende vierte Kapitel nimmt deshalb Aufkommen 144

und Verlauf der uns heute so vertrauten Diskussion um die ethische Bewertung wirtschaftlicher Praktiken im Stall in den Blick. Die bisherige Verschränkung von Moral und Ökonomie verlangte, ausgelöst durch die Geflügelkäfighaltung, in der zunehmend gesättigten Wohlstandsgesellschaft, vor dem Hintergrund aufziehenden Ökologiebewusstseins und angeheizt von den Massenmedien nach einer neuen Aushandlung. Geflügelhaltung, so argumentiert die Arbeit bis dorthin, war bereits davor eine Wirtschaftspraktik und auch ein moralisches Geschäft.8 Nun aber war das ökonomische Handeln am und mit dem Tier nicht länger allein durch die Erzeugung von Nahrungsmitteln legitimiert. Die landwirtschaftliche Tierhaltung begründende Moral begann einen Formwandel zu durchlaufen, der bis heute anhält. Im breiten gesellschaftlichen Konflikt um die Käfighaltung wird deutlich, dass landwirtschaftliche Tierhaltung keine autonome ökonomische Sphäre war.9 Das Ringen um wirtschaftsethische Normen und die Maßnahmen ihrer praktischen Umsetzung legen ein Zusammenspiel von ökonomischen, politischen, wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren offen und lassen landwirtschaftliche Tierhaltung zu einem sozialen Phänomen werden, das die Gesellschaft über die Ställe hinaus kennzeichnet.

2.1 Früher war auch keine Idylle: Vorindustrielles Wirtschaften in den 1950er Jahren 2.1.1 Hühnerhaltung in weiblicher Tradition »[D]auernd beobachtet [die] sorgsame Bäuerin ihre Hühnerschar«:10 Wer bleibt morgens, wenn das Schlupfloch aufgeht, träge auf den Stangen sitzen? Welche Farbe haben Beine und Schnäbel – satt gelb oder eher weißlich? Wie steht der Kamm, wie hängt der Bauch? Der Grund dafür war nicht, dass unter den deutschen Bäuerinnen der 1950er Jahre Tierbeobachtung als Hobby verbreitet ge­

8 Der hier verwendete Moralbegriff ist nicht-normativ, weshalb er sich als analytische Kategorie eignet. Mit dem Begriff »Moral« ist ein kontextabhängiges Arrangement normativer Ordnungen gemeint, die das ökonomische Handlungsfeld strukturieren. Sie sind veränderbar und werden unter Beteiligung sozialer Gruppen, institutioneller Akteure und Individuen in einem permanenten Aushandlungsprozess formiert, vgl. Möckel; Granovetter; Beckert, The Great Transformation; Dejung, Einbettung. 9 Ökonomisches Handeln wird in diesem Verständnis zu im Kern sozialem Handeln, siehe Rehbinder; Falk u. Szech; Fehr u. Gächter; Zak. Konflikte innerhalb moralischer Ordnungen stellen eine Verdichtung des Diskurses dar und lassen das Wechselspiel von Ökonomie und Moral besonders deutlich sichtbar werden, vgl. für das spannungsreiche Verhältnis von Ökonomie und Ökologie Berghoff u. Rome. 10 Macht, Die Auslese am Hühnerhof.

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wesen wäre, sondern dass sie mit den Hühnern ihr Eiergeld, oftmals ihr einziges eigenes Einkommen, verdienten.11 Im Gegensatz zur Rinder- und Schweinehaltung war die Hühnerhaltung, bevor sie eine eigenständige Unternehmung war, im bäuerlichen Leben dem Bereich der Frau zugeordnet. Die Bauersfrau verrichtete die täglichen Arbeiten im Hühnerstall und organisierte die Haltung insgesamt. Weil die Kosten für Futter und die Unterbringung häufig weder ausgewiesen noch in Korrelation zu den Eiereinnahmen gesetzt wurden, konnten sich die Pfennige pro verkauftem Ei summieren. Diese Einnahmen flossen meist nicht der Haushaltsökonomie zu, sondern verblieben, als eine Art »Taschengeld«, bei den Frauen. Die körperlichen Anzeichen der Tiere sollten verraten, wieviel bei der einzelnen Henne noch zu holen war. Im traditionellen Hühnerstall ohne sogenannte Fallnester, die die dort zum Legen eingetretene Henne festhielten bis man sie wieder frei ließ, blieb im Dunkeln, welches Huhn wie viele Eier gelegt hat.12 Sie legten mal in dieses, mal in jenes Nest und huschten nach der Eiablage weiter. Die Tierbeobachtung schuf, gemeinsam mit »einfachen Aufschreibungen« des gesamten monatlichen Eieranfalls, die ins Verhältnis zu der Anzahl der Hennen gesetzt wurden, Abhilfe.13 Erreichte die Eierzahl die Hälfte der guten Monate, hatten also einige Hennen aufgehört regelmäßig zu legen, schritt die Hühnerhalterin zur Tat und begann mit dem sogenannten Durchfangen. Dafür war ihre Beobachtungsgabe notwendig. Sie fing Tier für Tier und prüfte: Wie ist es um die Vitalität bestellt? Entspricht die Körperform einer guten Legerin oder ist die Brust schmal und das Hinterteil »spitzig«?14 Sind Körner vom Abend im Kropf verblieben oder ist er leer und das Huhn stürzt sich mit gutem Appetit auf das Morgenfutter?15 Der Leiter der Lehr- und Versuchsanstalt für Kleintierzucht in Kitzingen im bayerischen Unterfranken, Landwirtschaftsdirektor Christof Macht, verbreitete derartige Hinweise die gesamten 1950er Jahre hindurch im Bayerischen landwirtschaftlichen Wochenblatt, um mehr Bäuerinnen von der seiner Ansicht nach unterschätzten Bedeutung der Auslese für die Wirtschaftlichkeit der Hühnerhaltung zu überzeugen.16 Die Hennen, »die schon frühzeitig mit dem Legen aufgehört haben und nur den anderen fleißigen Legerinnen den Verdienst wegfressen«, waren zu identifizieren und zu entfernen, damit sich die Hühnerhaltung besser lohne, so das Credo der Geflügelexperten.17

11 Müller, Rentabilitätsfragen, insb. Einleitung. 12 Geflügelhaltung fand bis Ende der 1950er Jahre in Deutschland vorwiegend in Kleinst- und Kleinbetrieben und nachgeordnet in mittelbäuerlichen Betrieben von 5–20 ha Nutzfläche statt, weshalb in ihrem Ausbau eine Überlebenschance gerade für die kleinen Betriebe gesehen wurde, siehe Torow, S. 58; Koch, Wie kommen wir jetzt weiter?, S. 1. 13 Macht, Die Auslese im Hühnerstall. 14 Macht, Merkmale guter Leistungshühner. 15 Hoy u. a., S. 165. 16 Macht, Die Auslese am Hühnerhof, S. 1225.; ders., Die Auslese im Hühnerstall. 17 Ebd., S. 1257.

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Die Tipps zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit einer Legehenne in der SBZ und späteren DDR glichen zu dieser Zeit denjenigen im Westen. Der ostdeutsche Geflügelexperte Fritz Juhre riet in Band  9 der Schriftenreihe »Der freie Bauer«, die nach der Bodenreform und vor der Kollektivierung praktische Tipps für »Bauern und Siedler« zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit anbot, »insbesondere den Kopf der Hennen zu prüfen, weil er ein »untrügliches Barometer für die Gesundheit, Lebenskraft und Leistungsfähigkeit der Hühner ist«.18 »Fleißige«, »gute Legerinnen« besitzen einen leuchtend roten Kamm, wohingegen »schlechte Leghühner« einen nur blassroten Kamm und »an Schnabel, Augen­ringen, Läufen und After eine starke Gelbfärbung« zeigten.19 Weil sich Eier aufgrund regelmäßiger Kundennachfrage und ihrer im Vergleich zu Fleisch längeren Haltbarkeit zuverlässiger verkaufen ließen als Geflügelfleisch, war die Sorge, doch ein noch legendes Huhn zu erwischen, größer als die Bereitschaft zum konsequenten »Ausmerzen« – ungeachtet der brachialen Konnotation speziell dieses Wortes.20 Als »dringend notwendig« erachtete es 1951 beispielsweise Robert Gleichauf von der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle, »alle Individuen erbarmungslos auszumerzen, die nicht auf voller Leistungshöhe stehen«.21 Aus dem Wirtschaftlichkeits-Vorbild USA wurde Anfang der 1950er Jahre berichtet, dass die dortige hohe Produktivität der Eiererzeugung daher rühre, dass »rücksichtslos Versagerhennen ausgemerzt werden«.22 Eier waren in den 1950er Jahren durchweg Mangelware.23 Im geteilten Berlin der noch offenen Sektorengrenzen in den 1950er Jahren gehörten Eier zu den Schiebergütern auf dem Westberliner Schwarzmarkt. »Wo bleiben die Eier?«, »Eier im Kalten Krieg« oder »80 Eier verschoben« titelte die Ostberliner Presse im Sommer 1953; die letzte Überschrift begleitete ein Ganzkörperfoto der unglücklich dreinblickenden Frau Schmidt aus der Rigaer Straße, samt ihren von der Volkspolizei geleerten Taschen, in denen sie die Eier transportiert hatte.24 Bis zum Mauerbau blieb das Ei eine Berliner Schieberware, die die Eierlücke der

18 Juhre, S. 70. 19 Ebd. 20 »Ausmerzen« war die, häufig flankiert von ebenfalls aus dem NS-Vernichtungszusammenhang bekannten Formulierungen, übliche Bezeichnung zur Beschreibung der Optimierung von Geflügelzucht und -haltung durch die Entfernung einzelner Tiere in den 1950er Jahren. 21 Gleichauf, Ist das Inzucht-Hybridhuhn; außerdem Walter, Hühnerhof. 22 Alberti u. a., S. 14. 23 BArch Berlin, DK 1/3908, Geflügelhaltung 1951–59, Maßnahmenplan für die Entwicklung der Geflügelhaltung und -mast zur Erreichung der auf dem V. Parteitag der SED vorgeschlagenen Ziele bis zum Jahre 1965; Woinoff, S. 35. 24 O. A., Wo bleiben die Eier?; o. A., Eier im Kalten Krieg; o. A., Schlamperei beim Eierverkauf; o. A., 80 Eier verschoben.

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DDR verstärkte, aber mindestens ebenso stark von der DDR-Presse als Begründung für den Eiermangel genutzt wurde.25 Um den erfolgreichen Verkauf von ausgemusterten Legehennen auf dem Markt zu fördern und so sowohl müde gewordene Legerinnen noch etwas einbringen zu lassen als auch die Produktivität der verbleibenden Hennen zu verbessern, investierte der westdeutsche Landwirtschaftliche Auswertungs- und Informationsdienst (AID) 1951 in die Produktion seines ersten Films überhaupt. Der elf Minuten lange Film »Wir schlachten ein Huhn«, tourte wie die anderen AID-Filme in VW-Bussen über Land und wurde in westdeutschen Dorfgaststätten vorgeführt.26 Der Film begleitet eine junge Frau, Liesl, die zunächst alles falsch machte. Sie schlug einem vollgefressenen Huhn ruppig mit der Axt den Kopf ab, sodass ein unschön ausgefranster Hals zurückblieb. Anschließend wartete sie mit dem Rupfen der Federn solange, bis das Huhn ausgekühlt war, wodurch blutige Wunden entstanden. Ihre auf diese Art geschlachteten Hühner verkauften sich auf dem Markt nicht und ließen Liesl mit hängenden Schultern und den unverkauften Tieren im Korb wieder nach Hause trotten. Marktfertige Hühner hingegen, »die auch die Liesl bestimmt nicht wieder nach Hause tragen« müsse, wie der Sprecher des Films seine Zuschauer wissen ließ, sind sofort und schnell gerupft worden und am besten fix und fertig für den Kochtopf der Hausfrau der Stadt«.27 Im Laufe der 1950er Jahre nahm der wirtschaftliche Diskurs über den Hühnerstall an Schärfe zu. Zu viele, 1956 auf ein Zehntel des gesamten Hühnerbestandes geschätzten, Hühner »verdienen ihr Futter nicht«, so das Lamento der Agrarexperten,28 doch wenig schien sich daran auf den Bauernhöfen zu ändern. Das westdeutsche Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ging deshalb, in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Wirtschaftsgeflügelzüchter, im selben Jahr in die Offensive und bildete sogenannte Hennensortierer aus, die anschließend in der gesamten Bundesrepublik zum Einsatz kamen. Ihre Aufgabe war, »diejenigen Tiere auszumerzen, die ihr eigenes Kostgeld nicht verdienen«.29 Weil »das Erkennen nichtlegender Hühner dem Laien Schwierigkeiten bereitet«, würden sich die Unkosten des Hennensortierers, der 1958 zwischen fünf und sieben Pfennigen pro Tier verlangte, schnell lohnen.30 25 O. A., Wo bleiben die Eier?; o. A., Gefängnis für Schieber; o. A., Schieber zertrampelte 150 Eier; Gote; o. A., 29.000 Eier sollten verschoben werden. 26 BArch Filmarchiv, K 334383-1, Sig. 30634, Fritz Heydenreich, Land- und Hauswirtschaftlicher Auswertungs- und Informationsdienst, 1951. 27 Die möglichst schmerzfreie Tötung des Geflügels, die anders als die Schlachtung von Rindern und Schweinen Anfang der 1950er Jahre von noch keinem eigens dafür ausgebildeten Personal erfolgte, war wiederholter Gegenstand der landwirtschaftlichen Presse. Siehe z. B. Nestmann. 28 Walter, Hühnerhof; lt. Allgemeiner Viehzählung am »3. bzw. 2. Dezember« gab es 1956 53.867.500 Hühner im Bundesgebiet, siehe Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, 1957, S. 165. 29 O. A., Fünf Millionen Hühner verdienen ihr Futter nicht. 30 Walter, Regelmäßiges Sortieren.

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Mindestens drei- bis viermal im Jahr sollte sortiert werden, um »jede unnötige Futtervergeudung zu vermeiden«.31 Diejenigen Hühner zu schlachten, die wenige oder keine Eier mehr legten, war nicht die einzige Strategie zur Rentabilitätsverbesserung. Ähnlich der Kuh, die die Milch nicht »hergab«, wenn ihr die Hände des Melkers zu kalt waren,32 konnte auch das Verhalten des Huhns den Sinn des gesamten Unterfangens untergraben – und das galt es zu unterbinden. »Meine Hennen legen sehr gut, fressen aber die gelegten Eier auf. Was ist da zu machen?« So oder ähnlich schrieben Frauen zwischen 1952 und 1958 an das Bayerische Landwirtschaftliche Wo­ chenblatt.33 Kalkmangel dürfte das Problem sein, weshalb die Eier »schwachschalig« und leicht zu zerbrechen seien, war meist die Antwort. Das Eierfressen dürfte »von selbst« wieder aufhören, wenn die Futterration durch die Gabe von zwei bis drei Prozent kohlensauren Futterkalk oder zerkleinerten Eierschalen angepasst würde. Allein als eierlegende Maschine, deren Funktionstüchtigkeit sichergestellt war, wenn man ihre Bedienungsanleitung beachte, wurde das Huhn in den 1950er Jahren jedoch noch nicht imaginiert. Den technischen Hinweisen des Kalkmangels war hinzugefügt: Einzelnen Tieren sei »die Unart« nicht mehr abzugewöhnen, weswegen diese »Eierfresser« herauszufinden und zu schlachten seien.34 Die »richtige« Fütterung zu finden, war ein Dauerthema und trieb die Bäuerinnen nicht nur um, wenn die Hühner ihre Eier auffraßen.35 Der Auslauf war dabei von besonderer Bedeutung. Vitamine und Spurenelemente holten sich die Hühner dabei selbst, indem sie »Unkrautsamen, Würmer und sonstige Kleintiere«36 aus dem Boden pickten und verspeisten.37 Der Auslauf war die entscheidende Größe herkömmlicher Geflügelhaltung. »[D]ie Menge dieses absoluten Hühnerfutters hat […] den Umfang der Hühnerhaltung auf dem Bauernhofe zu bestimmen«, wurde zukünftigen Hühnerhalterinnen während ihres Aufenthaltes in der Landwirtschaftsschule mit auf den Weg gegeben.38 Je größer der verfügbare Auslauf sei, »desto einträglicher ist […] die Hühnerhaltung«, weil er umso »mehr kostenloses Freifutter […] bietet«.39 Diese Rechnung, wonach der Auslauf die Hühnerhaltung rentabel machte, verkehrte sich bald darauf in ihr Gegenteil, als gerade die Abschaffung des Auslaufs zur Stellschraube der Rentabilitätsverbesserung erhoben wurde.40

31 Ebd. 32 O. A., »Stammt ihre Milch von glücklichen Kühen?. 33 R. G. 34 G. R. 35 O. A., Haltung und Fütterung der Maikücken; Haneberg. 36 Wagner u. Wittgen, S. 210. 37 Macht, Der Kückenauslauf. 38 Wagner u. Wittgen, S. 210. 39 Römer, Nutzbringende Geflügelwirtschaft, S. 101. 40 Brüggemann, Viehhaltung, S. 40.

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Aber auch die Auslauf-Rechnung war schon eine Rechnung. Geflügelhaltung war bereits in den 1950er Jahren, als sie in kleinem Maßstab betrieben wurde und 99 Prozent der Betriebe weniger als fünfzig Hühner hielten, eine wirtschaftliche Angelegenheit.41 Die Betreuungsintensität der Tiere beim Füttern, Trog säubern und Eier sammeln war hoch, doch die Zuwendung an Zeit und Geld war nicht bedingungslos. Blieb die erwartete Gegenleistung des Tiers aus, erlosch sein Lebensrecht. Ihre natürliche Lebenserwartung erreichten die wenigsten Tiere, da sie als Schlachttier nur dann etwas einbrachten, wenn ihr Körper noch nicht am Ende seiner Kräfte angelangt war und die Legeleistung einer Henne bereits in ihrem zweiten Jahr, spätestens jedoch in ihrem dritten, nachließ. »[K]eine Mühe an minderwertige Tiere« zu »verschwenden« war das Motto auch vorindustriellen Wirtschaftens im Hühnerstall.42 Die 1950er Jahre waren ein ambivalentes Jahrzehnt. Sie fügten sich nahtlos in die längere Geschichte häuslicher Geflügelhaltung ein, in der Nützlichkeitsüberlegungen in keinem Widerspruch zu »freundschaftlichen« Gefühlen gegenüber dem Tier standen, die im täglichen Kontakt mit einer überschaubaren Anzahl an Hühnern gediehen,43 und sie waren zugleich das Scharnier zu einer neuen wirtschaftlichen Konzeption der Hühnerhaltung, die in Expertenkreisen schon aufgezogen war und im folgenden Jahrzehnt in beiden deutschen Staaten realisiert wurde. 2.1.2 Internationale Inspiration: Deutsche Hühnerexperten in den USA Andernorts mussten in den 1950er Jahren kaum mehr Hühnerhalterinnen überzeugt werden, ihre »unnützen Fresser auszumerzen«, und das blieb in Deutschland nicht unbemerkt. Der Blick in die schon bekannten europäischen Vorreiter landwirtschaftlicher Tierhaltung, Dänemark und die Niederlande, vor allem aber in die USA, war verantwortlich dafür, dass sich das Wirtschaften mit Hühnern immer stärker am industriellen Ideal orientierte. Die dortige, seit den späten 1920er Jahren großmaßstäblich gewordene Haltung von Geflügel, die sich so viel besser zu rechnen schien,44 beeindruckte mit ihrer Einträglichkeit und schürte zugleich die Angst, vom Ausland überflügelt zu werden. Westdeutsche Wissenschaftler und gleichermaßen Landmädchen reisten in den 1950er Jahren

41 Ebd., die Zahl galt für das Jahr 1953. 42 Hoelscher, Hühner ermöglichen bessere Wirtschaftsgrundlage. 43 Hierzu vor allem: Zelinger, S. 35 f., S. 60 u. S. 65 f. 44 Neben neuen Verarbeitungsmethoden, Verbesserungen des Transportwesens und der geringeren Traditionsgebundenheit US-amerikanischer Landwirtschaften wurde der große Binnenmarkt der USA als Hauptmerkmal der dortigen produktiveren Agrarstruktur identifiziert, weil so »jedes Gebiet seine eigenen Vorteile aufs beste ausnutzen kann«. Siehe Bun­ desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, S. 364 f.

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mit staatlicher Förderung in die USA und verbreiteten nach ihrer Rückkehr, was sie in den dortigen Hühnerställen gesehen hatten.45 Zahlen beeindruckten die Reisenden auf dem Papier und vor Ort im Stall. Die US-Hühner legten 1950 mehr Eier als die deutschen Hennen, nämlich 168, während die westdeutschen Legehennen auf 120 und die ostdeutschen auf 95 Eier pro Jahr im statistischen Durchschnitt kamen.46 Das lag vor allem daran, dass die US-amerikanischen Legehennen jünger waren und unmittelbar nach Ablauf ihrer produktivsten Legephase geschlachtet wurden.47 Aus welchem Lebensabschnitt die produktivste Legephase der Tiere bestand war ausgemacht worden durch Experimente mit Einzelställen ohne Auslauf. Auf dem Wettlegehof der Universität Stores in Connecticut etwa wurden 1950 52 Miniaturställe mit einzelnen Hennen belegt, wie der für die westdeutsche Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht reisende Robert Gleichauf dokumentierte, um lückenlos zu festzuhalten, wie viele Eier die darin jeweils isoliert gehaltenen Hennen legten.48 Helmtrude Kellerer, eine junge Frau aus Bayern, nahm im Sommer 1955 am internationalen Landjugendaustauschprogramm teil und besuchte in fünf Monaten sieben Farmen in den US-Bundesstaaten Wisconsin und North Carolina.49 Ihre letzte Station in North Carolina beeindruckte sie besonders, weil die dortige Bäuerin, Mrs. Pritchett, 2.000 Hühner hielt, und so über weit mehr Einkommen verfügte als das übliche Eiergeld der deutschen Bauersfrau.50 Doch nicht nur der größere Maßstab erschien den Reisenden berichtenswert, sondern die gesamten Prozesse der US-Geflügelwirtschaft. Als globaler Vorreiter industrieller Tierhaltung weckte sie neben zeitgenössischem bald auch historiografisches Interesse, sodass sie heute als am besten erforschter Bereich landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert gelten kann51 und »chickenize« gar zum Synonym für eine spezialisierte und konzentrierte Produktionsweise wurde.52 Im Zentrum des Interesses der europäischen Geflügelexperten auf ihrer »Studienreise nach USA« 1951 stand, wie die Biologie der Tiere und die Struktur der Landwirtschaft in einen industriellen Produktionsprozess eingepasst worden waren oder, wie 45 Robert Gleichauf von der Celler Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht und einer der sechs Berichterstatter der Reise wies im folgenden Jahr auf die »zahlreichen Vorträge« hin, die er bei »den verschiedensten Landesverbänden und Vereinen für Geflügelzucht« unmittelbar seit seiner Rückkehr aus den USA im September 1951 gehalten hat. Siehe Gleich­ auf, Das Zuchtwesen, S. 101. 46 Alberti u. a., S. 5; Grüne Berichte bis 1970, danach Agrarberichte des BML; Zahlen auch hier: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Landwirtschaft verstehen, S. 9. 47 Alberti u. a., S. 5. 48 Gleichauf, Das Zuchtwesen, S. 114. 49 Kellerer. 50 Ebd. 51 Rude; Squier; Striffler; Boyd; ders. u. Watts; Johnson; Horowitz, Making the Chicken; für die Bundesrepublik siehe Wittmann. 52 Silbergeld.

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William Boyd es retrospektiv formulierte, »how nature has been made to act as a force of production«.53 Zweierlei Spezialisierung nahmen die Teilnehmer der Studienreise in besonderen Augenschein: erstens den von der Eiererzeugung in den USA vollständig separierten Produktionszweig Mastgeflügel und zweitens die Trennung von Zucht und Haltung. Die Geflügelfleischproduktion war interessant, weil dieser neue landwirtschaftliche Betriebszweig, der sich in den USA seit den 1920er Jahren formiert hatte und in Deutschland in dieser Form noch gar nicht existierte, in manchen Gebieten die höchsten aller landwirtschaftlichen Renditen abwarf. Auf der Delmarva-Halbinsel an der US-Ostküste, die neben Delaware Teile der Bundesstaaten Maryland und Virginia umfasst, stammten 1950 69 Prozent aller landwirtschaftlichen Einnahmen aus dem Broilerverkauf, der damit die traditionellen Zweige landwirtschaftlicher Tierhaltung weit hinter sich ließ (Milchwirtschaft: 7,1 Prozent).54 Broiler waren zehn bis zwölf Wochen alte Tiere beiderlei Geschlechts. Eine angezüchtete Schnellwüchsigkeit, die Anwendung neuer Erkenntnisse rund um die effektivste Fütterung, die stetige Gewinnung neuer Verbraucherkreise55 und ein durch schnelle Transportmittel und industrielle Schlachtung unterstützter Markt, der das Fleisch zu günstigen Verbraucherpreisen rasch in die Küchen brachte, hatten die Broilermast zu dem einträglichen neuen Geschäft werden lassen.56 Die Entstehung der konzentrierten Broilermast in den USA ein Vierteljahrhundert vor den deutschen Bildungsreisen ging, einer in der Geflügelgeschichte breit kolportierten Legende nach, auf einen Zufall zurück:57 Celia Steele in Sussex County im Bundesstaat Delaware erschrak im Frühjahr 1923, weil ihr »hatchery man« fünfhundert statt der wie jedes Jahr bestellten fünfzig Küken brachte. In Ermangelung einer anderen Lösung steckte sie die vielen Tiere kurzerhand in ihren gewöhnlichen Hühnerstall und acht Wochen später verkaufte sie 387 Tiere, so viele hatten überlebt, an einen lokalen Händler. Den unerwarteten Cash-Segen investierte Steele in einen größeren Stall und bestellte im Frühjahr 1924 bewusst die doppelte Menge der im vergangenen Jahr versehentlich gelieferten zehnfachen Kükenmenge. Zwei Jahre später verdiente Celia mit ihren Hühnern bereits etwa so viel wie ihr Mann Wilmer, ein Hauptmann der Küstenwache. Diese finanzielle Entwicklung ließ für Wilmer, der es bis dahin für frevelhaft gehalten hatte, Celias Hühnerstall zu betreten, aus »her business« zunehmend »our business« werden  – eine Geschlechterentwicklung, die sich ebenfalls als wegweisend für die deutsche Hühnerhaltung erwies.58

53 Boyd, S. 633. 54 Alberti u. a., S. 10. 55 Horowitz, Making the Chicken, S. 216–218. 56 Alberti u. a., S. 10 f. 57 Rude, S. 109–111; Horowitz, Making the Chicken, S. 217 f. 58 Rude, S. 110.

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Die Broileraufzucht fand in Betrieben getrennt von der Legehennenhaltung statt. Beide Produktionszweige, die Eiererzeugung und die Mast der Broiler, waren wiederum zunehmend getrennt von der Zucht der jeweiligen Tiere. Diese Spezialisierung der Hühnerhaltung weckte Interesse, weil sie eine raschere Verwirklichung der Veränderung der genetischen Anlagen der Tiere – schneller mehr Muskeln und schneller mehr Eier – in Aussicht stellte, als wenn jede Kleinhaltung mit eigenem Hahn neue Tiere schuf. Strategische Geflügelzucht fand diesseits und jenseits des Atlantiks seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahr­ hunderts statt. Doch dabei war erstens die Rassegeflügelzucht, bei der es weniger um die Wirtschaftlichkeit der Tiere als um ihr äußeres Erscheinungsbild ging, Ton angebend;59 zweitens entfaltete die in den Zuchtbetrieben herbeigezüchtete verbesserte Wirtschaftlichkeit der Tiere erst dann Breitenwirkung in der Praxis, als sich die einzelnen Geflügelwirtschaften auch tatsächlich dieser Tiere bedienten. Im Sommer 1951 lieferten in den USA eigens »zur Bruteiergewinnung zusammengestellte Herden« von Legehennen Eier, die in einem nächsten Schritt in »große[n] Brutapparate[n] in »geräumige[n] Hallen« unter automatischer Wendung und perfekten klimatischen Bedingungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur, ausgebrütet wurden.60 Die geschlüpften Küken kamen sodann in »100er Kartons«, die wiederum »auf langen Fahrgestellen, etwa 200 Stück auf einem Wagen« auf ihren Versand in »Speziallastwagen, die sowohl heizbar als auch kühlbar sind«, warteten.61 »[T]he ingenuity of man«, so Louis M. Hurd, zu der Zeit Assistant Professor of Poultry Husbandry an der für Tierhaltung bekannten Cornell University, habe die neue Brut- und Aufzuchttechnik geschaffen, mit der die »mühselige natürliche Methode« und ihre »viele Arbeit« der Vergangenheit angehöre.62 Die Hühnerhaltung im eigentlichen Sinne begann nunmehr erst nach Eintreffen der andernorts erzeugten Eintagsküken als spezialisierte Aufzucht von entweder zukünftigen Legehennen oder von Mastbroilern. Internationale Inspiration für die deutsche Geflügelhaltung holten sich also sowohl etablierte Geflügelforscherinnen und -forscher als auch junge Praktikerinnen und Praktiker, und zwar nicht nur in den USA. Das westdeutsche Landwirtschaftsministerium vermittelte Arbeitskräfte, vor allem Kinder deutscher Landwirte, an Betriebe im überseeischen Ausland, die meisten nach Ka-

59 Comberg, S. 403; Der Kaufmann Robert Oettel gründete 1852 in Görlitz den »Hühnerologischen Verein« und gilt als Begründer der Rassegeflügelzucht in Deutschland. Knapp 40 Jahre später, 1889, setzte die DLG einen »Sonderausschuss zur Förderung der Nutz­ geflügelzucht« ein, der sich dezidiert der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der deutschen Eierproduktion verschrieb. Siehe: Barth u. a., S. 9 f. 60 Alberti u. a., S. 12. 61 Ebd. 62 Hurd, S. 4.

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nada, aber auch ins koloniale Afrika, zum Beispiel ins heutige Simbabwe.63 Am 24. Oktober 1951 wandte sich Mr. Freymark, der Manager der White Star Poultry Farms in Bulawayo, einer Stadt im damaligen Südrhodesien, einer britischen Siedlungskolonie, an das Bonner Landwirtschaftsministerium. Er suchte für das Jahr 1952 nach einem »jungen, unverheirateten Deutschen«, um ihn als Assistent auf seiner Hühnerfarm einzusetzen.64 Über 15.000 Hühner, ausschließlich Weiße Leghorns, eine in Deutschland damals noch Italiener genannte und im Laufe des 20. Jahrhunderts immer weiter verbreitete Legerasse, hielt die Farm, von denen sie jährlich »ueber 100.000 Tag-alte Kueken« verkauften. Manager Freymark informierte über Vergütung, Unterbringung und Landessprache  – und teilte mit, dass er auf der Farm »ungefaehr 35 Schwarze« beschäftige und die vier Kilometer entfernte Stadt aus 30.000 Weißen und 80.000 Schwarzen bestehe.65 Das Bundesministerium antwortete am 7. Januar 1952 nach Bulawayo, dass es die Anfrage begrüße und einen »Jugendlichen« für die Farm suchen werde.66 2.1.3 Leistung und Spezialisierung in Deutschland Einen Tag alte Küken begannen in den 1950er Jahren auch in Deutschland zunehmend zum Ausgangspunkt der Hühnerhaltung zu werden. »Leistungsküken« aus »Leistungszuchten« versprachen eine höhere Rendite, ohne dafür mehr Futter oder mehr Arbeit zu benötigen. In der doppelten Betonung der Leistung verschmolzen die Leistungspraktiken der Menschen und der Tiere. Der Mensch schuf in Leistungszuchten neue Leistungstiere. Die kamen durch ihre körperliche Entwicklung zu diesem Prädikat und ihre Körper wiederum erhöhten die wirtschaftliche Leistung der hühnerhaltenden Menschen.67 Nicht länger war jedes Küken gleichermaßen qualifiziert, Eier und / oder Fleisch zu liefern. Stets von Neuem zugekaufte Leistungsküken lösten die Herde mit Hahn und »Natur-

63 Siehe z. B. BArch Koblenz, B 116/7, Wilhelm Driver an BMEL, 27.2.1951, sucht für seinen demnächst 18-jährigen Sohn Peter eine Anstellung im Ausland, weil dieser nach Abschluss seiner landwirtschaftlichen Lehre gerne auswandern möchte. Das BMEL verweist auf »erleichterte Bedingungen«, die derzeit speziell für Kanada bestehen und an die »Canadian Immigration Mission« in Karlsruhe, die bei den Formalitäten behilflich ist. 64 BArch Koblenz, B 116/7, H.-J.  Freymark, Burnside, Bulawayo an Sekretär für Ackerbau, Bonn, 24.10.1951. 65 Ebd. 66 BArch Koblenz, B 116/7, o. A., Antwortschreiben an H.-J.  Freymark, Burnside, Bulawayo Bonn, 7.2.1952. 67 Macht, Rentable Geflügelzucht; zur Geschichte der Leistung in der Moderne siehe Verheyen. Verheyen beschreibt den Aufstieg der wirkmächtigen Vorstellung »individueller Leistung«, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert soziale Ordnung herstellt und festigt. Außen vor blieb, dass die Vorstellung von Leistung nicht nur die Menschen, sondern auch ihre belebte Umwelt, in diesem Fall landwirtschaftlich genutzte Tiere, klassifiziert und die zugeschriebenen Leistungsprädikate handlungsleitend für die Mensch-Tier-Interaktion wurden.

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glucken«, die selbst Eier ausbrüteten, ab.68 Der Prozess war von Ungleichzeitigkeiten geprägt: Noch 1958 war für die ostdeutsche Deutsche Film AG (DEFA) die Henne, die ihre Kükenschaar über den Hof führte, repräsentatives Sinnbild der Hühnerhaltung, während vier Jahre zuvor im Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf die konzentrierte Leistungszucht bereits als Schlüssel der Entwicklung der Geflügelhaltung galt.69 Dennoch: Insgesamt war der natürliche Brutinstinkt von Hennen immer weniger gefragt und die Vorverlagerung der Zucht, die fortan getrennt von der Hühnerhaltung stattfand, setzte sich in den Hühnerställen der 1950er Jahre quer durch verschiedene Betriebsgrößen flächendeckend durch.70 Obwohl Eier wie die Milch ein »Ablegeprodukt« landwirtschaftlicher Tierhaltung sind, ist für ihre Gewinnung keine zeitgleiche Nachzucht notwendig; im Unterschied zur Milch, für deren Produktion die Kuh regelmäßig ein Kalb zur Welt bringen muss, legt das Huhn seine Eier unabhängig davon, ob es daneben zusätzlich befruchtete Eier ausbrütet. So eng wie in der Milchwirtschaft waren Hühnerzucht und -haltung nie verwoben gewesen, doch nun trennten sich ihre Wege vollständig. Für die Hühnerzucht begann ein globaler Konzentrations­ prozess, in dem wenige schnell wachsende Firmen die Bruteier und Jungtiere mit stetig optimiertem Erbgut anboten.71 Als sich der Kauf von Eintagsküken zunehmend durchsetzte, tat sich zusätzlich eine neue Möglichkeit der bäuerlichen Einflussnahme auf.72 Der Kauf von nach ihrem Geschlecht vorsortierten Küken verbreitete sich in den 1950er Jahren in dem Maße, wie sich die Zucht aus der Haltung herauslöste. Nun stand die Hühnerhalterin vor der Entscheidung, ob sie »sich gewöhnliche Eintagskücken [sic!] oder sortierte Hennenkücken kaufen soll«.73 Auch bei dieser Entscheidung 68 Heydenreich, »Wir bekommen Küken«. 69 BArch Filmarchiv, BCSP 3314-1, VEB Filmverleih Progress, »Vom Schwein und der Kuh und der Henne noch dazu«, 1958; BArch Berlin, DK 1/3908, Geflügelhaltung 1951–59, Dr. Lützenberg, Abt. Eliteleistungsbuch der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, September 1954, S. 1. 70 Barth u. a., S. 20; 71 »Over the last thirty to forty years«, so hielt das Weltbank-Paper »World Poultry Production« 1995 fest, »the suppliers of genetic material for the world chicken meat industry has declined to a few major breeding companies«. Zu den wichtigsten Firmen dieser Entwicklung, die in globalem Wettbewerb standen, zählten: Arbor Acres, Avian Farms, Cobb-Vantress und Ross Breeders, siehe Henry u. a. Seit 1995 nahm der Konzentrationsprozess auf dem Sektor Geflügelzucht noch einmal zu und die im niedersächsischen Visbek sitzende EW-Group vereint 28 deutsche und 81 internationale Unternehmen unter ihrem Dach, darunter die Aviagen-Group, in der seit 1999 Ross und Arbor Acres zusammengefunden hatten, und Lohmann-Tierzucht. Siehe o. A., Der Gott des Geflügels. 72 Seit jeher brüteten nicht alle Rassen gleichermaßen zuverlässig, sodass naturbrütende Hühnerhaltungen stets besonders dafür geeignete Tiere, Hühner schwerer Rassen oder Puten, hielten. 73 Macht, Die Wirtschaftlichkeit der Hähnchenaufzucht; Das Geschlecht kann eine geschulte Person am ersten Lebenstag des Kükens durch Vorstülpen der Kloake feststellen, indem dort ggf. ein rudimentär angelegter Penis zu erkennen ist, siehe Hoy u. a., S. 164.

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kam der Rechenstift zum Einsatz. Sortierte Küken waren teurer als unsortierte. Wenn man das Federvieh vorwiegend zum Eigenbedarf hielt, so gewann der billigere Einkaufspreis, weil »die Hähnchen [die männlichen Küken, die keine Eier legen konnten, V. S.] auch recht gut schmecken«.74 Größere Hühnerhaltungen hingegen würden die sortierten Küken bevorzugen, prophezeite der bayerische Geflügelexperte Christof Macht 1952 richtig. Der Entwicklung von automatisierbaren Methoden zur Geschlechtsbestimmung und -beeinflussung im Ei wurde zwar viel Aufmerksamkeit geschenkt, doch sie führte zu keinem Erfolg.75 Weder eine besonders eiweißreiche oder eiweißarme Fütterung der Mutterhenne, noch verschiedene Bruttemperaturen oder Röntgenbestrahlungen, noch »Impfungen z. B. mit Hodengewebe während der Brut«, noch die Form des Eis, erlaubten das Geschlecht des zukünftigen Kükens zu verändern.76 Eine »neuzeitliche« Kükenaufzucht stand in den 1950er Jahren auf dem Programm, weil gerade dieser Teil der Geflügelhaltung herkömmlicherweise »eine unerträgliche Arbeitsbelastung« mit sich gebracht hatte.77 »Unerträglich« fanden die Geflügelexperten die Arbeitsbelastung, weil sie wirtschaftlich unsinnig sei. Wegen der »Liebe und Aufmerksamkeit«, die jeder Kleintierzüchter insbesondere seinen Jungtieren gegenüber empfinde, drohe allenthalben der »Fehler, die Dinge allzu sehr zu vermenschlichen«, klagte etwa Joachim Sommerfeld vom Celler Institut. Es gäbe einen regelrechten »Kult« mit »übertriebene[n] Regeln bezüglich der Fütterung und Pflege«.78 Er plädierte dafür, »die Dinge nicht komplizierter« zu machen, den Küken unbegrenzt Futter zur Verfügung zu stellen und dreimal täglich nach ihnen zu sehen.79 Die Geflügelhaltung war in den 1950er Jahren eine Verheißung. In der Bundesrepublik lag das nicht unwesentlich an der Stimmung in der bäuerlichen Bevölkerung. Ihre Unzufriedenheit nahm zu, weil »der zu geringe und unsichere Verdienst und der Mangel an Freizeit« auf das Gemüt schlugen.80 Nur 36 Prozent von im Juli 1956 befragten Landwirten und damit der niedrigste Anteil aller »Berufsschichten« würde einem »Vierzehnjährigen, der aus der Schule kommt« auf die Frage, »ob er Ihren Beruf ergreifen sollte«, zuraten.81 Die Geflügel­haltung erschien in dieser Situation als Silberstreifen am Horizont. Landwirt Wilhelm 74 Macht, Die Wirtschaftlichkeit der Hähnchenaufzucht, S. 324. 75 Versuche zur Geschlechtsbestimmung von unausgebrüteten Eiern hielten in den folgenden Jahrzehnten an und nahmen in den letzten Jahren erneut an Fahrt auf, weil der gesellschaftliche Widerstand gegen die Tötung der männlichen Eintagsküken (via Kohlenmonoxid-­ Erstickung oder Zerhäckseln) zunimmt. Siehe z. B. Klawitter. 76 Römer, Nutzbringende Geflügelwirtschaft, S. 17. 77 Heydenreich, »Ei, Ei, Ei – aus 2 mach’ 2«; zur Verbesserung der Kükenaufzucht, um so die Erträge der Hühnerhaltung insgesamt zu optimieren siehe Heydenreich, »Einesteils der Eier wegen…«; Sommerfeld, S. 78. 78 Ebd. 79 Ebd., S. 79. 80 Blanckenburg, Die Berufsbejahung in der Landwirtschaft, S. 39. 81 Ebd., S. 26.

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Mann aus Frankfurt war im August 1955 darüber erstaunt, »daß bis heute nur verhältnismäßig wenig Praktiker erkannt haben, daß die Geflügelhaltung ein durchaus rentabler Betriebszweig sein kann  – eine tierische Veredelung wie die durch Schweine oder Rinder«. Mit Blick auf die Einfuhrzahlen an Eiern – 1954/55 wurden 186.000 Tonnen Eier in die Bundesrepublik ein- und keine einzige ausgeführt – mahnte er: »Wir sollten und dürfen uns diese Möglichkeiten m. E. nicht entgehen lassen!«82 Damit vertrat er keine Einzelmeinung. Die Frage nach zusätzlichen Einnahmen der bäuerlichen Bevölkerung könne, so die Branchenmeinung, noch viel öfter mit »Geflügelhaltung« beantwortet werden, die »nur geringes Investitionskapital« brauchte und wegen ihres zügigen Umsatzes raschen Gewinn versprach.83 Den Geflügelexperten der 1950er Jahre war durchweg klar, dass in der Hühnerhaltung wirtschaftliches Potential schlummerte. Ihre Forschungen standen allesamt unter dem Stern einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zwar bereits seit Jahrzehnten. Oskar Knispel, Bürovorsteher der Tierzucht-Abteilung der DLG, beklagte bereits 1908, als er auf schließlich 346 Seiten den Stand und das Potential der Geflügelhaltung in allen 26 Bundesstaaten des Kaiserreichs zusammengetragen hatte, dass ein »Mangel an Kenntnis aller derjenigen Maßnahmen, welche die Geflügelwirtschaft zu einer lohnenden machen können und alteingewurzelte Anschauung, die in der Geflügelhaltung auf dem Lande eher ein notweniges Übel, als den Gegenstand eines lohnenden Wirtschaftsbetriebes zu erblicken geneigt ist, die Ursache des geringen Interesses ist, welches der Geflügelzucht in der Landwirtschaft vielfach noch zugewendet wird.«84

Die Klage über wirtschaftliche Unwissenheit und Trägheit der Hühnerhalterinnen und -halter war also nicht neu. Zwei Dinge waren nach 1945 jedoch anders. Zum einen hatte die Geflügelzucht im Unterschied zum 19. Jahrhundert in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts damit begonnen, »Ersprießliches« auch für die Nutzgeflügelzucht und nicht länger nur für die ästhetische Rassegeflügelzucht zu schaffen.85 Um 1950 standen leistungsverbesserte Tiere bereit, die ihres flächendeckenden Einsatzes allerdings noch harrten. Zum anderen hatten Forschungsreisen ins Ausland inzwischen gelehrt, dass Eier und Geflügelfleisch andernorts günstiger produziert wurden. Angesichts der Konsum- und Importentwicklung war die Motivation groß genug, Steuergelder in die Erforschung rentablerer Methoden der Geflügelhaltung zu stecken: 1957 wurden 150 Prozent mehr Eier in die Bundesrepublik importiert als 1951, die 39 Prozent 82 Mann. 83 Walter, Hühnerhof; die Ansicht, dass die Geflügelhaltung nur geringes Investitionskapital brauche, änderte sich durch neue kapitalintensive Haltungsformen in den folgenden etwa 15 Jahren. 84 Knispel, S. 1. 85 Ebd., S. 2.

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des gesamten dortigen Eierverbrauchs ausmachten.86 Wegen der wirtschaft­ licheren Konkurrenz ging es in den deutschen Versuchsanstalten pathetisch zu. An der »Rettung der deutschen Geflügelwirtschaft in einer besonderen kritischen Stunde ihrer Geschichte« arbeiteten die deutschen Geflügelforscher ihrem Selbstverständnis nach.87 Organisiert war die Hühnerhaltung in den 1950er Jahren noch nicht in eigenständiger Wirtschaftsverfassung, sondern als Nebenunternehmung von weder allein davon lebenden Unternehmern, noch von Lohnarbeiterinnen oder Lohnarbeiten im klassischen Sinne. Das Eiergeld sollte zwar so ergiebig wie möglich sein, aber es wurde nicht systematisch ins Verhältnis zu der dafür aufgewendeten Arbeitszeit gesetzt. Zudem wurden die Futtermittel oft der eigenen Landwirtschaft entnommen und nicht per Rechnung ausgewiesen. In diesem Setting gab es keinen finanziellen Rationalisierungsdruck, weil auch eine ökonomisch suboptimale Hühnerhaltung keine Konsequenzen für die Fortexistenz der Unternehmung hatte. Der ungebrochene Knappheitsstatus von Eiern erschwerte Rentabilitätsverbesserungen ihren Weg in die Praxis.88 Der ökonomische Leistungsgedanke war in der Theorie der Geflügelhaltung und an einzelnen Orten wie staatlichen Forschungsanstalten und Geflügelzuchtvereinen stärker ausgeprägt als in den zahlreichen in Stadt und Land verteilten einzelnen fast drei Millionen Hühnerhaltungen.89 Seine breitenwirksame Implementierung erfuhr dieser Gedanke im Zuge internationaler Vermarktlichung von Eiern und Geflügelfleisch, die jede Hühnerhaltung, die ihre Produkte fortan verkaufen wollte, zur wirtschaftlichen Rationalisierung nach in der Geflügelhaltung neuen ökonomischen Parametern zwang.

86 Woinoff, S. 35; Für das erste bundesweit relevante Geflügelforschungsinstitut, die 1942 vom Reichsernährungsministerium eingerichtete »Reichsforschungsanstalt für Kleintierzucht« in Celle, in der seit 1935 an Seidenbau und Bienenzucht geforscht worden war und die 1950 zur Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht wurde, siehe die Dienststellen 4 und 5 der Abteilung I »Züchtung, Haltung und Fütterung von Kleintieren«, Koch, Die Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht, S. 12. 87 Koch, Wie kommen wir jetzt weiter?, S. 3. 88 1951 wurden 7,4 kg Eier pro Kopf im Jahr in der Bundesrepublik verzehrt, 1961 schon fast doppelt so viele, 13,1 kg, 1971 16,1 kg, 1981 17,4 kg und 1989 hingegen bereits wieder weniger, nämlich 15,4 kg pro Person im Jahr, siehe Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1953, S. 535; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1962, S. 542; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1972, S. 497; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1982, S. 465; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1990, S. 498. 89 Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 1960, siehe Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1961, S. 168.

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2.2 Volkswirtschaft: Huhn und Handelsliberalisierung im Chicken War, 1961–1963 Mitte der 1950er Jahre machten »die Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft« ein gutes Drittel aller Einfuhren aus, aber nur zwei bis drei Prozent der westdeutschen Gesamtexporte.90 Anders als Großbritannien, das seine landwirtschaftliche Produktion im vorangegangenen Jahrhundert bewusst in andere Teile des Commonwealth ausgelagert hatte,91 beunruhigte der hohe Importanteil die westdeutsche Landwirtschaftspolitik. Geflügelfleisch und Eiern kam bei den landwirtschaftlichen Importen eine im Laufe der 1950er Jahre immer größere Rolle zu. Anfang der 1960er Jahre war die Bundesrepublik zum größten Eier- und Geflügelimporteur der Welt geworden, bei dem mehr als die Hälfte des international gehandelten Geflügels und dessen Eier ihren Absatz fanden.92 Der stetig sinkende Anteil der deutschen Erzeugung am Gesamtverbrauch ließ einen 1956 im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums hergestellten Film zur wirtschaftlichen Lage der Geflügelhaltung bestürzt fragen: »Wo bleiben denn die Deutschen Eier?«93 Weil der Verbrauch schneller stieg als die Anzahl der Hühner und deren Lege- und Mastleistung, entstand eine größer werdende Lücke. In diese »stießen die Auslandseier«94 und seit 1956 vor allem US-amerikanische »ready-to-cook« Masthähnchen. Der Konsum dieser US-Hähnchen verdreifachte sich in etwa zwischen 1956 und 1962, sodass der US-Anteil am Hähnchenverbrauch von einem Prozent bei Aufnahme des Handels 1956 auf ein Viertel 1962 anstieg.95 Die Entwicklung, Hühnerfleisch als »Fleisch« (und nicht als Suppeneinlage)  zu essen, war neu. In allgemeinen Betrachtungen der deutschen Fleischerzeugung kam Geflügel neben Rind und Schwein Mitte der 1950er Jahre noch nicht vor.96 Für die westdeutschen Agrarexperten war der US-amerikanische Hähnchenerfolg kein Grund zur Freude. »Mehr als bedauerlich« fanden sie die Entwicklung, weil »in unserer bäuerlichen Geflügelhaltung noch ungeahnte Reserven brachliegen«.97 Durch die steigende Nachfrage nach Eiern und Geflügelfleisch sahen sie gerade in der Geflügelhaltung die Chance, die »Wirtschaftlichkeit einer Vielzahl

90 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, S. 100 f. 91 Woods, The Herds Shot Round the World; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam­ menarbeit, S. 316 f. 92 Müller, Rentabilitätsfragen, S. 9; Woinoff. 93 BArch Filmarchiv, K 31747-2, Sig. 28815, Werner Lütje, Durch den Schnabel legt das Huhn, 1956. 94 Ebd. 95 BArch Koblenz, B 116/11321, United States Department of Agriculture, The US Poultry Trade, o. A., 14.8.1963, S. 2; Macht, Marktlage begünstigt Geflügelwirtschaft. 96 Brüggemann, Viehhaltung, S. 9. 97 Alberti u. a., S. 3.

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von bäuerlichen Betrieben« zu verbessern.98 Die Geflügelhaltung böte eine der seltenen »glückliche[n] Verbindung[en] zwischen wirtschaftspolitischen Zielen und privatwirtschaftlichem Gewinnstreben« in der Landwirtschaft, der es ansonsten nicht gelang, »mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Schritt [zu] halten«.99 Die Verringerung der landwirtschaftlichen Bevölkerung taugte zwar zum »wesent­lichen Träger der landwirtschaftlichen Einkommenssteigerung«, aber der Verlust der selbstständigen Existenz brächte »immer eine Reihe sozialer und politischer Probleme« mit sich und sollte deshalb so abgefedert wie möglich vonstattengehen.100 Für die Geflügelhaltung war in dieser gesamtgesellschaftlichen Strukturumschichtung eine Schlüsselrolle vorgesehen. Deshalb wurde sie um 1960 Gegenstand einer internationalen Auseinandersetzung um Marktanteile, die das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und ihrem wichtigsten internationalen Verbündeten, den USA, trübte. Auch die SED-Parteiführung forcierte die wirtschaftliche Effizienz der Geflügelhaltung und erreichte in den 1963 proklamierten und seit 1965 verwirklichten industriellen Geflügelbetrieben eine beachtliche Produktivitätssteigerung.101 Die Ursachen der ostdeutschen Produktivitätssteigerung in der Geflügelhaltung waren jedoch anders gelagert als in der Bundesrepublik. Nicht Handelsliberalisierung und Außenhandel erzeugten politischen Handlungsdruck, sondern die durch mangelndes Fleisch und fehlende Eier gefährdete Loyalität der DDR-Bürger und -Bürgerinnen.102 Hühner wurden, weil ihr Fleisch günstiger zu produzieren war als das von Schweinen und Rindern, zu einem zentralen Baustein der staatlichen Versorgungsstrategie.103 Die Mark der DDR war nicht konvertierbar. Mühsam beschaffte und stets knappe Devisen standen nur außerplanmäßig für Eier und Geflügelfleisch zur Verfügung, auch wenn das SED-Regime sie wiederkehrend dafür verwendete. Zudem war es ideologisch problematisch, Fleisch aus »NATO-Ländern« zu importieren, wo man die Bundesrepublik beim Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch und Butter schon längst hatte überholen wollen.104 In der Bundesrepublik hingegen konturierte die außenhandelspolitische Dimen­sion die entstehenden Geflügelbetriebe maßgeblich. Weil das Huhn dar98 Ebd. 99 Engel, S. 875. 100 Ebd. 101 Auf dem VI. Parteitag der SED 1963 wurde der »Übergang zu industriemäßigen Produktionsmethoden« in der Landwirtschaft proklamiert, ab Mitte der 1960er Jahre startete der Aufbau des »Broiler-Legehennen-Kombinats« in Königs Wusterhausen und des »Broiler-Kombinats« in Möckern, siehe Poutrus, Die Erfindung, S. 91. 102 Die Lebensmittelknappheit an tierischen Produkten wie Schinken oder Leberwurst Anfang der 1960er Jahre führten bei DDR-Bürgerinnen und -Bürgern vor allem vor dem Hintergrund der Wohlstandsentwicklung in der damaligen Bundesrepublik zu Verbitterung, siehe Poutrus, Die Erfindung, S. 50. 103 Bauermann u. a., S. 15 f. 104 Groschoff u. a., S. 12; Poutrus, Die Erfindung, S. 24; zum Devisenmangel in der Versorgungspolitik der DDR siehe Ciesla, S. 207–216.

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über hinaus zu einem ersten Konflikt zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den USA führte, dieser das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) als Regelwerk der Austragung von Handelskonflikten festigte und zudem konstitutiv für europäischen Agrarprotektionismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war, konzentriert sich dieses Kapitel auf die Bundesrepublik und die dortige Verquickung von Huhn und Handelsliberalisierung. 2.2.1 Der Deutschen Hähnchenhunger und die überseeische Karriere der US-Broiler, 1956–1961 1956 trafen die ersten tiefgefrorenen Brathähnchen aus den USA in der Bundesrepublik ein. Im Dezember des Vorjahres hatte die Regierung der USA, die damit ihren heimischen Markt von einem »overabundant supply of broilers« befreien wollten, der sich in den nächsten Jahren zu einer »Broiler-Depression« auswuchs,105 eine Vereinbarung mit der Bundesregierung getroffen, erstmals geschlachtetes Geflügel, und zwar 1,8 Mio. Kilogramm im Wert von 1,2 Millionen US-Dollar, nach Westdeutschland zu verschiffen.106 Obwohl deutsche Lebensmittelimporteure bezweifelt hatten, dass ihre Kundinnen und Kunden die tiefgefrorenen US-Hühner kaufen würden, die nicht frisch geschlachtet und zudem ungewohnt gelb waren, stieg das Volumen des transatlantischen Handels in den folgenden Jahren rasant an. 1960 fanden 39 Mio. Kilogramm US-Brathähnchen ihren Weg in die Bundesrepublik, die damit 95 Prozent aller in die Mitgliedstaaten der EWG importierten Hähnchen auf sich verbuchte. 1962 hatte sich das Volumen noch einmal fast verdoppelt auf 78 Mio. Kilogramm tiefgefrorene Hähnchen, für die die westdeutschen Importeure 49,5 Millionen US-Dollar bezahlten.107 Dass sich die »ready-to-cook«-Brathähnchen so rasch behaupten konnten, wurde dem wachsenden Wohlstand während der »industrial renaissance« der Bundesrepublik zugeschrieben.108 Die frühe Systemgastronomie spielte eine besondere Rolle bei der Popularisierung des Hühnerfleisch-Essens. »Wienerwald-König« Friedrich Jahn, der 1964 bereits 125  Wienerwald-Gaststätten in Westdeutschland betrieb und jeden Monat etwa 850.000 Hühnchen vorwiegend aus den USA importiert, grillte, meinte: Die »Edelfreßwelle« kam »gerade zur rechten Zeit«.109 Seinen Erfolg schrieb er dem Produkt zu: Der ge105 Rude, S. 59. 106 Talbot, S. 11. 107 Ebd. u. S. 64; BArch Koblenz, B 116/11321, Informationsgespräch zwischen dem Staatssekretär im BML und Vertretern der US-Botschaft, Ergänzung der Ausführungen der US-Informationsunterlage, Bonn, 6.8.1963; Walker, S. 671; die westdeutsche landwirtschaftliche Presse fragte: »Müssen wir den Ausfuhrländern den Veredelungsgewinn lassen?«, so z. B. Bockelmann. 108 BArch Koblenz, B 116/11321, Informationsgespräch zwischen dem Staatssekretär im BML und Vertretern der US-Botschaft, US-Informationsunterlage, Bonn, 6.8.1963; Talbot, S. 10. 109 O. A., »Wienerwald« – nicht von Johann Strauß, S. 10.

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ringe Fettgehalt des Geflügelfleisches sei »in der modernen Industriegesellschaft […], wo schwere Arbeit zur Ausnahme geworden ist, wo Fett in der Nahrung als gesundheitsschädigend ängstlich gemieden wird«, verantwortlich für die wachsende Nachfrage.110 Allein: Die steile Erfolgsgeschichte der US-Brathähnchen auf dem westdeutschen Markt drohte der hier gerade entstehenden Geflügelwirtschaft das Wasser abzugraben. Die USA waren weder bereit, den vielversprechenden Markt noch den möglichst freien Handel mit Geflügel leichtfertig aufzugeben. Dieser Interessenkonflikt um tote Hühner drückte seit 1961 zunehmend auf die Stimmung zwischen den USA und der Bundesrepublik und ließ die erfolgreichen US-Hähnchen zum Gegenstand eines Handelskonflikts werden. Zunächst von Journalisten als »Chicken War« bezeichnet und später so in die Geschichte eingegangen,111 festigten sich im Zuge dieser transatlantischen Streitigkeit die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der neuen Geflügel­industrie. Bis 1961 schritt die Liberalisierung des transatlantischen Geflügelhandels mit Hauptdestination Bundesrepublik entsprechend der Regeln des Internationalen Währungsfonds und dem Vertragssystem des GATT voran, dem die Bundesrepublik 1951 beigetreten war.112 Im April 1961 hob die Bundesrepublik die letzten verbliebenen mengenmäßigen und inhaltlichen Beschränkungen für Geflügel auf.113 In der zweiten Jahreshälfte 1961, als die Menge US-Geflügel durch die jüngste Liberalisierung noch einmal wesentlich rasanter als in den Jahren zuvor angestiegen war, setzte die Bundesregierung jedoch ein Instrument der Handelsbeschränkung ein, das über den Hähnchenkrieg hinaus den Handel mit dem Fleisch landwirtschaftlicher Tiere kennzeichnen sollte. Seit dem 1. August 1961 war ein Ausgleichsbeitrag von 54 Pfennig pro Kilogramm geschlachtetem Mastgeflügel bei Import zu entrichten, um die unterschiedlich hohen Futterkosten in der Bundesrepublik im Vergleich mit dem Getreidepreis auf dem Weltmarkt auszugleichen.114 110 Mehner, Quo vadis?, S. 450. 111 O. A., The Chicken War; Walker. Von offizieller Seite gab es weder eine Kriegserklärung noch einen Friedensvertrag, siehe Talbot, The Chicken War, S. ix. Der jüngste europäische Widerstand gegen US-amerikanische Hähnchen während der TTIP Verhandlungen zwischen 2014 und 2016 wurde als Neuauflage des »Chicken War« diskutiert, obwohl die ihn begleitende öffentliche Diskussion – Misstrauen gegenüber Ernährungssicherheit statt Konflikt um Marktzugang – eine andere war als Anfang der 1960er Jahre, siehe Josling u. Tangermann. 112 Im Oktober 1959 beschloss der IWF, dass die verbliebenen Beschränkungen des Geflügel­ handels aus Gründen der Zahlungsbilanz nicht länger gerechtfertigt sind, weshalb das GATT-Verbot derartiger Beschränkungen Anwendung fand, siehe BArch Koblenz, B 116/​ 11321, Informationsgespräch zwischen dem Staatssekretär im BML und Vertretern der US-Botschaft, Ergänzung der Ausführungen der US-Informationsunterlage, Bonn, 6.8.1963. 113 BArch Koblenz, B 116/11321, Übersetzung Interview mit Mr. Bauer, einem der größten US-Exporteure für Geflügelerzeugnisse, in: »Broiler Industry«, Mai 1961, 9 S. 114 BArch Koblenz, B 116/11228, Stichworte zur Geflügelwirtschaftspolitik, 30.8.1963. Die US-Regierung bezahlte ihren Geflügelexporteuren eine ähnlich wirkende Subvention, »um ihnen den Wettbewerb am Weltmarkt zu ermöglichen«, weil Futtergetreide wie Mais

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Die deutschen Geflügelhalter beruhigte diese Maßnahme nicht. Carl Reinhard, seit 1957 Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU in Hessen und promovierter Landwirt, fragte Bundeslandwirtschaftsminister Werner Schwarz am 6. Dezember 1961: »Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Schlachtgeflügelproduktion sich trotz des Ausgleichbetrags durch die Einfuhr billiger Auslandsware in unbeschränkter Menge auch heute in schwierigster Lage befindet?«115 Schwarz antwortete am Folgetag empathisch, aber vertröstend. Der Bundesregierung sei bewusst, dass »die deutschen Erzeuger von Schlachtgeflügel und insbesondere von Jungmasthühnern […] nicht in der Lage sind, ihre Erzeugnisse zu kostendeckenden Preisen anzusetzen«. Aktuell könnten jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, weil im Rahmen der Zollverhandlungen zwischen USA und EWG vereinbart wurde, bis zur Anwendung der gemeinsamen Agrarpolitik die nationalen Einfuhrsysteme nicht einschränkender zu gestalten.116 Nach Annahme der gemeinsamen Agrarpolitik jedoch sei anzunehmen, dass »dem Druck […] auf die deutschen Marktpreise wirksam begegnet werden kann«.117 In der Tat: Als die fünf Jahre zuvor beschlossene Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Folgejahr 1962 verbindlich wurde, vertiefte sich die handelsbeschränkende Stoßrichtung in Sachen Geflügel. Am 31. Juli 1962 trat die EWG-Verordnung Nummer 22 »über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Geflügelfleisch« in Kraft.118 Mit ihr verloren bisherige bilaterale Handelsvereinbarungen der EWG-Länder in den vergemeinschafteten Produktbereichen ihre Gültigkeit. An deren Stelle trat das Regelwerk der Verordnung, das einen einheitlichen sogenannten Einschleusungspreis für Geflügel von außerhalb der Gemeinschaft vorsah, unter dem keine Waren auf dem europäischen Markt angeboten werden durften. Die Differenz, mit der die günstigeren US-Hähnchen von dem niedrigeren Weltmarktpreis auf den Einschleusungspreis der EWG-Länder heraufgehoben wurden, strich die Gemeinschaft als sogenannte Abschöpfung, die in ihrer Wirkung einem Schutzzoll glich, ein.119 Die Schaffung des gemeinsamen Agrarmarktes innerhalb der Gemeinschaft war zulasten des Handels mit Drittstaaten konzipiert worden. Binnen sechs Jahren, so sah es Verordnung Nummer 22 vor, sanken die internen wechselseitigen Abschöpfungsbeträge zwischen den und Hirse in den USA zu gestützten Preisen gehandelt werden, siehe BArch Koblenz, B 116/11321, United States Departement of Agriculture über die Amerikanische Broilerindustrie, 19.5.1961. 115 BArch Koblenz, B 116/11321, 6.12.1961, Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Mündliche Anfragen IV. Geschäftsbereich des Bundesministers für E, L, und F. 116 BArch Koblenz, B 116/11321, Bonn, 7. Sitzung Deutscher Bundestag, Protokoll, 7.12.1961. 117 Ebd. 118 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 20.4.1962, Verordnung Nr. 22 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Geflügelfleisch, https://eurlex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31962R0022&qid=1539796575662​ &from=DE (abgerufen am 8.3.2019). 119 Topf.

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Mitgliedsstaaten auf null, während die der Drittstaaten im selben Zeitraum stiegen. Bestimmend für die Höhe des Einschleusungspreises war eine den gemästeten Hähnchen zugrunde gelegte Differenz ihrer Futterkosten, jenem Instrument, von dem die Bundesregierung im Herbst 1961 bereits in Eigenregie Gebrauch gemacht hatte.120 Das Inkrafttreten der Verordnung Nummer 22 Ende Juli 1962 ließ mit seiner aus US-Sicht auf 9,7 Cent zu zahlender »Abschöpfung« pro verschifftem Kilogramm Geflügelfleisch statt bisheriger 4,8 Cent die US-Geflügelexporte nach Deutschland von einem Monatsdurchschnitt von 6.000 Tonnen im Jahr 1962 auf 2.000 Tonnen monatlich im Jahr 1963 einbrechen.121 Weil die EWG-Staaten und die USA Vertragsparteien des GATT waren, konnten die USA von dem institutionalisierten Rahmen des GATT zur Regelung von Handelsstreitigkeiten unter Vertragspartnern Gebrauch machen. Nachdem die EWG ihre GATT-Vertragspartner am 29. Mai 1961 informiert hatte, dass sie von allen nationalen Handelsvereinbarungen der betreffenden landwirtschaftlichen Waren zurücktreten werde, handelten die USA im Rahmen der seit 1960 laufenden Dillon-Runde122 ein sogenanntes Stillhalteabkommen aus, das ihre Handelsrechte für Geflügel auf dem Stand vom 1. September 1960 einfror. Am 7. März 1962 kamen EWG und USA überein, weiterhin nach einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zu suchen.123 Nun, bei gedrücktem Pauseknopf, nahm der Konflikt an Schärfe zu. Die US-Regierung wollte den Zugang zu dem lukrativen Geflügelmarkt Westeuropas nicht verlieren,124 auf dem sich, so die Prognosen, der Geflügelkonsum zwischen 1958 und 1970 verdoppeln würde.125 Umso mehr, als sich in den nächsten Jahren abzeichnete, dass die Realität die Prognose übertraf: 1958 lag der Verbrauch von Hühnerfleisch bei mit Ziegen-, Wild- und Kaninchenfleisch unter »Sonstiges Fleisch« subsumierten 3 Kilogramm pro Person und Jahr, 1970 war er für sich alleine mit 7,8 Kilogramm pro Person und Jahr ausgewiesen.126 Die europäischen Staaten hingegen wollten, als Präzedenzfall für ihre weitere wirtschaftliche Integration, eine Gemeinsame Agrarpolitik schaffen. Das war nicht möglich gegen den Widerstand der einflussreichen na120 BArch Koblenz, B 116/11321, Informationsgespräch zwischen dem Staatssekretär im BML und Vertretern der US-Botschaft, US-Informationsunterlage, Bonn, 6.8.1963, S. 3; ebd., Chronologische Tabelle als Grundlage für Informationsgespräch mit der US-Botschaft in Bonn, S. 2; BArch Koblenz, B 116/11228, Staatssekretär Rudolf Hüttebräuker an Dr. Th. Sehmer, 10.10.1963, S. 1. 121 BArch Koblenz, B 116/11321, Informationsgespräch zwischen dem Staatssekretär im BML und Vertretern der US-Botschaft, US-Informationsunterlage, Bonn, 6.8.1963; Sackur, S. 372. 122 Benannt nach dem US-Außenminister unter Eisenhower, C. Douglas Dillon. 123 Talbot, S. 66. 124 BArch Koblenz, B 116/11321, Übersetzung Interview mit Mr. Bauer, einem der größten US-Exporteure für Geflügelerzeugnisse, in: Broiler Industry, Mai 1961, 9 S., S. 1 f. 125 Talbot, S. 35. 126 Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1959, S. 472; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1972, S. 586.

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tionalen Agrarverbände, die in der Geflügelhaltung Heil für die angeschlagene Branche sahen. Damit war die Front im Chicken War abgesteckt. 2.2.2 Das US-Import-Huhn als Gegenstand diplomatischer Verwicklung, 1961–1963 Zehn Jahre zuvor, um 1950, hätte es wie ein Scherz angemutet, dass die wirtschaftlich belächelten Hühner die Beziehung zum wichtigsten internationalen Verbündeten belasten würden. Doch in den Kabinettssitzungen am 6. Juni und 20. Juli 1962 warnte Bundeskanzler Adenauer seine Minister davor, die Regierung der USA mit Geflügel zu verärgern. Diese habe »ihr außerordentliches Interesse [am Geflügelexport in die Bundesrepublik, V. S.] mehrfach […] erkennen lassen«,127 unter anderem in einem Schreiben des US-Botschafters Walter C. Dowling vom 19. Mai.128 Der Druck der USA wirkte: Mit knapper Mehrheit beschloss das Kabinett, bei der EWG-Kommission die höchstmögliche Herabsetzung der Abschöpfungsbeträge auf die Dauer von sechs bis zwölf Monaten zu beantragen. Innenminister Hermann Höcherl antizipierte sorgenvoll die Stimmung »der deutschen Landwirtschaft, die bisher auf Veranlassung und mit Unterstützung der Bundesregierung« gerade »die Geflügelhaltung verstärkt« habe.129 In der Tat ließ genau dieser Zusammenhang die Bauern unmittelbar nach Bekanntwerden des Kabinettsbeschlusses Sturm laufen. »Eine Erregung in bisher nie gekanntem Ausmass [sic!]« sei »unter der bäuerlichen Bevölkerung unseres Kreises« entstanden, meldete der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Ziegenhain bei Kassel per Telegramm in Großbuchstaben an den Bundeskanzler.130 Die Senkung der Abschöpfung bei Einfuhren von Schlachtgeflügel sei der »Todesstoss für den Erwerbszweig der Schlachtgeflügelhaltung unserer klein und mittelbäuerlichen Betriebe«. Auch einzelne Bauern, wie Georg Lechner, ein »Landwirt mit 7,5 ha Land« aus Großhöhenrain bei Bad Aibling, schrieben nach Bonn. »Nachdem laufend günstige Prognosen für die Veredelungswirtschaft gepredigt wurden, stellte ich meinen Betrieb auf Eier- und Schlachtgeflügelproduktion um«, berichtete Lechner. Damit brachte er zugleich zum Ausdruck, dass aus Bauern nicht zwangsläufig unternehmungslustige Manager wurden, nur

127 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 37. Kabinetts­ sitzung am 20.7.1962. 128 BArch Berlin, B 136/3542, Walter C. Dowling an Bundeskanzler Adenauer, 19.5.1962; siehe auch: Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 31. Kabinettssitzung am 6.6.1962. 129 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 37. Kabinetts­ sitzung am 20.7.1962. 130 BArch Koblenz, B 116/11321, Ziegenhain Bez. Kassel, An den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Dr. Konrad Adenauer, Kurz, Vorsitzender, 29.7.1962.

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weil sie Fremdkapital investierten und neue Betriebssparten entdeckten.131 Von Bundeslandwirtschaftsminister Schwarz erbat sich der besorgte Geflügelbauer, wegen der drückenden Kreditlast eine »zumutbare Wirtschaftsgrundlage«.132 Bereits am Folgetag der Kabinettssitzung hatte sich der Verband Deutscher Wirtschaftsgeflügelzüchter mit dem gleichen Vorwurf zu Wort gemeldet. »Seit Jahr und Tag« sei der deutschen Landwirtschaft »vorgeworfen worden, sie […] solle speziell Eierproduktion und Hähnchenmast modernisieren.«133 Dann hätte sie sich endlich darum gekümmert und nun würden »unzählige kleine deutsche Existenzen […] dem Druck der USA geopfert«. Die wütende Landwirtschaft hatte Erfolg.134 Obwohl Bundeskanzler Adenauer eine Änderung des Kabinettsbeschluss zunächst ausschloss, weil die USA schon Bescheid wüssten, gelang es dem Bundeslandwirtschaftsminister im Dezember, das Kabinett zur Rücknahme der EWG-Verordnung zu bewegen,135 die drei Monate zuvor auf Antrag der Bundesregierung von der EWG-Kommission verfasst und im Umlaufverfahren beschlossen worden war.136 Auf der anderen Seite des Atlantiks beschäftigten die Hühner ebenfalls die höchsten Regierungskreise. Seit Mitte 1962 navigierte Präsident Kennedy selbst durch das verzwickter werdende Dilemma. Seinen Vertrauten Ted Sorensen, Rechtsberater im Weißen Haus, fragte er in vorgetäuschter Verzweiflung: »Is the Grand Alliance going to fonder on chickens?«137 Das Dilemma: Aus politischen, strategischen und wirtschaftlich langfristigen Überlegungen war die Europäische Integration »of seminal importance to the national interests of the United States«.138 Kurzfristig aber stand die Zollpolitik der EWG den wirtschaft131 BArch Koblenz, B 116/11321, Georg Lechner an Landwirtschaftsminister Werner Schwarz, Betr. Senkungn des Zolles für Schlachtgeflügelimport, 2.8.1962; siehe auch BArch Koblenz, B 116/11321, Heinz Ihrig, Betr. Herabsetzung der Abschöpfungsbeträge für Schlachtgeflügel; zur spezifisch landwirtschaftlichen Unvereinbarkeit von Lehrbuch-»homo oeconomicus« und sozialer Realität siehe Blanckenburg, Die Persönlichkeit. 132 BArch Koblenz, B 116/11321, Georg Lechner an Landwirtschaftsminister Werner Schwarz, Betr. Senkungn des Zolles für Schlachtgeflügelimport, 2.8.1962. 133 BArch Koblenz, B 116/11321, Dr. Hans Kautz, Verband Deutscher Wirtschaftsgeflügelzüchter an Bundeskanzler Adenauer, 21.7.1962. 134 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 39. Kabinettssitzung am 1.8.1962. 135 Weil in der nun kurzen Frist zwischen Oktober und Jahresende weder den »amerikanischen Exporteuren günstigere Lieferchancen gegeben, noch das Weihnachtsgeflügel verbilligt werden« könne, siehe Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 56. Kabinettssitzung am 5.12.1962. 136 Wonach die Abschöpfungsbeträge für Geflügel um 0,19 DM je Kilogramm gesenkt worden wären, allerdings befristet bis 31. Dezember des Jahres und mit der Maßgabe, dass der Preis von 3,70 DM pro Kilogramm überschritten sein muss, was wegen voller Geflügellager erst Anfang Oktober der Fall war, siehe BArch Koblenz, B 116/11228, Betr. Stichworte zur Geflügelwirtschaftspolitik, Bonn, 30.8.1963. 137 Talbot, S. 56. 138 Ebd.

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lichen Interessen der USA entgegen und weckte, wegen ihrer protektionistischen Handschrift, Skepsis über die weitere Entwicklung der Gemeinsamen Wirtschaftspolitik der europäischen Länder. »The frozen chicken tariff«, wie Einschleusungspreis und Abschöpfungsbetrag in den USA genannt wurden, galten als Lackmustest dafür, ob die EWG »an inward-looking, high-tariff club« sein wollte oder »a liberal trade partner of the United States«.139 Diese Entscheidung versuchte die Kennedy-Administration zu beeinflussen. Parallel zu den unergiebigen Entwicklungen in Europa verabschiedete der US-Kongress 1962 mit dem Trade Expansion Act (TEA) die wichtigste Gesetzgebung des 87. Kongresses.140 Der TEA, der die liberale außenpolitische Orientierung der USA festschrieb, machte die Akzeptanz der europäischen Handelsbeschränkungen unwahrscheinlicher.141 Genau das geschah im Jahr 1963, als der Chicken War seinen Höhepunkt erreichte und zugleich zu seinem Ende kam. »Everybody is preoccupied with Cuba, Berlin, Laos  – and Chicken«, berichtete Bundesminister für besondere Aufgaben Heinrich Krone nach einem USA-Besuch 1963.142 Noch immer wurden, ohne beiderseitiges Einverständnis, die Abschöpfungsbeträge gemäß Verordnung 22 angewendet. Seit Anfang 1963 arbeiteten beide Seiten an einer Nachjustierung des Einschleusungspreises. Wichtigster Faktor bei der Festsetzung des Einschleusungspreises war der sogenannte Veredelungskoeffizient. Er sollte die unterschiedlich hohen Futtergetreidekosten, die zur Erzeugung von »1 kg Hühner« notwendig waren, ausgleichen.143 Auf Druck der USA unterbreitete die EWG-Kommission ihren Mitgliedsländern am 26. März 1963 eine Neuberechnung des Einschleusungspreises, dem ein von 2,7 auf 2,5 gesenkter Veredelungskoeffizient zugrunde lag. Statt 2,7 Kilogramm Futter für die Erzeugung von 1  Kilogramm Fleisch wären nur mehr 2,5 Kilogramm Futter und deren Preisdifferenz zwischen EWG und Weltmarkt verrechnet worden.144 Das deutsche Bundeskabinett beschloss am 29. Mai, dem Kommissionsvorschlag nicht

139 Ebd., S. 84; auch zeitgenössische Juristen teilten diese Einschätzung, wonach »the degree of indignant sternness that suffused the American reaction is hard to explain in terms of chicken alone«, sondern deren Rolle als prospektiver Stellvertreter für die generelle Ausrichtung der Handelspolitik der EWG, siehe Walker, S. 671 f. Ein Charakteristikum der außenpolitischen Handelsstreitigkeiten um landwirtschaftliche Produkte war, dass es zwar einen innenpolitischen Konflikt bei der Frage gab, ob Agrarunterstützung oder Konsumenteninteressen der Vorzug zu geben sei, außenpolitisch jedoch der größtmögliche Schutz der eigenen Landwirtschaft das Wort führte, was die »Verständnismöglichkeiten« reduzierte, siehe Gasser-Stäger, S. 161. 140 Kennedy. 141 Talbot, S. 59. 142 O. A., Common Market. 143 BArch Koblenz, B 116/11228, Betr. 24. Sitzung des Sonderausschusses Gemeinsamer Markt und Freihandelszone am 4.7.1963, 2.7.63, S. 1. 144 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 78. Kabinetts­ sitzung am 29.5.63.

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zu folgen.145 Der Ministerrat verweigerte daraufhin dem Kommissionsvorschlag seine Zustimmung und beschloss, ganz gegenteilig, am 30. Mai eine Erhöhung der Zusatzabschöpfung um 0,1 DM.146 Erwartungsgemäß verschlechterte das die transatlantische Stimmung. Ohnehin hielten die USA den bisherigen Veredelungskoeffizienten für »inflated«. Inzwischen würde auch in Europa mit einer Futter-Fleisch-Umwandlungsrate von 2,3 oder 2,4 gewirtschaftet.147 Auch einzelne Zugeständnisse änderten wenig am Verdruss der USA. So wurde der Marktzugang für Suppenhühner verbessert, deren Einfuhrbelastung zweimal reduziert wurde, sodass sie »im Wettbewerb mit Suppenhühnern (auch deutscher Herkunft) begünstigt wurden«,148 obwohl ausrangierte Legehennen für kleinbäuerliche Betriebe von wirtschaftlicher Bedeutung waren.149 In den Sommermonaten 1963 kam dennoch Bewegung in die Sache. Es zeichnete sich ab, dass der Geduldsfaden der USA sein Ende erreicht hatte und sie bereit waren, eine Karte zu spielen, die sie bisher aus Interesse am Freihandel zurückgehalten hatten: Vergeltung. Anstatt sich weiter um eine Einigung zu bemühen, drohte die Regierung in Washington am 6. August einen Zeitplan für das Zurückziehen anderer Handelskonzessionen an, das der Wirtschaft der EWG-Länder schaden und somit ihr durch den »frozen chicken tariff« erlittenes Handelsunrecht sühnen sollte. Adenauers »voluminous correspondence« mit Präsident Kennedy – er schätze, dass die Hälfte davon im Jahr 1963 »about chickens« gewesen sei – war erfolglos geblieben.150 Weil der Chicken War inzwischen zusätzlich zu einem Chicken Game geworden war, führte auch die Androhung der US-Sanktionen zu keiner neuen Dynamik.151 Was ist, wenn die USA ihre Retorsionsmaßnahmen trotzdem ein145 BArch Koblenz, B 116/11228, Bundesminister für Wirtschaft u. Bundesminister des Auswärtigen an Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Betr.: Änderung des Einschleusungspreises für geschlachtete Hühner, 15.6.1963, S. 1. 146 BArch Koblenz, B 116/11228, Stichworte zur Geflügelwirtschaftspolitik, 30.8.1963. 147 BArch Koblenz, B 116/11321, Informationsgespräch zwischen dem Herrn Staatssekretär und den Herren Vertretern der US-Botschaft in Bonn am 6.8.63, Dokument »The US Poultry Trade«, S. 3. Die »feed conversion rate« (wie viel mehr Futter pro gleicher Menge erzeugtem Fleisch) der US-Masthähnchen sank zwischen 1940 und 1960 von 4,22 auf 2,4 und pendelte sich in den 1960er Jahre zwischen 2,3 und 2,4 ein, siehe Talbot, S. 9. 148 BArch Koblenz, B 116/11228, Stichworte zur Geflügelwirtschaftspolitik, 30.8.1963. 149 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 89. Kabinettssitzung am 4.9.1963. 150 O. A., Common Market. 151 Ungeachtet der Warnung von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard in der Kabinettssitzung am 4. September vor dem »schönsten Zoll-Krieg« zwischen den USA und Europa – mit der Bundesrepublik als Mittelpunkt, was eine »sehr schlechte Sache« gerade im Hinblick auf die im nächsten Jahr anstehende Kennedy-Runde zum weiteren Zollabbau im Rahmen des GATT sei, siehe Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 89. Kabinettssitzung am 4.9.1963; BArch Koblenz, B 116/11321, United States Adherence to Provisions of the GATT in Poultry Situation, S. 2.

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leiteten, obwohl die EWG ihre Einfuhrbeschränkungen zuvor ge­lockert hatte?, fragte man sich in Bonn.152 Wegen derartiger beidseitiger Lähmung schloss sich das Gelegenheitsfenster.153 Mitte Oktober ermittelte eine Sachverständigengruppe die Höhe des den USA durch die Verordnung Nummer 22 entstandenen Schadens. Anschließend hoben die USA mit Wirkung zum 7. Januar 1964 Zollkonzessionen für Branntwein, Kartoffelstärke und Dextrin, und, mit den größten Konsequenzen für die Bundesrepublik, für Leichtlastkraftwagen auf.154 Die Vergeltungsmaßnahme funktionierte: US-Importe von »automobile trucks« aus Westdeutschland, allen voran von VW-Bussen, sanken durch den neuen 25-prozentigen Einfuhrzoll von 13.546 im Jahr 1963 auf 5.682 im Jahr 1964.155 Damit war der Chicken War vorüber. In der »Chicken Tax«, unter der der Einfuhrzoll auf Leicht-LKWs bekannt wurde, lebt er bis heute weiter.156 Der Fokus auf die USA hat nicht zu bedeuten, dass es unter den europäischen Ländern kein Handelsgerangel beim landwirtschaftlichen Shooting-Star, den Masthühnchen, gegeben hätte. Westdeutschland war Anfang der 1960er Jahre das bedeutendste Geflügelimportland, auf dessen Markt auch EWG-Länder wie die Niederlande und Nicht-EWG-Länder wie Dänemark ihre Eier und Hähnchen absetzten – und weiter absetzen wollten.157 Nachdem Verordnung Nummer 22 die Drittstaaten ausgebremst hatte, konzentrierte sich die Lobbyarbeit der deutschen Landwirtschaftsverbände auf die EWG-Mitgliedsstaaten.158 Zehn Verbände schrieben im Mai 1963 nach Bonn, dass »die EWG-Partner Holland, Belgien und besonders Frankreich mit allen Mitteln bemüht [sind], den Platz der bisherigen amerikanischen Einfuhr auf dem deutschen Markt zu übernehmen«.159 Sie forderten Einfuhrbeschränkungen auch innerhalb der 152 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 89. Kabinetts­ sitzung am 4.9.1963. 153 Talbot, S. 111. 154 Walker, S. 681. 155 Talbot, S. 122 f.; weil die höheren Zölle nicht nur gegenüber den EWG-Ländern griffen, sondern aufgrund des nicht-diskriminierenden Grundsatzes des GATT gegenüber allen GATT-Ländern, wurden die Konsequenzen ambivalent diskutiert, weil sie für die US-Konsumentinnen und Konsumenten zu höheren Preisen bei diesen Produkten führten, siehe Walker, S. 681. 156 Die US-Automobilindustrie setzte sich erfolgreich für den langen Fortbestand der »Chicken Tax« ein, weil sie ihr unliebsame Konkurrenz aus Europa, aber auch aus Japan vom Hals hielt. Das führte dazu, dass sie auf dem internationalen Markt für Pick-Ups ins Hintertreffen geriet und so Jahrzehnte später selbst zum Opfer der Chicken Tax wurden, siehe Hoffman, If You Aren’t Worried; Porter. 157 O. A., Die Produktionsentwicklung für Eier. 158 Bundesarchiv, Edition »Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung«, 89. Kabinetts­ sitzung am 4.9.1963. 159 BArch Koblenz, B 116/11228, Deutscher Bauernverband, Deutscher Raiffeisenverband, u. a. an Bundesminister Werner Schwarz, 16.5.1963; die Niederlande waren vor Markteintritt der USA 1956 das wichtigste Exportland für die Bundesrepublik, mit Abstand vor Dänemark und Polen, siehe Betz, »Jedes legt noch schnell ein Ei […]«, S. 13.

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EWG.160 Bemerkenswert ist, dass neben den Deutschen Bauernverband Verarbeiter und Händler von Geflügelfleisch getreten waren, wie der Zentralverband des Eier- und Geflügelgroßhandels, die Edeka-Zentralorganisationen oder der Bundesverband der Geflügelschlachtereien.161 Sie alle waren inzwischen zu Akteuren geworden, die ein Interesse am Gedeihen der westdeutschen Geflügelhaltung hatten. Bundeslandwirtschaftsminister Schwarz antwortete den Vertretern der Wirtschaftsverbände Mitte August 1963, dass die EWG-Kommission Maßnahmen, die gegen einzelne EWG-Mitglieder gerichtet sind, zu verhindern wisse.162 Die Vergemeinschaftung der Agrarpolitik, deren wichtiger Bestandteil der Abbau von Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten war, wandte einen Chicken War innerhalb der EWG ab. Warum war der Chicken War nun bedeutend für die Veränderung der Geflügelhaltung in Deutschland? Allem voran festigte die handelspolitische Auseinandersetzung eine neue wirtschaftliche Konzeption der Hühner. Die Agrarpolitiker des Chicken War imaginierten das Huhn als Bioreaktor, der Futtergetreide in Hähnchenfleisch umwandelte. Diese Vorstellung war quantifizierbar. USA und EWG stritten in Zahlen über die Leistungsfähigkeit ihrer Hühner. Aus wieviel Futter machten sie wieviel Fleisch? Brauchten sie die 2,7-fache Futtermenge für ein Kilogramm Fleisch oder doch nur die 2,3-fache? Der Veredelungs­ koeffizient gab Aufschluss über den Wirkungsgrad der Veredelungsmaschine Huhn. Die Zahl wurde zum Gradmesser der Wettbewerbsfähigkeit der westdeutschen Hühnerhalter. Erreichten sie den politisch festgesetzten Veredelungs­ koeffizienten nicht, deckten die politisch gesetzten Abnahmepreise ihre Produktionskosten nicht. Der Chicken War wirkte als Katalysator für die Rentabilitätssteigerung der Geflügelhaltung. Aus der handelspolitischen Verwicklung leitete die Bundesregierung ab, selbst möglichst rasch produktiver werden zu wollen. Die agrarpolitischen Weichen wurden entsprechend gestellt. Das übersetzte die kataly­tische

160 BArch Koblenz, B 116/11228, Deutscher Bauernverband, Deutscher Raiffeisenverband, u. a. an Bundesminister Werner Schwarz, 16.5.1963. 161 Vollständige Liste der unterzeichnenden Organisationen: Deutscher Bauernverband, Deutscher Raiffeisenverband, Bundesverband der Geflügelschlachtereien, Zentralverband des Eier- und Geflügelgroßhandels, Bund deutscher Eierimporteure, Bund deutscher Wildund Geflügelimporteure, Bundesverband deutscher Eier- u. Geflügel-Importeure, Edeka Zentralorganisationen, Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften, Verband bäuerlicher Junggeflügelmäster, siehe BArch Koblenz, B 116/11228, Betr. EWG-​ Marktordnung für Eier und Geflügel, 16.5.1963; BArch Koblenz, B 116/27014, Hr. Schlütter u. Dr. Nell, Bericht über das Jahr 1970/71 des Bundesverbandes der Geflügelschlachtereien; BArch Koblenz, B 116/27384, Hr. Zörner und Graf v. Perponcher (Arbeitsgemeinschaft Deutsche Schlachtgeflügelwirtschaft) an die Landwirtschaftsminister der Bundesländer, April 1967. 162 BArch Koblenz, B 116/11228, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Deutschen Raiffeisenverband, den Deutschen Bauernverband, den Bundesverband der Geflügelschlachtereiern, u. a., Bonn, 14.8.1963.

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Rentabilitätswirkung in den Stall: Dort führte der Chicken War ungeachtet seines protektionistischen Ausgangs zur stetigen Drohkulisse von Welthandel und Handelsliberalisierung als Anwälten einer Anreizpolitik für stetig produktivere und damit wettbewerbsfähigere Betriebe. In der Auseinandersetzung um Einschleusungspreise und Abschöpfungsbeträge erlebte das Huhn einen Kommodifizierungsschub. Als Teil internationaler Wirtschaftspolitik waren seine Körperprozesse – per Veredelungskoeffizient – in geldwerte Äquivalente umrechenbar gemacht worden. International war die Geflügelhaltung, das zeigte der Chicken War, zu einem Zahlenspiel geworden.163 In den deutschen Ställen stand diese Entwicklung noch aus und fand im Anschluss an die internationale Vermarktlichung, und angetrieben von ihr, statt. Die durch Kapital, modernisierte Ställe und unternehmerisches Geschick günstiger produzierende Geflügelhaltung der USA164 inspirierte westdeutsche Geflügelexperten nicht nur ideell auf ihren Bildungsreisen, sondern auch faktisch durch drohende Konkurrenz. Das leitet über zu einer zweiten Beobachtung: Obwohl es sich bei der Geflügelmast um einen neuen landwirtschaftlichen Produktionszweig handelte und die Gemeinsame Agrarpolitik der EWG gerade erst Gestalt annahm, fand im Zuge des Chicken War historisch bekanntes agrarprotektionistisches Instrumentarium Anwendung. Zu Beginn der 1960er Jahre war es nicht mehr allein das Getreide selbst, das aufgrund seines seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts (mit Unterbrechungen) »funktionierenden Weltagrarmarktes« die deutschen Produzenten in Bedrängnis brachte, sondern zusätzlich die im Huhn stattfindende Getreideumwandlung.165 Als sich abzeichnete, dass die Einträglichkeit des vielversprechenden Wirtschaftszweigs Geflügelfleisch durch ausländische Konkurrenz gefährdet war, bediente sich die europäische Agrarpolitik mit Einfuhrzöllen des altbekannten nationalen Mittels für diesen Fall. Diese Entscheidung versicherte der europäischen Agrarintegration die Zustimmung der nationalen Landwirtschaften, die »dieses System des Außenschutzes  […] verständlicherweise« begrüßten, im deutschen Fall in besonderem Maße, »weil es weit geschlossener ist als das bisherige«.166 1963 behielt der Protektionismus Oberhand. In dem Moment, als Bonn unbeeindruckt von den Drohungen des Bauernverbandes,167 bereit gewesen wäre, den Schutz der heimischen Landwirte 163 Zur Konzeption landwirtschaftlicher Tierhaltung als Preispolitik siehe, BArch Koblenz, B 116/25567. 164 Talbot, S. 33. 165 Torp, Die Herausforderung, S. 97. 166 Sonnemann. 167 BArch Koblenz, B 116/11228, Bauernverband and Bundekanzler, 7.9.1963. Diese Episode der Interessensartikulation des Deutschen Bauernverbunds, der unverhohlen mit politischer Unruhe drohte, unterstützt die These Kiran Patels, dass der Bauernverband durch seine erfolgreiche Interessensvertretung die Demokratieakzeptanz seiner Mitglieder verstärkte und selbst, trotz beständiger Kritik an der Agrarpolitik der EWG, von der Europäischen Integration profitierte, siehe Patel, Der Deutsche Bauernverband.

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aufgrund »bedeutungsvolle[r] außenpolitische[r] Gesichtspunkte« zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland zu reduzieren,168 beendeten die USA den Chicken War. Dennoch prägte der Handelskonflikt das weitere Wirtschaften mit Ge­f lügel. Er hatte gelehrt, dass Abschottung und Marktbeschränkung nur gegen einen hohen Preis zu haben waren. Wozu dieses Bewusstsein im Stall führte, zeigt das nächste Kapitel, das sich der betriebswirtschaftlichen Praxis in west- und ostdeutschen Hühnerställen zuwendet.

2.3 Betriebswirtschaft: Kostenrechnung als neues Bekenntnis im Stall Mit 33,67 Mark im Jahr 1967 und 70,4 Prozent schlug das Futter bei den Kosten, die jede der 16.000 Legehennen der LPG Hottelstedt verursachte, mit großem Abstand zu allen folgenden Posten zu Buche. Die LPG Hottelstedt war Teil der Kooperationsgemeinschaft Berlstedt, beides in Thüringen, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen NS-Konzentrationslagers Buchenwald. Etwa ein Zehntel der Futterkosten, 7,5 beziehungsweise 7,3 Prozent, nahmen die beiden nächst­ größten Posten ein.169 Dabei handelte es sich um die Vergütung der Menschen mit drei Mark sechzig je Henne und die Anschaffung des Tiers für drei Mark fünfzig. Die restlichen sieben Mark verteilten sich auf Abschreibungen, Hilfsmaterial und außerbetriebliche Leistungen. Das fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Ökonomik und Preise beim Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR heraus, als es im September 1968 eine Studie über »ökonomische Probleme bei der Verwirklichung neuer Entwicklungsvorstellungen in der Kooperationsgemeinschaft Berlstedt« veröffentlichte. Deren Kern war ein »Kosten-Preismodell«, das Aufschluss geben sollte über die Verbesserung der Rentabilität der Einrichtung. Arbeitsteilung, fand die Studie heraus, war der Schlüssel der niedrigen Vergütungskosten der Eierproduktion. Einzelne Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wie die auf Abbildung 13 zu sehende Geflügelzüchterin Hedwig Conrat, waren mit isolierten Arbeitsschritten betraut. Frau Conrat sortierte, mithilfe der Eiersortiermaschine, im Jahr 1967 jeden Tag bis zu 8.000 anfallende Eier. Sie prüfte Luftkammer und Dotter per Durchleuchtung des Eis, sortierte nach Qualität und Größe, stempelte, verpackte und schickte die Eier dann auf den Weg in den 168 BArch Koblenz, B 116/11228, Bauernverband and Bundekanzler, 7.9.1963. 169 BArch Berlin, DK 1/11987, Modell der Bereiche Schweinehaltung, Geflügelhaltung und Rinder­haltung, Institut für Ökonomik und Preise beim Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR, Fachgebiet: Analyse der Kostenentwicklung: Studie über ökonomische Probleme bei der Verwirklichung neuer Entwicklungsvorstellungen in der Kooperationsgemeinschaft Berlstedt mit Hilfe eines Kosten-Preismodells, Berlin 4.9.1968.

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Abb. 13: LPG Hottelstedt, Blick in die Sortierung, Dieter Demme, 17.4.1967.

Handel.170 Fünf Jahre später war der tägliche Eieranfall auf über 56.000 gestiegen, von 108.000 Hennen gelegt.171 Die Berechnung der ausdifferenzierten Hennenkosten und Frau Conrats Tätigkeit zeigen, dass sich die Parameter des Wirtschaftens mit Geflügel veränderten. Zahlen wurden erhoben, an denen der Betriebsablauf anschließend ausgerichtet wurde. Zahlenbasierte Verfahren zur ökonomischen Effizienzsteigerung waren bisher kein üblicher Bestandteil der Praktiken im Geflügelstall. Das ist die zweite Dimension der Revolution im Stall, die im Zentrum dieses Kapitels steht. 170 BArch Bildarchiv, Bild 183-F0417-0007-001 und zeitgenössische Bildbeschreibung, http:// www.bild.bundesarchiv.de/cross-search/search/_1552081952/?search[view]=detail&search​ [focus]=1 (abgerufen am 8.3.2019). 171 Thoma, S. 187.

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Die Architekten der neuen Hühnerhaltung begannen beständig zu rechnen, zu planen und zu kalkulieren, und fällten ihre Entscheidungen entlang finanzieller Kennziffern und nicht länger aufgrund tradierten Wissens über Tiere und deren Körperabläufe.172 Ihr Handeln begann sich strategisch auf eine möglichst ertragreiche Zukunft auszurichten. Damit endete ein spezifisch landwirtschaftliches Wirtschaften, das vom Wetter, den Jahreszeiten und den organischen Prozessen der Tiere geprägt gewesen war. Zyklische und rhythmische Wirtschaftsabläufe wurden seriell und linear. Das Huhn wurde auch als lebendiges Tier bereits als das Produkt, als das es anschließend Erlös brachte, betrachtet. Die Geflügelhaltung wurde nicht länger narrativ beschrieben, sie wurde formalisiert, quantifiziert und berechnet.173 Dass die epistemische Entagrarisierung auch tatsächliche Konsequenzen im Stall hatte, ist gerade in der Geflügelhaltung unbestritten, deren Produkte zur Metapher für Modernisierung, Industrialisierung und Naturentfremdung geworden sind. Nicht Auto oder Smartphone seien »the most telling symbol of the modern era«, sondern das »chicken nugget«, war im Mai 2018 im Guardian zu lesen.174 Der untüchtigen Legerinnen den Garaus machende Hennensortierer in Kapitel 3.1 ließ plastisch werden, dass die Ausgangslage landwirtschaftlicher Geflügelhaltung um 1950 auch schon Wirtschaften war. Eine lineare Ökonomisierungserzählung greift deshalb zu kurz.175 Dieser Teil untersucht im Detail, welche ökonomischen Parameter der Geflügelhaltung sich veränderten. In dem Maße, in dem sich die Geflügelhaltung erstens von den zyklischen Rhythmen der Natur emanzipierte und zu einer beliebig reproduzierbaren Unternehmung wurde und zweitens von Selbstversorgung und Zubrot zu einem eigenständigen Betriebszweig, in dem Maße wurden skalenökonomische Effekte der Massenproduktion attraktiv. Sie ließen Eier und Geflügelfleisch günstiger 172 Die Aufwertung von Finanzkennziffern und die Zerlegung in kleinere Einheiten sind endogene Kennzeichen einer Vermarktlichung von Unternehmen, die damit ihre Effizienz und ihren Umsatz zu steigern versuchen. Von Ralf Ahrens, Marcus Böick und Marcel vom Lehn wird dieser Umbauprozess innerhalb von Unternehmen als restrukturierende Vermarktlichung beschrieben. Weil zwar die Kennzeichen dieser Vermarktlichung in den ost- und westdeutschen Geflügelbetrieben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts anzutreffen sind, in der DDR jedoch das entscheidende Movens, der den Wettbewerb erzeugende Markt, fehlte, eignet sich das Konzept nur begrenzt für die Erklärung des Erkenntnis­ interesses dieser Arbeit. Siehe Ahrens u. a. Weil auch der Markt für Geflügelprodukte in der Bundesrepublik kein im eigentlichen Sinne freier war, sondern durch jährliche Preisfestsetzungen in Brüssel gekennzeichnet, ist die Erkenntnis dieser deutsch-deutschen Betrachtung, dass nicht nur der Markt zu Vermarktlichung führen kann, sondern auch der Staat. 173 Moser u. Auderset, S. 281. 174 Patel u. Moore, How the Chicken Nugget; dies., A History of the World in Seven Cheap Things, S. 156 f. 175 Für vormals nicht wirtschaftlich organisierte Bereiche wie Bildung oder Gesundheit kann das Konzept der Ökonomisierung hingegen fruchtbar sein, wie zeitgenössische soziolo­ gische Analysen nahelegen, siehe Aykel; Schimank u. Volkmann, S. 382–393.

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werden, je größer, dichter und arbeitsextensiver die Geflügelhaltung angelegt wurde. Günstigere Geflügelprodukte wiederum waren das Ziel von sowohl den in marktwirtschaftlichem Wettbewerb stehenden Geflügelhalterinnen und -haltern der Bundesrepublik als auch von den Agrarplanern der DDR, die 1959 beschlossen hatten, dass 1965 die »volle Versorgung der Bevölkerung mit tierischen Produkten« erreicht sein solle und die westdeutsche Landwirtschaft »in den Leistungen der Viehwirtschaft je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche« stets zu überbieten sei.176 In dreierlei Hinsicht veränderten Economies of Scale das Wirtschaften im Hühnerstall. Erstens veränderte sich mit der Intensivierung und dem Ende der Auslaufhaltung die Betrachtung des Raumes: Je besser er ausgenutzt wurde, desto günstiger wurden die Hühner und ihre Produkte. Zweitens veränderte sich die Rolle der menschlichen Arbeitszeit: Je mehr Tiere von einer Arbeitskraft betreut werden konnten, desto günstiger wurden sie im anschließenden Verkauf. Drittens veränderte sich die Position des Tiers: Je effektiver es trotz neuer Risiken der Massenhaltung Futter in Eier und / oder Fleisch verwandelte, desto günstiger wurden seine Produkte. Das Berlstedter Hühnerkostendiagramm von 1968 illustrierte diese drei Stellschrauben seiner Kostenrechnung: Die Futter- und »Tiereinsatzkosten« waren in Berlstedt für 77,9 Prozent der Kosten des Produkts verantwortlich, der dortige Raum schlug mit 11,8 Prozent und die menschliche Arbeit mit 9,5 Prozent je Henne zu Buche. Alle drei skalenökonomischen Stellschrauben, die im Folgenden genauer untersucht werden, dienten, betriebswirtschaftlich gesprochen, der Minimierung der Stückkosten. 2.3.1 Economies of Scale I: Raum Erna Edeltraud, »Meister der Tierzucht« in der LPG »Fortschritt« in Nobitz bei Altenburg im Bezirk Leipzig, berichtete auf dem IV. Bauernkongress der DDR in Rostock, dass die in ihrer LPG jüngst realisierte »Intensivgeflügelhaltung« 1960 zum ersten Mal erlaube, die im Siebenjahrplan vorgesehenen 457 Eier pro Hektar zu erfüllen.177 Der Eierregen nahm seinen Anfang, als sich die Brigade »Besseres Leben« dazu entschloss, einen »alten leerstehenden Heuboden« von einhundert Quadratmeter für den ganzjährigen Aufenthalt von 500 Hühnern auszubauen. Dass der ehemalige Heuboden im ersten Stock lag, war unproblematisch, weil ein Auslauf der Tiere nicht länger vorgesehen war.178 Vier Mark pro Hennenplatz kostete »die Herrichtung unseres Intensivstalls«. Doch warum holten die Arbeiterinnen und Arbeiter der LPG »Fortschritt« die Hennen rund um die Uhr nach drinnen, wo doch in den Jahren zuvor gegolten hatte, dass die 176 Kuntsche, S. 53. 177 Edeltraud, S. 191 u. S. 193. 178 Der Umbau mehrgeschossiger Gebäude zu »neuzeitlichen« Geflügelställen war verbreitete LPG-Praxis, siehe z. B. Simm, S. 231.

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Hühnerhaltung umso »einträglicher ist«, je mehr »kostenloses Freifutter« wie Unkraut oder Würmer, das nur Hühner zu verwerten in der Lage waren, zur Verfügung stand?179 Nur drinnen konnten die skalenökonomischen Effekte des Raumes genutzt werden. In einem Stall ohne Auslauf konnten mehr Tiere gehalten werden als bei einer Haltungsform, die Stall und Auslauf kombinierte. Als die Hühner ihre Vitamine noch selbst aus dem Boden picken mussten, weil ihrem Futter beigemischte »Wirkstoffe aus der Retorte« noch nicht bereitgestanden hatten, hatte eine Verhaltenseigenart der Tiere die maximale Größe einer Hühnerherde begrenzt.180 Der Grenzwert lag bei maximal 300 Tieren pro Herde, weil mehr Tiere »für den Auslauf bereits erhebliche Nachteile« brachten.181 Denn jedes einzelne Tier lief nicht weiter als vierzig Meter in eine Richtung. Geometrie nach Adam Riese: Steht der Stall in der Mitte eines quadratischen Auslaufs von vierzig Metern nach allen vier Seiten, ergibt sich eine Auslauffläche, die wiederum geteilt durch den pro Huhn empfohlenen Auslauf zur optimalen Nährstoffversorgung eine optimale Herdengröße von etwa 220 Tieren anriet.182 Erst als nach dem Zweiten Weltkrieg jener »Aufschwung unserer Erkenntnisse auf dem gesamten Wirkstoffsektor« stattfand, der die Herstellung eines Hühnerfutters ermöglichte, das alle Nähr- und Mineralstoffbedarfe der Tiere abgedeckte, zeigten ausschließlich im Stall gehaltene Tiere keine Mangelkrankheiten mehr.183 Bei Verwendung dieses Futters war die Hühnerherdengröße nun nicht länger durch die »Entfernungen, die eine Henne freiwillig zurücklegt« begrenzt.184 Wegen ihrer Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit der Hühnerhaltung hielt Forschung zur Geflügelernährung das gesamte 20. Jahrhundert auf so hohem Niveau an, dass um die Jahrtausendwende galt: »[O]ur understanding of chicken nutrition now exceeds that of any other domestic animal including humans«.185 Zeitlich parallel mit dem Aufbau erster Intensivhaltungen – so wurden Systeme ganzjähriger Stallhaltung genannt  – in der DDR berechneten Diplom­ landwirte den Zusammenhang zwischen der Unterbringung der Hühner und ihrem Ertrag auch in der Bundesrepublik. Die Unterbringung sei in einer »Ganz-Stallhaltung auf Tiefstreu«, im Gegensatz zum verbrauchten Futter, ein Festkostenpunkt, der die wirtschaftliche Belastung der Durchschnittshenne

179 Römer, Nutzbringende Geflügelwirtschaft, S. 101; Brüggemann, Viehhaltung, S. 40. 180 Mehner, …und dann kamen sie in den Käfig, S. 13. 181 Mehner, Welchen Lebensraum?, S. 754. 182 Ebd. 183 Voigt, S. 9; Kintzle, S. 406; Rude, S. 114; zwanzig Jahre nach Vitamin D war die Isolierung und synthetische Herstellung von Vitamin B12 der nächste entscheidende Schritt, bevor Antibiotika und Kokzidiostatika (gegen verbreitete Magen-Darm-Erkrankungen sog. Kokzidiosen durch Kokzidienbefall) seit 1950 zu zuverlässigerem Wachstum führten, siehe Talbot, S. 5. 184 Mehner, Quo vadis?, S. 450. 185 Boyd u. Watts, S. 193.

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umso höher steigen lasse, »je geringer der Durchschnittshennenbestand ist«.186 Mehr Tiere im gleichen Raum ließen den Herstellungspreis dieser Tiere günstiger werden, weil sich die Kosten der Unterbringung auf mehreren Hühnerrücken verteilten.187 Je besser dieser degressive Kostenverlauf genützt würde, desto stärker verkehrte sich die herkömmliche Auslaufrechnung in ihr Gegenteil, weil »mit zunehmender Größe der Herden […] die Futtereinsparung durch den Auslauf ganz unbedeutend« würde.188 Bisher würde, so Günter Müller, der die westdeutschen Landwirte im Auftrag des Münchner Ifo-Instituts auf den Geschmack rentabler Hühnerhaltung zu bringen versuchte, »bei Hühnerställen im allgemeinen zu sehr gespart«.189 Das räche sich in der Jahresbilanz, weil nur Gebäude mit speziellen Vorrichtungen die Vorteile der ganzjährigen Stallhaltung garantierten. Der Hauptvorteil war das Ende der Saisonalität der Hühnerhaltung. Bisher sank das Legeverhalten mit den kürzer werdenden Tagen, zwar je nach Rasse unterschiedlich, aber doch so, dass Eier im Winter schwieriger und teurer zu beschaffen waren.190 Im Frühling dann, stets pünktlich zu Ostern, war die nächste Eierschwemme garantiert. Abbildung 14 zeigt die große Schwankung des Eieranfalls Anfang der 1950er Jahre und ihre anschließende Nivellierung bis 1970. Um die Variablen auszuschalten, die für die schwankende Produktivität der Tiere verantwortlich gewesen waren, mussten Licht und Temperatur des Stalls den Hennen auch in der dunklen Jahreszeit glaubhaft vorgaukeln, es wäre Frühling. Eine Lichtanlage mit Zeitschaltuhr und die ausreichende Isolierung des Gebäudes im Winter waren die Bausteine dafür. Die Temperatur beeinflusste die Menge des notwendigen Futters, weswegen es wirtschaftlicher war, den Stall zu wärmen, als die Tiere »mit dem Futter heizen« zu lassen.191 In den Hühnerställen der LPG »Fortschritt« sorgten seit 1959 »Neonleuchten, die mit einer Schaltuhr verbunden sind«, ganz automatisch dafür, dass »die Tiere einen 15stündigen Arbeitstag haben«.192 Drei Watt je Quadratmeter, etwa 14  Lux, seien ausreichend, zeigten Experimente in Krefeld, den Eierstock der Hühner über deren Hirnanhangdrüse auszutricksen und die gewünschte Eierproduktion anzuregen.193 Innovationen wie das künstliche Lichtprogramm trugen zur Verschiebung der Kompetenzverteilung zwischen den Geschlechtern bei. Obwohl Frauen herkömmlicherweise die Expertinnen des Federviehs gewesen waren, wurde nun sogar in der um die Gerechtigkeit der Geschlechter stärker bemüh186 Rabe, S. 670 u. S. 677. 187 Ebd., S. 677. 188 Ebd., S. 675. 189 Müller, Rentabilitätsfragen, S. 24. 190 Zur »Nivellierung der saisonalen Leistungsdifferenzen« zwischen 1960 und 1967 siehe Brandkamp, S. 95. 191 Jungehülsing, S. 154. 192 Edeltraud, S. 192; BArch Filmarchiv, BSP 9030–2, DEFA für populärwissenschaftliche Filme, 1960, »Flora, Jolanthe und 4.000 Hühner«. 193 Querner.

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Abb. 14: Jahreszeitliche Schwankung der Eiererzeugung in der Bundesrepublik 1951/54, 1958/61 und 1967/70.

ten DDR hervorgehoben als wäre es etwas Besonderes, dass es Frauen dank zwei Lehrgängen »selbstständig« verstünden, »das Lichtprogramm für den jeweiligen Tierbestand einzustellen«.194 Das künstliche Lichtprogramm und seine Wirkung begeisterten die Hühnerhalterinnen und -halter in Ost- und Westdeutschland ebenso wie die günstige Einrichtung der neuen Ställe, wenn auf bestehende Bauten zurückgegriffen wurde. Vier Bauern aus Lindau bildeten 1959 eine »Eierkoalition«.195 Auf ihren Heuböden, deren Lagerkapazitäten ungenutzt waren, weil ihre Rinder und Schweine inzwischen mehr Nass- als Trockenfutter fraßen, richteten sie eine »Hühner-Vollintensivhaltung, wie sie besser nicht sein könnte«, ein.196 Pro Heuboden versammelten sie etwa 1.000 Hennen, deren Plätze in der Herstellung nur 2,60 DM kosteten. Vor den notwendigen Kosten der ersten ganzjährigen Ställe, auch wenn sie bei Neubauten mit der immerhin zehnfachen Summe von 25 bis 50 DM je Hennenplatz angegeben wurden, bräuchte man sich nicht zu fürchten, wurden Hühner194 Hartmann, S. 427. 195 Betz, Hühnergegacker über Kuhställen. 196 Ebd.

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halterinnen und -halter ermuntert.197 Auch wenn der Betrag für einen neuen Stall mit beispielsweise 1.000 Plätzen damit »in der Vermögensbilanz eines mittleren landwirtschaftlichen Betriebes wesentliche Bedeutung hat«, gäbe es »keinen anderen Betriebszweig, in dem sich das investierte Kapital annähernd so schnell umschlägt wie bei der Intensivhaltung von Legehennen«.198 Zwei Entwicklungen, die seit Ende der 1950er Jahre in beiden Teilen Deutschlands beobachtbar waren, begünstigten die Herrschaft der Zahlen im Hühnerstall. Erstens löste sich die Geflügelhaltung aus ihrer Einbettung in den landwirtschaftlichen Betrieb und wurde zu einer eigenen Unternehmung.199 Zweitens ging diese Herauslösung Hand in Hand mit der ökonomischen Neukonzeption der Hühnerhaltung.200 Die neuen Haltungsmethoden zu realisieren »erfordert[e] einen entsprechend hohen Kapitaleinsatz«.201 Dieses Kapital konnte nicht aus Rücklagen oder laufenden Einnahmen aufgebracht werden, sondern wurde per Kredit beschafft. Das Einzughalten des Kredits in die Produktionssphäre landwirtschaftlicher Tierhaltung war das wichtigste Movens der Rentabilisierung. Zuvor war die Geflügelhaltung »praktisch ohne Investitionen« betrieben worden.202 Der Übergang war jedoch fließend. Das Bayerische Land­ wirtschaftliche Wochenblatt rechnete 1960 seiner an intensiver Hähnchenmast und Legehennenhaltung interessierten Leserin Kreszenz H. die Einrichtung einer Anlage für 200 Masthühner und 200 Hennen nur entlang der Kosten der Tiere und ihres Futters vor, ohne Stalleinbau oder Arbeitsstunden zu berücksichtigen, »da sie ohne fremde Arbeitskraft verrichtet wurden«.203 Sukzessive erzeugte die Bedienung des zur Einrichtung der Hühnerhaltung aufgenommenen Kredits einen neuartigen Kostendruck im Stall. Hühnerhalterinnen und -halter sollten deshalb »über die Fähigkeit verfügen, mit Geld genau umgehen zu können«.204 Die »rationale Kapitalrechnung« zwingt in Konkurrenz stehende Unternehmen »bei Strafe ihres Untergangs« zur Ausschöpfung von Potentialen zur Kostensenkung, wusste Karl Marx und beschreibt damit auch in den 1960er Jahren die systemische Ursache der »Produkt-, Prozess- und Verfahrensinnovationen« der auf Fremdkapital basierenden Erzeugung von Eiern- und Geflügelfleisch in der Bundesrepublik.205 In dem Maße, wie die Herauslösung des Betriebszweigs Geflügelhaltung mit zu bedienendem Fremdkapital erfolgte, wurden Rechnen und Kalkulieren zu 197 O. A., Hühnerfarm kostet 50 DM je Huhn. Die landwirtschaftliche Presse berichtete regelmäßig, was beim selbstständigen Umbau eines »modernen« Hühnerstalls zu beachten war, siehe z. B.: Lohmann, Schöner Wohnen auch für Hühner. 198 Müller, Rentabilitätsfragen. S. 39. 199 Für die DDR siehe Bauermann u. a., S. 28. 200 Müller, Rentabilitätsfragen, S. 39. 201 Marx, S. 533; Welskopp, Unternehmen Praxisgeschichte, S. 10. 202 Jungehülsing, S. 150. 203 Kreszenz H. 204 Jungehülsing, S. 164. 205 Welskopp, Unternehmen Praxisgeschichte, S. 11.

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den handlungsleitenden Praktiken im Hühnerstall. Langfristige Kredite vertrugen keine unkontrollierbaren Variablen. Die Ausschaltung der Saisonalität der Hühnerhaltung durch ganzjährige Stallhaltung mit Licht- und Temperaturprogramm war deshalb ein zentraler Schritt ihrer Einpassung in die Schablonen betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Rechnen in der Landwirtschaft war nichts gänzlich Neues. Als aufklärerisches Projekt an der Wende zum 19. Jahrhundert entstand, Albrecht Thaer ist der dazugehörige Name, ein landwirtschaftliches Rechnungswesen, das bis heute für die rechnerische Kontrolle der Abläufe zwischen Boden und Tier steht.206 Doch Buchführung und Kostenrechnung waren vor 1950 zu keiner flächendeckenden Praxis im Stall geworden, sondern jenseits punktueller Anwendung als Forderung im Expertendiskurs verblieben.207 1951 führten überhaupt nur Betriebe, die zusammen 10,9 Prozent der westdeutschen Fläche bewirtschafteten, Buch und die Geflügelhaltung wurde dabei nicht erfasst, weil ihre Kosten als nicht isolierbar galten.208 Noch 1980 war die Realität in den Augen der Wirtschaftsexperten »ernüchternd«, weil zwar jeder »in irgendeiner Form rechne«, es sich aber meist »um recht grobe, die Richtung andeutende Schätzungen« handle.209 Mit der ganzjährigen Stallhaltung des Geflügels auf Basis zugekauften Futters waren die »biologischen Faktoren«, die den Siegeszug der Kostenrechnung in der Landwirtschaft bisher gehemmt hatten, ausgeschaltet.210 Mit der konzentrierten ganzjährigen Bodenhaltung von meist zwischen 500 und 1.000 Tieren pro Raum, entweder zur Junggeflügelmast oder zur Eierproduktion, endeten die skalenökonomischen Effekte der Raumnutzung nicht. Zwar fand auch die Bodenhaltung in mehrstöckigen Gebäuden statt, eine wesentlich stärker verdichtete Raumnutzung konnte jedoch dann erreicht werden, wenn die Tiere in mehreren Etagen direkt übereinandergestapelt wurden. Diplomlandwirt Ludwig Schmidt aus Breitbrunn am Chiemsee berichtete 1963 davon, dass »das Thema ›Batteriehaltung‹ […] seit etwa einem Jahr« durch viele Gespräche geistere.211 In den zu einer Batterie übereinandergestapelten Käfigen konnten pro Quadratmeter um die zwanzig Tiere zur Eiererzeugung und damit mehr als doppelt so viele wie bei der Bodenhaltung gehalten werden. Weil die Investitionen für eine Käfighaltung jedoch höher waren als die der Bodenhaltung, waren »Bestände unter 4.000 Stück […] wirtschaftlich wenig sinnvoll«, so die Branchenmeinung 1965.212 Zudem waren die Abschreibungen hoch, weil die Lebensdauer der Käfige »auf höchstens acht bis zehn Jahre veranschlagt werden 206 Thaer. 207 Siehe z. B., Zörner. 208 Müller, Das landwirtschaftliche Rechnungswesen, S. 117; Brüggemann, Viehhaltung, S. 42 f. 209 Zilahi-Szabó, S. 5. 210 BArch Koblenz, B 116/23044, BML Ministerialrat Petrich an Georg E.  Siebeneichner, 14.7.1961, S. 1. 211 Schmidt, Batteriehaltung in Deutschland?. 212 Jungehülsing, S. 155.

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kann«.213 Der Zusammenhang war: Je höher die Investitionssumme, desto größer hatte der Bestand zu sein. 5.000 Käfige zu kaufen, zu installieren und zu betreiben war nicht zehnmal so teuer wie 500 Käfige. Die Käfighaltung der Legehennen in mehrstöckigen Batterien, wie die überund nebeneinander gestapelten Käfige in Anlehnung an die stromspeichernden Zellen einer Batterie genannt wurden, wurde von Beginn an, und damit etwa ein Jahrzehnt bevor sich die allgemeine Öffentlichkeit daran zu stoßen begann, innerhalb der landwirtschaftlichen Branche kritisch kommentiert. Wilhelm Seedorf, ein in den 1960er Jahren bereits altgedienter Agrarwissenschaftler, der 1905 an der Universität Göttingen promoviert worden war, fürchtete sich vor den Konsequenzen der »Unnatur« Käfighaltung. Es müsse doch »die Güte der Erzeugnisse irgendwie beeinflussen«, wenn man die »Sonnentiere, die in frischer Luft frei leben und einen großen Bewegungsdrang haben«, in einen Käfig sperrt, fragte er skeptisch.214 Zweifel wie die von Seedorf bremsten die Rentabilitätsverbesserung durch Raumverdichtung im Hühnerstall nicht. Sorgen um die Bedürfnisse der Tiere zogen gegenüber wirtschaftlichen Argumenten den Kürzeren. In den 15 Jahren zwischen 1963 und 1978, so Rose-Marie Wegner, die seit 1976 als erste Frau der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle vorstand,215 setzten sich Käfige in verschiedensten Ausführungen als »übliche« Haltungsform für Legehennen durch.216 Alle Käfigtypen einte die drei- bis viermal höhere Tierzahl je Quadratmeter Stallbodenfläche als bei Bodenhaltung. Auch in der DDR löste der Käfig den Boden als bevorzugte Haltungsform für die Erzeugung von Eiern ab. 1969 bekam Karl Brauer, Geflügelzuchtmeister und Leiter der zwischengenossenschaftlichen Einrichtung (ZGE) des Kreises Halberstadt, in der sieben beteiligte LPG ihre Hühner konzentrierten, Besuch von Manfred Grund, einem Redakteur der Neuen Deutschen Bauernzeitung. Die Zeitung war 1960 von der SED-Parteiführung gegründet worden und seither die wichtigste Branchenzeitung der DDR, in der auch Probleme relativ offen angesprochen werden konnten. Die Zeitung nahm durch über 7.000 jährliche Leserbriefzuschriften zudem eine wichtige beratende Rolle in der ostdeutschen Landwirtschaft ein.217 Der Grund für den Redakteursbesuch in Halberstadt 1969 war die Ausdehnung der dortigen Geflügelhaltung: In den vorangegangenen fünf Jahren waren aus 6.000 Hennen 213 Zerboni, Hühner hinter Gittern. 214 Seedorf. 215 Dass mit Rose-Marie Wegner dieser Bundesforschungseinrichtung eine Frau vorstand, ist eine Ausnahme in der männlich dominierten landwirtschaftlichen Tierhaltung und ihrer Forschung. Sie kann als weibliche Pfadabhängigkeit gedeutet werden, die der insgesamten Vermännlichung der Geflügelhaltung trotze und darauf zurückzuführen ist, dass die Haltung von Geflügel im Unterschied zu Rindern- und Schweinen traditionell in weiblicher Hand gelegen hatte. 216 Wegner, Neue Entwicklungen, S. 491. 217 Tanneberger.

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»im ersten und zweiten Stock eines ehemaligen Speichers« 108.000 Hennen geworden, in Hallen zu je knapp 9.000.218 Statt auf dem Boden waren die Hennen in selbst produzierten »Plastbatterien« untergebracht. Die Halberstädter Tüftler hatten »ein Drittel der Käfige versuchsweise mit drei Hennen besetzt« und dabei festgestellt, dass weder die Leistungen der Tiere sanken, noch ihre Verluste stiegen. Die experimentelle Höherbelegung wurde so rasch zum Standard, weil sie »die Wirtschaftlichkeit der Anlage bedeutend« steigerte.219 Nach diesem Prinzip der Erhöhung der Tierdichte wurde auch in den Geflügelstaatsbetrieben der DDR verfahren. Im Kombinat Industrielle Mast (KIM) »Hermsdorfer Kreuz«, ein Staatsbetrieb, der den Bezirk Gera 1972 mit täglich 115.000 Eiern versorgte, wurde 1973 »die Tierbesatzdichte pro m3 [sic!]« von 12 auf 15 Tiere in der Broilermast und von drei auf vier Hennen im Legekäfig erhöht.220 Die Entscheidung für Geflügelstaatsbetriebe war 1964 gefallen. Die Sowjetunion hatte eine Reduzierung ihrer Lebensmittellieferungen angekündigt und der Unmut der DDR-Bürgerinnen und -Bürger der Jahre 1960 und 1961, als die Versorgungslage wegen der Zwangskollektivierung eingebrochen war, stand den ostdeutschen Agrarpolitikern noch vor Augen.221 Um speziell in der Nähe von Großstädten, Industriezentren und Erholungsgebieten die Versorgung mit tierischen »Frischprodukten« zu garantieren, wurden deshalb zwischen 1965 und 1972 1,7 Milliarden Mark in den Aufbau von elf KIM sowie weiteren Staatsgütern gesteckt, die seit 1971 von der VVB Industrielle Tierproduktion aus gelenkt wurden.222 Der Tschechoslowakei und ihren staatlichen Geflügelbetrieben kam dabei eine Vorbildrolle zu.223 Bemerkenswert am Aufbau dieser Staatsbetriebe ist seine Dringlichkeit in den Augen des SED-Politbüros, das dafür eine »über Jugoslawien ermöglichte Lizenznahme von holländischen, westdeutschen und britischen Technologien« arrangierte.224 Die Kombinate, als deren erste 1965 Königs Wusterhausen und Möckern gebaut wurden, galten als wirtschaftlichste Organisationsform der Tierhaltung der DDR, obwohl sie ohne vorausgehende Experimente an den Forschungsinstituten der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften in Betrieb genommen wurden.225 Die wichtigste Ausstattung der »Produktion Frisch-Ei« des KIM Königs Wusterhausen waren die dortigen »Flachkäfige«. Zu drei Etagen übereinander gestapelt, lieferten sie eine »optimale Ausnutzung der Grundfläche der Halle mit 218 Grund, Eierstrom aus Plastbatterien. 219 Ebd.; zur Erhöhung der Besatzdichten durch »Einstallung der 4. bzw. 5. Henne je Käfig« in den 1970er Jahren siehe Gottlob, S. 498. 220 Hartmann, S. 426. 221 Poutrus, Die Erfindung, S. 80. 222 Ebd., S. 80, S. 92 u. S. 222. 223 Svore. 224 Poutrus, Die Erfindung, S. 219. 225 SStL, agra-114/03-VHS, »Industriemäßige Eier- und Geflügelfleischproduktion«, Produzent: agra-Filmstudio im Auftrage der Abteilung Landwirtschaft beim ZK der SED, 1972; Kuntsche, S. 82.

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23 Hennen pro Quadratmeter [Bodenfläche, V. S.]«.226 Auf das »wissenschaftliche begründete Lichtprogramm« als zentralen Bestandteil der »komplexen Technologie« Eierproduktion, das die Tage von der 23. Lebenswoche der Hühner an länger werden ließ und nach sieben Monaten sein Maximum erreichte, war man auch in Königs Wusterhausen stolz. Populärwissenschaftliche Publikationen, Filme wie Bücher, unterbreiteten diese neuen Methoden der Geflügelhaltung der DDR-Bevölkerung.227 Das unterschied die Rentabilisierung der ostdeutschen Geflügelhaltung von ihrem ähnlich ablaufenden Pendant in Westdeutschland. In der DDR galten Betriebe wie die KIM als Aushängeschild der Leistungskraft des politischen Systems, während die »Eier-Fabriken« der Bundesrepublik tendenziell als unlautere Unternehmungen wahrgenommen wurden. In »Schlaraffenland für Tiere«, einem 1972 erschienen Buch, das Wissen über Tierhaltung an »Leser von 10 Jahren an« vermittelte, wurden die Vorzüge der KIM-Abläufe präzise aufgelistet: abgeschrägte Käfige, die die Eier nach Hinten auf ein Förderband purzeln ließen, das der diensthabenden Hühnerpflegerin die Eier per Knopfdruck brachte; ebenso ein Förderband im Futtertrog, das sich von oben nach unten durch die Käfigetagen schlängelte; ein fein nuancierbares elektrisches Licht und die Trinkwasserleitungen, die jedem durstigen Huhn per Schnabeldruck Wasser direkt in den Rachen tropfen ließen.228 Die Produktivität der KIM-Methoden führten dazu, dass 1976 ein Viertel der Hennen der DDR (so viele lebten in den Käfigen der KIM), ein Drittel aller Eier erzeugte und die KIM zu den Schrittmachern des Fortschritts landwirtschaftlicher Tierhaltung geworden waren, auch wenn ihre kapitalintensiven Produktionsmethoden in der Mangelwirtschaft der DDR zu keinem Zeitpunkt flächendeckender Standard werden konnten.229 In der westdeutschen Geflügelhaltung hatten die Economies of Scale, deren staatliche Verordnung weniger direkt, aber nicht weniger wirksam war, auf ihrem Siegeszug zwei Widerstände zu überwinden. Zum einen dominierte zunächst eine schizophrene Haltung der Agrarpolitik, die die großmaßstäbliche Geflügelhaltung zugleich beschränken und fördern wollte. Einerseits galten Größenbeschränkungen, nach deren Erreichen die Gewerbesteuerfreiheit der Unternehmung erlosch. Diese Regelung sollte »Großunternehmer« davon abhalten, den Bauern die Butter vom Brot zu nehmen, die neuerdings mit den Hühnern zu verdienen war. Pro vierzig Hektar Fläche waren 1970 maximal 10.000 Legehennen und pro

226 SStL, agra-151-01-F, Film »Köstlich immer marktfrisch – Kombinat industrielle Mast: Geflügelzentrum Königs Wusterhausen. 227 BArch Filmarchiv, BCSP 3883-1, VEB DEFA-Studio für Kurzfilme, »Ach wär ich doch ein Huhn« 1975; SStL, agra-151-01-F, Film »Köstlich immer marktfrisch – Kombinat industrielle Mast: Geflügelzentrum Königs Wusterhausen; Mothes, Tiere am Fließband; Mothes, Schlaraffenland. 228 Mothes, Schlaraffenland, S. 92–97. 229 Preis einer Batterie von 15m des VEB Waggonbau Ammendorf: 7.100 Mark, siehe SStL, Bestand 20314, A 2058/6.

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zehn Hektar 52.000 Masthühner erlaubt.230 Andererseits wurden herkömmliche Größenbeschränkungen aufgehoben, damit die Geflügelhaltung gerade unwirtschaftlichen landwirtschaftlichen Betrieben ein neues Auskommen ermöglichte. Der Konflikt um die Aufhebung der »100t-Klausel«, die eine staatliche Unterstützung für die Jungmastgeflügel bei Erreichen von einhundert Tonnen geschlachteter Tiere pro Jahr deckelte, veranschaulicht die widersprüchliche Haltung der westdeutschen Agrarpolitik.231 Der Bundesrat verweigerte dem vom Deutschen Bundestag am 5. Dezember 1962 verabschiedeten Gesetz zunächst seine Zustimmung, weil es der Zielsetzung, »die bäuerlichen Familienbetriebe zu fördern«, widerspreche.232 Schließlich, und auch das ist repräsentativ für den Ausgang derartiger Konflikte, erwirkte der eingesetzte Vermittlungsausschuss die Zustimmung des Bundesrates und seit 14. Juni 1963 galt keine Größenbeschränkung der jährlichen Produktionsmenge mehr für die staatliche Unterstützung der Geflügelmast.233 Konzentrationshemmende Regeln waren politisch unattraktiv, weil sie eine »selbstgeschaffene Wettbewerbsbeschränkung« darstellten. Deswegen setzten bundesdeutsche wie europäische Agrarpolitik auf »positive Maßnahmen«, die nicht darauf zielten, große Betriebe zu benachteiligen, sondern die »Wettbewerbslage der bäuerlichen Familienbetriebe« zu stärken.234 Die zweite Hürde, die vor dem Durchbruch großer Hühnerhaltungen auf dem Lande überwunden werden musste, war kulturell. Zwei der Landbevölkerung zugeschriebene Eigenschaften hemmten den Geflügelausbau. Die »geistige Einstellung der männlichen Landbevölkerung« stünden einer »modernen« Geflügelhaltung im Weg, beklagten Geflügelexperten Ende der 1950er Jahre.235 Um Vorurteilen entgegenzuwirken, wonach »echte Bauern« keine Hühner halten, fügte die landwirtschaftliche Presse 1959 bei hühnerhaltenden Männern Charakterbeschreibungen hinzu, etwa dass es sich dabei um »absolut bodenständige Leute« handle, die sich schlicht eine »Beweglichkeit erhalten« haben, die »manchem Berufskollegen fehlt«.236 Die Männer auf dem Lande schätzten das Federvieh gering, und zwar kollektiv, obwohl gerade das ihre finanziell maroden Höfe sanieren könnte, klagte der Direktor der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle, in dessen Ställen Vorbildrechnungen der Hühnerhal230 Hoffmann, Industrie auf dem Land. 231 BArch Koblenz, B 116/11194, Gesetzesänderung Förderung Geflügel, Helmut Schulze-­ Borges an BML, 6.1.1962; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Geflügelwirtschaft«, 16.3.62; Schriftlicher Bericht über den eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes, 29.6.1962. 232 BArch Koblenz, B 116/11194, Gesetzesänderung Förderung Geflügel, Abschrift Hr. Kiesinger an Bundeskanzler, 21.12.1962. 233 BArch Koblenz, B 116/11194, Gesetzesänderung Förderung Geflügel, Bundeslandwirtschaftsminister an Bundesminister der Finanzen, 20.5.1963; Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft vom 14.6.1963. 234 Müller, Gegenwartsprobleme, S. 791. 235 Mehner, Der Umbruch, S. 611. 236 Betz, Hühnergegacker über Kuhställen.

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tung angefertigt wurden.237 Der Bauer sei zudem ein besonders schlechter homo oeconomicus, fand die Soziologie dieser Jahre heraus. »[Z]wischenmenschliche Beziehungen« bestimmten »das ökonomische Verhalten« auf dem Land stärker als eine »Preisorientierung«, weshalb Produktivitätsunterschiede von Dorf zu Dorf weit ausgeprägter seien, als es die Qualität der Böden oder die Kapitalausstattung der Höfe erklären würde.238 Weniger Hemmung als die männliche westdeutsche Landbevölkerung, sich mit Hühnern zu beschäftigen, hatten bereits erfolgreiche Unternehmer, die gerne »dort, wo es nach Geld roch« zur Stelle waren, auch wenn es ein bisher für ihre Investitionen unübliches Terrain war.239 Dass deren im größeren Stil vorhandenes Kapital es ihnen ermöglichte, nicht nur die kostendegressiven Effekte des Raumes sondern auch der Arbeitskosten effizienter zu nutzen als im herkömmlichen bäuerlichen Zusammenhang, zeigt das nächste Kapitel. 2.3.2 Economies of Scale II: Arbeit 400.000 DM Umsatz »pro Mann Belegschaft« jährlich erwirtschaftete die Hühnerherde von Fritz-Karl Schulte.240 Schulte, eigentlich deutscher »Strumpf­ könig«, wurde Mitte der 1960er Jahre zum bekanntesten nicht-landwirtschaftlichen Hühnerhalter der Bundesrepublik.241 Der selbstbewusste Westfale, der von der Presse als »bullige[r] Münsterländer«242 »mit Stiernacken«243 bezeichnet wurde, erinnerte damit an den fiktiven Herrn Klotzinger aus Felix Mitterers »Superhenne Hanna«. Er investierte das Geld seiner führenden deutschen Strumpfstrickerei mit Marken wie »Nur die«, die ihren Umsatz durch die zur »Minimode« der 1960er Jahre gehörenden Feinstrumpfhosen gehörig ausdehnen konnte, seit 1963 in große Hühnerställe. 1968 war er mit 500.000 Hennen bei Rheine nördlich von Münster zum größten westdeutschen Hühnerhalter geworden. Seine neue Beschäftigung – wobei er persönlich nur mittags die Tages-Eierpreise studierte – bereitete ihm große Freude. »Kein Risiko, keine Sorgen wie in der launischen Textilbranche«, sagte er 1966 gegenüber der Zeit und erzählte strahlend, wie viele Hunderttausend Eier ihm »seine Hühner« jeden Tag bescherten.244 Den Kot der vielen Tiere verarbeitete er überdies zu Dünger der Marke »Gallina«, weswegen er sich rühmte: »Ich mach’ sogar aus Mist noch Geld«.245 237 Mehner, Der Umbruch, S. 611. 238 Blanckenburg, Die Persönlichkeit, insb. S. 323. 239 O. A., Achtung! Fuchs im Hühnerstall. 240 Ebd. 241 O. A., Schulte. 242 O. A., Schulte & Dieckhoff, S. 100. 243 O. A., Achtung! Fuchs im Hühnerstall. 244 Köhler; o. A., Schulte & Dieckhoff. 245 O. A., Schulte & Dieckhoff.

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Schulte demonstrierte mit seinem Hühnergeschäft, dass er als Großunternehmer anders wirtschaften konnte als einzelne Landwirte, die ihr Heil in der Spezialisierung der Geflügelhaltung suchten. Schulte konnte die Gewinne und Verluste seines Hühnergeschäfts in die Gesamtproduktion einkalkulieren und war dadurch weniger anfällig gegenüber Schwankungen der Eier- und Schlachtpreise. Vor allem aber konnte er durch seine beträchtliche Investitionskraft jene Bedingungen schaffen, die die menschliche Arbeitskraft günstiger werden ließen. Die Ausnutzung der kostendegressiven Arbeitskosten bei steigenden Bestandsgrößen half großmaßstäblichen Hühnerhaltern wie Schulte, in dessen Nachbarschaft sich Ende der 1960er Jahre der Bertelsmann-Verlag mit bereits einer Million Hennen befand,246 ihren Vorsprung auszubauen. Das sorgte für Unmut. »Niemand wird etwas dagegen haben, wenn Herr Schulte seine Liebe zum Landleben entdeckt«, schrieb Landwirtin Ingeborg Zieger aus Unterfranken 1965, als sie erfahren hat, dass Schultes Hennenglück drei Millionen D-Mark Startinvestition zugrunde lagen.247 Weil sich Schulte »bei dieser Größenordnung die degressiven Kosten voll zunutze machen« könne, was ihr verwehrt blieb, schlug sie ihren Berufsgenossinnen und -genossen vor, sich »sehr energisch« zu wehren.248 Bäuerinnen wie Ingeborg Zieger bekamen Zuspruch aus Expertenkreisen. Gerade die Hühnerhaltung der USA verdeutliche, wohin der »Zwang zur Kostendegression« führe, nämlich zu einer harten Konzentration, in der »nur derjenige überleben kann, der jeden, auch noch so kleinen Vorteil für die Kostendeckung wahrnimmt« und das seien kapitalintensive Industrielle und nicht die breite Masse bäuerlicher Betriebe.249 Dennoch prägte in der Folgezeit nicht der Widerstand gegen kostendegressive Vorteile die bäuerliche Hühnerhaltung, sondern das allgegenwärtige Bestreben, die Arbeit im Geflügelstall durch größere Bestände günstiger werden zu lassen. Das Agrarpreissystem schuf für alle Produzenten von Eiern und Geflügelfleisch Anreize zur Kostenoptimierung im Stall durch die Verbesserung der Raum- und Arbeitsnutzung. Als »wichtigste Bedeutung« der Bestandsgröße nannte der Agrarwissenschaftler Friedrich Hülsemeyer 1965 die »Nutzung der Arbeitskapazität zwecks Erzielung eines optimalen Arbeitseinkommens«.250 Während in kleinen Hühnerhaltungen von unter dreißig Tieren bis zu dreißig Stunden pro Jahr pro Huhn aufzuwenden waren, sank diese Ziffer, so rechnete er vor, in Beständen von über 3.000 Tieren auf eine halbe Stunde Arbeit pro Tier und Jahr.251 In der Realität wurden die landwirtschaftlichen Hühnerhaltungen nicht nach der Musterrechnung des Lehrbuchs eingerichtet, sondern innerhalb der Grenzen eines »fixierten Arbeitskräftebestand[es], einem begrenzten Kapitalfonds« und be246 O. A., Bertelsmann. 247 Zieger. 248 Ebd. 249 Mehner, Welche Rolle, S. 364. 250 Hülsemeyer, S. 45 f. 251 Ebd., S. 46.

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stehender Stallverhältnisse.252 Darin unterschied sich der landwirtschaftliche Betrieb von neu eingerichteten unternehmerischen Geflügelwirtschaften, die ihre Größe an der optimalen Ausnutzung von Raum und Arbeit ausrichteten. Im landwirtschaftlichen Betrieb hingegen war die ohnehin in der Familie vorhandene Arbeitskraft, die in den 1960er Jahren durch die Mechanisierung der Feldarbeit trotz Abwanderung der Landarbeiter in die Industrie eher mehr als weniger wurde, der ausschlaggebende Faktor für die Größe der einzurichtenden Hühnerhaltung.253 Neu war jedoch auch hier, dass eine optimale Faktorenkombination berechnet wurde und alle variablen Mittel entsprechend dem »betriebsindividuell[en]« Rechenergebnis eingesetzt wurden. In der marktwirtschaftlich verfassten Geflügelhaltung der Bundesrepublik hatten die Menschen im Stall ein ökonomisches Eigeninteresse an der Kostenoptimierung. In der DDR mahnten Agrarexperten wie Günter Meyer und KarlHeinz Lori 1970, dass die permanente Kostenrechnung »keinesfalls […] als eine abrechnungstechnische Aufgabe« missverstanden werden dürfe.254 Es gelte, schrieben sie in der Zeitschrift Kooperation, die sich der Förderung der wirtschaftlichen Effizienz der sozialistischen Landwirtschaft verschrieben hatte, jeden Genossenschaftsbauern und jede Genossenschaftsbäuerin für die betriebswirtschaftliche Bedeutung ihrer eigenen Mitwirkung zu sensibilisieren. Dabei sei die »Selbstkostensenkung« am besten durch den »ökonomischen Hebel der persönlichen materiellen Interessiertheit«, also der Imitation des Leistung-Geld-Zusammenhangs eines Marktes, zu erreichen. Bei der tierischen Produktion war diese Verbesserung der Selbstkosten am dringlichsten, weil mit ihr »der größte Teil der Erlöse der LPG […] erzielt« werde.255 Zum Zweck verbesserter Arbeitsproduktivität produzierte die DEFA, das staatliche Filmunternehmen der DDR, Werbefilme. Die in der Einleitung erwähnte Brigitte, die vom Reporter verdutzt gefragt wurde, wo denn ihre Kollegen steckten bei so vielen Hühnern, war die Protagonistin des Films »Flora, Jolanthe und 4.000 Hühner«. »Welche Kollegen?« lachte Brigitte auf die Frage des Reporters, und sagte: »Mir hilft niemand bei der Arbeit. Ich mach’ das allein.«256 Flora und Jolanthe waren eine Kuh und ein Schwein, die zwischen 1959 und 1961 auf filmischen Erkundungstouren Möglichkeiten zur Verbesserung der Rentabilität in der Tierhaltung aufspürten, um sie unter LPG-Mitgliedern zu verbreiten. In der LPG »August Bebel« in Wallwitz bei Halle zeigte ihnen Brigitte 1960, wie sie die Rentabilität ihrer Hühnerhaltung immer weiter steigerte. Beständig rentabler würde die Hühnerhaltung in Wallwitz, weil sie ihre Arbeitsschritte so rationell

252 Richter, Erfolgsbegriffe, S. 673. 253 Mehner, Die heutige Stellung, S. 445; ders., Der Umbruch, S. 612; Brüggemann, Viehhaltung. 254 Meyer u. Lori, S. 25. 255 Ebd., S. 23. 256 BArch Filmarchiv, BSP 9030–2, Film »Flora, Jolanthe und 4.000 Hühner«, DEFA für populärwissenschaftliche Filme 1960, Drehbuch und Regie: Armin Georgi u. Peter Ulbrich.

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gestalte, dass ihr Zeit blieb, kontinuierlich schwache und kranke Tiere auszusortieren und »damit die Legeleistung des Bestandes« zu steigern, verriet sie. Im Vergleich zu Brigittes Quote von 4.000 Hennen pro Betreuungsperson stieg die Arbeitsproduktivität einer einzelnen Person in der Hühnerhaltung noch einmal deutlich, wenn sich die Tiere in Käfigen statt am Boden aufhielten. Die KIM führten diesbezüglich und erreichten in den 1970er Jahren fünfstellige Betreuungsquoten je Arbeitskraft. Ein Mensch war im KIM »Hermsdorfer Kreuz« in Thüringen für 15.000 Tiere verantwortlich.257 Das Musterkombinat Königs Wusterhausen rechnete gar mit 48.000 bis 52.000 Tieren pro Person.258 Bereits ab 3.000 Hennen, die 150 Eier pro Tier im Jahr legten und von einer Arbeitskraft betreut würden, erwirtschafte diese Arbeitskraft mit den 450.000 Eiern ihrer 3.000 Hennen einen »Umfang der Produktion, wie wir ihn in der Industrie auch nicht höher haben«, rechnete Otto Rosenkranz, seit 1952 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebs- und Arbeitsorganisation an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Universität Leipzig, schon auf dem VIII. Bauernkongress 1964 vor.259 Die Geflügelbetriebe der DDR, sowohl auf Geflügel spezialisierte LPG als auch die Staatsbetriebe, arbeiteten daran, die Produktion zu steigern und dabei ihre Kosten zu senken. Vor Ort im Stall bedienten sie sich dafür der gleichen wirtschaftlichen Stellschrauben wie die Hühnerhalter der Bundesrepublik. Eine wichtige Grundlage hierfür schuf die Einführung des 1963 auf dem VI. Parteitag der SED gebilligten »Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung« (NÖS), das die Spielräume einzelner Betriebsleitungen vergrößerte.260 In der Landwirtschaft kam es ab 1965 zum Zuge und erlaubte, seit 1967 als »Ökonomisches System des Sozialismus«, betriebliche Abläufe anhand ökonomischer Kriterien festzulegen.261 Die Betriebe blieben funktionaler Teil der von oben gelenkten Volkswirtschaft und erlangten keine mit marktwirtschaftlichen Systemen vergleichbare Autonomie.262 Dennoch: Der Aufbau der Geflügelhaltung in der DDR fiel mit dieser Renaissance betriebswirtschaftlichen Denkens, dem zuvor aus ideologischen Gründen jeglicher institutionelle Boden entzogen worden war, zusammen.263 Parallel mit dem NÖS etablierte sich die »Sozialistische Betriebswirtschaftslehre« (SBWL) als wissenschaftliche Disziplin, allerdings stets in bemühter ideologischer Abgrenzung von der als BBWL abgekürzten »Bürgerlichen Betriebswirtschaftslehre« Westdeutschlands.264 257 Hartmann, S. 426. 258 SStL, agra-151-01-F, Film »Köstlich immer marktfrisch – Kombinat industrielle Mast: Geflügelzentrum Königs Wusterhausen. 259 Rosenkranz, S. 334. 260 Steiner, Von »Hauptaufgabe« zu »Hauptaufgabe«, S. 227–236. 261 Wötzel, S. 23; Merkel u. Immler, S. 11. 262 Schoppe, Kap. 5 »Sozialistische Betriebswirtschaftslehre (SBWL) und intersystemare Wirtschaftsbeziehungen, insb. S. 233; Arnold u. a., S. 18–25. 263 Hundt, S. 162–164. 264 Mätzig, S. 10; Luck.

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Abb. 15: Legehennen in einer Dreietagenkäfigbatterie.

Abb. 16: Einstallen in die Dreietagenkäfigbatterie eines KIM.

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Westdeutsche Geflügelhalterinnen und -halter rechneten 1971 »mit dem Pfennig«.265 Die Arbeitskosten waren nicht nur bei der Herstellung von Eiern entscheidend für den Produktpreis und dessen Wettbewerbsfähigkeit geworden, sondern auch bei der Mast von Junggeflügel. Anhand von zehn fränkischen Betrieben ermittelte die Lehr- und Versuchsanstalt für Kleintierzucht in Kitzingen, dass die Arbeitszeit einer Arbeitskraft pro Tier in dessen erster Lebenswoche 0,11 Minuten nicht übersteigen und anschließend kontinuierlich sinken sollte, um in der achten Woche, wenn das Tier geschlachtet wird, bei 0,009 Minuten pro Tier angekommen zu sein.266 Zur Zeit der eigentlichen Bewirtschaftung kamen 0,24 Minuten pro Tier für das Einfangen in der achten Woche, um es zum Schlachter zu transportieren, und 0,57 Minuten für »Reinigung und Einrichten der Ställe« hinzu.267 Abhängig vom Stundenlohn der Arbeitskraft, der in den westdeutschen Geflügelställen 1971 zwischen drei und sechs DM variierte, ergab sich eine »Belastung des Hähnchens in Pf[ennig]« durch die Arbeitskosten zwischen 6,5 und 13  Pfennige.268 Betrieben, deren eigene Zahlen »nach oben abweichen«, wurde geraten, »energisch nach den Fehlerquellen zu suchen um bei diesem im härtesten Wettbewerb stehenden Geschäft noch am Ball zu bleiben«.269 Richtig und falsch in der Tierhaltung waren zu einer Frage der Zahlen geworden. Das galt auch für die ostdeutschen Ställe: Bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma waren die »Zeitnormative« für die verschiedenen Methoden der Geflügelhaltung festgelegt. Im Stalltyp »Radebeul« R20/88 mit 12.670 Tieren je Stall in Flachkäfigen waren für die Fütterung pro Tag 0,25 Minuten einer Arbeitskraft je einhundert Tiere veranschlagt.270 Um bei dem in den Augen der Branche durch die Herrschaft der Zahlen brutal gewordenen Geschäft Geflügelmast – die »Holländer« verhielten sich auch 1970 noch »besonders aggressiv […] im Verdrängungswettbewerb« – am Ball zu bleiben, schlugen westdeutsche Geflügelhalter einen untypischen Weg für die einzelbäuerlich strukturierte Tierhaltung ein. Sie taten sich zusammen und gründeten mit dem gemeinsam beschafften Kapital Erzeugergemeinschaften. So machten es 43 bäuerliche Mäster in der bayerischen Oberpfalz, einer Gegend »strukturschwache[r] und ansonsten marktferne[r] Landwirtschaft«, die 1966 begannen, gemeinsam sechs Ställe à 100.000 Tiere zu bauen.271 Bemerkenswert an dem Zusammenschluss sind seine strukturellen Voraussetzungen. Die Nähe der Geflügelschlachterei Nittenau bei Schwandorf war die wichtigste Bedingung für die Unternehmung. Derart viele Masthähnchen an einem Ort konzentriert konnten mit der herkömmlichen Geflügelschlachtmethode, der Hausschlachtung beim Erzeuger, nicht verarbeitet werden. Bestehende Schlachthöfe schlach265 O. A., Der Hühnerhalter muß mit dem Pfennig rechnen. 266 O. A., Sekunden für ein Hähnchen, S. 12; E. H. 267 O. A., Sekunden für ein Hähnchen, S. 13. 268 Ebd. 269 Ebd., S. 12. 270 Schleitzer u. a., S. 127. 271 Bahte.

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teten zwar Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen, aber keine Hühner. Wenn die Bestände so groß wurden, wie es inzwischen aus betriebswirtschaftlichen Gründen wünschenswert geworden war, dann hing der Standort einer Hähnchenmast von der Nähe einer Schlachterei ab, die die vielen Hähnchen verlässlich abnahm, schlachtete und verkaufsfertig machte.272 Bau und Einweihung von Geflügelschlachtereien liefen in den 1960er Jahren mit Begeisterung und Zukunftsoptimismus ab, wie beispielsweise am 5. November 1964 im niederbayerischen Gangkofen.273 Sie waren die Grundlage des Aufbaus regionaler Geflügelmästereien. Die 600.000 Tiere in den Ställen der Oberpfälzer Erzeugergemeinschaft konsumierten außerdem derartige Futtermengen, dass die Nähe aller »großen Futtermittelfirmen mit Kraftfutterwerken« in Regensburg und die Brüterei Süd in Regenstauf, die fünf Mal im Jahr für Kükennachschub sorgte, ebenfalls zu den strukturellen Voraussetzungen der Unternehmung zählten.274 Brüterei und Schlachterei waren mit einem 17-prozentigen Beitrag zum Eigenkapital der Erzeugergemeinschaft selbst Mitglieder der Unternehmung geworden. Die Grenze zwischen Landwirtschaft und Gewerbe verschwamm. Als vertikale Integration wurde die betriebswirtschaftliche Zusammenführung von der eigentlichen Haltung vor- und nachgelagerten Produktionsschritten des Tiers auf dem Weg zum Produkt bezeichnet, die sich seit den 1960er Jahren und in besonders starkem Maße in der Geflügelhaltung etablierte. Geregelt war die Zusammenarbeit zwischen Brüterei, Mästerei und Schlachterei über längerfristige Verträge, die beiden Seiten eine stabile Wirtschaftsgrundlage garantieren sollten. Der Zusammenschluss einzelner Geflügelhalter zu einer Erzeugergemeinschaft verbesserte dabei deren Verhandlungsposition, die ansonsten wegen der »meist ungleichen Marktstellung der Partner« das wirtschaftliche Nachsehen hatten.275 Interessant ist, dass in der DDR trotz fehlenden Wettbewerbsdrucks der Geflügelhalter untereinander zum selben Zeitpunkt dieselben Tendenzen beobachtbar sind. Der Kooperationsverband Broiler des Bezirks Magdeburg beschritt mit seinen Beziehungen zwischen »den Betrieben der Landwirtschaft, der Verarbeitung und dem Handel neue Wege in der Produktions- und Wirtschaftsorganisation« der Geflügelhaltung – »auf der Grundlage von Wirtschaftsverträgen nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung«.276 Die »Kosten je Nahrungsmitteleinheit« wurden auch in den Betrieben der DDR über größere Bestände und weniger menschliche Arbeitszeit pro Tier erreicht. Die im Kooperationsverband Broiler des Bezirks Magdeburg zusammengekommenen sechs LPG gliederten sich gemeinsam mit dem KIM Möckern, dem Herz des 272 Jungehülsing, S. 165. 273 Betz, Hier endet ein kurzes Hähnchenglück, S. 16. 274 Bahte, S. 12. 275 Werschnitzky u. a., S. 396. 276 O. A., Kooperationsverband Broiler, S. 70; siehe als weiteres praktisches Beispiel der vertikalen Organisation für die »auf Grundlage von Wirtschaftsverträgen organisierte Stufenproduktion« das Fleischkombinat Erfurt: Braun, S. 222.

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Kooperationsverbandes, ein in eine Kette sich kontinuierlich wiederholender Produktionsschritte.277 Brutbetriebe lieferten die Küken, die ihr anschließendes Leben in den Mastbetrieben an verschiedenen Orten verbrachen, bevor sie alle im Schlachtbetrieb des KIM Möckern zu verkaufsfertigen Hähnchen verarbeitet wurden. Von dort wurden sie entweder an Spezialverkaufsstellen und sonstige Direktverbraucher feilgeboten, exportiert, ins Kühlhaus eingelagert oder überbezirklich ausgeführt. Zucht, Mast, Schlachtung und Vertrieb waren in einer Kette zusammengebunden. Die vertikal integrierte Organisation der Geflügelfleischproduktion mit jeweils einem KIM im Zentrum ließ den Anteil am »staatlichen Aufkommen aus der industriemäßigen Produktion« in den folgenden zehn Jahren von 10,8 auf 51,0 Prozent wachsen.278 Die Kostenrechnung für Raumnutzung und Arbeitsersparnis konnte nur wie vorgesehen wirksam werden, wenn die Hühner die Rendite brachten, die die Kalkulation vorsah. Dem Verhalten des Tiers kam bei der kostendegressiven Bestandsvergrößerung Bedeutung zu. Der nächste Abschnitt beschreibt, wie die Hühner genetisch, technisch und verhaltensbiologisch in ihre quantifizierbare Haltung eingepasst wurden. 2.3.3 Das Huhn in der Massenhaltung und seine Mitsprache bei der Kostenrechnung Weil »viel« mit den Hühnern zwar nicht verdient werden könne, aber »viel wenig viel bringt bei schnellem Umsatz«279 wurde nicht nur die Tierzahl ausgedehnt, sondern auch der Bewirtschaftungszyklus, der sogenannte Umtrieb, beschleunigt. Das galt für die Mast von Junghühnern beiderlei Geschlechts, deren Schlachttermin ihre Wirtschaftlichkeit bestimmte, ebenso wie für alte Hennen, deren sinkende Eierzahl die Wirtschaftlichkeit gefährdete.280 Die Produktionskosten je Henne hätten nämlich den Charakter fester Kosten, rechnete Kurt Abromeit im Buch »Landwirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre«, einem »Leitfaden für den landwirtschaftlichen Unterricht, für Praxis und Beratung« vor.281 Sie waren tier- und nicht leistungsgebunden und variierten nicht, wenn die Henne mehr oder weniger Eier legte. Jedes Ei mehr trug deshalb dazu bei, die Erzeugungskosten je Ei zu senken und fallende Stückkosten wirkten gewinnerhöhend. Kunstbrut und ganzjährige Stallhaltung hatten neue Gestaltungsspielräume entstehen lassen. Der Schlupftermin war nun ebenso frei wählbar geworden wie der Schlachttermin. Die westdeutschen Hühnerhalterinnen und -halter waren 277 O. A., Kooperationsverband Broiler, S. 71. 278 Gottlob, S. 499. 279 Hoelscher, Das Huhn erfüllt die finanziellen Wünsche. 280 Mantel; o. A., Alte Hennen gefährden die Wirtschaftlichkeit. 281 Abromeit, S. 287.

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angehalten, die Hauptlegezeit einer Herde so zu programmieren, dass sie »mit dem höchsten Eierpreis zusammenfällt«.282 Legehennen hörten zudem auf, ein zweites oder wie früher nicht unüblich auch drittes Jahr zu leben und zu legen, weil es günstiger geworden war, dem mauserbedingten Eierabfall durch neue frische Legerinnen zuvorzukommen.283 »Viele Eier je Henne, wenig Futter je Ei. Das zählt.«, war zur Maxime eines jeden Stalls in der Bundesrepublik geworden, der jenseits der Selbstversorgung wirtschaftlich bestehen wollte. Die Mauser, die für eine gute Legeleistung im zweiten Jahr verantwortlich war und per Futterund Lichtentzug auch im Ganzjahresstall herbeigeführt werden konnte, bedeutete eine mehrwöchige Legepause.284 Die Geflügelmast war auch im Vergleich zur Legehennenhaltung mit einjährigem Umtrieb ein noch viel schnelleres Geschäft: Die rasch wachsenden Masthähnchen neuen Typs erreichten ihr Schlachtgewicht in etwa zwei Monaten, im KIM Königs Wusterhausen 1975 in 56 Tagen, und ermöglichten damit einen fünf- bis sechsmaligen Umtrieb pro Jahr.285 Alle Stellschrauben, die das Tier seinen Halterinnen und Haltern bot, wurden genutzt. Das begann schon vor dem Schlupf der Tiere. »Blaue Ritter« verdarben Anfang der 1960er Jahre den Hühnerfleischappetit in der DDR, beklagte der sechsminütige Dokumentarfilm »Broiler kontra blaue Ritter« der Reihe »Gesehen – Belichtet – Für Sie berichtet«, der am 19. Juli 1963 erstmals ausgestrahlt wurde.286 Ein blauer Ritter, ein »armseliger«, magerer Hühnerkörper, lag zu Beginn des Films auf einer klinischen silbernen Unterlage, während der Sprecher sorgenvoll fragte: »Woran liegt es, dass einem so etwas zum Verkauf angeboten wird?«. Die Frage beantwortete er gleich darauf volksaufklärerisch selbst: An der züchterischen Verbesserung der Legeleistung der Legehennen lag es, dass männliche Küken inzwischen »mit doppeltem Mangel behaftet« seien. Nicht nur legten sie bekanntermaßen keine Eier, nun hatten sie zusätzlich ihre »Fleischkonstitution« verloren, wegen der Verbesserung der Legeleistung ihrer Schwestern. Was war zu tun? »Wissenschaftler versuchen jetzt, die positiven Eigenschaften der Fleischrassen durch bestimmte Kreuzungen zu potenzieren, um Hühner zu erhalten, die sich bei minimalem Futterverbrauch rasch zu Fleischlieferanten entwickeln, die ausschließlich für Bratspieß, Grill und Pfanne bestimmt sind«.287 Die so entstandenen neuen Brathähnchen, die egal welchen Geschlechts »nur auf der Welt« waren, »um fett und fleischig« zu werden, zeigten, so schloss der Film, dass bald »keine mageren Blauen Ritter mehr den Appetit 282 Ebd., S. 288. 283 Jungehülsing, S. 157 f.; o. A., Zwangsmauser macht müde Hennen munter; Mantel; Zerboni, Alte Hühner. 284 O. A., Werbung Muskator Geflügelfutter. 285 BArch Filmarchiv, BCSP-3883–1, VEB DEFA, Ach wär ich doch ein Huhn; die heutige durchschnittliche Lebensdauer eines Masthuhns bis zu seinem betriebswirtschaftlich sinnvollsten Schlachttermin beträgt fünf bis sechs Wochen. 286 SStL, agra-148/03-VHS, agra-148/01-F, Johannes Weiße u. Erich Barthel, Broiler kontra Blaue Ritter (= Gesehen – Belichtet – Für Sie Berichtet 1962, Nr. 4). 287 Ebd.

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verderben« würden, sondern »fettige, fleischige Broiler das Wasser im Munde zusammen laufen lassen«.288 In den staatlichen Hühnerzüchtungseinrichtungen der DDR geschah Anfang der 1960er Jahre genau das, was der »Chicken of ­Tomorrow«-Wettbewerb in den USA fünfzehn Jahre zuvor ausgelöst hatte, der 1946 denjenigen Züchter mit 5.000 US-Dollar prämierte, der »a heavier, meatier chicken faster than any other entrant« hervorbrachte.289 Im Zuge der Intensivierung der Geflügelhaltung im ganzjährigen Stall endete die Nutzung derselben Tiere für Eier und Geflügelfleisch.290 Konzentrierte Brütereien, wie das Vermehrungszentrum Spreenhagen, in dem 1972 jede Woche 160.000 Küken schlüpften, oder die LPG Gustow auf Rügen, die mit 500.000 Küken pro Jahr fünfzig Prozent der individuellen Geflügelhalter des Bezirks Rostock versorgte, brüteten die Eier der Zuchttiere in Wärmekammern aus, um sie als frisch geschlüpfte Eintagsküken einer Lege- oder Mastrasse zu versenden.291 Eine Präzisierung beim Stichwort »individuelle Geflügelhalter« im Jahr 1982: Es war nicht so, dass die großmaßstäblichen Staatsbetriebe der DDR das Aus privater Hühnerhaltung zur Selbstversorgung bedeutet hätten. Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern auf dem Land, 1983 gar 66 Prozent von ihnen, machten vom Recht zur individuellen Hauswirtschaft oder persönlichen Tierhaltung, wie die Haltung von Tieren, die kein LPG-Eigentum waren, genannt wurde, Gebrauch.292 Der Menge des privaten Geflügels war dabei keine Grenze gesetzt. Bis 1989 waren Tipps zur Verbesserung kleiner privater Hühnerhaltungen regelmäßiger Gegenstand der Bauernzeitung der DDR, was den Bedeutungszuwachs der Hauswirtschaften unterstreicht.293 Sie waren zunächst zur Selbstversorgung der ländlichen Bevölkerung konzipiert worden, avancierten in der knapperen Versorgungslage seit den späten 1970er Jahren jedoch zur attraktiven Einnahmequelle der LPG-Mitglieder und einem wesentlichen nationalen Versorgungsbeitrag. Mit der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Gene und des Umtriebs waren die Stellschrauben der Hühnerleistung noch nicht ausgereizt. Es galt, das spezifische Verhalten der Tiere, das sich je nach Haltungsumständen und Herdengröße veränderte, so unter Kontrolle zu bringen, dass es die Betriebsbilanz verbesserte. Weil die skalenökonomische Effekte nutzende großmaßstäbliche Haltung neue Herausforderungen für die Hühner bereithielt, nach Plan funktionierende Körper der Tiere jedoch weiterhin die Quelle allen Erlöses waren, gewannen Tiermedizin und Verhaltensbiologie an Einfluss im Hühnerstall. Der Käfig war auch diesbezüglich rentabler als die Haltung von Legehennen am Boden. Es lag nämlich auch am Verhalten der Hennen, dass dort »immer 288 Ebd. 289 The Vantress Hatchery in California gewann 1948 den Wettbewerb, der ihr eine Vervielfachung der Kükenbestellungen brachte, siehe Horowitz, Making the Chicken, S. 215; Engel, S. 877. 290 O. A., Fragekasten: Aufzucht von Mastküken. 291 Matzig, S. 207; Kurz, S. 372. 292 Heinz, Die Geschichte, S. 70 f. 293 Siehe z. B. Horst.

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mehr Eier pro Stalleinheit herauszuholen« waren:294 Je Henne und Tag fraß ein Tier in Bodenhaltung acht bis zehn Gramm Futter mehr als im Käfig, weil »die größere Bewegungsmöglichkeit« am Boden »einen höheren Erhaltungsfutterbedarf bedingt«.295 1977 war diese Tatsache immerhin für einen Pfennig Preisunterschied der Erzeugungskosten zwischen Bodenhaltungs- und Käfigei verantwortlich.296 Kranke oder bewegungsunfähige Tiere würden in Bodenhaltung überdies »von ihren Artgenossen nicht selten zu Tode getreten« und auch gesunde Tiere könnten, »beim Übereinanderdrängen einer aufgeschreckten Herde […] sehr schnell ersticken«.297 Soweit recht simple betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zwischen Erzeugungskosten und Erlös. Die Verhaltenseigenschaften der Hühner jedoch waren komplexer als unter Artgenossen zu ersticken. Wenn »die Kopfzahl einer Herde 40 überschreitet«, fand die Geflügelverhaltensforschung 1967 heraus, »dann treten Unsicherheiten der Wiedererkennung auf«.298 Das Problem dabei war: Die Tiere balgten sich, wenn sie sich nicht erkannten, immer und immer wieder um die hierarchische Rangordnung, die jede Hühnerherde organisiert. Die Hennen stuften sich in großen Herden gegenseitig nicht richtig ein, »weil sie noch keine Begegnung gehabt haben oder weil die letzte Begegnung so weit zurückliegt, daß das Ergebnis vergessen ist, oder weil sie mangels sicherer Erkennung eine andere Henne vor sich zu haben glauben«.299 Rangrangeleien traten dann auf, wenn eine Henne näher als fünf bis zehn Zentimeter an eine andere herantrat und keine der Hennen von sich aus floh, weil sie die eigene Rangstellung als ohnehin niedriger einschätzte.300 Die gegenseitigen Abwehrversuche waren anstrengend und kosteten Energie – und den Tierhalter Geld, weil mit ihnen die Produktivität der Tiere abnahm. Diese Zusammenhänge veranlassten Befürworter der Käfighaltung zu romantischen Beschreibungen des Käfiglebens: »Streitereien treten kaum auf. […] Aus dieser Sicht ist die Käfighaltung eindeutig humaner.«301 Das Huhn liebe die es vor seinen Artgenossen »schützenden Gitterstäbe«.302 In der Bodenhaltung war man nach anfänglicher Verdichtungseuphorie deshalb zu »Besatzdichten von ca. 6 Hennen je qm zurückgekommen«, weil bei einer höheren Belegung Federfressen und Kannibalismus zunahmen.303 Je nach der »genetisch bedingten Aggressivität« unterschiedlicher Hühnerrassen und dem Klima ihrer Herkunftsställe wurde die Rangordnung nämlich mitunter unter 294 H. L., Die Eier sollen. 295 Wegner, Wie es ohne Käfig geht, S. 33; Haase; H. H. 296 Wegner, Wie es ohne Käfig geht, S. 33. 297 Löliger, Ein Problem, S. 593. 298 Mehner, Welchen Lebensraum, S. 755. 299 Ebd. 300 Ders., Bringt Verhaltensforschung. 301 Schmidt, Liegt die Zukunft. 302 H. L., Die Eier sollen noch schneller rollen, S. 12. 303 Ders., Welchen Lebensraum, S. 755.

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»heftigen Kämpfen, bei denen Blut fließt und die Federn fliegen« ausgefochten.304 Der Käfig hingegen erlaubte im Gegensatz zur Bodenhaltung Hennen jeden Alters nebeneinander zu halten, ohne das »neu zugesetzte verbissen werden«.305 Durch den Wegfall der »Unterdrückung« durch andere Hennen entwickelten sich »zurückgebliebene Hennen […] im Legekäfig oft noch zu guten Legerinnen, da sie in Ruhe fressen können«.306 Doch uneingeschränkt rosig war auch die Wirtschaftlichkeit des Käfigs nicht im Hinblick auf das Hühnerverhalten. Dort, im Käfig, geschah »das Legen im vollen Rampenlicht«, weil sich die Tiere dafür nicht »in einen geschützten Winkel« zurückziehen konnten, wie sie es sonst zu tun pflegten.307 Das Problem: Bei der Eiablage stülpte sich die Kloake des Huhns nach außen und das dabei zum Vorschein kommende Gewebe war rot. Rot ist »in der Vogelwelt« der »Schlüsselreiz zum Angriff«, wurde von der »Nachbarin sofort wahrgenommen« und war dann »der Auftakt zum gräßlichsten Kannibalismus«, der »die Wirtschaftlichkeit in Frage« stellte, indem er die Mortalitätsrate ansteigen ließ.308 Dieses Problem des gegenseitigen blutig Pickens tauchte auch auf, wenn die Hühner an den Federn ihrer Stallgefährten zogen und dabei eine neue Feder, deren »Spulen noch blutdurchströmt« waren, zu fassen bekamen. Die rot blutende Wunde des ausgerupften Federkiels wirkte auf alle Hühner, die es sahen. Gemeinschaftliche Angriffe auf das blutende Tier waren die Folge.309 Kannibalismus und Federpicken als die Wirtschaftlichkeit torpedierende Aspekte des Hühnerverhaltens waren auch gelegentliche Bestandteile früherer Haltung gewesen. In dicht belegten Räumen großmaßstäblicher Haltung nahmen Vorfälle, bei denen sich »die Hennen […] bei lebendigem Leibe zerfleischen«, jedoch derart zu, dass für die Geflügelforscher im Dienste der Rentabilität in den 1960er Jahren »nichts anderes übrig« blieb, »als sich etwas mit dem Verhalten des Huhnes zu beschäftigen«.310 Herauskam, dass die Tiere aufgrund ihrer »Beschäftigungslosigkeit« und »Langeweile« »zuviel Zeit für Körperpflege« hätten, weil »keine Zeit mehr zur Futtersuche gebraucht wird und alle Tiere an den ständig gefüllten Futtertrögen schnell satt werden«.311 Herauskam außerdem, dass wegen des Sozialverhaltens der Tiere die nötige Fläche im Käfig bei steigender 304 Ders., Bringt Verhaltensforschung. 305 Collignon, S. 9. 306 Ebd. 307 Mehner, Welchen Lebensraum, S. 757. Der Anblick einer ausgestülpten Kloake war »im natürlichen Verhaltensinventar nicht vorgesehen«, siehe ders., Bringt Verhaltensforschung. 308 Mehner, Zuviel Zeit für Körperpflege, S. 29; ders., Welchen Lebensraum, S. 757. 309 Ebd.; zum Zusammenhang zwischen Federpicken und Kannibalismus siehe Wennrich. 310 Mehner, Zuviel Zeit für Körperpflege, S. 28; im Laufe der Beschäftigung mit den Ursachen des gegenseitigen Ausrupfens der Federn und dem Picken auf rote Körperstellen erweiterte sich das Ursachenspektrum. Als multifaktoriell wirkten zusammen: Langeweile, falsche Futterzusammensetzung, Überbesatz, überhöhte Raumtemperatur, intensive Raumbeleuchtung, siehe Löliger, Tierschutzrelevante Probleme, S. 108. 311 Ebd., S. 29; ders., Bringt Verhaltensforschung.

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Hennenzahl nicht linear, sondern exponentiell anstieg. Zwei Tiere klärten die Rangordnung rasch und arrangierten sich, bei drei Hennen auf wenig Raum gab es bereits sechs Möglichkeiten der Rangordnung, worunter zwei problematisch waren. Dann nämlich, wenn zwar Huhn A über Huhn B stand, und Huhn B über Huhn C, Huhn C aber über Huhn A. Bei vier Tieren im Käfig waren bereits 62,5 Prozent der Rangordnungen nicht linear und brachten die Hennen in ständige Unruhe, wer nun vor wem den Kopf einzuziehen hat und wer am Futtertrog den Vortritt hat.312 Nicht mehr als drei Hennen pro Käfig empfahlen Verhaltensbiologen deshalb 1968, um die Käfighaltung »im Grenzbereich dessen […], was für das Huhn noch tragbar ist« zu halten.313 Die Reaktion im Stall auf dieses Hühnerverhalten war keine Ursachenbeseitigung durch Reduktion der Dichte, sondern die Unterdrückung der Symptome. Im Irrglauben, »daß das Stutzen eines Hühnerschnabels dem Schneiden eines menschlichen Fingernagels entspreche«, wurde begonnen, die Schnäbel der Tiere standardmäßig abzuschneiden, sodass sie sich damit nicht mehr gegenseitig verletzen konnten; ungeachtet dessen, dass damit das normale Verhaltensrepertoire der eigenen Gefiederpflege und die Tastempfindung beim Fressen ebenso unmöglich wurden.314 Außerdem wurde mit der Farbe des Lichts im Stall experimentiert, weil in röterem Licht die zum Picken einladenden roten Körperstellen weniger gut zu erkennen waren. Immer wieder wurde auch mit roten Brillen und roten Kontaktlinsen für Hühner experimentiert, die, indem sie Kannibalismus und damit die Sterblichkeit verringerten, zur Rentabilitätssteigerung beitrugen.315 Sie setzten sich jedoch, im Gegensatz zum Schnabelabschneiden, nicht flächendeckend durch. Zusätzlich zu den blutigen Verhaltensauffälligkeiten der Hühner war zur Herausforderung geworden, die »Massierung der Tiere hygienisch einwandfrei zu beherrschen«.316 Die »hygienische Gefährdung der in Massen gehaltenen Tiere [war] die schwächste Stelle der heutigen Geflügelhaltung«, hieß es 1963.317 »Bestandsbehandlungen« aller Art wie über die Trinkwasserversorgung verabreichte Mehrfachimpfung, mediktiertes Futter und Antibiotikabehandlungen waren zur Voraussetzung wirtschaftlicher Hühnerhaltung geworden, die »kalkulierbaren Gewinn« bescherte.318 Die veränderte medizinische Betreuung der Tiere war ein Strukturmerkmal der neuen Haltung:319 312 Ders., Welchen Lebensraum, S. 757; ders., Welchen Lebensraum braucht das Huhn, in: Celler Jahrbuch 1967 (= Kleintierzucht in Forschung und Lehre, Bd. 16), Reutlingen 1968, S. 14 f., hier S. 15. 313 Ders., … und dann kamen sie in den Käfig, S. 14. 314 Mehner, Massenhaltung; seit 2017 werden in deutschen Supermärkten keine Eier von schnabelgekürzten Tieren mehr angeboten. 315 Kringiel. 316 Mehner, Die heutige Stellung, S. 425. 317 Ebd. 318 Ebd., S. 426; Tierärztliche Umschau, Jg. 25, 1970, S. 62. 319 Für die DDR siehe z. B.: Bauermann u. a., S. 322–328.

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»Wir befinden uns in einem ständigen Wettlauf mit den verschiedensten Krankheitserregern, bei dem bald die Krankheitserreger, bald die chemische und pharmazeutische Industrie voraus sind. Es treten neue Typen von Erregern auf, andere Erreger werden resistent, so daß hier immer für den Veterinärmediziner ein reiches Arbeitsfeld vorliegt.«320

Wie verlief die weitere Entwicklung der Geflügelhaltung in Bundesrepublik und DDR? Sie wurde nicht nur ein »reiches Arbeitsfeld« für Veterinärmedizinerinnen und -mediziner, sondern auch zu derjenigen Sparte landwirtschaftlicher Tierhaltung, die »den Sprung in die Zukunft bereits vollzogen« hatte.321 Von der anfänglichen Skepsis gegenüber der Geflügelhaltung als eigenständiger Unternehmung war nichts mehr übriggeblieben. Geflügelhalter waren neben Rinder- und Schweinebauern getreten und galten als Experten für die betriebswirtschaftliche Komponente der Tierhaltung. Der »Geflügelproduzent«322 mit »seiner Erfahrung in der Massentierhaltung« sei es, der »aufgrund seiner kommerziellen Fähigkeiten geradezu prädestiniert« sei, auch größere Schweinebestände »erfolgreich zu managen«, war auf der ersten »Internationalen Veredelungsausstellung Huhn und Schwein« der DLG 1973 zu hören.323 Schnell rotierende große Herden gleicher Hühner gaben die Richtschnur vor, weil sie es erlaubten, jene skalenökonomischen Effekte zu nutzen, die die Tierhaltung rentabilisierten. Das in der Geflügelhaltung angewandte Wissen war ein anderes geworden. Ökonomische Theoriemodelle veränderten die Landwirtschaft mit tiefgreifenden Auswirkungen auf das Wirtschaften im Stall. Rechenfähigkeiten, zukunftsorientierte Planung und eine neue Zahlensprache kennzeichneten die beschleunigte Massenhaltung. Hühner waren zu kollektiven Kennziffern geworden. Ihre Haltung wurde an ökonomischen Überlegungen ausgerichtet. Mensch, Tier und Raum fanden sich im Zuge der Ausnutzung skalenökonomischer Effekte der Produktionsverbilligung zur »optimale[n] Betriebsorganisation« zusammen.324 Während herkömmlicherweise der Arbeitskräftebesatz sowie die zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche und die Zahl der Tiere sich mal rentabler und mal unrentabler ergänzten, wurden ökonomische Faktoren nun zunehmend strategisch, entlang vorgefertigter Musterrechnungen, aufeinander abgestimmt. Obwohl die KIM Speerspitzen landwirtschaftlicher Produktivi320 Ebd., S. 426; Matthes u. a.; Löliger, Die neue Geflügelpestverordnung. 321 DLG-Archiv Frankfurt, Messe Huhn und Schwein 1973, Pressemitteilung Nr. 1, Thema Geflügelhaltung und Schweinemast – Eckpfeiler der Veredelung. Ein Vortrag von Prof. Dr. Hans Schlütter. 322 Die Einrichtung des DLG-Ausschusses »Geflügelproduktion« im Jahr 1974 war ein wesentlicher Institutionalisierungsschritt der Geflügelhaltung in der westdeutschen Landwirtschaft, siehe Vogt, DLG-Ausschuß. 323 DLG-Archiv Frankfurt, Messe Huhn und Schwein 1973, Pressemitteilung Nr. 2, Thema Huhn und Schwein: Partner in der Technik. Ein Vortrag von Dr. Günther Koller. 324 Müller, Grenzen und Möglichkeiten, S. 740.

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tät der DDR bildeten, war auch dort das planwirtschaftliche Zuteilungssystem nicht in der Lage, dem dynamischeren Miteinander von Angebot und Nachfrage das betriebswirtschaftliche Wasser zu reichen.325 In der Bundesrepublik war ein marktinduzierter Kostendruck im Stall die gesamte Zeit hindurch verantwortlich für die Motivation zur Rentabiliätssteigerung: Zunächst, um die Investition zu refinanzieren, die zur Einrichtung der Geflügelhaltung als eigener Unternehmung notwendig gewesen war. Anschließend, als die Gesamtnachfrage nach Eiern und Geflügelfleisch weniger stark wuchs, wurde die Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit durch die Senkung der Produktionskosten zur Überlebensbedingung der Betriebe. Die gemessen an der üblichen Trägheit landwirtschaftlicher Veränderung so rasche normative Umbettung der Geflügelhaltung heraus aus den vielfältigeren Kontexten der ländlichen Welt, hinein in die reine Ökonomie, stieß speziell außerhalb der Branche nicht nur auf Unterstützung. Sprache  – Tiere als Betriebsziffern – und Bilder – Tiere in Käfigen – stellten für einen Teil der Gesellschaft der 1970er Jahre einen ethischen Bruch dar, den wortmächtige Figuren wie der fernsehbekannte Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek nicht unwidersprochen mitzutragen bereit waren. Der folgende Abschnitt analysiert deshalb, wie die Geflügelkäfighaltung zu einer Neujustierung des Verhältnisses zwischen landwirtschaftlich genutztem Tier und seinen Konsumentinnen und Konsumenten führte.

2.4 Society strikes back: Widerstand gegen das marktkonforme Huhn »Ja ja, und man hat uns ja sehr sehr viel und auch sehr sehr brutal beschimpft, daß man die Tiere eben so in Massen hält«, sagte die KIM-Geflügelmeisterin Frau Knut Ende der 1990er Jahre im zeithistorischen Interview über ihre Tätigkeit in den 1970er Jahren.326 »Und wir war’n ja denn Hühner-KZ, und ach wat hab’n sie zu uns alles denn gesagt damals«, fuhr sie fort und verwies damit auf eine ablehnende Haltung der Bevölkerung der umliegenden Dörfer gegenüber der Hühnerhaltung ihres KIM.327 Gelegt hätte sich die Kritik »später«, »weil sie ja – sie wollten die Broiler ja auch essen«. Zudem hätten immer mehr Frauen der Umgebung zu überdurchschnittlichen Löhnen im KIM angefangen zu arbeiten.328 Wenn Frau Knuts Erinnerung stimmt, haben Geld und Genuss die ostdeutsche Skepsis an der Geflügelkäfighaltung neutralisiert. Solche Kri325 Poutrus, Die Erfindung, S. 224; ders., »…mit Politik kann ich keine Hühner aufziehn!«, S. 235. 326 Ebd., S. 252 (der Name »Frau Knut« ist ein Pseudonym). 327 Ebd. 328 Ebd., S. 254.

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tik blitzt in den DDR-Quellen landwirtschaftlicher Tierhaltung vereinzelt auf und untermauert Zweifel an der euphorischen Fortschrittsdarstellung des Regimes. Die Geflügelkäfighaltung eignete sich in besonderer Weise für Kritik, wie die Rückseite der kurz nach Mauerfall im Januar 1990 erschienenen Ausgabe des Magazins Arche Nova des »Grün-ökologischen Netzwerks Arche« unterstreicht. Sie zeigt die Draufsicht auf ein »Käfighuhn in seinem Lebensraum – Originalgröße«, dessen Körper vom Schnabel in der linken oberen Ecke bis zum Schwanz in der rechten unteren den gesamten Bildausschnitt füllt und dessen durch Gitterlinien angedeuteter Käfig keinen Raum für Bewegung lässt. In der linken unteren Ecke sind die Umrisse der DDR mit dem Hinweis »Lebensraum für DDR-BürgerInnen vom 13.8.1961 bis 9.11.1989« abgebildet. Die Illustration wandte sich mit dem Vergleich des beschränkten Lebensraums eines Käfighuhns und demjenigen der DDR-Bürgerinnen und -Bürger gegen deren ebenfalls eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Außerhalb einzelner Hinweise dieser Art auf gesellschaftliche Kritik an der neuen Geflügelhaltung gibt es  – qua fehlender freier Medienöffentlichkeit  – keine Überlieferung. Im Unterschied zur Bundesrepublik wirkte sich die zumindest punktuell ebenso vorhandene Kritik an konzentrierter ganzjähriger Stallhaltung nicht auf agrarpolitische Entscheidungen aus. Dieses Kapitel konzentriert sich deshalb auf die Bundesrepublik und untersucht, warum die Geflügelkäfighaltung seit Ende der 1960er Jahre gesellschaftlichen Anstoß erregte.329 Es hütet sich dabei vor einer vorschnellen Kausalität, nach der der Käfig eine tatsächlich und überzeitlich moralisch untragbare Haltungsform war, die Kritik auslösen musste. Derartige Determinationen stehen einer historischen Analyse entgegen. Stattdessen geht es um jene normativen Verschiebungen, die schließlich zu einer Revision der moralischen Einbettung landwirtschaftlicher Tierhaltung führten.330 Dabei spielten die Massenmedien und ihre Skandalisierungsdynamiken ebenso eine Rolle, wie die Gesundheitssorgen der satten und flüssigen Wohlstandsgesellschaft, in der Essen und die Tiere, deren Körper das Essen bereitstellten, anders eingeordnet wurden als im Mangel wenige Jahrzehnte zuvor. Die Debatte war zudem in einer Zeit allgemeiner Desillusionierung von Wachstum und Fortschritt situiert. Die Leitfrage des Kapitels ist, inwiefern sich die moralische Einbettung der Geflügelhaltung durch ihre Vermarktlichung und deren Folgen im Stall ver329 Die gesellschaftliche Breite der Kritik ist der Unterschied zu früheren einzelnen fortschrittsskeptischen Stimmen, wie bspw. jener des antisemitischen Lebensphilosophen Ludwig Klages, der auf dem Freideutschen Jugendtag 1913 beklagte, dass die »Früchte des Fortschritts« eine beispiellose Unterjochung und Zerstörung der Symbiosen zwischen Mensch und Umwelt seien, siehe Klages u. Weber; zur Demokratisierung ökologischer Kritik in Westdeutschland siehe Treitel, S. 234–280. 330 Zur grundsätzlichen moralischen Einbettung ökonomischer Handlungen und den zahlreichen Moral Economies moderner Gesellschaften, in denen moralisches Denken mit ökonomischen Anliegen verschmolzen und das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger prägte, siehe Frevert, Introduction; dies., Moral Economies; Atkinson.

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änderte. Die Gegner der Geflügelkäfighaltung forderten, Marktmechanismen durch politische Regelungen einzugrenzen, was bei mit Leben verbundenen Kommodifizierungsprozessen keine neue politische Forderung war.331 Dennoch unterschied sich die Neuausrichtung der Bewertung einzelner Produktionstechniken landwirtschaftlicher Tierhaltung von der seit Jahrhunderten gängigen Marktkritik, deren ethischer Fluchtpunkt stets der Mensch gewesen war.332 Nun geriet das Marktgeschehen nicht wegen seiner Konsequenzen für die menschliche Gesellschaft in die Kritik. Die Ablehnung der Käfighaltung beruhte auf der Sorge um das Tier. Landwirtschaftlich genutzte Tiere begannen um ihrer selbst willen moralische Berücksichtigung zu finden. Neben Preis, Qualität und Geschmack traten die Lebensbedingungen des Tiers bei der Bewertung der Produkte landwirtschaftlicher Tierhaltung. In längerer Perspektive drängt sich die Beobachtung auf, dass die Landwirtschaft selbst den Boden für die neue moralische Kritik bereitet hatte. Seit Einsetzen ihres wirtschaftlichen Bedeutungsrückganges im 19. Jahrhundert bemühten sich ihre Vertreter um eine politisch-moralische Definition von Landwirtschaft.333 Argumente wie Nahrungsmittelversorgung und Kulturpflege sollten ihren Erhalt rechtfertigen und für diesen Zweck mobilisierte öffentliche Gelder ihren Schrumpfungsprozess bremsen.334 In den Jahren nach 1945, »in einer von Ernährungsmangel traumatisierten Gesellschaft«, stieß diese Perspektive ein letztes Mal auf große Resonanz und ließ das Ökonomische des Landwirtschaftens weiter in den Hintergrund treten, obwohl das, was im Stall und auf dem Feld passierte, weiterhin weitgehend Wirtschaft war.335 Diese Definition vertrug sich schlecht mit der raschen und umfassenden Rentabilisierung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Paradeprodukt die Geflügelkäfighaltung war. Konnte es kulturell wertvoll sein, so viele Tiere, präventiv medikamentös therapiert, auf engstem Raum zu halten? Landwirtschaft verstanden als »gutes« Geschäft verlor an Glaubwürdigkeit. Ihr effizientes Wirtschaften im Geflügelstall geriet in Widerspruch mit dem Bild, das sie von sich selbst kreiert hatte. Die Geflügelkäfighaltung war Speerspitze und Katalysator dieser Entwicklung,

331 Michael Sandel diskutiert die moralischen Grenzen der Vermarktlichung, weil Märkte stets moralischen Einfluss auf die Güter, die auf ihnen gehandelt werden, nehmen. Marktdenken löse herkömmliche Normen ab und dieser Prozess kremple individuelles und gesellschaftliches Leben um, siehe Sandel; außerdem Dommann. 332 Honneth, S. 166–169; Ruskin; Polanyi; für eine zeitgenössische Marktkritik siehe Satz, S. 91–112. Satz arbeitet vier Prinzipien heraus, die Märkte »ungesund« werden lassen: zu großes Risiko, Diskriminierung und Ungleichheit in der Gesellschaft, Asymmetrie der Marktteilnehmer, Verwundbarkeit der Marktteilnehmer. 333 Zur Rolle anderer organisierter Berufsvereinigungen für die Moralisierung des Marktes siehe Durkheim. 334 Albrecht Thaer hatte die Güte der Landwirtschaft noch daran bemessen »je höher ihr Gewinn nachhaltig ist«, zit. n. Plumpe, S. 193. 335 Ebd.

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die sich in der Folge auf sämtliche Spielarten landwirtschaftlicher Tierhaltung ausdehnte. Der Wandel vollzog sich in zwei Etappen. Zunächst, als seit Mitte der 1960er Jahre die Ausarbeitung eines neuen Tierschutzgesetzes auf der politischen Tagesordnung stand, gerieten Wissenschaft, Wirtschaft und Agrarpolitik in Konflikt. Sie konnten sich nicht einigen, einen Grenzpunkt der legitimen ökonomischen Tiernutzung festzulegen. Anschließend, nach der Verabschiedung des Tierschutzgesetzes 1972, das jedoch wegen der weiterhin ausstehenden Einigung keine Ausführungsbestimmungen enthielt, was die neuen Paragrafen konkret im Stall bedeuteten, nahm die Debatte weitere Fahrt auf, weil die Methoden der Geflügelhaltung massenmedial aufbereitet in den westdeutschen Wohnzimmern ankamen. 2.4.1 Rentabilität und Tier in Konflikt I: Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, 1966–1973 Der Kontext der Debatte um die legitime Dosis an Rentabilität im Stall war ein neues Tierschutzgesetz. In der Bundesrepublik galt bis zu seinem Inkrafttreten am 1. Oktober 1972 jenes von Adolf Hitler am 24. November 1933 unterzeichnete Gesetz, das als Reichstierschutzgesetz wegen seines an keine weiteren Kriterien als der Tiere selbst geknüpften Schutzes nicht nur zeitgenössische Tierschützerinnen und -schützer zufrieden gestellt, sondern auch internationale Resonanz gefunden hatte.336 Mitte der 1960er Jahre war es wegen der Veränderung landwirtschaftlicher Tierhaltung und ebenso einer neuen »Empfindlichkeit der Öffentlichkeit« notwendig geworden, dieses Tierschutzgesetz einer Revision zu unterziehen, so der CDU-Abgeordnete Dietrich Rollmann, der den Gesetzentwurf seit seinem parteiübergreifend unterstützten Initiativantrag an die Bundesregierung im Januar 1966 begleitete.337 Die »neue Empfindlichkeit« war Mitte der 1960er Jahre noch kein breites westdeutsches Phänomen, sondern eines transnationaler Eliten. 1964 war das Buch »Animal Machines« von Ruth Harrison in Großbritannien erschienen, das die Bedingungen automatisierter, fabrikähnlicher Haltung von Tieren zur Nahrungsmittelerzeugung kritisierte. Harrison beklagte, dass die bisherige Tierschutzgesetzgebung, in Großbritannien aus dem Jahr 1911, für diese neuen Formen der Tiernutzung nicht ausreiche.338 In England erreichte das Buch, unter anderem als Serie im Observer abgedruckt, eine so große Öffentlichkeit, dass im dortigen Ministry of Agriculture, Fisheries and Food rasch Einigkeit herrschte, den öffentlichen Aufruhr mittels einer Expertenkommission zu beruhigen. Im Folgejahr, 1965, veröffentlichte die eingesetzte Kommission unter dem Zoologie336 Möhring, »Herrentiere«; Roscher, Das nationalsozialistische Tier; Han. 337 Gall, S. 64. 338 Harrison, Animal Machines, S. 3.

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professor F. W. Robert Brambell ihre als »Brambell-Report« international, und auch in Deutschland, rezipierten Ergebnisse.339 Im selben Jahr erschien Harrisons Buch, das häufig mit Rachel Carsons zwei Jahre zuvor erschienenem »Stummen Frühling«, das die Methoden intensiver Landwirtschaft auf dem Acker kritisierte,340 in Verbindung gebracht wurde, unter dem Titel »Tiermaschinen« auf Deutsch und wurde in allen größeren Zeitungen besprochen.341 Der ebenfalls erwarteten Diskussion wollte die westdeutsche Agrarpolitik durch eine neue Rechtssicherheit zuvorkommen. Das Ziel des neuen Tierschutzgesetzes sei, sagte Rollmann im Oktober 1966, dass sich landwirtschaftliche Tierhalter »der neuen Produktionsmethoden bedienen können«, ohne befürchten zu müssen, dass sich ihre Investitionen nachträglich als unzulässig erweisen könnten.342 Das war der Kern der Unruhe: Tierhaltung war kapitalintensiv geworden und investiertes (Fremd-)Kapital vertrug keine Rechtsunsicherheit. Stand die Gefahr im Raum, dass der Unternehmung vorzeitig der Garaus gemacht wurde, weil sie nicht tierschutzkonform war, hemmte das die Investitionsbereitschaft und damit die Rentabilisierung der westdeutschen Geflügelhaltung. Dass Tierschutz an und für sich kein kontroverses Thema war, zeigte die bemerkenswert friedfertige fraktionsübergreifende Formulierung und Verabschiedung des neuen Tierschutzgesetzes, von SPD-Abgeordneten Herrmann Spillecke als Teamwork ohne Parteidifferenzen bezeichnet.343 Am 21. Juni 1972 verabschiedete es der Deutsche Bundestag einstimmig und unter Zustimmung aller Parteien, der Bundesrat folgte am 7. Juli.344 Dass Formulierungen wie »[w]er ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, darf das artgemäße Bewegungsbedürfnis eines Tieres nicht dauernd und nicht so einschränken, daß dem Tier vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden« (§ 2, 1, 2) die Zustimmung der landwirtschaftlichen Volksvertreter erlangten, war einer verwaltungstechnischen Finesse des neuen Gesetzes zuzuschreiben.345 Sämtliche Ausführungsbestimmungen, was diese klingenden aber vagen Paragrafen im Detail der Ställe zu bedeuten haben, würden auf exekutivem Weg, durch die zuständigen Behörden, zustande kommen. Parlamentarische Unruhestiftung aufgrund weiteren öffentlichen Missmuts war damit gebannt. Der Teufel aber steckte im Detail. Der Versuch, ein Gutachten zu erstellen, auf dessen Basis Durchführungsbestimmungen zustande kommen 339 Woods, From Cruelty, S. 17 f.; Sayer, Animal Machines. 340 Carson, Silent Spring; dies., Der stumme Frühling. 341 Harrison, Tiermaschinen; siehe z. B. Satter; o. A., Flatternd in den Brühkessel; o. A., Landwirtschaft – Mastvieh. 342 Gall, S. 66. 343 Ebd., S. 77. 344 Ebd., S. 86 f. 345 Bundesgesetzblatt, 29.7.1972, S. 1277, https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?​start=//​ *%5B​@attr_id=%27bgbl172s1277.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%​ 27bgbl​172s1277.pdf%27%5D__1543247766274 (abgerufen am 8.3.2019).

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könnten – die dann die ersehnte Planungssicherheit für die Landwirte brächten –, erwies sich als konfliktreich. Jenseits pastoraler Verpflichtungen des Menschen gegenüber den Tieren, wie sie das Gesetz formulierte, kamen westdeutsche Geflügelexpertinnen und -experten in mehrjährigen Sitzungsrunden nicht überein, wie die Vereinbarkeit von Rentabilität und Tierschutz im Hühnerstall aussehen könnte. Am 1. März 1967 versendete Regierungsdirektor Hans-Jürgen Entel im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministers Hermann Höcherl den Entwurf eines Gutachtens »mit Empfehlungen zur Durchführung der ausschließlichen Stallhaltung von Wirtschaftsgeflügel unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Tierschutzes« an elf Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin der Veterinärmedizin, der Tierzucht, der Tieranatomie und -physiologie und der Tiergesundheitsämter.346 Die Idee: Die Experten sahen den Entwurf durch, meldeten ihre Änderungsvorschläge binnen drei Wochen zurück und das Gutachten würde anschließend den für »den Tierschutz zuständigen Überwachungs- und Vollzugsbehörden« zugeleitet.347 Aus diesem straffen Zeitplan wurde nichts. Zwei Mitglieder der Expertenrunde, Heinrich Havermann und Siegfried ­Scholtyssek, stießen sich an der vorgesehenen »Mindestbodenfläche von 550 cm2 pro Tier leichten Legetyps« und außerdem daran, dass »bei schwereren Legerassen höchsten drei Tiere je Käfig bei einer Mindestbodenfläche von 730 cm2« gehalten werden konnten.348 Sie plädierten für 450 cm2 pro Käfig, keine Beschränkung auf nur drei Tiere und einen empfohlenen Drahtdurchmesser von 2,0 mm anstelle von 2,5 mm, wie ihn der Entwurf vorsah.349 Woher sämtliche Zahlen 346 BArch Koblenz, B 116/50126, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Reg. Direktor Dr. Entel an Herrn Dr. Dorn (Kleintiergesundheitsdienst Bayern), Professor Dr. Geißler (Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Gießen), Frau Prof. Gylstorff (Institut für Krankheiten des Haus- und Wildgeflügels), Herrn Prof. Dr. Hartwigk (Institut für Veterinärhygiene der Freien Universität Berlin), Herrn Ob. Ldw. Rat Dr. Hilbrich (Tiergesundheitsamt Hannover), Herrn Prof. Dr. Löliger (Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht), Herrn Prof. Dr. Mehner (Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht), Herrn Privatdozent Dr. Scholtyssek (Institut für Tierzucht der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim), Herrn Prof. Dr. Schürmann (Institut für Anatomie und Physiologie der Haustiere), Herrn Prof. Dr. Siegmann (Institut für Tierhygiene und Geflügelkrankheiten der Tierärztlichen Hochschule Hannover), Herrn Prof. Dr. Havermann (Institut für Tierzucht und Tierfütterung der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität), Dr. Woernle (Staatliches Tierärztliches Untersuchungsamt Stuttgart), 1.3.1967. 347 Ebd. 348 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Havermann an Dr. Entel, 9.6.1967; B 116/50126, Prof. Dr. Havermann an Prof. Dr. H. Schlütter, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, 6.11.1967; B 116/50126 Prof. Dr. Scholtyssek an Dr. Entel, 16.11.1967; B 116/50126, Stellungnahme mit Empfehlungen zur Durchführung der ausschließlichen Stallhaltung von Wirtschaftsgeflügel unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Tierschutzes, Mai 1967, S. 4 f. 349 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Havermann an Prof. Dr. H. Schlütter, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, 6.11.1967; B 116/50126 Prof. Dr. Scholtyssek an Dr. Entel, 16.11.1967.

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stammten blieb unklar; sie dürften der damaligen Praxis entnommen sein. Löliger und Mehner von der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle konnten »den Änderungsvorschlägen […] nicht zustimmen«, weil das Bestreben »ja nicht betriebswirtschaftlich mögliche und rentable Haltungsformen des Geflügels« auszuweisen gewesen war, sondern »ein Mindestmaß an Lebens- und Bewegungsraum […] für die zeitlebens in derartige Ställe eingesperrten Tiere sicherzustellen«.350 Havermann und die Befürworter einer kleineren Käfigfläche verschärften daraufhin ihren Ton und bedienten sich eines Winkelzugs, der das Ringen um Rentabilität und Tierschutz der folgenden Jahre kennzeichnen sollte. Sie versuchten, ihren Kritikern die Wissenschaftlichkeit abzusprechen. »[F]ür wissenschaftlich nicht vertretbar« hielten sie es, Äußerungen »auf Grund von subjektiven Meinungen« zuzustimmen.351 Erfolgreich waren sie damit vorerst nicht, die Mehrheit der Gruppe sprach sich für die größere Mindestbodenfläche von 550 cm2 aus und mit dieser wurde das Gutachten am 22. März 1968 veröffentlicht.352 Doch damit kehrte keine Ruhe ein. Weder diejenigen, die vorwiegend an den Lebensbedingungen der Tiere interessiert waren, noch diejenigen, die sich um die Rentabilität im Stall sorgten, waren zufrieden:353 »Vertreter von Tierschutzorganisationen« brachten unbeeindruckt von diesem Gutachten weiterhin »Bedenken hinsichtlich der Legehennen-Käfighaltung« vor, die neuen Auftrieb durch das fertiggestellte »Berliner Hühnerhochhaus«354 bekamen. Der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft machte eine große Welle, weil der Geflügelwirtschaft wegen der Empfehlung des Gutachtens maximal vier leichte Hennen in einen Käfig zu sperren, »schwere wirtschaftliche Schäden« bevorstünden.355

350 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Löliger an Dr. Entel, 27.6.1967. 351 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Havermann an Prof. Dr. H. Schlütter, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, 6.11.1967. 352 BArch Koblenz, B 116/50126, Presseinfo BML, an die Pressestelle im Haus, 25.3.1968 u. Gutachten 22.3.1968. 353 Die Dichotomie zwischen Rentabilität und Tierschutz war von Beginn an prägend für den gesamten Begutachtungsprozess. Für eine grundsätzliche philosophische Kritik an diesem Denkmuster siehe Gall, Teil II, S. 113–260. 354 Das 1966 gebaute Berliner »Hühnerhochhaus« im Westberliner Stadtteil Neukölln wurde zum prominentesten Beispiel einer frühen Kritik industrieller Eierherstellung. Auf zehn Etagen lebten 150.000 Tiere jeweils für acht Monate. Kritik entzündete sich an der Haltungsmethode an sich. So rief der Berliner Tierschutzverein 1967 Hausfrauen dazu auf, zwischen Eiern von »freien« und »eingekerkerten« Hühnern zu unterscheiden. Sie zielte aber auch auf die Geruchsbelästigung durch die Trocknung des Hühnerkots, die das Berliner Landgericht verhandelte. Siehe Simson; Scherer; o. A., Eierfabriken. ­ ntel, 355 Schlütter; BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Dr. h. c. Bernhard Grzimek an Hr. E 21.5.1968; B 116/50126, Ministerialrat Dr. Eckerskorn an Prof. Dr. Mehner, 9.12.1968; B 116/50126, Prof. Hartwigk an Präsidenten der Landwirtschaftskammer Hannover, 5.3.1969.

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Wegen dieses Unmuts von allen Seiten kam man im Bundeslandwirtschaftsministerium zu dem Schluss, dass das Gutachten in seiner vorliegenden Form nicht taugte. Der Gutachterkreis sollte am 5. Mai 1969 in einer um eine Wissenschaftlerin, Glarita Martin, und zwei Wissenschaftler, Paul Leyhausen und Jürgen Nicolai des MPI für Verhaltensphysiologie in Seewiesen erweiterten Form erneut zusammentreten. Diese Erweiterung verkomplizierte die Einigung weiter.356 Ton und Inhalt hatten sich verändert: Nun war von der »Abhängigkeit der Hausnutztiere vom Menschen« zu lesen und davon, dass dieser als ihr »Betreuer« verpflichtet sei, »sich mit allen gebotenen Mitteln für die Wahrung und Erfüllung der notwendigen Lebensbedürfnisse, für die Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit […] einzusetzen«.357 Die Tiere mussten nun »an allen Stellen des Käfigs aufrecht stehen und ein Mindestmaß an Ortsbewegung ausführen können, wie es zur Aufrechterhaltung physiologischer Funktionen und zum Abreagieren des verhaltensmäßig notwendigen Bewegungstriebes unerlässlich ist«.358 Doch wieder gab es auf allen Seiten Widerstand.359 Am stärksten machten dem Prozess die drei neu hinzugekommenen Verhaltenswissenschaftler zu schaffen. Sie verweigerten dem zweiten Gutachten ihre Unterschrift und formulierten stattdessen eine eigene Stellungnahme.360 Ihr Grund: Es sei »zweifellos in der Einstellung der Mehrzahl der Ausschußmitglieder begründet, daß wirtschaftlich für vorteilhaft oder gar notwendig angesehene Verfahren auf keinen Fall von außerwirtschaftlichen Erwägungen und Tatsachen behindert werden dürfen«. Deshalb würden »die angeblichen Vorteile intensiver Haltung für die Tiere […] immer positiver als tatsächlich hingestellt, auch wenn es beispielsweise völlig absurd ist, den Schutz vor natürlichen Feinden aufzuführen bei Tieren, denen es völlig gleich sein kann, ob sie der Fuchs oder der menschliche Verbraucher ißt«.361

Leyhausen, Martin und Nicolai drangen in ihrer Stellungnahme zum Kern der Uneinigkeit vor. Ihrer Meinung nach dürfe die »Legeleistung der Käfig­hennen« allein »nicht als Kriterium für Wohlbefinden und Beschwerdefreiheit der Tiere angeführt werden«.362 Mit demselben Argument hatte Ruth Harrison in »Animal Machines« den herkömmlichen Konsens landwirtschaftlicher Tierhaltung 356 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Löliger an BML, 17.9.1970; B 116/50126, Neufassung des Gutachtens zur Frage der Intensivhaltung von Wirtschaftsgeflügel mit Empfehlungen zur Durchführung der ausschließlichen Stallhaltung unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Tierschutzes vom 22. März 1968. 357 Ebd., S. 1 358 Ebd., S. 4. 359 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. S. Scholtyssek an die Mitglieder des Ausschusses für Tierschutzfragen im Landwirtschaftsministerium, 25.1.1971. 360 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Löliger an Prof. Leyhausen, 23.6.1971. 361 BArch Koblenz, B 116/50126, Prof. Dr. Leyhausen, Dr. Nicolai, Dr. Martin an Ministerialrat Dr. Schultze-Petzold, Stellungnahme – zur Neufassung des Gutachtens über tierschutzgemäße Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 9.11.1971, S. 1. 362 Ebd., S. 2.

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angegriffen, wonach es produktiven Tieren automatisch gut gehe.363 Damit geriet die bisherige Bändigung von Sorgen um das Wohlergehen von Tieren in Haltungsumständen, die Zweifel weckten, in Misskredit. 1952 hatte im Lehr- und Lernbuch »Das Was und Wie beim Federvieh« als Antwort auf die Frage »Batteriehaltung: Ist das gut, ist es keine Tierquälerei?« noch gegolten: »Das Huhn fühlt sich in der Batterie durchaus wohl […]. Es würde nicht derart legen, wenn kein Wohlbefinden vorläge.«364 Nun, zwanzig Jahre später, löste sich diese Gewissheit auf. Der erfolgreich wirtschaftende Tierhalter war nicht länger automatisch ein Tierschützer. Damit verlor landwirtschaftliche Tierhaltung ihre bisherige ethische Selbstregulierung. Nun brauchte es eine äußere Instanz, die klärte, wie der legitime Ausgleich zwischen den gegenläufig gewordenen Interessen Rentabilität und Wohl­ergehen der Tiere aussah. Diese Instanz sollte die »Sachverständigengruppe ›Tierschutz / Wirtschaftsgeflügelhaltung‹«, wie das Expertengremium des westdeutschen Landwirtschaftsministeriums inzwischen hieß, sein. Ihre 1973 bereits sechsjährige Geschichte bietet jedoch wenig Anhaltspunkte dafür, dass dieser Plan aufging. Bei Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes am 1. Oktober 1972 war das Gremium weiterhin so zerstritten, dass die einstimmige Formulierung von Leitlinien für die Durchführungsverordnungen des neuen Gesetzes illusorisch war. Die sich vom Rest des Gremiums massiv unterscheidende Stellungnahme der Verhaltensforscher wurde im Frühjahr 1973 kurzerhand zu einem eigenen zweiten Gutachten gemacht.365 Sein Schlusssatz verdeutlichte die massive Kluft zwischen den Geflügelexperten: »Die üblichen Praktiken der Käfighaltung in ihrer heutigen Form«, schrieben die Verhaltensphysiologen, »erfüllen den Tatbestand der Tierquälerei in einem solchen Ausmaß, daß ihre Beseitigung unabdingbar ist, wenn der Wortlaut des neuen Tierschutzgesetztes überhaupt eine praktische Bedeutung haben soll«.366 So war die Lage im Herbst 1973, als, beschleunigt durch die Ausstrahlung einer Fernsehsendung, eine Öffentlichkeit entstand, die dem Konflikt um die richtige Dosis Tierschutz bei der Nutzung von Tieren zur Lebensmittelherstellung eine neue Dimension gab.

363 Kirk, S. 254. 364 Römer, Das Was und Wie, S. 12. 365 BArch Koblenz, B 116/50127, Niederschrift über die 8. Sitzung der Sachverständigengruppe »Tierschutz / Wirtschaftsgeflügelhaltung«, am 6.2.1974 in Bonn, 27.2.1974. 366 BArch Koblenz, B 116/50127, Ergänzungen zur Neufassung des Gutachtens über tierschutzgemäße Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen aus der Sicht der Verhaltensforschung, 27.2.1973.

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2.4.2 Rentabilität und Tier in Konflikt II: Die Öffentlichkeit kommt hinzu, 1973–1990 Am Dienstagabend des 13. November 1973 blieb dem westdeutschen Fernsehpublikum der Primetime »vor Schreck der Hühnerschenkel im Halse stecken«.367 Bernhard Grzimek, das »Tierschutzgewissen der Nation«,368 zeigte in seiner Sendung »Ein Platz für Tiere« nicht wie gewöhnlich afrikanische Tiere in freier Natur, sondern deutsche Hühner in ihren Käfigen. Nicolai, einer der drei Verhaltensforscher in der Sachverständigengruppe, berichtete zwei Wochen später nach Bonn, dass bei ihnen am MPI für Verhaltensphysiologie in Seewiesen »tagelang das Telefon« geklingelt habe und er »unzählige Anrufe von Verbrauchern beantworten« musste, »denen erst durch diese Sendung klar geworden ist auf welche Weise ihr Frühstücksei erzeugt wird«.369 Die Wellen schlugen hoch und hielten an. Die Medienberichterstattung riss nicht ab, weder in Natur- und Tierzeitschriften, noch in der allgemeinen Presse.370 Unterschriftenaktionen gegen die Geflügelkäfighaltung starteten.371 Die Fronten verhärteten sich, die Stimmung in der Sachverständigengruppe wurde gereizter und die Briefwechsel häufiger. Die Mitglieder warfen sich gegenseitig fehlende Objektivität vor. Irmgard Gylstorff, Inhaberin des 1965 neu geschaffenen Lehrstuhls für Geflügelkunde an der Münchner Tierärztlichen Fakultät ließ ihre Kollegen wissen, dass sich die Tiere »genau so an das Käfigdasein gewöhnt [haben], wie der Mensch an die moderne Großstadtintensivhaltung«.372 In ein ähnliches Horn stieß ihr Kollege Gerhard Monreal, Professor am Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin. Er beklagte, dass die »starke Emotionalisierung in Bezug auf die Käfighühner […] die Erstellung eines fachgerechten Gutachtens nur verzögert« habe.373 Dr. Helm hingegen, der die Deutsche Tierärzteschaft im Gremium vertrat, schrieb, dass die Käfighaltung aus tierschutzrechtlichen Gründen schlicht abzulehnen sei, was »selbst bei einer angemeldeten Besichtigung einer Legehennenbatteriehaltung« unter »objektiver Betrachtung« augenfällig sei.374 »Unbedingt nötig« sei es, bald eine offizielle Stellungnahme der Sachverstän­ digengruppe zu veröffentlichen, um die Diskussion zu beenden, meinte Karl 367 O. A., Stellungnahme zur Massentierhaltung. 368 O. A., Grzimek, S. 31. 369 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. Nicolai an Dr. Schultze-Petzold, 5.12.1973. 370 Siehe z. B.: Ullrich; o. A., Stellungnahme zur Massentierhaltung; o. A., Der Mensch hat das Schwein. 371 BArch Koblenz, B 116/50127, Gerlinde Klein, Neue Aktion für glückliche Hühner. Verhaltensforscher geben Milena Rowe Recht – Unterschriftensammlung, 24.2.1974; B 116/50128, Milena Rowe an Bundesminister Ertl, 20.6.1974. 372 BArch Koblenz, B 116/50127, Prof. Dr. Gylstorff an Dr. Pfeiffer, 24.6.1974; Biessneck, S. 336. 373 BArch Koblenz, B 116/50127, Prof. Dr. G. Monreal an die Deutsche Tierärzteschaft e. V., 12.6.1974. 374 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. K. Helm (Stellv. Mitgl. D. Ausschusses) an die Deutsche Tierärzteschaft, 25.6.1974.

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Fritzsche, Honorarprofessor für Geflügelkrankheiten an der Universität Gießen.375 Für den 10. Juli lud Schultze-Petzold deshalb zur »abschließenden Sitzung« der Gruppe ein, die mit einer Anhörung der beteiligten Wirtschaftsverbände verbunden werden sollte.376 In der aufgeheizten Stimmung kam ein weiteres Problem hinzu, das auf die inzwischen gewachsene zivilgesellschaftliche Verankerung der Geflügelkäfighaltung als Tierschutzproblem verweist: Der Plan, am 10. Juli zwar Wirtschaftsverbände zur Anhörung einzuladen, aber keine Vertreter der Tierschutzverbände, stieß auf Widerstand.377 Nicolai ließ Schultze-Petzold wissen, dass er die Vertreter der Tierschutzverbände vermisse, denn »sollte ›Sachverstand‹ das Kriterium dafür sein, ob eine Interessensgruppe eingeladen wurde oder nicht, so muß ich sagen, daß der Tierschutz in dieser Beziehung doch wohl kaum hinter dem Bundesverband bäuerlicher Junggeflügelmäster zurücksteht«.378 Ins gleiche Horn stieß Milena Rowe, Vizepräsidentin des Landesverbandes bayerischer Tierschutzvereine.379 Dennoch, Vertreterinnen und Vertreter des Tierschutzes wurden nicht eingeladen, Wirtschaftsvertreter schon.380 Während sich die meisten Mitglieder des Gremiums in ihren Briefen auf die gegenseitige Überzeugung durch Argumente beschränkten, zogen einzelne andere Register. Für den Tag des Treffens, den 10. Juli 1974, war um 16:05 Uhr in der ARD eine Wiederholung von Grzimeks Novembersendung angesetzt – vermutlich ein Erfolg der nicht eingeladenen Tierschützer, der zeigt welche manifeste Rolle die kritische Öffentlichkeit inzwischen spielte.381 Schlütter, der 375 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. Fritzsche an Dr. Schultze-Petzold, 25.11.1974. 376 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. Schultze-Petzold an die Mitglieder der Sachverständigengruppe »Tierschutz / Wirtschaftsgeflügel«, 15.5.1974; Die eingeladenen Vertreter der Wirtschaft waren: Deutscher Bauernverband, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter, Deutscher Vieh- und Fleischhandelsbund e. V., Bundesverband der Raiffeisen-Warengenossenschaften e. V., Verband der Landwirtschaftskammern, Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V., Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde, Deutsche Tierärzteschaft, Fachverband der Futtermittelindustrie e. V., Bundesverband der Gemeinnützigen Landgesellschaften, Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft e. V., Bundesverband bäuerlicher Junggeflügelmäster e. V., Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter e. V., Bundesmarktverband für Vieh und Fleisch. 377 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. Glarita Martin an Dr. Schultze-Petzold, 10.6.1974; Dr. Schultze-Petzold an Hr. Weichert (Vizepräsident Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz), 21.6.74; Deutscher Tierschutzbund e. V. an Bundesminister Ertl, 4.7.1974; B 116/50128, Milena Rowe an Bundesminister Josef Ertl, 31.5.1974. 378 BArch Koblenz, B 116/50127, Dr. Nicolai an Dr. Schultze-Petzold, 31.5.1974. 379 BArch Koblenz, B 116/50128, Milena Rowe an Bundesminister Josef Ertl, 31.5.1974. 380 BArch Koblenz, B 116/50128, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Josef Ertl an Milena Rowe, 20.6.1974. 381 Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz e. V. engagierte sich seit Erstausstrahlung der Sendung für ihre Wiederholung, indem sie in ihren Mitteilungen die Annonce schalteten »Bitten auch Sie den Intendanten um Wiederholung des Grzimek-Filmes vom 13.11.1973«, siehe o. A., Stellungnahme zur Massentierhaltung.

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Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft und mittlerweile ebenfalls Mitglied der Gruppe, schrieb an den Intendanten des Hessischen Rundfunks, um die Sendung zu verhindern und schickte eine Kopie seines Schreibens mit der Bitte nach »entsprechender« Unterstützung »in dieser Sache« nach Bonn.382 Die Sendung wurde ungeachtet dieser versuchten Einflussnahme am 10. Juli ausgestrahlt.383 Wie ging es weiter? Formal kam das Gremium zu einem Abschluss, tatsächlich verpufften all seine Ergebnisse wirkungslos. Das nach der Sitzung mit den Wirtschaftsvertretern am 10. Juli 1974 verschickte Gutachten bestand weiterhin aus zwei Teilen, deren inhaltliche Stoßrichtungen nicht kompatibel waren. Gutachten I, unterzeichnet von 15  Mitgliedern, stellte die Geflügelkäfighaltung nicht infrage, sondern mahnte ohne Zahlen zu nennen, eine »sorgfältige« Durchführung der Käfighaltung an, die jedem Tier »ein Mindestmaß an Bewegung« ermögliche.384 In Gutachten II, unterzeichnet von den drei Verhaltensforschern, stand weiterhin, dass die »derzeit üblichen Praktiken der Käfighaltung […] den Tatbestand der Tierquälerei in hohem Maße« erfüllten, weil die Tiere selbst bei einer Dreierbelegung der üblichen Käfige »nicht die wesentlichen Verhaltensweisen von Sichstrecken, Gefiederpflege und Staubbadebewegungen ausführen« könnten.385 Die Ergebnisse beider Gutachten wurden vom BMEL in einer »Schlußfolgerung aus den von einer Sachverständigengruppe vorgelegten Gutachten Teilen I und II über tierschutzgerechte Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen« zusammengefasst, in der sich allerdings wieder Zahlen fanden:386 Die bisher als Minimum angesehene Grundfläche pro Tier sei auf 600 cm2 zu erweitern, der Käfig sollte auch hinten 45 und nicht nur vierzig Zentimeter hoch sein, sodass »auch ein im rückwärtigen Teil des Käfigs befindliches Huhn aufrecht […] stehen kann« und außerdem sollten »wegen der notwendigen Kontrolle des Befindens der Tiere« nur mehr drei und nicht vier Käfigetagen übereinandergestapelt werden.387

382 BArch Koblenz, B 116/50127, Prof. Dr. Schlütter an Dr. Eckerskorn, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 6.7.1974. 383 Vgl. Vollinformation DRA, hr-Archiv, Sendung 32114 (ID-Nr.: 0014229). 384 BArch Koblenz, B 116/50128, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an die für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden u. die Herren Minister und Senatoren für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 7.4.1975, Teil I, S. 4; Löliger, Massentierhaltung, S. 13. 385 BArch Koblenz, B 116/50128, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an die für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden u die Herren Minister und Senatoren für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 7.4.1975, Teil II, S. 9 f. 386 BArch Koblenz, B 116/50128, Schlußfolgerung aus den von einer Sachverständigengruppe vorgelegten Gutachten Teilen I und II über tierschutzgerechte Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 29 S. 387 Ebd., S. 17.

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Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestages, »SPD-Bauer«388 Martin Schmidt-Gellersen, ließ die Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung am 14. Mai 1975 mit der tendenziösen Überschrift »Keine Existenzgefährdung der deutschen Geflügelwirtschaft durch übertriebenen Tierschutz« wissen, dass die veröffentlichten Richtlinien keine »Bindungswirkung für Gerichte oder Verwaltungsbehörden in der Bundesrepublik haben könnten und schon garnicht [sic!] eine Vorwegnahme der Durchführungsverordnungen zum Tierschutzgesetz seien«.389 Das Bundeslandwirtschaftsministerium bestätigte diese Nachricht mit einem Erlass Ende Mai 1975, wonach sowohl die Gutachtenteile I und II als auch die vom Ministerium daraus gezogene Schlussfolgerung allein »informativen Charakter« hätten.390 Schlütter frohlockte: »Persönlich hoffe ich, daß wir wenigstens in den nächsten Jahren über Tierschutzfragen  – soweit es das Geflügel betrifft  – keine Diskussionen mehr führen brauchen«, was jedoch auch im BMEL handschriftlich mit »welche Arroganz!« kommentiert wurde.391 Damit endete der politische Versuch, die Paragrafen des Tierschutzgesetzes mit konkreter Bedeutung für landwirtschaftliche Tierhaltung zu versehen, ergebnislos, obwohl genau das der Anlass für die Tierschutznovelle gewesen war. In Öffentlichkeit und Wissenschaft hingegen nahm die Diskussion um Tierschutz in der Geflügelkäfighaltung ungeachtet der politischen Ruhe weitere Fahrt auf. Alle Beteiligten teilten die Annahme, dass man dieses Problem, machte man nur genügend Experimente, schließlich doch objektiv und quantitativ lösen können werde.392 3.328 Versuchshennen wurden deshalb im November 1976 in staatlichem Auftrag in verschiedene Haltungsformen eingestallt. Zum ersten Mal wurden, um ihrem Befinden auf die Schliche zu kommen, nicht nur Legeleistung, Eiqualität, Gewichtsentwicklung und Mortalität, sondern auch physiologische und anatomische Merkmale der jeweils 288 Hennen pro Haltungssystem erfasst: »Lautinventar, Herzfrequenzen und Hauttemperatur«, außerdem die Blutzusammensetzung, Organentwicklung und Skelettbeschaffenheit und auch das Verhaltensinventar bei Fortbewegung, Eiablage und Nahrungsaufnahme.393

388 O. A., Lachen und Fluchen, S. 36. 389 BArch Koblenz, B 116/50128, Deutscher Bundestag, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Der Vorsitzende – Dr. Schmidt-Gellersen, Mitteilung für die Presse: Keine Existenzgefährdung der deutschen Geflügelwirtschaft durch übertriebenen Tierschutz, 15.5.1975. 390 Wegner, Tierschutzforderungen, S. 273. 391 BArch Koblenz, B 116/50129, Schlütter an Ministerialdirektor Petrich, 28.5.1975. 392 BArch Koblenz, B 116/50128, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an die für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden u die Herren Minister und Senatoren für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 7.4.1975, Teil I u. Teil II. 393 Wegner, Tierschutzforderungen, S. 273; o. A., Hühner: Hinter dem Komma.

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Parallel zu diesen Tierversuchen, die mit verschiedenen Rassen wiederholt wurden, wurden »andere als bisher übliche« Käfigformen mit Blick auf das Verhalten der Tiere darin untersucht.394 Die langwierige politische Uneinigkeit der Sachverständigengruppe mündete in eine massive Forschungsinitiative. Eine objektive, quantitative und reproduzierbare Wissenschaft sollte das Problem lösen – so die länderübergreifende Idee.395 Diese Auffassung wirkte als Katalysator für die Disziplinbildung der Verhaltensbiologie von landwirtschaftlich genutzten Tieren, die, anders als Wildtiere, bisher nicht im Rampenlicht der Ethologie gestanden hatten. Auf der V. Europäischen Geflügelkonferenz, ausgerichtet von der World Poultry Society Association, trafen sich 1976 in der Sektion »Tierschutz und Geflügelproduktion« Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Vereinigten Königreich, der Schweiz, aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Russland, den USA, Westdeutschland und den Niederlanden in Malta. Ihre Disziplin blühte auf, seit die vorherrschende Wahrnehmung Rindern, Schweinen und nun auch Hühnern nicht mehr zwangsläufig Wohlbefinden zuschrieb, auch wenn sie die ihnen abverlangte Leistung erbrachten.396 Die Wissenschaft wurde zur Richterin über richtig und falsch im Stall. Ihre Aufgabe war es, »Beweise zu finden, um die Tierschutzprobleme zu lösen«.397 Die umfangreichen Experimente brachten allerlei zu Tage. Etwa: Bei Verringerung der Käfigfläche pickten die Hühner stärker am Drahtgitter; Federverluste nahmen mit der Gruppengröße zu; »Hysterie« trat in »deutlich größerer Häufigkeit« auf Drahtboden auf und der Gehalt an Corticosteron und Glukose im Blutplasma hing mit den Einschaltzeiten des Lichts zusammen.398 Was das jedoch zu bedeuten hatte, war nach wie vor ein Rätsel. »Die Bedeutung der zweifellos vorhandenen Modifikationen in den Verhaltensmustern« sei »noch eine offene Frage«, galt am Polytechnischen Institut in Huddersfield in Großbritannien genauso wie am Institut für Geflügel und Pelztiere der Landwirtschaftlichen Universität Norwegen, und auch Barry O. Hughes vom Geflügelforschungsinstitut in Edinburgh meinte zum »schwierigen Problem« 394 Wegner, Tierschutzforderungen, S. 273. 395 Diese Idee war keine allein deutsche. 1976 legte der Sachverständigenausschuß Tierschutz des Europarats ein am deutschen Tierschutzgesetz orientiertes »Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tiere in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, insbesondere in den modernen Intensivhaltungen« seinen Mitgliedsstaaten zu Unterzeichnung vor. Dessen Kern war ebenfalls, dass alle Aspekte der Tierhaltung gemäß »wissenschaftlichen Erkenntnissen« erfolgen müssen, so Artikel 3 zu Pflege und Fütterung, Artikel 4 zum Bewegungsbedürfnis des Tiere und Artikel 5 zu den Umweltbedingungen im Stall, siehe Wegner, Tierschutzforderungen, S. 274; Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, Rechtsakt 78/923/EWG, 19.7.1978, https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=LEGISSUM:l12070&from=DE (abgerufen am 8.3.2019). 396 Wegner, Spezielle Tierschutzfragen, S. 185. 397 So A. J.  Powell vom Polytechnischen Institut in Huddersfield, Großbritannien auf der V. Europäischen Geflügelkonferenz, siehe Wegner, V. Europäische Geflügelkonferenz, S. 7. 398 Ebd., S. 7–9.

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der »Frage des Wohlbefindens von Hühnern«, dass das »noch weiter bestehen bleiben« würde. Die Entscheidung, so Hughes, bleibe »letztlich eine ethisch begründete«, weil an einem Punkt eine »Grenze gezogen werden« muss, »an dem keine klare Entscheidung möglich ist«.399 Doch damit vertrat Hughes eine Einzelmeinung. Die Mehrheit der Verhaltenswissenschaftler war der Überzeugung, dass herkömmliche Indikatoren des Wohlbefindens der Tiere, wie ihre Eierzahl, zwar ausgedient hätten, dass das Problem des notwendigen Tierschutzes in der Intensivhaltung jedoch mit weiteren physiologischen und biologischen Daten zu lösen sein würde.400 Die Experimente wurden in dementsprechend großer Zahl fortgesetzt.401 Währenddessen schritt die Radikalisierung der öffentlichen Diskussion davon unbeeindruckt voran. Im Sommer und Herbst des Jahres 1975 lief die Debatte auf Hochtouren. Tierschutzvereine monierten die »einseitige Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte«,402 Landwirte beschworen das Selbsterhaltungsinteresse des Menschen, zu dem kostengünstig produzierte Eier gehörten und Grzimek als Schlüsselfigur heizte der Debatte weiter gehörig ein. Sein Verhalten unterstreicht zugleich die Bedeutung der Medienöffentlichkeit in Westdeutschland für den Verlauf des Konflikts. Denn Grzimeks ostdeutsches Pendant, Heinrich Dathe, der seit 1954 den Berliner Tierpark aufgebaut hatte und als dessen Direktor ebenfalls einem breiten Radio- (Sendung: »Im Tierpark belauscht«) und Fernsehpublikum (Sendung: »Tierparkteletreff«) bekannt war, äußerte sich zeitlich parallel zu Grzimek ebenfalls zur Käfighaltung von Hühnern. »KIM-Tiere kennen keinen Kummer«, schrieb er in der Zeitschrift Urania und zeigte damit, dass die Geflügelkäfighaltung als ethische Frage in den 1970er Jahren auch in der DDR in der Luft lag. Dathe hielt an dem Indikator der Leistung für das Wohlbefinden der Tiere fest, und beschwichtige beunruhigte Leserinnen und Leser: Es könne »gar nichts geschehen, was humanistischen Forderungen an optimale Tierhaltung zuwider« liefe, weil »jeder Fehler in der Haltung […] vom Tier sofort mit geminderter Leistung quittiert« werden würde.403 Ähnliche Fragen wuchsen sich ohne freie Medienöffentlichkeit in der DDR zu keiner vergleichbaren Debatte aus. Hingegen in der Bundesrepublik: Am 13. Juni 1975 schickte Grzimek allen Abgeordneten des Bundestages einen Vorabdruck seines Editorials der Zeitschrift Das Tier, die am 7. Juli erschien. Dessen erste Sätze lauteten: »Die Batteriehennenhaltung, die KZ-Haltung von zusammengepferchten Legehennen in 399 Ebd., S. 7 f. 400 Ebd., S. 8 f. 401 Für die umtriebigste westdeutsche Wissenschaftlerin, die Leiterin der Celler Bundesforschungsanstalt Rose-Marie Wegner, siehe dies., Neue Käfigtypen; dies., What Is the Future; dies., Sektion »Haltung«; dies., Spezielle Tierschutzfragen; dies., Mehr Lebensqualität. 402 BArch Koblenz, B 116/50129, Hr. Buselmaier, Heidelberger Kreis für Nutztierhaltung, an Hr. Schultze-Petzold, 11.6.1975; Hr. Weichert, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz e. V., an Bundesminister Ertl, 3.9.1975. 403 Dathe.

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winzigen Drahtkäfigen und auf schrägen Drahtstäben als Untergrund ist eine grobe Tierquälerei.«404 Das hätten »angesehene Verhaltensforscher […] immer wieder bestätigt«, wohingegen das Bundesernährungsministerium weiter »›Gutachten‹ gegenteiligen Inhalts von Fachleuten und Wissenschaftlern sammelt, die meist von ihm selbst oder der Industrie mittelbar abhängig sind«.405 Diese Verunglimpfung schmeckte der Branche nicht und der Geflügelmeister Willi Sch. aus dem niederrheinischen Linnich klagte vor der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf. Das Gericht urteilte nicht im Sinne des Klägers und wies die Klage ab. Grzimek dürfe KZ-Haltung, KZ-Hühner und KZ-Eier sagen, weil es als bewusst provokative persönliche Einstellung von der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes gedeckt sei und weil der Verdacht nahe liege, dass diese Art der Tierhaltung, auch wenn gesetzlich nicht verboten, »tatsächlich tierunwürdig« sei, so das Gericht im Januar 1976.406 Zivilgesellschaftliche Vereine, die sich für Tierschutz in der Geflügelhaltung engagierten, begrüßten die Entscheidung des Gerichts. Der Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung nutzte für seine Informationsschrift im April 1976 eine weitere Volte des Konflikts und druckte zwei Briefe, die ehemalige KZ-Häftlinge an den Präsidenten des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Hans Schlütter, geschrieben hatten, ab.407 Schlütter hatte ehemalige KZ-Häftlinge um deren Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des KZ-Vergleichs gebeten. Der evangelische Theologe Martin Niemöller und Felix Wankel, der Erfinder des Wankelmotors, äußerten sich nicht so, wie Schlütter es bei seiner Aufforderung erwartet hatte. Wankel, der als Gauleiter der Hitlerjugend in Baden in parteiliche Ungnade gefallen war und 1933 sieben Monate im Amtsgefängnis Lahr inhaftiert war, schrieb an Schlütter, dass er es » für eine scheinheilige Zweckbehauptung der Batterie-Geschäftemacher« halte, »daß sich die früheren KZ-Gefangenen durch die Bezeichnung der Hühnerbatterie-Käfighaltung als KZ-Haltung beleidigt fühlen würden.«408 Er verglich die aktuelle Debatte mit jener zur Kinderarbeit in England »zu Beginn der Dampfmaschinenzeit«, als ebenfalls Wissenschaftler beauftragt worden waren, herauszufinden, »ob eine 10- bis 14-stündige Arbeitszeit […] gesundheitsschädlich sei«. In Analogie zu dieser heute absurd wirkenden Untersuchung, die damals ebenfalls von »riesigen Geschäftsinteressen« motiviert gewesen sei, bedürfe »das elende Aussehen, die häufigen Krankheiten, das oft zu frühe Sterben und die fürchter404 BArch Koblenz, B 116/50129, Bernhard Grzimek an die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages, 13.6.1975. 405 Ebd. 406 O. A., Grzimek darf von »KZ-Hühnern« reden. 407 BArch Koblenz, B 116/50129, M. Bartling, Vorsitzende des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., an Bundestagsabgeordneten Dr. Karl Carstens, 12.4.1976; Beilage: Informationen des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., 2305 Heikendorf bei Kiel, 5 S. 408 BArch Koblenz, B 116/50129, Informationen des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., 2305 Heikendorf bei Kiel, Felix Wankel an Prof. Dr. Hans Schlütter, 16.2.1976.

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liche Bewegungsbeengtheit von Laufvögeln in Hühnerbatterien für jeden nicht fachblinden oder geschäftsbezogenen Betrachter keines wissenschaftlichen Beweises, daß hier eine besonders scheußliche Form von Tierquälerei vorliegt«.409 Ihm »als Motorenerfinder« könne man »schwerlich Gefühlsduselei oder eine antitechnische bzw. fortschrittsfeindliche Einstellung anlasten«, fuhr Wankel fort, aber »die Geschichte der Naturwissenschaften« hätte ihm gezeigt, »daß auch größte Gelehrsamkeit […] allzu leicht fachblind« würde.410 Niemöller, der von 1937 bis 1945 in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau inhaftiert war, entsprach Schlütters Erwartung ebenfalls nicht. »Aufrichtig und von Herzen gefreut« habe er sich über Grzimeks Veröffentlichung. Niemöller entsann sich, dass bereits sein erster Eindruck, als er »während eines Urlaubsaufenthalts 1967 im russischen Wald bei Zavidovo zum ersten Mal eine solche Hühnerfabrik gesehen« hatte, war: »Das muss für die armen Tiere ja schlimmer sein, als was wir im Konzentrationslager die Jahre hindurch haben ausstehen müssen.«411 Die Kontroverse um die Rechtmäßigkeit des KZ-Vergleichs reihte sich ein in die bisherige Lagerbildung des Konflikts. Zugleich verweist sie auf die spezifische Historisierung der nationalsozialistischen Verbrechen in den 1970er Jahren, vor der US-amerikanischen Fernsehserie »Holocaust«, die 1979 in der Bundesrepublik ausgestrahlt wurde, und Claude Lanzmanns Dokumentarfilm Shoah von 1985.412 Das Thema Geflügelkäfighaltung beschäftigte westdeutsche Gerichte Mitte der 1970er Jahre auch jenseits des KZ-Vergleichs. Im Herbst 1975 veranstalteten diverse Tierschutzvereine Filmvorführungen. Der Bund gegen den Missbrauch der Tiere e. V. lud alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 25. November zum Film »Macht euch die Erde untertan. Moderne Nutzgeflügelhaltung oder Tierquälerei?« des Münchner Rechtsanwalts und Tierschützers Andreas Grasmüller in die Stadthalle in Bad Godesberg in Bonn. Die Veranstaltung, so hielt der Leiter der Unterabteilung 32 des BMEL in seinem Protokoll der Veranstaltung fest, war mit 400 Personen so gut besucht, dass »ein Teil der Besucher 409 Ebd. 410 Ebd. 411 BArch Koblenz, B 116/50129, Informationen des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., 2305 Heikendorf bei Kiel, Dr. Martin Niemöller an Prof. Dr. Hans Schlütter, 27.2.1976. 412 35 Jahre nach Niemöllers und Wankels Stellungnahmen, im Jahr 2012, bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil deutscher Gerichte und gab damit einer Klage des Zentralrats der Juden statt, wonach die Tierschutzorganisation PETA keine Bilder von Schlachttieren neben Fotos noch lebender und toter KZ-Insassen zeigen dürfe. Bei dem Verbot der PETA-Kampagne »Der Holocaust auf Ihrem Teller« war keine Rede mehr von der Meinungsfreiheit des Grundgesetzes, die diese Haltung decke, sondern vom spezifischen Kontext der deutschen Geschichte, der gerade in diesem Fall eine Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung verlange. Siehe Stiebert; o. A., »Der Holocaust auf Ihrem Teller«; o. A., Skandalplakate bei PETA.

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stehen mußte«.413 Mehr als die Hälfte der Besucher waren zudem Männer, sodass die Versammlung »wegen ihrer Zusammensetzung nicht die herkömmliche Vorstellung einer Tierschutz-Veranstaltung« erfüllte.414 Die Veranstaltung wäre »von Anfang an einseitig auf die Bestätigung der Argumente der Gegner der Käfighaltung ausgerichtet«, berichtete der Beobachter ins Ministerium.415 Ins Ministerium flatterte außerdem die Kopie eines Schreibens des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, das eine Woche nach der Filmvorführung an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegangen war. Das Schreiben warnte vor dem gegebenenfalls gesehenen Film, der »in undemokratischer Weise gegen die modernen Produktions- und Verarbeitungsmethoden der Geflügelwirtschaft polemisiert«.416 Der Veranstalter würde mit »unsachlichen, Emotionen weckenden Argumenten, die Zuhörer von der Notwendigkeit des Verbots der Intensivhaltung von Nutztieren zu überzeugen« versuchen.417 Dieser Argumentationsschiene folgend klagten zwei Eiererzeugungsgemeinschaften in Bayern, weil der Film auf »Massenpsychologie« abgestellt sei und zudem Geschäft und Ansehen beschädige.418 Die 9. Zivilkammer beim Landgericht München I entschied jedoch am 10. Dezember 1975 in gleicher Stoßrichtung wie die Düsseldorfer Richter in der KZ-Angelegenheit, dass Andreas Grasmüller seinen Film weiter zeigen dürfe. Eine einstweilige Verfügung, mit der die öffentliche Vorführung und der Vertrieb des Films verboten werden sollten, gab es nicht. Wieder hatte ein Gericht entschieden und wieder siegten die »Hühnerfreunde«.419 Ein letzter weiterer Punkt etablierte sich in diesen Jahren als Streitgegenstand in Sachen Tierschutz und Geflügelhaltung: Die Frage einer Kennzeichnung tie413 BArch Koblenz, B 116/50129, Vermerk Betreff Tierschutz; hier: Öffentliche Veranstaltung des Bundes gegen den Mißbrauch der Tiere e. V. über die gegenwärtige Problematik der Nutzgeflügelhaltung am 25.11.1975 in der Stadthalle Bad Godesberg, 1.12.1975. 414 Ebd. 415 Ebd. Die sieben Fragen waren: Ist das Huhn überhaupt schmerz- und leidensfähig?, Leidet das Huhn in Käfigen?, Ist dieses Leiden nach § 2 TierSchG vermeidbar?, Entspricht oder widerspricht die derzeit praktizierte Käfighaltung von Legehennen den §§ 1 und 2 TierSchG?, Ist die Käfighaltung, abgesehen von den Forderungen des TierSchG ethisch vertretbar?, Gibt es positive Gründe für die Käfighaltung und wenn ja, welches Gewicht haben sie?, Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Fragen: Ist die Bodenhaltung eine annehmbare Alternative zur Käfighaltung, Soll eine Kennzeichnungspflicht von Eiern aus Käfighaltung eingeführt werden? 416 BArch Koblenz, B 116/50129, Prof. Dr. Schlütter, Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. an die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages, 2.12.1975. 417 Ebd. 418 BArch Koblenz, B 116/50129, o. A., Film über »Hähnchenfabrik« darf weiter gezeigt werden, in: Süddeutsche Zeitung, 11.12.1975; o. A., Rechtsanwalt darf Film über Massentierhaltung zeigen. Hühnerfreunde siegen vor Gericht, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 11.12.1975. 419 BArch Koblenz, B 116/50129, o. A., Rechtsanwalt darf Film über Massentierhaltung zeigen. Hühnerfreunde siegen vor Gericht, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 11.12.1975.

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rischer Produkte, die Aufschluss über die Haltungsmethoden gab. Margarethe Bartling, die Vorsitzende des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung, schrieb am 5. September 1974 nach Bonn, weil sie sich an einer Werbung der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, stieß. In der Zeitschrift Quick warb die CMA für »nestfrische« Eier aus Deutschland und zeigte »einen auf viel Stroh gebetteten Eierkarton«.420 Bartling stieß die irreführende Werbung auf, weil weit mehr als die Hälfte der deutschen Eier längst aus Käfigen stammten und die CMA durch das BMEL mit Steuermitteln gefördert wurde. Sie erhielt Schützenhilfe vom verlässlichen Grzimek, der Bonn anhielt »auf jeden Fall eine Kennzeichnung von Hühnereiern, die in solch ekelerregender Weise erzeugt sind, gesetzlich vorzuschreiben«.421 Weil das BMEL kontinuierlich »Briefe aus der Bevölkerung und von Organisationen« zu diesem Thema erhielt, verfasste es eine Standardantwort, wonach die Menschen »zunächst dahingehend umerzogen werden müssten, daß sie bereit wären, erheblich höhere Lebensmittelpreise zu bezahlen oder Konsumverzicht zu üben«.422 Tierschutzvereine wie die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz e. V. waren gegenteiliger Meinung. Schon längst wäre »der Verbraucher sehr wohl bereit« einen höheren Preis für »nicht auf tierquälerische Weise gewonnene Lebensmittel zu bezahlen«.423 In der Tat: 1976 fand eine Untersuchung des Instituts für Tierhaltung und des Instituts für Agrarsoziologie der Universität Stuttgart-Hohenheim, indem sie in drei Stuttgarter Supermärkten gleichzeitig Eier aus Käfighaltung für 2,99 DM und solche aus Bodenhaltung für 3,64 DM anboten, heraus, dass »42 Prozent der Käufer ›Bodeneier‹« bevorzugten. Als Motiv für die teurere Wahl gaben in 182  Interviews 39 Prozent der Befragten »ethische Bedenken gegen die Käfighaltung« an.424 Ohne dass damit die entstehenden ethischen Sorgen der Konsumentinnen und Konsumenten diskreditiert werden würden, ist zu erwähnen, dass die Einkommen zwischen 1950 und 1990 durchweg stärker wuchsen als die Preise für Nahrungsmittel. Der Anteil am ausgabefähigen Einkommen sämtlicher Haushaltstypen, wie es in den Statistiken heißt, der für Nahrungsmittel ausgegeben wurde, halbierte sich in den vier Jahrzehnten seit 1950. 1949 wurden etwa vierzig Prozent des in einem Haushalt zur Verfügung stehenden Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben, je wohlhabender der Haushaltstyp, desto geringer

420 BArch Koblenz, B 116/50128, M. Bartling an Bundesminister des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 5.9.1974; B 116/25567, Bilanz der Agrarpolitik seit 1969, Bonn, 13. Juli 1972, S. 5 f. 421 BArch Koblenz, B 116/50128, Bernhard Grzimek an Senator Nölling für das Gesundheitswesen der Freien und Hansestadt Hamburg, 3.9.1974. 422 BArch Koblenz, B 116/50129; Hr. Weichert, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz e. V., an Bundesminister Ertl, 3.9.1975. 423 Ebd. 424 Priewe, S. 30.

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der Anteil.425 25 Jahre später waren daraus 20,5 bis 32,2 Prozent geworden. Zusätzlich wurden die Aufwendungen für Nahrungsmittel tierischen Ursprungs separat ausgewiesen und sie machten 1974 zwischen 38  und 46 Prozent der Ausgaben für Lebensmittel insgesamt aus.426 1990 schließlich waren die Aufwendungen für Nahrungsmittel auf 20,4 Prozent im ärmsten Haushaltstyp »von Renten- und Sozialhilfeempfänger[n] mit geringem Einkommen« gesunken und in den beiden wohlhabenderen Haushaltstypen sogar auf 15,8 und 13 Prozent. Ausgaben für Nahrungsmittel tierischen Ursprungs zeichneten sich 1990 nur noch für ein Drittel an den insgesamten Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel verantwortlich.427 In der Wohlstandsgesellschaft seit den 1970er Jahren bedeutete die Entscheidung für geringfügig teurere tierische Lebensmittel deshalb nicht automatisch Konsumverzicht an anderer Stelle. Intern, in Briefen, Vermerken und Gutachten machten westdeutsche Hühnerhalter deutlich, warum sie keine Tierschutzregeln akzeptieren könnten, die die Produktion verteuerten. Aufgrund der internationalen Konkurrenz auf dem europäischen Binnenmarkt würden derartige Beschränkungen wettbewerbsverzerrend wirken und sie wertvolle Marktanteile kosten.428 Auf diese Dynamik wurde in der Debatte nicht eingegangen. Stattdessen versuchte die Branche, die Käfighaltung an sich zu rehabilitieren – mit Artikeln à la »Paradies hinter Drahtgittern«,429 während Gegnerinnen und Gegner der Käfighaltung diese und die sie durchführenden Menschen verurteilten. Alle Streitpunkte der Diskussion um die Geflügelkäfighaltung einte, dass die Frage der Haltung von landwirtschaftlichen Tieren als Frage politischer Regulierung entlang objektiver ethischer Regeln aufgefasst wurde. Der marktwirtschaftliche Charakter sowohl der Herstellung von Geflügelprodukten als auch von deren Konsum wurden nicht thematisiert. Fragen, wie etwa ein Preisgefüge aussehen müsste, das erlaubte, Hühner mit wirtschaftlichem Mehrwert so zu halten, wie manche Verbraucher das möchten, wurden nicht diskutiert. Dementsprechend destruktiv ging es bis 1990 und auch danach weiter. Der Burgfrieden »eines von allen Sachverständigen getragenen grundsätzlichen Forschungsansatzes« mit dem die erste gescheiterte Gutachtenrunde 1975 abgeschlossen worden war, hielt nur kurz.430 Die Wissenschaft taugte nicht als Kraft der Versöhnung. Auch eine neue, im Februar 1975 eingesetzte Arbeitsgruppe

425 Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1953, S. 447 f. 426 Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1975, S. 484–484. 427 Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 1990, S. 484–486. 428 BArch Koblenz, B 116/50128, Schlußfolgerung aus den von einer Sachverständigengruppe vorgelegten Gutachten Teilen I und II über tierschutzgerechte Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, S. 22; Lätsch. 429 Abelein. 430 BArch Koblenz, B 116/50128, Schlußfolgerung aus den von einer Sachverständigengruppe vorgelegten Gutachten Teilen I und II über tierschutzgerechte Haltung von Nutzgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, S. 22.

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des Senates der Bundesforschungsanstalten des BMEL scheiterte. Anstatt in wissenschaftlichen Untersuchungen die gesuchte Wahrheit über die »tierschutzgerechte Haltung von Nutztieren« herauszufinden, auf deren Basis »entsprechende Rechtsvorschriften« erlassen werden könnten, gerieten auch hier die Mitglieder aneinander, weil sie sich gegenseitig mangelnde Wissenschaftlichkeit unterstellten.431 Noch vor Ablauf des ersten Jahres traten die drei Verhaltensforscher Leyhausen, Nicolai und Martin aus, weil die »›wirtschaftlich orientierten Geflügelwissenschaftler‹ nicht bereit seien, die klassischen Arbeitsweisen der vergleichenden Verhaltensforschung anzuerkennen«.432 Weil damit weiterhin eine rechtsverbindliche Verordnung der Geflügelhaltung ausstand, blieben Gerichte Streitschlichter in Sachen Geflügel. Sie beurteilten bis 1987 auf Grundlage des Tierschutzgesetzes von 1972 und ohne Vorliegen von konkretisierenden Durchführungsverordnungen die Käfighaltung von Hühnern in der praktizierten Form grundsätzlich als strafbare Tierquälerei.433 1987 erreichte eines dieser Verfahren um die Rechtsmäßig- oder Rechtswidrigkeit der Geflügelkäfighaltung den Bundesgerichtshof, der in seiner Entscheidung festhielt, dass zwar der Straftatbestand der besonders schweren Tierquälerei nicht erfüllt sei, Käfighühner in ihrem Dasein jedoch zu lebenslangem Leiden verurteilt seien.434 Um die Rechtsunsicherheit der westdeutschen Geflügelhalter zu beenden, erließ CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle noch im selben Jahr die so genannte Hennenhaltungsverordnung, die sich im strittigsten Punkt der Käfiggröße auf die kleinste im Raum stehende Zahl, 450 cm2 pro Tier, festlegte.435 Weil mit dieser späten und restriktiven Verordnung erstens die seit inzwischen knapp zwanzig Jahren gewachsenen ethischen Bedenken nicht adressiert wurden und zweitens laut Grundgesetz ein Gesetz und seine dazugehörige Verordnung nichts Unterschiedliches bestimmen dürfen, landete die Käfigangelegenheit gut zehn Jahre später beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. 1999 stellte dieses schließlich, entsprechend einer Klage des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, fest, dass Legebatterien gemäß der 1987er-Verordnung gegen das Tierschutzgesetz verstießen und verbot diese Haltungsform.436 Den für 2007 festgelegten Ausstieg machte im April 2006 der Bundesrat rückgängig, indem etwas vergrößerte Käfige unter dem Namen »Kleingruppenkäfige« eingeführt wurden. 2012 untersagte das Bundesverfassungsgericht dann auch diese Kleingruppenkäfige und seit 2015 gilt 2025 als Ausstiegsdatum für

431 Wegner, Spezielle Tierschutzfragen, S. 185. 432 O. A., Grzimek darf von »KZ-Hühnern« reden. 433 Hipp u. Nimtz-Köster. 434 Drieschner. 435 Kiechle konnte die Verordnung als Bundeslandwirtschaftsminister erlassen, weil er durch das Änderungsgesetz des Tierschutzgesetzes 1986 die unter § 2 a ergänzte Verordnungsermächtigung für die landwirtschaftliche Massentierhaltung erhalten hatte, siehe Pfeiffer, S. 219. 436 Clausen; o. A., Not des Federviehs.

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diese Haltungsform, mit einer dreijährigen Verlängerung für Härtefälle.437 Seit 2012 ist die Haltung von Legehennen in konventionellen Käfigen außerdem europaweit verboten.

2.5 Zwischenfazit: Wegweisendes Geflügel, Rentabilisierung im Stall und der Konflikt um die Hühner im Käfig Die Geflügelhaltung als eigene Unternehmung entstand in Deutschland seit Mitte des 20. Jahrhunderts plötzlich, rasch und sogleich in einer für landwirtschaftliche Tierhaltung bis dahin untypischen ökonomischen Ausprägung. Zwischen Anfang der 1950er und Ende der 1960er Jahre avancierte die Hühnerhaltung vom wirtschaftlich nicht weiter berücksichtigten Zubrot der Bauersfrau zum Schrittmacher des Fortschritts in der Landwirtschaft. Auch frühere Hühnerhaltung war nach wirtschaftlichen Prinzipien abgelaufen. Doch die Kosten der Produktion, Arbeitszeit und -kraft der Hühnerhalterin, Baumaterial für den Hühnerunterschlupf und nicht selten selbst das verwendete Hühnerfutter waren in kein Verhältnis zum Endprodukt und seinem Erlös gesetzt worden. Rentabilitätsverbesserungen hatten es deshalb nicht leicht gehabt in diesen Hühnerställen, was die Geflügelexperten und -berater der 1950er Jahre grämte. Die Geflügelhaltung avancierte zum wirtschaftlichen Sehnsuchtsort der Landwirtschaft. Eier und Geflügelfleisch gewannen stetig an Popularität und internationale Bildungsreisen boten Inspiration in Sachen ökonomischer Effizienzsteigerung. Die Rentabilitätssteigerung war nicht nur ideell ein internationales Projekt, wie die als Chicken War bekannt gewordene Handelsstreitigkeit zwischen der EWG und den USA von 1961 bis 1963 deutlich werden ließ. Tiefgefrorene US-Brathähnchen fanden seit 1956 reißenden Absatz auf dem westdeutschen Markt. Das beunruhigte die dortige Agrarpolitik, weil das Geflügel der Landwirtschaft zusätzliche Einnahmen bescheren sollte und sich Westdeutschland stattdessen Anfang der 1960er Jahre zum größten Geflügelimporteur der Welt entwickelt hatte. 1962 schob deshalb die Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EWG den US-Importen einen Riegel vor, indem sie den Preis, zu dem US-amerikanische Hähnchen den EWG-Markt betreten dürfen, verteuerte. Die USA nahmen die Handelsbeschränkung nicht unwidersprochen hin und veranlassten, nachdem bis Herbst 1963 keine Einigung erzielt worden war, handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen. Der Chicken War festigte die wirtschaftliche Konzeption eines Huhnes als quantitativer Bioreaktor, der Futtergetreide in Eier und Hähnchenfleisch umwandelte. Denn die Berechnungsgrundlage der Einfuhrzölle war der so genannte Veredelungskoeffizient; eine Zahl, die Aufschluss über den Wirkungsgrad der Hühner gab. Das Huhn erlebte in der Auseinandersetzung um Einschleusungspreise und 437 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Fragen und Antworten.

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Abschöpfungsbeträge einen Kommodifizierungsschub. Seine Körperprozesse wurden umrechenbar gemacht in geldwerte Äquivalente. Erreichten die Tiere eines Hühnerhalters den politisch gesetzten Veredelungskoeffizienten nicht, deckten die Abnahmepreise ihre Produktionskosten nicht und der hinter der Hühnerhaltung stehende Mensch geriet in betriebswirtschaftliche Bedrängnis. Rentabilisierung ist deshalb die Überschrift, unter der das Geschehen in den Geflügelställen subsumiert werden kann – und zwar in beiden deutschen Staaten. In der DDR waren es nicht internationale Konkurrenz und hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibende landwirtschaftliche Betriebe, die der Geflügelhaltung wirtschaftliche Beine machten. Verantwortlich für die Effizienzsteigerung in den ostdeutschen Hühnerställen waren staatliche Entscheidungen für den Auf- und Ausbau der Geflügelhaltung, um mit im Vergleich zu Rinder- und Schweinefleisch günstig zu produzierenden und zugleich hoch im Verbraucherkurs stehenden Produkten einen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung und damit zu ihrer politischen Loyalität zu leisten. Möglichst günstig produzierte Geflügelprodukte waren das Ziel sowohl der in marktwirtschaftlichem Wettbewerb stehenden Geflügelhalterinnen und -halter der Bundesrepublik als auch der Agrarplaner der DDR. In beiden deutschen Staaten wurde die Rentabilisierung des Geschehens im Geflügelstall politisch forciert. Ihre wichtigste praktische Voraussetzung war die ganzjährige Stallhaltung der Hühner. Dafür wiederum war die Herstellung eines alle Nährstoffbedarfe des Tiers abdeckenden Hühnerfutters die Vorbedingung gewesen. Denn erst als die Tiere ihre Vitamine nicht mehr selbst aus dem Boden zu picken hatten, konnten beliebig viele von ihnen gemeinsam gehalten werden. Erst dann hatten die die Produktion verbilligenden skalenökonomischen Effekte der Massenproduktion freie Bahn. Der betriebswirtschaftliche Charme zunächst der Bodenund anschließend der Käfighaltung war, dass Raum- und Unterbringungskosten sanken, je mehr Tiere pro Quadratmeter Bodenfläche gehalten wurden. Je rentabler die Raumnutzung jedoch werden sollte, desto kapitalintensiver wurde sie. Kapital allerdings hatten die wenigsten Geflügelhalterinnen und -halter in der Bundesrepublik selbst. Es wirkte deshalb als aufgenommenes und bedient werden wollendes Fremdkapital per Kostendruck auf die Prozesse im Stall zurück. Die Geflügelhaltung war federführend bei der Entwicklung, die Kapital an die Stelle des Bodens als Voraussetzung landwirtschaftlicher Tierhaltung treten ließ. Neuartige kapitalkräftige Tierhalter, wie der Westfälische Strumpffabrikant Fritz-Karl Schulte, der Mitte der 1960er Jahre die Eierproduktion mittels großmaßstäblicher Legehennenhaltung in Käfigen in sein Produktportfolio aufnahm, betraten die Bühne. Neben der Raumnutzung war die menschliche Arbeitskraft Gegenstand der kostendegressiven Rentabilisierung gewesen. Ihr Anteil an den Produktionskosten sank ebenfalls mit der Konzentration möglichst vieler Hühner. Hühnerhaltungen, die ihre Produkte nicht für den Eigenverbrauch herstellten, begannen die für ihren Fall günstigste Faktorenkombination aus Raum, Geld und Arbeitszeit zu errechnen. Die für Haltungen von unter dreißig Tieren ver221

anschlagten dreißig Arbeitsstunden pro Jahr, schmolzen bei Herden ab 3.000 Tieren auf die Hälfte pro Tier. In den teuren neuen Anlagen mit Käfigbatterien wurden mehrere Zehntausend Tiere pro Mensch gerechnet. So groß die Zahlen der Tiere wurden, so klein wurde die für ihre Versorgung aufgewendete Zeit. Eine Viertelminute für das Füttern von einhundert Tieren wurde 1974 im ostdeutschen Stalltyp »Radebeul« R20/88 mit 12.670 Tieren in Flachkäfigen veranschlagt, 0,009 Minuten pro Masthuhn in seiner achten und letzten Lebenswoche war ein westdeutsches Pendant 1971. Richtig und falsch war in der Geflügelhaltung zu einer Frage der Zahlen geworden. Die Größe der Betriebe forcierte deren vertikale Integration mit vor- und nachgelagerten Produktionsschritten. Herkömmliche Schlachthöfe schlachteten keine Hühner. Die Bestände waren durch die kostendegressiven Vorteile ihrer Vergrößerung jedoch so gewachsen, dass die traditionelle Methode der Hausschlachtung nicht länger durchführbar war. Längerfristige Verträge zwischen Tierhalter und Schlachter, meist zusätzlich auch mit der Brüterei, die für verlässlichen Nachschub an jungen Tieren sorgte, wurden zur Grundlage des Geflügelgeschäfts in Bundesrepublik und DDR. Auch die Hühner selbst waren von der Rentabilisierung ihrer Haltung betroffen. Zum einen wurde ihre Lebensdauer strikter als bisher auf die Zeit ihrer rentabelsten Körperperformance begrenzt und es wurden verstärkt nur mehr jene Tiere ins Leben gerufen, deren Gene maximale Rentabilität in Aussicht stellten. Zum anderen bargen die neuen Haltungsmethoden Herausforderungen, die die in der Kalkulation vorgesehene Rendite des Tiers gefährden konnten. Forschung und Praxis konzentrierten sich deshalb darauf, das Verhalten der Tiere, das sich unter den neuen Haltungsumständen verändert hatte, so unter Kontrolle zu bringen, dass es der Betriebsbilanz einen positiven Effekt bescherte. Dafür wurde durch die standardmäßige Verabreichung medizinischer Präparate innerlich und das Abschneiden der Schnabelspitzen äußerlich intensiver als bisher in die Körper der Tiere eingegriffen. Die Entwicklung der Geflügelhaltung zwischen 1945 und 1990 zeigt mit einem Schwerpunkt in den 1960er und 1970er Jahren ein neues wirtschaft­liches Denken eindrücklicher als jeder andere Bereich landwirtschaftlicher Tierhaltung. Rechnen, Kalkulieren und Planen wurden zu Kernpraktiken der Geflügelhaltung. Ökonomische Modelle wurden der Praxis in den Hühnerställen zugrunde gelegt und die Kostenrechnung zur handlungsleitenden Tätigkeit im Stall. Im Hühnerstall wurden Rentabilitätsrechnungen losgelöst von herkömmlichen Rhythmen landwirtschaftlicher Tierhaltung verwirklicht, was zu sinkenden Herstellungskosten von Eiern und Geflügelfleisch und zu einer neuen Einkommensquelle für die Landwirtschaft (aber nicht nur für sie) führte. Dieses Geschehen und seine ausschließlich ökonomische Semantik passte nicht länger mit dem vorherrschenden Verständnis von Landwirtschaft zusammen, das sich durch eine Unterrepräsentation seines ökonomischen Charakters zugunsten der Betonung von Kulturleistungen auszeichnete. Die Radikalisierung ökonomischer Logiken im Hühnerstall ließen in der freien Öffentlichkeit 222

der zunehmend fortschrittsskeptischen westdeutschen Wohlstandsgesellschaft seit den 1970er Jahren einen Konflikt um die Neuaushandlung der Werte landwirtschaftlicher Tierhaltung entstehen. Im Zuge der Reform des westdeutschen Tierschutzgesetzes seit 1966 traten die Spannungen, die die Haltung von Tieren zur Lebensmittelherstellung inzwischen barg, offen zutage. Die Herstellung von Nahrungsmitteln allein legitimierte nicht länger jede Form der Tierhaltung. Das reformierte Tierschutzgesetz mit dem Zweck, die neuen Formen landwirtschaftlicher Tierhaltung auf eine gesicherte Rechtsgrundlage zu stellen, passierte zunächst mit fraktionsübergreifender Zustimmung das Parlament. Eine Formulierung der Ausführungsbestimmungen jedoch, was die hehren Paragrafen im Stall zu bedeuten hätten, gelang nicht. Zwischen 1967 und 1976 scheiterten zwei vom BMEL eingesetzte Sachverständigengruppen, weil sie sich auf keine Durchführungsempfehlungen für tierschutzkonforme Geflügelhaltung einigen konnten. Seit Anfang der 1970er Jahre waren größere Teile der westdeutschen Öffentlichkeit in Sachen Geflügelkäfighaltung massenmedial sensibilisiert. Das zivilgesellschaftliche Engagement zahlreicher Tierschutzvereine erhöhte den Druck auf die Entscheidungsfindung, bis zu welchen Punkten die rentable Haltungsform ethisch vertretbar sei. Profiteurin des Konflikts war die Verhaltensbiologie, die die strittigen Punkte in mit öffentlichen Mitteln geförderten Experimenten klären sollte. Doch während Öffentlichkeit, Politik und Landwirtschaft auf die Ergebnisse der Hühnerversuche warteten, radikalisierte sich der Konflikt weiter und es war nicht die Wissenschaft, sondern das Bundesverfassungsgericht, das 1999 das Ende der Käfighaltung in Deutschland einläutete. Was lernen wir daraus? Die Moral, in der landwirtschaftliche Tierhaltung eingebettet war, durchlief einen Wandel. Die wirtschaftliche Effektuierung der Geflügelhaltung war verantwortlich dafür, dass die herkömmliche moralische Kontextualisierung an Gültigkeit verlor. Die Konkurrenzsituation, in der sich Geflügelhalterinnen und -halter begegneten, rentabilisierte deren Wirtschaftspraxis im Stall. Das massenhaft gehaltene Käfighuhn erlaubte, die Erfordernisse des Marktes zu bedienen. Doch diese Form der Tierhaltung konnte nicht länger in Einklang gebracht werden mit einer Vorstellung von Landwirtschaft, wonach Tierhaltung neben Lebensmittelproduktion auch Kulturpflege und Schöpfungs­ verantwortung war. Zwei gegenläufige Entwicklungen auf Produzenten- und Konsumentenseite schürten den Konflikt. Die markterzwungene Fixierung auf die ökonomischen Zusammenhänge der Produzenten traf in der Wohlstandsgesellschaft der 1970er und 1980er Jahre auf eine postmaterialistisch motivierte Lockerung der Preisfixierung auf Konsumentenseite. Manche Westdeutsche waren seit der Politisierung der Geflügelhaltung bereit, ein paar Pfennige mehr pro Ei zu zahlen, um dem Huhn den Käfig zu ersparen. Die Geflügelhaltung war wegweisend für die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung insgesamt. Ein durch Kühlung und verbilligte Transportkosten stetig großräumigerer Markt wirkte auf die Bedingungen des Wirtschaftens im 223

Stall ein. Dieses Wirtschaften im Stall wurde durch neue moralische Spannungen politisiert. Das Verhältnis von Markt und Moral bei der Haltung von Tieren zur Lebensmittelproduktion ist seither Gegenstand gesamtgesellschaftlicher Aushandlung und keine innerlandwirtschaftliche Angelegenheit mehr. Die Neuaushandlung ethischer Legitimität landwirtschaftlicher Tierhaltung fiel zeitlich zusammen mit dem abnehmenden Kontakt der meisten Menschen zu Tier und Landwirtschaft. Wie dieser Prozess des abnehmenden Kontakts zwischen der Bevölkerungsmehrheit und landwirtschaftlichen Tieren mit den Veränderungen im Stall zusammenhängt, untersucht der nun folgende dritte Teil der Arbeit anhand der technisch-organisatorischen Umgestaltung der Schweinehaltung.

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3. Schweine: Technisierung der Ställe Das Mehrsprachen-Bildwörterbuch »Tierfütterung und Tierhaltung« erschien 1962 zum ersten Mal in der Bundesrepublik und ist mit seinen folgenden fünf Auflagen ein eindrückliches Beispiel der technischen Veränderung im Schweinestall. 1993 hatte sich, im Vergleich zu den Ausgaben der 1960er Jahre, nicht nur sein Titel von »Tierhaltung« zu »Tierproduktion« gewandelt. Der Produktionsbegriff fand seine inhaltliche Konkretion in technischen Finessen und mechanischen Einrichtungen, die mit jeder Auflage umfangreicher und detaillierter geworden waren. Die Abbildung des »Schweinestall[s], dänische[r] Bauart« war wie die sechs europäischen Sprachen des Bildwörterbuchs gleich geblieben (Abb. 17),1 doch »Ferkelcontainer« und »Sauenkäfig mit Schutzstangen« (Abb. 18) waren ebenso neu hinzugekommen wie die »Etagenferkelbatterie«, der »Läuferkäfig«, der »Dosierfutterautomat mit Zeitschalter«, der »Vertikalfutterverteiler mit Volumendosierung« oder die »automatische Naßfütterungsanlage« (Abb. 19). Nicht nur illustrierte Wörterbücher für die internationale Verständigung von Wissenschaft und Beratung, sondern sämtliche Quellen der Praktikerinnen und Praktiker der Schweinehaltung legen einen weitreichenden technischen Wandel im Stall nahe. Im selben Jahr, als die sechste Auflage des Mehrsprachen-Bildwörterbuchs erschien, hielt der Umwelthistoriker Joachim Radkau fest, dass in der Landwirtschaft »[e]in wirklich revolutionärer Wandel […] im Gegensatz zum verkündeten aber nicht eingetretenen Atomzeitalter in der zivilen Wirtschaft« stattgefunden habe. Dessen tiefster Einschnitt und Mentalitätsbruch sei die »Verdinglichung des Lebendigen, die mit dem Übergang zur Massentierhaltung einherging«, gewesen.2 Aus der Schweinehaltung wurde die Schweineproduktion. In Anlehnung an diese Interpretation beschreibt der letzte Teil dieser Arbeit anhand der Schweinehaltung das noch fehlende dritte Puzzleteil der Revolution im Stall: neue technische Verfahren landwirtschaftlicher Tierhaltung. Ohne die Veränderung der technischen Kultur, deren Schlüsselbegriffe Mechanisierung und Automatisierung sind, hätte weder die Optimierung der Tierkörper noch die Rentabilisierung des Wirtschaftens ihre grundlegende Durchschlagskraft entfalten können. Die Bedeutung neuartiger technischer Verfahren für die Veränderung der Schweinehaltung war den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bewusst. Für manche unter ihnen, wie der 40-jährigen Renate Weege aus Bochum, entstand

1 Lohmann & Co. KG u. H. Steinmetz, S. 169. 2 Radkau, »Wirtschaftswunder«, S. 151.

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Abb. 17: Schweinestall, dänische Bauart. Teile: 1. Futtergang, Stallgang, 2. Dunggang (durchgehend), 3. Trennwand, 4. Buchtentür geöffnet, 5. Buchtentür geschlossen, 6. Bucht, Boxe, Schweinebucht, 7. Absperrgitter, verstellbar, 8. Futtertrog, Schweinetrog, 9. Tränke.

dadurch erst die Gelegenheit, über Schweinehaltung als Beruf nachzudenken. Weege, leitende medizinisch-technische Assistentin in der Augusta-Kranken­ anstalt in Bochum, schrieb am 1. November 1967 nach Bonn an Bundes­ landwirtschaftsminister Hermann Höcherl. »[D]urch Einführung modernster Untersuchungsmethoden« hätte sie in ihrem Krankenhaus »ein gut organisiertes und produktives Laboratorium« aufgebaut. Deshalb sei sie ausgewiesen, »eine Schweinezucht- und Mastanstalt« mit »modernsten[n] Anlagen« und »planvoller Arbeitsweise« aufzubauen.3 Das nämlich sei ihr großer Wunsch. Ihr »ganzes Sinnen und Trachten« richtete »sich seit vielen Jahren auf ein Leben auf dem Land«, weil sie »die Natur in ihrer unbeschreiblichen Vielfältigkeit und Ursprünglichkeit« liebe. Den Widerspruch, den heutige Leserinnen und Leser möglicherweise empfinden, Naturliebe durch den Bau einer Schweinemastanstalt Ausdruck zu verleihen, empfand Frau Weege nicht. Sie hatte bereits 2,5 Hektar Land dafür aufgetrieben, in der Gemeinde Lanz im Landkreis Neustadt / Waldnaab in der bayerischen Oberpfalz, und würde »einige Urlaubswochen dazu benutzen«, sich »auf einer Musterfarm die notwendigen praktischen Fähigkeiten anzueignen«.4 Das einzige Problem, das ihrem Schweineglück noch entgegenstand, war mangelndes Kapital, weil sie außer einer eigenen Wohnungsein-

3 BArch Koblenz, B 116/17924, BMEL, Abt. II A 7, 1962–1968, Renate Weege an Bundesminister Höcherl 1.11.1967; abschlägiges Antwortschreiben von Referent Dr. Preiss 10.11.1967. 4 Ebd.

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Abb. 18 u. Abb. 19: Sauenkäfig mit Schutzstangen und Automatische Naßfütterungsanlage.

richtung und »einem Volkswagen« nichts als ihren »festen Willen« besaß. Ihre Bitte nach staatlicher Kredithilfe schlug das BMEL aus. Das Schreiben Ende der 1960er Jahre zeigt, dass eine neue Art Schweine zu halten in einer über landwirtschaftliche Kreise hinausreichenden Diskussion präsent war. Technische Veränderungen hatten aus dem Schweinestall als Ort mühsamer und unattraktiver Arbeit mitunter einen Sehnsuchtsort der beruflichen Zukunft auf dem 227

Land werden lassen, dessen Zutaten »modernste Anlagen« und rationelle Organisation waren.5 Dieses Kapitel geht der Rolle von Technik für den Wandel landwirtschaft­ licher Tierhaltung auf den Grund. Zu diesem Zweck werden die Ausstattung der Ställe und die Arbeitsschritte darin in einem praxeologisch nahen Blick rekonstruiert. Die alltagssprachliche Doppelsinnigkeit des Technikbegriffs, der sowohl materielle Hardware als auch menschliche Fähigkeiten meint, liegt auch der Analyse dieses Kapitels zugrunde. Es versteht unter Technik sowohl die materielle Bedingtheit der Tierhaltung, als auch deren Arbeitsprozesse mit den dazugehörigen Menschen und ihren Erfahrungen.6 Im Schweinestall lässt sich die »technology-based culture« der Moderne beobachten7 und in der dortigen steten Verwobenheit nicht nur der menschlichen Existenz, sondern auch derjenigen der Tiere mit Technik manifestiert sich die dritte Dimension der Revolution im Stall.8 Technische Veränderungen waren dabei keine von außen kommenden Determinanten des Wandels im Stall, wie sie von Zeitgenossen imaginiert wurden.9 Menschen und Tiere vor Ort gestalteten den Produktionsprozess stetig mit. Sie waren keine stummen Handlanger technischer Planzeichnungen. Ihretwegen lösten neue Techniken die Versprechungen ihrer Betriebsanleitung nicht reibungslos ein. Neue Ausrüstung und neue Verfahren bedeuteten gleichzeitig neue Herausforderungen – für jegliche ihrer Nutzer, wie es technikhistorisch heißt und womit in dieser Geschichte nicht nur Menschen gemeint sind.10 Dennoch ist die Bedeutung technischer Veränderungen als Erklärung für die Revolution im Stall spätestens ab Mitte der 1960er Jahre schwerlich zu überschätzen.11 Sie waren maßgeblich sowohl für die Produktivitätssteigerung als 5 Das westdeutsche Bundeslandwirtschaftsministerium erreichten die 1960er Jahre hindurch Schreiben von Einzelpersonen, die in der Schweinehaltung ihre berufliche Zukunft sahen, jedoch nicht über die für die Einrichtung der Ställe nötige Kapitalgrundlage verfügten, siehe BArch Koblenz, B 116/17923, Heinrich Graf, Antrag auf ein zinsverbilligtes Darlehn für eine Schweinemästerei, 18.1.1962; ebd., Josef Nolte, Unterstützung für Stallbau Schweinemast, 21.1.1962; ebd., Reinhard Pett, Errichtung einer Schweinemast zur Versorgung seiner großen Familie, 18.1.1963. 6 Siehe hierzu auch: Radkau, Technik und Umwelt, S. 137. 7 Hughes, S. 31. 8 Grundlegend zu diesem Technikverständnis, das sich von einem Dualismus zwischen Technik und Kultur, der meist in einen Technikdeterminismus mündete, verabschiedet: Heßler, Kulturgeschichte der Technik; dies., Einleitung, S. 103. 9 Schaefer-Kehnert, insb. S. 218 f. 10 Zur sozialen Einbettung technischer Innovationsprozesse, die insbesondere dann zutage tritt, wenn man den Blick den mit der Technik interagierenden Menschen, den »users« oder »maintainers« zuwendet, siehe das Standardwerk Bijker u. a.; außerdem Oudshoorn u. Pinch; Fidler u. Russel. 11 Anders als Abigail Woods, die für die britische Schweinehaltung 1910–1965 »multiple path­ways to modernity« anmahnt und dabei besonderes Augenmerk auf das Bestreben der Schweinehalterinnen und -halter legt, die Haltung im Einklang mit den natürlichen Gewohnheiten des Schweins zu gestalten, wobei ihre Analyse offen lässt, wie sich die Gesundheitsund Naturvorstellungen zur Wertschöpfung verhielten, argumentiere ich, dass die Entwick-

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auch für die kulturhistorischen Bedeutungsverschiebungen zwischen Mensch und Tier im Stall. Mit der Implementierung neuer Techniken hat sich das Bild dessen, was ein Schwein ist, für die Menschen im Stall verändert. Das Schwein blieb nicht das gleiche, als aus seinem Bauer ein Ferkelerzeuger wurde. Die Frage nach der Stellung von Mensch und Schwein und beider Verhältnis zueinander in einem zunehmend automatisierten Produktionsarrangement führt durch das Kapitel, das sich in zwei Teile gliedert. Der erste, umfangreichere Teil behandelt sämtliche technische Veränderungen innerhalb des Stalls: seine Architektur und Einrichtung, die Anordnung der Tiere, Mechanisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse und schließlich neu entstandene Herausforderungen der Stallhygiene. Die stoffliche Dimension des Wandels im Schweinestall verbindet die dortige Technik im zweiten Teil des Kapitels mit der Umwelt des Stalls. Technische Brüche veränderten nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Tier im Stall, sondern ebenso das Verhältnis zwischen den auf neue Art und Weise gehaltenen Tieren und der außerlandwirtschaftlichen Gesellschaft.12 Zwar verschwanden die Schweine ins Innere großer Ställe außerhalb der Dörfer und wurden für die Mehrheit der Menschen unsichtbar. Mit dieser Entwicklung folgte die Haltung landwirtschaftlicher Tiere im 20. Jahrhundert dem Verschwinden ihrer Schlachtung im späten 19. Jahrhundert und dem Verschwinden von Zugtieren im frühen 20. Jahrhundert.13 Anders als Zugtiere jedoch, die durch motorisierte Kraft ersetzt wurden, verschwanden Rinder, Hühner und die Schweine dieses Kapitels nie wirklich. Sie wurden unsichtbar, aber sie blieben vorhanden, auch wenn die meisten Menschen sie nicht mehr sahen. Ihre Verlagerung »hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens« stellt, Norbert Elias’ Etappen des Zivilisationsprozesses folgend, ein typisches »Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle« dar.14 Dass das Verschwinden der Schweine jedoch eine Illusion blieb und sie nie wirklich weg waren, verdeutlichten der konzentrierten Haltung auf dem Fuß folgende Sorgen um Luft und Boden. Das in neuartigen Dimensionen an einzelnen Orten anfallende Abfallprodukt der technisch ermöglichten Schweinekonzentration, die Exkremente der Tiere, führte zur Zeit erwachenden Ökologiebewusstseins zu einer zweiten Politisierung lungspfade der deutschen Schweineställe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die ökonomische Überlegenheit neuer technischer Verfahren deutlich weniger wurden. Siehe Woods, Rethinking the History, insb. S. 168, S. 179 u. S. 190. In populärwissenschaftlichen Publikationen zur Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung ist die technische Veränderung des Stallgeschehens präsent, siehe z. B. Kurz u. Rieger, Kap. 1: »Auf dem Bauernhof« u. Kap. 2: »In der Agrarfabrik«. 12 Wobei der Bruch zwischen landwirtschaftlicher und außerlandwirtschaftlicher Gesellschaft nicht trennscharf war: Mitunter positionierten sich Landwirte als Gegner der Schweinestallerweiterung ihres Nachbarn, wenn z. B. durch die zu erwartende Abluft der Wert ihrer Baugrundstücke sank, siehe Betz, Kein Platz für Schweine. 13 Brantz, Die »animalische Stadt«; dies., Animal Bodies; exemplarisch und kürzlich für Wien: Nieradzik, Der Wiener Schlachthof St. Marx; zum Verschwinden vor allem der Pferde als Zugtiere im Stadtverkehr siehe McShane u. Tarr, S. 165–177; Raulff, S. 24–146. 14 Elias, S. 163.

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großmaßstäblicher Tierhaltung, die neben die Sorge um die Hühner im Käfig des vorigen Kapitels trat. Die Frage schließlich, wie sich die Technisierungsprozesse in den Schweineställen in einer deutsch-deutschen Perspektive zueinander verhalten und inwieweit die neuen Produktionstechniken der Schweinehaltung ein Staaten und Systeme übergreifendes Phänomen darstellen, zieht sich auch durch dieses Kapitel und verbindet es zugleich mit den beiden vorhergehenden.

3.1 Technik im Stall I: Architektur und Aufstallung Aus technikhistorischer Sicht veränderte sich im Stall zweierlei. Zum einen änderten sich Aufbau und Gliederung des Raumes, in dem die Schweine untergebracht wurden. Zum anderen verwandelten neue Techniken die Arbeitsprozesse der Menschen, deren wichtigste das Füttern der Tiere und die Entsorgung ihrer Ausscheidungen waren. Entsprechend dieser Unterscheidung gliedert sich dieses Kapitel und besieht sich zunächst Stallarchitektur und Stalleinrichtung, um sich in einem zweiten Schritt den täglichen Arbeitsgängen zuzuwenden. Das Kapitel schließt mit den Herausforderungen, die die großen Herden haben entstehen lassen. Sie in den Griff zu bekommen, wurde wiederum zu einer Frage der Technik, die im Stall, ungeachtet jedweder Nebenwirkungen, nicht in Misskredit geriet, sondern die ungebrochene Hoffnungsträgerin einer jeden Misere blieb. Um die Qualität des Wandels von Architektur und Aufstallung greifbar zu machen, wirft der erste Abschnitt dieses Kapitels einen Blick in frühere Schweineställe. Anschließend werden, dem Rhythmus des Lebens eines Mastschweins folgend, die entscheidenden technischen Transformationen, die die neuartige Spezialisierung und Konzentration ermöglichten, vorgestellt. 3.1.1 Frühere Ställe und traditionelle Probleme Auch in der Schweinehaltung klingen vorindustrielle Haltungsmethoden nicht idyllisch. Der bayerische Veterinärrat Dr. Eckmann, ein Tierarzt in staatlichem Auftrag,15 teilte seine wenig rosigen Eindrücke des Geschehens in den von ihm besuchten Schweineställen 1953 in der Tierärztlichen Umschau mit seinen Berufskollegen. Es beginne bei der Aufzucht der Ferkel, die im Argen liege. Die Praxis entspreche in keiner Weise dem Wissensstand der Veterinärmedizin, wonach geschwächte oder kranke Tiere »mit hygienischer Aufstallung, sachgemäßer Fütterung und Pflege« zu »sanieren« wären.16 Seine Hinweise nach einer »naturgemäßen[,] Luft und Sonne zugänglichen Haltung« verhallten stets ohne 15 Zur Organisation und Formierung des öffentlichen Veterinärwesens nach 1945 siehe für die Bundesrepublik: Rojahn; für die DDR: Burckhardt. 16 Eckmann, S. 372.

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Ergebnis. Jedoch nicht aus bösem Willen: Oft seien es die Raum- und Besitzverhältnisse, die es den Schweinen unmöglich machten, luftige, trockene, ihrer Größe und Anzahl entsprechende Stallräume mit der Möglichkeit freien Auslaufs zu beziehen.17 Es gehe in der tierärztlichen Praxis deshalb allein um die Erhaltung der geschwächten Tiere. Dafür preist der Tierarzt im Folgenden ein Medikament an, das ihm »bei Schweinehaltungen in feuchten, oft schwer zugänglichen, luftarmen, dunklen und engen Stallungen, wo das Kümmern und Sterben der Ferkel an der Tagesordnung ist«, gute Dienste erwies.18 In den Augen von Tierärzten blieb die Kombination aus Raum- und Personalproblem einerseits und Unwissen andererseits die 1950er Jahre hindurch die Hauptursache hinter der »sehr groß[en] […] Tendenz zu […] Fehlern«.19 Auch in der DDR waren die Ställe der 1950er Jahre, in denen die Haltungsumstände der Schweine noch weit mehr von gegebenen Stallstrukturen als von rationalisierenden Ingenieurs-Überlegungen bestimmt waren, ungenügend. »Geradezu erbärmlich« würden »häufig die Schweine« gehalten, weshalb die Bauernberatung des Landwirtschaftsministeriums 1951 Lehrbriefe an Bauern verschickte, die Auskunft über Stallerweiterungen, die Zusammenarbeit von Bauer und Tierarzt und die Verringerung der Anzahl toter Ferkel gaben.20 Auch auf dem bezirksübergreifenden Erfahrungsaustausch der VEB für Mast- und Schlachtvieh vier Jahre später, im Januar 1955, dominierten haltungsbedingte Gesundheitsprobleme der Schweine. Aus Dresden-Dölzschen berichtete »Kollege Wiese«, dass der Stall zu schmal sei, deshalb nicht alle Schweine an den Trog und damit an ihr Futter kämen, und dadurch Kümmerer, wie in der Entwicklung zurückgebliebene Tiere genannt wurden, entstünden, weil die stärkeren Tiere die schwächeren abdrängten.21 Aus Plauen berichtete ein tierärztlicher Kollege von Lungenentzündungen, weil die Buchten zu nass waren; auch in Erfurt wurden »die Tiere andauernd krank«, weil die Backsteine des Stallbodens zu viel Wasser aus dem sumpfigen Boden aufnahmen; in Potsdam war »der jetzige Zustand […] untragbar«, weil zu viele Tiere auf zu wenig Stroh für ihre Einstreu trafen; und in Rostock starben die Tiere, durch haltungsbedingte »Magen- und Darmentzündungen« der Reihe nach weg.22 Verschärft wurde die ostdeutsche 17 Ebd., S. 373. 18 Ebd. 19 Hanfstingl, S. 162. 20 BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung d. Viehwirtschaft 1956, 1958–61, Rechenschaftsbericht der HA II zur Bauernberatung, Berlin, den 7.12.51, 3 Seiten, hier S. 3; BArch Berlin, DK 1/3946, Maßnahmen zur Steigerung d. Viehwirtschaft 1956, 1958–61, Stand der Viehhaltung und Planerfüllung, 17.1.1952, HA II  – Viehwirtschaft, HA III zu Händen d. Koll. Fronnhold, 4 Seiten, S. 3. 21 BArch Berlin, DK 1/4050, Erfahrungsaustausch VEB Mast von Schlachtvieh 1955, Tagung 21./22. Januar, Protokoll von der Tagung am 22. Januar 1955, S. 3. 22 Ebd. u. BArch Berlin, DK 1/4050, Erfahrungsaustausch VEB Mast von Schlachtvieh 1955, Tagung 21./22. Januar, Diskussionsbeitrag der Kollegen in dem Erfahrungsaustausch für Mast- und Schlachtvieh am 21.1.55, S. 5 u. S. 9.

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Situation in den bereits verstaatlichten Schweineställen der 1950er Jahre durch die dortige Arbeitskräftesituation. Die Berichterstatter waren sich bei einer zentralen Ursache der haltungsbedingten Probleme ihrer Schweine genauso einig wie bei den Gesundheitsproblemen selbst. Die ihnen zugewiesenen Arbeiterinnen und Arbeiter verschlimmerten die ohnehin missliche Situation in den Ställen. Die schwere Arbeit des manuellen Fütterns, Tränkens und Entmistens im Schweinestall rangierte weit unten auf der Liste attraktiver Arbeitsplätze. Die Arbeit im Schweinestall war unbeliebt. Personalmangel kennzeichnete das Geschehen der 1950er Jahre in Ost- und Westdeutschland, doch in Westdeutschland stand das Gedeihen der Schweine in engerem Zusammenhang mit dem eigenen Auskommen als in den frühen Gemeinschaftsställen in der DDR. Die VEB für Mastschweine beklagten sich 1955, dass das ihnen »geschickte« Personal »hohnspottend« sei  – »Vorbestrafte, Kriminelle, geschlechtskranke Mädchen« wären etwa in den Potsdamer Schweineställen angekommen, mit denen jegliche Planerfüllung aussichtslos sei.23 Auch in Dresden wurden die »Arbeitskräfte von Sozialheimen, Schwererziehbare usw.« als Ursache des jämmerlichen Zustands der Tiere gesehen.24 Die finanziellen Spielräume, einerlei ob kleiner Schweinebauern in Westdeutschland oder des Staates in den ostdeutschen Betrieben, bestimmten die Rahmenbedingungen im Schweinestall. Je unwirtlicher die Lebensverhältnisse der Tiere waren, desto wichtiger wurde eine engagierte Betreuung der Tiere, die manche Schwierigkeiten abzuschwächen vermochte. Doch selbst bei gewissenhaftem Personal waren etliche Probleme der Schweinehaltung zunächst kaum in den Griff zu bekommen. Das Erdrücken kleiner Ferkel durch die schwere Muttersau war ein solches. Bis zu seiner technischen Lösung, die sich im Laufe der 1960er Jahre flächendeckend durchzusetzen begann, erarbeiteten die Praktikerinnen und Praktiker im Schweinestall auf eigene Faust Lösungen für dieses Problem, jedoch zunächst nicht einmütig. Carl-Dieter Felber aus Dollern, einer niedersächsischen Gemeinde zwischen Stade und Buxtehude, berichtete 1950 in der überregionalen DLG-Zeitschrift Neue Mitteilungen für die Landwirtschaft, deren Themensetzung und Sprache akademischer war als die der zahlreichen regionalen landwirtschaftlichen Wochenblätter, von einem selbstgezimmerten sogenannten Abferkelkasten und versah seine Ausführungen mit einer Abbildung (Abb. 20).25 Mit dessen Hilfe hätte er das allenthalben bekannte Problem, dass die Muttersau nach der Geburt »beim Hinlegen die noch unbeholfenen jungen Ferkel erdrückt«, was insbesondere bei »unruhigen Erstlingssauen« vorkam, behoben.26

23 Ebd., S. 5 f. 24 BArch Berlin, DK 1/4050, Erfahrungsaustausch VEB Mast von Schlachtvieh 1955, Tagung 21./22. Januar, Protokoll von der Tagung am 22. Januar 1955, S. 1. 25 Felber. 26 Ebd.

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Abb. 20: Selbstgebauter Holzkasten, in den die Muttersau während und nach der Geburt ihrer Ferkel gesperrt wurde, damit sie sich auf keine Ferkel legen konnte.

Der Kasten, »den sich jeder aus Brettern und Latten selbst herstellen kann«, war unten siebzig bis 75 cm breit, sodass »die Sau bequem darin liegen kann«.27 In ihn hinein und aus ihm heraus kam die Sau über eine Schmalseite, die in Scharnieren hing und nach oben aufklappbar war. Die untersten Querlatten seien mindestens 22 cm hoch anzunageln, »damit die Ferkel bequem an das Gesäuge können«, empfahl Herr Felber weiter. Der fertiggezimmerte Kasten würde »[e]inige Stunden vor dem Abferkeln« in die Bucht gebracht, um die Sau hineinzutreiben. Diese gewöhne sich im Allgemeinen »sehr rasch an das Holzgehäuse«, versicherte Felber, möglicherweise, um antizipierte Bedenken bereits zu entkräften. Jedenfalls ferkelte die Sau in dem Holzkasten ab, wie die Geburt der zwischen etwa acht und 13 Ferkel großen Würfe genannt wurde, und blieb auch danach noch zwei bis drei Wochen in diesem Kasten liegen, bis »die Ferkel groß und flink genug sind«, um der sich niederlegenden Sau auszuweichen.28 Zum Fressen und »der täglich notwendigen Bewegung«, wie es 1950 noch geheißen hatte und wovon vierzig Jahre später keine Rede mehr sein wird, trieb man die Sau mehrmals täglich rückwärts aus dem Kasten. Seit seiner Verwendung hatte »unser Betrieb kaum noch Ferkelverluste durch Erdrücken«, versicherte Felber abschließend.29 Die Redaktion der Neue Mitteilungen für die Landwirtschaft druckte den Leserbrief samt Skizze des Kastens ab, versah ihn aber mit einer doppelt so langen skeptischen Stellungnahme. Ohne den »durch Erdrücken verursachten […] hohe[n] Prozentsatz der Ausfälle« zu negieren, wurde Herr Felbers Abferkelkasten als »notdürftiger Behelf« abqualifiziert.30 Denn »[d]as Einsperren des Muttertieres in den Kasten wird nicht immer ohne Gewaltanwendung vor sich gehen und nicht gerade zur Beruhigung des Tieres beitragen«, hieß es, und weiter: »Laufen wir nicht Gefahr, mit 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 O. A., Antwort auf Leserbrief.

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derartigen Zwangsmaßnahmen die letzten Reste eines mütterlichen Instinktes dem Tier abzugewöhnen?«31 Statt dem Einsperren in einem Kasten empfahlen die Neuen Mitteilungen für die Landwirtschaft geradezu gegenteilig »genügend Auslauf« für die Sauen, weil speziell »fette Sauen« im Umgang mit ihren Ferkeln schwerfällig und unbeholfen seien und dadurch die Gefahr unbeabsichtigten Erdrückens zunehme.32 Außerdem seien, wenn besondere Gefahr bei »etwas unvorsichtigen Sauen« und bei in ihren Bewegungen noch »behinderten« Ferkeln gegeben war, »die Ferkel in den ersten 2–3 Lebenstagen in einem besonderen Korb oder einer Kiste außerhalb der Bucht unterzubringen« und per Hand »in Abständen von 1 ½-2 Stunden« an die Sau anzulegen.33 Einer frischgebackenen Muttersau war 1950 zwar noch nicht zuzumuten, standardmäßig in einem Kasten fixiert zu werden. Bevor sich dem hölzernen Abferkelkasten von Herrn Felber nicht unähnliche Vorrichtungen zur Fixierung der Muttersau während der Geburt und der Wochen danach durchsetzten, war das händische An- und Absetzen der Ferkel in der Tat die erfolgversprechendste Methode, um zu verhindern, dass sich die Sau auf die ihre Wärme suchenden Ferkel legte und diese dabei tötete. Die in der Einleitung erwähnte Walburga Ammler, die im April 1960 »die Prüfung als Schweinezuchtmeister« abgelegt hatte und seither als Mitglied der Brigade II Libehna der LPG »Thomas Müntzer« in Prosigk im Kreis Köthen 45 »Gebrauchssauen« betreute, schilderte, wie sie ihrem Plansoll, pro Jahr und jeder Sau 16 Ferkel aufzuziehen, trotz widriger Stallverhältnisse nachkam.34 Sie selbst, »der Mensch«, sei die wichtigste Bedingung für eine verlustarme Ferkelaufzucht. Stallraummangel machte es unmöglich, von der Sau getrennte Ferkelbuchten einzurichten, die warm genug zu halten darüber hinaus die nächste Herausforderung dargestellt hätte. Frau Ammler beaufsichtigte persönlich jede Geburt und zwar auch nachts. Die neugeborenen Ferkel legte sie anschließend in einen mit Stroh ausgelegten Korb und setzte sie »4 Tage lang […] alle 2 Stunden« zum Säugen bei den einzelnen Sauen an.35 Bei dieser zeitintensiven Fürsorge scheint Frau Ammlers »besondere Liebe zu den Tieren«, die sie sich selbst zuschrieb, nicht von der Hand zu weisen.36 Das persönliche Ausschalten der Erdrückungsgefahr durch händisches Trennen und Zusammenführen von Ferkeln und Muttersau im Zweistundenrhythmus über mehrere Tage hinweg war aufwändig, verteuerte die Schweinehaltung und war in personalknappen, aber schweinefleischhungrigen Zeiten keine zukunftsweisende Technik. Die Skepsis gegenüber der Fixierung der Muttersau verschwand um 1960 in dem Maße aus

31 Ebd. 32 Ebd. 33 Ebd. 34 Ammler, S. 220. 35 Ebd., S. 221. 36 Ebd.

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der landwirtschaftlichen Diskussion, in dem die Arbeitszeit im Schweinestall kostbarer wurde. Diplomlandwirt J. Damm aus Hamburg beklagte im selben Jahr, in dem Frau Ammler die Ferkel von Hand an die Muttersau ansetzte,37 dass das Interesse erst dem Mastschwein gelte, dessen Verbindung zu Speck und Schinken unmittelbarer war, obwohl doch die Ferkelaufzucht die Grundlage aller späteren Fleischproduktion sei.38 Verschiedenen Untersuchungen zufolge stürbe jedes dritte bis fünfte Ferkel während der Geburt und in den ersten Wochen danach. Damm rechnete den Verlust der gestorbenen Ferkel in das von der Muttersau verzehrte Getreide um, um die Vermeidung der Verluste dringlicher darzustellen: Jedes totes Ferkel komme einem »Fehlaufwand an Futter« zwischen fünfzig und einhundert Kilogramm Getreide gleich und fast die Hälfte der toten Ferkel war der Ursache »Totgelegen von der Sau« zuzuschreiben.39 Damm stellte deshalb verschiedene Vorrichtungen vor, die in den vergangenen Jahren erfunden und getestet worden waren, und alle, wie Herr Felbers umstrittener hölzerner Kasten, auf eine räumliche Barriere zwischen Sau und Ferkeln hinausliefen. Sauen in diesen Vorrichtungen zu fixieren war 1960 weniger verwerflich geworden als zehn Jahre zuvor.40 Die Tiere waren allerdings weiterhin mehrmals täglich aus ihrer schmalen Einzelbucht zu lassen, damit sie sich bewegen konnten.41 Das änderte sich wiederum in den nächsten etwa fünfzehn Jahren, als die Bewegung der Sauen ihren Platz als Bestandteil erfolgreicher Schweinezucht sukzessive verlor. Der Prozess war schleichend. Noch Ende der 1950er Jahre waren freilaufende Schweine, mitunter freilaufender als ihren Besitzern lieb war, Gegenstand land37 In der DDR wurde das nächtliche Beaufsichtigen von hochtragenden Sauen und frisch geborenen Ferkeln als Strategie der Erhöhung der Fleischproduktion jedoch gezielt beworben, siehe Fotografien im agra-Bildarchiv, SStL, 20314, z. B. A 1957/1, auf der eine Frau nachts, im zugeknöpften Wollmantel neben einer hölzernen Schweinebucht sitzt und im Schein einer Lampe mit weißem stoffenen Lampenschirm ein Buch liest, während in der Bucht eine hell glänzende Sau auf ihre Geburt wartet. Auf der Bildrückseite steht: »1963 Vor dem Wurf: Die Schweinepflegerin der LPG Fürstenwerder, Krs. Prenzlau, wartete auch nachts im Sauenstall (Abferkelstall) die Geburt der Ferkel ab, um schon von Anfang an Ferkelverluste zu verhindern.« 38 Damm, S. 1. 39 Ebd., S. 2 f. 40 1953 galt die Bewegung an der frischen Luft bei jedem Wetter als unabdingbar für eine verlustarme Sauen- und Ferkelhaltung, siehe BArch Filmarchiv, Nr. K 333092-1, Sig. 29935, AID-Film Nr. 219, »Wenn es Ferkel gibt«, Regie Dr.  Fritz Heydenreich; siehe auch: o. A., Zuchtsauen gehören ins Freie; für die DDR: BArch Filmarchiv, BCSP 3314-1, DEFA für populärwissenschaftliche Filme 1958, »Vom Schwein und der Kuh und der Henne noch dazu«. 41 Ebd., S. 8. Nicht nur Sauen und Ferkel, sondern auch Eber und bei Futtermangel sogar Mastschweine wurden auf eine der Rinderhaltung nicht unähnliche Weise auf eingezäunte Weiden getrieben, um sich dort ihr Futter selbst zu suchen. Damit die Schweine die Weide nicht so zerwühlten, dass diese länger unbrauchbar wurde, war ihr Weidegang stundenweise zu beschränken, siehe o. A., Aus der Futterberatungsstelle.

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wirtschaftlicher Berichterstattung. Einen westfälischen Schweinehalter kamen Löcher im Zaun seiner Schweineherde 1958 teuer zu stehen. Einige seiner Tiere waren ausgebrochen und über eine Straße in ein benachbartes Feld gelaufen. Ein Schwein brachte dabei einen »in schneller Fahrt mit seinem Motorrad« heranbrausenden Mann – einer gewissen Komik nicht entbehrend ausgerechnet Metzgermeister von Beruf – zu Fall, der sich einen Schädelbasisbruch zuzog und diesem später erlag. Der Schweinebesitzer wurde in der Folge in zwei Instanzen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.42 In den traditionellen Schweineställen bis Anfang der 1960er Jahre galt erstens, dass die Schweinehaltung eine zeit- und arbeitsaufwändige Angelegenheit war, wenn Zucht, Aufzucht und Mast der Tiere erfolgreich verlaufen sollten. Der die Tiere betreuende Mensch nahm eine Schlüsselrolle ein. Weil die Arbeit im Schweinestall schwer, anstrengend, übelriechend und deshalb nicht attraktiv war, Schweinefleisch zugleich aber stark nachgefragt wurde  – 1963 verzehrte ein Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt in der Bundesrepublik viereinhalbmal so viel Schinken wie 1950 –,43 war Techniken, die Arbeit sparten und zugleich eine Steigerung der Fleischproduktion ermöglichten, ein fruchtbarer Boden bereitet. Als zweite Erfolgsbedingung galt eine »naturgemäße« Haltung der Tiere, die Bewegung und Frischluft beinhaltete. Hans Danninger, 1960 neuerdings erfolgreicher Schweinezüchter im Landkreis Schwabach und damit in einer Gegend, in der Schweinezucht unterrepräsentiert war und üblicherweise gut die Hälfte aller Ferkel aus anderen Regionen zugekauft wurden, hielt »elf (!)« und damit ungewöhnlich viele Mutterschweine in einer zum Schweinestall umfunktionierten Wohnbaracke.44 Jede Bucht hatte ihren eigenen Auslauf, durch den ein kleiner Bach floss, der »ständige Bademöglichkeit« bot, »welche von jung und alt gerne benützt« wurde.45 Auch wenn der Auslauf seine Bedeutung noch ein paar Jahre wahren konnte, deutete sich, neben einzelnen Neuerungen wie den Vorrichtungen zur Fixierung der Muttersau, schon zu dieser Zeit eine grundsätzliche Veränderung an, die die folgenden Jahrzehnte prägte: die Spezialisierung innerhalb der Schweinehaltung, um baulich-technische Umgestaltungen der Ställe zielgerichteter vornehmen zu können. Allen neuen Stalltechniken war gemein, dass sie die Schweine nach drinnen holten, weil nur dort jene Produktivitätssteigerung erzeugt werden konnte, die die Stallerneuerung refinanzieren sollte. 1957 diskutierten Schweinehalter, ob sie weiterhin gleichzeitig Zucht und Mast betreiben oder ob »sich der eine Betrieb auf die Ferkelerzeugung spezialisiert und der andere nur mästet«.46 Spezialisierung gab es traditionell regional, aber nicht prinzipiell. In Kartoffelbaugebieten, wie der Lüneburger Heide, dem größten Norddeutsch42 O. A., Schwein mißachtet Vorfahrtsrecht. 43 Wildt, S. 382. 44 Bogner. 45 Ebd. 46 Seefeldt, S. 1082.

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lands, fielen viele Abfallkartoffeln an, die in der Schweinemast eine gefällige Verwertung fanden. Gleichzeitig gab es dort kaum Auslaufmöglichkeiten für Zuchtsauen, die kein Mastfutter benötigten, sondern Weide. Flussmarschen an Elbe, Aller oder Leine eigneten sich umgekehrt für die Haltung von Zuchtsauen und weniger für die Schweinemast. Bisher jedoch hatten Mastbetriebe in Mastgebieten zwar mitunter Ferkel zugekauft, um ihre Bestände zu erweitern, jedoch stets auch Zuchtsauen gehalten, die einen eigenen Mindestnachschub an Ferkeln sicherten. Nun stand zur Diskussion, die beiden Produktionsschritte der Schweinehaltung grundsätzlich zu trennen. Zuchtbetriebe könnten dann, so die Überlegungen der Befürworter, in trockene und warme Ferkelställe investieren, die durchgehend ausgelastet wären, wodurch weniger Ferkel in feuchten, kalten »Zementsärgen« verendeten.47 Obwohl die »Arbeitsteilung in der Schweinehaltung ein Weg zur Verbesserung der Organisation« der landwirtschaftlichen Betriebe zu sein versprach und deren »höchstmögliche Stufe der Wirtschaftlichkeit […] bis zur Verwirklichung des Gemeinsamen Europäischen Marktes« in der Bundesrepublik speziell Ende der 1950er Jahre ein dringliches Anliegen war, warnten Experten zeitgleich noch vor der Spezialisierung innerhalb der Schweinehaltung.48 Die Trennung in Schweinezucht und Schweinemast würde die einzelnen Betriebe einem noch größeren als ohnehin üblichen Risiko unterwerfen, weil Spezialbetriebe durch momentan gute Preise leichter zur Ausweitung der Erzeugung tendierten als gemischte Betriebe.49 Diese Ausweitung würde in der Folge durch den von Schweinehaltern gefürchteten Schweinezyklus die Preise sinken lassen, und die Abhängigkeit gegenüber vor- und nachgelagerten Betrieben stelle ein schwer zu kalkulierendes Wagnis einer allzu spezialisierten Tierhaltung dar.50 Was das bedeuten konnte, zeigte sich in ostdeutschen Schweineställen im Jahr 1990, als deren Produktionsketten implodierten. Die Schweinepflegerin Liesbeth Stapel aus der LPG Watzkendorf im Kreis Neustrelitz raufte sich Ende 1990 die Haare: 700 schlachtreife Mastschweine drängten sich in bereits zu eng gewordenen Buchten, weil der Schlachthof Neustrelitz die Tiere nicht mehr entsprechend 47 Ebd. 48 Ebd., S. 1083. 49 Ebd. 50 Ebd. Der Agrarwissenschaftler Arthur Hanau verfasste 1928 eine Studie über die »Prognose der Schweinepreise«, in der er das verzwickte Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage anhand von Schweinefleisch und dessen Preis analysierte. Hohe Preise regten Bauern und Bäuerinnen an, mehr Schweine zu halten. Wenn die durch die hohen Preise angeregten zusätzlichen Schweine jedoch schlachtreif waren, stellten sich Marktsättigung und Überangebot ein, die die Preise wieder sinken ließen. Es folgte die Reduzierung der Schweine, dann wiederum nachfragebedingte hohe Preise und der Schweinezyklus begann von vorne. Siehe Hanau. Hanaus Modell der wechselseitigen verzögerten Wirkung von Angebot und Nachfrage etablierte sich seit den 1930er Jahren als Standardbeschreibung für »dynamische Marktanalysen« auch jenseits der Schweinewirtschaft, siehe Schiller, S. 525; Neuling, S. 28; Predöhl, S. 19; Hardes u. a., S. 198–201; Mann, Der Nutzen der Mesoökonomie, S. 371; ­Kuhnert.

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der DDR-Verträge abnahm – weil er seine Produkte nicht mehr losbrachte und sein Kühlhaus bis an alle Ränder gefüllt war.51 Der Stau erreichte alle Produktionsstufen der Watzkendorfer Schweinehaltung. Hochtragende Sauen wurden auf Gängen gehalten und ferkelten dort ab, weil alle dafür vorgesehen Buchten noch belegt waren. Die Probleme der Wendezeit in Neustrelitz versinnbildlichen eine Besonderheit landwirtschaftlicher Tierhaltung, die diese trotz allen Industrialisierungstendenzen weiterhin von anderen Produktionsstätten unterschied: Die Körper lebendiger Tiere besaßen eine zeitliche Eigendynamik, die den Produktionsprozess prägte. Verhielten sich die Körper widersprüchlich zu aktuellen Produktionszielen, konnte ihnen kurzfristig nur durch ihre Tötung begegnet werden. Die Schlachtung untergrub jedoch alle zukünftige Bewirtschaftungsmöglichkeiten der Körper. 3.1.2 Spezialisierung, Konzentration und Beschleunigung Sorgen um zukünftige Nebenwirkungen bremsten Techniken, die eine Erschließung neuer Produktivitätsreserven in Aussicht stellten, zwischen 1950 und 1990 in keinem der beiden deutschen Staaten. Die Spezialisierung in einzelne Etappen der Schweinehaltung, die Konzentration neuartig vieler Schweine in einzelnen Ställen und die Beschleunigung zyklischen Stallgeschehens wurden zu systemübergreifenden Trends der Schweinehaltung. Das Kollektiv der Sauenzuchtanlage unter Leitung von Albrecht Mehlhose im ostthüringischen Porstendorf beschritt Anfang der 1970er Jahre einen eigenen Weg der spezialisierten Haltung von Muttersauen, der zugleich auf generelle Trends der Schweinehaltung verweist.52 Die Porstendorfer Sauenzuchtanlage war eine konzentrierte Geburts- und Besamungsstation für Schweine aus »Herkunftsställen« in verschiedenen umliegenden Ortschaften. Die Sauen trafen per Transport hochtragend, zwei, drei oder vier Tage vor der Geburt ihrer Ferkel, in Porstendorf ein und bezogen je einen der der 150 Abferkelplätze. Dort kamen ihre Ferkel auf die Welt, die sie anschließend an diesem Platz einige Wochen säugten.53 Während dieser Zeit kontrollierte der Tierarzt Dr. Timmel oder seine Assistentin, die täglich vor Ort waren, den Gesundheitszustand der Tiere. Schweinepflegerinnen, wie Christa Rudolph oder Irmgard Gärgele, überprüften ebenfalls täglich die Temperatur der Sauen. Nach dem Absetzen der Ferkel bezogen die Sauen einen anderen Stall in Porstendorf, in dem sie, einzeln neben51 Siehe zur Situation des Schweinefleischverkehrs nach der Handelsliberalisierung mit der Bundesrepublik und den anderen elf EWG-Staaten, in der die DDR-Produkte wegen ihrer geringen Wettbewerbsfähigkeit ins Hintertreffen gerieten, BArch Berlin, DK 1/28126, Information zum Stand des Exports landwirtschaftlicher Erzeugnisse, W. Ranke an Rolf Steinert, Berlin 24.8.1990. 52 SStL, agra-067.5 VHS, Sig. 350, Intensivierung der Tierproduktion, 1977, 29:41 Min. 53 Ebd.

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einander aufgereiht und angekettet, erneut künstlich besamt wurden.54 Wiederum trächtig verließen sie die Sauenzuchtanlage Porstendorf und kehrten in ihre Herkunftsställe zurück, wo sie die betreuungsärmeren »110 Tage, bis zum nächsten Ferkeln« blieben, um dann wiederum in Porstendorf abzuferkeln.55 Die räumliche Spezialisierung ließ neue Arbeitsschritte entstehen. Sogenannte Tierumsetzer, wie Manfred Wirth oder Reinhard Pechmann, brachten die 6.000 im Jahr in Porstendorf geborenen Ferkel per Anhänger ins Nachbardorf Geroda, wo sie zu Läufern, wie Mastschweine zwischen dreißig und fünfzig Kilogramm heißen, heranwuchsen. Von dort ging es, wiederum per Tierumsetzer, als junges Mastschwein zur ZBE Ebersdorf. Das Arrangement um die Porstendorfer Sauenzuchtanlage setzte sich aus verschiedenen Ställen zusammen. Sie alle hatten gemein, dass in ihnen gleichförmige Schweinegruppen zusammenfanden. Schweine in uniformem Körperzustand erlaubten, erstens Stallausstattung und zweitens Arbeitsschritte zu rationalisieren.56 Je spezialisierter der Einsatzbereich des Stalles, desto präziser konnte seine Einrichtung auf die Unterbringung der Tiere abgestimmt werden. Eine differenzierte Stalleinrichtung jedoch schränkte den Einsatzbereich des Stalls ein und verlangte, um kostspielige Leerstände zu vermeiden, eine möglichst kontinuierliche Nutzung. Die laufende Auslastung mit speziellen Schweinen forderte eine lückenlose Rotation von deren Körperstadien im Einklang mit der vorhandenen Stalleinrichtung. Dies galt für alle Schweine, deren Wachstumsprozess folgend dieses Kapitel die technischen Veränderungen der Spezialisierung und Konzentration vorstellt: von Zucht und Reproduktion über Ferkelaufzucht zur Schweinemast. An keiner anderen Stelle der Schweinehaltung war das Ineinandergreifen von Biotechnik auf der einen und der Hardware der Stalltechnik auf der anderen Seite so eindrücklich wie bei der in den 1970er Jahren zum Standard werdenden Haltung von Muttersauen in Kastenständen. 1968 berichteten zwei Wissenschaftler des Instituts für Tierzuchtforschung Dummerstorf in der Neuen Deutschen Bauernzeitung über »moderne Haltungs54 Die Technik der künstlichen Besamung in der Schweinehaltung war inspiriert von der gut zehn Jahre früheren Implementierung in der Rinderhaltung. Auch ihre Erforschung war in der DDR ein transnationales Projekt, siehe z. B. o. A., Sauenbesamung in Ungarn; für eine Kulturgeschichte der Schweinebesamung in Großbritannien, die deren Genese umfassend dekonstruiert siehe Brassley, Cutting Across Nature?; die ersten Stationen für Gewinnung und Aufbereitung von Schweinesperma eröffneten Ende der 1960er Jahre in der Bundesrepublik, siehe H. L., Ferkel aus der Ampulle. Die Durchführung der Schweinebesamung an Tieren im eigenen Betrieb unterlag weniger Hürden als diejenige der Rinder, siehe o. A., Erster Kurzlehrgang für Schweinebesamer. 55 SStL, agra-067.5 VHS, Sig. 350, Intensivierung der Tierproduktion, 1977, 29:41 Min. 56 Neue Stalleinrichtungen der Schweinehaltung in der DDR wurden ausführlich fotografisch dokumentiert, um ihre Techniken in der Branche zu verbreiten, siehe z. B. SStL, 20314, A 2720/1-/4 Schweineproduktion Besamungsstände, LPG Hörnle Berkach, Wartestall Bibra, Abferkelstall nach Rationalisierung, LPG T Göda Schweinezuchtanlage, o. J.; SStL, 20314, A 2738, Schweineproduktion, Kastenstände mit angeketteter Sau auf eingestreutem Betonboden in verschiedenen Ausführungen, SZA Werbig, LPG T Berkach, LPG T Geroda, o. J.

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formen in der Schweineaufzucht«, die nun Praxisreife erlangt hätten.57 Das Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf hatte drei Jahre zuvor die Abteilung »Ökonomik und Produktionsverfahren der Schweineproduktion« mit neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingerichtet, die in den folgenden zwanzig Jahren auf 109 Personen anwuchs.58 Die Zeit in der man säugende Sauen in »einer Laufbucht mit abgetrenntem Liege- und Freßplatz für die Ferkel gehalten« habe, sei ebenso passé wie die Zeit versetzbarer »Trenngitter« ähnlich Herrn Felbers Abferkelkasten aus Holz. »Abferkelstände mit Schutzbügel« aus Stahl, die nun zur festen Stalleinrichtung gehörten und nicht leichterdings versetzt werden konnten, wurden zum neuen Standard der Sauenhaltung.59 Die Fixie­ rung der Sau sollte als »neue Technologie« in großen Aufzuchtanlagen eine höchstmögliche Zahl lebender Ferkel ohne Nachtwachen oder händischem Zusammenführen von Ferkeln und Sau garantieren.60 Aufgrund des Materials der neuen Stände, galvanisiertem Eisen oder Stahl,61 das kostspielig und eine ostdeutsche Mangelware war, kennzeichneten traditionelle Ställe ohne spezialisierende Vorrichtungen die Schweinehaltung parallel zu Anlagen neuen Typs auch noch zum Ende der DDR.62 Dennoch war die Richtung des technischen Entwicklungspfades eindeutig. In beiden deutschen Staaten nahm die Technik der Stalleinrichtung seit Ende der 1960er Jahre einen prominenter werdenden Platz auf landwirtschaftlichen Ausstellungen ein. Die national bedeutendsten Ausstellungen für die Haltungstechnik von Schweinen waren die ostdeutsche »agra« zwischen Leipzig und Markkleeberg und die 1973 erstmals ausgerichtete »Internationale Veredlungs-Ausstellung für Geflügel und Schweine« in Westdeutschland. Die aus der »Bundesfachschau für Geflügelwirtschaft« hervorgegangene »Internationale Veredlungs-Ausstellung« zog 1973 in Dortmund ein so großes und internationales Publikum an, dass die DLG beschloss, sie in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft in der seit 1975 zweijährlich stattfindenden Ausstellung »Huhn & Schwein« zu institutionalisieren. Hans Schlütter, der aus der Debatte um die Rechtmäßigkeit der Geflügelkäfighaltung bekannte Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, er57 Richter u. Kirmse. 58 Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. 59 Ebd., S. 9. 60 BArch Berlin, DK 1/10779, Abt. Landwirtschaftliches Bauen, Tagung des zentralen Landwirtschaftsrates am 24.1.1964 in Jüterborg. 61 Holz als Baumaterial für Buchtenwände und Abtrennvorrichtungen in den Buchten war, weil es günstiger zu beschaffen und leichter zu bearbeiten war, in der Praxis der Schweinehaltung bis in die 1980er Jahre verbreiteter als galvanisierte Rohre oder Rundstahl. Letztere setzten sich wegen ihrer längeren Lebensdauer durch, weil die Schweine Holzteile stets benagten und sich auch »durch abschreckende Mittel« nicht davon abhalten ließen. Bei Holz war regelmäßiger Austausch der Stalleinrichtung deshalb miteinzukalkulieren, was mit teurer werdender menschlicher Arbeitskraft unattraktiver wurde. Siehe Kraggerud, S. 29 f. 62 Mittag, S. 79.

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klärte in seiner selbstbewussten Art im Mai 1973 in Dortmund die Ratio hinter der gemeinsamen Ausstellung für Hühner und Schweine: »Es gehört keine Prophetie dazu, schon heute vorauszusagen, daß sich die Zucht und Haltung von Schweinen in Zukunft den Methoden und Formen der modernen Geflügelhaltung angleichen wird«.63 In der Tat inspirierte die Hühnerhaltung neue technische Vorrichtungen der Schweinehaltung. Doch dies war weniger historische Zwangsläufigkeit als ein bewusster Verfahrenstransfer durch die gleichermaßen um die größtmögliche Produktivität bemühten Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die Äußerung Schlütters über die zukünftige Angleichung der Schweine- an die bereits stärker technisierte Hühnerhaltung ist charakteristisch für die Einbahnstraße, als die Agrarexperten der Schweinehaltung deren zukünftige Entwicklung imaginierten.64 Diese Beobachtung stützt die für die Entwicklung der US-amerikanischen Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits formulierte These, wonach technischer Determinismus in der Landwirtschaft während des Kalten Kriegs ein Eigenleben zu führen begann und treffender als sich selbst erfüllende Prophezeiung denn als tatsächlicher Determinismus zu beschreiben ist.65 Auf der Ebene der Vorstellung ähneln sich die Entwicklungslinien der ostund westdeutschen Schweinehaltung maßgeblich, wenn auch die dafür gewählten Formulierungen verschieden blieben. Die »Einführung industriemäßiger Produktionsverfahren bei der Schlachtschweineproduktion« sei keine spezielle Frage einzelner Kreise, »sondern stellt sich immer mehr als gesetzmäßiger Prozeß heraus«, kommentierte die Zeitschrift für die sozialistische Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft 1972 die neuen Abläufe in der ZGE »Schweinemast« bei Hoyerswerda und meinte damit nichts anderes als Schlütter ein Jahr später in der Bundesrepublik.66 »Nur so«, industriemäßig, spezialisiert und großmaßstäblich, sei erstens der Bedarf an Schweinefleisch der 65.000 Bewohnerinnen und Bewohner Hoyerswerda zu decken, »nur so« könnten zweitens die Arbeits- und Lebensbedingungen der Genossenschaftsmitglieder verbessert werden und »nur so« könnten Jugendliche als neue Arbeitskräfte »für die Aufnahme einer Tätigkeit in der Landwirtschaft gewonnen werden«.67 Obwohl nur in der DDR die Implementierung neuer Verfahren der Schweinehaltung tatsächlich zwangsläufig war und in der Bundesrepublik die einzelnen Schweine­ halterinnen und -halter eigenmächtig über Anlage und Ausstattung ihrer Ställe 63 DLG-Archiv Frankfurt, Hans Schlütter, Eine neue Ausstellung – gemeinsam unter einem Dach, Rede gedruckt als Pressemitteilung Nr. 6. 64 BArch Koblenz, B 116/38804, Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgemeinschaft »Technik und Bau in der Tierhaltung« am 9.10.1970 in der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main; BArch Koblenz, B 116/17924, AID Informationen für die Wirtschaftsberatung. Arbeitsunterlagen für Lehr- und Beratungskräfte 14. 1965, S. 4 f. 65 Hamilton, S. 560. 66 Plätschke u. Hasert, S. 6. 67 Ebd.

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bestimmten, glichen sich die hinter der Entwicklung stehenden Motivlagen auf Mikro- und Makroebene. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie Freizeit- und Urlaubsmöglichkeiten für Schweinehalterinnen und -halter waren die Absichten auf der Ebene des Stalls. »Der ›Ein-Mann-Stall‹ ist unsozial! Auch Schweinehalter haben Anspruch auf Freizeit, Erholung und Urlaub«, ließ das westdeutsche Bundeslandwirtschaftsministerium 1972 die deutschen Schweinehalter wissen und versuchte sie so zur Zusammenarbeit anzuregen.68 Das gesamtgesellschaftliche Argument hinter dem in beiden Staaten intendierten Entwicklungspfad war, möglichst viel, möglichst günstiges und möglichst hochwertiges Schweinefleisch zu erzeugen. Die Hühner- und Schweinemesse der DLG etablierte sich als »größte Fachausstellung dieser Art« zum »internationalen Treffpunkt der modernen Veredlungsproduktion«, für die bereits im ersten Jahr Anmeldungen »von Südamerika bis Neu Guinea« vorlagen.69 Auch unter ihrem anschließenden Namen, »Huhn & Schwein«, standen weniger die Tiere als die Technik ihrer Haltung im Vordergrund. »Ein Tierwettbewerb«, das herkömmliche Besucherherzstück landwirtschaftlicher Ausstellungen, »ist mit dieser Ausstellung nicht verbunden«, bemühte sich eine viersprachige Pressemitteilung im Vorfeld klarzustellen.70 Die dennoch große Besuchernachfrage der Ausstellung in Westdeutschland lag daran, dass den meisten Schweinehaltern, die im Geschäft bleiben wollten, zwar nicht mehr die Entscheidung einer Bestandsvergrößerung bevorstand, wohl aber noch die Entscheidung, mit welchen technischen Lösungen diese ermöglicht werden sollte.71 Auf der Ausstellung besahen sie sich deshalb die zur Verfügung stehenden Stalleinrichtungen, die allesamt mit hohen Leistungen der so gehaltenen Schweine warben.72 Die auf den Abbildungen 21 und 22 zu sehenden Kastenstände der Sauen bildeten ein Glied in einer Kette neuartiger Techniken der Schweinezucht, die sowohl materielle Hardware als auch konzeptionelle Abläufe beinhaltete. In Porstendorf klang es bereits an. Um die regelmäßige, auslastende Belegung der Abferkelplätze zu garantieren, waren Gruppen körperlich gleichgeschalteter Schweine notwendig. Bau- und Biotechnik gingen Hand in Hand.73 Zwischen 1970 und 1980 hielt die »biotechnische Fortpflanzungssteuerung« der Zuchtsauen in der DDR in dem Maße in jene Ställe Einzug, indem dort neuartige, ebenfalls periodisiert genutzte, Stallanlagen geschaffen worden waren. Entsprechend der Kapazität der Abferkelplätze wurde drei Monate, drei Wo68 AID, Moderne Schweineproduktion, S. 7. 69 DLG-Archiv Frankfurt, Werbetext »Dortmund-Show«. 70 DLG-Archiv Frankfurt, Pressemitteilung April 1972. 71 Siehe auch: DLG-Archiv Frankfurt, Pressedienst Internationale Veredlungsausstellung für Geflügel und Schweine, Westfalenhalle Dortmund, 10.–13.5.1973, 9.3.1973, S. 2. 72 Betz, Schweinestall für hohe Leistung. 73 DLG-Archiv Frankfurt, Prof. P. Horst, Gegenwart und Zukunft der Schweineproduktion, Rede auf der Internationalen »Veredlungs-Ausstellung für Geflügel und Schweine« in Dortmund, 10.–13.5.1973.

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Abb. 21: Besucher der Sonderschau »Moderne Schweineproduktion« auf der 1. DLG-Ausstellung »Huhn & Schwein« 1975 betrachten eine im Kastenstand liegende Sau samt ihrer unter einer Wärmelampe versammelten Ferkel.

chen und drei Tage zuvor, so lange dauert die Trächtigkeit beim Schwein etwa, eine entsprechende Kohorte an Tieren künstlich besamt. Damit dieser Schritt erfolgversprechend war, war zuvor hormonell sichergestellt worden, dass in den Sauen zum Besamungszeitpunkt »befruchtungsfähige Eizellen« herangereift waren. In der Fachsprache hieß dieses Verfahren »Ovulationssynchronisation mit terminorientierter Besamung«.74 Die Tierkörper wurden entsprechend der Anforderung der Stallbeschaffenheit rationalisiert. Der Blick in das »Produktionszyklogramm«, wie der Stallplan der Bedeckungen, Trächtigkeiten und Säugezeiten in der DDR hieß, verriet beispielsweise den Schweinepflegerinnen und -pflegern der in Ringleben im Kreis Erfurt gemeinschaftlich »Schweineproduktion« betreibenden LPG, die 1978 den Lehrgang zur Qualifikation als »Mecha74 König u. Hühn; Niesen; o. A., Organisation der Abferkelungen.

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Abb. 22: Ein vom Institut für Tierzuchtforschung in Dummerstorf konstruierter Abferkelstand als Neuheit für die industriemäßige Produktion, ausgestellt auf der Messe agra 1968.

nisator der Tierproduktion« absolvierten, wie der Prozess der rotierenden Tiere beschleunigt werden konnte.75 Die Investition des neuen Abferkelplatzes lohnte sich umso schneller, je mehr Ferkel pro Jahr auf diesem Platz erzeugt würden. Die Logik der Beschleunigung verfing in beiden deutschen Staaten wirkungsvoll. Das Produktionszyklogramm der DDR war die Sauenuhr oder der Sauenkalender in der Bundesrepublik.76 Je früher die Ferkel von der sie säugenden Sau abgesetzt wurden, desto schneller konnte diese erneut bedeckt werden. So viele Würfe pro Sau und Jahr wie möglich war das Ziel; 1968 wurden 2,4 anvisiert. Die Vorstellung, weibliche Schweine wie ein Uhrwerk programmieren zu können, verlor erst zwanzig Jahre später an Glanz. 1987 berichteten einzelne LPG im staunenden Tonfall neuartiger Entdeckungen, dass sie bessere Ergebnisse in der Schweinehaltung erzielten, weil sie nicht länger »schematisch« vorgingen, sondern berücksichtigten, »wie die Tiere sich verhalten«.77 Weil Schweinehalterinnen und -halter dazu übergingen, die Ferkel früher von der Sau zu trennen, entstand ein weiterer spezialisierter Zwischenschritt.78 Bevor 75 Grund, Zuwachs bei Ringlebender Ringelschwänzen; Franz u. a. 76 Betz, 70 Sauen im Nebenerwerb, S. 14. 77 O. A., Von ganz hinten an die Spitze. 78 O. A., Ferkel früh allein; Schmidt, Umzug in den Aufzuchtstall.

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aus den Ferkeln Mastschweine wurden, waren die nun früher von der Sau abgesetzten Ferkel während der sogenannten Ferkelaufzucht mit speziellem Futter in eigenen Ställen auf etwa dreißig Kilogramm zu bringen. Dieser Spezialisierungsschritt war unterschiedlich umfangreich und richtete sich nach dem Alter der von der Sau abgesetzten Ferkel, das zwischen vier und fünfzig Tagen variierte, aber auch ihn kennzeichneten neuartige Stalltechniken. Forschungseinrichtungen der Schweineproduktion, in der DDR allen voran das Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf, entwickelten und testeten Ende der 1960er Jahre mehrstöckige »Käfigbatterien für Absatzferkel«.79 Nach vier statt wie bisher nach acht Wochen abgesetzte Ferkel beispielsweise brauchten, um ihrem Daseinszweck als Fleischlieferanten entsprechend zu gedeihen, eine die Wärme ihrer Muttersau imitierende Umweltgestaltung.80 Beheizbare Ferkelkäfige, die übereinandergestapelt den Raum umso besser nutzten, etablierten sich als gesonderter Zwischenschritt zwischen Zucht und Mast.81 Die »Gruppenaufzuchtkäfigbatterien Typ Dummerstorf«, die der VEB Landtechnischer Anlagenbau Rostock fertigte, erlaubten gegenüber der Bodenhaltung von Ferkeln bis zu vierzig Prozent des Platzes einzusparen.82 1985 durchlief in der DDR »mehr als jedes 3. produzierte Schwein […] diese Haltungstechnik«.83 Die Ferkelkäfige von der Stange markierten einen Trend.84 Stallbau war nicht länger die Angelegenheit des Bauern selbst oder der Mithilfe seiner Nachbarn. Auch verwendeten sie nicht länger selbst beschafftes Baumaterial, das meist eine Kombination aus Holz, Beton und Klinkersteinen gewesen war. Der ökonomische Mehrwert, den die neuen Stalleinrichtungen durch Spezialisierung, Konzentration und Beschleunigung in Aussicht stellten, verdrängte den herkömmlichen Stallbau, der stärker an vorhandenen Ressourcen denn an der optimalen Kombination von Raum-, Arbeits- und Tiernutzung ausgerichtet gewesen war. Zwar erreichten die neuen Stalleinrichtungen in der DDR aufgrund des Materialmangels nie auch nur die Mehrzahl aller Schweinehaltungen,85 doch größere

79 Richter u. Kirmse, S. 9. 80 Die Technik des Frühabsetzens diffundierte zögerlich und über zwei Jahrzehnte lang in die ostdeutschen Schweineställe. Mitte der 1960er Jahre wurde davon bereits ebenso gesprochen wie 1978 und der frühere Zeitpunkt des Absetzens variierte ebenfalls stark, siehe Matschek; o. A., Neuheiten für die industriemäßige Produktion; Rubel. 81 Grund, Rationeller in alten Ställen. 82 Ebd.; Reuschel. 83 Glende u. a., S. 165. 84 Dieser Trend war nicht auf Ferkelställe beschränkt, sondern umfasste Mast- und Zuchtställe gleichermaßen, siehe Stutze. 85 Dafür war zum einen die ideologisch nicht vorgesehene, für die reale Fleischversorgung aber in den 1970er und 1980er Jahren immer wichtiger werdende individuelle Schweinehaltung verantwortlich, die den Genossenschaftsmitgliedern die jährliche Haltung von zwei Sauen plus Ferkel gestattete. Diese Tiere wurden meist in herkömmlichen eingestreuten Holzverschlägen gehalten und intensiv betreut, weil ihr Erlös ihren Halterinnen und Haltern unmittelbar zugutekam. Dazu kam zum anderen, dass auch in genossenschaftlichen und staat-

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Umbauten und Neubauten verliefen nun nach einem neuen, an eine Fabrikhalle erinnernden, Prinzip: »Stallhülle« plus spezialisierte, andernorts industriell gefertigte Inneneinrichtung.86 Der Trend war der gleiche in der Bundesrepublik. Ende der 1970er Jahre wurden Modelle von Schweineställen mit spezialisierter, auf den Körperzustand der Tiere abgestimmter, Inneneinrichtung ausgestellt. Während in einem Stallteil Sauen gedeckt wurden, waren sie im nächsten tragend nebeneinander aufgereiht und wurden im dritten in einzelnen Abferkelboxen zusammen mit ihren Ferkeln gehalten.87 Im Oktober 1970 diskutierte die dortige Arbeitsgemeinschaft »Technik und Bau in der Tierhaltung«, das tonangebende Gremium für technische Veränderungen landwirtschaftlicher Tierhaltung, in dem Politik, Wissenschaft, Beratung und Praxis zusammenkamen, den technischen Kurs der bundesdeutschen Schweinehaltung.88 »Frühabsetzen« und »Brunstsynchronisation« waren die wichtigsten Tagesordnungspunkte. Frühabsetzen der Ferkel bringe nur dann eine höhere Produktivität, wenn der nächste Reproduktionszyklus unmittelbar genutzt würde und das wiederum ginge nur mit hormoneller Steuerung von Einsatz der Brunst und Einleitung der Geburt, resümierten die durchweg männlichen Experten der Arbeitsgemeinschaft. Eine in dieser Art »programmierte Ferkelproduktion« sei denkbar, »wenn dabei auch der Einsatz von Ferkelbatterien seine Anwendung finden würde«.89 Eine solche »Ferkelbatterie« war auf der ersten »Huhn & Schwein« fünf Jahre später in Hannover ausgestellt und einer Tafel am oberen rechten Bildrand entsprechend auch schon verkauft (Abb. 23).90 Ferkelkäfige kamen um 1970 »immer mehr ins Gespräch« und wurden vereinzelt auch bereits großmaßstäblich realisiert.91 Ein Beispiel dafür war die »Ferkelfabrik« von Heinrich Biehl in Mildstedt bei Husum, in die Ende der 1960er Jahre 30.000 Ferkel in 19 Hallen und vier Aufzuchtstufen eingezogen waren. Dort wurden sie vier Monate gehalten, bis sie jeweils etwa dreißig Kilogramm schwer waren; in einem Jahr durchliefen 120.000 Ferkel die Anlage.92 Das wichtigste Argument für diese »Batteriehaltung« von Ferkeln war eine »maximale Arbeitsersparnis bei gleichzeitig hohem Arbeitskomfort«, indem lichen Schweinehaltungen seit insbesondere 1981 die Mechanisierung der Stalleinrichtung sich zunächst verlangsamte und dann zum Erliegen kam. Siehe Düvert; Luft; SStL, 20314, A 2668/1, Alice Gans, Pessin, Krs. Nauen, 1983; Roth; o. A., Auf höhere Ansprüche eingerichtet. 86 Grund, Zuwachs bei Ringlebender Ringelschwänzen, S. 18. 87 Siehe z. B. Fotografien der Modellställe im DLG-Archiv Frankfurt. 88 BArch Koblenz, B 116/38804, Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgemeinschaft »Technik und Bau in der Tierhaltung« am 9.10.1970 in der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt am Main. 89 Ebd., S. 3 f. 90 DLG-Archiv Frankfurt, Bildrückseite und Pressemitteilung. 91 Betz, Eigenheim für muntere Ferkel; ders., Frühentwöhnte Ferkel auf Gitterboden. 92 Kreisselmeyer, Aufzuchtfabrik; ders., Arbeitsteilung, S. 15; o. A., Jetzt kommen die Ferkel.

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Abb. 23: Besucher vor einer neuartigen dreietagigen Käfigbatterie für Ferkel auf der Messe »Huhn & Schwein« 1975 in Hannover.

das »übersichtliche und platzsparende« System eine »einfache und zeitsparende Tierbeobachtung« ermöglichte.93 Ferkelfabrik war nicht das einzige neue Wort, das mit der neuen Schweinehaltung einherging. Eine industrielle Rhetorik kennzeichnete die Diskussion in der Bundesrepublik ebenso wie in der DDR. Durch die Gliederung der Schweinehaltung in einzelne Produktionsschritte, die miteinander über Handel und Abnahmepreise verbunden waren, war nicht mehr nur das zum Schlachter transportierte Mastschwein das Produkt der Schweinehaltung. Auch Ferkel waren bereits Zwischenprodukte geworden. Die Haltung ihrer Muttersauen wurde zur »Ferkelerzeugung« und die Menschen, die diese Unternehmung betrieben, zu Ferkelerzeugern. »Ferkelerzeuger Ludwig Eisenmann […] hat mit der Qualität seiner Produkte keine allzugroßen Probleme«, war 1976 beispielsweise die Unterschrift eines Bildes, auf dem zwei Männer ein Ferkel, das auf dem Arm des einen war, begutachteten.94 Landwirtschaftliche Lehr- und Beratungskräfte waren zehn Jahre zuvor angehalten die »Notwendigkeit zur Spezialisierung« unters Volk zu bringen, weil Abferkel-, Aufzucht- und Mastställe »voneinander getrennt sein« müssten, um den Tieren jene Umweltverhältnisse zu bieten, die diese am besten gedeihen ließen: Der Stall war nicht länger nur Unterkunft. Er war der »wichtigste Le-

93 O. A., Tierfreundlich, arbeitssparend, kostengünstig. 94 Betz, Ferkel auf Spaltenboden, S. 22.

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bensraum der Tiere«, die ihr gesamtes Leben in ihm verbrachten, geworden.95 Ebenfalls ähnlich wie in der DDR hielten die neuen Stalleinrichtungen zögerlich Einzug in die breite Praxis. Spezialisierung und Konzentration in der Schweinehaltung waren keine abrupten Veränderungen. In einer vom Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt 1972 herausgegebenen Broschüre mit dem Titel »Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen« wurden Betriebsspezialisierungen vorgestellt, deren dichte Beschreibung in Bonn auf Interesse stieß. In den Ställen von Herrn und Frau E. wurden zwischen 1960 und 1971 aus zwei Pferden, vier Kühen samt Kälbern und fünf Sauen samt Ferkeln siebzig Sauen.96 Spezialisierung bedeutete inzwischen nicht mehr nur Spezialisierung auf eine Tierart, sondern auch auf einen Produktionsschritt der Schweinehaltung. Der großflächige und dem technischen state-of-the-art entsprechende Stallumbau wurde mit dem Hinweis auf Frau E.s »sehr glückliche Hand bei der Ferkelaufzucht« eingeleitet, was von einer eigentümlichen und bleibenden Verschmelzung technischer Rationalisierungsprozesse mit vergeschlechtlichten menschlichen Sorgepraktiken zeugt.97 Das System der Schweinehaltung des Ehepaars E. war rotierend. Die Tiere wechselten zwischen Abferkelboxen und Einzelfressständen für »leere« und »ferkelführende Sauen«.98 Die fixierte Aufreihung der einzelnen Sauen nebeneinander anstelle ihrer Haltung in Gruppenbuchten führte dazu, dass der Futterbedarf »durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit stark herabgesetzt wird«.99 1969 hatte das Ehepaar einen »Großmastbetrieb gefunden, der die gesamte Ferkelproduktion abnimmt«. Das war der Startschuss für ihr spezialisiertes Unterfangen gewesen.100 Die Mast der Schweine, wie sie ab 1969 im hessischen Großmastbetrieb stattfand, der die Ferkel des Ehepaars E. abnahm, war nach Zucht und Aufzucht die dritte Etappe der Spezialisierung innerhalb der Schweinehaltung. Auch ihre Dimensionen vergrößerten und ihr Umschlag beschleunigte sich, und diesen 95 BArch Koblenz, B 116/17924, AID Informationen für die Wirtschaftsberatung. Arbeitsunterlagen für Lehr- und Beratungskräfte 14. 1965, S. 4 f. 96 BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre  – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 48; als Beispiel einer ähnlichen Betriebsumstellung im gleichen Zeitraum siehe o. A., Zuchtsauenstall: Bauzeit drei Monate. 97 Ebd. Siehe außerdem Bericht über die Tätigkeiten der Schweinemästerin Erika Brachwitz in der LPG Linda in Fleege, Das Thermometer gleich zur Hand; Betz, 70 Sauen im Nebenerwerb, S. 1; Blendl, Mastschweine am Boden gefüttert, S. 12. 98 BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre  – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 49. 99 Außerdem konnten die nebeneinander aufgereihten Sauen nicht mehr miteinander agieren, wodurch Kämpfe der Rangordnung, die mitunter in verfrühten Geburten oder Totgeburten der Ferkel mündeten und damit einen Verlust darstellten, verhindert wurden. Siehe Brendl, Zuchtschweine in Einzelbuchten, S. 15; o. A., Dem Tier besser angepasst; o. A., Jeder Zuchtsau ihre eigenen vier Wände. 100 BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre  – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 50.

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Prozessen lagen ebenfalls neue Spielarten von Stallbau und Stalleinrichtung zugrunde. Im Vergleich zur Reproduktion und auch der Aufzucht der Ferkel war die Mast von Schweinen ein weniger fragiles Unternehmen. Mastschweine waren vergleichsweise robust und wurden deshalb in anhaltend vielfältigen Varianten, entsprechend vor Ort verfügbarer Ressourcen, gehalten. Drei Trends der Schweinemast sind dennoch unübersehbar. Erstens wurde als prominente Umbaumaßnahme seit Anfang der 1960er Jahre die vorhandene Stallfläche durch bauliche Veränderungen im Inneren des Stalls so verändert, dass dort mehr Mastschweine untergebracht werden konnten. Variable Buchtengrößen ermöglichten, den Schweinen stets genau so viel Platz zuzuweisen, dass ihr Verhalten dem vorgesehenen Ablauf entsprach. Bei großen Buchten nämlich verzichteten sie darauf, zum »Misten«, wie ihr Toilettengang genannt wurde, den dafür vorgesehenen Mistplatz aufzusuchen und misteten an einer mühsamer zu reinigenden Stelle. Waren im Gegenteil zu viele Schweine an einer kleinen Bucht, schmälerten sie ihren späteren Fleischerlös, indem die stärkeren Schweine die Schwächeren bei der Fütterung am Trog abdrängten, was diese immer schwächer werden ließ. Verschieden große Buchten, flexibel an die dort untergebrachten Schweine adaptierbar, verhinderten diese Probleme und verdoppelten nicht selten die Zahl an Mastschweinen, die in einem Stall untergebracht werden konnten.101 Zudem verringerten flexibel einstellbare Stallbuchten die Häufigkeit des »Umbuchtens«, wie der Umzug der Schweine von einer Bucht in eine andere genannt wurde. Damit entfiel wachstumsverzögernde Unruhe im Stall. Die Fachpresse druckte Tabellen mit vorberechneten Buchtenmaßen ab, damit die Buchten so angelegt werden konnten, dass nur noch einmal während der Mastperiode »umgebuchtet« werden musste.102 In der DDR war der Stallumbau für Mastschweine in den 1960er Jahren durch einen gegenteiligen Trend gekennzeichnet, der jedoch das gleiche Ziel, mehr Mastschweine pro Stallraum, hatte: den buchtenlosen Schweinestall. Standardisierte Pläne für Neubauten von Schweinemastställen wurden um eine buchtenlose Variante ergänzt, deren Zweck stets die Erhöhung der Zahl der im Stall gehaltenen Tiere war.103 Doch die Großbuchtenhaltung schuf neue Probleme, weshalb sie sich weder schnell noch flächendeckend durchsetzte. Gisela Rudolph, Obermeisterin für die Mast von Schlachtvieh in Riesa, beklagte zahlreiche Hautverletzungen der Schweine, die finanzielle Einbußen bei der Verrechnung der Schweine mit dem Schlachthof bedeuteten. Frau Rudolph war nicht bereit die Einbußen hinzunehmen, weil sie der neuen Stallform und nicht ihrer mangelnden Betreuung der Tiere zuzuschreiben waren. Große Buchten hatten zu vermehrter Unruhe und Rangeleien der Mastschweine untereinander geführt, 101 Wedel. 102 Sinn, S. 14. 103 SStL, agra-164/03-VHS, Behelfsställe 1960, Abschnitt: Aus Dänischer Aufstallung wird buchtenloser Schweinestall, Min. 5:34–7:21; BArch Berlin, DK 1/11356, Schweinemaststall für 500 (720) Tiere mit Zwangslüftung (Trog- und Automatenfütterung), 1964.

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weshalb sie nicht damit einverstanden war, vom Schlachtbetrieb, an den sie die gemästeten Schweine weitergaben, für die vermehrten Häuteschäden verantwortlich gemacht zu werden.104 Der zweite Trend, der zeitlich sowohl an den Umbau vorhandener Altställe anschloss als sich auch mit ihm überlagerte, war der Neubau großer Mastställe. Um die dafür nötigen Ressourcen zu mobilisieren, schlossen sich, das ist für die rhetorisch auf den bäuerlichen Familienbetrieb fixierte Bundesrepublik bemerkenswerter als für die DDR, einzelne Schweinehalterinnen und -halter genossenschaftlich zusammen. Es entstanden, vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn genau beobachtet, Erzeugergemeinschaften, Fleischerzeugungsgemeinschaften, Erzeugerringe oder Vermarktungsgemeinschaften.105 In Wolferswei­ler im Saarland, das gute zehn Kilometer nördlich von seiner Kreisstadt St. Wendel liegt, hatten 1964 zwanzig »junge und tüchtige Bauern« die Idee, die »Fleischerzeugungs- und Vermarktungsgemeinschaft Wolfersweiler« ins Leben zu rufen.106 Sie wandten sich dafür an ihren saarländischen Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft, Eugen Huthmacher, der das Ansinnen wiederum nach Bonn und Brüssel trug, um dafür Zuschüsse aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft zu beschaffen.107 Die Idee, die die zwanzig jungen Männer im Zuge ihres Besuchs der Landwirtschaftsschule St. Wedel entwickelt hatten, war attraktiv für die Bauern des Kreises. Bei Antragsstellung waren bereits 35 an Bord, durchweg »tatkräftige Landwirte mit gutem technischen Wissen«, das nötig geworden war für ein Vorhaben wie das Ihre.108 Sie wollten gemeinschaftlich den beengten Hoflagen entfliehen und auf der grünen Wiese, gut erreichbar, eine Gemeinschaftsmastanstalt für 2.000 Mastschweine, untergebracht in fünf Einzelställen zu je 400 Tieren, errichten. Alles aus einer Hand, aber einer genossenschaftlichen, war die Idee, deren Ziel eine Verbesserung der Lebens- und Einkommensverhält-

104 Rudolph, S. 472. 105 BArch Koblenz, B 116/17924, Telefonische Umfrage bei Ländern am 30.12.1965, Erzeugerringe für Mastschweine und Ferkel  – Bundesgebiet. Im September 1966 unternahm eine Delegation des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine »Besichtigungsfahrt« nach Unterfranken, um eine Schweinemastgemeinschaft, deren Ställe vor allem wegen ihres Einraum-Vollspaltenbodens an der Vorderfront der technischen Innovation verortetet wurden, zu besichtigen, siehe BArch Koblenz, B 116/17294, Regierung von Unterfranken an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, z. Hd. Hr. Riemensberger, Vorbereitungen der Besichtigungsfahrt, 6.9.1966. 106 BArch Koblenz, B 116/17923, Dr. Fr / Köb, Vermerk, Ihre Anfrage vom 17.12.1964 zu 4333.1 e – 155/64 von 21.11.1964 an III B 7, 21.12.1964. 107 Ebd., Saarland – Der Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft, Eugen Huthmacher and Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Saarbrücken, 13.11.1964. 108 Ebd., Antrag auf Gewährung einer Beihilfe aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Hier: Unterlagen für das Vorhaben »Fleischerzeugungs- und Vermarktungsgemeinschaft Wolfersweiler«, S. 4.

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nisse der Genossenschaftsmitglieder und ihrer Familien war.109 Konkret waren Vertretungen im Krankheitsfall oder die Möglichkeit von freien Wochenenden und Urlaub gemeint und damit den Entwicklungen in der DDR im selben Zeitraum ähnliche soziale Argumente.110 In den herkömmlichen Betrieben hielten die Wolfersweiler Schweinehalter weiterhin Sauen mit Ferkel, »durchschnittlich 15 Muttersauen pro Betrieb«.111 Die Ställe der 2.000 Mastschweine waren in »Hallenbauweise« vorgesehen, bei der das Innenleben der Stallhüllen »ohne produktionstechnischen Mehraufwand« den Mastschweinen entsprechend variiert werden konnte.112 Eine Hallenbauweise prägte Stallneubauten für Mastschweine in der DDR ebenso, aber mitunter aus unkonventionellem Material. In Niedergoseln, einer Ortschaft ziemlich genau zwischen Leipzig und Dresden, hatte Friedrich-Otto Laasch, der »experimentierfreudige Leiter« der dortigen ZGE für Schweinemast, 1977 einen »Plaststall« für 260 Mastschweine gebaut (Abb. 24).113 Seine Vorlage waren Fotos gewesen, die Teilnehmer eines Erfahrungsaustauschs aus dem Kiewer Gebiet in der Ukraine mitgebracht hatten. Auf 42 mal acht Metern entstand daraufhin ein Holzgerippe, nur die Giebelseiten waren massiv gebaut. Alle anderen Seitenflächen bespannten die Mitglieder der LPG mit einer »Gitterplastfolie«.114 Seine Inneneinrichtung bestand aus »Serienbuchten« aus dem VEB Landtechnische Industrieanlagen Cottbus, der seit Beginn der dortigen Serienfertigung 1970 ebenso Vorrichtungen für die Anbindehaltung säugender Sauen und die Käfigbatteriehaltung von Absatzferkeln im Programm hatte.115 Die Mastschweine brachten in den ersten drei Jahren des Plaststalls keine schlechteren Zunahmen als in herkömmlichen Ställen. Damit hatte der ungewöhnliche Stall den Lackmustest dieser Branche überstanden und zwar umso mehr, weil er zugleich half, Material, das auch im Wohnungsbau Verwendung fand, einzusparen.116 Drittens, das klang bei der Wolfersweiler Genossenschaft bereits an, verschwanden die Schweine aus den Dörfern, weil die dortigen Höfe zu wenig Raum für die Errichtung von Schweinehaltungen boten, die ein Familienauskommen 109 Ebd., S. 6. 110 BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre  – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 97; zur Errichtung einer ähnlichen Kooperation für Mastschweine, deren Mitglieder ihrerseits jedoch bereits genossenschaftlich organisiert waren siehe die ZGE Uthleben, in der 25 LPG der Kreise Worbis und Nordhausen gemeinsam jede Woche 600 Masttiere zum Schlachthof lieferten, Weimar, Schweinefleisch – streng rationell. 111 BArch Koblenz, B 116/17923, Antrag auf Gewährung einer Beihilfe aus dem Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Hier: Unterlagen für das Vorhaben »Fleischerzeugungs- und Vermarktungsgemeinschaft Wolfersweiler«, S. 6. 112 Ebd.; Schulte-Uentrop. 113 Grund. 114 Ebd. 115 Mittag, S. 67–86; Haidan u. Reuschel, S. 195. 116 Grund, Schweinemast im Plaststall.

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Abb. 24: »Der Plaststall von innen. Die mit Plastfolie bespannten Holzrahmen lassen sich zur Klimaregelung nach außen klappen.«

sichern konnten. 1962 beispielsweise fand die »Aussiedlung«, wie die Verlagerung von Bauernhöfen hinaus aus den Dörfern genannt wurde, eines an der Mainschleife in Unterfranken liegenden, »in der engen Dorflage eingezwängten« Hofes statt, der neben Wein, Bohnen und Gurken auf viereinhalb Hektar zwei Kühe, einige Stück Jungvieh, vier Mastschweine und zwanzig Hühner gehalten hatte.117 Die Betriebsinhaber bauten an seinem neuen Platz außerhalb des Dorfes »schwerpunktmäßig« die Schweinemast aus und hielten drei Jahre später 200 Mastschweine in einem speziell dafür angefertigten Wirtschaftsgebäude.118 In der DDR verschwanden die Schweine ebenfalls aus früheren Dorfställen, in denen kein Platz für eine Vergrößerung der Bestände war. Mastställe neuer Dimension, wie die Anlage im brandenburgischen Müncheberg östlich von Berlin, die bereits 1969 mit 8.156 Mastplätzen eröffnet hatte, wurden zu den die Diskussion dominierenden Orten der Schweinemast.119 Speziell im Sommer jedoch war die Vielfalt der Methoden der Schweinemast nicht zu übersehen. Im Sommer konnten mehr Schweine zur Schlachtreife gebracht werden als in den kalten Wintermonaten, weil ihre Zahl nicht an das Vorhandensein von sie vor der Kälte schützenden Stallgebäuden gebunden war. Unter den Stichworten Sommermast oder Waldmast mobilisierte die DDR in den wärmeren Monaten zusätzliche Schweinemastreserven »in Silos, Jungviehställen und anderswo«.120 120.000 Mastschweine verbrachten den Sommer 1974 in den Wäldern der Bezirke Cottbus, Frankfurt, Rostock, Neubrandenburg und Halle und lieferten im Herbst zusätzliches Schweinefleisch.121 Polnische Erfahrungen mit dieser Mastmethode gingen der Schaffung von Waldmasteinrichtungen in der DDR voran. Waldbestände, die ein oder zwei Jahre vor ihrer Rodung standen, wurden dafür auserkoren, weil sie bei dieser Nutzung ohnehin in wenigen Jahren abstarben. Die ostdeutsche Waldmast hatte wenig mit im Schatten der Bäume nach Eicheln 117 Weiß, S. 14. 118 Ebd. 119 Höning; Mothes, Tiere am Fließband; ders., Schlaraffenland für Tiere. 120 Hilbrer; Hubrig. 121 O. A., Waldmastbilanz.

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Abb. 25: Waldmast von 20.000 Mastschweinen des Schweinezucht- und -mastkombinats Eberswalde im Sommer 1974.

wühlenden Schweinen zu tun, wie Abbildung 25 zeigt. In ausgewiesenen Gebieten wurden mit zwei Zäunen doppelt gesicherte Gehege für 2.000 bis 3.000 dicht beieinander gehaltene Schweine errichtet. »[F]ür Betriebsfremde« war dieses Gebiet wegen Seuchengefahr »vorübergehend gesperrt«.122 Im Eberswalder Forst betreuten Mitarbeiter des Schweinezucht- und Mastkombinates Eberswalde im Sommer 1974 über 20.000 Schweine im Wald.

3.2 Technik im Stall II: Arbeitsprozesse Zwei Beobachtungen ziehen sich durch alle Mechanisierungs- und Automatisierungsaspekte der Schweinehaltung. Zum einen offenbarte die Geschichte kontinuierliche Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und unbelebter Technik, die eine lineare Implementierungsgeschichte verkomplizieren. Die technische Wandlungsgeschichte des Schweinestalls ist eine Geschichte von trial and error. Aufgrund unintendierter Komplikationen wurden sowohl Techniken an die Bedürfnisse von Mensch und Tier angepasst als auch Verhaltensweisen von 122 Ober, Sommermast; Marko.

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Menschen und Tieren an die Erfordernisse technischer Vorrichtungen. Schweine legten unter technisch veränderten Haltungsbedingungen neuartige Verhaltensweisen an den Tag, die die Absicht der technischen Veränderung mitunter untergruben. Zum anderen waren die Bedingungen der Arbeit im Schweinestall das bleibende Movens hinter ihrer mechanisierten Neuorganisation. Der Mechanisierungsdruck war durch Nachwuchsprobleme verschärft, weil »[j]unge Leute« für die auch 1978 »oft noch schwere Arbeit« in den Schweineställen der DDR kaum mehr zu kriegen waren.123 Durchgehend waren die schmutzigen und körperlich anstrengenden Arbeitsbedingungen für die Akteure im Stall ebenso wie für Bauspezialisten in staatlichen Forschungseinrichtungen,124 aber auch an und für sich Grund genug, technische Erleichterungen zu ersinnen und zu implementieren. Das galt für zahlreiche kleine Veränderungen, wie zum Beispiel einem Industriestaubsauger, der Karin Duwin in der LPG Aschara, im thüringischen Kreis Langensalza seit 1973 das mühsame Fegen von feinem, sich dem Besen widersetzenden Schmutz erleichterte.125 Verantwortlich für den epochalen Wandel im Schweinestall aber war die technische Veränderung der beiden dortigen Hauptaufgaben, der Zufuhr von Futter und der Beseitigung der Exkremente. Die zentrale Rolle dieser beiden Arbeitsschritte erklärt, in Zeiten kostbarer werdender Arbeit umso mehr, weshalb das Bild des Schweins als fleischliefernder Bioreaktor parallel zur Mechanisierung der Arbeitsprozesse im Stall an Terrain gewann. Die brancheninterne Vorstellung eines Schweins war zunehmend die einer lebendigen Fleisch-Maschine, deren vor- und nachgelagerte Arbeitsschritte, die Lieferung von Treibstoff (Futter) und die Beseitigung ihres Abfallprodukts (Mist, Gülle), möglichst ebenfalls automatisiert abliefen. 3.2.1 Entmistung: Das Ende stinkender Handarbeit Wäre man gezwungen, sich auf die eine technische Veränderung festzulegen, die die größten Konsequenzen für die Bewirtschaftung von Schweinen hatte, wäre es die neue Art, den Mist der Tiere aus dem Stall zu befördern. Das Herzstück der technischen Revolution im Schweinestall ist der sogenannte Spaltenboden. »Nichts tragen, was fließen kann!« war schon 1952 die Maxime der Erleichterung der Stallarbeit, die zu dieser Zeit noch vordringlich der Milch im 123 Fleege, Das Aitzendorfer Meisterstück. 124 Stalltechnik als Forschungsgegenstand an landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen trat in den 1960er Jahren neben die dort bisher, und in Form der Tierzucht bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert, dominierende biologische Forschung, siehe für die DDR: Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. 125 Grund, Perfekt wie aus dem Konstruktionsbüro; ein bundesdeutsches Pendant wäre die 1975 auf der Messe »Huhn & Schwein« ausgestellte Kehrmaschine, weil »man den Stall öfter fegen muß, als man denkt«, siehe Vogt, Technische Einrichtungen.

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Kuhstall gegolten hatte.126 Gute zehn Jahre später sollten auch die Exkremente der Tiere das Fließen lernen, um nicht länger mit der »Technologie[, die] sich durch die Arbeitsgeräte Schaufel, Besen und Karre charakterisieren lässt«, aus dem Stall befördert werden zu müssen.127 Um zu fließen, durften sie nicht länger mit eingestreutem Stroh vermengt werden. Stattdessen traten die Schweine selbst ihre Exkremente durch einen spaltenförmigen Buchtenboden hinunter in eine Grube unterhalb des Stalls, in der die flüssigen Exkremente entweder – qua Gefälle – selbstständig zur für sie auserkorenen Sammelstelle flossen oder per elektrischer Pumpe oder mechanischer Schleppschaufel dorthin befördert wurden. Händisch wurde dabei jedenfalls kein Mist mehr transportiert. Der mit Spalten versehene Stallboden war die entscheidende technische Innovation für ungekannte Bestandsvergrößerungen, weil sie die unangenehmste und anstrengendste Tätigkeit im Schweinestall, das Ausmisten, abschaffte. Seit den 1960er Jahren wurde unter dem Stichwort »Innenmechanisierung« dem Geschehen im Stall jener Rationalisierungssprung beschert, der bei den Feldarbeiten bereits seit mitunter einhundert Jahren zu beobachten war. Im Vergleich zur Mechanisierung und anschließenden Motorisierung landwirtschaftlicher Außenarbeiten waren die Tätigkeiten im Stall und ihre Arbeitsinstrumente Schaufel, Gabel, Besen und ein von Hand geschobener Karren bemerkenswert in der Zeit stehen geblieben.128 Vor diesem Hintergrund wirken die technischen Veränderungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts umso einschneidender. Der historisierende Blick offenbart jedoch auch hier, dass ihr Siegeszug zeitgenössisch weder unumstritten noch abzusehen war. Der Spaltenboden hatte Konkurrenz von anderen mechanisierten Entmistungsverfahren, die ebenfalls eine Erleichterung des Ausmistens versprachen und zudem zunächst weniger Nebenwirkungen zeigten. Herkömmlicherweise war die Empfehlung für eine Arbeitserleichterung des Entmistens: Nutzt die Mitarbeit der Schweine! War der Stall hinsichtlich Temperatur und Belegung so eingerichtet, dass die Schweine ihrem natürlichen Verhalten folgend nicht auf ihrem Liegeplatz misteten, sondern dafür an eine bestimmte Stelle gingen, fiel die wenigste Arbeit an. Nicht die gesamte Bucht musste regelmäßig gereinigt werden, sondern nur der dafür vorgesehene Mistplatz. 1955 etwa meinte die landwirtschaftliche Fachpresse, dass nun »ausreichende Erfahrungen mit brauchbaren Stallsystemen in bezug auf die Stallarbeit« vorlägen und alle an einer Erleichterung interessierten Schweinehalterinnen und -halter diese nur mehr umzusetzen bräuchten. Die Erfahrung war: Alle Buchten »erhalten immer einen vom Liegeplatz durch eine Miststufe und Streuschwelle

126 Die Milch sollte beginnen, durch Rohre zu fließen anstatt in Kannen geschleppt zu werden, siehe Fritz Heydenreich, »So geht’s leichter«. Arbeitserleichterungen im Stall, AIDFilm-Nr. 226, 1952. 127 O. A., Für 1.000 Schweine nur drei Stunden. 128 Seidl, S. 298; Sominitsch; Riebe; Kniely, S. 12.

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getrennten Mistplatz«.129 Denn: Das Schwein hat »einen stärkeren Kotplatzinstinkt […] als etwa Pferd oder Rind« und »Schweine lieben es, beim Koten über ihren Kumpanen zu thronen« – und das galt es sich arbeitssparend zunutze zu machen.130 Doch auch der auf dem Mistplatz anfallende Mist war händisch aus dem Stall zu bringen. Die »Mechanisierung der Stalldungwirtschaft« ließ Mitte der 1950er Jahre die Köpfe rauchen. Wo baulich möglich, berichtete 1955 Waldemar Stern, ein Schweinehalter im Kreis Uelzen, könne wenigstens hinter den einzelnen Schweinebuchten eine durchgehende Dungbahn angelegt werden.131 Perspektivisch könne diese dann mit Schlepper und Frontladerschaufel leergeräumt werden.132 Dunggänge und die Mechanisierungsmöglichkeiten, die sie schufen, setzten sich in den folgenden Jahren immer mehr durch. Der Kasseler Baurat Enno Baasen empfahl 1961 einen per Seilzug in Bewegung gesetzten Schieber, der den Mist ans Ende des Stalles, wo idealiter bereits sein Lagerplatz war, schob.133 Frontlader von Schleppern nämlich bräuchten breitere Dunggänge, die – um eine unnötige Vergrößerung des Stalles zu verhindern – nur dann entstehen können, wenn sich die Dunggänge zweier gegenüberliegender Reihen Schweinebuchten in der Mitte des Stalles träfen. Das bedeutete meist größere Umbauten, die 1961 noch nicht an der Tagesordnung waren. Das Potential der Arbeitserleichterung im Dunggang war im Gegensatz zu jenem Trend, der Skandinavien bereits erobert hatte, verhalten. Norwegische Schweinehalterinnen und -halter statteten – im »Land mit der größten Verbreitung von Spaltenbodenställen«  – 1963 bereits achtzig Prozent ihrer Stallneubauten mit Spaltenböden aus.134 Zur selben Zeit begannen innovationsfreudige Schweinehalter selbst und Techniker in Landwirtschaftsschulen an ersten Spaltenböden auch in Deutschland zu experimentieren. Ihre Motivation war, mehr als siebzig Prozent aller Arbeit, darunter die unangenehmste, einzusparen, indem sowohl das Einstreuen mit Stroh als auch das Ausmisten der Vergangenheit anheimgegeben wurden. Die Idee klang rundum genial: Zukünftig könnte zusätzlich die ganze Fläche des Buchtenbodens als Liegefläche der Schweine Verwendung finden. Mistplätze, auf die sich herkömmlicherweise kein Schwein legte, waren nicht mehr notwendig. Dadurch halbierte sich, so rechnete ein österreichischer Spaltenbodenerfinder 1963 vor, der Platzbedarf für ein Mastschwein im Durchschnitt aller Altersgruppen von einem Quadratmeter auf

129 Ober, Neues beim Bauen, S. 1939. 130 Grauvogl, S. 263. 131 Stern. 132 Ebd. 133 Baasen, S. 1623. 134 Marady, S. 18; Schliffer, S. 18; aus dem Norwegischen wurde 1965 ein Standardwerk zum Bau von Schweineställen ins Deutsche übersetzt, das an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Vollebekk, einem Stadtteil Oslos und in den 1960er Jahren einer skandinavischen Hochburg der Stalltechnik entstanden war, siehe Kraggerud; Malchus.

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einen halben.135 Die Verunmöglichung des Auslebens ihres »Abortinstinktes« als gegebenenfalls bedenklich – der Spaltenboden und seine Buchtenverkleinerung zwang die Schweine fortan, sich dort zu entleeren, wo sie sich auch aufhielten – wurde erst Mitte der 1970er Jahre angesprochen, dann jedoch bereits in einer Rhetorik wirtschaftlicher Unvermeidbarkeit.136 Die Buchten könnten schlicht nicht so weiträumig gestaltet werden, als dass »der Abort von den Tieren in angemessener Entfernung« bliebe, hieß es 1975.137 Der zwölf Jahre zuvor in Österreich konstruierte frühe Spaltenboden bestand aus Ziegelbalken, die im Abstand von zweieinhalb Zentimetern nebeneinander den Boden der Bucht bildeten138  – Hartholz war teuer und anfällig für Verstopfungen, verzog sich und wurde rasch sehr glatt; Beton hingegen war kalt und 1963 zudem zu transport- und herstellungsteuer für die meisten Schweine­ halter.139 Kot und Harn der Schweine traten diese selbst durch die Spalten in die siebzig bis achtzig Zentimeter tiefe darunterliegende Dungwanne, die nach jeder Mastperiode von einer Jauchepumpe abgesaugt wurde. Überdies seien die Spaltenböden »vollkommen geruchslos«.140 Die Praxis sah anders aus. Am Donnerstag, den 25. November 1965, ereilte einen bayerischen Spaltenboden-Neubesitzer im mittelfränkischen Gunzenhausen der Schock. Er wälzte den Inhalt der Jauchegrube unter den Spalten um, indem er ihn einmal absaugte und zurückpumpte, um ihn anschließend auszufahren. Als er jedoch nach einer Stunde seinen Stall wiederbetrat, waren »alle 20 Schweine tot«.141 Die Schweine waren an Bauch und Hals »blaurot verfärbt«, hatten Schaum vor dem Mund und sahen insgesamt so aus, »als ob ein kurzfristiger Todeskampf stattgefunden hätte«.142 Ihre Obduktion ergab »einheitlich das Bild einer toxischen Herzschädigung […] und Lungenödem«; sie waren durch die Abgase aus der Flüssigmistgrube vergiftet worden.143 Diese und ähnliche Meldungen veranlassten die Mitte der 1960er Jahre noch zahlreich vorhandenen Skeptiker von »Schweineställen mit Spaltenböden«, weiterhin genau hinzusehen.144 Befürworter und Gegner des Spaltenbodens lieferten sich in einer westdeutschen Debatte um die richtige Entmistung im Schweinestall in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre Auseinandersetzungen, während sich der Spaltenboden

135 Ebd. 136 Grauvogl, S. 263. 137 Ebd. 138 O. A., Spaltenboden aus Ziegelbalken. 139 15 Jahre später avancierten Betonspaltenböden zum State-of-the-art, siehe van den Wehge, S. 813. 140 Ebd., S. 20. 141 O. A., Abgase töten 20 Schweine. 142 Ebd. 143 Ebd. 144 Rieger.

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davon unbeeindruckt in alle Sparten der Schweinhaltung ausbreitete.145 Die landwirtschaftliche Fachpresse nahm eine die Skeptiker beschwichtigende Rolle ein. Sie befürwortete die Ausbreitung des Spaltenbodens aufgrund seiner massiven Rationalisierungsvorteile. Das zeigen ausführliche Betriebsbeschreibungen erfolgreicher Spaltenbodenställe ebenso wie Rückversicherungen auf höchste wissenschaftliche Kreise, zum Beispiel das bis 1976 bestehende Max-Planck-Institut für Landarbeit und Landtechnik im rheinland-pfälzischen Bad Kreuzbach, das die klimatischen Verhältnisse in ausgewählten Testställen »laufend« überprüfen würde.146 Der Platzbedarf für ein Schwein unter 35 Kilogramm war 1975 mit 0,45 Quadratmetern in einem Spaltenbodenstall angegeben und mit 0,6 Quadratmetern für eines, das mehr als 35 Kilogramm wog.147 Die ungewöhnlich vielen Schweine auf wenig Raum zusammen mit der Sammlung ihrer flüssigen Exkremente unmittelbar unter dem Stallboden verschlechterten die Stallluft in einem Ausmaß, das die Vorteile der Platz- und Arbeitsersparnis zunächst in den Schatten zu stellen drohte. Im Winter »war die Geruchsbelästigung noch tragbar«, so das Ergebnis eines Testberichts aus der Versuchs- und Lehranstalt Forchheim im Jahr 1966.148 Allerdings war der Geruch auch im Winter bereits »stärker, stechender und fauliger als in einem herkömmlichen Stall«. In »warmen Herbsttagen« jedoch und ganz zu schweigen von Sommertagen »war die Geruchs­ belästigung sehr stark, so daß niemand längere Zeit in diesen Stallungen tätig sein wollte«.149 Drei Jahre später, 1969, beruhigte sich die innerlandwirtschaftliche Debatte um ausreichend »gute Luft« im Stall. Das Geruchsproblem war nicht kleiner geworden. Doch es zeichnete sich eine wiederum technische Lösung ab, die sogenannte »Unterflurlüftung«. Ventilatoren wurden dort angebracht, wo die ammoniak- und schwefelwasserstoffreiche Luft im Herbst 1965 die zwanzig Schweine hatte ersticken lassen. Stallkonstrukteure und Bauern planten nun einen Luftraum zwischen der »Flüssigkeits-Obergrenze« und dem Spaltenboden ein. Dort stauten sich die schädlichsten Gase, um dann abgesaugt zu werden und nicht länger nach oben zu dringen und menschliche und tierische Nasen zu belasten.150 Es entstand ein Luftkreislauf, der die gefährliche Luft nach draußen und durch oben angebrachte Fenster oder Luftschächte zugleich frische Außenluft in den Stall zog. Eine »Zwangslüftung« wurde zum unverzichtbaren Bestandteil »moderner« Schweinemast.151 Fenster und Türen zu öffnen schuf 145 Siehe z. B. o. A., Spaltenboden hat nicht nur Vorteile; Jebautzke; Ober, Der Spaltenboden; Blendl, Schweine auf Spaltenböden; o. A., Leser Fragen, wir antworten; H. L., Doch Spaltenböden für Mastschweine. 146 Wedel; Schliffer; Betz, Ein Schweinestall der nicht viel kostet, S. 10. 147 O. A., Pluspunkte für Ganzspaltenböden. 148 Rieger, S. 22. 149 Ebd. 150 O. A., Frische Luft auch auf Spaltenboden. 151 AID, Moderne Schweineproduktion, S. 27.

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nicht länger Abhilfe bei schlechter Luft im Stall. Es brauchte Vorrichtungen einer »Zwangslüftung […] mit der wetterunabhängig im Stall die Raumtemperatur, die Luftfeuchtigkeit, der Gasgehalt und die je nach Jahreszeit erforderliche Luftmenge den Ansprüchen der Tiere, aber auch der Menschen angepaßt werden kann«.152 Ohne die wiederum technische Hilfeleistung hätte das System der verdichteten Tiere sich selbst abgeschafft. Schlechte Luft war nicht das einzige neu entstandene Problem. Die Spaltenböden veränderten das Verhalten der Schweine. Dieses wurde im Stall dann historisch wirkmächtig, wenn es den finanziellen Erlös beeinflusste. Eine durch den Spaltenboden und die höhere Dichte der Tiere, die er ermöglicht hatte, ausgelöste Verhaltensänderung tat dies. Ohne Stroh, dichter beieinander und bei »ungenügender Luftumwälzung« verstärkte sich »die Tendenz zum Kannibalismus«.153 Kannibalismus bedeutete, dass sich die Schweine untereinander anfraßen, insbesondere an ihrem abstehenden Schwänzchen. 1965 wurde neben ausreichender Ventilation deshalb empfohlen, den Tieren »Gelegenheit zum Spielen zu geben (Ketten, die von der Decke hängen, Papiersäcke in der Bucht, reichlich Einstreu etc.)«, damit sie nicht gegenseitig ihre Ringelschwänzchen annagten.154 Abbildung 26 zeigt eine solche Kette. 1965 wurde außerdem eine genaue Tierbeobachtung angeraten, um die oft einzelnen »Missetäter« festzustellen und diese »aus der Bucht« zu nehmen.155 In dem Forchheimer Spaltenboden-Versuch mit 120 Schweinen war »ein Viertel der Tiere […] durch Verbiß schwanzlos« und ein Teil davon »mußte vorzeitig entfernt werden, weil der kurze Schwanzstummel nicht mehr ausheilte«.156 Kannibalismus in Form gegenseitigen »Schwänzeabbeißen[s]« beschäftigte gerade die innovationsfreudigen Landwirte, die in einen Stallneu- oder -umbau investiert hatten, um vom Spaltenboden zu profitieren.157 Der durch die Investition umso dringender notwendig gewordene Erlös war gefährdet, weil sich die Schweine anstatt rasch zu gedeihen gegenseitig verletzten und zu »Mastverlusten« wurden; die Bisswunden entzündeten sich im schmutzigen Stall rasch und die Tiere wuchsen nicht so wie vorgesehen. »Schwanzbeißen« war eine ernstzunehmende Bedrohung der Wirtschaftlichkeit. Schweinehalterinnen und -halter experimentierten ebenso wie Agrarwissenschaftler umtriebig, um der neuen Bedrohung Herr zu werden. Neben Spielsachen wie der Ketten oder auch alter Eimer und zerschnittener Gummireifen wurden die bereits angefressenen »Schwanzstümpfe« mit stark riechenden Präparaten eingepinselt.158 Das Problem aller Gegenmaßnahmen, das auch für ein neuerdings von der Wirtschaftsgemeinschaft deutscher Tierärzte empfohlenes »Pulver gegen Kan152 O. A., Die Zwangslüftung regelt das Stallklima ganz nach Wunsch. 153 O. A., Spaltenboden hat nicht nur Vorteile; Neubrand. 154 Neubrand. 155 Ebd. 156 Rieger, S. 22. 157 O. A., Biß-Schutz für Schweine. 158 Ebd.; Lohmann, Der Einfluß von Haltungsverfahren, S. 103.

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Abb. 26: Mastschwein mit von der Decke hängender Kette zur Beschäftigung und Verhinderung von Kannibalismus im Schweinestall.

nibalismus« galt, war: »Einmal hilft’s, einmal nicht«.159 Die »Sünder« ließen sich mit diesen Methoden nicht zuverlässig von ihrer »Untugend« ablenken, beschrieb die landwirtschaftliche Presse den anhaltenden Kannibalismus.160 Hier tritt sprachlich die auch bei Rindern und Hühnern beobachtete Strategie auf: Erfolge landwirtschaftlicher Tierhaltung wurden stets den sie betreibenden Menschen zugeschrieben, während Misserfolge und Komplikationen den Tieren selbst intentional – »Sünder« – angelastet wurden und dadurch auch rabiate Gegenmaßnahmen rechtfertigten. In den Niederlanden zog man »verdächtigen Tieren Plastikplatten in die Rüsselscheibe ein«, die diese zwar nicht an der Nahrungsaufnahme hinderten, wohl aber daran, auf den Schwänzen ihrer Stallgenossen zu kauen.161 Ein Landwirt aus Oberbayern, Josef Reindl, der 1966 bereits 500 Mastschweine in seinem Spaltenbodenbetrieb hielt und ebenfalls enorme Probleme mit den »Schwanzbeißern« hatte, konstruierte eine Klammer aus verzinntem Eisenblech, an die er »Abwehrstacheln aus Draht aufgeschweißt hat«.162 159 O. A., Biß-Schutz für Schweine. 160 Ebd. 161 Ebd. 162 Ebd.

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Dieser »Biß-Schutz« wurde mit einer ebenfalls dafür angefertigten »Spezial-​ Zange« auf einen angenagten Schwanz, dessen schlimm beschädigte Stücke davor kupiert worden war, »aufgedrückt«.163 Die Klammer wachse nach einiger Zeit wieder heraus und könne »evtl. wiederverwendet werden«.164 Die oberbayerische Spezial-Zange setzte sich ebenso wenig durch wie die zahlreichen, in ihrer Zuverlässigkeit schwankenden Ablenkungsmaßnahmen. Stattdessen etablierte sich in den Schweineställen beider deutscher Staaten eine präventive, alle Schweine im Stall erfassende und in ihre Körper eingreifende Maßnahme. Schweinehalterinnen und -halter begannen, allen Schweinen im Ferkelstadium mit einem heißen Messer ihre Schwänze abzuschneiden. Der Ringelschwanz der Schweine wurde in dem Maße zu einem Symbol vergangener Zeiten, wie die fließenden Exkremente zu einem Symbol industrieller Methoden der Schweinehaltung wurden.165 Obwohl der Kannibalismus unter Schweinen als Verhaltensstörung rangierte, die auf »angestaute Aggressionen der Tiere« hinwies und als »Alarmsignal dafür […], daß etwas nicht stimmt« galt, wurden die Tiere an die neue Technik angepasst und nicht andersherum.166 Der Spaltenboden geriet nicht in Misskredit. Trotz gegenseitigen Verletzens in »sehr dicht besetzten und einstreulosen Buchten« verlor er nicht an Anziehung, »da heute [1967, V. S.] niemand mehr bereit ist, die schweren und schmutzigen Arbeiten von Hand zu erledigen«.167 Der Spaltenboden nahm auch in der DDR-Diskussion über Um- und Neubau von Schweineställen eine zentrale Rolle ein. Sein Anfang war ebenfalls eine Geschichte von trial and error. Ammoniak und mangelnde Lüftung ließen Anfang der 1970er Jahre 1.090 von 5.700 Schweinen in einer neuerbauten Mastanlage verenden, weil die »Lüfter« zu schwach für die Gase, die die neuartige Menge an Exkrementen verströmte, waren.168 Ihre Schwänze verloren die Schweine ebenfalls in beiden deutschen Staaten. 1976 warb der seit 1968 bestehende Kooperationsverband Fleischschwein Karl-Marx-Stadt, in dem 31  Zucht- und Mastbetriebe mit einem Schlachtbetrieb, zwei Mischfutterwerken, Tierzucht, Handel und Tiergesundheitsamt zusammenarbeiteten: »Schneiden wir unseren Schweinen auch die Ringelschwänzchen weg – bei der Qualität jedoch lassen wir nicht den geringsten Abstrich zu.«169 Drei Jahre zuvor hatte die landwirtschaftliche Fachpresse das Abschneiden der Schwänze als nachahmenswerte Praxis der Vorbild-LPG Aschara im Kreis Langensalza vorgestellt: »Bei allen Masttieren wurden die Schwänze schon im Ferkelalter kupiert. Die Verluste sind dadurch rapide zurückgegangen.«170 163 Ebd. 164 Ebd. 165 Weimar, S. 16. 166 Paschertz, S. 12. 167 Ober, Der Spaltenboden, S. 23; Sandermann. 168 Mothes, Gute Luft hilft mästen; Hoy, Messung der Schadgaskonzentration. 169 Hofmann, Ein Steckbrief für die Qualität. 170 Grund, Perfekt wie aus dem Konstruktionsbüro, S. 17.

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Beide deutsche Staaten teilten außerdem das Vordringen des zunächst in der Schweinemast erprobten Spaltenbodens in die Schweinezucht und Ferkelaufzucht und zugleich das Fortbestehen anderer Entmistungsverfahren. Noch 1989 berichtete der Vorsitzende der LPG Severin im Bezirk Schwerin von ihrem neu gebauten Läuferstall – mit Einstreu. Zwar in rechtfertigendem Tonfall, aber durchaus nicht ohne Selbstbewusstsein verteidigte er diese »Haltungstechnologie«, die »trotz ihrer arbeitswirtschaftlichen Nachteile« aktuell sei.171 Denn sie erlaube Ställe ohne Wärmedämmung und das Entmisten sei, obwohl es im Gegensatz zu Spaltenbodenställen eben noch geschehen musste, mit einem Kleintraktor, wie dem UT 082 (Abb. 27) nicht allzu aufwändig.172 In der DDR gab es zudem eine Mischform zwischen Spaltenboden und seilzugbetriebener Mistschaufel, die sogenannte Unterflur-Schleppschaufel. Sie schob die Exkremente, die die Schweine durch einen schmalen Spaltenboden in einen dreißig Zentimeter tiefen darunter liegenden »Kotgang« traten, der nur einen Teil ihrer Bucht ausmachte, beispielsweise im VEG Wasserthaleben in Thüringen zum vorgesehenen an den Stall anschließenden Sammelplatz.173 Teilspaltenböden waren eine mancherorts verbreitete Etappe der Automatisierung der Entmistung im Schweinestall. Zunächst wirkten sie vielversprechender, auch, weil sie als tierfreundlicher galten. Bei ihnen bestand nur ein Teil der Bucht aus spaltenförmigem Boden, der Rest war wie gehabt durchgängig mit etwas Einstreu versehen. Das System funktionierte jedoch nur, wenn die Schweine sich darin so verhielten, wie es die Betriebsanleitung vorsah  – und das war nicht immer der Fall. Bald hatten Komplikationen die Teilspaltenböden deshalb ins Hintertreffen gegenüber dem Ganzspaltenboden treten lassen. War die Liegefläche größer als der Platz, den die in der Bucht gehaltenen Schweine tatsächlich zum Liegen brauchten, sparten sie sich den Gang auf den Spaltenbodenteil und benutzten die nicht belegte Liegefläche als Toilette.174 Weil diese daraufhin von Hand entmistet werden musste, torpedierte dieses Verhalten der Schweine die intendierte Arbeitsersparnis. War die Liegefläche hingegen zu klein, als dass alle in der Bucht gehaltenen Schweine darauf gleichzeitig bequem liegen konnten, entstand Gerangel und Unruhe um die begehrteren Liegeplätze, was sich in verminderten Zuwachsraten niederschlug. An den Zuwachsraten der Schweine bemaß sich der Erfolg einzelner Schweinemästerinnen und -mäster. Marie Strehlau, die seit 1966 in dem Betrieb Dierkow des VEB Schweinemast Rostock-Rövershagen angehörte, wurde 1976 für durchschnittliche Tageszunahmen von 650 Gramm in ihren Ställen als »Aktivist« ausgezeichnet und mit einer Reise nach Leningrad belohnt.175 Westdeutsche Schweinemäster wurden keine

171 Knießner, S. 11. 172 Ebd. 173 Hofmann u. a., Spaltenboden und Schleppschaufeln; R. H.  174 Ober, Der Spaltenboden, S. 23. 175 Grund, Initiativen für den Trog, S. 17.

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Abb. 27: »Mit Hilfe des Kleintraktors UT 082 mistet Meister Siegfried Gerhard im neuen Läuferstall aus.«

»Aktivisten« und bekamen keine Reisen geschenkt; ihnen blieb mehr Erlös in der Tasche, wenn ihre Schweine rascher zunahmen. Der Teilspaltenboden erschwerte bestmögliche Tageszunahmen, weil die in diesem System gehaltenen Schweine mehrmals »umgebuchtet« werden mussten, damit die Maße von Spalten- und Nichtspaltenboden stets zu denjenigen der kontinuierlich wachsenden Schweine passten. Jeder Umzug der Schweine von einer Bucht in die nächste bedeutete Arbeit für die Schweinehalterinnen und -halter und Unruhe für die Schweine.176 Aus diesen Gründen blieb der Teilspaltenboden eine Episode und »Ganzspaltenbodenställe« galten spätestens ab Mitte der 1970er Jahre als einzige zukunftsträchtige Stallform. Ihre Befürworter verhehlten dabei nicht, dass sie im Vergleich mit früheren Haltungssystemen 176 Blendl, Schweine auf Spaltenböden, S. 24.

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»hohe Anforderungen an das Können des Tierbetreuers« stellen, weil die Tiere »höchst empfindlich« auf »Haltungs- und Klimafehler« reagierten.177 »Krankheitsrisiken haben bei dem neuen System dramatisch zugenommen«, resümierten die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe für Agrarstruktur und Betriebsrationalisierung des Landwirtschaftsausschusses der ECE, der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, 1984 die Entwicklung der »Schweinestallungssysteme«.178 Vor allem die Füße und Atemwege der Tiere litten unter manchen Spaltenböden.179 Ihre Verbreitung sei nur unter der Voraussetzung, dass sich die Schweinehalterinnen und -halter zugleich »eine gewisse Technik« des Umgangs aneigneten, zu begrüßen.180 Die für landwirtschaftliche Tierhaltung nötigen Fähigkeiten verschoben sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Tier zur Technik. Die Karriere eines die gesamte Bucht durchziehenden Spaltenbodens setzte sich in der Sauen- und Ferkelhaltung fort. Einzeln gehaltene und fixierte Sauen in den Kastenständen des vorigen Kapitels standen ebenso zunehmend auf Spaltenböden wie in Ferkelkäfigen gehaltene Aufzuchtferkel. Aufgrund der kleinen Ferkelfüße war die Bodenbeschaffenheit ihrer Käfige eher ein Drahtboden in »Gitterkaros« denn ein Spaltenboden.181 Abbildung 28 zeigt derartige, 1976 auf dem Bayerischen Zentral-Landwirtschaftsfest, das alle drei Jahre parallel zum Münchner Oktoberfest und ebenfalls auf der Theresienwiese stattfand, mit schwanzkupierten Ferkeln belegte Ferkelkäfige. Sie wurden seit Mitte der 1970er Jahre zum Standard der Ferkelaufzucht in der Bundesrepublik und lösten die mehretagigen Käfigexperimente, die die frühen 1970er Jahre geprägt hatten, ab. Geruchsbelästigung und Unübersichtlichkeit hatten die Einsparung des Stallraums im Vergleich mit den nebeneinander am Boden aufgestellten Käfigen nicht wettgemacht. Was lehrt diese Durchsetzungsgeschichte des Spaltenbodens? Sämtliche Komplikationen, die seine Implementierung begleiteten, vermochten nicht, die Gravitation der Produktivitätssteigerung zu bändigen. Alle relevanten Akteure waren sich einig, dass eine Erfindung, die die Stallarbeit angenehmer und die Erzeugung von Schweinefleisch zugleich günstiger machte, erstrebenswert war. Der Spaltenboden im Schweinestall steht sinnbildlich für die unerschütterliche Anziehungskraft der Produktivitätssteigerung landwirtschaftlicher Tierhaltung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Komplikationen vermochten in keinem der beiden deutschen Staaten, die Schweinehaltung vom für sie vorgesehenen Entwicklungspfad abzubringen.

177 O. A., Pluspunkte für Ganzspaltenböden. 178 Bakker, S. 195. 179 Ebd. 180 O. A., Pluspunkte für Ganzspaltenböden. 181 O. A., Jetzt kommen die Ferkel in den Käfig, S. 14; Betz, Frühentwöhnte Ferkel auf Gitterboden.

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Abb. 28: »HALTUNG DER FERKEL IN ›BODENKÄFIGEN‹ – eine neue Variante, um Ferkel aufzustallen. Bodenkäfige kommen arbeitswirtschaftlichen und hygienischen Gesichtspunkten sehr entgegen.«

3.2.2 Schweinefütterung: Rieseln und fließen statt schaufeln und schieben Mechanisierung und Automatisierung der zweiten Hauptarbeit im Schweinestall, des Fütterns, verweisen ebenso eindrücklich auf die Produktivitätssteigerung als Glaubenssatz hinter der Technisierung landwirtschaftlicher Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es scheint, als hätten die deutschen Schweinehalterinnen und -halter in den 1960er Jahren Besuch von den kalten grauen Herren der Zeit-Spar-Kasse bekommen, die Michael Ende in seinem weltweit bekannten Kinder- und Erwachsenenbuch »Momo« 1973 geschaffen hatte.182 Je mehr Zeit man jeden Tag durch Beschleunigung und Optimierung seiner Arbeitsprozesse sparte, so rechneten die grauen Herren in betrügerischer Manier vor, desto mehr Zeit hätte man angeblich später. In Wahrheit verbrauchten die grauen Herren die Zeit, die sie ihren Klienten abpressten, selbst. Nun war die Zeitersparnis im Schweinestall kein Betrug. Arbeitssparende Techniken ermöglichten Bestandsvergrößerungen und die wiederum schlugen sich in erhöhter Produktivität nieder. Höhere Renditen waren das hinter den technischen Veränderungen landwirtschaftlicher Tierhaltung stehende Motiv 182 Ende.

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in der Bundesrepublik, mehr Schweinefleisch günstiger zu erzeugen, das entsprechende Motiv in der DDR. Die Zeitersparnis war kein Selbstzweck. Doch ebenso wie Momos Freunde, die mit den grauen Herren Verträge abgeschlossen hatten, um Zeit für die Zukunft zu sparen und seither nichts mehr davon hatten, war die Zeitersparnis im Schweinestall erstens auf zukünftige Erlöse ausgerichtet und zweitens unersättlich. Der »Übergang zum Flüssigmistverfahren« hatte die »arbeitsmäßig größte Belastung« im Schweinestall abgeschafft.183 Seine Folge war jedoch nicht, dass schweinehaltende Menschen die gesparte Arbeitszeit als Freizeit verbrachten. Sie begannen stattdessen, so viele Schweine zu halten, wie ihre Arbeitszeit von Neuem ausfüllten. Als Folge rückte jene Tätigkeit ins Visier der Zeitersparnis, die nun für den größten Arbeitsaufwand im Stall verantwortlich war: die Fütterung der Tiere. Halb- und vollautomatisch arbeitenden Fütterungsanlagen kam gerade wegen der Automatisierung der Entmistung immer größere Bedeutung zu. Herkömmlicherweise waren die Werkzeuge des Fütterns die gleichen gewesen wie die des Mistens: eine Schaufel und ein Karren, aus dem das Futter per Hand in den Trog geschaufelt wurde;184 mitunter statt der Schaufel auch einem Eimer, wie in Abbildung 29 zu sehen ist, auf der Vera Pfund in der LPG Globig Futter in den Trog von Mastschweinen schüttete – und zwar 1989. Die Foto­ grafie, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls in der Neuen Deutschen Bauernzeitung der DDR abgedruckt war, sollte die »schwierigen Bedingungen«, unter denen die unmittelbar vor der Rente stehende Bäuerin nach vier Jahrzehnten real existierendem Sozialismus arbeitete, illustrieren.185 Die Handarbeit von Frau Pfund im Jahr 1989 macht auch für die Fütterung deutlich, dass sie sich in Ostdeutschland zwischen 1950 und 1990 weder plötzlich noch flächendeckend veränderte. Oft blieb gerade das Füttern von Schweinen schwere Handarbeit. Eine Bausubstanzerhebung ergab 1986, dass noch zwischen 47 und 64 Prozent aller schweinehaltenden Menschen »von Hand« fütterten.186 Bis zum Jahr 2000 sollten, so sahen es die ostdeutschen Schweinestallplaner 1985 vor, »die herkömmlichen Verfahren mit hohem Arbeitszeitaufwand, ungünstigen Arbeitsbedingungen und schlechter Gesamteffektivität durch rationelle fondssparende Verfahren« ersetzt werden.187 Dennoch gab es auch bei der Fütterung von Schweinen allgemeine technische Veränderungstendenzen, die ebenfalls mit den Prozessbegriffen Mechanisierung und Automatisierung beschrieben werden können. Während der 1960er Jahre erfanden Schweinehalter dreierlei Fütterungsautomaten, die nach und nach »handelsüblich« wurden.188 Den Anfang bildete seit 183 Blanken, Moderne Stallformen. 184 AID, Moderne Schweineproduktion, S. 21. 185 Berthold, S. 6. 186 Knießner, S. 10; o. A., Die Erstmechanisierung. 187 Franke u. a., S. 169. 188 Sinn, S. 14.

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Abb. 29: Schweinebäuerin Vera Pfund beim händischen Füttern in der LPG Globig 1989.

etwa 1960 ein nach unten trichterförmig zulaufender hölzerner Kasten. Futter­ automat nannten ihn die Schweinehalter, doch mit heutigen Vorstellungen eines Automaten hatte er zunächst wenig gemein. Der Automat war ein hochkantiger Quader, dessen unterster halber Meter zugleich als Futtertrog diente; ohne Elektrik, ohne weitere technische Vorrichtungen. Sein Charme war, dass das Futter nicht mehr zu jeder Futterzeit erneut herbeigeschafft werden musste. Der Futterautomat war eine Vorratshaltung. In seinem nach oben offenem Schacht lagerte Futter für mehrere Tage, das zu Fütterungszeiten durch einen händisch zu öffnenden schmalen Schlitz nach unten in den Trog rieselte. Vier Männer einer Baubrigade montierten diese Art Futterautomaten um 1960 zum Beispiel in der LPG Kremmen, westlich von Oranienburg in Brandenburg für 1.400 Schweine.189 Ähnlich der Baubrigade der LPG Kremmen waren auch in der Bundesrepublik die Schweinehalter selbst die ersten Konstrukteure von Futterautomaten. Bauern wie Josef Gail aus Unterwittelsbach waren ihre Erfinder. Gail hielt unweit des als »Sisi-Schlosses« bekannt gewordenen ehemaligen Jagdhauses von Herzog Max in Bayern 1965 etwa 180 Mastschweine.190 Die Kastenform selbst hatte Gail sich ertüftelt, um eine »genau abgemessene« Futterzuteilung zu gewähren. Diese war die Vorbedingung für »Qualitätsschweine«, die das stark nachgefragte magere Schweinefleisch und nicht das inzwischen unbeliebt ge189 SStL, DEFA-Film Behelfsställe, Neubau Schweinemaststraße aus durch Abbruch gewonnenem Baumaterial, 1960. 190 Betz, Mastschweine bedienen sich selbst, S. 28.

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wordene Fett am Körper trugen.191 An der schmalen Seite seines kastenförmigen Vorratsbehälters, der zugleich den Trog einer jeden Bucht bildete, hatte Gail zunächst eine Handkurbel angebracht. In die landwirtschaftliche Fachpresse jedoch schaffte es der Tüftler, nachdem er die Handkurbel durch eine »hydraulisch-vollautomatische Lösung« ersetzt hatte.192 Deren Hauptvorteil war nicht, dass die Muskelkraft des händischen Kurbelns, die das trockene Futter aus dem Vorratsschacht in die Trogöffnung bewegt hatte, nun wegfiel. Der Hauptvorteil, der die Fütterung im Schweinestall bahnbrechend veränderte, war die Möglichkeit, die hydraulische Öffnung des Futterautomaten mit einer Relaisschaltung zu verbinden. Elektromechanische Steuerungselemente übernahmen die Futterzuteilung. Herr Gail tüftelte weiter und versah die Relaisschaltung in einem nächsten Schritt mit einer Zeitschaltuhr. Nun brauchte er nicht einmal mehr den Schalter zu betätigen, der die Hydraulik in Bewegung setzte. Alle Schweine bekamen, wenn der Strom nicht ausfiel, ohne menschliches Zutun zur vorprogrammierten Zeit ihr Futter. Die Quellensprache ließ die Schweine Teil haben an einem Trend, der zur selben Zeit die menschliche Konsumgesellschaft erfasste: der Selbstbedienung. Vor allem in Supermärkten, aber auch an Bankautomaten und in Schnellrestaurants begannen sich die Deutschen in den 1960er Jahren selbst zu bedienen.193 Auch die Schweine bedienten sich nun selbst an ihren Futterautomaten, versprachen deren Erfinder. Eine ungekannte Flexibilität erfasste die Arbeit im Schweinestall. Bisher waren regelmäßige Fütterungszeiten unverhandelbar gewesen. Nun aber determinierten die Bedürfnisse der Tiere den Arbeitsrhythmus der im Stall arbeitenden Menschen nicht länger. Das Bayerische Landwirtschaftliche Wochen­blatt frohlockte: »Es ist schon eine Pfundssache! Während der Betriebsleiter irgendeine Arbeit im Hof verrichtet oder auch draußen auf dem Feld (oder manchmal auch noch im Bett liegt): Die Schweine bekommen ihr Futter, den Stall betritt er nur mehr zur Kontrolle […] oder zum Auffüllen der Vorratsbehälter.«194 191 Witt, Vom Fettschwein, S. 95; ders., Zuchtzielfragen; UFA-Wochenschau 330/1962, 23.11.1962, https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/584520?q=Schwein&xm=AND&xf ​[0]=​_ fulltext&xo[0]=CONTAINS&xv[0 (abgerufen am 8.3.2019). 192 Betz, Mastschweine bedienen sich selbst, S. 28. 193 Die Selbstbedienung bei Lebensmitteln setzte sich in der Bundesrepublik in den 1960er Jahren und anschließend »mit gewisser Verzögerung« auch in der DDR durch, weil zunächst verpackungstechnisches Wissen zur Praxisreife gebracht werden musste, siehe Spiekermann, S. 663. In der wissenschaftlichen Diskussion war die Selbstbedienung im Supermarkt bereits seit Mitte der 1950er Jahre institutionalisiert, siehe die seit 1956 erscheinende Zeitschrift selbstbedienung und supermarkt der 1951 gegründeten Rationalisierungsgemeinschaft des Handels und des 1957 gegründeten Instituts für Selbstbedienung in Köln, darin z. B. o. A., Die Selbstbedienung in den Bundesländern. Für einen ausführlichen transatlantischen Vergleich der Durchsetzung von Selbstbedienung im Lebensmitteleinzelhandel siehe Langer, Revolution, S. 91–272; außerdem Ralph Jessen u. dies.; dies., How West German Retailers sowie Logemann; Dardemann; zuletzt: Palm. 194 Betz, Mastschweine bedienen sich selbst, S. 28.

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Dreimal täglich ließ Josef Gail seine Maschine die Schweine füttern und er überlegte sogar, auf vier Fütterungseinheiten pro Tag heraufzugehen, damit »bei den Tieren noch weniger Hungergefühl« aufkäme und ihre Mastleistung noch besser würde. Die Automatisierung der Fütterung ließ neuartige Spielräume entstehen. Eine zusätzliche Mahlzeit der Schweine war mit keinem Mehraufwand mehr verbunden. »[N]ur die Schaltung wäre entsprechend umzustellen.«195 Gail tourte mit »selbstaufgenommenen Dias« als Berater durch die regionalen Schweineställe und bot Interessierten die Möglichkeit seinen Hof zu besichtigen. Weil sich die Verhältnisse der Schweineställe in den 1960er Jahren von Hof zu Hof stark unterschieden, bot die »Industrie« zunächst keine breit anwendbaren Futterautomaten an.196 Die Bauern selbst konstruierten und erfanden verschiedene, jeweils für ihre Ställe passende, Vorrichtungen. Ein »fortschrittlicher Hof […] nicht weit von München« sparte sich die Fütterungsarbeit auf eine andere Art und Weise, jedoch mit gleichem Effekt. Die Tröge der Schweine waren unverändert geblieben, doch fuhr statt Mensch mit Karre und Schaufel seit Mitte der 1960er Jahre eine »vollautomatische Fütterungsmaschine« den Futtergang entlang.197 Ebenfalls ohne menschliches Zutun versorgte sie 500 Schweine. Ein Elektromotor trieb den Wagen an und an jeder Bucht war ein Schaltgerät eingebaut, das die jeweils erwünschte Futtermenge einstellte, indem es einen Hebel an Gleitbahnen und damit die Auslauföffnung des Futterwagens steuerte.198 Schließlich der dritte Futterautomat der 1960er Jahre: die Bodenfütterung. Im Unterschied zu den beiden bisherigen Beispielen verzichtete diese Automati­ sierungslösung auf den Futtertrog. 1966 berichtete die ostdeutsche Neue Deut­ sche Bauernzeitung in der Rubrik »Wissenschaftlich-Technischer Fortschritt« über einen neuen »Stall für die Schweinemast […] ohne Trog«.199 Ihre Redakteure hatten sich einen solchen »auf einer westdeutschen Landwirtschaftsausstellung« angesehen, was auf anhaltenden deutsch-deutschen Austausch auch nach dem Mauerbau verweist.200 Statt eines Futtertrogs warf ein über den einzelnen Buchten hängender Futterautomat dreimal, viermal, fünfmal täglich zur Fütterungszeit Futter im obersten Drittel der Bucht ab.201 Voraussetzung 195 Ebd., S. 26. 196 Kniely, S. 12. 197 Ebd. 198 Ebd. 199 R. H.  200 Ebd. West- und ostdeutsche Landwirtschaftsausstellungen waren Austragungsorte der Systemkonkurrenz. Auf ihnen wurde mit Blick auf das Geschehen im jeweils anderen Deutschland die Speerspitze landtechnischer Innovation ausgestellt, weshalb die Ausstellungen gerade auch für Agrarexperten des jeweils anderen Staates von Interesse waren, siehe Schultze. 201 Blendl, Mastschweine am Boden gefüttert, S. 12; so zum Beispiel in einer 1972 als Beispielbetrieb vorgestellten hessischen Schweinemastanlage, in der »Vollautomatisch mit Gewichtsdosierung« viermal am Tag »auf dem Boden gefüttert« wurde »(2mal unter Aufsicht, 2mal ohne Aufsicht)«, siehe BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre  – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 100.

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für dieses System war ein Teilspaltenboden, sodass das am Boden abgeworfene Futter nicht auf Spalten und Exkrementen landete. Gesteuert waren die Futterautomaten ebenfalls über »Zeituhren« und beschickt wurden sie automatisch per Schneckenförderer und Rohre aus einem großen Vorratsbehälter.202 Die Bodenfütterung sparte im Vergleich mit den beiden anderen Futterautomaten am meisten Platz. Der Trog entfiel und damit konnte der vormalige Futtergang von der Mindestbreite eines Schubkarrens durch einen »Kontrollgang« in der Breite eines Menschen ersetzt werden. Zudem war die Troglänge nicht länger der Faktor, der die Zahl der Schweine pro Bucht begrenzte. Ob alle Schweine gleichzeitig nebeneinander am Trog Platz fanden, war für ihr Wachstum nicht länger relevant. Bei allen drei Fütterungsautomaten verloren der Mensch und seine Arbeitskraft sukzessive ihre Position als die Größe einer Schweinehaltung begrenzende Faktoren. Nicht länger konnten so viele Schweine gehalten werden, wie täglich per menschlicher Arbeitskraft versorgt werden konnten. Zunehmend konnten so viele Schweine gehalten werden, wie es die Technik hergab. Die Kapazität der Futterautomaten begann, die Größe der in einem Stall gehaltenen Schweine­ herde zu bestimmen.203 Nicht länger war Krankheit und Arbeitsunfähigkeit der Menschen im Stall das Schreckgespenst der Schweinehaltung, sondern Defekte und Störungen der Stalltechnik. Aus diesem Grund veränderten sich die Akteure im Stall. Ein eindimensionales Bild des Bedeutungsrückgangs des Menschen in der Schweinehaltung trifft nicht zu. Neue Akteure begannen routinemäßig zum Stallpersonal zu gehören, wie »Schlosser Hans-Peter Rubbel«, der »beinahe täglich« in den Ställen des VEB Schweinemast Rostock-Rövershagen zu finden war, damit »die Ergebnisse der Mäster nicht durch technische Pannen geschmälert werden«.204 Anfang der 1970er Jahre waren Futterautomaten in den westdeutschen Schweineställen zwar keine Seltenheit mehr und in der DDR hatte die »Trockenfütterung mit entsprechenden Automatisierungseinrichtungen« vor allem 202 Ebd. 203 Sinn, S. 14. Für diesen Prozess war der zunehmende Zukauf von Futtermitteln ebenso verantwortlich. Nicht nur die menschliche Arbeitskraft verlor ihre Position als die Größe einer Schweinehaltung bestimmender Faktor, ebenso geschah es den vormals unabdingbaren Anbauflächen für wirtschaftseigenes Futter. Sie wurden zunehmend durch zugekauftes, fertiggemischtes und nährstoffoptimiertes ersetzt, siehe z. B. DLG-Archiv Frankfurt, Fachverband der Futtermittelindustrie e. V., Tabelle Mischfutterverbrauch je Tier und Jahr anlässlich der Dortmunder Veredlungs-Show 1973: 1955 27,7 kg und 1972 123,4 kg; BArch Koblenz, B 116/23045, Broschüre – Hessische Landwirtschaft auf neuen Wegen, Kap. Veredelungswirtschaft, Oktober 1972, S. 99. Der Zukauf von Schweinefutter war nicht länger die politisch gesetzte Demarkationslinie zwischen gewünschter bäuerlicher und gewerblicher Landwirtschaft, siehe z. B. BArch Koblenz, B 116/17293, Dr. Preiss an Reinhard Pett, Betr.: Staatliche Starthilfe für die Errichtung eines gewerblichen Schweinemastbetriebs, 4.2.1963. 204 Grund, Initiativen für den Trog, S.17.

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in spezialisierten staatlichen Großbetrieben Einzug gehalten.205 Aber nicht alle Automaten funktionierten zuverlässig. Es haperte vor allem an der Dosierung. »Automaten[,] die das Futter genau zuteilen« und bei denen das auch längerfristig funktioniert, waren noch zu teuer als dass sie es 1971 bereits in die Mehrheit der westdeutschen Ställe geschafft hätten.206 Günstiger waren Automaten der ersten Generation, die das Futter beständig aus dem Vorratsspeicher nach unten in ihren Trog rieseln ließen. An ihnen konnten sich die Schweine jederzeit selbst bedienen, wodurch sie ihren Halterinnen und Haltern eine Menge Arbeitszeit sparten.207 Auch der Mehrverbrauch an Futter, der entstand, weil die Schweine kontinuierlich fressen konnten, war nicht das Hauptproblem dieser Automaten. Die Schweine spielten auf eine andere Art nicht mit. »Sie fressen zu viel und werden zu früh fett«, lamentierten Schweinehalter, die sich zunächst noch über die zusätzliche Beschleunigung der Schweinemast gefreut hatten.208 Um zehn bis zwanzig Prozent verkürzte sich die Mastdauer, wenn die Schweine nicht nur zu Fütterungszeiten, sondern wann immer sie wollten fressen konnten. Sie wuchsen schneller. Doch sie wuchsen nicht so, wie ihre Konsumentinnen und Konsumenten das um 1970 wollten. Das Institut für Tierzucht in Göttingen fand 1971 heraus, dass ihre Speckschicht um zehn bis fünfzehn Prozent dicker war als bei rationiert gefütterten Schweinen. Hinzu kam, und das war das größere Problem in einer Zeit, in der die Deutschen schon längst Schinken statt Speck essen wollten: »Die Koteletten wurden bei den Schweinen, die sich ständig sattfressen konnten, um zehn Prozent kleiner.«209 Der Fettanteil der Schweine war auch in der DDR ein Konfliktgegenstand, der die Technisierung der Fütterung beeinflusste. Da »das Fleischschwein […] das meiste Geld« bringt, wollten die LPG Schweine mit viel Fleisch und wenig Fett an den Schlachthof liefern. Zum Beispiel 1969 an den Schlachthof Döbeln, der zwischen Leipzig und Dresden lag. Die dortigen Schlachter inspizierten die Fettpolster der toten Schweine genau und entschieden dann, ob sie der LPG, die die Schweine geliefert hatte, 5,10 Mark je Kilogramm Schwein gaben oder, wenn es fetter war, nur 4,50 Mark. 1969 befanden sie, dass der »Schinkenkern« meist schon recht gut ausgebildet und auch die Rückenspeckdichte zurückgegangen war.210 Doch das Fett habe sich erstens in die Wamme, eine von Hals bis Bauch herabhängende Speckfalte, verlegt und zweitens enthielten die »Edelfleischteile«, wie der Kamm, »noch zuviel Fett«.211 Die LPG erhielten deshalb meist den kleinen Preis. Die Schweinemäster aus Haßlau, Mockau und Dahlen fanden 205 BArch Berlin, DK 1/10779, Abt. Landwirtschaftliches Bauen, Ergänzung zu den Ausführungen anläßlich der Tagung des zentralen Landwirtschaftsrates am 24.1.1964 in Jüterborg; Richter, Schweinemast Schadow, S. 538. 206 O. A., Schweine bedienen sich selbst. 207 Zur Entwicklung der Futterautomaten für Trockenfutter in der DDR siehe, Niklaus u. a. 208 O. A., Schweine bedienen sich selbst. 209 Ebd. 210 Weimar, Testschlachtung, S. 17. 211 Ebd.

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das ungerecht. Sie schoben die Verantwortung der genetischen Ausstattung der Schweine, die sie als Ferkel geliefert bekamen, zu.212 »Magerfleisch, große Koteletts und reichlich Schinken« wuchsen vor allem den Schweinen, die zusätzlich zu einer bestimmten Futterration die entsprechende genetische Ausstattung mitbrachten – und diese Schweine hätten sie noch nicht.213 1975 war die Ad-Libitum-Fütterung, wie die kontinuierliche Darreichung von Futter in Automaten hieß, in der Bundesrepublik aus genau diesem Grund stärker als bisher im Gespräch.214 Es war die Lösung des Fettproblems in Sicht: ein »Schweintyp, der nicht zur Verfettung neigt« – egal wie viel er frisst.215 Es brauchte neue Schweine, damit die präferierte Technik auch Einzug in die Ställe halten konnte, ohne neue Nebenwirkungen auszulösen. Schweinezüchter arbeiteten in den Folgejahren weiter an der genetischen Ausstattung der Schweine, damit diese trotz unbeschränkten Futterangebots und weniger Fütterungsarbeit im Stall viel Fleisch und wenig Fett ansetzten. Biotechnologie und Stalltechnik ergänzten sich gegenseitig. Die Schweine bekamen nicht nur trockenes, geschrotetes Getreide zu fressen, das zu ihnen rieselte. Schweine fraßen vieles und diese Tatsache war nicht selten der Charme ihrer Bewirtschaftung. Vor allem dann, wenn mehr Schweinefleisch erzeugt werden sollte, als Getreide oder Hackfrüchte für die Schweinemast vorhanden war, kam der Verwertung von Abfallprodukten im Schweinestall Bedeutung zu. Was Ende der 1940er Jahre akuten Futtermangel in der sowjetischen Besatzungszone lindern sollte, wurde in den 1950er Jahren eine Einrichtung, die die ostdeutsche Schweinehaltung in den folgenden Jahrzehnten prägte: die sogenannte Specki-Tonne. Eine der ersten Sammelaktionen von Küchenabfällen privater Haushalte, die in den Schweineställen ihre »Veredelung« zu Schinken erfahren sollten, fand im Oktober 1951 im Ostberliner Bezirk Pankow statt.216 Treptow folgte im Februar 1952.217 Die Specki-Tonne als zusätzliche Mülltonne etablierte sich als ein Bindeglied zwischen nicht-landwirtschaftlicher Bevölkerung und Schweinemast.218 1981 seien 32.000 Tonnen zusätzliches Schweinefleisch aus in der gesamten DDR gesammelten 961.200 Tonnen Küchenabfällen generiert worden.219 Einerlei, ob diese Zahlen stimmten: Die Sammlung von Küchenabfällen, um sie in der Schweinemast zu verfüttern, war keine isolierte Episode ostdeutscher Schweinehaltung, sondern ein Strukturmerkmal. Genossenschaften, die besonders umfangreich auf Speiseabfälle zurückgriffen, wie die LPG Langenhessen im Kreis Werdau westlich von Zwickau, wurden noch 1989 dafür gerühmt. Der Stadtwirtschaftsbetrieb Crimmitschau lieferte 2.300 Ton212 O. A., Stammt das Fett aus der Zucht. 213 Ebd. 214 Vogt, Schweinemast mit Futterautomaten, S. 275. 215 Ebd., S. 276. 216 O. A., Berliner können bei der Schweinemast helfen. 217 O. A., Küchenabfälle für Schweine. 218 Ebd.; o. A., An Specki denken. 219 L. H.

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nen Küchenabfälle nach Langenhessen, die er zuvor »nach einem festen Tourenplan, insbesondere in den Wohngebieten« eingesammelt hatte.220 Die gesammelten Küchenabfälle der Specki-Tonnen waren, speziell im Sommer, flüssig. Für sie eignete sich keiner der vorgestellten Futterautomaten.221 Weil Futtermangel ein Dauerzustand der ostdeutschen Schweinehaltung war,222 blieb die Erschließung zusätzlicher Futterreserven für die Schweinehaltung »das Thema Nummer Eins für unsere Landwirtschaft«.223 Neben Küchenabfällen mobilisierten genossenschaftliche ebenso wie die staatlichen Schweinehalterinnen und -halter »zusätzliches Futter aus der Tierkörperverarbeitung«, also Schlachtabfälle, oder »nährstoffreiche Rückstände aus den Betrieben der Lebensmittelindustrie« wie Molke oder Bierhefe.224 All diese Futtermittel hatten gemein: Sie waren nicht trocken. Prinzipiell hatte feuchtes oder flüssiges Futter sogar einen Vorteil gegenüber einer trockenen Getreidemischung: War es flüssig genug, brauchten die Schweine keine zusätzliche Tränkvorrichtungen. Sie nahmen dann all ihre Flüssigkeit durch die Fütterung auf. Doch den schweren und nicht selten extrem übelriechenden Futterbrei in die Tröge zu befördern, war keine freudvolle Tätigkeit. Gottfried Drechsel, der Vorsitzende der LPG T »Vorwärts« im Erzgebirge, mahnte auf dem XII. Bauernkongress 1982 die Notwendigkeit von Arbeitserleichterungen der »Aufbereitungs- und Fütterungstechnologie« an.225 Seine »größten Futterreserven« waren »Schäl-, Küchen- und Haushaltsabfälle«, wovon er jedes Jahr etwa 8.000 Tonnen an seine Schweine verfütterte. Die Nutzung dieser Futterstoffe sei aber »nicht gerade immer mit angenehmen Arbeitsbedingungen verbunden«.226 Die Automatisierung der Nass- und Flüssigfütterung beschäftigte Schweinehalterinnen und -halter sowie Techniker deshalb unabhängig von bereits praxisreifen Automatisierungsmöglichkeiten der Trockenfütterung. Obwohl die Weisheit der Arbeitsvereinfachung »Nichts tragen, was fließen kann!« nahelegt, dass flüssiges Futter einfacher als trockenes in Bewegung zu setzen war, erreichten Nassfutterautomaten erst etwa zehn Jahre nach ihrem Pendant für Trockenfutter die west- und ostdeutschen Schweineställe.227 220 Dietze. 221 Was auch als Nachteil der Trockenfutterautomaten herausgestellt wurde, siehe z. B. R. H., Ein neuer Stall. 222 Die politische Raison sah die Steigerung der Tierzahl und nicht die optimale Futter­ versorgung einer bestimmten Tierzahl vor. Produktivitätssteigerungen landwirtschaft­ licher Tierhaltung waren deshalb stärker als in der Bundesrepublik auf eine Erhöhung der Tierbestände denn auf die Steigerung der Leistung einzelner Tiere zurückzuführen, was zur im deutsch-deutschen Vergleich insgesamt niedrigeren Produktivität beitrug, siehe Laue, S. 185. 223 Grund, Das Thema Nummer Eins. 224 Ebd.; so zum Beispiel der VEB Schweinemast in Dierkow bei Rostock, siehe ders., Initia­ tiven für den Trog. 225 Drechsel, S. 191. 226 Ebd. 227 Zumindest fanden sich keine Praxisbeispiele für Nassfutterautomaten in den 1970ern.

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Auf dem XI. Bauernkongress der DDR im Juni 1972 in Leipzig beschwerte sich Liselotte Busse, die fünfzig Kilometer nordöstlich von Magdeburg eine »Schweinemast in großem Stil« leitete, über eine mangelnde »Pumpfähigkeit des Futters«.228 Ihre Kennzahlen waren 12.000 Mastplätze für Schweine, zwei VEG und neun LPG, die in dieser Anlage zusammenarbeiteten, fünfzehn Tierpfleger, wovon zehn Frauen waren und alle »mit Facharbeiterbrief« ausgestattet. Das Problem sei nicht nur, dass die Vertragspartner das Futter für die vielen Schweine nicht so regelmäßig lieferten, wie es vereinbart worden war. Selbst wenn das Futter pünktlich kam und zubereitet werden konnte, schafften es die vorhandenen Pumpen nicht, den Futterbrei zu allen Ställen zu befördern. Die Folge: »Wir müssen dem Futtergemisch zuviel Wasser zusetzen, damit es die Pumpen überhaupt bewältigen.«229 Dann aber sei die Nährstoffkonzentration nicht länger gleichmäßig und die Schweine wuchsen nicht so, wie sie sollten. Die Komponenten einer Anlage für die Automatisierung der Flüssigfütterung waren eine Pumpe, eine an allen Trögen entlanglaufende Ringleitung, ggf. Stichleitungen zu den einzelnen Trögen und Öffnungsventile an jeder Bucht, wie sie Abbildung 30 zeigt. Eine übliche Beschreibung der automatisierten Schweinefütterung mit Flüssig­futter 1976 in der Bundesrepublik klingt nicht nach Natur, Tier oder Landwirtschaft, sondern nach unspezifischer mechanischer Verfahrenstechnik. Kreiseltauchpumpen wurden qua ihrer Pumpenrotorumdrehung Exzenterschneckenpumpen gegenübergestellt; Reibungsverluste, Impulszählwerk, Mengenmerkscheibe und Durchflussmesser wurden eingeführt, um aus der halbautomatischen Flüssigfütterungsanlage, bei der eine Person händisch die Ventile an jeder Bucht öffnete, eine vollautomatische werden zu lassen.230 Denn nur vollautomatische Systeme, die die Schweine in elektrotechnisch gesteuerter Selbstständigkeit und vorprogrammierten Intervallen mit den richtigen Mengen fütterten, brachten die attraktive Arbeitszeitflexibilisierung in den Schweinestall.231 Ein Jahr später, 1977, berichtete Der Spiegel, dass die »bundesdeutschen Bauern […] in ihrem Automatisierungsdrang« inzwischen sogar »die heimische Industrie« überholt hätten.232 Im Schnitt müsse doppelt so viel für einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft investiert werden, wie für einen in der industriellen Produktion. Zur Illustration dieses Befundes wurde ein »Computer-Hof« in Schleswig-Holstein vorgestellt, dessen Nassfütterungsanlage die Getreideernte zusammen mit Eiweiß und Molkereirückständen vollautomatisch zu einer »bräunlichen Brühe« rühren lässt, um dieses »Fließfutter« anschließend über ein Rohrsystem zu 800 Schweinen strömen zu lassen. »Zweimal eine

228 Busse, ZBE Schweinemast Gladau, S. 166. 229 Ebd. 230 Boxenberger, S. 12. 231 Ebd. 232 O. A., Landwirtschaft. Hähne auf und zu, S. 81.

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Abb. 30: Funktionsschema einer automatisierten Flüssigfütterung im Schweinestall.

halbe Stunde am Tag« verbrachte der dortige Schweinewirt im Schnitt in seinem 280.000 DM teuren Stall.233 In den Rohrleitungen der Schweinefütterungsanlage floss nicht zwangsläufig nur Futter. Sie boten der in Großbeständen wichtiger werdenden Medikalisierung der Tiere ebenfalls eine effiziente Rationalisierungsmöglichkeit. 1978 war Tierarzt Eberhard Etzel in der ostdeutschen Neuen Deutschen Bauernzeitung abgebildet, wie er eine Flüssigkeit aus einer Flasche in einen Trichter kippte, der wiederum in eine Rohrleitung mündete.234 Die Bildbeschreibung pries die Mühelosigkeit der Verabreichung pharmazeutischer Substanzen an, »seitdem die Neuerer eine Dosiereinrichtung zur Einspeisung ins Trinkwasser gebaut haben«.235 Noch knapp zehn Jahre später standen Fütterungsautomaten für Nassfutter in der DDR für die Speerspitze technologischer Entwicklung, selbst wenn ihr Brei weiterhin per Handventil in die Tröge floss. Abbildung 31 zeigt Martina Schäpel in der ZGE Hoyerswerda, wie sie einen Hebel betätigt, um Flüssigfutter in die Tröge fließen zu lassen. Gleichzeitig konnte sie »an einer großen Anzeige an der Stallwand« ablesen, wie viel Brei bereits geflossen war.236 Das eigentlich bahnbrechende der Anlage in Hoyerswerda war die vollautomatische Futter­

233 Ebd., S. 84. 234 Grund, Zuwachs bei Ringlebener Ringelschwänzen, S. 17. 235 Ebd. 236 Fleege, Ein Automat.

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Abb. 31: Flüssigfütterungsautomat mit händischen Trogventilen.

zubereitung. »Rechnergestützt« stellte der »neue Mischer L 411 A« die Rationen je nach Tiergruppe zusammen und bezog ihre Zutaten »mit Hilfe modernster […] Steuertechnik« aus den einzelnen Vorratsbehältern. Von Tierpflegerinnen und -pflegern wie Frau Schäpel wurde der automatisch zubereitete Brei zu den entsprechenden Zeiten anschließend in die Tröge geleitet.237 Bemerkenswert an der jungen Frau Schäpel am Ventilhebel des Flüssigfütterungsautomaten ist überdies ihr Geschlecht. Im Unterschied zu westdeutschen Frauen blieben ostdeutsche Frauen während der Technisierung der Schweinehaltung präsent.238 Westfrauen verschwanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Darstellungen der Branche aus den Schweineställen. Dort wurde 237 Ebd. 238 Siehe z. B. die Protokolle der Bauernkongresse und ebenso einzelne Betriebsvorstellungen wie Grund, Initiativen für den Trog, S. 17. Die Sichtbarkeit der ostdeutschen Frauen in der

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die Schweinehaltung, je mechanisierter und automatisierter es in den Ställen zuging, desto stärker zu einer Männerangelegenheit. Das traf der Tendenz nach zu, aber nicht in der Absolutheit, wie es die landwirtschaftlichen Selbstbeschreibungen nahelegen. Selbst im hochtechnisierten »Computer-Hof«, der es 1977 in den Spiegel schaffte, half »manchmal […] die Schwiegermutter« aus, warf der damalige High-Tech-Landwirt, der im Zentrum des Artikels stand, ein.239

3.3 Grenzen der Technik: Hygiene und Stress Im Laufe der 1970er Jahre veränderte sich die Stoßrichtung der technischen Veränderungen im Schweinestall. Nicht länger kreisten die Gedanken allein um Vorrichtungen und Verfahrenspraxen, die eine spezialisiertere, konzentriertere, beschleunigte und arbeitsärmere Schweinehaltung erlaubten. Die bisherigen technischen Veränderungen seit Ende der 1950er Jahre hatten das Geschehen im Stall derart rasant umgestaltet, dass neue Nebenwirkungen entstanden waren. Die Beherrschung dieser Herausforderungen stand fortan ebenso drängend auf der Tagesordnung wie die Realisierung der bekannten und weiterexistierenden Wachstumsfantasien. Auch im Schweinestall stellte sich die Lebendigkeit der Tiere der unbegrenzten linearen Produktivitätssteigerung in den Weg. Sie tat dies in dicht besetzten, spezialisierten Haltungsumständen auf zweierlei Weise, gewissermaßen physisch und psychisch. Um die beiden Aspekte geht es in diesem Kapitel. Zum einen, physisch, wurden die eng beieinander gehaltenen Tiere zu einem neuartigen gegenseitigen Infektionsrisiko. Hygiene und Desinfektion, Verfahren, die »schwarz-weiß« oder »rein-raus« hießen, prägten die Diskussion beunruhigter Schweinehalterinnen und -halter und veränderten die Arbeitsabläufe im Schweinestall. Zum anderen stressten die neuen Haltungsbedingungen die Schweine. Das Wort Stress zur Beschreibung der Nebenwirkungen von Hektik und permanenten hohen Leistungsanforderungen fand seit den 1970er Jahren Anwendung im Schweinestall.240 Nun gehörte es nicht zum Funktionsmerkmal landwirtschaftlicher Tierhaltung, sich um die psychische Befindlichkeit der zu bewirtschaftenden Tiere zu sorgen. Der viele Stress jedoch schlug sich körperlich nieder, seine körperlichen Symptome beeinträchtigten den Ertrag der Schweinewirtschaft und er rückte deshalb auf die Agenda von Schweinehalterinnen und -haltern, von Wissenschaft, Forschung und der Agrarpolitik.

praktischen Schweinehaltung darf gleichzeitig nicht darüber hinwegtäuschen, dass landwirtschaftliche Leitungspositionen je höher sie waren, desto männlicher besetzt waren. 239 O. A., Landwirtschaft. Hähne auf und zu, S. 84. 240 Zur Parallelität der gesellschaftlichen Ansprüche, die zugleich an Menschen und Tiere gestellt wurden, siehe Eitler, S. 272.

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So wenig wie Fenster und Türen inzwischen zum Lüften der neuen Ställe genügten, so wenig reichten Besen und Schrubber zum Putzen. Zunächst sollte der Hochdruckreiniger das Reinlichkeitsproblem im verdichteten Schweinestall lösen.241 Ein solches Gerät, 1975 für 3.000 bis 4.000 DM in der Bundesrepublik in Kaltwasserausführung zu haben und für etwa 7.000 DM, wenn er auch mit heißem Wasser reinigen konnte, spritze den Dreck effektiver als jede Bürste von Wänden, der Stalleinrichtung und den Tieren selbst, sollten diese beispielweise auf einer Auktion antreten. Der Tank der neuen Reinigungsmaschine konnte darüber hinaus mit »chemischen Mitteln« befüllt werden, um »Bakterien, Pilzen, Viren und Parasiten« zu Leibe zu rücken und zwar ohne dass die den Hochdruckreiniger bedienende Person damit in so nahe Berührung kam, wie es beim traditionellen Eimer mit Schrubber der Fall gewesen war.242 Ein neues Hygieneregime eroberte den Schweinestall. Krankheiten bedeuteten den Kollaps des gesamten Systems, nicht ein – ebenfalls schmerzhaftes, aber wirtschaftlich verkraftbares  – einzelnes Tier weniger. Entsprechend besessen bemühten sich Tierärztinnen und -ärzte sowie Schweinehalterinnen und -halter um möglichst ungefährliche Stallbedingungen für die vielen Tiere, während gerade deren Zahl und Dichte diese Bedingungen beständig herausforderte. Die Herde stand bei der »Massentierhaltung« im Vordergrund. So wurde die neuartige Tierkonzentration in den 1970er Jahren in landwirtschaftlichen Fachkreisen genannt, bevor die Bezeichnung durch ihre Verwendung von Gegnerinnen und Gegnern in den Augen der Branche desavouiert worden war. Ein Hersteller von Desinfektionsmitteln für die Schweinehaltung warb 1970 mit klaren Worten: »Das Problem: Massentierhaltung ist wirtschaftlicher. Und gefährlicher. Weil sie den Tieren ihre natürlichen Lebensbedingungen entzieht. Und ihrem Organismus gleichzeitig Hochleistung abfordert. Das macht empfindlich. Und begünstigt die epidemische Ausbreitung von Krankheiten, die Tiere, die auf engem Raum zusammenleben, schlagartig verseuchen können. Und die Lösung: Vorbeugen heißt Risiko vermindern. Und den Gewinn erhöhen. Vorbeugen heißt Desinfektion.«243

Regelmäßig alle Schweine aus dem Stall zu entfernen und diesen bis zur »Ent­ fernung der letzten Kotkrume« zu reinigen, galt als sicherste Lösung.244 Zu diesem Zweck wurden die Stallwände, -böden und -einrichtungen zunächst mit Wasser eingeweicht, um im zweiten Schritt mit einem geeigneten Reinigungsmittel wie Ätznatron besprüht zu werden. Erst wenn das Reinigungsmittel wiederum »mit viel Wasser nachgespült« worden war, konnte »die eigentliche Desinfektion beginnen«.245 Erst wenn der Stall also im herkömmlichen Sinne 241 Fulda, S. 1115. 242 Ebd., S. 1116. 243 Werbung in Tierärztliche Umschau 25. 1970, S. 475. 244 Paschertz, S. 12. 245 Ebd.; Betz, Wie man mit dem Borstenvieh, S. 28.

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sauber war, begann die für die Gesundheit der Tiere entscheidende Desinfektion. Wiederum wurden alle »Stallelemente« besprüht, nun mit einem Des­ infektionsmittel, und jeder Quadratzentimeter, der zu schnell trocknete, war rasch erneut zu benetzen.246 Während sich die Praktikerinnen und Praktiker vor Ort mit der Anschaffung eines Hochdruckreinigers und der Auswahl des passenden Desinfektionsmittels beschäftigten, begannen die Töne in Wissenschaft und Forschung grundsätzlich anders zu klingen. Kurt Meinhold, seit 1968 Präsident der Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig-Völkenrode, resümierte das Ergebnis einer Tagung für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft im Herbst 1973 und damit pünktlich zur ersten Ölkrise als etablierter geschichtswissenschaftlicher Zäsur für die »Grenzen des Wachstums«, mit den Worten »daß man das an sich erstrebenswerte Wachstum der Viehbestände« nicht länger nur »an dem, was technisch möglich ist, messen soll«.247 Das Wachstum an und für sich als Ziel landwirtschaftlicher Tierhaltung war nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch der Weg dorthin war steiniger geworden, weil neue Kräfte auftauchten, »die häufig begrenzende Faktoren darstellen«.248 Das Thema der sich potentiell selbst desavouierenden Massentierhaltung verlangte nach politischer Regulierung. Die aufgetretenen Hürden sollten so genommen werden, dass der Wachstumspfad nicht gefährdet wurde, schwebte der westdeutschen Agrarpolitik vor. In denselben Jahren arbeiteten die dortigen Schweineexperten deshalb an einem neuen Gesetz, der »Massentierhaltungsverordnung – Schweine«, die schließlich am 15. April 1975 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und mit Übergangsfristen für bestehende Betriebe bis 1978 in Kraft trat.249 So kontrovers wie während der Aushandlung dieser Verordnung Anfang der 1970er Jahre war die brancheninterne Debatte um die Vergrößerung der Schweinebestände und deren Nebenwirkungen bis 1990 nicht wieder. Der Vorwurf der Gegner der neuen Massenhaltung war: Diese würde schöngerechnet. Ihre wirtschaftliche Überlegenheit sei Augenwischerei. Die wirklichen Kosten der vielen Tiere auf wenig Raum blieben verdeckt. In der Bundesrepublik, aber ebenso in Dänemark und Belgien lägen »einschlägige Berichte über Leistungsminderun246 Ebd. 247 BArch Koblenz, B 116/72746, ADT-Mitteilungen 1973, H. 48, 3.12.1973; zum geschichtswissenschaftlichen Kontext siehe wegweisend Doering-Manteuffel u. Raphael; dies. u. Schlemmer; außerdem Kupper; der Titel der 1972 veröffentlichten und im Auftrag des Club of Rome angefertigten Studie »Die Grenzen des Wachstums«, die die Folgen des wirtschaftlichen Wachstums auf die natürliche Umwelt des Menschen evaluierte, wurde sprichwörtlich für die Diagnose des Strukturbruchs. Allerdings wurde sie bereits 1972 veröffentlicht und in den Jahren davor angefertigt, weshalb die Diagnose treffender nicht zu sehr mit dem Auftreten der Ölkrise 1973 verknüpft werden sollte, siehe Meadows u. a. 248 BArch Koblenz, B 116/72746, ADT-Mitteilungen 1973, H. 48, 3.12.1973. 249 Bundesgesetzblatt, ausgegeben zu Bonn am 15. April 1975, https://www.bgbl.de/xaver/ bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.pdf%27%5D#__bgbl​ __%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.pdf%27%5D__1548323283493 (abgerufen am 8.3.2019).

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gen und wirtschaftliche Schäden infolge zunehmender Krankheitsprobleme in massierten Tierhaltungen« vor.250 Sie würden die ältere tiermedizinische Weisheit, wonach es ein biologisches Gesetz sei, »daß mit steigenden Tierzahlen je Bestand die gesundheitlichen Schwierigkeiten größer werden«, nachträglich in ungekanntem Umfang validieren, jedoch ohne dass dies bisher ein Umdenken ausgelöst hätte.251 Die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Entwurfsstadium befindliche Massentierhaltungsverordnung sei ein zögerliches Herumdoktern an den Symptomen, ohne der Ursache ins Auge zu sehen. Das Schwein sei »schon allein aufgrund seiner artbedingten Gesundheitsverfassung« für die Massentierhaltung nicht geeignet und dieser »eindeutige[n] Tatsache« würde wegen »der nun fortlaufenden Technisierung […] zu wenig Beachtung geschenkt«.252 Die »Begrenzung der Bestandsgrößen« hingegen würde sämtliche Hygiene- und Desinfektionsprobleme verhindern, bevor sie entstünden.253 Doch der wirtschaftliche Charme weiteren Wachstums und das Vertrauen in technische Lösungen auch für die neu aufgetretenen Probleme waren stärker. Visionen, die die Wachstumsrichtung an sich herausforderten, wurden im Gesetzgebungsprozess nicht mehrheitsfähig. Ganz im Gegenteil: Die für Bestände ab 1.250 Tiere vorgesehenen neuen Hygieneregelungen waren den meisten konsultierten Vertretern der Schweinewirtschaft zu rigide. Zwei Entwürfe der »Verordnung zum Schutz gegen die Gefährdung durch Viehseuchen bei der Haltung großer Schweinebestände«, wie die neue Norm mit Langnamen hieß, waren im Vorfeld an die zehn Landwirtschaftsminister der Länder, den Senator für Gesundheit und Umweltschutz in Berlin, die Arbeitsgemeinschaft der im Schweinegesundheitsdienst tätigen Tierärzte, den Raiffeisen- und den Bauernverband, die Landwirtschaftskammern, den Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen sowie einzelne Wissenschaftler geschickt worden.254 So einig sich alle in den Prozess einbezogenen Akteure grundsätzlich über die qualitativ neue Gefahr von Tierseuchen in den entstandenen und zukünftig erwarteten Schweinegroßbetrieben waren, so uneinig waren sie sich, wie sie diesen begegnen wollten. Das begann bei der Tierzahl, ab der die neuen Bestimmungen gelten sollten. 1.250 hieß es im ersten Entwurf – und letztendlich auch in der Verordnung –, doch die eine Zahl als scharfe Grenze leuchtete weder jenen ein, die um aus den Regelungen folgenden »wirtschaftlichen Belastungen« der Schweinehalter besorgt waren,255 noch denjenigen, die sich stärker um die 250 Gaschler, S. 421 f. 251 Ebd., S. 421. 252 Ebd., S. 420. 253 Ebd., S. 424. 254 BArch Koblenz, B 116/72746, Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Entwurf: Verordnung zum Schutz gegen die Gefährdung durch Viehseuchen bei der Haltung großer Schweinebestände, Stand November 1972, 29.3.1973. 255 BArch Koblenz, B 116/72746, Arbeitsgemeinschaft der im Schweinegesundheitsdienst tätigen Tierärzte an Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Co-

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Gefahr der Verseuchung sorgten, die der Berliner Ansicht nach »bereits gegeben [war], wenn weniger als 1.250 Schweine in einem Betrieb gehalten werden«.256 Das Ergebnis war ein Kompromiss. Die Hygienevorschriften lasen sich wie die einer klinischen Intensivstation. Mehrere Paragrafen jedoch beinhalteten die Formulierung »[d]ie zuständige Behörde kann im Einzelfall Ausnahmen von den Absätzen […] zulassen« (§§ 3, 4, 7, 9, 14) oder sie hielten fest, dass die Regelungen »nicht für Betriebe mit geschlossenem System oder Rein-Raus-System« galten (§§ 4, 9). Damit trug die Verordnung weiter dazu bei, dass sich das »Rein-RausSystem«, das auf Englisch, und so war der Begriff nach Deutschland gekommen, »all-in / a ll-out« genannt wurde,257 weiter verbreitete. Zyklisch alle Schweine aus einer Stallabteilung zu entfernen und diese gründlich zu reinigen, wurde zur regelmäßigen Praxis in großen Schweineställen, die zunehmend so angelegt wurden, dass das »Rein-raus-Verfahren« in einzelnen, abgetrennten Abteilen angewandt werden konnte.258 Zwar sei der Stall »bei dieser Methode […] nicht bis zum ›letzten Schwanz‹ genutzt«, wie die Mitglieder der »sehr starken EG [Erzeugergemeinschaft, V. S.] Niederbayern« im Rottaler Gebiet einwandten, doch die »›radikalere‹ und ›schärfere‹ Stallreinigung und -desinfektion« brächte durch verminderte Krankheitsausfälle »30 bis 50 Gramm tägliche Mehrzunahmen pro Mastschwein« in der Massenhaltung.259 Trotz aller Einschränkungen und Ausnahmegenehmigungen markiert die Massentierhaltungsverordnung von 1975 den Beginn eines neuen Hygieneregimes im Schweinestall. Es veränderte das Verhalten der mit den Schweinen arbeitenden Menschen ebenso wie deren Blick auf das Geschehen im Stall. Stallarbeit begann fortan, bevor man den Schweinestall überhaupt betrat. Zudem änderte sich, wer den Stall überhaupt betreten durfte. Paragraf drei der neuen Verordnung schrieb vor, dass der Betrieb so »durch verschließbare Tore […] eingefriedigt« sein muss, »daß Unbefugte […] nicht hineingelangen konnten«.260 Die zur Minimierung der Seuchengefahr erlassenen Vorschriften vergrößerten die Distanz zwischen Schweinewirtschaft und der übrigen Gesellschaft. Das Betreten großer Schweineställe, die unter den Geltungsbereich der Verordnung fielen, war fortan eine aufwändige Zeremonie. Paragraf 14 regelte, dass »Personen, chem, 4.5.1973; Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes an Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Bonn, 17.5.1973, S. 2. 256 BArch Koblenz, B 116/72746, Der Senator für Gesundheit und Umweltschutz an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Berlin, 23.5.1973; Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Hannover, 18.5.1973, S. 1. 257 Ebd., S. 4. 258 Paschertz, S. 12; o. A., Ferkelerzeugung mit Rein-Raus-Verfahren, S. 799. 259 Betz, Wie man mit dem Borstenvieh, S. 27 f. 260 Bundesgesetzblatt, ausgegeben zu Bonn am 15. April 1975, https://www.bgbl.de/xaver/​ bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.p ​ df%27% 5D#__bgbl​ __%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.pdf%27%5D__1548323283493, S. 885 (abgerufen am 8.3.2019).

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die einen Betrieb betreten wollen […] desinfizierbares Schuhzeug anzuziehen und vor Verlassen des Betriebes auszuziehen« haben.261 Wurden mehr als 1.250 Schweine in einem Betrieb gehalten, durfte der Stall nur in zu den desinfizierten Schuhen zusätzlicher »Schutzkleidung« betreten werden, die ebenfalls vor Verlassen des Stalls abzulegen und »regelmäßig in kurzen Abständen zu reinigen und zu desinfizieren« war.262 Nicht nur menschliche Füße, auch die Räder aller Fahrzeuge, die die Außengrenze des Betriebs passierten, waren fortan zu desinfizieren, bevor sie in die Nähe der Schweine kamen. Zu diesem Zweck hatten die Schweinehalter »Durchfahrbecken« in die Hofanlage so zu integrieren, »daß sie nicht umfahren oder umgangen werden können«.263 »2 %ige Natronlauge« empfahl die Massentierhaltungsverordnung in die Durchfahrbecken zu geben und diese »regelmäßig in kurzen Abständen zu erneuern«.264 Beständige Reinigung und Desinfektion von Menschen, Fahrzeugen und Stalleinrichtung wurde seit Mitte der 1970er zur Standardpraxis in den großen Schweineställen der Bundesrepublik. Neue Hygienepraktiken veränderten den Umgang mit und den Blick auf die Tiere sowie das Verhältnis zwischen der Schweinewirtschaft und ihrer Umwelt. Das Augenmerk verschob sich vom aktuellen Gesundheitszustand einzelner Tiere hin zur Prävention des großen Gesamtbestandes vor einer unsichtbaren Gefahr. Die unsichtbare Gefahr der Verseuchung revolutionierte auch in der DDR die Hygieneidee eines Schweinestalls. Obwohl es dort weiterhin nach vielen Tieren auf wenig Raum, nach deren Exkrementen und nach oft unangenehmen Futter­ mitteln roch, wurde das Innere des Schweinestalls zum mit Desinfektionsschleusen geschützten reinen »Weißteil«. Seine Umgebung, das Außen, war der bedrohliche »Schwarzteil«.265 Eine Dusche mit Seife und Warmwasser trennte die beiden Zonen. Die Männer und Frauen, die im Inneren des Schweinestalls arbeiteten, legten ihre Kleidung im Vorraum der Dusche ab, betraten sie nackt, duschten und zogen auf der anderen Seite der Duschschleuse »betriebseigene Hygienekleidung« an.266 Das Duschen bevor man den Stall betritt wurde wichtiger als jenes im Anschluss an die getane Stallarbeit. Letzteres war Privatvergnügen geworden, ebenfalls empfohlen, um wieder sozialverträglich zu riechen. Ersteres jedoch war systemrelevant für die neue Art, Tiere zu halten, und deshalb obligatorisch. Die Position menschlicher Körper im Stall begann sich massiv zu verändern: statt der wertvollen physischen Arbeitskraft der Körper rückte ihre bedrohliche Oberfläche in den Fokus. 261 Ebd., S. 888. 262 Ebd. 263 Bundesgesetzblatt, ausgegeben zu Bonn am 15. April 1975, https://www.bgbl.de/xaver/ bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.pdf%27% 5D#__bgbl​ __%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl175s0885.pdf%27%5D__1548323283493, S. 885 f. (abgerufen am 8.3.2019). 264 Ebd., S. 888. 265 Mothes, Tiere am Fließband, S. 13. 266 Ebd.

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Schwarz-Weiß-Schleusen und Rein-Raus-Verfahren als neue Praktiken der Schweinehaltung erregten in der DDR etwa fünf Jahre vor der westdeutschen Debatte im Kontext der Massentierhaltungsverordnung Aufsehen. Ulrich Speitel, Satiriker, Drehbuchautor und Autor im monatlich erscheinenden Humor­magazin Eulenspiegel, schrieb 1969 eine Geschichte über die neuen Hygienepraktiken im Schweinestall. Auch wenn Speitel seinen Protagonisten, den Viehbrigadier Anton, während der Besichtigung des neuen Hygienestalls läuterte, sodass dieser am Ende der Geschichte zuhause im Bett von den neuen Ställen träumte, denen er zu Beginn noch skeptisch gegenübergestanden hatte, verhehlte die Groteske nicht, dass ausgerechnet der Schweinestall zum neuen Sinnbild für Reinlichkeit geworden war.267 Antons Entdeckungsreise begann, als »ein junger Stallmeister« der Musteranlage eines Tierzuchtinstituts, die nicht namentlich genannt wurde, zu ihm sagte:268 »Ausziehn, bitte und duschen«, worauf Anton verdutzt nachfragte, ob sie sich richtig verstanden hätten, er wolle doch in einen Schweinestall. »Ganz recht«, darauf der Stallmeister, »hier fängt er an«.269 Im nächsten Raum, nach der Duschschleuse lagen Arbeitsanzüge, weiße Kittel und Gummigaloschen, »ebenfalls weiß«, bereit. Dann ging es hinein in den Stall und Antons Läuterung setzte ein. »Warum sollte das Dreckschwein ein Dreckschwein bleiben?«, fragte er sich, wo der Mensch doch auch »die Kühe verführt« hätte, »mehr Milch zu liefern als für die Kälber nötig war«?,270 bevor er den Zweck des Unterfangens formelhaft rezitierte: »große Herden – moderne Technik – wenig Leute – billiges Fleisch«.271 Auch jenseits fiktiver Besichtigungen neuartiger Schweineställe etablierten sich in bemerkenswerter deutsch-deutscher Parallelität dieselben neuen Maßnahmen und Reglements in ostdeutschen Schweinegroßbetrieben. Die Manifestationen des »Schwarz-Weiß-Prinzips«, Desinfektionsmatten am Stalleingang (Abb. 32), unumfahrbare Desinfektionswannen für Fahrzeuge (Abb. 33), und eine »Zwangsdusche […] mindestens für Zeiten erhöhter Seuchengefahr« wurden zu Standardeinrichtungen von »industriemäßig produzierenden Großanlagen«.272 Die strikte Durchführung aller technisch möglichen Desinfektionspraktiken galt als alternativlos, weil das »völlige Ausräumen eines KIM-Betriebes […] mit mehreren 10.000 Tieren durch Schlachten des gesamten Tierstapels […] praktisch kaum durchführbar« erschien.273 Die Steigerung der Tierkonzentration war und blieb uneingeschränkte ostdeutsche Staatsräson. Die in Speitels Geschichte aufgezählte Kausalkette, »große Herden – moderne Technik – wenig Leute – billiges Fleisch«, war zu verführe­ 267 Speitel. 268 Ebd., S. 8. 269 Ebd. 270 Ebd., S. 9. 271 Ebd. 272 Seyfarth u. Günther, S. 2. 273 Ebd.

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Abb. 32 u. Abb. 33: Desinfektionsmatte am Stalleingang und Desinfektionswanne am Eingang einer »Tierproduktionsanlage«.

risch, als dass seuchenhygienische Bedenken ihr etwas anhaben konnten. Im Vorfeld der Realisierung neuer Großanlagen seien kritische Meinungen zielgerichtet ausgeschaltet worden, berichteten ostdeutsche Tiermedizinerinnen und -mediziner nach der Wende. Ihre »Bedenken gegen die Bildung erheblicher Tierkonzentrationen, vor allem in der Schweine- und Rinderproduktion« wurden ausgeschaltet, indem »Universitätseinrichtungen von diesen Prozessen in den ersten Jahren völlig ferngehalten« worden waren.274 Stattdessen waren Tatsachen geschaffen worden und Aufgabe der Tiermedizin war es fortan, das System vor seinem seuchenbedingten Kollaps zu bewahren. Bei den obligatorisch gewordenen turnusmäßigen Reinigungsaktionen kam technischem Gerät wie dem »Spritzgerät S 032/1« und Baumaterial, das »die chemische Beanspruchung ohne Schaden« vertrug, ähnlich große Bedeutung zu wie in der Bundesrepublik. Vereinzelt wurden die neuen Techniken im Stall zu einem weiteren spezialisierten Arbeitsfeld, indem in großen Kooperationsgemeinschaften »Spezialbrigaden für Reinigung und Desinfektion« gebildet wurden, die nichts anderes taten als allenthalben Schweineställe zu putzen.275 Der zweiten Herausforderung der neuen Massenhaltung, dem Stress der Tiere, war nicht durch neue Reinigungsverfahren zu begegnen. Ohne die Gesamtrichtung der Entwicklung in ostdeutschen Schweineställen damit zu verändern, traten seit Mitte der 1970er Jahre einzelne Gegenbewegungen auf. Der Grund waren neue Mängel am Produkt, verursacht durch Stress. Helleres Schweinefleisch mit »schlechtere[m] Safthaltvermögen« verkomplizierte seine Verarbeitung zu Wurst und sei, so beispielsweise Anita Nowak vom Forschungszentrum für Tierproduktion im Dummerstorf 1976, für »hohe volkswirtschaftliche Verluste« verantwortlich.276 Geduldig und pädagogisch erklärte sie den

274 Burckhardt, S. 121. 275 Seyfarth u. Günther, S. 4 f. 276 Nowak.

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Schweinehalterinnen und -haltern, warum sie anders mit ihren Tieren umzugehen hatten. Sie sollten sich »stets vor Augen halten, daß das Schwein auf Grund seiner anatomischen und physiologischen Besonderheiten stark zur Herz-Kreislaufschwäche neigt. Bei hohen Temperaturen macht sich diese Veranlagung noch schneller bemerkbar. Es gelingt dem Tier dann nicht, seine Körpertemperatur selbstständig zu normalisieren. Die Speckschicht und das geringe Schwitzvermögen erschweren dies. Schweine geraten außerdem schnell in Panik, die leicht zur Gruppenhysterie führen kann.«277

Besonders hoch seien die Verluste, wenn die Schweine transportiert wurden, von Stall zu Stall oder vom Stall zum Schlachthof. Frau Nowak mahnte Geduld an, wenn die untrainierten Schweine einige Meter selbst zurücklegen sollten, weil deren »optimale Fortbewegungsgeschwindigkeit […] unter der Schrittgeschwindigkeit des Menschen« lag.278 Herkömmlicherweise waren für diese Schweinewege »Elektrotreiber« angeschafft worden, die – so sie denn funktionierten –279 den Schweinen gewaltvoll Beine machten. Doch derartige Hilfsmittel führten wie überhaupt jeder Versuch, die Wege der Schweine zu beschleunigen, zu »Rötung, Hecheln und Hinlegen« und in der Folge zu minderwertigem Fleisch. Die Hinweise von Frau Nowak sind ein weiteres Beispiel dafür, dass die Tiere die Bedingungen ihrer Haltung umso stärker zu beeinflussen vermochten, je unmittelbarer ihr Verhalten den Endzweck des gesamten Unterfangens – den Produkterlös ihres Fleisches – beeinflusste. Frau Nowaks Mahnungen und die Verringerung von »belastende[m] Streß« gewannen im folgenden Jahrzehnt weiter an Terrain in der Diskussion um Produktivitätssteigerung in der Schweinehaltung.280 Nicht mehr allein weitere Mechanisierung und neue technische Vorrichtungen waren das Heil der Leistungssteigerung im Schweinestall, sondern auch: Entschleunigung. Zusätzlich zu der gesunkenen Fleischqualität, die sich nach der Schlachtung offenbarte, beobachteten Wissenschaftler der Karl-Marx-Universität Leipzig unter Leitung der Professoren Helmut Pfeiffer und Gerhard Schleitzer wirtschaftlich unvorteilhafte Wachstumsknicks während der Mast. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der LPG Querfurt, Werner Conrad, starteten sie »eine Versuchsreihe«, um der Ursache des Wachstumsknicks auf die Spur zu kommen.281 277 Ebd. 278 Ebd. 279 Gisela Rudolph, Obermeisterin im VEB für Mast von Schlachtvieh in Riesa beschwerte sich auf dem IX. Bauernkongress der DDR, dass sie für das Verladen ihrer Tiere funktionierende »elektrische Viehtreibstäbe« brauche. Die jetzigen »sind oft defekt«, weswegen sie und ihre Kollegen sich mit Stöcken behalfen, die aber wiederum zu Muskel- und Hautverletzungen bei den Schweinen führten und das wiederum zu deren geringem Erlös. Siehe Rudolph, S. 472. 280 Vogel, Streß entsteht. 281 Ebd.

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Das Wachstum an sich wurde auch in den ostdeutschen Schweineställen nicht vom Thron gestoßen. Doch die Orte, an denen das Potential der Wachstumssteigerung schlummerte, wurden andere. Mindestens zweimal in seinem Leben war jedes Mastschwein belastendem Stress ausgesetzt, so die Leipziger Wissenschaftler. Zum ersten Mal, wenn es als Ferkel von seiner Muttersau getrennt wurde und zum zweiten Mal, wenn die ausgewachsenen Ferkel, die Läufer, in den Maststall, wo sie ihr Lebendendgewicht erreichten, verfrachtet wurden. Jedes Mal dauerte es Tage, »bis sich die fremden Tiere aufeinander eingestellt haben«. Da seien »heftige Beißereien an der Tagesordnung« und »außerdem müssen sich die Schweine an die veränderte Umgebung, das neue Stallpersonal und an anderes Futter gewöhnen«.282 Sie schlossen empathisch: »Das alles nimmt sie ganz schön mit«.283 In ihrer Versuchsreihe verglichen sie Tiere in herkömmlicher drei-stufiger Haltung (als Ferkel mit säugender Sau, als Absatzferkel in Ferkelaufzucht und als Mastschwein) mit solchen, die sie in neuartigen Buchten für eine »Einphasenmast« gehalten hatten. Sie stellten fest, dass die Tiere, die ihre Bucht kein einziges Mal verlassen mussten und stets mit ihren Geschwistern aus demselben Wurf zusammen waren, besser gediehen. Ihre Folgerung war: »Um bei der Schweinemast mehr herauszuholen, muß man die Tiere so wenig wie möglich belastenden Situationen aussetzen.«284 Genau das wurde in den letzten Jahren der DDR in staatlichem Auftrag erprobt. »[B]elastungsreduzierte Haltungsvarianten« standen Ende der 1980er Jahre hoch in der politischen Gunst, weil sie halfen, so Leon Rehda, Hauptabteilungsleiter Tierproduktion im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, 1989, »Futter, Medikamente, Desinfektionsmittel und anderes zu sparen«.285 Es war ein auffallender Paradigmenwechsel. Aus schneller, kürzer, dichter und spezialisierter wurde langsamer, länger, geräumiger und universeller. Der Mangel hatte am Stuhlbein des bis dato vorherrschenden und in der sozialistischen Gesellschaftstheorie verwurzelten Glaubens an die Allmacht von Technologie gesägt. Rehda empfahl – auf Grundlage der Erfahrungen der LPG Grünow im Kreis Prenzlau – die Säugezeit der Ferkel auf 49 Tage zu verlängern. Er empfahl außerdem, die Ferkel auch danach noch für einige Zeit in ihrer ersten Bucht zu belassen und sie erst so spät und möglichst in der Zusammensetzung ihres Wurfes umzusetzen.286 Denn mittlerweile hatte sich gezeigt, dass »­einige Eigenarten« der »Technologien […] Konzentration und Spezialisierung im Widerspruch zu den Anforderungen der Tiere stehen«.287 Ein Grund für die anhaltend hohen Verluste auch in modernsten Anlagen sei, so klang der Paradigmenwechsel auf einer wissenschaftlichen Tagung des Forschungszentrums für 282 Ebd. 283 Ebd. 284 Ebd. 285 Rehda. 286 Ebd. 287 Benkov, S. 71.

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Tierproduktion in Dummerstorf-Rostock, der Forschungskooperation »Schweineproduktion« und der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft der DDR am 10. und 11. November 1985: »Der heutige Tierpfleger kennt Maschinen und Technik sehr gut, aber nur in geringem Maße Biologie, Umweltanforderungen und Verhalten des Schweins. Das Streben nach Verringerung der Handarbeit und die Mechanisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen trennt den Menschen während der Betreuung noch stärker vom Tier.«288

Nun brauche es eine »tiefgründige Untersuchung des Verhaltens des Schweines« und »technologische Lösungen […], die den Anforderungen der Tiere besser entsprechen«.289 Der Stress der Schweine war auch in der Bundesrepublik seit Mitte der 1970er Jahre im Gespräch. Die westdeutsche Stressdiskussion war anders gelagert als ihr ostdeutsches Pendant. Sie hatte die veränderte genetische Ausstattung der neuen Schweine, die inzwischen mageres Schweinefleisch statt dickem Speck lieferten, als Schuldige im Visier, nicht in erster Linie die mangelnde Schweinekenntnis der Menschen im Stall. Süffisant berichtete Der Spiegel 1981: »[B]ei seiner herbeigezüchteten Abmagerung erging es dem Deutschen Veredelten Landschwein wie vielen fetten Menschen bei der Hungerkur: Es verlor sein behäbiges Gemüt – die Supersauen sind hypersensibel.«290 Unter »Dauerstreß« lebten »die zartbesaiteten Dickwänste« inzwischen.291 Trotz ständiger Medikalisierung  – Kreislaufmittel, Beta-Blocker und Tranquilizer – »flippen die Mastschweine häufig aus […] und wenn jemand die Stalltür heftig schließt, fällt schon mal ein Schwein vor Schreck tot um – Herzinfarkt«.292 Heribert Blendl, DLG-Sachverständiger für Schweinehaltung, hatte zwei Jahre lang an den Ursachen der neuen Schweineschwächen geforscht. Er resümierte: »›Das moderne Fleischschwein hat durch die mangelnde Belastbarkeit erhebliche Anpassungsschwierigkeiten an die ihm zugemuteten Umweltverhältnisse‹.«293 Das moderne Schwein war empfindlich geworden und unter den Bedingungen seiner spezialisierten und konzentrierten Haltung war das besonders verhängnisvoll. Die züchterische »extreme Bevor­ zugung schinkenreicher Tiere« hatte neue wunde Punkte entstehen lassen.294 Weil inzwischen so viel Fleisch wie möglich an dadurch in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkten Tieren wuchs, waren zum einen Beinprobleme entstanden. Zum anderen, und das schlug für die einzelnen Schweinehalterinnen und -halter kostspieliger zu Buche als schwache Beine, war das ohnehin »emp288 Ebd. 289 Ebd.; siehe hierzu außerdem: Peters u. a. 290 O. A., Kümmerliches Etwas, S. 229. 291 Ebd. 292 Ebd. 293 Blendl, zit. n. ebd. 294 Schmidt, Die Züchter gehen; Betz, Hybridschweine.

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findliche Herz-Kreislaufsystem des Schweines […] noch stärker geschwächt« worden.295 Der Transport der Tiere wurde zur lebensbedrohlichen Herausforderung für die gestressten Tiere. Das war außerordentlich beunruhigend, weil die bundesdeutsche Reisewelle inzwischen auch die Schweine erfasst hatte. Inzwischen legten die Tiere in ihren Leben ein Vielfaches an motorisierten Kilometern ihrer früheren Generationen zurück, von Stall zu Stall und von Stall zum Schlachthof. Viehtransporter waren zum Bestandteil der Straßen quer durch die Republik geworden. Westdeutsche Schweinehalter bräuchten zumindest eine Transportversicherung, empfahl die Fachpresse, die zugleich vor deren von den steigenden Verlusten in die Höhe getriebenen Beiträgen warnte.296 Schweine zu transportieren, ohne dass ein Teil der Fracht während seiner Reise verstarb, war voraussetzungsvoll geworden. »Schnelles Anfahren, starkes Bremsen, stoßweises Rangieren und zu schnelles Fahren in Kurven führen zu tödlichen Angstzuständen der Tiere«; nur durch die »strikte Beachtung« dieser Regeln könne ein weiterer Anstieg der »Totalverlustraten« gestoppt werden.297 Es schien einen Zusammenhang zwischen der Stressanfälligkeit der Schweine und ihrer minderen Fleischqualität zu geben. Die besonders gestressten Tiere hatten blasses, weiches und wässeriges Fleisch, das in der Pfanne zusammenschrumpelte.298 Zudem waren nicht alle Schweine gleichermaßen gestresst von ihren neuen Haltungsbedingungen. Durch gezielte Züchtung sollten Stressresistenzen entwickelt werden, die das Fleisch der Schweine wieder saftiger und die Tiere robuster werden ließen. Die den Schweinen inzwischen »zugemuteten Umweltverhältnisse« wurden als nicht veränderbare Variablen diskutiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den staatlichen Forschungseinrichtungen, der Mastprüfungsanstalt im bayerischen Grub oder der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Niedersachsen, waren seit den späten 1970er Jahren damit beschäftigt, eine Methode zur Identifikation besonders stressanfälliger Tiere zu entwickeln, um diese von ihrer weiteren Reproduktion auszuschließen. Ein Narkosegas, Halothan, erwies sich als Mittel der Stunde. Wurden junge Schweine damit kurzzeitig betäubt, verkrampften sich bei manchen von ihnen die Muskeln, während andere entspannt blieben.299 Die Tiere mit verkrampften Muskeln wurden fortan von der Zucht ausgeschlossen und in der Tat gingen dadurch die stressbedingten Todesfälle in Schweinestall und Schweinetransporter im Laufe der 1980er Jahre zurück. Dennoch verweist auch die Episode der gestressten Schweine auf ein wiederkehrendes Prinzip der Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung. Das Bild einer geradlinigen Industrialisierung trifft allen derartigen zeitgenössischen

295 Palitzsch. 296 Ebd. 297 Ebd. 298 Siehe z. B. o. A., »Wenn sie nicht fressen«, S. 52; o. A., Kümmerliches Etwas; Schilling. 299 Kallweit.

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und retrospektiven Deutungen zum Trotz nicht zu. »Schweine […] werden längst vom Fließband produziert, wie VW-Käfer und Transistorradios«, war 1971 zu lesen, doch weder Autos noch Radios wurden durch Stress unbrauchbar, wenn der LKW, der sie geladen hatte, zu ruppig anfuhr.300 Obwohl sich einer Fabrik nicht unähnliche automatisierte und mechanisierte Verfahrenstechniken in den Ställen etablierten, blieb auch die hochtechnisierte Schweinehaltung in ihrem innersten Funktionsmerkmal von der fragilen Lebendigkeit der Tiere abhängig.

3.4 Stall im Raum Im Laufe der 1970er Jahre galt die Lüftung der Ställe und die Lagerung der Schweinefäkalien unter Schweinehalterinnen und -haltern zunehmend als technisch beherrscht. Das Geschehen im Stall lief immer öfter störungsfrei ab. Branchenextern jedoch erzeugten Gestank und Gülle von Schweinehaltungen eine neue Unruhe. Hygiene war nicht länger nur Sache im Inneren eines Schweinestalls, relevant für die dortige Verhütung von wirtschaftlichen Verlusten durch Tierseuchen, Kannibalismus oder Stresstode. Zunehmend störten sich an der konzentrierten Schweinehaltung unbeteiligte Menschen. Mitte der 1970er Jahre waren die Fronten bezogen. Die Mitteilungen der DLG titelten in ihrem ersten Heft am 9. Januar 1975: »Massentierhaltung: Ökonomisch vernünftig! Umweltfeindlich?«301 Das Titelblatt markiert die zweite Dimension des Wertewandels, den landwirtschaftliche Tierhaltung seit etwa 1970 erlebte. Neben Sorgen um die Lebensqualität der Tiere, deren pointierteste Ausprägung die Bedenken gegenüber der Geflügelkäfighaltung waren, traten seit den frühen 1970er Jahren in der Bundesrepublik und etwa zehn Jahre später in der DDR Sorgen um Luft und Boden, die nicht mehr primär die Tiere betrafen, sondern die Lebensgrundlage aller Menschen. In beiden deutschen Staaten formierte sich das Missbehagen an landwirtschaftlich bedingt schlechter Luft und in Mitleidenschaft gezogenen Böden maßgeblich im Kontext der Schweinehaltung. Die neuen Sorgen um die Auswirkungen konzentrierter Schweinehaltungen auf ihre Umwelt justierten dabei, auf ähnliche Weise wie die Sorgen um die Lebensqualität der Hühner, das Verhältnis zwischen landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Bevölkerung auf eine ambivalente Art und Weise neu. Auf der einen Seite wuchs die Distanz zwischen Schweinehalterinnen und -haltern und nicht-landwirtschaftlichen Schweinefleischesserinnen und -essern. Die Schweineställe wurden aus den Dörfern ausgelagert. Die Schweine lebten ausschließlich im Inneren dieser Ställe und die Stallanlagen waren eingezäunt und abgesperrt. Auf der anderen Seite entstanden zugleich neue Kontaktzonen. Die unattraktiven Abfallprodukte

300 O. A., »Wenn sie nicht fressen«. 301 Titelblatt Mitteilungen der DLG 1975, H. 1.

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der Schweinemassenhaltung, die ebenfalls in neuartiger Konzentration anfielen, führten zu neuem Interesse an dem Geschehen im Schweinestall. Für das neue, skeptische Interesse an der Schweinehaltung lassen sich historisch zwei Auslöser festmachen. Dieses Kapitel gliedert sich entlang der beiden Punkte. Erstens trübte die Abluft der Schweineställe die Stimmung zwischen Schweinehaltern und ihren Nachbarn. Zweitens waren die Abfallprodukte nicht nur gasförmig. Fragen der Lagerung und Ausbringung von Gülle, wie das KotHarn-Gemisch der Tierexkremente ohne beigemengtes Stroh genannt wurde, begannen Anwohnerinnen und -anwohner ebenso zu beschäftigen, wie allgemeiner um Böden und Grundwasser besorgte Bürgerinnen und -bürger. Faktisch entschärfte sich die Lage dort, wo Finanzmittel für wiederum technische Lösungen der Luftreinigung und Güllebehandlung mobilisiert werden konnten. Wo das nicht der Fall war, wie in den größten Schweinezucht- und -mastkombinaten der DDR und deren im Laufe der 1980er Jahre zunehmend begrenzten Ressourcen, führte der Unmut der Bürgerinnen und -bürger gegen Gestank und Gülle mitunter unmittelbar nach der Wende zur Schließung der Betriebe. Unbeeindruckt von den entwickelten technischen Verfahren zur Luftreinigung und Güllebehandlung gehörten Sorgen um Luft und Boden seither zum Bestandteil der Diskussion über landwirtschaftliche Tierhaltung. 3.4.1 Luft: Olfaktorische Nebenwirkungen der Schweinekonzentration Nicht nur die Schweine im Stall brauchten eine funktionierende Lüftung, damit sie die Gerüche ihrer Konzentration ertrugen. Ihre benachbarten menschlichen Bewohnerinnen und Bewohner begannen ebenfalls unter den Gerüchen zu leiden – und ihrem Ärger hörbar Luft zu machen. Damit rückte, einhundert Jahre nachdem die menschlichen Fäkalien als urbanes Geruchsproblem in Wasserklosetts und Schwemmkanalisation verschwunden waren, in manch ländlicher Region ihr tierisches Pendant in den Fokus. Wie im vorrevolutionären Paris des späten 18. Jahrhunderts, der »Hauptstadt des Gestanks«, war es,302 folgt man Alain Corbins bis heute mit großem Mehrwert zu lesender Kulturgeschichte des Geruchs, nicht allein die tatsächliche Intensität des Gestanks der deutschen Schweineställe, die verantwortlich war für die Empörung, sondern ebenso die sich wandelnden Toleranzschwellen der Wahrnehmung.303 Die »egalitäre Botschaft der Fäkalien«, weil auch in Versailles »die schlechten Gerüche […] Übelkeit« erregten und eine »Erinnerung an die Gleichheit der Menschen im Vorgang der Darmentleerung« waren, war um 1970 schon anderthalb Jahrhunderte

302 König, Schicksale der Nase, S. 587. 303 Siehe zur Geschichte städtischer Geruchsprobleme nach wie vor unübertroffen Corbin, insb. »Ein Sumpf aus Abwässern und Jauche«, S. 40–52 sowie »Eine Neudefinition des Unerträglichen. Die Senkung der Toleranzschwellen«, S. 81–87.

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passé und der Geruch von oder nach Exkrementen fungierte längst als Zeichen sozialer Unverträglichkeit.304 Mehr noch: Die Art und Weise, wie der Fäkaliengestank als Kennzeichen menschlichen Lebens zum Verschwinden gebracht worden war, dürfte mitverantwortlich dafür sein, wie untragbar der Geruch konzentrierter Schweinehaltung für an der Schweinehaltung unbeteiligte Menschen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts war. Der Fäkaliengeruch war seit Ende des 18. Jahrhunderts von oben nach unten aus der Gesellschaft verschwunden: zunächst nur aus der Oberschicht, während das Volk weiterhin mit seinen Fäkalien lebte und danach roch. Die »Elenden vom Kot befreien« war deshalb zum Motto hygienebewegter Sozialreformer des 19. Jahrhunderts geworden; der »nicht riechende […] Arbeiter« war ihr Ziel, und der Geruch seither ein Marker der sozialen Position.305 Die aus dem Schweinestall dringenden Düfte gefährdeten in diesem Sinne nicht nur das momentane Wohlbefinden der Anwohner. Roch deren auf Balkon oder Terrasse getrocknete Kleidung ebenfalls nach der Schweineansammlung nebenan, war ihre Position in der Gesellschaft durch spöttelnde Klassenkameraden ebenso bedroht wie durch den gesunkenen Wert ihrer Immobilie.306 Ende der 1960er Jahre begannen sich westdeutsche Schweinehalter besorgt zuzurufen, dass es immer öfter Unmut gebe, »wenn es stinkt«.307 Ihre Sorge war dabei jedoch vor allem, dass die Kosten der »technischen Abhilfe« gegen die anrüchig gewordene Massentierhaltung ihren Betrieb in wirtschaftliche Bedrängnis brachten.308 1968 hofften westdeutsche Schweinehalter noch, um allzu teure Investitionen herumzukommen, zumal die Vor- und Nachteile der in der Diskussion befindlichen chemischen Verfahren wie Biofilter mit Bakterien, die »Geruchsteilchen verzehren«, oder der Stallluft beigemengtes Ozon »noch so gut wie unbekannt« waren.309 Vielversprechender war es, den Abluftschacht zumindest oben am Stalldach anzubringen und die schlechte Luft nicht »unmittelbar vom Stall durch Wandöffnungen […] gegen benachbarte Wohnhäuser [zu] blasen«.310 Doch der Wind machte mit den üblen Düften im Anschluss, was ihm gefiel. Die »Ableitung in höhere Luftschichten« war »nicht gewährleistet« und vielerorts beschwerten sich nun nicht mehr nur unmittelbare Nachbarn, sondern auch diejenigen ein paar hundert Meter weiter weg.311 Der Handlungsdruck wuchs. Von Bayerisch-Schwaben bis Schleswig-Holstein rückte der Geruch der konzentrierten Schweine ins Zentrum handfester Konflikte. In Zusamaltheim, einem 700-Seelen-Dorf im Landkreis Wertingen, 304 Corbin, S. 42 u. S. 44. 305 Ebd., S. 208 f.; S. 210 zur »Disziplinierung der Defäkation«. 306 Teherani-Krönner, Beziehung, S. 366. 307 Ober, Es gibt oft Ärger. 308 Ebd. 309 Ebd. 310 Ebd. 311 Ebd.

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etwa vierzig Kilometer nordwestlich von Augsburg, bedrohte der »Duft aus dem Saustall« 1972 den Dorffrieden.312 Abbildung 34 zeigt die Akteure der Episode. Links im Bild steht Bauer Georg Deisenhofer in der Tür seines 120.000 DM teuren neuen Maststalls. Drei Schweine lugen neugierig mitheraus, während Deisenhofer im Bild mit grimmigem Gesicht und erhobener Mistgabel im Türspalt steht. Im Februar 1971 hatten er und seine Frau Anneliese den Stall für 300 Mastschweine in Betrieb genommen. Mustergültig setzten sie mit der Schaffung »großer, mechanisierungswürdiger Vieheinheiten«, Empfehlungen von Bauernverband und den »Meisterplanern in Brüssel« um, kontextualisierte die landwirtschaftliche Fachpresse das Geschehen zeitgenössisch.313 Keine zwei Monate später begannen die Scherereien, die das Dorf in Aufruhr versetzten. Aus der geöffneten Stalltür und ebenso aus den drei Stallfenstern im Bild qualmen dichte Duftwolken, die sich über die Schule und bis hinter den Zwiebelkirchturm über das Dorf ziehen. Die Wolken des Schweinegeruchs waren der Stein des Anstoßes. Sie hatten das Dorf mobilisiert. Vier Feuerwehrmänner mit Gasmasken marschieren in der Karikatur vor sieben weiteren aufgebrachten Zivilisten auf den Stall zu. Statt einer Wasserspritze schieben zwei der Feuerwehrmänner eine gigantische Sprühdose mit der Aufschrift »ANTISCHWEINEDUFT«, um die Ursache ihres Aufstandes auch zweifelsfrei klarzustellen. Zwischen Bauer Deisenhofer und der aufgebrachten Meute steht ein x-beiniger gediegener Herr im Dreiteiler mit Aktentasche und allerlei Gesetzestexten unter seinem Arm. Nicht alle Akteure des Konflikts sind treffend dargestellt. Der im Wertinger Landratsamt zuständige Staatsbeamte, Hans-Peter März, war brillenlos und eigentlich recht jung; Bauer Deisenhofen war schlank und vor allem an einer friedlichen Regelung interessiert. Doch korrekt ist, dass die aus dem Schweinestall dringenden Gerüche spätestens seit Sommer 1971, als es wärmer geworden war, die Dorfgemeinschaft gegen den neuen Stall in Stellung brachten. Eugen Dirr, Schuldirektor der Dorfschule, die samt Lehrerwohnung nur 150 Meter vom neuen Schweinestall entfernt lag und damit direkt im Kanal der Schweinegerüche, berichtete, dass »es Schulkindern über das normale Maß hinaus übel wurde«.314 Die Schulbehörde war deshalb ebenso auf den Plan gerufen worden, wie das Landratsamt Wertingen. Sie versuchten – ergebnislos – zu klären, ob die Duftwolken des Schweinestalls »ortsüblich« rochen oder nicht.315 Die Ortsüblichkeit als juristisches Kriterium trug der Gewöhnung des menschlichen Geruchssinnes Rechnung.316 Roch es im üblichem Maße nach 312 O. A., Als Betrieb mustergültig, S. 12. Der Landkreis Wertingen wurde sechs Monate nach Erscheinen des Berichts, am 1. Juli 1972 aufgelöst und im Zuge der Gebietsreform in Bayern den Landkreisen Augsburg und Dillingen an der Donau zugeschlagen. 313 Ebd. 314 Ebd. 315 Seit 1915 war in der Rechtsprechung des Geruchs maßgeblich »was die Bevölkerung des betreffenden Ortes als gewöhnlich ansieht«, Spelsberg, S. 152. 316 Ebd.

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Abb. 34: Illustration zum Dorfkonflikt um die Gerüche aus dem Schweinestall in Zusamaltheim 1972.

Schwein, war das kein Problem, denn daran hatten sich alle ortsansässigen Nasen bereits gewöhnt. Erst wenn es auch für diesen Ort in untypischer Intensität stank, konnten juristische Konsequenzen folgen. Bauer Deisenhofer setzte derweil im Raum stehende Ideen zur Geruchsvermeidung um – ebenfalls ergebnislos. Ein »chemisch-biologisches Mittel« für »ideale Stalluft« half ebenso wenig, wie die Verlängerung des Rohres, durch das die Exkremente der Schweine in die offene Dungsammelstelle flossen, sodass dies fortan unter der Oberfläche des »Kot-Harn-Gemisches« stattfand. Die Stimmung in Zusamaltheim war unruhig. Ausstehende Schweinestall-Bewilligungen blieben im Wertinger Landratsamt liegen – aus Angst, mit der Baugenehmigung den nächsten Dorffrieden zu gefährden; bei den betroffenen (zukünftigen) Schweinehaltern, wie etwa Josef Schweyer im vier Kilometer entfernten Nachbardorf Riedsend, mit für ihn wirtschaftlich unangenehmen Konsequenzen. Schweyer hatte all seine Kühe bei der Abschlachtaktion im Frühjahr 1970 schlachten lassen, um pro toter Milchkuh (und damit vermiedener Milch) 800 DM EWG-Prämie zu erhalten.317 Statt der Milchproduktion wollte Schweyer zusätzlich zu seinen schon bestehenden fünfzig Zuchtsauen 280 Mastschweine neu anschaffen.318 Doch seit August 1971 verzögerten Landratsamt und Gemeinderat den geplanten Bau, weil sie Zustände wie in Zusamaltheim fürchteten.319 Zwei Folgen zeichneten sich bei diesem frühen Konflikt um den Geruch einer Schweinehaltung bereits ab: Zum einen lag die Lösung außerhalb der Dörfer. Ein Schweinestall 150 Meter von der Grundschule entfernt war kein zukunfts317 Siehe zur Abschlachtaktion als Milchvermeidungsstrategie der EWG: BArch Koblenz, B 116/25567, Unterrichtung des Herrn Bundeskanzlers und des Kabinetts über Gesetzentwürfe und sonstige Vorhaben von politischer Bedeutung, Bonn, 2.10.1969. 318 O. A., Als Betrieb mustergültig, S. 13. 319 Ebd.

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weisendes Modell. Möglichst »weitab vom Schuß« war stattdessen die neue Devise.320 Diejenigen Schweine, die noch nicht wegen der besseren Technisierbarkeit neuer Stallbauten, für die innerhalb der Dörfer kein Platz gewesen war, in Ställe auf der freien Wiese verschwunden waren, traten den Umzug nun zunehmend auch wegen ihren so unbeliebt gewordenen Gerüchen an. Mehr Distanz zur nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung war die Folge. Zum anderen riefen Schweinehalterinnen und -halter die Wissenschaft als Heilsbringerin herbei. Neue Verfahren zur Vermeidung von ganze Dörfer überlagernden Duftwolken wie in Zusamaltheim sollten rasch gefunden werden. In Form staatlicher Forschungsprojekte, deren Ziel es war, die Emissionen aus dem Schweinestall wieder sozialverträglich riechen zu lassen, nahm die Wissenschaft diesen Ruf an. Zunächst wurden die allgemeinen Ursachen des Gestanks erforscht, die wohl auch die Grundschulkinder in Zusamaltheim hätten benennen können. 1975 etwa hatten »neue Untersuchungen« ergeben, dass »die Stärke der Stallverschmutzung verantwortlich für die Intensität der Geruchsentwicklung« gewesen sei.321 Die größeren Tierbestände »je Betrieb« waren schuld, insbesondere dann, wenn die »Vergrößerung der Tierhaltungseinheiten in engen Dorflagen« stattgefunden hatte.322 Hinzukam die Einführung von »einstreulosen Haltungsformen« im Schweinestall und die »allgemein erhöhten Ansprüche der Menschen an die hygienischen Verhältnisse«.323 Obwohl kaum mit einer tatsächlichen Gefährdung der Gesundheit der Nachbarinnen und Nachbarn durch kürzlich vergrößerte Schweinehaltungen zu rechnen war, eroberte der Schweinegeruch einen prominenten Platz auf der Agenda bundesdeutscher Agrarpolitik. Zu »erheblich« war die Geruchsbelästigung in einer Zeit, in der Fäkaliengeruch seit mehr als einem halben Jahrhundert als technisch beherrschbar galt.324 Erforscht wurde deshalb, was genau unter welchen Umständen wie stank. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Die »tierischen Exkremente im Stall« waren die »stärkste Emissionsquelle«  – soweit, so klar.325 Doch gerade jenes Verfahren, das arbeitswirtschaftlich die größten Vorteile gebracht hatte, war verantwortlich für den neuen Gestank. »Nichts tragen, was fließen kann« war die Devise der Automatisierung des Entmistens gewesen. Doch wenn die Fäkalien flossen, stanken sie umso stärker.326

320 Ebd. 321 Vogt, Haltungsverfahren für Schweine. 322 Däschner u. a., S. 520. 323 Ebd. 324 Ebd.; Jütte, S. 284–286. 325 Rüprich, S. 269. 326 Die »Stagnation der Exkremente« und ihre anschließende Bewegung stand auch im von Corbin beschriebenen Paris des ausgehenden 18. Jahrhunderts an »erster Stelle« der Gefahrenstufen; die Abbauprozesse der in Senkgruben gestauten und konzentrierten Exkremente drohten »ganz Paris in den Prozeß ihrer fauligen Auflösung« hineinzuziehen«, siehe Corbin, S. 43.

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Das früher in den Ställen verteilte Stroh hatte zwar mehr Arbeit gemacht, es hatte aber Kot und Harn der Schweine gebunden und vor schlimmerem Stinken bewahrt. Die Geruchsentwicklung sank bei diesem an sich schon weniger stinkenden Verfahren »um so stärker, je größer die verwendete Einstreumenge je Tier und Liegeplatz ist« und zusätzlich dann, wenn »täglich mehrmals ausgemistet« wurde.327 Sechs bis acht Kilogramm Stroh pro Tier und »Großvieheinheit«, eine Währung landwirtschaftliche Tierhaltung, die einem ausgewachsenen Rind und etwa sechs bis acht Mastschweinen entsprach, würden dabei gebraucht, berechneten die Geruchsforscher 1972.328 Doch es war klar: Keiner der neu- oder umgebauten Ställe mit Fließmistverfahren würde zum alten Stroh zurückkehren; die arbeitswirtschaftlichen Vorteile automatisierter Entmistung wogen zu hoch. Die Forschung konzentrierte sich deshalb darauf, eine Geruchsminderung trotz Spaltenboden und ohne neue Entmistungsarbeit zu ertüfteln.329 Vor allem galt es deshalb, jede unnötige Bewegung oder Aufwirbelung des »Kot-Harn-­ Gemisches« zu vermeiden. Während »bei ungestörter Lagerung« jedes Luftmillionstel (ppm) aus Schwefelwasserstoff bestand und zehn Luftmillionstel aus Ammoniak, stieg die Konzentration bei Um- oder Aufrühren innerhalb von sechs Minuten auf die dreißigfache Schwefelwasserstoff- und die dreifache Ammoniakkonzentration.330 Große Lagerkapazitäten waren deshalb eine Vermeidungsstrategie, sodass die Gülle insgesamt so selten wie möglich bewegt werden musste. Zwischen Kanälen und längerfristigen Sammelbehältern waren zudem »siphonartige Geruchsverschlüsse oder Gummischürzen« anzubringen, um einen »Rückstau von Faulgasen ins Stallinnere« zu verhindern und ebenso zusätzliche Schachtlüftungen, durch die jegliche aus der Sammelstelle zurückfließenden Gase »sofort abgesogen« wurden.331 Der dicht besetzte Schweinestall wurde zum Aufgabengebiet von Strömungslehre und angewandter Chemie. Welche Luftschicht bewegte sich wohin? Wie waren die Lüftungsschächte für Zu- und Abluft anzubringen, damit in der Nähe der Exkremente kein intensiver Luftaustausch stattfand?332 Die Staubpartikel der Stallluft waren als »Hauptgeruchsträger« der üblen Aromen ausgemacht worden, weshalb Entstaubungsanlagen und Luftfilter verschiedener Art als zusätzlicher Weg der Geruchsneutralisierung erprobt wurden.333 Technik brachte mehr Technik hervor. Neue Verfahren wurden entwickelt, um den unerhörten Geruch, den die Schweinekonzentration hat entstehen lassen, wieder erträglich 327 Blendl u. Hilliger, S. 529 f. 328 Ebd., S. 531. 329 Und sie tut dies bis heute: Verfahren zur Geruchsoptimierung der Schweinehaltung stellen nach wie vor einen landtechnischen Forschungsgegenstand dar, siehe z. B. Hölscher. 330 Blendl u. Hilliger, S. 533. 331 Ebd., S. 532; Wolfermann u. Reutter, S. 544. 332 Wolfermann u. Reutter, S. 544. 333 Blendl, Umweltschutz und Schweineproduktion, S. 14; Wolfermann u. Reutter, S. 545–549.

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zu machen. Überwachung und Behandlung der Abluft aus dem Stall wurden die nächsten Bausteine der technisierten Schweinehaltung. Weil die Verfahren in den frühen 1970er Jahren noch nicht praxisreif zur Verfügung standen, geruchsbedingte Konflikte bei Neu- und Erweiterungsbauten von Schweineställen aber inzwischen zur Tagesordnung gehörten,334 unternahmen Landwirte und Landtechniker Exkursionen zu Vorreiterhöfen der Emissionsbehandlung.335 1972 beispielsweise organisierte die Arbeitsgemeinschaft landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern eine Fahrt zum Stidlmayrgut bei Weißkirchen nahe der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz, das dem Geruch seines Schweinestalls in technischer Eigenregie zu Leibe gerückt war. Entgegen der bisherigen Idee, die Schweineexkremente so wenig wie möglich zu bewegen, wurden diejenigen des Stidlmayrgutes per Schaufelradantrieb in ständiger Bewegung gehalten. Der permanente Sauerstoffkontakt der Gülle hinderte die bei Stillstand nach zwei bis drei Tagen entstehenden Gärungsgase, die für die übelsten Gerüche verantwortlich waren, an ihrer Entstehung. Nicht nur menschliche Nasen atmeten auf, wenn der Schweinemist seinen »›herben Duft‹« verlor: »Die Schweine fühlen sich wohler und der Kannibalismus wird weitgehend zurückgedrängt«, berichteten die oberösterreichischen Schweine­halter.336 Dasselbe System überzeugte drei Jahre später auch bei einer Reise in die Tschechoslowakei. Die »Ostblockländer, wo Einheiten mit über 1.000, 2.000 und mehr Tieren vermehrt angetroffen werden können«, hatten sich auch der Frage des Geruchs bereits in anderen Dimensionen als die westdeutschen Schweinehalter zu stellen.337 Der dreistöckige Schweinemaststall am Stadtrand der slowakischen Stadt Komarno, direkt an der Donau und der Grenze zu Ungarn gelegen, an sich überzeugte nicht, wohl aber sein »Oxidationsgraben«, wie das System der permanenten Luftumwälzung hieß.338 Die etwa 3.000 Schweine, Tausend auf jeder Etage, verursachten pro Tag so viele Fäkalien wie 9.000 Menschen. Bevor die experimentellen »Paddel­ räder, die jeweils mit einem 2,2-kW-Motor angetrieben werden«, den Abwässern des Schweinehochhauses kontinuierlich Sauerstoff zuführten, konnte man den Schweinestall »bis über 1.000« Meter gegen den Wind riechen. Nun lag die »Geruchsschwelle der Stallabluft«, allerdings gemessen bei minus einem Grad Celsius, bei 300 bis 400 Metern.339 Das Problem all dieser Maßnahmen aus Sicht der westdeutschen Schweinebäuerinnen und -bauern war: Sie kosteten Geld, das »nicht im Preis weitergege-

334 Betz, Kein Platz für Schweine. 335 Ders., Mit Baufachleuten auf Hofbeschau, S. 12. 336 Ebd. 337 Habelt, S. 283. 338 Ebd., S. 284; siehe für eine Detailbeschreibung eines Schweinemaststalls mit Oxidationsgraben Rüprich, S. 270. 339 Habelt, S. 284.

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ben werden« konnte.340 Die »durch umweltkonforme Maßnahmen verursachten zusätzlichen Kosten«, berechneten Agronomen, nachdem die Schweineställe zu stinken begonnen hatten, konnten »nicht ohne weiteres an den Verbraucher weitergegeben werden«.341 Verantwortlich dafür war einerseits die Struktur der westdeutschen Schweinewirtschaften. Noch gab es zahlreiche herkömmliche kleine Betriebe, die zwar insgesamt weniger effizient wirtschafteten als die kapitalintensiv erbauten mechanisierten größeren Betriebe. Doch deren kostendeckende Preise waren niedriger und zusätzliche Kosten zur Einschränkung von Geruchsemissionen für sie »kaum relevant«.342 Andererseits war die Informationslage der Schweinefleischkonsumentinnen und -konsumenten dafür verantwortlich. Seit den ersten Geruchsbeschwerden Ende der 1960er Jahre vermehrte sich »unzweifelhaft in breiten Bevölkerungsschichten […] Unbehagen hinsichtlich der modernen, technisierten Massentierhaltung«.343 1984 war es eine denkbare Strategie geworden, dieses Unbehagen wirtschaftlich zu nutzen und dem Verbraucher gezielt Schweine aus umweltverträglicheren Betrieben »›schmackhaft‹ zu machen, so daß er bereit ist, dafür einen höheren Preis zu zahlen«.344 Doch trotz der im »In- und Ausland« beobachtbaren »nachhaltige[n] Bereitschaft« für Produkte bestimmter Betriebe oder Regionen höhere Preise zu zahlen, entschied sich die bundesdeutsche Agrarpolitik dagegen.345 Zu sehr hätte dieser Strategiewechsel den vorgesehenen Entwicklungspfad der »preisgünstige[n] ›Durchschnittsprodukt[e]‹«, mittels derer die rationell wirtschaftenden Großbetriebe im internationalen Wettbewerb überzeugen sollten, bedroht.346 Die zahlreichen Konflikte um vergrößerte Schweinebestände und deren Gerüche verlangten dennoch nach einer Regelung. Sie kam am 15. März 1974 in Form des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, der ersten legislativen Aktion der »umweltpolitischen Wende« der 1970er Jahre in der Bundesrepublik.347 Aus der zu jeder bäuerlichen Gegend gehörenden Emission »Schweinemief« war eine »schädliche Umwelteinwirkung«, eine Immission, geworden.348 Die vierte Durchführungsverordnung des neuen Gesetzes bestimmte, dass Anlagen mit 340 Däschner u. a., S. 521. 341 Ebd., S. 525. 342 Ebd., S. 526. 343 Becker u. Isermeyer, S. 548. 344 Ebd. 345 Ebd. 346 Ebd. 347 1970 begann die sozialliberale Regierung mit einem Umweltprogramm größeren Zuschnitts, das die seit den 1950er Jahren geführten Diskussionen um Luft, Wasser und Abfall in legislative Normen überführte, siehe Wey, insb. S. 209. 348 Betz, Kein Platz für Schweine, S. 13; Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG), Bundesgesetzblatt 21.3.1974, https:// www.​bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl174027. pdf%27%5D#_ _bgbl_ _%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl174027.pdf%27%5D​ __1549192149783 (abgerufen am 8.3.2019).

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mehr als 700 Mastschweineplätzen oder 280 Sauenplätzen mit Fließmistverfahren fortan grundsätzlich genehmigungspflichtig waren und solche mit mehr als 900 Mastschweineplätzen oder 360 Sauenplätzen, wenn ihre Entmistungsmethode Stroh beinhaltete.349 Die Konflikte hielten von der neuen Regelung unbeeindruckt an, weil Schweineherden auch unterhalb dieser Größen »erhebliche Immissionen« verursachten.350 Auch nicht-genehmigungspflichtige Betriebe hatten nach dem neuen Gesetz ihre Ställe so zu betreiben, dass »schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind« (§ 22,1,1) und selbst »nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen« waren fortan »auf ein Mindestmaß« zu beschränken (§ 22,1,2). Doch was war »ein Mindestmaß« an Fäkaliengeruch aus dem Schweinestall? Die Auffassungen darüber gingen auseinander. »Die einzelnen Geruchskomponenten werden vom Menschen unterschiedlich empfunden«, erklärten Agrarexperten, wobei Schweinehalterinnen und -halter, die zusätzliche Kosten zu befürchten hatten, ihn – nicht verwunderlich – weniger unzumutbar empfanden als ihre Nachbarinnen und Nachbarn.351 Die Grenze verlief allerdings nicht trennscharf zwischen bäuerlicher und nicht-bäuerlicher Bevölkerung. Als ein im Ortskern gelegener Schweinestall 1975 von vierzig auf sechzig Sauen erweitert werden sollte, erhob ein benachbarter Landwirt Einspruch, weil er in naher Entfernung des Schweinestalls vier Wohnhäuser auf seinem Grundstück bauen wollte. Deren Wert und Vermietbarkeit wäre vom ständigen Schweinegeruch bedroht gewesen.352 Messverfahren für eine »objektive Beurteilung« jenseits der Nase als »unentbehrlichem Hilfsmittel« standen nicht zur Verfügung. Es kam deshalb zu retrospektiv humoristisch anmutenden Ortsbegehungen.353 Drei Gerichts­ termine fanden auf dem Hof eines Schweinebauern im Landkreis Schwaben statt, der sechzig Sauen hielt, noch dazu mit eingestreutem Stroh. Doch auch sein Stall lag innerorts. Ein »unmittelbarer Anlieger« störte sich so sehr an den Gerüchen der Tiere, dass er sich durch drei Instanzen klagte. Jede Instanz erschien mit mehrköpfiger Kommission vor Ort, zuletzt drei Richter, zwei Rechtsanwälte und ein Gerichtsprotokollant, um mit ihren Nasen zu prüfen, ob sie dieselben »bestialischen Gerüche« feststellten, die den Anwohner zur Klage veranlasst hatten.354 Maßgeblich war nicht allein die Zahl der Schweine. Maßgeblich war ihre Nähe zu Wohngebieten, die Methode ihrer Entmistung, ob es Sommer war oder Winter und zusätzlich die Stimmung in der Bevölkerung. Der zurückgehende Anteil an in der Landwirtschaft Tätigen veränderte die Akzeptanz für die 349 Lückemeyer, S. 417. 350 Ebd. 351 Seufert. 352 Betz, Kein Platz für Schweine, S. 13. 353 Seufert. 354 Betz, Kein Platz für Schweine, S. 13.

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Perspektive der Tierhalterinnen und -halter. Im schleswig-holsteinischen Rade bei Rendsburg, in dem 1977 neben etwa 300 Einwohnerinnen und Einwohnern bereits 3.000 Schweine lebten, begann es zu rumoren, als aus den 3.000 Schweinen 5.000 werden sollten.355 Der Bürgermeister selbst, Johann Sieh, war an den Schweineausbauplänen des Dorfes beteiligt und hatte vor, seine eigenen 510 Mastplätze um weitere 400 zu erweitern. Doch mehrere Anwohnerinnen und Anwohner, denen es bereits jetzt zu sehr nach Schweinefäkalien roch, schlossen sich zu einer Bürgerinitiative gegen den Schweineausbau zusammen, nachdem die Pläne bekannt geworden waren.356 Das Ergebnis in Rade 1977 waren vielfältige Auflagen für die Stallbauten: dichte Abdeckung aller Güllebehälter im Freien; Geruchsverschlüsse zwischen Güllebehältern und Stallraum; eine Mindestgeschwindigkeit der Luft, die den Stall verlässt von im Sommer sieben Metern pro Sekunde und im Winter drei; eine Luftrate je Tier von mindestens 76  Kubikmetern pro Stunde; Abluft ausschließlich über das Dach und zwar drei Meter über dessen First, pro Stunde außerdem insgesamt nicht mehr als 8.000 Kubikmeter Stallluft; Gülleentnahme nur auf einem befestigten Platz mit Gefälle und Wasseranschluss in unmittelbarer Nähe; äußerliche Reinigung der Güllefahrzeuge vor Verlassen der Hofstelle; Gülleausbringung nur zu Zeiten, »in denen durch Windrichtung und Witterung keine erhebliche Belästigung der angrenzenden Wohnbebauung zu erwarten« war, wobei es an »Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen« grundsätzlich unzulässig war.357 Den mobilisierten Anwohnern reichten diese Auflagen nicht. Die »erhebliche Belästigung der angrenzenden Wohnbebauung« blieb weiterhin eine streitbare Angelegenheit. Doch weitere Einwände wurden mit der Feststellung abgewiesen, dass »nach dem Regionalplan für Rade die Hauptfunktion als Agrar­funktion und nur die Nebenfunktion als Wohnfunktion vorgesehen« war und olfaktorische Abstriche deshalb hinzunehmen seien, wenn man dort wohnen möchte.358 Die Bewohnerinnen und Bewohner der thüringischen Ortschaften Quaschwitz, Knau, Schöndorf, Volkmannsdorf oder Plothen hätten sich glücklich geschätzt über derartige Auflagen. In ihrer Nachbarschaft wurde zur selben Zeit die zweitgrößte Schweinemastanlage der DDR fertiggestellt, die am 1. Mai 1978 ihren Betrieb aufnahm. 175.000 bis 180.000 Tiere, zur Höchstzeit über 200.000, wurden in der Schweinezucht- und -mastanlage (SZM) Neustadt / Orla gehalten, die als Anlage des Typs S110 mit 181.000 Plätzen projektiert worden war, und zwar ohne, dass zuvor eine Strategie gegen deren Gerüche erarbeitet worden war. Entscheidend für die Ortswahl war die nahe Autobahn Berlin-München, denn ein Großteil des thüringischen Schweinefleischs war als Devisenbringer vorgesehen.359 Die Konsequenzen waren verheerend. Abbildung 35 zeigt das 355 O. A., Der geplante Maststall. 356 Ebd., S. 738. 357 Ebd., S. 740. 358 Ebd., S. 738. 359 Schönfelder, Industrielle Tierproduktion.

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Abb. 35: Ausschnitt aus den 600 Hektar abgestorbenem Fichtenwald im Umkreis der Schweinezuchtund -mastanlage Neustadt / Orla, aufgenommen am 20. März 1990.

ehemals dichte Waldgebiet im Südosten Thüringens unweit der Schweinemastanlage. Die Stalllüftung in Weira verfügte über keine Elemente der Abluftreinigung und nicht nur Menschen vertrugen die ammoniak- und schwefelwasserstoffgesäuerte Luft schlecht. Auch die Wälder des Schleizer Oberlandes starben ab und versteppten; in zeitgenössischer DDR-Presse als »Baumart­ wechsel« euphemisiert.360 Im Frühjahr 1990 berichteten westdeutsche Medien über die im doppelten Sinne weitreichenden Nebenwirkungen der Stallabluft.361 Die Kombination von dystopischer Fäkalienluft, der man nicht auszuweichen vermochte, und sterbenden Bäumen weckte das Interesse der seit den 1980er Jahren in besonderem 360 Ders., Mit Gott gegen Gülle, S. 59. 361 O. A., Was der Mensch so alles verträgt.

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Maße um ihre Wälder besorgten Westdeutschen.362 Vor-Ort-Besucher berichteten bestürzt, so der Autor und Journalist Dirk Kurbjuweit etwa in der Zeit: »Es stinkt nach Gülle, und zwar gewaltig. Pflanzen halten das noch weniger aus als Menschen, und deshalb steht die Schweinefabrik in einer Wüstenei. […] Dort, wo nach einigen hundert Metern die Wälder beginnen, sind die ersten Baumreihen gelb und kahl. Wenn sie fallen, stehen die nächsten, noch grünen Fichten schutzlos im güllevergifteten Wind.«363

3.4.2 Boden: Das Gülle-Problem Der Geruch war nicht das einzige Problem, das die konzentrierte Schweinehaltung mit ihrer Umwelt bekam. Die Ursache des Gestanks, die Exkremente der Schweine in ihrer Materialität selbst, erregten ebenfalls die Gemüter, seit sie an einzelnen Orten in neuartigen Dimensionen anfielen. Dies war wiederum in beiden deutschen Staaten zeitlich parallel der Fall. Eine schlüssige Antwort auf die Frage, warum das kleine uckermärkische Dorf »an der Fernverkehrsstraße 109« eigentlich Haßleben heißt, hätte erst die Realisierung der Beschlüsse des IX. SED-Parteitags 1975 ergeben, schrieb die »Gruppe Massentierhaltung« des DDR-Umweltnetzwerks Arche etwas kalauernd im Januar 1990.364 Dort nämlich war der Bau des VEB Schweinezucht und -mast »Freundschaft« beschlossen worden, der 1979 in Haßleben seinen Betrieb aufnahm. Der große Schweinebetrieb, belegt mit etwa 150.000 Tieren, avancierte für die ökologische Opposition in der DDR in den 1980er Jahren zum Sinnbild der fehlgeleiteten »konzentrierten Tierproduktionsanlagen«.365 Die Tiere produzierten nicht nur Fleisch, sondern pro Tag auch 2.000 bis 3.000 Kubikmeter Kot und Harn. Die viele Gülle war der Grund, dass der Betrieb seinem Namen, »Freundschaft«, immer weniger gerecht wurde. Die Bodenqualität der »begüllten Flächen« verschlechterte sich ebenso wie die Wasserqualität der Haßleben umgebenden, vormals angenehmen Seen. »Das Gülle-Problem« wurde auch in der DDR zum »zentralen Problem der Intensivviehhaltung überhaupt«, weil sich gesellschaftlicher Widerstand gegenüber dem Abfallprodukt verdichteter Schweinehaltung und den Betrieben, die dafür verantwortlich waren, formierte.366 Eine zusätzliche Pointe der vielen Schweine in Haßleben, die zugleich auf gegenwärtige Kämpfe um konzentrierte Tierhaltung verweist, ist der Fortgang ihrer Geschichte nach der Wende. 1991 war die Anlage stillgelegt worden. Zwölf 362 Siehe zum zeitgenössischen Diskurs z. B., Bosch; Grill; Niesslein u. Arndt; Schütt. Siehe zur Historisierung der bundesdeutschen Diskussion des Waldsterbens: Brüggemeier, Totgesagte leben länger; Detten, Der Wald stirbt!?; ders., Umweltpolitik; Metzger u. a. 363 Kurbjuweit. 364 Gruppe Massentierhaltung Arche Templin. 365 Weist. 366 Böckmann u. Mose, S. 59.

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Jahre später, 2003, kaufte der niederländische Investor Harry van Gennip den Betrieb, um ihn erneut mit quiekendem Leben zu füllen. Sogleich formierte sich, nun unter dem Namen »Kontra Industrieschwein Haßleben«, neuer Widerstand. Die Gegner sahen die wiederhergestellte Wasserqualität des Kuhzer Sees in Gefahr, fürchteten zudem Lärm, Gestank und die vielen LKWs, die täglich Futter brächten, Gülle transportierten und Schweinefleisch mitnähmen, und lehnten die vorgesehenen Haltungsbedingungen der Tiere ab. Nach jahrelanger Auseinandersetzung samt angezündeter Plakate,367 bewilligte das Landesumweltamt im Juni 2013 den Stallbau. Daraufhin zog die Bürgerinitiative »Kontra Industrieschwein Haßleben« vor Gericht und bekam vier Jahre später, im Oktober 2017, unter großer Medienbeachtung Recht vom Verwaltungsgericht Potsdam, das den Bau wegen Planungsfehlern untersagte.368 Die mit Euphorie geplante und realisierte Technik der 1970er Jahre war Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre aufgrund ihrer Umweltwirkung inakzeptabel geworden. Um die Jahrtausendwende dominierte erneut ihre wirtschaftliche Attraktivität, die weitere 15 Jahre später wiederum zivilgesellschaftlich ausgebremst wurde. Die Konjunkturen des Konflikts in Haßleben verweisen auf die tieferliegenden Lagen des seit den 1970er Jahren als Begleiterscheinung konzentrierter Schweinehaltung entstandenen Gülleproblems. Gerade die wirtschaftlichsten Schweinezucht- und -mastbetriebe verursachten die meiste Gülle und damit umweltbedingten Groll. Ebenso wie der Geruch wurde die Gülle zum Widersacher verdichteter Schweinehaltung, während sie zugleich einen Bedeutungswandel durchlief. Gülle wurde vom kostbaren Pflanzendünger zum umweltpolitischen Skandalon. Zivilgesellschaftliche Gruppierungen spielten bei diesem Prozess in beiden deutschen Staaten eine entscheidende Rolle. Während die bundesdeutsche Debatte um die Umweltverträglichkeit konzentrierter Tierhaltung seit den 1970er Jahren kontinuierlich an Terrain in der Öffentlichkeit gewann, wurden landwirtschaftlich bedingte Umweltschäden der ostdeutschen Öffentlichkeit zur selben Zeit systematisch vorenthalten.369 Die güllebedingte Beeinträchtigung von Boden und Wasser im Umkreis der großen Schweineanlagen spitzte sich daraufhin weiter zu und erwies sich seit Mitte der 1980er Jahre als umso wirkungsvollerer Katalysator der politischen Krise. Gülle und die Sorge um den Boden gehören mit der Sorge um die Qualität der Luft zur zweiten Dimension der sich neu konfigurierenden moralischen Einbettung landwirtschaftlicher Tierhaltung. Die Exkremente der Schweine entfalteten dabei die größere politische Sprengkraft. Die Sorgen um die Lebensqualität der Käfighühner hatten Teile der bundesdeutschen Bevölkerung eben367 O. A., Schweinemastanlage in Haßleben. 368 Blankennagel, Fehlerhafte Planung; Nehls; Blankennagel, DDR Schweinestall; o. A., Schweine­mastanlage in Haßleben, Tierschutzbund. 369 Politbüromitglied Günter Mittag blockierte jede öffentliche Thematisierung von Umweltkonsequenzen, siehe Kuntsche, S. 143.

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falls mobilisiert, doch unter Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern galten sie als »eher emotionale Argumente«, während »die Belastung von Natur und Umwelt« durch Gülle im Laufe der 1980er Jahre zu »objektiven Problemen« heranwuchsen.370 Gülle war das entscheidende Moment der Politisierung der Schweinehaltung. »Das Grauen hat seine Macht«, schrieb Corbin. Die Geschichte der Geruchswahrnehmung sei eine »von Kämpfen gezeichnete«.371 In Form von Schweinegülle eignen sich Fäkalien auch im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts als Mittel zur Erforschung sozialer Spannungen. Als »übelriechender Unrat« bedrohten sie die »gesellschaftliche Ordnung«: in der Bundesrepublik abgefedert durch den demokratisch funktionierenden Prozess gesellschaftlichen Protests, in der DDR mangels desselben im Jahr 1989 als tatsächliche Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung.372 Technikhistorisch ist bemerkenswert, dass jene Techniken, die für die Gülle­konzentration ursächlich verantwortlich waren, nicht in Verruf gerieten. Stattdessen bestand unter Schweinehalterinnen und -haltern, unter Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie unter Agrarpolitikern und -politikerinnen ein Vertrauen in technische Problemlösungen unbeeindruckt fort. Der Grundgedanke technischer Machbarkeit in der Schweinehaltung nahm durch die ökologischen Probleme keinen Schaden. Das verweist ein weiteres Mal darauf, dass landwirtschaftliche Tierhaltung stets in erster Linie eine Wirtschaftsangelegenheit war. Eine Abkehr von lohnenden Praktiken, wie der automatisierten und mechanisierten Schweinehaltung in Großbeständen, war ungeachtet ihrer Nebenwirkungen in anderen Währungen als der Ökonomie des Stalls, nicht vorgesehen. Sektorale und regionale Konzentration nannten Agrargeografinnen und -geografen den Prozess, bei dem in »immer enger begrenzte[n] Agrarwirt­ schaftsräumen […] immer größere Anteile von bestimmten agrarischen Produkten in einer immer kleineren Zahl von Betrieben« erzeugt wurden.373 Zur stärksten Konzentration der Schweinehaltung der Bundesrepublik kam es nach 1950 in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg im südlichen Oldenburger Münsterland, was der Gegend den unschmeichelhaften Beinamen »Schweinegürtel« bescherte. Den numerisch größten Sprung machten die dortigen Schweine, deren Zahl bereits seit 1950 kontinuierlich zugenommen hatte, zwischen 1970 und Mitte der 1980er Jahre, als sie sich von 832.011 auf 1.644.205 verdoppelten und sich damit immer weiter vom bundesrepublikanischen Durchschnitt entfernten.374 370 Böckmann u. Mose, Agrarische Intensivgebiete, S. 33. 371 Corbin, S. 13. 372 Ebd. 373 Böckmann u. Mose, Agrarische Intensivgebiete, S. 33; Mose, Zwischen Agrarindustrie, S. 228 f. 374 Ebd., S. 225. Als Faktoren des »ausgesprochenen Booms« gelten: die steigende Nachfrage nach Schweinefleisch, unbegrenzte Importmöglichkeiten für Futtermittel, die »konsequente Nutzung agrartechnischer Neuerungen« und enge Kooperationsbeziehungen mit der Tierhaltung vor- und nachgelagerten Unternehmen, siehe Mose, Umweltprobleme, S. 5; außerdem Windhorst, Die Struktur, S. 623.

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Zunächst, bis etwa Ende der 1960er Jahre, waren die Fäkalien der vielen Schweine praktisch kein Problem. Zahlreiche kleine Landwirte freuten sich über den kostenlosen Dünger, den sie neuerdings von den großen Schweinehaltern in ihrer Nachbarschaft angeboten bekamen. Er ließ Ersprießliches aus ihren »minderwertigen Sandböden« wachsen.375 Bisher war die Menge des verfügbaren Stallmists der begrenzende Faktor gewesen, weil die Böden nur »unter hohem Düngereinsatz ertragreich« waren.376 Dieser Zusammenhang verkehrte sich in sein Gegenteil. Nun waren, dank der »kostenlosen Bereitstellung des hochwertigen Düngers« aus dem Schweinestall, zunehmend gerade jene Pflanzen, die viel organischen Dünger nicht Übel nahmen, Mais und Gerste etwa, interessant.377 Doch die symbiotische Beziehung kippte. Der Brennstoff der Schweine­ haltung, das Futter, konnte weiter unbegrenzt eingeführt werden und der Ausbau von Schweinemastanlagen blieb ein lohnendes Geschäft. Doch die Aufnahmekapazität der Böden rings um die Betriebe war endlich; irgendwann lehnte auch der letzte Nachbar weiteren kostenlosen Dünger dankend ab. Anfang der 1980er Jahre lag der Selbstversorgungsgrad an Futtermitteln des Landkreises Vechta bei nur noch gut zehn Prozent.378 Die restlichen neunzig Prozent kamen aus den USA, aus Brasilien und aus Südostasien.379 Der Trend setzte sich fort, sodass 1989 »kaum noch ein Zusammenhang zwischen Betriebsfläche und Tierbestand erkennbar« war.380 Der herkömmliche Stoffkreislauf von Boden, Pflanze und Tier, dessen Bedingung der gemeinsame Ort gewesen war, war in verschiedene Teile der Welt verteilt worden. Die Gülle konnte nicht länger dorthin zurückgeführt werden, wo die Pflanzen wuchsen, die die Schweine nährten. Stattdessen wurde sie dort ausgebracht, wo die vielen Schweine lebten, jedoch wenig Land zur Verfügung stand. Seit »spätestens Mitte der siebziger Jahre« fielen in Südoldenburg »derartig hohe[r] Mengen von Flüssigmist« an, dass »eine Entsorgung dieses ›Rohstoffs‹ ohne schwerwiegende Belastungen der Umwelt nicht mehr möglich« war.381 Der Gülleanfall wurde zu groß, als dass ihn »güllefreundliche« Pflanzen, allen voran der Mais, weiterhin kompensieren konnten. Die Exkremente der Tiere galten seit Anfang der 1970er Jahre deshalb zunehmend als Bedrohung und nicht länger als kostbarer Dünger.382 In den Jahren 1983 und 1984 erreichte der güllebedinge Unmut um Vechta und Cloppenburg seinen Höhepunkt. Bisher war der »große Anfall von tierischen Exkrementen […] vielfach unkontrolliert« ausgebracht worden.383 Die dadurch entstandene »ernsthafte Gefährdung von Boden 375 Mose, Umweltprobleme, S. 6. 376 Ebd., S. 3. 377 Windhorst, Die Struktur, S. 635. 378 Ders., Die Landwirtschaft, S. 29. 379 Ebd. 380 Mose, Umweltprobleme, S. 8. 381 Ebd., S. 12. 382 Tietjen u. Vetter, insb. S. 654; Strauch; Oberbacher u. a. 383 Mose, Zwischen Agrarindustrie, S. 238.

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und Grundwasser« mobilisierte sowohl eine kritische Öffentlichkeit als auch neue staatliche Gülleregeln. Der niedersächsische »Gülleerlass« vom 13. April 1983 ging über bestehende Gülleverordnungen, die auf die Unvereinbarkeit des Gestanks mit Freizeit und Feiertagen gezielt hatten, hinaus und verbot das Ausbringen von Gülle aus Umweltgründen von Oktober bis Februar.384 Doch die Frage der Gülleentsorgung war bereits als landwirtschaftliche Umweltfrage schlechthin etabliert385 und der Erlass änderte nichts an der faktischen »Landknappheit« im Umkreis der Schweinebetriebe neuen Maßstabs, sodass auch in den Folgejahren »immer wieder Verstöße gegen die Ausbringungsvorschriften aufgedeckt« wurden.386 Am Donnerstagabend, den 8. März 1984 lief in der ARD der Radio-Bremen-Dokumentarfilm »Und ewig stinken die Felder« von Nina Kleinschmidt und Wolf-Michael Eimler, der einem großen Publikum zeigte, wie »Zigtausende von Schweinen […] die südoldenburgische Landwirtschaft in eine riesige Latrine verwandelt« haben.387 Die vielen Schweine, die die viele Gülle verursachten, wurden nicht zur Verantwortung gezogen. Der Bezugsrahmen der Frage der Gülleentsorgung blieb technisch-organisatorisch, obwohl gerade technisch-organisatorische Entwicklungen der Schweinhaltung das Gülleproblem haben entstehen lassen. Der ursächliche Wirkungszusammenhang trat hinter Überlegungen technischer Gülleaufarbeitung und organisatorischer Gülleverteilung zurück.388 Chemisch verantwortlich für die gesellschaftliche Unruhe war der Stickstoff in der Gülle, der im Boden zu Nitrat oxidierte. Nitrat bewegte sich gut wasserlöslich im Boden und gelangte zum einen in Seen, wo es unerwünschtes Pflanzenwachstum anregte, und zum anderen ins Grundwasser. Von dort aus war es nicht mehr weit zu den Wasserhähnen in Privathaushalten. Ein zu hoher Nitratgehalt im Trinkwasser schließlich war eine handfeste Gesundheitsgefahr. Ähnlich der Tuberkuloseerreger in der Milch der 1950er Jahre waren Säuglinge am stärksten bedroht. In deren Körper wurde aus Nitrat rasch das den Sauerstofftransport im Blut behindernde Nitrit. Familien mit Kindern unter sechs Monaten erhielten in den Dörfern im Umkreis der ostdeutschen Schweinezucht- und -mastanlage Neustadt an der Orla deshalb kostenloses Trinkwasser zugeteilt, das im Volksmund »Babywasser« genannt wurde.389 384 Teherani-Krönner, Beziehung, S. 366; ders., Human- und kulturökologische Ansätze, S. 314. 385 Mose, Umweltprobleme, S. 21; Duensing. 386 Mose, Umweltprobleme, S. 21; zum »Vollzugsdefizit« der westdeutschen Umweltgesetzgebung in den 1970er Jahren siehe Wey, S. 214–220. 387 Im Folgejahr wurde der Film mit einem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet, Dpa; o. A., Diese Woche im Fernsehen. 388 Mose, Umweltprobleme, S. 21–24. 389 Im Blutkreislauf von Erwachsenen besteht die Gefahr einer zu hohen Nitratbelastung vor allem in der Bildung krebserregender Nitrosamine, siehe o. A., Was der Mensch so alles verträgt; https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umwelt​ belastungen-der-landwirtschaft/stickstoff#textpart-1 (abgerufen am 8.3.2019); https:// www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/umwelt/nitrat-im-grundwasser-was-hatdie-landwirtschaft-damit-zu-tun/ (abgerufen am 8.3.2019); Fleischman, S. 80.

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Trotz gratis Babywasser und Seen, die nicht länger zum Schwimmen taugten, blieben die Schweineexkremente aus landwirtschaftlicher Sicht durchweg eine ambivalente Angelegenheit und wurden zu keiner rundum problematischen Sache. Auch als das Gülleproblem im Umkreis großer Schweinemastanlagen bereits nicht mehr zu übersehen war, blieb Gülle in der DDR ein begehrter Mangelrohstoff. Wegen der »zunehmende[n] Verknappung von Rohstoffen für mineralischen Dünger«, die Mitte der 1980er Jahre auf dem Weltmarkt immer teurer wurden und damit außerhalb des Devisenbudgets der DDR lagen, sahen Agrarwissenschaftlerinnen und Agrarwissenschaftler das Heil in einer stärkeren Verwendung tierischer Gülle als organischem Dünger.390 Die 1985 anfallenden insgesamt 16 Millionen Kubikmeter Schweinegülle waren »in vollem Umfange der Stoffzirkulation im Reproduktionsprozeß der Agrarproduktion zuzuführen«.391 Doch das geschah nicht. Es mangelte an Logistik, Lager- und Transportkapazitäten.392 Schweinegülle war ein ostdeutsches Organisationsproblem. Weder ihre Lagerung, noch ihre Verteilung funktionierte wie vorgesehen. Sie landete nicht dort, wo sie hilfreicher Pflanzendünger gewesen wäre, sondern bereits im Jahr 1980 zu »30 bis 50 Prozent […] nicht oder nicht zielgerichtet in der Pflanzenproduktion […], sondern auf ›Hochlastflächen‹ bzw. auf Unland«.393 1989 waren trotz einer Verdoppelung des Deponierraumes für eine durchschnittliche Güllespeicherung von sechzig Tagen (statt vormaliger dreißig Tage) 7,1 Millionen Kubikmeter Gülle übrig, für die es »überhaupt keine Speichermöglichkeiten gab«.394 Wurde diese »Überflußmenge« nicht abgeholt und anderswo ausgebracht, floss sie sofort auf die Felder oder wurde in Gruben »notverkippt«.395 Die haarsträubenden Entsorgungsprobleme blieben der ostdeutschen Agrar- und Umweltforschung nicht verborgen. Eine »Extremsituation« herrschte bezüglich der Gülle vor, »wie sie kaum in einem anderen Land erreicht wird«, befanden die Forscher der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften.396 Das zu ihr gehörende Institut für Düngungsforschung Leipzig entwickelte seit 1972 damals in Europa einmalige »EDV-Düngungsempfehlungen«, die mineralische und organische Düngung verbanden. In der Schweinemastanlage Nordhausen im Harz forschten Güllewissenschaftlerinnen und -wissenschaftler »zur mikrobiologischen Gülleaufbereitung als Verfahren zur Bewirtschaftung großer Schweinemastanlagen mit unzureichenden Gülleeinsatzflächen«.397

390 Hälke u. a., S. 227; Völkel. 391 Koriath, S. 241. 392 Ebd., S. 244. 393 Vorlage der Interdisziplinären Arbeitsgruppe zu den Erfordernissen des Schutzes von Boden, Wasser und Luft für die Beratung des Präsidiums der Landwirtschaftsakademie zur langfristigen Konzeption des Umweltschutzes am 23.4.1980, siehe Kuntsche, S. 143. 394 Buck, S. 435. 395 Ebd. 396 Kuntsche, S. 143. 397 Beer; Albert; Kuntsche, S. 119 f.

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In der Praxis vermochten die neu erforschten Verfahren nicht, dem »massierten Gülleanfall in überdimensionierten Großanlagen« Herr zu werden.398 Mangelnde Klär-, Lager- und Transporttechnik prägte die Güllesituation großer Schweinebetriebe und machte die dortige Dosis der anfallenden Schweinegülle zum Gift.399 Der Gülleanfall des SZM Neustadt / Orla entsprach einer Großstadt wie Leipzig, doch ohne entsprechende Klärvorrichtungen.400 Drei Stufen sah die dortige Aufbereitung der Gülle vor, um sie anschließend auf Felder regnen und in die Saale fließen zu lassen: An Tag eins setzten sich im großen Sammelbehälter Feststoffe ab; an Tag zwei und drei wurde die verbliebene Flüssiggülle mit Luft versetzt und der Bioschlamm wiederum abgeschöpft; anschließend wurde die verbliebene Gülle in acht Teichen bei Plothen – das ironischerweise wegen seiner großen Teichanlagen »Land der tausend Teiche« genannt wurde und als Naherholungsgebiet gegolten hatte – für 365 Tage gelagert.401 Das immer noch ordentlich nach Ammoniak riechende »Wasser« dieser Teiche wurde dann über festinstallierte Verregnungsanlagen in Bucha, Tausa, Plothen, Schöndorf und Volkmannsdorf verregnet und über Bäche in die Saale eingeleitet. Das Problem: Das Teichsystem genügte nicht, »um die umweltrelevanten Pro­blemstoffe fachgerecht zu entsorgen«.402 Formaljuristisch waren »Bodenschutz« und »Naturund Landschaftspflege« sowohl Gegenstand von Gesetzen, als auch fortwährender Versprechungen von Staatsführung und Volkskammer.403 Doch in der Realität tolerierten zuständige Behörden die Überschreitungen von Grenzwerten und vertuschten deren Konsequenzen.404 Was die Kloakenentleerung in Corbins Paris des ausgehenden 18. Jahrhunderts gewesen war, war die Ausbringung der Schweinegülle im Umfeld der großen Schweinezucht- und -mastanlagen in den 1980er Jahren: Für Betroffene ein »unzumutbarer Skandal«, gegen den sie sich zur Wehr setzten.405 Am »3. Weihnachtstag 1986« traf sich erstmals eine Gruppe persönlich betroffener Bürgerinnen und Bürger bei Reinhard Weidner, einem evangelischen Pfarrer, der seit Mitte der 1970er Jahre in Dittersdorf, gute zehn Kilometer von 398 Kuntsche, S. 120 399 Thomas Fleischman weist der Güllekrise der DDR-Landwirtschaft einen zentralen Platz in seiner Analyse der ostdeutschen Landwirtschaft zu, weil die unzureichende Gülleentsorgung den Einfluss der »living creatures of agriculture, specifically pigs, pathogens, and microorganisms« deutlich mache und damit zeige, wie sich gerade natürliche Kräfte allen naturentfremdenden Plänen trotzend erneut Geltung verschafften, siehe Fleischman, insb. Kap. II: »Mossy Giants & Blue Babies. Industrial Livestock and the Manure Pollution Epidemic«, S. 77–130. 400 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 20. 401 Walter, Heimatfreunde Neustadt. 402 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 22. 403 Beginnend mit Art. 15 der DDR Verfassung, der die Verantwortung des Staates für den Schutz der Natur festschrieb; Buck, S. 427. 404 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 22 f.; Buck, S. 430 f. 405 Corbin, S. 83.

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der SZM Neustadt / Orla entfernt, lebte.406 Zusammen mit seiner Frau Sybille und seinem Pfarrerkollegen Peter Taeger aus Knau wurde er seit dem Winter 1986/87, als Gülle – trotz Verbot – auf Schnee und gefrorenen Boden ausgebracht wurde »und munter in Brunnen, Bäche und in die Saale« lief, zum Zentrum der ökologischen Opposition gegen die SZM Neustadt / Orla.407 Das Gefühl »ausgerechnet in Schweinedreck zu ertrinken«, sei verantwortlich für die »Stinkwut«, mit der Anwohnerinnen und Anwohner gegen die Anlage vorgingen, meinte Kurbjuweit im Frühjahr 1990.408 Ebenso war es die Tatsache, dass ihre Nachfragen und Eingaben unberücksichtigt geblieben waren oder sie offensichtlich unzutreffende Antworten erhalten hatten.409 Mit der Schöpfungsverantwortung als theologischem Unterbau formierte sich unter dem Dach der evangelischen Kirche zunächst auf innerkirchlichen Umwelttagen und Umweltgottesdiensten Widerstand.410 Spätestens zur Zeit der 10-Jahr-Feier des SZM 1988 wurde aus der innerkirchlichen Umweltgruppe eine auch außerkirchlich auftretende politische Opposition, die daran arbeitete, das staatliche Informationsmonopol zu durchbrechen. Die Nebenwirkungen der thüringischen Schweinegülle und der lokale Widerstand gegen sie schafften es im August 1988 in die Umweltblätter, die bedeutendste monatlich erscheinende Samisdat-Publikation Ostdeutschlands, und im November desselben Jahres außerdem in den westdeutschen Stern.411 Weil die Güllelager weiterhin ungehindert überliefen und die Verregnungsanlagen mehr Gülle verregneten als die Felder aufnehmen konnten, setzte sich im Jahr 1989 eine Spirale aus Radikalisierung der Umweltopposition und ihrer staatlichen Repression in Gang. Zentrum der Auseinandersetzung war der Kampf um die Öffentlichkeit. Mitte Februar erschien die erste eigene Publikation der ostthüringer Güllegegner, Leidplanke genannt, in der sie die Leiden von Menschen und Tieren, das Sterben der Vegetation und das Versagen der Verantwortlichen thematisierten.412 Pfarrer Weidner hielt Lichtbildvorträge zur Güllesituation um die SZM auf überregionalen Umwelttreffen. Zur selben Zeit eröffnete das MfS den Operativen Vorgang »Drohne«, der das Ehepaar Weidner und die Aktivitäten der gesamten Umweltgruppe ins Visier nahm.413 Beide Seiten verbuchten Erfolge: Familie Weidner stellte aufgrund der staatlichen Repression einen Ausrei406 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 31 u. S. 39. 407 Ebd., S. 41; von Priestern angeführter ökologischer Widerstand gegen Gülle war Ende der 1980er Jahre ein transnationales Phänomen. In der niederländischen Gemeinde Ysselsteyn, in der 1988 eine gute Million Federvieh, etwa 188.000 Schweine und 2.400 Menschen lebten, engagierte sich der katholische Priester Herman Verbeek gegen den Gülleanfall, der dort ebenfalls für eine Verschlechterung des Waldzustands verantwortlich gemacht wurde, siehe o. A., Dicker Batzen; Mose, Umweltprobleme, S. 8. 408 Kurbjuweit. 409 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 39. 410 Ebd., S. 42–44. 411 Ebd., S. 67; Pragal. 412 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 91–94. 413 Ebd., S. 85.

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Abb. 36: Massiver Protest unmittelbar nach dem Mauerfall. Etwa 3.500 Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten am 19.11.1989 gegen die SZM Neustadt / Orla, die links im Hintergrund zu erkennen ist.

seantrag und verließ am 30. August 1989 unter tragischem Verlust von Amt und Würden die DDR; größere Kirchen- und Umweltzeitschriften berichteten im Sommer 1989 über den Zustand von Boden und Wasser im Umkreis der SZM.414 Damit legten sie den Grundstein für die Geschehnisse nach der Wende, als die durch Ausreisen geschwächte Gruppe einen »massiven Schub« erlebte, der neue Potentiale freisetzte.415 Auf der Gründungsveranstaltung der ostdeutschen Sozialdemokratie nahm Pfarrer Markus Meckel in einer Grundsatzrede zur Krise der DDR expliziten Bezug auf das Geschehen um die SZM Neustadt / Orla: »Natur und Umwelt werden durch unverantwortliche Politik und schlechtes Wirtschaften in großem Ausmaß zerstört. Wir werden zum Müllplatz des Westens. Schweinefleisch geht billig in den Westen – Gülleseen bleiben zurück (Quaschwitz, Bezirk Gera).«416

Nach dem Mauerfall löste sich die Umweltgruppe von ihren bisherigen kirchlichen Strukturen und wurde eine Bürgerinitiative, wie es sie in der Bundesrepublik seit Beginn der Geruchs- und Gülleprobleme gegeben hatte.417 Bereits 414 Ebd., S. 116 f.; https://www.mdr.de/nah_dran/nah-dran-vergebung-100.html (abgerufen am 8.3.2019). 415 Z. B. in Form des 12-minütigen Dokumentationsfilms von Jürgen Rohne »Es stinkt zum Himmel«, DEFA-Studio 1990, https://www.defa-stiftung.de/filme/filmsuche/es-stinktzum-himmel/ (abgerufen am 8.3.2019). 416 Meckel u. Gutzeit, S. 380 u. S. 392. 417 O. A., Der geplante Maststall.

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zehn Tage nach dem Mauerfall, am 19. November 1989, fand eine erste Demonstration vor der SZM statt. Etwa 3.500 Menschen versammelten sich unter dem Megafon von Peter Taeger. Ihre Transparente mit Sprüchen wie »Weg mit der Schweinerei« oder »Gülle in Hülle und Fülle NEIN DANKE« verliehen ihrem Unmut Ausdruck (Abb. 36).418 Sie hatten, nach weiteren Demonstrationen und einer Blockade der Anlage am 11. Mai 1990, Erfolg. Mit einem »Besamungsstopp« wurde die Schließung per DDR-Regierungsbeschluss am 26. September 1990 entlang des Rhythmus der Schweinekörper eingeleitet: Am 8. Februar 1991 wurden die letzten Ferkel geboren und am 29. Mai 1991 verließen die letzten Schweine die Anlage.419

3.5 Zwischenfazit: Andere Techniken im Stall, größere Ställe im Raum und neue Sorgen um Luft und Boden Dieser dritte Teil der Arbeit untersuchte die Technisierung der Schweineställe im Spannungsfeld ihrer innerlandwirtschaftlichen und außerlandwirtschaft­lichen Ursachen und Wirkungen. Gegenstand des nahen Blicks in den Stall waren die Veränderungen der dortigen Einrichtung und Arbeitsschritte. Die Technik im Stall wandelte sich in einer steten Verwobenheit mit Mensch und Tier. Die Vorstellung einer anonymen, von außen in den Schweinestall drängenden Welle der Technisierung trifft nicht zu. Die im Stall arbeitenden Menschen, aber auch Anwohnerinnen und Anwohner und die Tiere selbst gestalteten den Produktionsprozess mit. Dennoch ist die Bedeutung technischer Veränderungen als Erklärung für einen grundlegenden Umbruch im Schweinestall spätestens seit Mitte der 1960er Jahre groß. Sie waren maßgeblich sowohl für die Produktivitäts­ steigerung als auch für die kulturhistorischen Bedeutungsverschiebungen der Schweinehaltung. In zwei Kapiteln, »Technik im Stall« und »Stall im Raum«, wurde der Frage nach der Stellung von Mensch und Schwein in einem zunehmend technisierten Produktionsarrangement nachgegangen. Das umfangreichere erste Kapitel über die technischen Veränderungen im Stall offenbarte in erneuter deutsch-deutscher Konvergenz technische Trends der Stalleinrichtung und der Mechanisierung und Automatisierung, die hinter der Spezialisierung und Konzentration standen. Die Schweinehaltung wurde in verschiedene Zweige entlang des Körperstadiums der Tiere zergliedert: erstens die Haltung von Sauen zur Nachzucht neuer Ferkel, zweitens der Aufzucht der jungen Ferkel, nachdem sie von der Muttersau abgesetzt wurden, und drittens die Mast der Schweine bis zu ihrer Schlachtung. Die Spezialisierung war entscheidende Vorbedingung für die 418 Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 138 f. 419 Walter, Heimatfreunde Neustadt; Schönfelder, Mit Gott gegen Gülle, S. 154.

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technische Vereinfachung der unbeliebten Arbeit im Schweinestall. In beiden deutschen Staaten waren die Arbeitskräfte für diese Tätigkeiten schon zu Beginn der 1950er Jahre knapp geworden und dieser Trend verschärfte sich. Die Durchsetzungsgeschichte des sogenannten Kastenstands zur Fixierung gebärender und säugender Sauen verdeutlichte das Zusammenspiel von Tierverhalten, menschlicher Arbeitszeit und technischer Ausstattung. Wollte man ohne Fixierung der Muttersau möglichst viele neugeborenen Ferkel aufziehen, waren diese in ihren ersten Lebenstagen rund um die Uhr händisch alle zwei bis drei Stunden aus ihrem eigenen Nest zur Muttersau zu bringen, weil sich diese sonst auf noch tapsige Ferkel legte und diese dabei erdrückte. Anfängliche brancheninterne Gegenstimmen gegen die Fixierung der Sau verstummten um 1960. Der arbeitswirtschaftliche Vorteil überwog. Die Vorrichtung eines Kastenstandes, der seinen Zweck am besten festinstalliert und aus dauerhaften Material hergestellt erfüllte, forcierte die weitere Spezialisierung. Ein derartiger Stall war dann rentabel, wenn er ausgelastet war. Um die Abferkelplätze kontinuierlich belegt zu halten, entwickelten Schweinehalterinnen und -halter eine Symbiose aus Bau- und Biotechnologie. Sie steuerten die zyklischen Körperprozesse der Tiere – Trächtigkeit, Geburt, Säugen, erneutes Bedecken – so, dass der Stall optimal besetzt war. Der Stall selbst wurde zur Hülle. Im Inneren der Ställe entstand eine spezialisierte Einrichtung entsprechend der einzelnen Produktionsschritte der Schweinehaltung. Die deutsch-deutsche Technikkonvergenz einzelner Einrichtungen wie des Kastenstands für die Sauenhaltung war auf Landwirtschaftsausstellungen stärker gegeben als in den einzelnen Ställen, in denen der Wandel unterschiedliche Tempi hatte. Die beiden Hauptarbeiten im Schweinestall, das Füttern der Tiere und die Entsorgung ihrer Exkremente, standen in beiden Staaten im Zentrum der Mechanisierungs- und Automatisierungsbemühungen. Schweinehalter selbst traten in diesem Prozess als entscheidende Akteure hervor, indem sie sich als Konstrukteure von neuen Fütter- und Entmistungstechniken unter Beweis stellten. Der technische Wandel war auch in der DDR kein ausschließlicher top-downProzess. Die vor Ort arbeitenden Menschen zeigten Eigeninteresse, ihre Arbeit durch neue Techniken effizienter und angenehmer zu gestalten. Weniger Körperkraft aufwenden zu müssen für den Transport von Futter in den und Mist aus dem Stall war ihr Hauptanliegen. Alle Erfindungen einte, dass sie die Arbeit unabhängiger vom Menschen werden ließen. Dessen Aufgabe verschob sich vom Tier zur Technik. Statt der Fütterung der Schweine per Schaufel in den Trog war nun beispielsweise die Relaisschaltung der Futterautomatik funktionstüchtig zu halten. Die Bedeutung des Menschen als ein durch seine Arbeitskraft begrenzender Faktor der Größe einer Schweinehaltung schwand. Diese Position nahm zunehmend die angewandte Technik ein. Neue Maschinen und Vorrichtungen machten die Haltung von Schweinen zu einem zunehmend automatisierten Geschäft, das die Bestände pro Stall in zuvor unbekannte Höhen wachsen ließ. Das Bild eines qualitativen Bedeutungsrückgangs des Menschen in der Schweinehaltung trifft, im Gegensatz zum entsprechenden quantitativen Befund, dennoch 311

nicht zu. Die Zuständigkeiten veränderten sich. Technikbeherrschung durch standardmäßig vor Ort angestellte Schlosser oder Fortbildungen zum neugeschaffenen DDR-Beruf »Mechanisator« wurden Teil des Anforderungsprofils von Schweinehalterinnen und -haltern. Der technische Wandel schlug sich sprachlich nieder. Eine industrielle Rhetorik begann die Schweinehaltung nicht nur in der DDR zu kennzeichnen. »Ferkelfabrik« wurden neue große Ställe für die Aufzucht von Ferkel genannt, die früher als bisher von der Muttersau getrennt wurden; die sie betreibenden Menschen waren »Ferkelerzeuger«; die Tiere der spezialisierten Produktion waren »Produkte« des Zwischenhandels bevor sie tatsächlich zum Schinken wurden. Die Vorstellung eines Schweins war zunehmend die einer lebendigen Maschine, deren vor- und nachgelagerte Arbeitsschritte, die Lieferung von Treibstoff (Futter) und die Beseitigung ihres Abfallprodukts (Mist, Gülle), möglichst ebenfalls automatisiert abliefen. Dass die Schweine nicht nur Maschine und Produkt, sondern ungeachtet aller Automatisierung zugleich Lebewesen blieben, machte ihr Verhalten auf zweierlei Weise deutlich: Hygiene und Stress offenbarten sich als Widerstände der Schweinekonzentration innerhalb des Stalls, wiederum in großer deutsch-deutscher Parallelität. Die Körper der neuartig verdichteten Schweine wurden zum einen zum gegenseitigen Infektionsrisiko. Zum anderen hielten sie den Umweltbedingungen der Massenhaltung nicht Stand, wuchsen nicht wie intendiert oder verendeten vor ihrem Schlachttermin. Neue, aufwändige Hygiene- und Desinfektionspraktiken sollten das gegenseitige Infektionsrisiko möglichst ausschalten und veränderten die Arbeitsabläufe im Stall. Das Innere des Schweinestalls wurde zu dessen »Weißteil«, den nur betreten durfte, wer zuvor seine Stiefel desinfiziert und seine Kleidung gewechselt hatte. Das Augenmerk verschob sich vom aktuellen Gesundheitszustand einzelner Tiere zur Prävention des großen Gesamtbestandes vor einer allgegenwärtigen, unsichtbaren Gesundheitsgefahr. Bis etwa Mitte der 1970er Jahre wurde die Vermassung der Schweinehaltung unter Schweinehalterinnen und -haltern in der Bundesrepublik kontrovers diskutiert. Der Aufwand der seuchenvorbeugenden Maßnahmen war dabei ebenso Gegenstand der Kontroverse, wie die wirtschaftlichen Einbußen durch den Stress der Schweine. Der Vorschlag, die Bestandsgrößen zu beschränken, um die neuen Nebenwirkungen zu beheben, wurde 1974 noch diskutiert. Bald darauf hingegen war die Größenbeschränkung zum agrarpolitischen Tabuthema mutiert, weil sie der sowohl im europäischen Wettbewerb als auch in staatssozialistischer Agargigantomanie vorgesehenen Route widersprach. Im weiteren Verlauf der 1970er Jahre verschwanden die kritischen Stimmen innerhalb der westdeutschen landwirtschaftlichen Diskussion. Skepsis und Ablehnung großmaßstäblicher, konzentrierter Schweinehaltung wurde fortan zum Merkmal einer außerlandwirtschaftlichen Perspektive. Die stoffliche Dimension der Schweinehaltung verband die Technik im Stall mit dessen Umwelt. Diesem Verhältnis, das sich zwischen 1950 und 1990 grundlegend neu ausrichtete, war das zweite Kapitel dieses Teils gewidmet. Die 312

Schweine wanderten ins Innere größerer Ställe, die zunehmend außerhalb der Dörfer angesiedelt wurden. Für immer mehr Menschen wurden sie dadurch unsichtbar. Doch sie verschwanden nicht. Norbert Elias’ Gedanken über den Zivilisationsprozess folgend könnte man die in den Ställen unsichtbar gewordenen Schweine als Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle in einer zunehmend zivilisierten Gesellschaft deuten. Das Verschwinden der Schweine war eine Illusion, die die Nachbarinnen und Nachbarn der neuen Anlagen als erste als solche entlarvten. Der Geruch der vielen konzentrierten Schweine und ebenfalls die für den Geruch verantwortlichen Exkremente in ihrer manifesten Form erregten gesellschaftlichen Anstoß. Man sah die Schweine nicht mehr, aber man roch sie auf eine neue Art und Weise. Sorgen um Luft und Boden wurden neben den Sorgen um die Lebensqualität der Tiere, deren prominenteste Ausprägung die Ablehnung der Geflügelkäfighaltung gewesen ist, zur zweiten Dimension einer neuartigen Politisierung landwirtschaftlicher Tierhaltung in den 1970er Jahren. In beiden deutschen Staaten formierte sich das Missbehagen um landwirtschaftlich bedingte schlechte Luft und in Mitleidenschaft gezogene Böden maßgeblich im Kontext der Schweinehaltung. Gerade das Verfahren, das die größten arbeitswirtschaftlichen Vorteile gebracht hatte, war verantwortlich für die neuen Widerstände. Getreu dem Automatisierungsmotto »Nichts tragen, was fließen kann« war die Entmistung der Schweine seit Mitte der 1960er Jahre grundlegend umgestaltet worden. Statt Stroh in den Buchten, das die Exkremente band und per Schaufel und Karre aus dem Stall entfernt wurde, flossen die Fäkalien der Schweine inzwischen selbstständig ab. Ohne Stroh jedoch bildeten sich Fäulnisgase neuer Quantität und Qualität. Die Exkremente der Schweine entfalteten politische Sprengkraft. Die Belastung von Natur und Umwelt galt, durch naturwissenschaftlich messbare erhöhte Nitratwerte im Grundwasser und ebenso sichtbar abgestorbene Bäume, anders als die Lebensqualität der Hühner im vorigen Teil, auch unter Agrarwissenschaftlerinnen und Agrarwissenschaftlern als objektives Problem. Der übelriechende Unrat bedrohte in den 1980er Jahren im Umkreis großer Schweinebetriebe die gesellschaftliche Ordnung. Während das güllebedingte zivilgesellschaftliche Missbehagen in der Bundesrepublik durch demokratische Mechanismen in ein entsprechendes politisches Nachjustieren, wie den Niedersächsischen Gülleerlass im Jahr 1983, mündete, katalysierte es in der DDR mangels derartiger Wirkungsschleifen die gesellschaftliche Unzufriedenheit Ende der 1980er Jahre. Beide deutsche Staaten teilten die Art und Weise, wie sie den Beeinträchtigungen von Luft und Boden begegneten. Sie forschten an technischen Lösungen der Luftreinigung und Güllebehandlung. Die Techniken, die die Schweineverdichtung ermöglicht hatten und deshalb ursächlich für die neuen Probleme verantwortlich waren, gerieten nicht in Verruf. Unter Schweinehalterinnen und -haltern, unter Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie unter Agrarpolitikerinnen und -politikern bestand ein Vertrauen in technische Problemlösungen fort. Der Grundgedanke technischer Machbarkeit in 313

der Schweinehaltung nahm durch die ökologischen Probleme keinen Schaden. Unvorhergesehene Probleme, wie ein gesellschaftlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr akzeptierter Fäkaliengeruch der konzentrierten Schweinehaltung, wurden technisch so adaptiert, dass sie erneut sozialverträglich waren. Die Technisierung als dritte Dimension der Revolution im Stall wurde konstitutiv für den Systemerhalt landwirtschaftlicher Tierhaltung.

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Fazit: Der Domestizierung dritter Streich und die Agrarrevolution des Tiers

Die Ausgangsfrage dieser Arbeit war, warum landwirtschaftlich genutzte Tiere produktiv wie nie wurden, als zugleich immer weniger Menschen mit ihnen arbeiteten. Der Blick auf die Praktiken der Rinder-, Hühner- und Schweinehaltung und damit der drei wichtigsten Sparten landwirtschaftlicher Tierhaltung in West- und Ostdeutschland hielt die Antwort dafür bereit. Neue körperliche, wirtschaftliche und technische Prozesse im Stall führten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in beiden deutschen Staaten zu einem radikalen Wandel der Haltung landwirtschaftlicher Tiere. Der Stall war der Ort dieser Geschichte. Häufiger als bisher wurden die Tiere ausschließlich dort gehalten. Die ganzjährige Stallhaltung war das Fundament des Wandels landwirtschaftlicher Tierhaltung zwischen 1945 und 1990. Nach dem Wohnstallhaus der neolithischen Revolution und der Einführung der Stallhaltung im 18. Jahrhundert, bei der sich die Tiere wann immer möglich im Freien aufhielten, um sich ihr Futter selbst zu suchen, kann die ganzjährige Stallhaltung als dritter Streich der Domestizierung gelten. Die Bedeutung des Geschehens in den Rinder-, Hühner- und Schweineställen und seiner gesellschaftlichen Folgen geht jedoch über eine Weiterentwicklung in den bisherigen Bahnen der Domestizierungsgeschichte hinaus. Die hier beschriebene Revolution im Stall beinhaltete etwas grundsätzlich Neues. Rinder, Hühner und Schweine wurden zu standardisierten Maschinen im Prozess einer durchkalkulierten technisierten Bewirtschaftung gemacht, die hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens verschwand. Das gesellschaftliche Verhältnis zu landwirtschaftlich genutzten Tieren erschöpfte sich jedoch nicht allein in der wachsenden Distanz, sondern entwickelte einen doppelten Boden. Die Tiere waren nicht länger sichtbar und traten erst als Frühstücksei, Kochschinken oder Rindersteak in das Leben ihrer Konsumentinnen und Konsumenten. Zugleich jedoch entstand eine neue Sorge um die Rechtmäßigkeit der neuen Art, die Tiere zu halten. Um 1990 waren deshalb alle Dimensionen des Wandels der Tierhaltung zur Lebensmittelerzeugung entfaltet, der in Deutschland etwa vier Jahrzehnte zuvor begonnen hatte. Nach 1990 setzte sich das Geschehen im Stall ebenso in den eingeschlagenen Bahnen fort wie seine seit den 1970er Jahren entstandenen kritischen Gegenstimmen. Rinder-, Geflügel- und Schweinehaltung funktionierten, was erstens die Körper der Tiere, zweitens die wirtschaftliche Konzeption ihrer Haltung und drittens die technischen Abläufe im Stall betrifft, 1990 grundsätzlich anders als um 1950. 315

Entlang dieser drei Dimensionen des Wandels gliederte sich die Untersuchung, die jede Dimension anhand von einer Tierart analysierte. Die drei Dimensionen sind als drei ineinandergreifende und sich gegenseitig verstärkende Zahn­räder vorstellbar. Sie waren in beiden deutschen Staaten beobachtbar und können in letzter Konsequenz alle drei unter dem Rubrum der Effizienzsteigerung subsumiert werden. Das ist zugleich der Anschluss an andere geschichtswissenschaftliche Felder. Interessiert man sich auch nicht für landwirtschaftliche Tierhaltung, so gibt ihre Veränderung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum einen dennoch Aufschluss über einen schnellen Wirtschaftswandel eigener Art. Die quer zur Unterscheidung Kapitalismus / Sozialismus verlaufende Kommodifizierungsgeschichte der Tiere war besonders rasch und umfassend. Zugleich war sie mit trivial und archaisch anmutenden Widerständen, die in der Lebendigkeit der Tiere als Gegenstand der Bewirtschaftung begründet waren, konfrontiert. Zum anderen steuert die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung ihren Teil zum boomenden Forschungsfeld der Moral Economy bei. Das Wirtschaften mit Tieren und seine Veränderung zwischen 1945 und 1990 war von ethischen Verschiebungen innerhalb und außerhalb der landwirtschaftlichen Branche geprägt, die sich zum Teil verstärkten, zum Teil konfligierten. Die gesamtdeutsche Betrachtung landwirtschaftlicher Tierhaltung förderte mehr deutsch-deutsche Parallelen als Unterschiede zutage. Sie ist damit zugleich in eine Entwicklung, die den gesamten globalen Norden umfasste, einzuordnen. Es ging darum, das Geschehen im Stall einer Gesellschaft anzupassen, in der immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiteten, auf deren Speiseplan aber mehr tierische Produkte als je zuvor standen. Die Optimierung der Körper der Tiere, eine effiziente Unternehmensführung ihrer Haltung und die umfassende Technisierung der Ställe waren die Voraussetzungen dafür und sie fanden grenzüberschreitend statt. Der Transfer von für besonders wertvoll gehaltenen Zuchttieren oder deren Genen war ebenso international wie die Beschaffung von Futtermitteln für die vielen Tiere oder der sich anschließende Handel mit ihren Produkten, der sich in stetig großräumiger werdenden Marktbeziehungen vollzog. In der deutschen Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung verdeckte die Konzentration auf die Systemgrenze als a priori erklärende Variable bisher strukturelle Ähnlichkeiten der körperlichen Optimierung der Tiere, der Rentabilisierung ihrer Haltung und der Technisierung ihrer Ställe. Die deutsch-deutschen Ähnlichkeiten im Stall kulminierten darin, dass ehemalige sozialistische Großbetriebe nach 1990 vielversprechende kapitalistische Investitionsziele wurden. Das ist ein bemerkenswerter Befund, der zeigt, dass es Bereiche gab, in denen sich die höchst unterschiedlichen politischen Programme der beiden konkurrierenden Regime nicht zwangsläufig in grundsätzlich verschiedenen historischen Entwicklungen niederschlugen. In der Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung glichen sich die Maßnahmen, die zur Optimierung der Tierkörper ergriffen wurden, ebenso wie wirtschaftliche Überlegungen der Rentabilitäts316

steigerung und technische Verbesserungen der Stallarbeit. Die Steigerung der Produktion von zunächst, Ende der 1940er Jahre, der so wichtigen Milch, bald aber, in der Bundesrepublik seit Mitte der 1950er Jahre, in der DDR erst etwa zehn Jahre später, vor allem von Eiern und Fleisch einte die beiden deutschen Staaten. Die Rolle der Tiere war dieselbe innerhalb eines Entwicklungspfads, auf dem weniger Menschen mehr tierische Lebensmittel erzeugen sollten. In einem quantitativen Sinne brachten die marktwirtschaftlichen Auspizien der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1990 eine effizientere Produktivitätssteigerung der Tierwirtschaft hervor als ihr sozialistisches Pendant. Doch die ostdeutschen agrarpolitischen Entscheidungen führten zu den qualitativ gleichen Entwicklungen im Stall: Produktivitätssteigerung durch leistungsfähigere Tierkörper, durch eine betriebswirtschaftliche Kalkulation ihrer Haltung und durch technische Rationalisierungsmaßnahmen im Stall. Der Vorteil dieses stärker vom Problemzusammenhang landwirtschaft­licher Tierhaltung denn der deutsch-deutschen Grenze ausgehenden Vorgehens ist die Überwindung der Gegenüberstellung von Bundesrepublik und DDR. Ein integrierender deutsch-deutscher Blick ist bisher auch für Gesellschaftsbereiche jenseits des Kernbereichs des Politischen kaum verbreitet.1 Gerade hier, wie in dieser Arbeit anhand von landwirtschaftlicher Tierhaltung gezeigt, bietet er sich jedoch an, weil die Gesellschaften der beiden deutschen Staaten, verstärkt durch gegenseitige Bezugnahmen, mehr verband als trennte. Mit dem deutsch-deutschen Untersuchungsraum geht der Wehmutstropfen einer Reifizierung des territorialen Deutschlands einher.2 Angesichts der tiefen Einbindung beider Teilstaaten in größere trans- und internationale Zusammenhänge, die diese Arbeit mehr andeutete als ausbuchstabierte, ist das bedauerlich. Die globale Einbindung des von der Land- zur Tierwirtschaft werdenden Wirtschaftsbereichs zu untersuchen, wäre ein vielversprechender nächster Schritt der Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung im 20. Jahrhundert, zumal auch die ausgemachten Gegenbewegungen, die neuen Sorgen um Tier und Umwelt, keine nationalen Phänomene waren. Der erste Teil der Arbeit analysierte anhand der Rinderhaltung, wie neue Praktiken am Körper des Tiers den Stallalltag veränderten. Die drei wichtigsten Interaktionen zwischen Mensch und Tier, das Füttern der Rinder, das Melken der Kühe und die Organisation ihrer Reproduktion fanden unter einer neuartigen biologischen Kontrolle durch die Rinderhalterinnen und -halter statt. Die Kon­trolle der Rinderkörper, um höhere Tierleistungen hervorzubringen, war keine Entdeckung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sowohl strategische

1 Eine wichtige und für diese Arbeit inspirierende Ausnahme bildet Bösch, Geteilte Geschichte, darin v. a. ders., Geteilt und verbunden, sowie mit Blick auf Landwirtschaft insbesondere Uekötter, Ökologische Verflechtungen, S. 145 f. 2 Siehe zum Preis von Untersuchungen, deren Ausgangspunkt unhinterfragte territoriale Vergleichseinheiten bilden Patel, Ex comparatione lux, S. 299.

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Fütterung als auch Melken mit einer Maschine und die gesteuerte Anpaarung ausgewählter Rinder waren seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Stellschrauben der Leistungssteigerung bekannt. Doch erst unter den Bedingungen der geschwächten Rinderhaltung nach Ende des Zweiten Weltkriegs avancierte die Steuerung der biologischen Prozesse zum flächendeckenden Standard im Stall. Die Veränderung der Körperpraktiken kann als eine Geschichte der Wissenspopularisierung gelesen werden. Filme, landwirtschaftliche Fachzeitschriften, intensivere landwirtschaftliche Ausbildung junger Rinderhalterinnen und -halter und Beratungsangebote brachten das seit 1950 in staatlichen Forschungseinrichtungen sowohl bereits bereitstehende als auch neu generierte Wissen um die Körperprozesse der Tiere in die Ställe. Die Einführung der künstlichen Besamung zwischen etwa Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahre war wohl die entscheidendste Innovation der Körperpraktiken am Rind. Manche in Zuchtverbänden organisierte Landwirte hatten auch bereits zu Zeiten des natürlichen Paarungssprungs Menge und Fettgehalt der Milch einzelner Kühe erfasst, um gezielt möglichst leistungsstarke Tiere zu paaren und ihre Rinder so von Generation zu Generation entsprechend ihrer Ziele zu verbessern. Durch die kryotechnische Konservierung von Bullensperma jedoch waren die herkömmlichen Grenzen von Zeit und Raum gesprengt und die Reichweite der Steuerung der Rinderreproduktion in eine neue Dimension überführt worden. Tiefgefrorenes Sperma wurde solange in den Besamungs­ stationen aufbewahrt, bis die Daten einer ersten Testgeneration an Töchtern von Milchkontrollvereinen gesammelt, aggregiert und, seit den 1960er Jahren mit computerisierter Rechentechnik, ausgewertet worden waren. Die individualisiert verdateten Kühe wurden sowohl beständig miteinander verglichen, als auch als einzelnes Tier anhand des normierten Durchschnittswerts der Herde beurteilt. Fiel das Ergebnis der Milchleistung der Testgeneration positiv aus, kam der Bulle als Vatertier zum Einsatz. »Persönlich« brauchte er dafür nicht einmal mehr am Leben zu sein. Seit das Sperma Ende der 1960er Jahre in flüssigem Stickstoff gekühlt verschickt werden konnte, war der Einsatz eines einzelnen Vatertiers in einem neuen räumlichen und quantitativen Umfang möglich. Das beflügelte zugleich den internationalen Austausch unter Rinderzüchtern innerhalb und jenseits der Blockgrenzen, die bemüht waren, Sperma von als besonders hochwertig eingeschätzten Vatertieren zu erwerben oder zu verkaufen. Die körperliche Optimierung der Rinder war keine Einbahnstraße ungebrochenen Erfolgs. Die agrarpolitischen Weichen der Produktivitätssteigerung durch eine Optimierung der Rinderkörper waren zwar seit Ende der 1950er Jahre eindeutig gestellt. Kühe mit einer höheren Milchleistung und Mastkälber mit einer stärker bemuskelten Hinterhand erlaubten, die Bevölkerung mit günstigen Nahrungsmitteln zu versorgen, Einkommen und Lebensstandard der in der Landwirtschaft Beschäftigten zu erhöhen, dabei zugleich deren Zahl zu reduzieren und auf den internationalen Märkten für landwirtschaftliche Tiere und deren Produkte wettbewerbsfähiger zu sein. Doch die Lebendigkeit der Tiere erwies sich als fragiles Gut im Prozess ihrer körperlichen Optimierung. Pre318

kärer Futtermangel aufgrund organisatorischer Ineffizienzen in den genossen­ schaftlichen Ställen der DDR forderte die Wertschöpfung ebenso heraus, wie von der Melkmaschine wund gemolkene Euter und eine generelle körperliche Überlastung von »gestressten« Tieren. Tiermedizin und Agrarwirtschaft schrieben Rindern, aber auch Hühnern und Schweinen, seit etwa Mitte der 1970er Jahre Stress als Überlastungsreaktion auf die gestiegenen körperlichen Anforderungen zu. Durch Stress sank die Milchmenge der Kühe; durch Stress äußerten sich ihre fruchtbaren Tage schwächer. Burnout auf dem Bauernhof: Die Kühe wurden krank, weil sie zu viel arbeiteten. Dies war als breites Phänomen seit Ende der 1970er Jahre stärker auf den kapitalistischen West-Bauernhöfen zu beobachten. In den sozialistischen Rinderställen Ostdeutschlands blieb leistungsbedingter Stress flankiert von trivialen körperlichen Schwächen der Tiere, die in planwirtschaftlichen Ineffizienzen bei der Fütterung und Betreuung der Tiere begründet lagen. Doch auch dort zeigt die Stresszuschreibung, wie sehr die Tiere auch während ihrer zunehmenden räumlichen Trennung von einer immer größer werdenden Bevölkerungsmehrheit Teil der menschlichen Weltdeutung blieben. Menschen und Tiere wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur demselben Leistungsparadigma unterworfen. Sie teilten auch die Nebenwirkungen beständiger Hochleistung. Medizinisches Fachpersonal sollte die stressbedingten Nebenwirkungen im Stall unter Kontrolle bringen. Die Tier­ medizin entwickelte sich seit 1950 zur konstanten Begleiterin landwirtschaftlicher Tierhaltung. Ihre Aufgabe war nicht länger die kurative Behandlung erkrankter Einzeltiere, sondern die präventive Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Herde. Der Fokus der Tierhalterinnen und Tierhalter auf die Herde als Gegenstand ihres Tuns galt umso mehr für die Geflügelhaltung, deren durchschnittliche Herdengrößen sich zwischen 1950 und 1990 um ein Vielfaches multiplizierten. Immer mehr Hühner lebten in Herden von zunächst dreistelliger, bald vier- und fünf- und seit Mitte der 1960er Jahre auch vereinzelt sechsstelliger Größenordnung. Der revolutionäre Charakter der Veränderung ist bei der Geflügelhaltung, der der zweite Teil der Studie gewidmet war, am augenfälligsten. Aus Selbstversorgung und einem wirtschaftlichen Nebenverdienst der Frauen, dessen Produktionskosten nicht gesondert ausgewiesen worden waren, wurde ein eigenständiger Betriebszweig landwirtschaftlicher Tierhaltung, der, kurz zuvor noch belächelt, seit Ende der 1950er Jahre höchste Renditen in Aussicht stellte. Zugleich emanzipierte sich die Geflügelhaltung von den zyklischen Rhythmen der Natur und wurde zu einer beliebig reproduzierbaren Unternehmung im Stall. Dank künstlich ausgebrüteter Eier und einer ganzjährigen Stallhaltung, die den Hennen durch Licht und Temperatur erfolgreich vorgaukelte, es sei beständiger Frühling, konnte die Legezeit einer Herde so terminiert werden, dass sie die ganzjährige Eiernachfrage bediente. Diese beiden Entwicklungen machten für einzelne Geflügelhalterinnen und -halter ebenso wie für agrarpolitische Planer skalenökonomische Effekte der Massenproduktion attraktiv. Eier und Geflügelfleisch versprachen günstiger erzeugt zu werden, je größer, dichter und arbeits319

extensiver die Geflügelhaltung angelegt wurde. Günstigere Geflügelprodukte wiederum waren das Ziel sowohl der in marktwirtschaftlichem Wett­bewerb stehenden Geflügelhalterinnen und -halter der Bundesrepublik als auch der Agrarplaner der DDR. Zahlenbasierte Verfahren der ökonomischen Effizienzsteigerung revolutionierten die Praktiken im Hühnerstall. In ihrer wissensgeschichtlichen Dimension war diese Entwicklung der Rinderhaltung, wo inzwischen aggregierte Daten körperlicher Leistungsfähigkeit und nicht länger der optische Eindruck den Wert des Einzeltiers bestimmten, nicht unähnlich. Im Fokus der Geflügelhaltung standen jedoch keine einzelnen Tiere, sondern die Unternehmung als Ganzes. Die entscheidenden Handlungen einer Geflügelwirtschaft fanden immer öfter am Schreibtisch statt und waren auf eine ertragreiche Zukunft ausgerichtet. Geflügelhalterinnen und -halter begannen, beständig zu rechnen, zu planen und zu kalkulieren, und fällten ihre Entscheidungen entlang finanzieller Kennziffern. Aus Geflügelhalterinnen, häufig im typisch weiblichen Nebenerwerb, waren Unternehmerinnen und immer öfter auch Unternehmer geworden. Zudem zog die Geflügelhaltung kapitalstarke Fabrikanten anderer Branchen an, wie beispielsweise den Münsterländer »Strumpfkönig« Fritz-Karl Schulte, der sein Produktportfolio 1968 um eine halbe Million renditestarker Legehennen erweiterte. Damit endete ein spezifisch landwirtschaftliches Wirtschaften im Hühnerstall, das von Wetter und Jahreszeiten sowie von tradiertem Wissen über Tiere und deren Körperabläufe geprägt gewesen war. Die Professionsmoral landwirtschaftlicher Tierhalterinnen und -halter erweiterte sich. Für den Betrieb einer rentablen Tierhaltung waren zunehmend ausdifferenzierte Kenntnisse in den drei Dimensionen des Wandels im Stall nötig: bioökonomisches Tierwissen, Rechenfähigkeiten und anwendungsorientiertes Technikwissen. Dieses Wissen wurde nicht länger in den einzelnen Ställen generiert und tradiert, sondern von außerbetrieblichen Experteninnen und Experten bei Beratungen, Fort- oder Zusatzausbildungen vermittelt. In der Konzeption dieser epistemisch entagrarisierten Haltung war aus dem Huhn eine Maschine geworden. Anfang der 1960er Jahre im Zuge des Chicken War wurde der sogenannte Veredelungskoeffizient eingeführt, der die Grundlage der internationalen Vergleichbarkeit der Hühnerhaltung und etwaiger Ausgleichszölle zu ihrem Schutz bildete. Er verdeutlicht diesen Kommodifizierungsprozess pointiert, der in der Bundesrepublik durch den innereuropäischen und transatlantischen Handel mit Geflügelfleisch maßgeblich angetrieben wurde. Der Veredelungs­koeffizient gab Auskunft über den politisch festgesetzten Wirkungsgrad des zum Bioreaktor gewordenen Huhns. Er beschrieb, mit wie viel Futtergetreide ein Kilogramm Hühnerfleisch zu erzeugen war. Auch der Wirkungsgrad eierlegender Hennen fand Eingang in die Betriebsrechnung. Legehennen hörten auf, ein zweites oder wie früher nicht unüblich auch drittes Jahr zu legen, weil ihre Legeleistung mit zunehmendem Alter sank; durch Schlachtung nach der Legeperiode mit der höchsten Leistung wurden sie von ihrem weiteren Dienst suspendiert. 320

Die technische Umgestaltung der Ställe schwang als Bestandteil der veränderten wirtschaftlichen Parameter im Geflügelstall bereits mit. Wegen der ihr eigenen Bedeutung für den Produktivitätsanstieg landwirtschaftlicher Tierhaltung blickte der dritte Teil der Arbeit auf die Technisierung der Ställe am Beispiel der Schweinehaltung. Die schmutzige und körperlich anstrengende Arbeit im Schweinestall, zumal in den kalten, feuchten und ungenügend durchlüfteten »Zementsärgen« der 1950er Jahre, war in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen wenig attraktiv. Der Arbeitskräftemangel im Schweinestall war deshalb ein Motor der technischen Vereinfachung von unangenehmen Arbeitsschritten. Gleichzeitig linderten die arbeitssparenden Techniken nicht nur den Arbeitskräftemangel, sondern ermöglichten die arbeitsarme Verdichtung von Schweinebeständen in bis dahin unbekannte Größenordnungen. Der Stall war nicht länger Schutzraum beliebiger Schweine, sondern eine entsprechend dem Funktionszweck der Tiere spezialisiert eingerichtete Unterkunft. Festinstallierte Vorrichtungen zur Fixierung einer Muttersau verhinderten seit Anfang der 1960er Jahre beispielsweise, dass diese die noch zu wenig flinken neugeborenen Ferkel erdrückte, wenn sie sich hinlegte; deshalb mussten die Ferkel nicht länger im Rhythmus weniger Stunden händisch von und zur Sau gebracht werden, um Erdrückungstode zu verhindern. Futterautomaten mit Vorratsspeicher und Zeitschaltuhr verschafften Schweinehalterinnen und -haltern eine neuartige Unabhängigkeit von den Fütterungszeiten der Tiere und versorgten weit mehr Schweine mit Nahrung als das händisch per Schaufel und Karren möglich gewesen war. Anders als die biologische und die wirtschaftliche Umgestaltung landwirtschaftlicher Tierhaltung, war der Entstehungsprozess technischer Veränderungen stärker auch ein bottom-up-Prozess. Die technischen Veränderungen im Stall waren häufig der selbstständigen Tüftelei einzelner Schweinebauern und -bäuerinnen erwachsen, deren Ställe daraufhin lokale Vorbildwirkung entfalteten. Die weitreichendste Innovation des Wandels von Stalleinrichtung und damit verknüpfter Arbeitspraktiken war die Einführung des sogenannten Spaltenbodens. Mit ihm endete die unangenehmste Tätigkeit im Schweinestall, das händische Entmisten. Statt eines mit Stroh ausgelegten Stallbodens befanden sich die Schweine auf einem mit Spalten durchzogenen Betonboden wieder. Durch die Spalten traten sie ihre Exkremente selbstständig in den dafür vorgesehenen Auffangbehälter unterhalb des Stallbodens. Mit dem Spaltenbodenstall entfiel die vormalige Trennung von Fress- und Mistplatz der Schweine, wodurch Platz gespart und die Schweinekonzentration pro Bucht erhöht werden konnte. Durch den Verzicht auf Stroh war das Kot-Harn-Gemisch flüssig genug, um selbstständig zu fließen. Die Weisheit »Nichts tragen, was fließen kann« war eine Grundregel der Arbeitsvereinfachung im Schweinestall. Aber auch im technisierten Schweinestall, in dem das Futter automatisch in den Trog rieselte und die Exkremente selbstständig aus dem Stall flossen, bedingten sich die Schweine in ihrer Qualität als Lebewesen Aufmerksamkeit aus. Ihr Verhalten beeinflusste die Technisierung der Ställe. Spaltenböden 321

ohne ausreichende Luftzirkulation im Stall sonderten mitunter derart konzentrierte Ammoniak- und Schwefelwasserstoffgase ab, dass die Schweine in der Bucht erstickten. Tote oder in ihrer körperlichen Leistung beeinträchtigte Tiere untergruben das funktionelle Arrangement des technisierten Schweinestalls. In diesem Zusammenhang beunruhigte eine in neuartigem Ausmaß auftretende Verhaltensweise seit Mitte der 1960er Jahre Schweinehalterinnen und -halter, die ihre Ställe mit einem Spaltenboden ausgestattet hatten. Die Schweine begannen, gegenseitig an ihren Schwänzen zu nagen. Die angefressenen, wunden Schwanzstummel entzündeten sich im Klima des Stalls rasch. Die verletzten Tiere wuchsen schlechter als geplant und das schlug sich negativ in der Betriebsbilanz nieder. Zunächst versuchten die Schweinehalterinnen und -halter der Verhaltenspathologie, die sich seit Wegfall des Strohs, Einführung des Spaltenbodens und der damit verbundenen Verdichtung der Tiere pro Quadratmeter Stallraum verbreitet hatte, durch neues Beschäftigungsmaterial für die Schweine und Schutzvorrichtungen für die Schwänze abzuhelfen. Doch keine Maßnahme beendete das »Schwanzbeißen« in Spaltenbodenställen zufriedenstellend. Als wirkungsvoll erwies sich hingegen, den Schweinen im Ferkelalter ihr Schwänzchen abzuschneiden. Die präventive Praxis wurde in Bundesrepublik und DDR, ebenso wie in allen Ländern, die die neuen Stallsysteme realisierten, im Laufe der 1970er Jahre zur Standardbehandlung eines jeden Schweins. Die Episode der abgefressenen Schwänze und ihre Problemlösung ist symptomatisch für Chancen und Grenzen der Mitgestaltung des Tiers im Produktionsprozess landwirtschaftlicher Tierhaltung. Rinder, Hühner und Schweine nahmen Einfluss auf die Bedingungen ihrer Haltung. Ihr Verhalten erregte die volle Aufmerksamkeit ihrer Halterinnen und Halter, wenn es in Zusammenhang mit der Produktivität ihrer Bewirtschaftung stand. Die Tiere waren die Quelle aller Wertschöpfung im Stall und zugleich ihre mächtigsten Widersacher. Am prägnantesten verdeutlichen Tierseuchen diesen Zusammenhang. Sie waren bis Mitte der 1970er Jahre zum Damoklesschwert der konzentrierten Tierhaltung geworden – und sind es bis heute. In der Schweinehaltung etablierte sich aus Furcht vor der Einschleppung von Krankheitserregern ein neuartiges Hygieneregime. Stallanlagen waren eingezäunt; nur ausgewählte Personen durften sie betreten und hatten dabei spezielle Desinfektionspraktiken für Körper, Kleidung und Schuhe zu beachten. Veränderungen der Haltungsmethoden stellen sich deshalb im Detail eher als trial and error entlang der Reaktion der Tiere dar, denn als reibungslose Implementierung vorgefertigter Lösungen. Durch ihre Qualität als Lebewesen beeinflussten die Tiere den Prozess ihrer Haltung kontinuierlich. Der Gestaltungsspielraum des Tiers jedoch hatte in der Konfiguration landwirtschaftlicher Tierhaltung klare Grenzen. Die Lösung der Produktivitätseinbußen durch entzündete Schweineschwänze war deren präventive Entfernung. Eine Revision der Haltungsbedingungen, die das unerwünschte Tierverhalten erst ausgelöst, zugleich aber unliebsame Arbeitsschritte beendet und die Wirtschaftlichkeit erhöht hatten, stand nicht zur Debatte. Die tierhistorische Dimension der Arbeit kann deshalb mit Erica Fudge beschrieben werden: Auch für das 322

unromantische Herrschaftsarrangement landwirtschaftlicher Tierhaltung zwischen 1945 und 1990 galt, »that it is with animals that history is made«.3 Seinen revolutionären Charakter bekam der Wandel landwirtschaftlicher Tierhaltung zwischen 1945 und 1990 erst durch seine gesellschaftliche Rezeption, die wiederum auf das Geschehen im Stall zurückwirkte. Das Erkenntnisinteresse der Arbeit endete deshalb nicht im Stall. Die zweite Ebene der Untersuchung war das Verhältnis zwischen Stall und außerbetrieblicher Gesellschaft. Was bedeutete der Wandel im Stall für die größer werdende Bevölkerungsmehrheit, die nur mehr über Supermarkteinkauf, Speisezubereitung und Nahrungsaufnahme Kontakt zu Rind, Huhn und Schwein hatte? Auch in diesem Verhältnis verschob sich zwischen 1945 und 1990 Entscheidendes. Landwirtschaftliche Tierhaltung verschwand zunehmend aus der eigenen Erfahrung. Der abnehmende Kontakt führte jedoch zu keinem entsprechenden Rückgang der gesellschaftlichen Relevanz. Das Verschwinden landwirtschaftlicher Tiere aus dem Blickfeld gesellschaftlichen Lebens erinnert an Norbert Elias’ Überlegungen zum Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle hinsichtlich des Schlachtens und des Anblicks ganzer toter Tiere im Zuge des Zivilisationsprozesses.4 Seit 1950 wurden auch die lebendigen zukünftigen Fleischlieferanten unsichtbar. Doch sie blieben in ihrer Existenz erhalten und kehrten zudem als imaginierte Lebewesen zurück. Das Abtreten der Zugkühe in den 1950er Jahren markierte den vollständigen Übergang landwirtschaftlich genutzter Tiere zu ausschließlichen Lebensmittellieferanten. Das zunehmend eindimensionale Zielprodukt – Milch oder Fleisch, Eier oder Fleisch – wirkte stärker auf die Haltung zurück. Fleisch wurde insofern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Produkt der Moderne, als sich in diesem Zeitraum die Trennung von Produktion und Konsum vervollständigte. Fleisch hatte immer weniger mit dem Tier, das es einmal war, zu tun. Der Teller wurde zum verbleibenden materiellen Kontaktpunkt zwischen Bevölkerungsmehrheit und Stall. Auf ihm verspeisten Konsumentinnen und Konsumenten nun ganzjährig Eier, zunehmend mehr Hähnchenfleisch, prestigeträchtige Rindfleischstücke und anhaltend viel Schweinefleisch. Es war in beiden deutschen Staaten breiter gesellschaftlicher Konsens und unhinterfragte Grundlage des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels, dass tierische Nahrungsmittel im Überfluss und möglichst günstig verfügbar sein sollten. Die Anforderungen an landwirtschaftliche Tierhaltung gingen jedoch in einem größer werdenden Teil der Konsumgesellschaft über die materielle Beschaffenheit ihrer Produkte hinaus. Der kulturelle Überbau der Tiernutzung zur Lebensmittelerzeugung veränderte sich seit Anfang der 1970er Jahre entscheidend. Die unsichtbar gewordenen Tiere begannen, auf die politische Bühne zurückzudrängen. Durch die Revolution im Stall erhielt die Moral Economy der ländlichen Welt eine neue Dimension, die die Landwirtschaft trotz anhaltendem 3 Fudge, Foreword, S. x. 4 Elias, S. 163.

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wirtschaftlichen und sozialen Bedeutungsverlusts wieder an die Gesellschaft zurückband. Wirtschaften mit Tieren war stets von ethischen Werthaltungen geprägt. Seit Einsetzen des gesamtwirtschaftlichen Bedeutungsrückgangs der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert bemühten sich ihre Vertreter verstärkt um eine moralische Definition von Landwirtschaft. Für die Werte Nahrungsmittelversorgung und Kulturpflege wurden erfolgreich öffentliche Gelder mobilisiert, um den wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess zu bremsen. Die Definition einer »guten Sache«, für die die Landwirtschaft selbst gesorgt hatte, vertrug sich in der westdeutschen wachstumsdesillusionierten Wohlstandsgesellschaft seit den 1970er Jahren immer weniger mit dem Geschehen in den Ställen. Die Geflügelkäfighaltung als Paradeprodukt der Rentabilisierung landwirtschaftlicher Tierhaltung begann gesellschaftlichen Anstoß zu erregen. Konnte es in Zeiten, in denen Nebenwirkungen eines Wohlstandsbauchs Sorgen bereiteten, kulturell wertvoll sein, derart viele Tiere, präventiv medikamentös therapiert, ihr gesamtes Leben auf engstem Raum im Inneren eines Stalls zu halten? Eine neue Sorge um das Tier um seiner selbst willen entstand. Neben Preis, Qualität und Geschmack traten die Lebensbedingungen des Tiers als Grundlage der Bewertung der Produkte landwirtschaftlicher Tierhaltung. Das war die eine Dimension des Wertewandels landwirtschaftlicher Tierhaltung seit 1970, die in der Bundesrepublik stärker als in der DDR beobachtet werden konnte. Die zweite waren neue Sorgen um Luft und Boden, die im Kontext der Schweinehaltung entstanden. Seit Mitte der 1960er Jahre war es westdeutschen Geflügelexpertinnen und -experten nicht gelungen, mit der Tierschutzgesetzgebung konforme verlässliche Rechtsnormen für die Geflügelkäfighaltung zu erlassen. Es entstand ein erst jüngst, im Jahr 2012, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zuungunsten der Käfighaltung beendeter Konflikt über eine Rechtsnorm, die festlegte, bis zu welchem Punkt der Beeinträchtigung der Lebensqualität des Tiers eine Haltungsform akzeptabel war. Entscheidend für den Verlauf dieses westdeutschen Konflikts war die massenkulturelle Medienöffentlichkeit. Auch in der DDR berichteten Mitarbeiterinnen von Betrieben mit Geflügelkäfighaltung von despektierlichen Äußerungen anderer Dorfbewohner. Doch der ostdeutschen Skepsis gegenüber den großmaßstäbigen Geflügelkäfiganlagen mangelte es am Resonanzkörper einer freien Medienöffentlichkeit. Anders in der Bundesrepublik. Dort geriet die Geflügelkäfighaltung mithilfe fernsehbekannter Fürsprecher eines Verbots wie Bernhard Grzimek, dem Direktor des Frankfurter Zoos, außerhalb der landwirtschaftlichen Branche zunehmend ins gesellschaftliche Abseits. Den Wandel der Schweinehaltung begleiteten keine Sorgen um die Lebensbedingungen der Tiere, doch auch er erregte gesellschaftlichen Anstoß. Gegenstand des Anstoßes waren die Exkremente der Tiere, die bei der strohlosen Haltung auf Spaltenboden in einer neuartigen, konzentrierten Reinform, der Gülle, anfielen. Nicht nur die neue Zusammensetzung des vormaligen Schweinemists war konzentriert, auch die Menge erreichte durch die regionale Verdichtung 324

der Schweinehaltung unbekannte Volumina. Der Gülleanfall einer der größten ostdeutschen Schweinezucht- und -mastanlagen in der Nähe des thüringischen Neustadt an der Orla entsprach dem Volumen der menschlichen Abwässer von einer Großstadt wie Leipzig, ohne dass dafür entsprechende, ausreichende Sammel- und Klärvorrichtungen geschaffen worden waren. In beiden deutschen Staaten missfiel der anliegenden Bevölkerung die fäkalienbedingte neue Umweltwirkung großer Schweineställe. Die Abneigung gegen die aus den Schweineställen strömende Luft und die Umweltwirkungen der gelagerten und auf Felder ausgebrachten Gülle richteten das Verhältnis zwischen landwirtschaftlicher und nicht-landwirtschaftlicher Bevölkerung ähnlich wie die Sorgen um die Lebensqualität der Hühner im Käfig auf eine ambivalente Art und Weise neu aus. Auf der einen Seite wuchs die Distanz. Die Schweineställe wurden aus den Dörfern ausgelagert, die Schweine lebten ausschließlich im Inneren dieser Ställe und die Stallanlagen waren eingezäunt und abgesperrt. Auf der anderen Seite entstanden zugleich neue Kontaktpunkte. Die unattraktiven Abfallprodukte der Schweinekonzentration weckten neues Interesse an dem Geschehen im Schweinestall. Der Geruch der Stallabluft, der Güllelagerstätten und der begüllten Flächen missfiel Anwohnerinnen und Anwohnern ebenso, wie die Auswirkungen der Exkremente auf Flora und Grundwasser. In beiden deutschen Staaten formierte sich ziviler Widerstand. In der Bundesrepublik schlugen sich die Forderungen einzelner Bürgerinitiativen seit Anfang der 1970er Jahre in strengeren Auflagen für die Entschärfung des verdichteten Schweinegeruchs und der Ausbringung der Gülle nieder. In der DDR boten die Kirchen seit Mitte der 1980er Jahre jenen Raum, in dem sich Gegnerinnen und Gegner der Umweltwirkungen der großen Schweineanlagen austauschen konnten, etwa bei den Pfarrern Reinhard Weidner und Peter Taeger im Umkreis der SZM Neustadt / Orla. Sie waren dabei jedoch regimeseitigen Repressalien ausgesetzt und ihrem Engagement waren enge Grenzen gesetzt. Nach dem Mauerfall wuchs der zivile Widerstand um ein Vielfaches. Das unterstreicht, wie viel Unmut sich auch in der DDR gegenüber absterbenden Fichten, hohen Nitratwerten im Grundwasser und Ende der 1980er Jahre unzumutbaren Fäkaliengerüchen entwickelt hatte. Agrarpolitisch und branchenintern stießen die gesellschaftlich nicht akzeptierten Auswirkungen der Schweinehaltung auf Luft und Boden den Glauben an eine unbegrenzte technische Machbarkeit nicht vom Thron. Technischer Fortschrittsoptimismus blieb weiterhin Kennzeichen der agrarischen und agrarpolitischen Mentalität. Landwirtschaftliche Tierhaltung erwies sich als reaktives, aber adaptives System, das durch soziale Konflikte von außen an sie herangetragene Forderungen integrierte. Die moralische Berücksichtigung der Tiere als Lebewesen mit Bedürfnissen und ebenso die der Erhaltung von Luftund Bodenqualität fand auf diese Weise Eingang. Die Agrarrevolution des Tiers in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trug zu einschneidenden Entwicklungen jenseits des Stalls bei. Sie war maßgeblich an einem Auseinanderfallen von landwirtschaftlicher Branche und 325

dem nicht-landwirtschaftlichen Rest der Gesellschaft beteiligt. Branchenintern diskutierten Tierhalterinnen und -halter Fragen des legitimen Tierumgangs. Insbesondere bei Kälbern und Kühen handelten Bauern und Bäuerinnen untereinander aus, wie der Stallboden beschaffen sein sollte oder ob man eine hochtragende Kuh in Zeiten europäischen Milchüberschusses schlachten dürfe, um zwar das Kalb zur Welt zu bringen, dabei aber eine zukünftige Milchlieferantin auszuschalten. Es war Bestandteil des bäuerlichen Selbstkonzepts, einen verantwortungsvollen Tierumgang zu wahren und »gut« für die Tiere zu sorgen. Fälle grober Vernachlässigung wurden innerhalb der Branche angeprangert. Die seit Anfang der 1970er Jahre von außen kommende Kritik an Formen der neuen Tierwirtschaft forderte diesen bäuerlichen Konsens heraus. Am ohnehin aufgrund des gesamtwirtschaftlichen Bedeutungsverlusts in Mitleidenschaft gezogenen landwirtschaftlichen Selbstbewusstsein – die Versorger, von denen der Rest der Gesellschaft abhängig war, waren zu denjenigen geworden, die am steuerlichen Tropf hingen – wurde weiter gekratzt. Ein starker innerer Zusammenhalt, der im Laufe der 1970er und 1980er Jahre kritische Stimmen innerhalb der Branche verstummen ließ, war die Folge. Die westdeutsche landwirtschaftliche Fachpresse entwickelte sich zu einer Gegenöffentlichkeit in Belangen landwirtschaftlicher Tierhaltung. Kritische Verbraucherinnen und Verbraucher wurden als Gegner wahrgenommen und nicht als hilfreiche Zeichen eines gesellschaftlichen Wertewandels, die auf zukünftige, einvernehmliche Bewirtschaftungsmethoden hinwiesen. Wo ist die Kontingenz in dieser Geschichte? Hätte alles anders kommen können? Die festgestellte Ähnlichkeit zwischen Bundesrepublik und DDR redet keiner allzu starken Kontingenz das Wort. Die hinter der Produktivitätssteigerung der Tierwirtschaft stehenden strukturellen Kräfte waren stark. Einmütige Ernährungspräferenzen, in deren Zentrum reichliche, günstige tierische Lebensmittel standen und politische Rahmensetzungen, die die agrarische Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts möglichst sozialverträglich vollends in die Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft überführen wollte, verengten den historischen Spielraum der Geschichte. Der Blick in die europäischen Nachbarländer verstärkt diesen Eindruck. Das Geschehen in den dortigen Ställen verlief nicht grundsätzlich anders. Die Produktion der stark nachgefragten tierischen Lebensmittel auszubauen und dabei zugleich die Produktivität ihres Herstellungsprozesses zu erhöhen waren geteilte Ziele der europäischen Länder in den Nachkriegsjahrzehnten. Einerlei ob traditionell viehwirtschaftlich starke Nettoexporteure wie die Niederlande und Dänemark, das vom Zweitem Weltkrieg ebenfalls stark gezeichnete Frankreich oder mit dem Vereinigten Königreich das europäische Land mit dem größten agrarischen Freihandel, sie alle legten agrarpolitische Programme ähnlicher ­Couleur auf, die die heimische Produktion im Stall ankurbelten.5 Die westeuropäischen Länder waren sich einig, das Schicksal ihrer Bäuerinnen und Bauern 5 Martin, British Agriculture; Herment; Christiansen; Brassley u. a., Similar Means.

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und die Nahrungssicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht den internationalen Märkten für tierische Produkte zu überlassen. Die in der Zwischenkriegszeit entwickelten politischen Mechanismen der Marktregulation wurden nach 1945 aufgegriffen und weiterentwickelt, um Engpässe und Überschüsse des Agrarmarktes gleichermaßen bedienen zu können sowie landwirtschaft­ liche Einkommen zu stützen, und seit Ende der 1950er Jahre auf die entstehende supranationale Ebene der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft überführt. Die europäischen Staaten teilten darüber hinaus eine wohlfahrtsstaatliche Expansionspolitik und die Hochschätzung innenpolitischer Stabilität in Zeiten des Kalten Kriegs. Ihren Niederschlag im Stall fanden diese Überzeugungen in subventionierten Investitionsprogrammen für die technologische Umgestaltung landwirtschaftlicher Tierhaltung.6 Die kapitalintensive Produktivitätssteigerung führte zusammen mit der züchterischen Optimierung der Tiere dazu, dass im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts auch nahezu alle Bauern ehemaliger europäischer Agrarstaaten wie Rumänien, Polen, Jugoslawien oder Griechenland »ihre Geräte aus der Hand gelegt« hatten, wie Eric Hobsbawm schrieb.7 Eine deutsche Besonderheit war die Geschwindigkeit des Wandels. In beiden deutschen Staaten verlief die Entwicklung landwirtschaftlicher Tierhaltung rasant, obwohl die Startbedingungen der Nachkriegssituation desaströs gewesen waren. Die Bundesrepublik erreichte rasch eine im europäischen Vergleich überdurchschnittliche innerlandwirtschaftliche Produktivität, wobei die von den USA zur Verfügung gestellten Finanzmittel eine entscheidende Rolle spielten. Die brachiale sozialistische Agrarpolitik der DDR hatte bis Mitte der 1960er Jahre diejenigen agrarstrukturellen Grundlagen geschaffen, die die größten Produktivitätssprünge versprachen. Aufgrund von zunächst bäuerlichem Widerstand,8 danach planwirtschaftlicher Koordinationsprobleme und eines sich in den 1980er Jahren zuspitzenden Ressourcenmangels wurden sie jedoch nicht erreicht. Dennoch: Die Produktivitätssteigerung landwirtschaftlicher Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war eine gesamteuropäische Konvergenzgeschichte. In den seit den 1970er Jahren aufkommenden Momenten ihrer Kritik zeigte sich jedoch die Nicht-Zwangsläufigkeit auch dieser Geschichte. Die gesamtgesellschaftliche Bewertung einer Tierhaltung, die sich von herkömmlichen landwirtschaftlichen Zusammenhängen gelöst hatte und zu einer neuartigen Tierwirtschaft geworden war, änderte sich. Die im Zuge der Revolution im Stall entstehende Kritik an der Tierhaltung ist Teil dieser Geschichte. Gesellschaftliche Missbilligung von fettem Fleisch, von teurer Butter, von rentablen Hühnerkäfigen, von Schweineduft und großen Mengen Schweinegülle bewirkte Ver6 Kapital war sowohl in planwirtschaftlich gelenkten Ländern Europas als auch in den marktwirtschaftlich organisierten die entscheidende Zutat der Produktivitätsrevolution im Stall, deren Volumen über die Wachstumsraten entschied, siehe Martin-Retortillo u. Pinilla. 7 Hobsbawm, S. 366–369, hier S. 366. 8 Mazower, S. 273 f.

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änderungen der politischen Regeln landwirtschaftlicher Tierhaltung und weist damit auf ihre grundsätzliche Wandelbarkeit hin. Das wird insbesondere mit dem Blick auf die Entwicklungen der jüngsten Jahrzehnte nach dem Untersuchungszeitraum dieser Arbeit deutlich. Wie ging die Geschichte nach 1990 weiter? Vorbei war die Geschichte landwirtschaftlicher Tierhaltung 1990 nicht. Dafür genügt ein oberflächlicher Blick in die aktuelle Medienberichterstattung. Investigative Enthüllungen über nicht tierschutzkonforme Haltungsbedingungen von Rindern, Schweinen und Hühnern haben sich inzwischen als Reportagegenre etabliert. Daneben diskutierte die Branche regelmäßig unter reger Medienöffentlichkeit die in der globalisierten Welt gewachsene Bedrohung durch Tierseuchen und mögliche Schutzmaßnahmen dagegen. Die BSE-Krise der 2000er Jahre war ein diesbezüglicher Höhepunkt. Aktuell besetzt die 2014 erstmals in der EU nachgewiesene afrikanische Schweinepest, die sich seither ausbreitet und Schweinehalterinnen und -halter aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedrohung in Sorge versetzt, dieses Feld. Der Stellenwert der untersuchten Veränderungen verschob sich in den inzwischen wiederum fast drei Jahrzehnten nach Ende des Zeitraums dieser Arbeit. Von einer Revolution im Stall im engeren Sinne kann mit Blick auf die deutsche Rinder-, Hühner- und Schweinehaltung seither nicht mehr gesprochen werden. Die körperlichen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen, die zwischen 1950 und 1990 so geschwind Einzug gehalten hatten, haben weiter Bestand. Die Entwicklung setzte sich in den eingeschlagenen Bahnen fort, aber ohne dabei die Dynamik der früheren Jahrzehnte zu erreichen. Die Körper der Tiere wurden mithilfe von nun auf der Ebene der Gene ansetzenden Zuchtmethoden weiter optimiert, die Kalkulation ihrer Haltung wurde, umso mehr seit Zusammenbruch der Sowjetunion, global zu einem Anwendungsgebiet standardisierter Betriebswirtschaftslehre und die technische Ausstattung der Ställe entwickelte sich ebenfalls in den eingeschlagenen Bahnen mechanisierter Automatisierung weiter. Bezogen auf das Geschehen in Rinder-, Hühner- und Schweineställen kann im Vergleich zu den Brüchen nach 1950 seit 1990 von einer Plateauphase gesprochen werden. In zweierlei anderer Hinsicht jedoch wäre Stabilisierung die falsche Beschreibung für Entwicklungen seit 1990. Zum einen wechselte die Revolution ihre Ställe, zum anderen verließ sie die Ställe. Das produktive Modell der räumlichen Verdichtung einer großen Zahl gleichförmiger Tiere erweiterte seit 1990 seinen Wirkungskreis. Es erfasste noch lückenloser als zuvor die Ställe der Tierarten dieser Arbeit und fand zugleich bei neuen Tierarten Anwendung. Fischfarmen sind das hierfür eindrücklichste Beispiel. Dort werden Fische jenseits der Größenordnung traditioneller Forellenteiche in Zuchtbecken, Netzgehegen oder Meereskäfigen aufgezogen und gemästet. Aus 7,3 Millionen Tonnen in Aquakulturen erzeugten Meerestieren 1980 und 16,9 Millionen Tonnen 1990 sind 2015 106 Millionen Tonnen geworden.9 Bis 2030 sollen zwei Drittel der globalen Fischversorgung aus Fischfarmen 9 The World Bank, Aquaculture Production.

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stammen, berechneten Weltbank, FAO und das International Food Policy Research Institute 2014, wobei vor allem Buntbarsch, Karpfen und der inzwischen aus jeder deutschen Kantine bekannte Pangasius für das rasche Wachstum verantwortlich sein würden.10 Die Intensivierung der Fischhaltung brachte für Mensch (große Mengen günstig erzeugter begehrter Nahrung), Tier (stressgeschwächtes Immunsystem, Parasitenbefall, Verletzungen durch zu wenig Platz) und Umwelt (Eutrophierung und Verschmutzung der Gewässer, Medikamentenrückstände) die aus dieser Geschichte bekannten Folgen mit sich. Anders als die verdichtete Haltung von Hühnern und Schweinen, zog die maritime Massentierhaltung bisher wenig zivilgesellschaftliche Kritik auf sich. Das führt zurück zu den Tieren dieser Arbeit und der zweiten Ebene der Untersuchung, dem Verhältnis zwischen Stall und Gesellschaft. Gerade dort endete die Revolution 1990 nämlich nicht. Die Beziehung zwischen Tierhaltung und außerlandwirtschaftlicher Bevölkerungsmehrheit entwickelte sich seit 1990 in einer Dynamik weiter, die über diejenige der früheren Jahrzehnte hinausging. Die Ethisierung der Geflügelkäfighaltung wegen der dortigen Lebensbedingungen der Tiere in den 1970er Jahren wirkt aus heutiger Sicht wie die Inkubationszeit einer sich erst nach 1990 umfassend entfaltenden gesellschaftlichen Kritik an Haltungsbedingungen von Tieren zur Nahrungsmittelproduktion. Deutschland reiht sich hierbei in einen den gesamten globalen Norden umfassenden Trend ein. Seit 1990 verstärkten sich verschieden gelagerte moralische Bedenken hinsichtlich der Tierwirtschaft wechselseitig, sodass die Massenhaltung von Tieren inzwischen zum enfant terrible der aufgeklärten Überflussgesellschaft wurde. Ein globaler Futtermittelhandel, dem mitunter abgeholzte Regenwaldflächen zugrunde lagen, potentielle Schmerzen und Leiden der Tiere, Sorgen um Arzneimittelrückstände in Lebensmitteln und jüngst zusätzlich um durch landwirtschaftliche Tierhaltung freigesetzte klimaerwärmende Treibhausgase Methan und Lachgas ließen das Problembewusstsein weiter wachsen und ergänzten eine qualitativ neue Skepsis gegenüber der Haltung von Tieren zur Nahrungsmittelgewinnung. 1993 gründete sich mit PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) Deutschland e. V. eine Tierrechtsorganisation in Deutschland, die für eine Welt ohne Tiernutzung eintritt. Ihre Anhängerinnen und Anhänger lehnen jegliche Form der Ausbeutung, Misshandlung oder Verwertung von Tieren ab, demnach selbstredend auch, Tiere zu essen. Stärker als in einer grundsätzlichen Ablehnung landwirtschaftlicher Tierhaltung manifestierte sich die wachsende Sensibilität gegenüber dem Geschehen im Stall in graduellem gesellschaftlichen Unbehagen und entsprechendem politischen Gegensteuern. Produktionsmethoden, die der gesellschaftlichen Kritik Rechnung trugen, wurden nicht länger ausgebremst – wie die Kennzeichnung von Eiern aus Bodenhaltung in den späten 1970er Jahren – sondern zunehmend, aktuell beispielsweise durch die Schaffung eines sogenannten Tierwohllabels 10 Dies., FISH TO 2030.

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des Bundeslandwirtschaftsministeriums, aufgegriffen und unterstützt. Die rotgrüne Bundesregierung führte 2001 für Produkte, die nach EG-Öko-Verordnung erzeugt wurden, das sechseckige, grün-schwarz-weiße deutsche Bio-Siegel ein, das seit 2012 vom seither verpflichtenden EU-Biosiegel, einem weißen Zweig auf grünem Grund, begleitet wird. Doch das diskursive Volumen des Bio-Booms ist größer als seine Realität in deutschen Ställen.11 Nicht einmal ein Prozent (0,7 %) der knapp 28 Millionen in Deutschland gehaltenen Schweine lebte 2016 unter als ökologisch klassifizierten Bedingungen, die eine trockene Liegefläche und Auslauf garantierten sowie die Anbindehaltung, Ferkelkäfige, das systematische Abkneifen der Zähne und Kupieren der Schwänze verböten. 5,7 Prozent der Rinder und 4,1 Prozent der Hühner werden unter den Bedingungen der ökologischen Landwirtschaft gehalten.12 Gleiches gilt für diskursiv ebenfalls äußerst präsent gewordene Ernährungsweisen, die auf Fleisch  – Vegetarismus  – oder sämtliche tierische Lebensmittel – Veganismus – verzichten. Der Anteil vegan lebender Menschen über 14 Jahren lag im Jahr 2018 bei 1,4 Prozent,13 derjenige von Vegetarierinnen und Vegetariern lag verschiedenen Studien zufolge zwischen vier und neun Prozent.14 Das gegenwärtige Bild schillert also in verschiedenen Farben zugleich. Der durchschnittliche individuelle Fleischverzehr ist seit 1991 rückläufig und sank von 64 Kilogramm pro Person auf seit 2000 zwischen 59 und 61 schwankende Kilogramm.15 Insbesondere sank der Schweinefleischverzehr, der aber immer noch mehr als die Hälfte der 60 Kilogramm ausmacht. Der Konsum von Geflügel- und Rindfleisch ist auch aktuell im Steigen begriffen, wobei das Huhn das Rind inzwischen deutlich hinter sich gelassen hat.16 Der sinkende Schweinefleischverzehr bedeutet jedoch nicht, dass in Deutschland weniger Schweine gehalten würden. Der Export von Schweinefleisch stieg im selben Zeitraum kontinuierlich an, sodass die Bundesrepublik 2017 die USA als größten Schweinefleischexporteur der Welt abgelöst hat.17 Diese Ambivalenzen schmälern die seit 1990 in der gesellschaftlichen Aushandlung landwirtschaftlicher Tierhaltung auszumachende Dynamik nicht. 11 Dieser Befund gilt ebenso für das Leistungsparadigma im Stall, das seit Mitte der 1990er Jahre von agrarwissenschaftlicher Seite zunehmend wegen seiner versteckten Kosten hinterfragt wurde, in der Praxis jedoch davon unbeeindruckt fortexistierte, siehe z. B. Marschang, insb. S. 19–22. 12 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2018, S. 494. 13 IfD Allensbach, Personen in Deutschland. 14 Für repräsentative 4,3 % zwischen 2008 und 2011 siehe Mensink u. a.; für seit 2007 unverändert gebliebene 9 % »die sich selbst als Vegetarier einordnen oder als Leute, die weitgehend auf Fleisch verzichten«, siehe IfD Allensbach, Anzahl der Personen. 15 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Fleischkonsum. 16 Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Pro-Kopf-Konsum. 17 Workman; United States Department of Agriculture Foreign Agricultural Service; USDA Foreign Agricultural Service.

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Während sich das Geschehen innerhalb der Ställe in den vergangenen drei Jahrzehnten im Wesentlichen in der seit 1950 eingeschlagenen Richtung fortbewegte, verschob sich das Verhältnis zwischen Stall und Gesellschaft in der jüngsten Vergangenheit massiver als in den Jahrzehnten zuvor. Regelmäßige Lebensmittelskandale um Etikettenschwindel, rückstandsbehaftete Eier oder verdorbenes Fleisch, die in der BSE-Krise der 2000er Jahre kulminierten, befeuerten das wachsende außerlandwirtschaftliche Interesse am Geschehen in den Ställen. Parallel dazu wuchs ein kontinuierliches Problembewusstsein, da sich in landwirtschaftlicher Tierhaltung verschiedene ethische Bedenken trafen und verstärkten. Seit 2011 marschieren unter dem Motto »Wir haben es satt!« einmal jährlich zehntausende Bürgerinnen und Bürger in Berlin auf, um für eine Agrarwende zu demonstrieren, die einen anderen Umgang mit Tieren und deren Produkten beinhalten soll. Vegetarische und vegane Ernährungsangebote wurden zu Standards auf vielen Partys und immer mehr Speisekarten. Das Ergebnis dieses Wandels zwischen Stall und Gesellschaft ist, wie die Geschichte stets, noch offen.

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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3:

Abb. 4: Abb. 5:

Abb. 6: Abb. 7:

Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10:

Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14:

Doppelkuhgespann 1958, Kleinwirtschaften im Krs. Worbis, Bez. Erfurt, Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20314/A 000003. Eine Flüchtlingsfamilie mit ihrer neuen Färse nach der Verteilung in Coesfeld am 8. September 1950, Peggy Reiff Miller Collection, Courtesy of ­Muriel Ellshoff. Joseph C. Dell (stehend mit Klemmbrett), der Vertreter des Heifer Project Committees in Deutschland, bei seinem Besuch in der Kleinsthofsiedlung »Weißes Venn« im September 1950, Peggy Reiff Miller Collection, Courtesy of the Joe Dell Family. Rinder auf der 55. DLG-Ausstellung in Frankfurt 1978, DLG-Archiv Frankfurt. Einzelfütterungsbuchten im Kälberstall des Max-Planck-Instituts für Tierzucht und Tierernährung Mariensee, in: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.), Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung, Neustadt am Rübenberge 1967, S. 12. Einzelfütterung von Kühen im Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung Mariensee, in: Max-Planck-Gesellschaft (Hg.), Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung, Neustadt am Rübenberge 1967, S. 13. VW-Busse des AID zur Filmvorführung von landwirtschaftlichen Lehrfilmen in den 1950er Jahren, in: Bundeszentrum für Ernährung, https:// www.bzfe.de/inhalt/zur-geschichte-des-aid-989.html, Copyright BLE (abgerufen am 8.3.2019). Fleckvieh-Kuh »Lilie 2066« auf der 42. DLG-Ausstellung 1953 in Köln, in: DLG (Hg.), Deutsche Spitzentiere im Wettstreit. Urteil der Berichterstatter der Tierschau Köln 1953, Frankfurt 1953, S. 108. Bullen auf der 55. DLG-Ausstellung 1978 in Frankfurt, wie sie an Führstangen im Prüfring dem Richtertisch vorgeführt werden, DLG-Archiv Frankfurt. »Ganz der Vater« könnte man bei diesem Sohn eines Charolaisbullen und einer schwarzbunten Kuh sagen. Mit genau einem Jahr erreichte er ein Gewicht von 500 kg, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1970, H. 49, S. 15. Frühe Werbung für die Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen mit dem Hormonpräparat Gonagestrol, in: Tierärztliche Umschau, Jg. 28, 1973, S. 417. Werbung für das Hormonpräparat Gonagestrol, in: Tierärztliche Umschau, Jg. 34, 1979, S. 13. Dieter Demme (Foto), LPG Hottelstedt, Blick in die Sortierung, 17.4.1967, BArch Bildarchiv, Bild 183-F0417-0007-001. Jahreszeitliche Schwankung der Eiererzeugung der Bundesrepublik 1951/54, 1958/61 und 1967/70, in: Berichte über Landwirtschaft, Jg. 49, 1971, S. 369.

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Abb. 15: Legehennen in einer Dreietagenkäfigbatterie, Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20314 agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, Markkleeberg. Abb. 16: Einstallen in die Dreietagenkäfigbatterie eines KIM, Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20314 agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, Markkleeberg. Abb. 17: Schweinestall, dänische Bauart, in: Lohmann & Co. KG u. H. Steinmetz (Hg.), Tierfütterung und Tierhaltung. Mehrsprachen-Bildwörterbuch, Betz­dorf / Sieg 19662, S. 169 sowie H. Steinmetz (Hg.), Tierproduktion. Mehrsprachen-Bildwörterbuch, Weikersheim 19936, S. 367. Abb. 18: Sauenkäfig mit Schutzstangen, in: H. Steinmetz (Hg.), Tierproduktion. Mehrsprachen-Bildwörterbuch, Weikersheim 19936, S. 387. Abb. 19: Automatische Naßfütterungsanlage, in: H. Steinmetz (Hg.), Tierproduktion. Mehrsprachen-Bildwörterbuch, Weikersheim 19936, S. 372. Abb. 20: Selbstgebauter Holzkasten, in den die Muttersau während und nach der Geburt ihrer Ferkel gesperrt wurde, in: Neue Mitteilungen für die Landwirtschaft 1950, H. 15, S. 226. Abb. 21: Besucher der Sonderschau »Moderne Schweineproduktion« auf der 1. DLG-​ Ausstellung »Huhn & Schwein«, DLG-Archiv Frankfurt. Abb. 22: Abferkelstand als Neuheit für die industriemäßige Produktion, ausgestellt auf der Messe agra 1968, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1968, H. 25, S. 6. Abb. 23: Besucher vor einer neuartigen dreietagigen Käfigbatterie für Ferkel auf der Messe »Huhn & Schwein« 1975 in Hannover, DLG-Archiv Frank-­ furt. Abb. 24: Gerhard Naumann (Foto), Der Plaststall von innen, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1980, H. 21, S. 16. Abb. 25: ADN / Zentralbild (Foto), Waldmast von 20.000 Mastschweinen des Schweinezucht- und -mastkombinats Eberswalde im Sommer 1974, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1974, H. 42, S. 9. Abb. 26: Mastschwein mit von der Decke hängender Kette zur Beschäftigung und Verhinderung von Kannibalismus im Schweinestall, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1964, H. 33, S. 7. Abb. 27: Eugen Roth (Foto), »Mit Hilfe des Kleintraktors UT 082 mistet Meister Siegfried Gerhard im neuen Läuferstall aus«, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1989, H. 42, S. 11. Abb. 28: Karin Fries (Foto), »HALTUNG DER FERKEL IN ›BODENKÄFIGEN‹ – eine neue Variante, um Ferkel aufzustallen. Bodenkäfige kommen arbeitswirtschaftlichen und hygienischen Gesichts-punkten sehr entgegen.«, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 10, S. 12. Abb. 29: Karl Berthold (Foto), »Unter schwierigen Bedingungen muß Vera Pfund noch Schweine mästen. Im nächsten Jahr erreicht die Bäuerin das Rentenalter. Ihre Nachfolge im Stall ist bislang offen.«, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1989, H. 46, S. 6. Abb. 30: Josef Boxberger (Foto), Funktionsschema einer automatisierten Flüssigfütterung im Schweinestall, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 40, S. 12.

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Abb. 31: Fritz Fleege (Foto), Flüssigfütterungsautomat mit händischen Trogventilen, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1987, H. 38, S. 6. Abb. 32: Desinfektionsmatte am Stalleingang, Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20314 agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, Markkleeberg. Abb. 33: Desinfektionswanne am Eingang einer »Tierproduktionsanlage«, Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Bestand 20314 agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, Markkleeberg. Abb. 34: Illustration zum Dorfkonflikt um die Gerüche aus dem Schweinestall in Zusamaltheim 1972, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1972, H. 3, S. 12. Abb. 35: Jan Peter Kasper (Foto), Ausschnitt aus den 600 Hektar abgestorbenem Fichtenwald im Umkreis der Schweinezucht und -mastanlage Neustadt / Orla, aufgenommen am 20. März 1990, BArch Bildarchiv, Bild 1831990-0320-002. Abb. 36: Rainer Engelhardt (Foto), Massiver Protest unmittelbar nach Mauerfall. Etwa 3.500 Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten am 19.11.1989 gegen die SZM Neustadt / Orla.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Unveröffentlichte Quellen Archiv der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Frankfurt Unsortierte Text- und Bildbestände zu den Ausstellungen der DLG 1946–1990.

Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig 20314 agra-Landwirtschaftsausstellung der DDR, Markkleeberg. Filmmaterial 1967–1990: agra-011.12-VHS, agra-024/09-VHS, agra-059/03-VHS, agra-­ 067.5-VHS, agra-114/03-VHS, agra-148/03-VHS, agra-148/01-F, agra-151-01-F, agra-164/03-VHS.

Bundesarchiv Filmarchiv Berlin Wilmersdorf BCSP 3314-1, BCSP 3883-1, BSL 21719, BSP 15483-2, BSP 1871-1, BSP 9030-2, K 31747-2 Sig. 28815, K 333092-1 Sig. 29935, K 334383-1 Sig. 30634.

Berlin Lichterfelde DK 1 Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft / 577 Zusammenarbeit mit Großbritannien. 3822 Teilnahme einer Delegation an der Tagung der Arbeitsgruppe der Ständigen Kommission des RGW zu Fragen der Rinderzucht und der künstlichen Besamung in Moskau vom 19.–16. [sic!] Feb. 1959. 3837 Entwicklung der Tierzucht und Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. 3859 Volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Bedeutung der Viehhaltung sowie Ursachen der Nichteinführung der sozialistischen Arbeitsorganisation und der Nichtdurchsetzung des Leistungsprinzips in der Viehwirtschaft. 3873 Entwicklung und Steigerung der Leistung. 3877 Meldungen über kuhlose Neubauernwirtschaften. 3908 Entwicklung der Geflügelhaltung und Mast. 3920 Durchführung und Entwicklung der künstlichen Besamung. 3925 Künstliche Besamung von Rindern und Ziegen. 3938 Maßnahmen zur Erreichung einer produktiven Viehwirtschaft. 3946 Maßnahmen zur Steigerung der Viehwirtschaft. 3962 Entwicklung und Steigerung. 4050 Durchführung des 1. Zentralen Erfahrungsaustausches der VEB für Mast von Schlachtvieh. 7158 RGW, Einrichtung eines internationalen Spermadepots. 8327 Befehl des obersten Chef d. SMAD vom 3. November 1945: Maßnahmen zur Vermehrung des Viehs.

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8342 SMAD-Befehl Nr. 181, 24.11.1948, Schweinemastaktion. 8344 Viehaufbau-Aktion in Mecklenburg und Brandenburg 1947–1948. 10320 Zentraler Erfahrungsaustausch zu Problemen der Milchproduktion und der Entwicklung der Kuhbestände sowie der Winterfütterung der Kühe in Leipzig. 10779 Entwicklung des ländlichen Bauwesens. 10954 Künstliche Besamung. 10957 Eutergesundheit und Milchhygiene. 10965 Technisch-ökonomische Zielstellung für Viehanlagen. 11356 250er Hühnerstall Typ »H3« in Hohlblockbauweise, Schweinemaststall für 500 (720) Tiere mit Zwangslüftung (Trog- und Automatenfütterung). 11901 Gesamtvorgang Unterlagen der Beispielanlage für 2000 Kühe Dedelow. 11987 Modell der Bereiche Schweinehaltung, Geflügelhaltung, und Rinderhaltung. 15276 Abschlußbericht Sicherung der Eutergesundheit. 28126 Information zum Stand des Exports landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

Koblenz, Bildarchiv 183-F0417-0007-001, 183-1990-0320-002.

Koblenz B 116 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten / 7 Tagungs- und Reiseberichte, 1948–1953. 98 Tierzucht. – Rinderzucht und -haltung: Rinderspende der USA für Flüchtlinge, Tierzuchtinstitute, Forschungsanstalten, 1949–1952. 260 Schweinemastaktion. – Beschaffung von Futtermittel, 1948–1952. 2917 Auslandsdienstreisen. – Berichte, auch über Dienstreisen des nachgeordneten Bereichs, 1954–1975. 7718 Fleisch- und Viehimporte. – Rechtsstreitigkeiten, 1948–1958. 11194 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft. – Aufhebung der 100 Tonnen Klausel. 11228 US-Geflügeleinfuhr. – Hähnchenkrieg. 11321 Geflügeleinfuhren aus den USA. – Hähnchenkrieg. 17293 Tierzucht. – Schweinezucht und -haltung, 1964–1965. 17922 Tierzucht. – Rinderzucht und -haltung, Allgemeines. 17924 Tierzucht. – Schweinezucht und -haltung, 1962–1968. 23044 Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Bearbeitung von Denkschriften, Vorschlägen und Anträgen auf dem Gebiete der Erzeugung, 1960–1972. 23045 Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Bearbeitung von Denkschriften, Vorschlägen und Anträgen auf dem Gebiete der Erzeugung, 1972–1974. 23272 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. – Rindfleischproduktion. 23293 Tierzucht. – Rinderzucht und -haltung, Allgemeines, 1968–1971. 25567 Vieh- und Fleischwirtschaft. – Allgemein, 1968–1973. 27014 Hilfsmaßnahmen für die deutsche Schlachtgeflügelwirtschaft, 1971–1972. 27384 Förderungsmaßnahmen.  – Bundeszuschüsse für die Geflügelwirtschaft, 1958–1968. 38804, Tierzucht. – Schweinezucht und -haltung, 1972–1976. 50126 Massentierhaltung. – Geflügel und Tauben: Gutachten über tierschutzgerechte Haltung von Wirtschaftsgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 1968–1976.

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50127 Massentierhaltung. – Geflügel und Tauben: Gutachten über tierschutzgerechte Haltung von Wirtschaftsgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 1973–1974. 50128 Massentierhaltung. – Geflügel und Tauben: Gutachten über tierschutzgerechte Haltung von Wirtschaftsgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 1974–1975. 50129 Massentierhaltung. – Geflügel und Tauben: Gutachten über tierschutzgerechte Haltung von Wirtschaftsgeflügel in neuzeitlichen Haltungssystemen, 1975–1976. 50201 Ausschüsse, Beiräte. – Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose: Mitglieder, Resolutionen, Arbeitstagungen, 1951–1954. 50202 Ausschüsse, Beiräte. – Bundeskuratorium für Förderung der Bekämpfung der Rindertuberkulose: Mitglieder, Resolutionen, Arbeitstagungen, 1954–1962. 50287 Seuchenbekämpfung. – Deckinfektionen der Rinder, 1972–1974. 50288 Seuchenbekämpfung. – Deckinfektionen der Rinder, 1975. 72746 Rechtsverordnung zum Tierseuchengesetz. – Massentierhaltungsverordnung – Schweine, 1972–1974.

B 122 Bundespräsidialamt 8493 Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG). – Auszeichnung verdienter Tierzüchter durch den Ehrenpreis, 1969–1974. 16722 Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG). – Ansprache des Bundespräsidenten bei der DLG-Ausstellung am 17. Sept. 1974 in Frankfurt a. M., Stiftung und Verleihung des Ehrenpreises für verdiente Tierzüchter durch den Bundespräsidenten, 1974–1979.

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viehs – Vierer-Koalition in Eiern, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1959, H. 44, S. 15. –, Ein Schweinestall der nicht viel kostet. Ein unterfränkischer Bauer verrät seinen Berufskollegen, wie er zu einer preisgünstigen und arbeitsparenden Lösung gekommen ist, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1964, H. 33, S. 7–10. –, Hier endet ein kurzes Hähnchenglück. Südbayerische Geflügelschlächterei Ganghofen läuft schon bei Einweihung auf vollen Touren, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1964, H. 46, S. 16 u. S. 18. –, Mastschweine bedienen sich selbst. Automatik und Nachbarschaftshilfe als wichtige Betriebsfaktoren, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1965, H. 5, S. 26 u. S. 28. –, Frühentwöhnte Ferkel auf Gitterboden. Sauen-Nachwuchs hat nichts gegen wohltemperierte Käfighaltung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1969, H. 9, S. 16. –, Mit Baufachleuten auf Hofbeschau. Mist und Odel für feine Nasen entschärft – Mit Sauerstoff durchsetzter Schweinemist stinkt nicht mehr, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1972, H. 16, S. 12 f. –, Eigenheim für muntere Ferkel. Veranden oder Batterien verbessern und verbilligen die Aufzucht, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1973, H. 7, S. 18. –, Schweinestall für hohe Leistung. Neben der Fütteurng ist die Haltung der Tiere die zweite Säule für den Erfolg im Stall, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1974, H. 50, S. 14 f. –, Kein Platz für Schweine. Umweltschutz blockiert bäuerliche Nutztierhaltung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1975, H. 43, S. 13 f. –, 70 Sauen im Nebenerwerb. Wie man das schafft, ohne die Frau zu überfordern, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 40, S. 13 f. –, Ferkel auf Spaltenboden. Schweinenachwuchs gesund, Arbeit weniger, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 7, S. 22 f. –, Hybridschweine wird es bald in ganz Bayern geben. Züchterversammlung legt weitere Schritte fest, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 33, S. 14. –, Wie man mit dem Borstenvieh »Schwein« haben kann. Notizen aus Niederbayern zur »Rein-Raus«-Methode und deren Auswirkungen auf die Stallhygiene, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1976, H. 52, S. 27–29. Bichl, W., Die Landflucht und ihre Bekämpfung, in: Der Ehemalige – Organ des Landesverbandes ehemaliger Landwirtschaftsschüler in Bayern, 6.9.1952, S. 1. Blanckenburg, P. v., Die Persönlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebsleiters in der ökonomischen Theorie und der sozialen Wirklichkeit, in: Berichte über Landwirtschaft, Jg. 35, 1957, S. 308–336. –, Die Berufsbejahung in der Landwirtschaft. Bemerkungen zur sozialpsychologischen Situation des westdeutschen Bauerntums, in: Berichte über Landwirtschaft, Jg. 37, 1959, S. 21–40. Blanken, G., Moderne Stallformen in der Schweinehaltung, in: Mitteilungen der DLG 1967, H. 47, S. 1568. –, Aus Leserbriefen: Gut geputzt ist halb gefüttert, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 145, 1955, S. 1273.

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tivität in der Schweineproduktion erzielen zu können, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1990, H. 1, S. 8. –, Aus der Futterberatungsstelle Bayern in Grub. Schweineweide ja – aber richtig!, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 144, 1954, S. 1277. –, Aus Leserbriefen. Schattenseiten der Landwirtschaft, in: Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, 22.12.1955, S. 1321. –, Aus Schwaben. Ein Jahr Rinderbesamungsgenossenschaft Memmingen. Die zweckmäßigste und schönste Station Südbayerns, in: Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 142, 1952, S. 12. –, Berliner können bei der Schweinemast helfen, in: Berliner Zeitung, 22.9.1951, S. 5. –, Bertelsmann. Profil mit Ei, in: Der Spiegel 1968, H. 9, S. 114. –, Besamungsbullen stehen unter laufender Kontrolle. Die »Bullenprüfstelle Nordbayern« in Neustadt an der Aisch ermittelt ständig die Erbwerte der eingesetzten Vererber, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 145, 1955, S. 311. –, Beste Milch nur aus gesunden Eutern. Nicht das einzelne Tier, sondern die Herde wird im Mittelpunkt der jetzt umfassend anlaufenden Sanierung stehen; Mahnende Worte zur Stallhygiene und für den Melkmaschinendienst, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1964, H. 1, S. 15. –, Biß-Schutz für Schweine, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1966, H. 31, S. 14. –, Bundestag erlaubt betäubungslose Ferkelkastration noch bis Ende 2020, in: Tagesspiegel, 30.11.2018, https://www.tagesspiegel.de/politik/fristverlaengerung-bundestagerlaubt-betaeubungslose-ferkelkastration-noch-bis-ende-2020/23700638.html (abgerufen am 8.3.2019). –, Common Market. The Chicken War, in: Time Magazine, 14.6.1963, http://content. time.com/time/magazine/article/0,9171,874857,00.html (abgerufen am 8.3.2019). –, Das Kapitel vom Tränken der Tiere. Durch eine Selbsttränke-Anlage mehr Milch, schnellere Mast, Tbc-freier Bestand, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 145, 1955, S. 2244 f.  –, Dem Tier besser angepasst. Stalleinrichtungen für Rinder, Schweine, Schafe, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1968, H. 25, S. 14. –, Der erste Melkmaschinen-Wettbewerb im Spitalhof in Kempten – zehn Teilnehmer, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1960, H. 12, S. 50. –, Der geplante Maststall erregte den Zorn der Bürger. Eine Bürgerinitiative gegen den Ausbau der Schweinehaltung und ihre Folgen, in: DLG-Mitteilungen 1977, H. 13, S. 738–740. –, Der Gott des Geflügels. Jeder kennt Wiesenhof, doch niemand nimmt Notiz vom Bruderkonzern. Dabei kontrolliert Erich Wesjohann damit weltweit das Erbgut von Hühnern, Puten und Fischen, in: Manager Magazin 2018, H. 4, S. 60–66. –, Der Hühnerhalter muß mit dem Pfennig rechnen. Kostenstruktur der Legehennenbetriebe unter die Lupe genommen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 4, S. 12. –, Der Mensch hat das Schwein zur Sau gemacht. Verhätschelte, falsch behandelte Hobby-Tiere, staatlich geförderte Quälerei an Nutztieren […], in: Der Spiegel 1973, H. 53, S. 76–84. –, Der richtige Bulle für Ihre Kuh. Die Besamung macht die Zuchtwahl leichter, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 29, S. 13.

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–, Dicker Batzen. Nirgends in Europa fällt auf engstem Raum soviel Gülle an wie bei den Holländern, in: Der Spiegel 1988, H. 44, S. 230 f. u. S. 234. –, Die »Pille für die Kuh«, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1974, H. 1, S. 6. –, Die Erstmechanisierung bringt den größten Effekt. Schlußfolgerungen aus der Analyse der Bausubstanz für das Modernisieren der Ställe, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1989, H. 28, S. 3. –, Die Melkmaschine setzt sich immer mehr durch. Sie gehört zu den wirtschaftlichsten Maschinen im Betrieb, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1956, H. 10, S. 17. –, Die Pille verhilft der Kuh zum Nachwuchs. Fruchtbarkeitsstörungen kann man nun vorbeugen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1974, H. 1, S. 11. –, Die Produktionsentwicklung für Eier in der Bundesrepublik aus der Perspektive des Importeies gesehen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 143, 1953, S. 1669. –, Die Selbstbedienung in den Bundesländern, in: selbstbedienung und supermarkt, Jg. 9, 1965, H. 7, S. 8 f. –, Die Zwangslüftung regelt das Stallklima ganz nach Wunsch. Je dichter der Tierbesatz, desto wichtiger ist eine genaue Steuerung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1972, H. 45, S. 28. –, Diese Woche im Fernsehen, in: Der Spiegel 1984, H. 10, http://www.spiegel.de/ spiegel/print/d-65917066.html (abgerufen am 8.3.2019). –, Drei Wünsche an das Jahr 1969, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 158, 1968, S. 22. –, Eier im Kalten Krieg, in: Neue Zeit, 22.8.1953, S. 2. –, Eierfabriken. Hühner im Hochhaus, in: Der Spiegel 1966, H. 37, S. 74 f. –, Ein neuer Weg der Färsenvornutzung. Die hochträchtigen Tiere werden kurz vor dem Abkalben geschlachtet, das Kalb wird aufgezogen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1973, H. 4, S. 30. –, Einsilieren schon im Mai, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 144, 1954, S. 846. –, Eiweißfütterung in der Bullenmast, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1963, H. 50, S. 20. –, Entweder schaffen Sie Ihr Milchvieh ab oder holen Sie das Letzte aus Ihren Kühen heraus, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1970, H. 14, S. 20 f. –, Erster Kurzlehrgang für Schweinebesamer, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 7, S. 14. –, Ferkel früh allein, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1968, H. 20, S. 11. –, Ferkelerzeugung mit Rein-Raus-Verfahren. Arbeitserleichterung und bessere hygienische Verhältnisse sind die Vorteile, in: Mitteilungen der DLG 1980, H. 14, S. 797–800. –, Festveranstaltung zu Ehren Mitschurins, in: Neues Deutschland, 27.10.1955, S. 1. –, Flatternd in den Brühkessel. Ist das Tier eine fleischproduzierende Maschine?, in: Die Zeit 1965, H. 35, https://www.zeit.de/1965/35/flatternd-in-den-bruehkessel/ komplettansicht (abgerufen am 8.3.2019).

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–, Fragekasten: Aufzucht von Mastküken, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1966, H. 10, S. 36. –, Frische Luft auch auf Spaltenboden. Unterflurabsaugung verbessert das Klima, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1969, H. 19, S. 16. –, Fünf Millionen Hühner verdienen ihr Futter nicht. Neuer Beruf soll Wandel schaffen – Zwölf Meistersortierer beginnen Ausbildung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 146, 1956, S. 11. –, Für 1.000 Schweine nur drei Stunden. Rationalisierung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen half den Merxlebener Genossenschaftsbauern ihre Arbeitsproduktivität erheblich zu steigern, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1980, H. 44, S. 10. –, Futter und Fütterung. Magere Kühe sind ein Verlustgeschäft. Leistungsvermögensausnutzung liegt im Interesse wirtschaftlicher Milcherzeugung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1956, H. 20, S. 8. –, Fütterung einzeln oder in Gruppen? Bei der Kälbermast geht es um jedes Gramm, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 2, S. 17. –, Gefängnis für Schieber, in: Neues Deutschland, 25.4.1958, S. 8. –, Gegen Futterverderb, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1965, H. 27, S. 18. –, Gibt es ein Melkmaschinen Euter? Rinderzüchter verwahren sich gegen unsach­ liche Behauptungen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1957, H. 40, S. 12. –, Grzimek darf von »KZ-Hühnern« reden. Das Gericht: »Bewußt provokatorische Äußerung« – Vergleich nicht so abwegig, in: Stuttgarter Zeitung, 15.1.1976, S. 16. –, Grzimek. Spur verloren, in: Der Spiegel 1969, H. 45, S. 31 f. –, Haltung und Fütterung der Maikücken [sic!], in: Die Bäuerin / Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 143, 1953, S. 621. –, Hühner: Hinter dem Komma. Unter Hühnerforscher ist wieder einmal Streit über die rechte Hennenhaltung ausgebrochen. Bonn finanziert einen umstrittenen Großversuch mit neuen Käfig-Batterien, in: Der Spiegel 1976, H. 49, S. 94 f. –, Hühnerfarm kostet 50 DM je Huhn. Ergebnisse der Lehr- und Versuchsanstalt für Geflügel- und Kleintierzucht Krefeld-Großhüttenhof, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1960, H. 3, S. 18. –, In Bayerns Viehzucht geht Leistung jetzt vor Schönheit. Landwirtschaftsausstellung präsentiert Klasse-Tiere von vorzüglicher Wirtschaftlichkeit, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1970, H. 10, S. 14. –, Jeder Zuchtsau ihre eigenen vier Wände, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1972, H. 13, S. 14. –, Jedes dritte Kalb aus der Besamung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1962, H. 18, S. 14 f. –, Jetzt kommen die Ferkel in den Käfig, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1972, H. 15, S. 14. –, Kooperationsverband Broiler, Geflügelfleisch mit Gütezeichen, in: Kooperation. Zeitschrift für die sozialistische Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft 1967, H. 3/4, S. 70–73. –, Küchenabfälle für Schweine, in: Berliner Zeitung, 3.2.1952, S. 8.

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–, Kühe sind keine Automaten. Die Vorbereitungsfütterung ist der Schlüssel zur Leistungssteigerung, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1959, H. 46, S. 16. –, Kümmerliches Etwas. Das Fleisch des deutschen Hausschweins, sagen nun auch die Wissenschaftler, taugt nichts mehr, in: Der Spiegel 1981, H. 50, S. 228 f. –, Lachen und Fluchen. Die alte Garde geht: Nach über 37 Jahren wird SPD-Bauer Schmidt-Gellersen aus dem Parlament ausscheiden, in: Der Spiegel 1986, H. 14, S. 36 f. –, Landwirtschaft  – Mastvieh: Zur Bleichsucht verurteilt (inkl. Textabdruck aus »Tiermaschinen«), in: Der Spiegel 1966, H. 21, S. 64–66. –, Landwirtschaft. Hähne auf und zu, in: Der Spiegel 1977, H. 48, S. 81–86. –, Landwirtschaft. Hohe Milchbehörde, in: Der Spiegel 1960, H. 7, S. 25 f. –, Leser Fragen, wir antworten: Bitte teilen Sie mir die Vor- und Nachteile des Spaltenbodens mit gegenüber der Dänischen Bucht mit Kotabwurfschächten am Mistgang in ein Schwemmrohr, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1968, H. 1, S. 7. –, Lob der Milchkuh, Bekanntes und Unbekanntes über eine gute, alte Freundin, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1957, H. 4, S. 18. –, Mehr Rinderbesamungen. Überblick über die Entwicklung in den letzten Jahren, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1967, H. 19, S. 31. –, Millionen sollen für die Werbung rollen: Dem Käufer die Milch schmackhaft machen. Der Absatz muß gesteigert werden, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1960, H. 35, S. 20. –, Mit weniger Kälbern mehr Fleisch erzeugen. Neue Methoden können die Marktlücke in der Rindfleischversorgung schließen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1970, H. 49, S. 14 f. –, Mittelfranken steht an der Spitze. 32,3 aller Rinder stehen im TuberkuloseBekämpfungs­verfahren – Jede dritte Kuh staatlich anerkannt tbc-frei, in: Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 144, 1954, S. 1972. –, Neue Bewertung bei der Besamung. Bayerns Landeskörausschuss weilte in der Besamungszentrale Neustadt / Aisch  – Nachgewiesene Vererbungsleistung maßgeblich für Körurteil, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt, Jg. 145, 1955, S. 1281. –, Neuheiten für die industriemäßige Produktion, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1968, H. 25, S. 6. –, Not des Federviehs, 43 Millionen Hühner fristen, zum Entsetzen der Tierschützer, ihr Dasein eingepfercht in deutschen Legebatterien. Jetzt sollen die Richter in Karlsruhe entscheiden: Ist die Bonner Verordnung, welche die Käfighaltung auf engstem Raum seit 1988 legalisiert, verfassungswidrig?, in: Der Spiegel 1998, H. 11, S. 172–175. –, Organisation der Abferkelungen in industriemäßig produzierenden Schweinegroßbeständen, in: Aktuelles aus Wissenschaft und Praxis für die sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe des Bezirkes Leipzig 1967, H. 1, S. 10–12. –, Pluspunkte für Ganzspaltenböden. Sie sind im Mastschweinestall gar nicht so schlecht, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1975, H. 50, S. 23. –, Sauenbesamung in Ungarn, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1969, H. 19, S. 8. –, Schieber zertrampelte 150 Eier, in: Neue Zeit, 31.5.1958, S. 6.

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–, Schlamperei beim Eierverkauf, in: Berliner Zeitung, 6.8.1953, S. 6. –, Schulte & Dieckhoff. Immer was Neues, in: Der Spiegel 1968, H. 15, S. 100 u. S. 102. –, Schulte. Müder Markt, in: Der Spiegel 1967, H. 19, S. 97. –, Schwein mißachtet Vorfahrtsrecht, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1958, H. 47, S. 18. –, Schweine bedienen sich selbst. Automaten sparen Arbeit und Stallraum, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 51/51, S. 24. –, Schweinemastanlage in Haßleben. Plakat von Initiative Pro-Schwein mit Brandsatz abgefackelt, in: Nordkurier 30.8.2013, https://www.nordkurier.de/prenzlau/plakatvon-initiative-pro-schwein-mit-brandsatz-abgefackelt-301489208.html (abgerufen am 8.3.2019). –, Schweinemastanlage in Haßleben, https://www.tierschutzbund.de/information/ hintergrund/landwirtschaft/schweine/schweinemastanlage-in-hassleben/ (abgerufen am 8.3.2019). –, Sekunden für ein Hähnchen. Arbeitskosten der Hähnchenmast genau überprüfen, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 4, S. 12 f. –, Sind hohe Milchleistungen immer richtig? Fragen, die nicht nur den Züchter angehen – Ab wann die Kuh ihr Futter wert ist, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1959, H. 20, S. 12. –, Skandalplakate bei PETA. Gerichtshof weist Tierschützer mit Holocaust-Vergleich ab, in: Tagesspiegel 8.11.2012, https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/skandal​ plakate-bei-peta-gerichtshof-weist-tierschuetzer-mit-holocaust-vergleich-ab/​7362​ 948.html (abgerufen am 8.3.2019). –, Spaltenboden aus Ziegelbalken. Eine rutschsichere Trittfläche wird von den Tieren deutlich bevorzugt, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1966, H. 52/53, S. 32. –, Spaltenboden hat nicht nur Vorteile. Futterverbrauch höher, es kommt sehr auf Wärme-Regulierung an, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1965, H. 50, S. 20. –, Stammt das Fett aus der Zucht oder der Mast?, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1969, H. 15, S. 17. –, Stellungnahme zur Massentierhaltung, in: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierschutz e. V. 1973, H. 4, S. 4. –, The Chicken War. A Battle Guide, in: New York Times, 10.1.1964, S. 45. –, Tierfreundlich, arbeitssparend, kostengünstig. Leistungsgerechte und arbeitssparende Haltungsverfahren für Sauen, in: Mitteilungen der DLG 1975, H. 15, S. 857. –, Von ganz hinten an die Spitze. Bei der Analyse ihrer Aufzuchtergebnisse stießen Kargower Bauern auf Unzulänglichkeiten, die sie zielstrebig beseitigten, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1987, H. 40, S. 8. –, Waldmastbilanz. 15.000 Tonnen Fleisch, in: Neue Deutsche Bauernzeitung 1974, H. 47, S. 8. –, Was bieten unsere Besamungsbullen? Jeder Stier hat seine ganz besondere Note, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1971, H. 42, S. 13. –, Was der Mensch so alles verträgt, in: Der Spiegel 1997, H. 17, S. 42–47. –, Werbung Muskator Geflügelfutter, in: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt 1965, H. 26, S. 23. –, Wo bleiben die Eier?, in: Berliner Zeitung, 31.7.1953, S. 8.

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Register Adenauer, Konrad  123, 165 f., 168 Agency d. Tiers  23 f., 63, 96 f., 196 f., 255, 262, 289 AID 71 f., 148 Arbeitsersparnis  91, 246, 256 f. Arbeitsgemeinschaft »Technik und Bau in der Tierhaltung«  241, 246 f. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinder­ züchter ​56, 106 Arbeitskräftemangel  42, 95, 321, Arbeitsproduktivität  15, 18, 95, 187 f., Auslauf, Auslaufhaltung  149–151, 175–177, 231, 234, 236 f., 330 Ausmerzen, Ausmerzung  68, 147 Außenhandel  14, 144, 160, 171 Ausstellungen  67 f., 102–105, 108 f., 198, 240–243, 269 Automatisierung, Automaten  66, 84, 202, 225–229, 265–277, 294 f., 311–313, 321 Bauernkongresse  76, 79, 121, 175, 188, 273 f. Beratung  64, 74, 82–84, 96, 225, 231, 246 f., 318, 320 Besamungsstation  119, 125–127, 129–131, 133, 136, 138, 238, 318 Beschleunigung  86, 138, 141, 192, 238, 244 f., 248, 265 Bildungsreisen  152, 171, 220 Bioökonomie  62, 138 f., 141 f., 320 Biotechnologie  134, 244, 272, 311, Bodenreform  16, 27, 31, 42, 45 f., 147 Brambell-Report 203 Broiler, Masthähnchen  152 f., 161–164, 182, 191–194 Brut, Brüten, Brüterei  153, 155 f., 191 f., 194, 222, 319, Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht Celle  147, 158, 181, 184, 205 Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode  70, 279 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten  54, 66, 111, 113, 148, 154, 210 f., 215, 217, 219, 223, 227

Centrale Marketing-Gesellschaft, CMA  217 Chicken War  159–171, 220 Computer, Rechentechnologie  107 f., 274, 318 Dänemark  66, 98, 106, 119, 131, 150, 169, 279, 326 Dedelow  79–86, 116 DEFA  155, 187 Dell, Joe  51, 54 f. Desinfektion  277–284, 312, 322 Deutscher Bauernverband  58, 171, 280 DLG  34, 58, 67 f., 102–105, 108 f., 198, 240–243 Economies of Scale  174–176, 180, 183, 194, 198, 221, 319 Ernährungstrends  44, 88, 99, 109 f., 137, 159, 326, 330 f. Ertl, Josef  79, 86, 109 Erzeugergemeinschaft, Genossenschaft ​ 190 f., 250, 281 Euterentzündung  83, 86, 93 Eutrophierung  301, 305 f., 329 EWG  14, 28, 33, 86, 88, 112, 163–171, 220, 293 Experimente  14, 71, 118, 120, 151, 177, 182, 197, 211–213, 223, 256, 259, 264 Färsen  47, 50, 53, 113–115, 121, 141 Federpicken  195 f. Ferdinandshof  116, 120 f. Ferkelkäfig  245 f., 264, 330 Film, Filme  34, 60, 71 f., 120 f., 124, 148, 159, 183, 187 f., 193, 215 f., 305 Fleisch, Fleischbeschaffenheit, Fleisch­ qualität  12 f., 18–20, 48, 99, 109–117, 119–121, 137, 144, 147, 159–164, 170 f., 193 f., 220, 236 f., 241 f., 254, 267, 271 f., 284 f., 287–289, 320, 323, 330 Flexibilisierung  129, 268 Forschung  34, 48, 70 f., 120, 128 f., 140, 155, 157 f., 181 f., 195 f., 212, 219, 239 f., 245 279, 284, 286–288, 294 f., 306, 318

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Frankreich  29, 86, 111, 169, 326 Futterautomaten, Fütterungsautomaten ​ 267–273, 321 GATT  161 f., 164 Geflügelkäfighaltung  145, 180 f., 195, 197, 199, 201, 205, 207–211, 213–219, 223, 240, 289, 324, 329 Gemeinsame Agrarpolitik  163 f., 171 Gerichtsprozesse  214, 219, 324 Geruch, Geruchsbelästigung, Gestank  258, 264, 290–299, 303, 309, 313 f., 325 Gewalt  60, 94, 233, 285 Grasmüller, Andreas  215 f. Großbritannien  98 f., 159, 202, 212, 214 Grzimek, Bernhard  199, 208 f., 213–215, 217, 324 Gülle  254, 289 f., 295 f., 299–310, 313, 324 f., 327 Handelskonflikt  161–163, 171 f. Handelsliberalisierung  14, 144, 160–162, 171 Harrison, Ruth  202 f., 206 Heifer Project Committee  50, 52, 54 f. Hennensortierer  148, 174 Höcherl, Hermann  165, 204, 226 Hoernle, Edwin  42 f. Honecker, Erich  77 f. Hygiene, Hygieneregime, Hygienepraktiken ​ 197, 229 f., 265, 277–284, 312, 322 Institut für Tierzuchtforschung Dummers­ torf  48, 70, 77, 120, 155, 239 f., 244 f., 284, 287 Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Humboldt-Universität  118 Italien  29, 130 Jugoslawien  182, 327 Käfigbatterie  180–182, 189, 207 f., 213–215, 219, 222, 225, 245–247, 251 Kanada  119, 136 Kannibalismus  195–197, 259–261, 296 Kastenstand  239, 242 f., 264, 311 Kennedy, John F.  166–168 Kiechle, Ignaz  219 KIM, Kombinat Industrielle Mast  160, 182 f., 188, 253, 290 Kläranlage  296, 307, 325

392

Kollektivierung  28, 31–33, 45, 61, 73–76, 147, 182 Kommodifizierung  171, 201, 221, 316, 320 Konsum, Konsumenten, Konsumentinnen ​ 13, 18 f., 35, 41, 50, 76, 103, 109 f., 117, 137, 139 f., 157, 159, 164, 199, 217 f., 223, 268, 271, 315, 323, 330 Kontrollverbände, Milchkontrollverband, Zuchtkontrollverband  106 f., 318 Konzentration  21, 78, 116, 132, 155, 180 f., 186, 190, 229 f., 238 f., 245, 278, 283 f., 286 f., 301–303, 321 f. Körung, Körwesen  100 Kostenrechnung  14, 36, 144, 175, 180, 187, 222 Krankheiten  57–59, 81–83, 127, 131, 135, 141, 189, 214, 264, 278 f., 322 Künstliche Besamung  122, 124–131, 135, 138 Kunz, Ferdinand  72, 81 f. Landarbeiter  45, 90, 187 Landwirtschaftsministerium (DDR)  47 f., 62, 74, 126–128, 231 Löliger, Hans-Christoph  205 f. Luft, Lüftung, Luftverschmutzung  258 f., 261, 289, 295, 300 Marshallplan  49 f., 60, 71, 131 Martin, Glarita  206, 219 Max-Planck-Institut für Tierzucht und Tierernährung  34, 70 f., 111 Mechanisierung  85, 91, 225, 229, 253 f., 255 f., 265 f., 277, 287, 297, 303, 328 Mehner, Alfred  205 Melkmaschine  81, 84, 86, 91–93, 95, 97, 141, 319 Moral, Moralisierung  21, 26 f., 40, 94, 115, 141 f., 145, 200 f., 223 f., 302, 316, 324 f., 329 Muttersauen  232–236, 239, 247, 251, 311 f. Nachkriegszeit  30–32, 35, 57, 326 f. Nationalsozialismus  30, 49, 128, 215, Neubau, Neubauten  178, 246, 249–251, 256, 261 Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung (NÖS)  188 Niederlande, Holland  150, 169, 190, 212, 260, 326 Niemöller, Martin  214 f.

Nitrat, Nitratbelastung  305, 313, 325 Norwegen  66, 212, 256 Nowak, Anita  284 f. Öffentliche Meinung  90, 141, 144, 202, 207–209, 211, 213, 222 f., 302, 305, 308, 324, 326, 328 Ökologie, Ökologiebewusstsein  37, 145, 200, 229, 301, 303, 308, 314 Österreich  256 f., 296 Planung, Pläne  29 f., 36, 51, 86, 88, 128, 139, 198 Polen  128, 327 Private Hauswirtschaft (DDR)  76, 194 Produktivität  15, 18, 20, 22, 39 f., 88, 90, 97, 101, 122, 139–141, 160, 183, 185, 236, 238, 264 f., 317 f., 321 f., 327 Protektionismus  87, 89, 161, 167, 171, 208 Protest  113–115, 299, 302 f., 309 Rasse, Rassengedanken  51, 56, 98, 100–103, 105, 107 f., 110–113, 116–118, 193–195 Reichelt, Hans  127–129 Reproduktion  100, 121 f., 132, 138 f., 239, 246, 317 f. Riedel, Martin  126 f. Rollmann, Dietrich  202 f. Rowe, Milena  209 Scheel, Walter  109 Schimmelpfennig, Karl  48 f. Schlachtung, Schlachten  42 f., 59, 114, 121, 148 f., 152, 190, 192, 229, 293, 310, 320, 326 Schlütter, Hans  209–211, 214, 240 f. Schönmuth, Georg  118 f. Schukow, Georgi  42 Schulte, Fritz-Karl  185 f., 221, 320 Schwanzkupieren  261, 264, 322 Schwarzbuntes Milchrind, SMR  115, 117–120 Schwarzmarkt 147 Schwarz, Werner  163, 166, 170 SED  32, 46, 61, 73 f., 77 f., 116, 118, 160, 181 f. SED-Parteitage  116, 188, 301 Selbstbedienung 268 Senger, Heinz  97 Silage  66, 72, 75 SMAD  42, 44 Sokolowski, Wassili  42

Sowjetunion  49, 128, 182 Spaltenboden  120 f., 254–264, 270, 295, 321 f. Specki-Tonne  272 f. Spezialisierung  29 f., 78, 120, 137, 152–154, 236–241, 244–248, 284, 310–312 Steak  13, 109–111, 119 Stress  84, 277, 284, 286–289, 319 Subvention, Subventionierung  14, 28 f., 87, 111, 140, 327 Systemkonkurrenz  14, 79, 140, 269 Taeger, Peter  308, 310, 325 Tiefgefrierung, Kühltechnik  125, 129, 135 f., 161, 220, 318 Tierarzt, -ärztin / Tiermedizin  29, 57 f., 122, 127, 130 f., 133–135, 138, 208, 230 f., 238, 259, 275, 278 Tierschutz  94, 202–212, 215–219, 223, 324 Transport  44, 51–55, 61, 152, 190, 223, 238, 247, 255, 257, 288, 302, 311 Tschechoslowakei  182, 296 Ulbricht, Walter  75, 78 Umwelt, Umweltbewegung  229, 282, 289, 297 f., 301–309, 325 Unternehmen, Unternehmung, Unternehmensführung  82, 143, 146, 158, 171, 179, 183, 185–187, 191, 247, 249, 316, 320 USA  31, 39, 49–53, 98, 129, 147, 150–153, 160–172, 186, 194, 212, 220, 304, 327, 330 Verein gegen tierquälerische Massentier­ haltung  214, 217 Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB),  73, 117 Verhaltensforschung, Verhaltensbiologie, Ethologie  192, 194, 197, 212, 223 Verhaltenspathologien  195–197, 259–261, 296, 322 Vermassung  14, 143 f., 175, 197–199, 221, 225, 278–284, 312, 329 Vertikale Integration  191 f., 222 VVB Industrielle Tierproduktion  182 VVB Tierzucht  116 f., 120 Wachstumsglauben  32, 86, 95, 140, 277, 279 f., 286 Wankel, Felix  214 f. Wegner, Rose-Marie  181, 211–213 Weidner, Reinhard  307 f., 325

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Widerstand  25, 29, 43, 60, 74, 121, 183, 206, 209, 301 f., 308, 325, 327 Wienerwald 161 Wissenschaft, Wissenschaftler, -in  28, 51, 63, 65, 71, 96, 118, 120, 122, 172, 188, 204–206, 212–215, 258, 264, 285–288, 294, 306, 313

394

Witt, Max  65, 70, 105, 111, 119 Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft  170, 205, 210, 214, 216, 240 Zoll, Zölle  21, 163, 166, 169, 171, 220, 320 Zuchtverbände  34, 49, 51 f., 101 f., 106, 112, 117, 124, 318