Reformierte Identität weltweit: Eine Interpretation neuerer Bekenntnisse aus der reformierten Tradition [1 ed.] 9783666564536, 9783525564530


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German Pages [480] Year 2017

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Reformierte Identität weltweit: Eine Interpretation neuerer Bekenntnisse aus der reformierten Tradition [1 ed.]
 9783666564536, 9783525564530

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Margit Ernst-Habib

Reformierte Identität weltweit Eine Interpretation neuerer Bekenntnisse aus der reformierten Tradition

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Christine Axt-Piscalar, David Fergusson und Christiane Tietz

Band 158

Margit Ernst-Habib

Reformierte Identität weltweit Eine Interpretation neuerer Bekenntnisse aus der reformierten Tradition

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0429-162X ISBN 978-3-666-56453-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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57 58 58 65 76 77

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89 96 104

3. Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart . . . 3.1 Der unlösbare Zusammenhang von Form und Materie . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Ausgangsbefund: Die Suche nach reformierter Identität … . . 1.1.1 … in der deutschsprachigen Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 … im Reformierten Weltbund und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 … in reformierten Kirchen weltweit . . . . . . . . . . . . 1.1.4 … in internationaler theologischer Kooperation . . . . . . 1.1.5 … als Krisenphänomen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Fokus, Aufbau und Begrenzungen der Interpretation . . . . . . 1.2.1 Der Begriff der „reformierten Tradition“ . . . . . . . . . . 1.2.2 Im Fokus: Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts . . 1.2.3 Aufbau und Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Reformierte Identität in theologischer Diskussion . . . . . . . . 2.1.1 „Identität“: Schlüsselphänomen oder Plastikwort? . . . . 2.1.2 Terminologie und Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bekenntnisse in der reformierten Tradition . . . . . . . . . . . 2.2.1 Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition . . 2.2.2 Kategorien reformierter Bekenntnisse im 20. und 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Funktionen reformierter Bekenntnisse . . . . . . . . . . . 2.3 Der intrinsische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität

6

Inhalt

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114 114 118 126 130

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134 134 144 150 150 156

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246 257

3.2 Die communio viatorum und ihr Bekenntnis . . . . . . . . . . 3.2.1 Der theozentrische Charakter von Kirche und Bekenntnis 3.2.2 Unsichtbare und sichtbare Kirche . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Kirche als „bekennende Kirche“ . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Kirche als dynamische Gemeinschaft . . . . . . . . . . 3.3 Bekennen im partikularen Kontext und in der universalen Katholizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Bekennen in tempore et in loco . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Bekennen in der Ökumene der Una Sancta Ecclesia . . . . 3.4 Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse . . . . . . . 3.4.1 Der bindende, leitende und bewahrende Charakter . . . . 3.4.2 Der vorläufige, temporäre und relative Charakter . . . . . 3.4.3 Exkurs: Der Zusammenhang von relativer Autorität des Bekenntnisses und Kirchenspaltungen in der reformierten Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die drei Dimensionen reformierten Bekennens . . . . . . . . . 3.5.1 Die doxologische Dimension: das Bekenntnis coram Deo . 3.5.2 Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Die weltliche Dimension: das Bekenntnis coram mundi . 3.6 Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Lebendiges Zeugnis und bezeugendes Leben . . . . . . . . 3.6.2 Der Begriff der „ethischen Häresie“ . . . . . . . . . . . . . 3.7 Einheit im Bekenntnis. Das gemeinsame Bekenntnisverständnis evangelischer Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension reformierter Identität . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Die Selbigkeit Gottes: Biblische Vorüberlegungen und Perspektiven einer theologischen Identitätsdiskussion . 4.1.2 Heiligkeit als zentrales Identitätsmerkmal Gottes . . . . 4.1.3 Tiefendimension und interpretative Bekenntnisexegese . 4.1.4 Cognitio Dei et nostri und die Frage nach reformierter Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Heilige Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 „God is Holy Mystery and Wholly Love“: Heiligende Offenbarung und Gotteserkenntnis . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Der Drei-Eine Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Inhalt

4.2.3 Der Heilige Gott: Die heilige und heiligende Liebe des „Vaters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Der Heilige Gottes: Jesus Christus als „the Holy One embodied“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Der Heilige und heiligende Geist Gottes: „Gott mit uns“ und „wir mit Gott“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Heiligen Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Die Erwählung der Gemeinschaft der Heiligen . . . . . . . . . 4.3.2 Die Heiligkeit der Gemeinschaft der Heiligen . . . . . . . . . 4.3.3 Die Gemeinschaft der Heiligen als Mitbürger der Heiligen: Israel und die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Die Sendung der Gemeinschaft der Heiligen . . . . . . . . . . 5. Reformierte Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik . . . . . . 5.1.1 Dialektik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Kontinuierlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Befreiender Gehorsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Determinanten reformierter Identität . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Partizipatorische Identität: Identität in Christus – christliche Identität – reformierte Identität(en) . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Konfessorische Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Ex-zentrische, deiktische und pneumatologische Identität . . 5.2.4 Missionale Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Eschatologische Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausblick: Reformiertes Zeugnis und reformierte Identität als Beitrag zur ökumenischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260 284 313 337 338 341 346 353 367 367 369 371 375 378 380 389 393 398 400

407

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reformierte Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts in chronologischer Reihenfolge mit Quellenangabe . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sammlungen reformierter Bekenntnisschriften (in chronologischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . .

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415 415

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Inhalt

Texte, Studien und Veröffentlichungen aus dem Reformierten Weltbund bzw. der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (in chronologischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

469

Vorwort

Die Suche nach einer beschreibbaren „reformierten Identität“ hat in den letzten Jahrzehnten Kirchen, akademische Theologie und Institutionen überall auf der Welt beschäftigt. Gleichzeitig sind in reformierten Kirchen weltweit mehr als 60 neue Bekenntnistexte entstanden, mit denen diese Kirchen nicht allein auf die Herausforderungen ihres jeweiligen Kontextes reagieren, sondern auch ihre Identität als bekennende Kirche zu aktualisieren versuchen. In der vorliegenden Untersuchung wird dieses „typisch reformierte“ Phänomen der offenen Bekenntnistradition zum Ausgangspunkt einer Identitätsbestimmung gemacht und darüber hinaus nach der Tiefendimension reformierter Identität(en) gefragt, die anhand der Heiligkeit Gottes und der Gemeinschaft der Heiligen entwickelt wird. Dabei versucht eine konsequent internationale Perspektive nicht allein in den bearbeiteten Bekenntnistexten, sondern auch in der verwendeten Sekundärliteratur dazu beizutragen, den globalen Charakter der reformierten Tradition und ihrer Identität(en) sichtbar zu machen. Insbesondere die Beschreibung reformierter Identität als partizipatorischer, konfessorischer, exzentrischer, deiktischer, pneumatologischer, missionaler und eschatologischer Identität versucht reformierten Kirchen und Theologien Hilfe dabei anzubieten, ihre je eigene, aber auch eine gemeinsame reformierte Identität in ökumenischer Weite zu bestimmen. Die vorliegende Studie ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im November 2015 unter gleichem Titel von der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen im Fachgebiet Evangelische Theologie angenommen wurde. Mein Dank gilt allen, die zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben. An erster Stelle danke ich herzlich Prof. Dr. Eberhard Busch, der nicht nur entscheidende inhaltliche Impulse für die vorliegende Arbeit gegeben hat, sondern diese auch über lange Zeit betreut hat. Zu danken habe ich auch Prof. Dr. Georg Plasger, der mir als Gesprächspartner immer wieder hilfreich zur Seite stand und das Erstgutachten erstellt hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Marco Hofheinz für viele gute Diskussionen und nicht zuletzt für die Erstellung des Zweitgutachtens.

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Vorwort

An verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten haben mich zahlreiche Gesprächspartner, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde in meiner Arbeit begleitet, unterstützt und herausgefordert; auch ihnen bin ich sehr zu Dank verpflichtet. Stellvertretend danke ich besonders Prof. Dr. Christoph Dahling-Sander, Prof. Dr. Andrea Bieler, Prof. Dr. George W. Stroup, Prof. Dr. Darrell L. Guder und Prof. Dr. Shirley C. Guthrie (†).Während meiner Lehrtätigkeit am Columbia Theological Seminary in Decatur/GA (USA) und durch Begegnungen insbesondere im Rahmen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen haben sich vielfältige Kontakte mit reformierten Theologinnen und Theologen aus aller Welt ergeben, die meine theologische Perspektive und mein Verständnis von reformierter Identität immer wieder erweitert und kritisch hinterfragt haben; ihnen allen bin ich für ihre Impulse und Nachfragen sehr verbunden. Die Graduiertenförderung des Landes Niedersachsen hat die vorliegende Dissertation durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums gefördert; der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ermöglichte durch Forschungsstipendien zwei mehrmonatige Forschungsaufenthalte am Princeton Theological Seminary in den USA. Für die Gewährung großzügiger Druckkostenzuschüsse bin ich dem Emil Brunner-Fonds der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, der Evangelisch-reformierten Kirche, dem Reformierten Bund Deutschland und der Evangelischen Landeskirche in Baden zu großem Dank verpflichtet. Über die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die Reihe der Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie habe ich mich sehr gefreut und danke den Herausgeberinnen und dem Herausgeber, Prof. Dr. Christine Axt-Piscalar, Prof. Dr. David Fergusson und Prof. Dr. Christiane Tietz. Herrn Christoph Spill sei für die gute Zusammenarbeit und geduldige verlegerische Betreuung der Publikation gedankt. Dieses Buch ist meiner Familie gewidmet: meinem Mann Dr. Ibrahim S. Habib und unseren Kindern Leila Marie, Alexander und Julian, und in großer Dankbarkeit auch meinen Eltern Rudolf (†) und Gislinde Ernst. Stettfeld, im Januar 2017

Margit Ernst-Habib

1.

Einleitung

1.1

Ausgangsbefund: Die Suche nach reformierter Identität …

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat der Begriff der „Identität“ wie kaum ein anderer Denker und Denkerinnen der unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt, ist in unzähligen Konstellationen und Spezifizierungen untersucht, bedacht und kontrovers diskutiert worden, und hat dabei auch vor den Toren religiöser, bzw. theologischer Institutionen und Gemeinschaften nicht Halt gemacht. Im Gegenteil, quer durch alle Religionen und christlichen Konfessionen1 ist die Frage und Suche nach der je eigenen kollektiven Identität angesichts der Herausforderungen und Umwälzungen in den politischen, ökonomischen und religiösen Kontexten unserer Zeit zu einem Krisenthema2 und -phänomen geworden,3 und kann gar als „Schlüsselphänomen postmodernen Lebens“4 verstanden werden. So ist es kaum verwunderlich, dass sich auch im Bereich der Kirchen der reformierten Tradition nicht allein in Europa, sondern in der Tat weltweit, die Frage nach der eigenen Identität auf allen Ebenen und in akademischen wie kirchlich-institutionellen Kontexten „wie ein roter Faden durch das gesamte 20. Jahrhundert“5 zieht. Ein kurzer, zunächst rein deskriptiver und nicht primär analysierender Überblick ohne jeden Anspruch auf Vollstän1 Nitsche, Ökumene, 71, ist zuzustimmen, wenn er von einer Hochkonjunktur des Identitätsdiskurses spricht und festhält, dass „die Publikationen zum Thema ‚konfessionelle Identität‘ […] Legion“ sind. Vgl. dazu die unten in Anm. 4, S. 55 aufgeführte Literatur. 2 Deeg/Heuser/Manzeschke, Einleitung, 9. 3 Vgl. z. B. Nitsche, a. a. O., 69–81, der unter der Überschrift „Krisenphänomen: Identitätssuche“ u. a. Identitätsdiskurse als „Krisenbewältigung“ versteht, und festhält, dass „nach der ‚eigenen Identität‘ nur [fragt], wer sich ihrer nicht gewiss ist.“ Klessmann, Identität, 28, analysiert das Streben nach Identitätssuche unserer Zeit als eine Art Krisenphänomen, wenn er schreibt: „Die Epochen […] in denen sich die Verhältnisse, sozusagen der ganze politische, soziale, religiöse Kontext, die ganze Lebensstruktur umwälzen, stellen die Frage der Identität markant und brennend.“ 4 Stobbe, Konfessionelle Identität und Hermeneutik, 227. 5 Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich „reformiert“?, 11.

12

Einleitung

digkeit soll an dieser Stelle einführend verdeutlichen, welche Konstante diese Frage im letzten Jahrhundert für die reformierte Theologie darstellte. Dazu wird anhand von vier Diskussionszusammenhängen (der deutschsprachigen Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts, dem Reformierten Weltbund bzw. der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, einzelnen reformierten Kirchen sowie internationaler theologischer Kooperation) nachgezeichnet, in welcher Vielfalt und Tiefe der Frage weltweit nachgegangen wird, bevor die Suche nach reformierter Identität als spezifisch christliche Form eines „Krisenphänomens“ definiert werden wird.

1.1.1 … in der deutschsprachigen Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts Für den deutschsprachigen Bereich wird zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein erneuertes Ringen um das rechte Verständnis reformierter Lehre, reformierten Wesens, reformierter Identität initiiert, insbesondere durch die frühen Vorlesungen Karl Barths in seiner Göttinger Lehrtätigkeit angeregt,6 in denen Barth „tries out his account of what makes the Reformed tradition distinctive.“7 Barth näherte sich dem Thema explizit an durch seine Vorlesung zur „Theologie der reformierten Bekenntnisschriften“ (1923); auch seine vielbeachteten frühen Vorträge „Reformierte Lehre, ihr Wesen und ihre Aufgabe“ vor dem Reformierten Bund (ebenfalls 1923) und „Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses“ vor dem Reformierten Weltbund (1925) antworten offensichtlich auf ein grundsätzliches, auch internationales Bedürfnis8 nach Klärung dessen, was damals als reformiertes Wesen und heute als reformierte Identität bezeichnet werden könnte, gerade auch auf dem Hintergrund des spezifischen reformierten Verständnisses von Bekenntnisschriften. Als grundsätzliche Infragestellung sowohl neuprotestantischer Entkonfessionalisierungsbestrebungen des 19. Jahrhunderts als auch konfessionalistischer Verengung reformierter Lehre fordert Barth dann in seiner Kirchlichen 6 Vgl. dazu insbesondere Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, und auch Plasger, Relative Autorität. Die jungreformierte Bewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch eine rückwärtsgewandte Theologie einer Identitätskrise der reformierten Kirchen mithilfe eines dogmatisch-calvinistischen Konfessionalismus zu begegnen anstrebte, hat im deutschsprachigen Raum für die Diskussionen um reformierte Identität in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg keine Rolle mehr gespielt, und wird daher hier nicht weiter untersucht. Zur Bewegung der Jungreformierten vgl. Vorländer, Aufbruch und Krise. 7 Webster, Theology of the Reformed Confessions, 43. 8 Das offizielle Einladungsschreiben des Reformierten Weltbundes etwa hält die Frage nach einem gemeinsamen reformierten Bekenntnis für eine Frage „that is of pressing urgency for all the Churches“; Barth, Wünschbarkeit, 203.

Ausgangsbefund: Die Suche nach reformierter Identität …

13

Dogmatik eine „konfessionelle Haltung“9, die dogmatische Beachtung der „relativ bestimmte[n] Heimat mit ihrem relativ bestimmten Horizont“10, ohne damit jedoch eine Rekonfessionalisierung im Sinne einer wie auch immer gearteten Repristinationstheologie anzustreben. Im Blick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung scheint es bedeutsam, bereits an dieser Stelle auf zweierlei zu verweisen: zum einen spielt gerade die Beschäftigung mit reformierten Bekenntnistexten eine entscheidende Rolle in Barths theologischem Ringen um die Verortung seiner Theologie als kirchlicher Theologie.11 Zum anderen ist, wie Georg Plasger zutreffend feststellt, die „Wirkungsgeschichte von Barths Lehre vom Bekenntnis kaum zu überschätzen“12 und diese Lehre entwickelte eine Strahlkraft von größter Bedeutung. Reformiertes Bekenntnisverständnis und die Suche nach einer reformierten Identität weltweit lässt sich im 20. und 21. Jahrhundert nicht ohne den Beitrag Karl Barths verstehen. Bei allem nahezu übermächtigen und jahrzehntelang währenden Einfluss, den die dialektische Theologie Barths im Folgenden in reformierten kirchlichen wie akademischen Kreisen weltweit ausübte, führte sie jedoch nicht einmal zu einem wenigstens vorläufigen Abschluss einer Bestimmung reformierter Identität in verschiedenen Kontexten und Zeiten – und das, wie später noch zu zeigen sein wird, durchaus intendiert. Im deutschsprachigen Raum intensivierte sich die Diskussion darüber, was spezifisch reformiert sei, besonders in den inner-protestantischen Auseinandersetzungen des Kirchenkampfes, auch und gerade im Zusammenhang mit Erstellung und Annahme der Barmer Theologischen Erklärung 1934. Im selben Jahr stellte Wilhelm Niesel in seiner Schrift „Was heißt reformiert?“ einleitend fest: „Der Name ‚reformiert‘ ist – ebenso wie der Name ‚lutherisch‘ – zu einem leeren Wort geworden. Er ist kein Zeichen mehr, das deutliche Weisung gibt.“13 9 KD I/2, 919; vgl. dazu auch Plasger, a. a. O., 216–250, und auch Beintker, Reformierte Dogmatik,166–168. 10 KD I/2, 919. 11 Vgl. dazu Weinrich, Karl Barth, 25–32. Vgl. dazu grundlegend Reichel, Theologie als Bekenntnis, die anhand von „Karl Barths kontextueller Lektüre des Heidelberger Katechismus“ nicht nur seine Bekenntnishermeneutik als „Bekenntnis zum Bekenntnis“ (a. a. O., 254), sondern auch die „Bekenntnishaftigkeit“ (a. a. O., 255) seiner Theologie nachzeichnet und interpretiert. 12 Plasger, a. a. O., 3. 13 Niesel, Was heißt reformiert?, 5. Niesel betont: „Es ist keine müßige Beschäftigung, wenn wir uns darüber klar zu werden versuchen, was ‚reformiert‘ heißt. Denn mag der Name ‚reformiert‘ auch entwertet sein, so ist er damit noch nicht ausgelöscht. Er wird von allen Seiten fortwährend in diesem oder in jenem Sinne gebraucht. Wenn wir uns um sein rechtes Verständnis bemühen, so soll das dazu beitragen, dass die Fronten im heutigen Kampfe um die Kirche klarer werden.“ (Ebd.) Vgl. auch Kolfhaus, Was heißt reformiert?, 332–333 (1934). Im gleichen Jahr veröffentlichte der lutherische Theologe Hermann Sasse eine Schrift mit dem Titel „Was heißt lutherisch?“

14

Einleitung

Wie Barth so versucht auch Niesel in seinen Überlegungen nicht, das, was das „Reformierte“ zu einer „deutlichen Weisung“ macht, in konfessionalistisch-polemischer Weise – sozusagen über eine via negativa in Abgrenzung anderen Konfessionen gegenüber – herauszuarbeiten, sondern versteht Konfessionalität dem Wortsinne nach als eine Haltung des Bekennens zu Gottes Offenbarung in Jesus Christus und die Kirche als Objekt eben jener Erneuerung, die die Bezeichnung „reformiert“ beschreibt.14 Konfessionalität darf bei Niesel, wie bei Barth, nicht mit Denominationalität oder Konfessionalismus gleichgesetzt werden,15 sondern bezieht sich streng auf das konfessorische Wesen und den je neu im Gehorsam auf die Schrift zu bestimmenden Auftrag der Kirche.16 Wiederum wird ersichtlich, dass eine solche Bestimmung von Konfessionalität und damit von reformierter Identität kein abschließendes Ergebnis hervorbringen kann oder will, und so verwundert es nicht, dass Ende der 1950er Jahre, eine Generation später, wiederum in einer Zeit „gewaltiger Krisen und Umwandlung des Weltbildes“17 die Frage nach dem, was reformiert heißt, was insbesondere die jüngere Generation der Theologen mit diesem Begriff verbindet, „explosiv laut“18 und durch die „Väter und Großväter“ nicht befriedigend beantwortet wurde.19 Jürgen Moltmann20 stellt in seinen Überlegungen, ebenfalls unter dem Titel „Was heißt ‚reformiert‘?“, in der Reformierten Kirchenzeitung fest, dass die „Frage nach dem Reformiertsein“, nach „der reformierenden Wirkung des lebendigen Gottes Wortes“ eben gerade nicht „ein für allemal zu konfessionalisieren und zu dogmatisieren“ sei, sondern diese Selbstbezeichnung bei aller Hochachtung vor Herkunft, Geschichte und Tradition den Anspruch enthalte, „offen zu sein für den Geist und das Wort des Herrn, der sich durch die Geschichte hindurch sein Volk sammelt“21. Diese von Niesel wie Moltmann (und selbstredend vorher auch von Barth) hervorgehobenen Merkmale reformierter Identitätsbestimmung, ihr 14 Niesel, a. a. O., 22–25. 15 Zu Niesel als „ausgesprochensten Reformierten in Deutschland“ vgl. den gleichnamigen Beitrag von Ulrichs mit dem Untertitel „Reformierte Identität im Kirchenkampf und im Kalten Krieg: Wilhelm Niesel (1903–1988)“. 16 Niesel, Reformiertes Bekenntnis heute, 31: „Mit dem Worte ‚reformiert‘ wird […] nicht nur unsere Herkunft bezeichnet. In diesem Wort liegt vielmehr eine Verpflichtung.“ 17 So Grob, Heilige Schrift, 23. 18 Moltmann, Was heißt ‚reformiert‘?, 24. 19 Ebd. Moltmanns Doktorvater, der reformierte Theologe Otto Weber, hatte sich 1955 in einem Vortrag mit dem Titel „Was heißt heute ‚reformiert‘?“ ebenfalls mit der Frage nach dem Reformiert-Sein unter den gegenwärtigen Bedingungen im Deutschland der Nachkriegszeit und der Zeit nach der Bekennenden Kirche auseinandergesetzt, sowie mit dem Spannungsfeld zwischen Konfessionalismus und Konfessionalität. Vgl. dazu auch von Bülow, Otto Weber, 324–325. 20 Zu Moltmann als explizit „reformiertem“ Theologen vgl. Hofheinz, Moltmann, 298–303. 21 Moltmann, Was heißt ‚reformiert‘?, 24. Moltmann fährt fort: „Sofern wir heute selber also lebendige Glieder dieses Volkes sind, werden wir selber die Antwort suchen müssen.“

Ausgangsbefund: Die Suche nach reformierter Identität …

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Auftragscharakter wie ihre intrinsische Unabgeschlossenheit, führten nun auch weiter in der Folge dazu, dass sich einzelne Theologen, Kirchen oder Institutionen (wie etwa der Reformierte Bund), immer wieder und von neuem mit dem Thema unter spezifischen Blickwinkeln und als Reaktion auf diverse Herausforderungen auseinandersetzten.22 Ausgangspunkt dieser Beschäftigung mit reformierter Identität in den folgenden Jahrzehnten war primär eine tiefgehende Verunsicherung und Unklarheit23 darüber, was „reformiert“ in der Lebenswelt des 20 Jahrhunderts, auf Gemeinde- wie Landeskirchenebene, als individuelle wie kollektive Bestimmung überhaupt bedeutet, und welche Relevanz diese Bezeichnung für Identitätsfragen von Christinnen und Christen im ökumenischen Kontext tatsächlich noch besitzt, bzw. besitzen sollte.24 Zugespitzt konnte gar gefragt werden: „Muss es noch Reformierte geben?“25 So virulent diese Frage, ihrem Niederschlag in kirchlichen 22 Hier sei, in chronologischer Ordnung, eine Auswahl von deutschsprachigen Veröffentlichungen angeführt, die sich nicht allein generell mit dem Thema „Reformierte Theologie“, sondern speziell mit der Frage nach reformierter Identität beschäftigt. Pitsch (Hg.), Evangelisch-reformiert (1984); Haarbeck, Was ist reformiert? (1984); Heron, Das reformierte Zeugnis – Erbe oder Auftrag? (1984); Karner (Hg.), Typisch evangelisch reformiert (1992); Link, Zum Thema ‚reformierte Identität‘ (1993); Bukowski, Vorbereitende Überlegungen zu der Frage: Was ist reformiert? (1994); Vischer, Reformierte Identität in Europa (1994); Weinrich, Reformiert ja, Konfesionalismus nein! (1996); Züchner (Hg.), Reformiert gestern und heute. Fünf Gemeindevorträge über reformierte Identität und reformiertes Glaubensleben (1996); Körtner, Reformiert und ökumenisch (1998); Saxer (Hg.), Reformiert sein heute (2000); Welker, Reformation Theology and the Reformed Profile (2004); Busch, Reformiert. Profil einer Konfession (2007); Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich ‚reformiert‘? (2013). 23 Saxer, a. a. O., o.S.: „In unserer Zeit herrscht vielfach Unklarheit darüber, was reformierte Konfession überhaupt bedeutet und ob sie im Zeichen der Ökumene noch ihr Recht besitzt.“ Auch Weinrich, a. a. O., 196, sprich davon dass „der Sinn für die konfessionellen Unterscheidungen […] uns weithin entschwunden“ sei, und fragt provozierend ob, „die Konfessionen nicht mehr und mehr wie ein kleinkarierter Provinzialismus“ wirken (ebd.). Stobbe, a. a. O., 227, versteht das wachsende Interesse an Identität in allen Bereichen der Gesellschaft als „das Symptom einer tief-greifenden Verunsicherung […], die offenbar gebieterisch nach Selbstvergewisserung verlangt, ein Bedürfnis, das sich einerseits unmittelbar manifestiert und artikuliert, zugleich aber mittelbar ein Echo auf analytischer und theoretischer Ebene hervorruft.“ 24 Viele der theologischen Beschäftigungen mit diesem Thema sind dann auch tatsächlich mit Fragen betitelt, bzw. beginnen mit Fragen; so etwa die kleine Schrift „Evangelisch-reformiert“ des Moderamens des Reformierten Bundes: „‚Evangelisch-reformiert‘ – was ist das? Was lehrt diese Kirche? Was ist die Eigenart reformierter Gemeinden?“ (3); im Vorwort zu dem kleinen Band Reformiert gestern und heute, 4: „Reformiert – Was ist das eigentlich?“ (ähnlich auch Körtner, Reformiert und ökumenisch, 11, Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich ‚reformiert‘?, 9). 25 Haarbeck, a. a. O., 10. Insbesondere an verstreute reformierte Gemeinden in einem primär lutherischen, bzw. unierten Umfeld wird diese Frage bisweilen herangetragen, und wird „bedrängend, wenn ihre untergründige Intention lautet: ‚Warum gibt es Euch überhaupt noch?‘ – bzw.: ‚Warum muss es Euch überhaupt noch geben?‘“, so Bukowski, a. a. O., 24.

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Dokumenten wie theologischen Schriften nach zu urteilen, auch im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts gewesen sein mag,26 so ist sie jedoch gleichzeitig immer auch von einem gewissen Unwillen und Unvermögen27 begleitet, bleibt sie für viele eine „perennial […] awkward […] annoying question“28 von höchstens zweitrangiger Bedeutung29 und galt in vielen reformierten Zirkeln geradezu als „verpönt“30. Immer wieder wurde befürchtet, dass jede intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition und spezifischen Identität einen neuen Konfessionalismus nähren könnte, was häufig insbesondere in jenen reformierten Kirchen, die der ökumenischen Bewegung nahestehen und in ihr aktiv mitwirkten, eine Abwehrreaktion hervorrief.31 Zugespitzt konnte sogar gefragt werden: „As we enter a century in which inter-faith relationships will become increasingly important, isn’t it both perverse and counter-productive to think about confessional identity? Wouldn’t that lead inevitably to a narrow (and implicitly triumphalistic) confessionalism?“32 Aber während die große Mehrzahl reformierter Kirchen und Theologen Ako Haarbecks Äußerung, dass es „den Reformierten […] nie in erster Linie um das Reformiertsein gehen [kann]“33, gewiss vollkommen zugestimmt hätte und 26 Dass diese Frage nach der reformierten Identität jedoch keine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist, sondern die reformierten Kirchen begleitet „seit es sie gibt“, betont Link, Reformierte Identität, 344, nachdrücklich zu Recht. 27 So der sprechende Titel eines Aufsatzes von Brinkman „Onwil en onmacht tot het formuleren van een gereformeerde identiteit“ (Unwille und Unvermögen, eine reformierte Identität zu formulieren). Dieser Unwille eine reformierte Identität zu bestimmen, bzw. für sich selbst zu beanspruchen kann durchaus nicht nur mit theologischen, sondern auch mit politischen und gesellschaftlichen Faktoren begründet sein, wie etwa im Südafrika der Apartheidszeit, in dem sich Kirchen, Theologen und einzelne Christen nicht als „reformiert“ identifizieren wollten, um nicht in Verbindung mit der herrschenden weißen NGK gebracht zu werden – also eine ganz spezifische Form einer „Identitätskrise“ erlebten; vgl. DeGruchy, The Contest for Reformed Identity, 3. 28 Vroom, On Being „Reformed“, 10f. 29 Vroom, a. a. O., 155: „The question of Reformed identity is a second order question.“ Zur Diskussion der „first order question“ nach christlicher Identität im Verhältnis zu reformierter Identität vgl. unten Kap. 5.2.1. 30 Haarbeck, a. a. O., 10f: „Diese Frage ist bei Reformierten ein wenig verpönt. Es gibt Wichtigeres, als über die eigene Identität zu sprechen, das eigene Profil herauszumeißeln oder das eigene Firmenschild blankzuputzen.“ 31 Vgl. dazu Vischer, The Ecumenical Commitment, 266. Vischer weist aber auch zu Recht darauf hin, dass durchaus nicht alle reformierten Kirchen der ökumenischen Bewegung gegenüber aufgeschlossen sind, sondern dass es vielmehr eine nicht geringe Anzahl unter ihnen gibt, die ihr misstrauisch, ja feindlich gegenüber stehen; a. a. O., 263. 32 Wyatt, The United Church and Reformed Identity, 18 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Wyatt selbst kommt zu dem Schluss: „If inter-faith dialogue is ultimately strengthened by a strong sense of particular identity among the participants, then confessional awareness, together with its revision and enrichment, need not be seen as a block to Christian ecumenical dialogue, but actually as a pre-requisite for it.“ 33 Was heißt reformiert?, 11.

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immer noch zustimmen würde, so blieb es doch unabweislich, dass das Thema der reformierten Identität nicht von der Tagesordnung verschwinden würde – im Gegenteil: Gemeinden, Kirchen, Institutionen, Theologen und Theologinnen versuchten weiterhin verstärkt auf die Herausforderungen, vor die sie sich gestellt sahen, mit Annäherungen an das Thema der reformierten Identität zu reagieren – und diese Herausforderungen nahmen in den folgenden Jahrzehnten eher noch zu, als dass sie weniger wurden. Die Frage nach der reformierten Identität übt bis in die Gegenwart hinein eine in manchen Aspekten eher widerwillige, nichtsdestotrotz jedoch offensichtlich vorhandene Faszination aus; die Debatten zu diesem Thema sind, gerade auch weltweit, keinesfalls abgeschlossen.34

1.1.2 … im Reformierten Weltbund und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen Waren die Debatten um reformierte Identität im deutschsprachigen Raum zunächst von einem in der Hauptsache inner-europäischen Blickwinkel bestimmt, so öffnete sich diese Perspektive im Laufe der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts zunehmend, stimuliert primär durch Diskussionen im Reformierten Weltbund und im Kontext von ökumenischen Begegnungen, welche die Frage nach der eigenen Identität noch zusätzlich verschärften. Die Diskussion um reformierte Identität gewann damit eine neue Dimension und Fragestellung hinzu, die eine weitere Welle von Beschäftigungen mit dem Thema auslöste. Übersieht man die Beiträge zu dieser Fragestellung von einer globalen Perspektive aus, dann lassen sich vier Bearbeitungsfelder ausmachen, die vielfach miteinander verzahnt sind, jedoch jeweils eigene Charakteristiken aufweisen. Reformierte Identität wurde zum Diskussionsthema a) im Umfeld und als Folge von bilateralen Gesprächen; b) als Reaktion auf die Bekenntnisentwicklung innerhalb der reformierten Tradition; c) im Zusammenhang mit Unionen von Kirchen oder kirchlichen Institutionen, und d) im Kontext der Erklärung des sog. processus confessionis bzw. der Accra-Erklärung.35 Obwohl das Thema der re-

34 Vgl. Smit, Trends and Directions in Reformed Theology, 313. Sprechenderweise eröffnet Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 3, den von ihm 2016 herausgegebenen Sammelband mit dem gleichnamigen Titel mit der Feststellung, dass „Reformed Christianity frequently asks questions about its own identity.“ 35 Natürlich lassen sich diese vier Bearbeitungsfelder nicht säuberlich voneinander trennen, was zum einem damit zu tun hat, dass einzelne sich mit dem Thema beschäftigende Theologen und Theologinnen auch in anderen Bearbeitungsfeldern aktiv sind, bzw. von dort entscheidende Anregungen erhalten. Zum anderen ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass sich reformierte Theologien in aller durchaus divers existierenden Verschiedenheit zurückverwiesen wissen auf die jeweils konkrete Kirche sowie auf die „Gemeinschaft der Heiligen“.

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formierten Identität nicht erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Tagesordnung des Reformierten Weltbundes trat,36 so stellten es doch verschiedene, zeitgleich sich ereignende Herausforderungen in den Fokus von vielfältigsten theologischen Diskussionen auf allen Ebenen. Die vier folgenden Herausforderungen und Bearbeitungsfelder werden im Folgenden kurz skizziert, um die Aktualität und Brisanz der Frage nach der reformierten Identität aus verschiedenen Anfragen heraus aufzuzeigen. (a) Eine der am häufigsten genannten und zur Beschäftigung mit reformierter Identität anregendsten Herausforderungen waren die zahlreichen bilateralen Gespräche, an denen sich der Reformierte Weltbund intensiv beteiligte.37 In vielen dieser Gespräche antworteten die reformierten Gesprächspartner, gefragt nach dem, was sie als „Reformierte“ ausmacht und was „die Reformierten“ weltweit eint,38 häufig mit einem eher verschämten39 Hinweis auf die Diversität reformierter Kirchen, Traditionen und Theologien.40 Sie mussten ein „special Reformed problem“41 konstatieren, da sich der Reformierte Weltbund und seine Mitgliedskirchen, häufig zur Verwunderung der Gesprächspartner, weder auf ein gemeinsames Bekenntnis42, noch auf ein Lehramt, eine theologische Grün-

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Damit ist für viele an der Diskussion um die reformierte Identität beteiligte bereits eine entscheidende Verständnisbasis dieser Frage mitgegeben. Die Diskussion im Reformierten Weltbund um ein „allgemeines reformiertes Glaubensbekenntnis“ von 1925 etwa weisen schon viele Fragestellungen auf, die sich in den kommenden Jahrzehnten erneut in den Vordergrund stellen werden. Das sich dieses Thema allerdings nicht durchgehend im Zentrum der Diskussion befand, lässt sich z. B. bei Pradervand in der Einleitung zu seinem Band zum 100-jährigen Jubiläum des Reformieren Weltbundes, A Century of Service, VIII, ersehen, wenn er 1975 nachdrücklich festhält: „The new Alliance, as it faces a second century, shows no signs of suffering from an identity crisis.“ Zu den Ergebnissen dieser Dialoge vgl. die bei Mateus, The World Alliance of Reformed Churches and the Modern Ecumenical Movement, aufgeführten Dokumente; und Wilson (Hg.), Bilateral Dialogues. Einen Überblick geben auch Bauswein/Vischer, The Reformed Family Worldwide, 711–716. Vgl. die Beschreibung bei Busch, Reformed Identity, 207: „Since a couple of years the question of ‚Reformed Identity‘ has gained more importance for the Reformed churches. Nowadays this is especially the result of bilateral talks or discussions with representatives of other denominations. In those meetings they were asked: ‚You know who we are – but what is typical for you, the Reformed?‘ They felt really embarrassed.“ Busch spricht in diesem Zusammenhang wiederholt von einem „Reformed embarrassment“, vgl. dazu auch Busch, Reformed Strength in Its Denominational Weakness, 20. Smit, a. a. O., 313f., spricht von einer für die reformierte Tradition charakteristischen Diversität in gesellschaftlicher, linguistischer, kultureller, politischer, konfessioneller, hermeneutischer, ekklesiologischer, historischer und ethischer Perspektive. Busch, a. a. O., 20f. Sell, Confessing the Faith, 151: „To the puzzlement (real or pretended) of our dialogue partners of other ecclesiastical traditions, the Reformed family has spawned not one but many confessions of faith.“ Brinkman, Unity, 114, beschreibt in ähnlichem Zusammenhang die Schwierigkeiten, die reformierte Tradition für Gesprächspartner erkennbar nachzuzeichnen, da ihr „confessional background too mobile for this“ sei.

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dungsfigur, gemeinsame Geschichte, gleiche Kirchenleitungssysteme oder ähnliche identitätsstiftende Faktoren berufen konnten.43 Auch die Bestimmung „wesentliche[r] theologische[r] Affirmationen, die für das reformierte Selbstverständnis entscheidend sind und in diesen Gesprächen vorkommen müssen“44, war für die am Gespräch beteiligten reformierten Gesprächspartner eine nicht unmittelbar zu lösende Aufgabe.45 Das Konzept einer „reformierten Identität“ erwies sich als „a very nebulous and vulnerable concept“;46 und dieses „Undefinierbare“ reformierter Identität, die geringe Anzahl von gemeinsamen Identitätsmarkern konnte gar als reformiertes Spezifikum verstanden werden.47 Die 22. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes 1989 in Seoul48 verstand dementsprechend eine neue und intensive Auseinandersetzung mit reformiertem „Ethos“ als unmittelbar drängenden Auftrag der Mitgliedskirchen wie des Reformierten Weltbundes, wenn sie festhält: Our sense of Reformed identity seems less secure than in the past. Awareness of the diversity of the lives, structures, histories and mission contexts of our member churches requires fresh exploration of our common Reformed ethos if we are to speak with a common voice in the ecumenical world.49 43 Es muss jedoch festgehalten werden, dass die Identitätsfrage, anders als in reformierten Abhandlungen häufig dargestellt, tatsächlich kein ausschließlich „reformiertes Merkmal“ (mehr) ist, wenn sich die reformierte Tradition mit der Bestimmung ihrer Identität allerdings auch schwerer tun mag als manch andere christliche Konfessionen. Vgl. für den deutschsprachigen Raum etwa Bertram, Gibt es eine lutherische Identität in einer Zeit des theologischen Pluralismus und der ökumenischen Herausforderung?; Grünwaldt/Hahn (Hg.), Profil – Bekenntnis – Identität. Was lutherische Kirchen prägt; Klän (Hg.), Lutherische Identität in kirchlicher Verbindlichkeit; Baur, Das reformatorische Christentum in der Krise. Überlegungen zur christlichen Identität an der Schwelle zum 21. Jahrhundert; Bieber, Die katholische Identität im Wechsel der Generationen; Brandmüller, Das eigentlich Katholische. Profil und Identität, Grenzen des Pluralismus; Raedel, Freikirchliche Identitätssuche im Spannungsfeld von Leitungsdienst, Theologie und Gemeinde; Steininger, Konfession und Sozialisation. Adventistische Identität zwischen Fundamentalismus und Postmoderne; Vogel, Adventistische Identität heute; Brandt, Baptistische Identität. 44 Réamonn, Von Seoul nach Debrecen, 39. 45 Vgl. Vischer, Auftrag, 11: „Die reformierten Kirchen sind nur in begrenztem Maße zu gemeinsamen Auskünften fähig. […] Werden sie aber aufgefordert, ihre Überzeugungen als reformierte Kirchen gemeinsam zu formulieren, bleiben die Antworten unbestimmt und oft sogar widersprüchlich.“ 46 McEnhill, Reformed Tradition, 85. 47 Vgl. Vroom, World Alliance, 165: „The Reformed tradition seems to have fewer identifying features than most other mainline churches. However, precisely that is its characteristic.“ 48 Unter dem Motto „Wer sagt ihr, dass ich sei?“ beschäftigte sich die Generalversammlung in Seoul mit „Bekenntnis, Selbstfestlegung, Selbstbeschreibung im Blick auf Christus – voreinander und füreinander!“, so die Beschreibung bei Welker, Reformierte Theologie heute, 393. 49 Perret, Seoul 1989, 213. Bereits 1982 hatte die Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Ottawa die reformierten Kirchen zur „Selbstbesinnung“ in einem Meinungsbildungsprozess aufgerufen, der mithilfe des Dokuments „Ihr werdet meine Zeugen

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In einer Reihe von regionalen und interregionalen Konsultationen weltweit wurde daraufhin die Auseinandersetzung um reformierte Identität unter der Fragestellung „Wozu sind wir berufen (Reformiertes Selbstverständnis)?“ geführt,50 individuelle Antworten von Theologen und Theologinnen wurden geschrieben,51 und Texte für die folgende Generalversammlung in Debrecen 1997 vorbereitet,52 auf der nicht nur ein Text zum reformierten Selbstverständnis verfasst wurde,53 sondern auch eine gemeinsame Glaubenserklärung, die sog. Erklärung von Debrecen,54 verabschiedet wurde. Als Ziele dieses Prozesses wurden neben der Auskunftsfähigkeit in bilateralen, interkonfessionellen wie interreligiösen Dialogen zwei weitere Schwerpunkte benannt: Anerkennung der Diversität reformierter Kirchen bei gleichzeitiger Zusammengehörigkeit sowie Austausch von Erfahrungen, Gaben und Ressourcen im Blick auf gegenwärtige, globale Herausforderungen.55 Auch die Beiträge des Theological Subcommittee of the European Area des Reformierten Weltbundes (1995–2000) 56 stellen genau diese Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Reflektionen und betonen: „the issue is not how ‚we‘ can defend ‚the‘ Reformed identity but what treasures the Reformed tradition has to bring to the ecumenical movement.“57 Zusammenfassend konnte als positives Zwischenergebnis festgehalten werden, dass „involvement in ecumenical dialogues is a self-critical process that contributes to growing awareness of what Reformed identity means.“58 (b) Gleichzeitig zu und in enger Verbindung mit dieser vornehmlich aus bilateralen Gesprächen entstandenen Diskussion entwickelte sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema der reformierten Identität, dieses Mal ge-

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sein. Ein Aufruf zur Selbstbesinnung an die Kirchen des Reformierten Weltbundes“ (1983) eingeleitet werden sollte. Vgl. Réamonn, a. a. O., 39f. Vgl. dazu die beiden WARC-Studien Who Are We Called to Be? von 1993 und Who Are We Called to Be? (Reformed Self-Understanding) von 1994. Für eine kritische Einschätzung dieses Konsultationsprozesses sowie der Fragestellung insgesamt vgl. Gordon, Who Are We Called to Be?. Vgl. dazu insbesondere die März/Juni-Ausgabe von Reformed World (43) von 1993, die eine Sammlung von Artikeln zur Frage nach der reformierten Identität von Theologen und Theologinnen verschiedenster Kontexte bietet. Vgl. Réamonn, Sprengt die Ketten der Ungerechtigkeit, 5–16. Vgl. Opocˇenský, Debrecen 1997, Anhang 15: „Bericht der Sektion I: Reformierter Glaube und die Suche nach Identität“, 203–206. Vgl. Opocˇenský, a. a. O., 273f. So Wilson im Vorwort zu Reformed World 43, 1. Vgl. dazu auch Sell, The Reformed Family Today, 435: „The very diversity of the Reformed family makes the search for a way of articulating that which we can hold together in a threatened and a divided world the more urgent.“ Herausgegeben von Lienemann-Perrin et al. mit dem Titel „Reformed and Ecumenical. On Being Reformed in Ecumenical Encounters.“ A.a.O., VII. Visser, The World Communion of Reformed Churches, 212.

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speist insbesondere aus einer „spezifisch reformierten“ Entwicklung des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, die so in keiner anderen Konfessionsfamilie anzutreffen ist: beginnend mit der Barmer Theologischen Erklärung (1934) in Deutschland wurden mehr als sechzig neue Bekenntnisse von reformierten Kirchen weltweit verfasst und angenommen.59 Historische und theologische Ursachen und Konsequenzen dieses „significant outpouring of confessional statements“60, dieser „neuen Bekenntnisfreudigkeit“61 werden in späteren Kapiteln zu klären sein, an dieser Stelle genügt der Hinweis auf eine charakteristische und für die vorliegende Untersuchung entscheidende Entwicklung in Kirchen der reformierten Tradition auf allen Kontinenten, die für eine reformierte Identität zentrale Fragen mit sich bringt: Wie lässt sich von einer gemeinsamen Grundlage reformierter Identität auf der Basis von aktuellen Bekenntnistexten reden, wenn diese Bekenntnisse sich nicht nur deutlich in Theologie, Inhalt, Sprache, Fokus, etc. von reformierten Bekenntnissen des 16. Jahrhunderts unterscheiden, es sich also nur schwerlich eine direkte „Kontinuität des Bekennens in der reformierten Tradition“62 ausmachen lässt, sondern auch noch „tiefgreifende Unterschiede zwischen den heutigen Bekenntnissen selbst“63, gar Widersprüche64 und „neue Entfernungen“65 zu konstatieren sind? Oder verweist die Wiederbelebung dieses reformierten Impulses zum aktuellen Bekenntnis in sich selbst auf erkenn- und beschreibbare Aspekte reformierter Identität, die sich für die unterschiedlichsten 59 Eine Sammlung dieser Bekenntnisse bis 1982/88 bietet Vischer, Reformiertes Zeugnis heute. Eine Sammlung neuerer Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition (1988), englisch: Reformed Witness Today. A Collection of Confessions and Statements Issued by Reformed churches (1982); eine Auswahl reformierter Bekenntnistexte, zum Teil über die bei Vischer gesammelten hinausgehend, findet sich bei Mottu et al., Confessions de foi réformées contemporaines (2000). Die neueste Ausgabe reformierter Bekenntnisschriften weltweit findet sich in dem von Hofheinz et al. herausgegebenen Sammelband „Reformiertes Bekennen heute. Bekenntnistexte der Gegenwart von Belhar bis Kappel“. Vgl. dazu auch die im Anhang der vorliegenden Untersuchung aufgelisteten Bekenntnistexte. 60 Stotts, Introdcution, XI. 61 Busch, Die Nähe der Fernen, 588. 62 RZH, VII. 63 Ebd. 64 Vgl. WARC, Confessions and Confessing, 5. Diese theologischen Unterschiede in heutigen reformierten Bekenntnistexten sind dabei kein bis dato unbekanntes Faktum; gegen jegliche Bekenntnisromantik und voreilige Harmonisierung reformierter Bekenntnistexte des 16. und 17. Jahrhunderts bleibt festzuhalten, dass diese nicht nur im Blick auf ihren Kontext differierten, sondern dass ihr „outward pluralism was linked with an inward pluralism“, wie Rohls, Reformed Theology, 35, zu Recht anmerkt. Dass dennoch von „gemeinsamen Linien“ gesprochen werden kann, „von einem durchgehenden reformierten Profil […], das wenigstens den Großteil der neuen Bekenntnistexte miteinander wie nach rückwärts mit einem Großteil der klassischen Texte des Reformationszeitalters verbindet“, wie Busch, Die Nähe der Fernen, 597 (Hervorhebung: M. E.-H.), feststellt, wird im Laufe der vorliegenden Untersuchung noch substantiell zu belegen und zu erarbeiten sein. 65 Busch, a. a. O., 600.

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Kirchen der reformierten Tradition weltweit festhalten ließen? Welche Rückschlüsse für eine reformierte Identität ließen sich daraus dann allerdings für die Mehrheit aller reformierter Kirchen weltweit66 ziehen, die ja kein neues Bekenntnis verfasst haben, bzw. sogar klassische Bekenntnistexte der reformierten Reformation aufgegeben oder in Kirchenunionen mit anderen protestantischen Kirchen reformatorische Bekenntnisse außerhalb der reformierten Tradition angenommen haben? Diese Vielzahl an neuen reformierten Bekenntnissen, in der überwiegenden Mehrheit nicht in den „traditionell“ reformierten Kirchen Europas, sondern in sog. „jungen“ Kirchen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas, Australiens und Nordamerikas entstanden67, stellen daher für alle Kirchen der reformierten Tradition gerade im Hinblick auf die Frage nach einer reformierten Identität „sowohl ein Geschenk als auch eine Herausforderung“68 dar. Mit Lukas Vischer ist deshalb festzuhalten, dass die Frage nach der Identität […] sich damit auf neue Weise [stellt]. Indem die reformierten Kirchen ihren Glauben in neuen Bekenntnissen zum Ausdruck bringen, machen sie unmissverständlich deutlich, dass sich ihre Identität letztlich einzig aus dem Vollzug der Verkündigung ergeben kann. Sie ist nicht durch irgendwelche Texte der Vergangenheit bereits endgültig umschrieben und festgelegt, sondern wird in der lebendigen Auseinandersetzung mit dem Evangelium ständig neu geboren.69

Den neuen Bekenntnissen reformierter Kirchen als Zeugnis dieses Verkündigungsvollzuges wird damit eine zentrale Rolle bei der Suche nach und Bestimmung von reformierter Identität weltweit eingeräumt, welcher in der hier vorliegenden Untersuchung nachgegangen werden wird. c) Der dritte Themenkreis innerhalb der Diskussionen des Reformierten Weltbundes hängt inhaltlich eng mit den ersten beiden zusammen: zum einen führten einige bilaterale Gespräche reformierter Kirchen auf regionaler Ebene in der Tat zu Unionen mit anderen reformierten oder reformatorischen Kirchen,70 zum anderen stammt ca. ein Viertel der neuen Bekenntnistexte aus Kirchen66 Legt man die Zahlen der von Bauswein/Vischer 1999 herausgegebenen Untersuchung The Reformed Family Worldwide zugrunde, dann kann weltweit von ca. 750 reformierten Kirchen ausgegangen werden, von denen etwa 35 in den letzten Jahrzehnten neue Bekenntnisse angenommen haben. Das würde einem Prozentsatz von rund 4 % entsprechen. 67 Von den im Sammelband „Reformiertes Zeugnis heute“ (1988) aufgenommenen 30 Bekenntnistexten etwa stammen nur 4 aus europäischen Kirchen; dieses Bild hat sich bis heute nicht grundlegend verändert. 68 Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 28. 69 Ebd. 70 In der Hauptsache kongregationalistische und methodistische Kirchen, aber auch Churches of Christ (Disciples), anglikanische und lutherische Kirchen. Vgl. Bauswein/Vischer, The Reformed Family Worldwide, 710; dort auch eine Liste der Länder (bis 1999), in denen solche Kirchenunionen stattgefunden haben. Fünfzehn dieser unierten Kirchen sind Mitglieder im Reformierten Weltbund. Vgl. auch Kinnamon, United and Uniting Churches.

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unionen.71 Nicht nur die sich vereinigenden Kirchen, sondern auch die internationale reformierte Weltgemeinschaft wurden durch diese Vereinigungen erneut vor die Frage gestellt, welchen Stellenwert die Bestimmung einer reformierten Identität, einer Besinnung auf reformiertes Erbe und reformierten Auftrag in diesen Vereinigungen hat, insbesondere da es nicht selten bei solchen Vereinigungen zu erneuten Kirchenabspaltungen von Gruppierungen kam, die ihre reformierte Identität in der Union nicht gewahrt sahen.72 Wie reformiert kann, soll und will eine vereinigte oder sich vereinigende Kirche sein? 73 Welche Bekenntnistexte, wenn überhaupt, haben Gültigkeit für die neue unierte Kirche? 74 Und selbst wenn die sich vereinigenden Kirchen beide aus der reformierten Tradition stammen (wie etwa bei den beiden großen Vereinigungen presbyterianischer Kirchen in den USA 1967 und 1991) 75, so ist noch lange nicht gewährleistet, dass auch in beiden Kirchen unter „reformierter Identität“ das gleiche verstanden und gelebt wird. Neben diesen Vereinigungsbestrebungen auf nationaler kirchlicher Ebene führten aber auch internationale Zusammenschlüsse zur Thematisierung von Identitätsbestimmungen, so 1970 bei der Vereinigung von Reformiertem Weltbund und dem International Congregational Council und besonders während 71 Vgl. RZH, 221–296. 72 Als Fallbeispiel mag dazu die Protestantische Kirche in den Niederlanden dienen, eine vereinigte Kirche aus reformierten und lutherischen Kirchen, bei deren Gründung im Jahr 2004 sich eine neue Kirche abspaltete, die sich als „wiederhergestellte reformierte Kirche“ verstand; vgl. dazu van den Belt, Forms of Unity or Disunity. Vgl. zu diesem Thema auch WARC, Unity and Union, und Lienemann-Perrin et al., Introduction, VII: „Because of many church unions all over the world in which also churches of other denominations take part, the question as to Reformed identity is urgent, especially in the context of the ecumenical movement and the relation to modern – or postmodern – culture.“ (Hervorhebungen: M. E.H.) 73 Die Frage von Identität und Kirchenunionen thematisiert der siebte Artikel der Verfassung der Church of Scotland in bemerkenswerter Weise: „The Church of Scotland, believing it to be the will of Christ that His disciples should be all one in the Father and in Him, that the world may believe that the Father has sent him, recognises the obligation to seek and promote union with other Churches in which it finds the Word to be purely preached, the sacraments administered according to Christ’s ordinance, and discipline rightly exercised; and it has the right to unite with any such Church without loss of its identity on terms which this Church finds to be consistent with these articles.” Zitiert bei McEnhill, Reformed Tradition, 79 (Hervorhebungen: M. E.-H.) 74 So können in deutschen unierten Kirchen lutherische neben reformierten Bekenntnissen stehen; auch die 2004 gegründete Protestantische Kirche in den Niederlanden zählt reformierte und lutherische Dokumente zu ihren Bekenntnistexten und gehört sowohl der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen als auch dem Lutherischen Weltbund an; vgl. Koffeman, Samengebracht. Dieser Befund trifft weltweit auf zahlreiche weitere unierte Kirchen zu. 75 Vgl. RZH, 157–169, zum Bekenntnis von 1967; und Ernst, „In Leben und Tod gehören wir Gott“.

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des Prozesses zur Vereinigung mit dem Reformierten Ökumenischen Rat 2010 zur Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Erneut widmete sich eine Serie von Konsultationen und Artikeln diesem Thema76 unter Betonung des jeweils kontextuellen Aspektes und mit einer unleugbaren „variety of Reformed thinking about Reformed identity“77. Die tiefgehende Verunsicherung darüber, was „reformierte Identität“ im Reformierten Weltbund und dann auch in der Weltgemeinschaft heißen kann und soll,78 wird durch provokative und selbstkritische Fragen verdeutlicht, die 2005 dem WARC-Exekutivausschuss von einem Unterausschuss vorgelegt wurden: Is what binds WARC member churches together purely our concern for social action or economic justice? Or can it be theological or confessional? Are we more than just not Roman Catholic, not Anglican, not Baptist, not Orthodox, not Pentecostal, etc.? Are we together in a meaningful and definable way rather than just because we don’t fit in anywhere else? Is WARC a body with clear identity or just a ragbag of misfits? 79

So verwundert es kaum, dass trotz der Aufnahme des Stichworts der reformierten Identität in Artikel II der Verfassung der Weltgemeinschaft80 die Frage nach der reformierten Identität auch für diese neue Organisation nicht abschließend beantwortet wurde – und auch nicht konnte; dass sogar die Frage, ob die Weltgemeinschaft reformierter Kirchen überhaupt der angemessene Agent für die Bestimmung einer reformierten Identität ist, noch zu klären ist:81 Bedeutet Welt„Gemeinschaft“, communio, dass alle Kirchen notwendigerweise Ausdruck einer gemeinsamen reformierten Identität sind, oder geht es vielmehr um das (Mit-) Teilen kontextuell geprägter Verständnisse reformierter Identitäten? 82 Die Frage 76 Vgl. dazu die Dezemberausgabe der Reformed World von 2008 mit dem Titel „Reformed Identity“, sowie die Januarausgabe von 2010 mit dem Titel „Communion and Justice“, welche die Ergebnisse einer Serie von zehn weltweiten Konsultationen zum Thema wiedergeben. 77 Visser, Editorial, 188. 78 Diese Frage gewinnt eine besondere Brisanz, wenn man sich vor Augen hält, dass einer der Hauptfaktoren für die Vereinigung zweier durchaus unterschiedlicher reformierter Weltorganisationen der Wunsch danach war „of being organised and becoming one family and to maintain one identity in the setting of world communions and religious communities.“; so Tegwende Kinda, Live Out, 57 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 79 Visser, Global Christian Communion, 7 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 80 Art. II. – Basiserklärung: „[…] Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen fühlt sich einer reformierten Identität verpflichtet, wie sie in den Ökumenischen Glaubensbekenntnissen der frühen Kirche und den historischen Reformierten Bekenntnisschriften zum Ausdruck kommt und ihre Kontinuität im Leben und Zeugnis der reformierten Gemeinschaft erweist.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).Vgl. dazu auch „Art. III–Identität“ der Verfassung. 81 Vgl. Visser, a. a. O., 10. So formuliert der Section Report on Reformed Identity, Theology and Communion (in: Nyomi (Hg.), Grand Rapids 2010, 129) im ersten Abschnitt: „As a part of the universal Church, we strive with humility to give expression to our Reformed identity and theology. Our self-awareness comes to expression in our appreciation of various foundational principals.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 82 Vgl. z. B. die Erklärung der lateinamerikanischen Konsultation in Sao Paulo 2009, zitiert bei

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nach der reformierten Identität hat auch in der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen nichts von ihrer Brisanz verloren. d) Das oben angeführte Zitat des Unterausschusses verweist auf einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt theologischer Diskussionen in Reformiertem Weltbund und Weltgemeinschaft: Wie stark ist reformierte Identität bestimmt durch gegenwärtige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Herausforderungen und die Reaktion reformierter Kirchen darauf ? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Identität reformierter Kirchen und der „Botschaft des Evangeliums im Blick auf drängende Fragen ihrer Zeit und ihres Ortes“83? Wie reagieren reformierte Kirchen auf die Herausforderungen, die „sich sowohl aus den verheißungsvollen als auch aus den bedrohlichen Entwicklungen der heutigen Welt“84 ergeben? Besonders die Auseinandersetzungen um die Ausrufung des status confessionis im Blick auf die theologische Rechtfertigung der Apartheidsideologie in südafrikanischen reformierten Kirchen durch die Generalversammlung in Ottawa 198285 führte erneut vor Augen, wie eng Identität, Bekenntnis und bezeugendes Leben in der reformierten Tradition zusammenhängen – und wie unterschiedlich diese Zusammenhänge weltweit in reformierten Kirchen interpretiert wurden. Dieser Dreiklang von Bekenntnis – Leben – Identität wurde in der Folge zum Zentrum einer neuen Diskussion, die bis in die Gegenwart hinein anhält: wie können und müssen Kirchen der reformierten Tradition auf wirtschaftliche Ungerechtigkeit und Naturzerstörung reagieren, die das Überleben eines großen Teiles der Menschheit, insbesondere in Afrika, und das Überleben der Schöpfung bedrohen? Steht mit den „Mechanismen der globalen Wirtschaft […] heute das Evangelium selbst, die gute Nachricht für die Armen auf dem Spiel?“86 Es stand die Frage im Raum, ob analog zum status confessionis im Blick auf die Apartheid nun auch ein status confessionis im Blick

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Trón, Committed to Being a Communion, 31: „Part of sharing the riches of each region includes sharing our theologies and our liturgies which are an expression of our Christian joy, and sharing our own understanding of Reformed identity.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Reformierter Weltbund, Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Zeugnis, 1. Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 10. Im Einzelnen listet die Studie auf: wissenschaftliche Entdeckungen, neue Möglichkeiten des Zusammenlebens mit Menschen aller Länder und Religionen, Risiko des Zusammenbruchs des Öko-Systems, scheinbar maßlose Machtkonzentration und deren Folgen der Ausbeutung und Armut, Anstieg der Waffenproduktion, Verletzung der Menschenwürde, Sinnlosigkeit und Absurdität des Lebens; a. a. O. 12. Aus der Fülle der Literatur zu diesem Thema vgl. etwa Smit, What Does status confessionis mean?; Blei, Apartheid as a status confessionis, sowie die Studie des Reformierten Weltbundes „Farewell to Apartheid?“ hg. von Réamonn. So die Formulierung einer WARC-Konsultation im südlichen Afrika; vgl. Duchrow, „Dient Gott, nicht dem Mammon“, 11.

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auf globale Systeme der Unterdrückung und Ausbeutung auszurufen sei.87 Die Generalversammlung des Reformierten Weltbundes 1997 in Debrecen rief dann zunächst zu einem processus confessionis88 auf, einem „verbindlichen Prozess der wachsenden Erkenntnis, der Aufklärung und des Bekennens bezüglich wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und ökologischer Zerstörung“89, stellvertretend für die ganze christliche Kirche.90 Wiederum folgten Studien und Konsultationen, in deren Verlauf der Prozess in „Covenanting for Justice in the Economy and the Earth“ umbenannt wurde91 und die schließlich – wenn auch nicht unumstritten92 – zur sog. Erklärung von Accra der Generalversammlung des Reformierten Weltbundes 2004 führten.93 Dort wird in deutlicher und bewusster Anlehnung an die Barmer Theologische Erklärung erklärt, dass „vor dem Hintergrund unserer reformierten Tradition und der Erkenntnis der Zeichen der Zeit […] die Frage der globalen wirtschaftlichen Gerechtigkeit eine für die Integrität unseres Gottesglaubens und unsere Nachfolgegemeinschaft als Christinnen und Christen grundlegende Frage ist“94. Auch wenn in Debrecen de facto kein status confes87 Opocˇenský, Processus Confessionis, schildert ausführlich die Diskussion um und die Entwicklungen des processus confessionis im WARC. 88 Vgl. Park, A Journey For Life, 192: „The Debrecen General Council realized the need for careful reflection. Instead of a quick move to status confessionis, it decided to launch a confessing movement by calling all WARC member churches at all levels to be engaged in a ‚committed process‘“. 89 Opocˇenský, Debrecen 1997, 221. In ihrem Abschlussbericht formulierte die Generalversammlung „In vielen Teilen der Welt sind reformierte Kirchen und Gemeinschaften durch die entsetzlichen Lebensumstände vieler Menschen und durch die Bedrohung fortschreitender Umweltzerstörung herausgefordert. Viele glauben, dass die Zeit gekommen ist, von unserem Glauben her ein Bekenntnis abzulegen, das diese Ungerechtigkeiten verwirft und gegen sie kämpft, gleichzeitig aber unseren Glauben an den dreieinigen Gott bekräftigt, der in Christus eine neue Schöpfung auftut. Wir müssen uns durch den Aufschrei der Leidenden und durch das Seufzen der Kreatur in Frage stellen lassen. Wir Christen aus den reformierten Kirchen sind uns unserer Mittäterschaft in einem Wirtschaftssystem bewusst, das unfair und unterdrückerisch ist und zum Elend und Tod vieler Menschen führt. Wir haben teil an den Haltungen und Praktiken, die die Grundlagen der Nachhaltigkeit der Erde aushöhlen. Wir wollen das Geschenk des Lebens bejahen. Wir sind der Überzeugung, dass diese Bejahung des Lebens, die Verpflichtung zum Widerstand und der Kampf für Veränderungen heute ein integraler Teil reformierten Glaubens und Bekenntnisses sind.“ (a. a. O., 220; Hervorhebungen: M. E.-H.). 90 Vgl. Opocˇenský, Processus Confessionis, 397. Tatsächlich hat dann die Vollversammlung des ÖRK 1998 in Harare den Aufruf übernommen; auch der Lutherische Weltbund beteiligte sich in der Folge am processus confessionis und verabschiedete 2003 auf seiner Vollversammlung in Winnipeg eine Erklärung zur Globalisierung, die in diesem Zusammenhang von „Götzendienst“ spricht; vgl. dazu Duchrow, Ökumene versus kapitalistisches Imperium, 316. 91 Vgl. Park, a. a. O., 197. 92 Duchrow kann im Blick auf die „enormen Widerstände in Europa“ gegen das Bekenntnis sogar von einem „Wunder von Accra“ sprechen; so der Titel seines Berichtes „Das Wunder von Accra. Bekenntnis der 24. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes“. 93 Vgl. dazu die Darstellung bei Park, a. a. O., 191–201. 94 Artikel 15 der Accra-Erklärung.

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sionis erklärt wurde, und der Bekenntnischarakter des Accra-Textes bewusst vage gestaltet wurde,95 ist doch deutlich, dass es sich bei dieser Vorgehensweise um einen „confessional approach in some form“96 handelt, der immer wieder auch kritisch daraufhin befragt wird, in welchem reziproken Verhältnis er zu einer kontextuellen wie globalen „reformierten Identität“ steht.97 Auch wenn sich das Thema der Identität nun zwar nicht mehr dergestalt explizit im Vordergrund von Studien und Artikeln im Bereich der Weltgemeinschaft befindet wie noch in den 1990er Jahren, so ist es doch gerade in Bezug auf den Prozess des „Covenanting for Justice“ immer wieder direkt und indirekt Referenzpunkt theologischer und ethischer Überlegungen und Handlungen.

1.1.3 … in reformierten Kirchen weltweit Bringt insbesondere die Diversität weltweiter reformierter Kirchen in der internationalen Gemeinschaft die Diskussionen um eine gemeinsame Identität immer wieder in den Vordergrund, so heißt dies doch bei weitem nicht, dass es für lokale Kirchen nun ungleich einfacher wäre, ihre je eigene und kontextuelle reformierte Identität zu bestimmen. Ähnliche Fragestellungen wie die bereits zitierten stellen sich auch als Herausforderungen für reformierte Kirchen vor Ort und die Versuche auf diese zu antworten, beschäftigen Kirchen auf allen Ebenen. Um einen Überblick über die Breite und Tiefe der Diskussionen zu geben, werden im

95 Vgl. dazu Artikel 14 der Accra-Erklärung: „Eine Glaubensverpflichtung (faith commitment) kann ihre Ausdrucksform gemäß der jeweiligen regionalen und theologischen Tradition in unterschiedlicher Weise finden: als Bekenntnis (confession), als gemeinsamem Akt des Bekennens (confessing), als Glaubenserklärung (faith stance) oder als einem Akt der Treue (being faithful) gegenüber dem Bund Gottes. Wir haben das Wort Bekennen/Bekenntnis (confession) gewählt, nicht im Sinne eines klassischen Lehrbekenntnisses (doctrinal confession) – denn dazu ist der Reformierte Weltbund nicht befugt – sondern um auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer aktiven Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit, sowie auf den Appell von Debrecen hinzuweisen. Wir laden die Mitgliedskirchen ein, sich unser gemeinsames Zeugnis anzueignen und sich damit auseinanderzusetzen.“ 96 Park, a. a. O., 192. 97 Vgl. etwa Visser, Editorial, 188: „The covenanting for justice process the World Alliance of Reformed Churches is so deeply committed to has many typical reformed [sic!] characteristics and the same could be said for the criticism within the Reformed world on the way this covenanting for justice process is being done.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.); und auch Zorgdrager, In Search of a Shared Theology, 163: „The paradoxical outcome is that Accra intended to make a universal prophetic call for justice: this is what we theologically stand for! But, in the process of reception, it brought the plurality of theological positions in the worldwide Reformed community to the surface. One might say that this is the fate and the power of a prophetic statement, to produce a holy divisiveness. But we should better ask: can we speak of a shared Reformed theology in the Accra Confession?“.

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Folgenden einige solcher Versuche der Bestimmung reformierter Identität kurz vorgestellt, selbstredend ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Zu Ende des 20. bzw. zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind gerade die „alten“, traditionellen Kirchen Europas und Nord-Amerikas, nicht allein die reformierten, sondern allgemein die christlichen, durch die Herausforderungen der Postmoderne,98 durch Traditionsabbruch99, Dekonfessionalisierung100 und Transkonfessionalierung101, die Krise des reformatorischen Christentums102, Entfremdung103 oder gar Entchristlichung104 gekennzeichnet.105 Zudem machen auch Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft nicht vor den Toren der Kirchen halt, sondern stellen Althergebrachtes, auch althergebrachte Selbstverständnisse in radikaler Weise in Frage. Wie oben bereits erwähnt, stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage nach reformierter Identität von Kirchen und Gemeinden in den letzten Jahrzehnten des ausgehenden 20. Jahrhunderts immer drängender; es galt (und gilt immer noch) zu klären, was eigentlich „reformiert“ hier und heute heißt, und warum Kirchen in Zeiten real gelebter Ökumene und einer immer stärker wachsenden Traditionsindifferenz vieler ihrer Glieder nicht „konfessionslos glücklich“106 sein könnten oder sollten. So unterschiedlich die Kontexte sind, in denen reformierte Kirchen nach ihrer je eigenen Identität suchen,107 so unterschiedlich stellen sich auch die Herange-

98 Vgl. etwa Lakeland, Postmodernity. Christian Identity in a Fragmented Age. 99 Vgl. z. B. Enns, Christliche Identität im Traditionsabbruch. 100 Vgl. Rüegger, Christliche Identität im Spannungsfeld von Individualisierung, Pluralisierung und Dekonfessionalisierung. 101 Vgl. Rüegger, a. a. O., 19f. 102 Vgl. Baur, Das reformatorische Christentum in der Krise. 103 „Vervreemding“ bei van’t Spijker, Eenheid in verscheidenheid? De identiteitscrisis binnen de Gereformeerde Gezindte, 9 et passim. 104 Nicht allein außerhalb der Kirchen, sondern auch innerhalb; vgl. dazu z. B. Busch, Credo, 284 et passim. 105 Zur Situation reformierter Kirchen weltweit vgl. die Beobachtung von McEnhill, Introduction, 2: „Everywhere we look in the Northern hemisphere the mainline churches of the Reformed tradition are in numerical decline. Some are even predicting the demise of the classical ‚Reformed‘ enterprise in this generation. Only in the ‚global South‘ do we find Reformed churches that are thriving and growing to a significant degree […]. But how much longer such churches will explicitly identify themselves as ‚Reformed‘ in a post-confessional and post-denominational age is open to question – and maybe that is no bad thing.“ Siehe dazu auch die Überlegungen von Kirkpatrick, A Future for the Reformed Movement?. 106 So ein Titel eines Buches von Hans Martin Barth aus dem Jahr 2013. 107 Die vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund finanzierte und von Stolz/Ballif herausgegebene „Umfeldanalyse“ mit dem Titel „Die Zukunft der Reformierten. Gesellschaftliche Megatrends – kirchliche Reaktionen“ von 2010 kann als Beispiel für eine solche Kontextanalyse dienen. Die Studie umfasst ein eigenes Kapitel zur reformierten Identität unter dem Stichwort „Suche nach klarer Identität“, das mit den folgenden Sätzen eingeleitet wird: „Wenn es ein Ziel gibt, bei dem sich […] alle Reformierten einig sind, dann dieses: Die

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hensweisen an diese Fragestellung sowie die Zielintentionen der Kirchen dar. Es lassen sich Kirchen finden, die auf unterschiedlichsten innerkirchlichen Wegen versuchen, ihr je spezifisches Selbstverständnis zu beleuchten, bzw. zu entwickeln, wie etwa die Projektgruppe „Reformierte Identität“ der Zürcher Evangelisch-reformierten Landeskirche, die sich im Januar 1997 zum ersten Mal traf.108 Für die vorliegende Untersuchung besonders informativ ist die Tatsache, dass bereits etwa ein Jahr später sich ein „Seitenzweig“ dieses Projektes abzeichnete: das „Projekt Bekenntnis“109, unterstützt von einer Ringvorlesung „Freiheit im Bekenntnis“ der Theologischen Fakultät der Universität Zürich im Wintersemester 1999/2000.110 In der „bekenntnis-freien“ Zürcher Kirche war bei dieser „reformierten Spurensuche“ deutlich geworden, dass „Bekennen wie Bekenntnisse auch zum reformierten Glaubensprofil gehören.“111 Aber auch reformierte Kirchen, die ein oder mehrere Bekenntnisse als gemeinsame Grundlage angenommen haben, wie etwa die Evangelisch-reformierte Kirche in Deutschland den Heidelberger Katechismus und die Barmer Theologische Erklärung112, sind bei weitem nicht davor gefeit, sich ebenfalls mit den Herausforderungen der Gegenwart im Blick auf ihre reformierte Identität beschäftigen zu müssen113 – wie im Folgenden noch ausführlich thematisiert werden wird, kann auch bei diesen Kirchen nicht von einem die Identität letztgültig bestimmenden Bekenntnisstand gesprochen werden. Das gleiche gilt auch für eher konservative reformierte Kirchen, die den aus der Reformationszeit übernommen Bekenntnistexten einen großen Stellenwert in Theologie, Liturgie, Katechese und Predigt zuweisen. Schon 1973 etwa veranstaltete die Gereforme-

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Reformierten sollen ihre Identität klarer profilieren.“ (a. a. O., 95; Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu und zum Folgenden Krieg, Einleitung, 5. Das Projekt versuchte auf die Fragestellung zu antworten: „Was heißt es, in einer postkonfessionellen und multireligiösen, wenn nicht gar nachchristlichen Epoche ‚reformiert‘ zu sein? Inwiefern ist reformiert zu sein mehr, als nicht katholisch oder nicht lutherisch zu sein? Gibt es überhaupt reformierte Eigentümlichkeiten?“ (ebd.). Vgl. dazu den von Krieg/Luibl herausgegebenen Sammelband „In Freiheit Gesicht zeigen. Zur Wiederaufnahme des liturgischen Bekennens im reformierten Gottesdienst“. Vgl. dazu den von Bühler et al. herausgegebenen Sammelband „‚Freiheit im Bekenntnis‘. Das Glaubensbekenntnis der Kirche in theologischer Perspektive“. So Luibl in seiner Einführung zu dem o.g. Sammelband „Freiheit im Bekenntnis“. Vgl. dazu auch den unter der Leitung von Krieg von einer interkantonalen Initiativgruppe herausgegebenen Band „Reformierte Bekenntnisse. Ein Werkbuch“. Neben den drei altkirchlichen Bekenntnissen Apostolicum, Athanasianum und NicaenoConstantinopolitanum. So zum Beispiel in dem von Züchner 1996 herausgegeben Bändchen „Reformiert gestern und heute. Fünf Gemeindevorträge über reformierte Identität und reformiertes Glaubensleben“, in dem die Vorträge eines Seminars in Emden unter der Fragestellung „Reformiert – Was ist das eigentlich?“ von 1994 veröffentlich wurden.

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erde Gezindte114 in den Niederlanden eine Konferenz mit dem sprechenden Titel „Krise und Ausblick der Gereformeerde Gezindte“ – deren Diskussionspunkte vorwegnehmen, was noch in den folgenden Jahrzehnten weltweit diskutiert werden wird: Reformierte Identität als perfectum, als Gegebenheit, als Gestalt der Kirche und als Frömmigkeit.115 Als weiteres Beispiel mag auch die Christian Reformed Church in North America (CRCNA) dienen, zu deren Bekenntnisgrundlage die „Drei Formeln der Einheit“116 gehören und die sich im Laufe der letzten etwa 30 Jahre kontinuierlich mit dem Thema der Reformierten Identität auseinandergesetzt hat;117 so auch 2006 in der zum offiziellen Gebrauch in den Gemeinden verfassten Broschüre „What it means to be Reformed. An Identity Statement“,118 in weiteren halboffiziellen Veröffentlichungen119 und im Zusammenhang mit dem 1986 erstellten und 2008 revidierten „contemporary testimony“ mit dem Titel Our World belongs to God, welches zwar keinen offiziellen Bekenntnisstatus erhielt, in den Gemeinden aber großen Anklang fand. Auch die Annahme des Belhar-Bekenntnisses aus Südafrika120 als „ecumenical faith declaration“ (bewusst nicht als Bekenntnis im klassischen Sinne) durch die Synode der CRCNA von 2012 gab der Diskussion um eine reformierte Identität in globaler Perspektive neuen Schwung.121 114 Ein Zusammenschluss von reformierten Kirchenverbänden in den Niederlanden, die die Drei Formulare der Einheit anerkennen. 115 So die Kapitelüberschriften des Buches „Eenheid in verscheidenheit?“ von van’t Spijker, das eine Ausarbeitung seines auf der oben genannten Konferenz gehaltenen Vortrages ist. Van’t Spijker nimmt viele Fragestellungen vorweg, die in den folgenden Jahrzehnten in den Diskursen immer wieder auftreten werden; allerdings lassen sich in der theologischen Literatur kaum Verweise auf seine Überlegungen finden. 116 Die Confessio Belgica, der Heidelberger Katechismus und die Dordrechter Canones. 117 Für eine andere, ebenfalls eher konservative reformierte Kirche in den USA, die Reformed Church in America (RCA), identifizierte einer ihrer einflussreichsten Theologen, Paul R. Fries, eine „denominational identity crisis“, so der Untertitel seines Beitrages „Confessing is Identity“ von 1998, obwohl die Suche nach reformierter Identität in der RCA bereits seit 1984 zu den „denominational priorities“ gehörte; a. a. O., 4. 118 Die Leitfrage hier war „What does it mean to be a Reformed Christian?“ und als „primary enemy“ wurde der „deadly secularism that threatens all Christians“ identifiziert und nicht etwa die Auseinandersetzung mit anderen christlichen Konfessionen oder nichtchristlichen Religionen; vgl. a. a. O., 5. 119 Vgl. etwa de Moor, Reformed. What It Means, Why It Matters. 120 1986 von der Generalsynode der Nederduitse Gereformeerde Sendingskerk (NGSK) verabschiedet; bei der Vereinigung der NGSK mit der Nederduits Gereformeerde Kerk in Suider Afrika (NGKA) zur Uniting Reformed Church in South Africa (URCSA) 1994 wurde es als gemeinsame Bekenntnisgrundlage angenommen. In der Folge baten die URCSA ihr partnerschaftlich verbundene Kirchen, Gemeinden und Christen, sich dieses Bekenntnis zu eigen zu machen. 121 Ähnlich auch in der Reformed Church of America (RCA), die sich das Belhar-Bekenntnis 2010 zu eigen machte. Vgl. dazu die Maiausgabe 2008 von „Perspectives. A Journal of Reformed Thought“, deren Artikel sich mit Fragen zu dem Belhar-Bekenntnis im nordamerikanischen Kontext und dessen reformierten Kirchen auseinandersetzt.

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In Südafrika selbst ist die Diskussion um reformierte Identität nach wie vor ein zentraler Diskussionsgegenstand in Theologie und Kirche, insbesondere weil sich die Suche nach einer reformierten Identität in kaum einem anderen Kontext so brisant, aus politischer wie kirchlicher und theologischer Perspektive, und so herausfordernd gestaltet wie im Südafrika nicht allein der Apartheidszeit, sondern bis zum heutigen Tag. Mit Recht kann daher sogar von einem „contest for Reformed identity in South Africa“122, gar von einem „Kampfplatz“ gesprochen werden.123 In diesem Sinne hält der südafrikanische Theologe und Mitautor des Belhar-Bekenntnisses Dirk Smit fest: „What does it mean to live in South Africa, and to be Reformed? It obviously means to be involved in a passionate debate about […] Reformed identity itself.“124 Welche der zahlreichen reformierten Kirchen Südafrikas kann reformierte Identität für sich beanspruchen und wie wird diese verstanden und bestimmt? 125 Was heißt reformierte Identität tatsächlich für südafrikanische Kirchen im eigenen wie im internationalen Kontext? 126 Und: ist „reformiert Identität“ überhaupt ein Konzept, das für die Kirchen Südafrikas in ihrer gegenwärtigen Situation noch eine erstrebenswerte Selbstbezeichnung darstellt, oder verlangen die aktuellen Herausforderungen vielmehr nach einer ökumenisch bestimmten Identität? Ähnliche Fragen, wenn auch basierend auf einer völlig anderen Geschichte, stellen sich viele Kirchen weltweit, insbesondere Kirchen in der südlichen Hemisphäre, die aus Missionen „alter“ reformierter Kirchen, vornehmlich aus Europa und Nord-Amerika entstanden sind (und gegenwärtig die Mehrzahl 122 So der Titel eines Artikels von DeGruchy, der sich allerdings auf die Apartheidszeit (1960– 1994) beschränkt. 123 Vgl. dazu auch Smit, What Does It Mean, 276: „There have been and still are serious conflicts in and between South African Reformed churches about the nature of our Reformed identity. Whether construed as ‚sites of struggle‘, as ‚ambiguities‘, as vraagtekens (question marks) or kragvelde (fields-of-force), living as Reformed believers in South Africa involves being very much aware of the deep controversies with the Reformed faith itself about ‚the goods that constitute our own tradition‘.“ (Hervorhebungen im Original) 124 Smit, a. a. O., 227. Vgl. dazu auch die Diskussion um eine reformierte Identität in (Süd)Afrika bei Phiri, Reformed theology in Africa. 125 DeGruchy, a. a. O., 4–7, beschreibt nachdrücklich, wie sich besonders die schwarzen südafrikanischen Kirchen von einem Verständnis von „reformiert“ als monopolisiertes Synonym zu Apartheidpolitik und -ideologie hin entwickelten zu einem Selbstverständnis von „reformiert“, welches sie für sich selbst insbesondere durch das Belhar-Bekenntnis beanspruchten: „The Reformed label was wrenched from being monopolized by the NGK, and was rapidly becoming an identity that black ministers and theologians in the UCCSA and Presbyterian Churches were also happy to embrace.“ (a. a. O., 7). 126 Die Gereformeerde Kerk van Suide Afrika (GKSA) z. B. veranstaltete 2009 eine internationale Konferenz zum Thema „Reformed Identity Worldwide“ in Potchefstroom, an der in der Hauptsache eher konservative reformierte Kirchen teilnahmen. Vgl. dazu u. a. van Wijk, Our Reformed Identity; Ross, The Reformed Identity in the Eastern Cape; und Rogers, Reformed Identity in New Zealand.

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reformierter Kirchen weltweit darstellen). Wie gehen diese Kirchen mit der ihnen zum Teil aufgezwungenen, zum Teil angebotenen reformierten Identität in Bekenntnissen, Liturgie, Theologie, etc. um; wie formulieren sie eine eigene reformierte Identität für ihren Kontext heute? 127 Versuche, diese Fragen zu beantworten, differieren von Kirche zu Kirche auch im gleichen Kontext; es lassen sich unter Umständen in einer Region, in einem Land diametral entgegengesetzte Versuche reformierter Kirchen finden, sich zu diesen Fragen ins Verhältnis zu setzen.128 Auf der einen Seite finden sich dabei aus der Mission erwachsene Kirchen, die dankbar anstreben, die ihnen überlieferte reformierte Identität zu bewahren und zu bewähren,129 sie zu kontextualisieren130 oder weiterzuführen131. Als beispielhaft kann dafür das Vorgehen der Reformierten Kirche Japans gelten, welche 1946 die Westminster Confession of Faith annahm, aber mit einer eigenen Präambel versah, deren erster Artikel zur Verdeutlichung hier in Ausschnitten zitiert wird: The Church of old commonly possessed the Apostolic, Nicean and Chalcedonian as the fundamental and ecumenical Creeds of the Church. During the Reformation, the Reformed Church, standing on the tradition of the orthodox faith of these Creeds, but not being confined to them, were led to formulate confessions of faith which were more evangelical, nay, purer even in the whole of its doctrine and more systematised. It is our

127 Als Fallbeispiel können die zahlreichen reformierten Kirchen Indonesiens gelten, die aus der Mission insbesondere niederländischer reformierter Kirchen und ihrer Missionswerke erwuchsen. Das unterschiedliche Identitätsverständnis der sendenden Kirchen sowie ihr differenzierendes Missionsverständnis führten zu einer Vielgestalt von Ausprägungen reformierter Identitäten, bzw. zur Neubestimmung oder Ablehnung derselben. Sehr erhellend in diesem Zusammenhang ist van den Ends ausführliche Studie „Transfer of Reformed Identity on the Missionfield in Indonesia“, deren Ergebnisse sicher nicht nur für die Kirchen Indonesiens sprechend sind. 128 Am deutlichsten sichtbar vielleicht in Südkorea mit seinen buchstäblichen Hunderten von Kirchen, die sich zur reformierten Tradition zählen – allein knapp 100 von ihnen bezeichnen sich als „presbyterianisch“; vgl. Bauswein/Vischer, The Reformed Family Worldwide, 297–334. 129 Vgl. zum Beispiel Aben, The Reformed Faith in Nigeria. 130 Vgl. Fubara-Manuel, Reformed Identity in Nigeria Today, 245–250, der allerdings eher beschreibt, wie eine vorher anhand klassischer Bestimmungen (so etwa des TULIP-Prinzips) entwickelte reformierte Identität kontextuelle Gegebenheiten konfrontiert oder herausfordert. 131 Für ein besonders sprechendes Vorgehen in diesem Zusammenhang hat sich die Christliche Kirche aus Nordmitteljava (GKJTU) entschieden: während sie weiterhin den Heidelberger Katechismus als verbindliches Bekenntnis anerkennt, hat sie 2008 einen Anhang zu ihm verabschiedet, der sich mit den konkreten Fragen ihres javanischen Umfeldes beschäftigt, wie auch sein Titel deutlich zu erkennen gibt: Die Lehre der GKJTU zu Fragen der Kultur, des religiösen Pluralismus und der Vielfalt der Kirchen, der Politik, der Wirtschaft, sowie der Wissenschaft und der Technologie. Vgl. dazu den kleinen Band hg. von der Christlichen Kirche aus Nordmitteljava, Fortsetzung folgt. Die Fortschreibung des Heidelberger Katechismus.

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firm conviction that, among the more than thirty Confessions thus formulated, the Westminster Standards of Faith is the most perfect formulation of the system of doctrine taught in the Scriptures. We, the Reformed Church in Japan, pray for one that is better formulated with our own words, but in the meanwhile are firmly convinced that, for the present, this Standard of Faith is the most suitable to be our own Standard of Faith, and we adopt it as such with praise and gratitude.132

Die je eigene reformierte Identität dieser Kirchen ist nach wie vor stark verbunden mit dem geistigen Erbe der reformatorischen Kirchen, während dieses Erbe gleichzeitig „a legacy in dialogue with the context“133 ist. Im Dialog mit diesem Erbe im jeweils spezifischen Kontext entwickeln viele der „jungen“ Kirchen gerade im Blick auf ihr Bekenntnis einen eigenen Weg ihre reformierte Identität zu bestimmen: sie verfassen neue Bekenntnisse, zusätzlich zu den altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen oder sogar als Ersatz für diese, nicht selten nach jahrelangen Diskussionen darüber, was diesen Kirchen heute und an diesem Ort als christliches Bekenntnis in reformierter Tradition zu sagen aufgetragen ist, und wie die Verbindung mit und Weiterführung der reformierten Tradition von ihnen zu interpretieren und zu gestalten ist. In der Gemeinschaft der reformierten Kirchen weltweit ergibt sich, wie später noch genauer zu bedenken sein wird, gerade aus dieser neuen „Bekenntnisfreudigkeit“134 eine neue Infragestellung althergebrachter Konzepte reformierten Bekennens und reformierter Identität, in der die „jungen“ Kirchen als gleichberechtigte Partner wahrzunehmen und anzuhören sind.135 Die neuen Bekenntnisse sind für alle reformierten Kirchen weltweit damit „so etwas wie eine Einladung […] sowohl ein Geschenk als auch eine Herausforderung“,136 gerade in Bezug auf die Reflexion über die gemeinsame und je eigene reformierte Identität. Wollte man heute

132 Zitiert in Mino, Reformed Identity in Japan, 254 (Hervorhebungen im Original). 1976, 1986, 1996 und 2006 wurden dann jeweils Glaubenserklärungen zu den Themen Kirche und Staat; Bibel, Evangelium und Heiliger Geist; Evangelisation; Prädestination und Eschatologie angenommen als „part of the process of eventually formulating our confession with our own words.“ (ebd.) 133 So formuliert Sebastian, „The Sand around Lake Geneva“, 262, für den Kontext der Kirche von Südindien. 134 Busch, Die Nähe der Fernen, 593. 135 So Karrer, Bekenntnis und Ökumene, 27, im Blick auf das Bekennen der aus der Mission erwachsenen Kirchen und das gemeinsame Bekennen in der Ökumenischen Bewegung. 136 So Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 28. Vischer fährt fort: „Die reformierten Kirchen müssen sich mit dieser neuen Entwicklung auseinandersetzen. Sie müssen sich darüber Rechenschaft abzulegen suchen, wohin sie geführt worden sind, und inwiefern sich ihre Identität dadurch zu Recht oder zu Unrecht verändert hat. Die gemeinsame Reflexion gehört zu den dringendsten Aufgaben, denen sich die reformierte Familie zu stellen hat.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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noch über einen „transfer of Reformed identity“137 nachdenken, so wäre dieser Transfer angemessen nur als wechselseitig zu verstehen.

1.1.4 … in internationaler theologischer Kooperation Begleitend zu den Diskussionen um reformierte Identität in Kirchen und Institutionen findet sich eine äußerst lebhafte Auseinandersetzung mit diesem Thema auch im akademischen Bereich in Vorlesungen, Konferenzen und Literatur. Was diese Auseinandersetzung von Beginn an auszeichnet ist ihre internationale Ausrichtung, zunächst jedoch auf den europäischen und nordamerikanischen Raum beschränkt, um sich dann allerdings in den letzten Jahrzehnten auf eine globale Perspektive auszuweiten. Einige Beispiele dieser theologischen Arbeit sollen hier kurz angeführt werden, um aufzuzeigen welchen Widerhall die Identitätsfrage auch und gerade im wissenschaftlichen Bereich fand. Während der von Donald McKim 1992 herausgegebene Sammelband Major Themes in the Reformed Tradition sich auf Autoren und Autorinnen des nordamerikanischen und europäischen Kontextes beschränkt, so sind hier doch bereits zwei Entwicklungen im Ansatz zu beobachten, die sich in den folgenden Jahrzehnten verstärken werden. Zum einen weist McKim in seinem Vorwort bereits auf das Desiderat einer breiteren Perspektive hin, die sowohl reformierte Theologen und Theologinnen aus anderen Kontexten als auch theologische Ansätze bislang marginalisierter Stimmen der reformierten Tradition verlangt138, zum anderen werden schon hier erste Interaktionen reformierter Theologie und Tradition mit neueren theologischen Ansätzen wie der Prozesstheologie,139 Befreiungstheologie,140 feministischen Theologie141 und Black Theology142 vorgestellt. Eröffnet wird der Sammelband mit einem Aufsatz des Theologen John Leith, der sich mit dem „ethos of the Reformed tradition“143 beschäftigt und 137 So der Titel eines Aufsatzes von van den End in Bezug auf reformierte Missionen in Indonesien. 138 McKim, Major Themes, XII: „The primary context of these essays (and essayists) is European and North American. Yet today there are many other areas throughout the world where the Reformed tradition is vibrant. As theological contributions emerge from these contexts, and from heretofore marginalized voices everywhere, from women to non-white cultures, it will be important that they take their place in volumes like this.“ 139 Bloesch, Process Theology and Reformed Theology. 140 Winn, The Reformed Tradition and Liberation Theology, und Lara-Braud, Reflections on Liberation Theology from the Reformed Tradition. 141 Campbell, Feminist Theologies and the Reformed Tradition. 142 Boesak, Black and Reformed: Contradiction or Challenge. 143 Ein Wiederabdruck des ersten Kapitels seines besonders in den USA einflussreichen Buches „An Introduction to the Reformed Tradition. A Way of Being the Christian Community“ von 1982.

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damit das Thema für die weiteren Reflektionen setzt, die sich mit der „specific identity as Reformed believers in Jesus Christ“144 auseinandersetzen. Alle weiteren in dem Sammelband diskutierten Dimensionen der Major Themes145 können als Explikationen dieser spezifischen Identität aus verschiedenen Blickwinkeln und mit verschiedenen Ansätzen verstanden werden, insbesondere auch jene Texte, die sich explizit mit den Bekenntnissen der reformierten Tradition befassen und im Laufe der vorliegenden Untersuchung noch des Öfteren herangezogen werden.146 Auch der nächste hier zu erwähnende Band Zur Zukunft der Reformierten Theologie. Aufgaben – Themen – Traditionen von 1998 beklagt die sich in ihm widerspiegelnde „Vorherrschaft der euro-nordamerikanischen Hochschultheologie“147 – entgegen den eigentlichen Intentionen der beiden Herausgeber, Michael Welker (Heidelberg) und David Willis (Princeton), die gehofft hatten, Beiträge von „reformierten Theologen und Theologinnen aus aller Welt“ veröffentlichen zu können.148 Immerhin ist es ihnen gelungen, unter anderem auch Autoren und Autorinnen aus Japan, Myanmar, Ägypten und Argentinien zu gewinnen, die die Sicht auf reformierte Theologie, Tradition und Identität wenigstens ansatzweise öffnen.149 Indem dieser 1999 leicht verändert auch auf Englisch erschienene Band150 anstrebt, „das Profil und die Kohärenz der reformierten Theologie“151 trotz aller Unterschiedlichkeiten aufzuzeigen, hat er in den darauf folgenden Jahren entscheidende Impulse für die Diskussion um reformierte Identität gegeben und belegt damit, wie wichtig das Verständnis von reformierter Theologie in Bezug auf die reformierte Identität ist – das eine ist ohne das andere nicht zu denken. In diesem Zusammenhang sind vier Beiträge des Sammelbandes als besonders anregend zu kennzeichnen. Zum einen ist es wieder der Eröffnungsbeitrag, dessen Thesen in der Folge vielfach aufgenommen und weiterentwickelt wurden, nämlich Brian Gerrishs Aufsatz mit dem Titel 144 McKim in seiner Einleitung zum ersten Abschnitt des Sammelbandes mit dem Titel Foundational Issues, 1. 145 Die Hauptabschnitte sind überschrieben mit Foundational Issues, Theological Themes, Ecclesiological Expressions, Sacramental Studies, Liturgical Dimenions, Missiological Motifs, Theological Interactions. 146 Neben dem bereits erwähnten Artikel von John Leith sind das insbesondere der Artikel „The Confessional Nature of the Church“, verfasst von der Presbyterian Church (USA), sowie Dowey, Confessional Documents as Reformed Hermeneutic. 147 Welker/Willis (Hg.), Zur Zukunft der reformierten Theologie, 9. 148 Vgl. ebd. 149 Vgl. ebd.: „Etwa ein Drittel der Beiträge widerspricht schon aufgrund der Autorinnen und Autoren dem noch immer gängigen Vorurteil, reformierte Theologie sei im Wesentlichen eine Theologie von europäischen und nordamerikanischen weißen Männer für eben diese.“ 150 Willis/Welker/Gockel (Hg.), Toward the Future of Reformed Theology. Tasks, Topics, and Traditions. 151 Welker/Willis (Hg.), a. a. O., 10.

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„Tradition in der modernen Welt – Die reformierte Geisteshaltung“; wobei der englische Titel Gerrishs Ansatz noch genauer zum Ausdruck bringt, wenn er von „the Reformed habit of mind“ spricht. Dieser Aufsatz entwickelt in fünf Punkten, worin das spezifisch Eigene der reformierten Theologie, Tradition und eben auch Identität nach Gerrish besteht. Zwei weitere Artikel, beide mit ekklesiologischem Schwerpunkt und beide mit Bezug auf reformierte Bekenntnisse, beschäftigen sich ebenfalls ausdrücklich mit der Identitätsfrage: Christian Links Beitrag Die Kennzeichen der Kirche aus reformierter Sicht, der einen Abschnitt mit „Die Identität der Kirche“ überschreibt, und Lukas Vischers Darlegungen mit dem Titel Kirche – Mutter aller Gläubigen, der ein spezifisch reformiertes Verständnis der Kirche entwickelt und dabei immer wieder auf „grundlegende Optionen“152 der reformierten Tradition zurückgreift. Der letzte Beitrag des Bandes, Die Nähe der Fernen – Reformierte Bekenntnisse nach 1945 von Eberhard Busch, beginnt explizit mit den Fragen nach einer gemeinsamen weltweiten reformierten Identität,153 um dann in der Folge die neueren reformierten Bekenntnistexte auf „die neue Nähe“ und „neue Entfernungen“ hin zu untersuchen. Auch hier wird deutlich: gerade die Bekenntnistexte der Kirchen außerhalb der „klassischen reformierten Stammländer“154 stellen auf der einen Seite eine Herausforderung nicht nur für eine globale Identitätssuche innerhalb der Weltgemeinschaft der reformierten Kirchen dar, sondern auch für jede Kirche vor Ort. Zum anderen schärfen sie jedoch auch durch „gemeinsame Linien“ ein durchgehendes reformiertes Profil, „das wenigsten den Großteil der neuen Bekenntnistexte miteinander, wie nach rückwärts mit einem Großteil der klassischen Texte des Reformationszeitalters verbindet.“155 Im Jahr 1999 fanden zwei internationale Konferenzen statt, die sich beide wiederum mit dem Thema des spezifisch Reformierten in Theologie und Kirche beschäftigen. So trafen sich auf Einladung des Cheshunt Institute for Reformed Studies am Westminster College eine Reihe von international bekannten Theologen aus Großbritannien, Deutschland und den USA, die zum Thema „Future of Reformed Theology“ arbeiteten,156 ausgehend von der Beobachtung, dass es „almost a commonplace [is] to observe these days that one can discern a crisis of identity among the Reformed whenever one attends a gathering of that traditi152 A.a.O., 295. 153 A.a.O., 587: „Wo stehen wir heute, wir ‚Reformierten‘? Oder wenn wir lieber gehen statt stehen: Quo vadis, ecclesia reformata? […] Was haben wir heute zu sagen und zu bekennen, zu beten und zu arbeiten? Was verbindet die so vielfältige und zugleich auch so zersplitterte reformierte Weltfamilie? Auch wenn wir voll ökumenischen Geistes sein wollen: Was macht uns zu Reformierten?“. 154 A.a.O., 595. 155 Ebd. 156 Erst im Jahr 2008 erschien der Tagungsband mit den Beiträgen der Vortragenden hg. von McEnhill, Theology Reformed and Reforming.

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on.“157 Dementsprechend erarbeiten die neun Theologen ihre jeweils eigenen Zugänge zu diesem Themenfeld ausgehend von durchaus unterschiedlichen theologischen, bzw. exegetischen Prämissen mit der Überzeugung, dass „the Reformed tradition is not yet […] a spent force and there is much vitality left in it and in the resources of its theological tradition.“158 Die zweite internationale Konferenz, deren Beiträge für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sind, fand im März 1999 auf Einladung des Centers of Theological Inquiry/ Princeton im Internationalen Wissenschaftsforum in Heidelberg statt mit dem Titel Reformed Theology. Identity and Ecumenicity.159 Als Fortführung des oben genannten Projektes Zur Zukunft der reformierten Theologie war es den Organisatoren von Beginn an ein großes Anliegen „to reflect a more catholic Reformed community of inquiry“160, was allerdings wiederum nur teilweise gelang.161 Ausgehend von der Feststellung, dass es für reformierte Theologie charakteristisch sei „to be in constant search of the Reformed identity and to define this identity time and again“162 und dass dieses Vorgehen nicht zwangsläufig das Symptom einer implizit reformierten Schwäche sei, sondern vielmehr als gehorsame Antwort auf das Wort Gottes inmitten der Herausforderungen der Welt163 zu verstehen sei, erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz reformierte Theologie als kritische und selbstkritische Funktion der Kirche als „truth-seeking community“164. Trotz aller Diversität der Kontexte, theologischen Ansätze und Verständnisse von reformierter Identität stellen die Beiträge kein Beispiel einer vagen und relativistischen Pluralität dar, sondern verweisen immer wieder auf gemeinsame Überzeugungen, die in fruchtbare Dialoge auch über Differenzen gebracht werden konnten.165 Viele der Beiträge 157 McEnhill, Introduction, 2 (Hervorhebungen: M. E.-H.). McEnhill fährt fort: „What is it to be Reformed today? What is its continuing relevance? […] What constitutes our distinctive identity?“. 158 A.a.O., 4. 159 Vgl. den von Alston/Welker herausgegebenen Sammelband unter dem gleichen Titel. 160 Alston/Welker, Introduction, X. Alston und Welker fahren fort: „It has become increasingly obvious that one consultation of this sort is insufficient if the project is to be genuinely inclusive of the broad spectrum of persons, nationalities, disciplines, and rationalities identified with Reformed scholarship today.“ 161 Von den 28 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stammte die große Mehrheit immer noch aus europäisch-nordamerikanischen Kontexten; es nahmen aber auch Theologen aus Südkorea, Honkong, und Südafrika teil. 162 Alston/Welker, a. a. O., X. 163 Vgl. dazu die Liste spezifischer Herausforderungen a. a. O., XII. 164 A.a.O., XI. 165 Als Teilnehmerin an dieser Konferenz kann die Verfasserin die folgende Feststellung von Alston/Welker, Introduction, XII, uneingeschränkt bestätigen: „It was very clear at the Heidelberg consultation that we were able to understand each other to a high degree, that we were able to translate positions to one another, and the commonalities balanced or even outnumbered the differences.“ Die Erfahrung der Teilnahme an dieser Konsultation hat

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befassen sich, auf unterschiedlichste Weise, auch mit klassischen wie neuen Bekenntnistexten der reformierten Tradition und betonen damit den Zusammenhang von Identität und Bekennen im jeweiligen Kontext der bekennenden Kirche und weltweit. In dem Verständnis, dass „confessions and confessional profiles […] modes of learning from Scripture“166 seien, wurde 2001 eine zweite Konsultation in Stellenbosch/Südafrika zu dem gleichen Thema mit dem Untertitel Biblical Interpretation in the Reformed tradition veranstaltet.167 Die beiden aus diesen Konsultationen erwachsenen Sammelbände wurden weltweit in reformierter Theologie, kirchlich wie akademisch, stark rezipiert und stellen eine reiche Ressource für die Beschäftigung mit reformierter Identität dar – obwohl nach wie vor festzuhalten bleibt, dass eine nordamerikanisch-europäische Dominanz theologischer Ansätze nicht von der Hand zu weisen ist. Nicht direkt zum Thema reformierter Identität, von der Diskussion um konfessionelle Profile im gegenwärtigen Zeitalter aber unmittelbar beeinflusst fand im Jahr 2001 die internationale Konferenz „Religion ohne Bekenntnis? Die Bedeutung der Konfessionen für Kirche und Gesellschaft“168 in Prag statt unter der Fragestellung „in welcher Hinsicht Bekenntnisse für die christliche Identität von Belang sind und wie sie helfen können, das Leben in der Glaubensgemeinschaft und der Gesellschaft zu gestalten“169. Nicht allein aufgrund der Teilnehmer an dieser Konferenz, die fast alle aus der reformierten Tradition oder zumindest aus einer ihr nahestehenden Kirche stammten,170 sondern auch aufgrund ihrer Ausrichtung sind die in diesem Zusammenhang entstanden Beiträge auch für die vorliegende Untersuchung relevant, insbesondere weil sie Diskussionen zum Thema widerspiegeln, die weitaus ergebnisoffener geführt und gestaltet wurden als viele andere im Bereich des Reformierten Weltbundes oder einzelner reformierter Kirchen,171 und die das Phänomen einer real „bekenntnislosen Zeit“172 in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen.

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mein Forschungsinteresse an und Verständnis von reformierter Identität nachhaltig beeinflusst. A.a.O., XIII. Vgl. den ebenfalls von Alston/Welker herausgegeben Sammelband mit dem gleichen Titel. Veröffentlicht als Special Issue der Zeitschrift Communio Viatorium, XLIV 2002. Neval, Vorwort, 3. Die Prager Protestantische Theologische Fakultät, an der die Konferenz stattfand, ist historisch aus der theologischen Fakultät der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder erwachsen. So kann etwa das Hauptreferat der Tagung von Rüegger, Christliche Identität, 30, mit der Bemerkung enden: „Funktion der großen Konfessionskirchen dürfte es dann zunehmen werden, nicht so sehr eine einzige traditionelle, eben: konfessionelle Identität zu vermitteln, sondern auf der Basis einer gemein-christlichen Grundlage Lebensräume für vielfältige alte und neue Ausprägungen heutigen Christseins anzubieten.“ Naturgemäß finden sich Überlegungen dieser Art in kirchlichen Verlautbarungen eher selten.

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Das International Reformed Theological Institute (IRTI), ein weltweiter Zusammenschluss von etwa 300 reformierten Theologen und Theologinnen,173 affiliiert mit der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen und in den Niederlanden an die Protestantse Theologische Universiteit und die Vrije Universiteit Amsterdam organisatorisch angebunden, stellte auf seiner Konferenz 2005 in Seoul das Thema Christliche Identität in den Mittelpunkt seiner Überlegungen174 – im Kontext dieses Institutes ist die Verhältnisbestimmung von „christlich“ und „reformiert“ in Bezug auf Identitätsbestimmung von besonderer Bedeutung, gerade auch dann, wenn sie nicht explizit vorgenommen wird.175 Ein Überblick über die verschiedenen Themenblöcke, zu denen die einzelnen Beiträge zugeordnet wurden, weist die Bandbreite der Diskussion auf, wenn er auch die durchaus vorhandene sich ergänzende, aber auch widersprechende Diversität der Beiträge verdeutlichen kann: so wurde nach einem einleitendem Block zu theologischen Prinzipien in der Identitätsbestimmung, christliche Identität in Beziehung gesetzt zur Identität der Kirche, zur Gesellschaft („public square“), zum religiösen Dialog, sowie zu verschiedenen Kontexten. Immer wieder wird auch ganz zentral Bezug auf klassische, durchaus aber auch auf aktuelle reformierte Bekenntnisschriften genommen, diese jedoch sehr unterschiedlich interpretiert und auf die Identitätsfrage angewandt. Van den Borght spricht als Ergebnis von Konferenz und Sammelband von zwei konvergierenden Trends, die sich trotz aller Unterschiedlichkeiten von Situation und Fragestellungen ergeben haben: zum einen die allgemeine Erkenntnis, dass „the hard core of Christian identity is to be found in Christ himself“, zum anderen ist christliche Identität „baptismal identity – not only referring to Christ, but specific to the death on the cross and the resurrection.“176 – zwei Bestimmungen, die sich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch in den aktuellen reformierten Bekenntnistexten wiederfinden lassen, und die von Bedeutung für jedes Bemühen sind, reformierte Identität zu beschreiben und zu entwickeln. 172 Vgl. dazu die Überlegungen von Kunz, Glauben bekennen in einer bekenntnislosen Zeit. 173 Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 1995 zunächst vor allem niederländische, südafrikanische und ungarische Theologen; auch nordamerikanische, australische, koreanische und indonesische reformierte Theologen zeigten von Beginn an großes Interesse. 174 Der Sammelband „Christian Identity“ wurde 2008 als Bd. 16 der Studies in Reformed Theology von van der Borght herausgegeben. Auch Bd. 8 dieser Reihe mit dem Titel „Christian Identity in Cross-Cultural Perspective“ 2003 von Brinkman/ van Keulen herausgeben, sowie Bad. 18 mit dem Titel „The Unity of the Church: The State of the Art and Beyond“ 2010 ebenfalls von van der Borght herausgegeben, sind für die vorliegende Untersuchung sehr ertragreich. 175 Tatsächlich thematisiert ein Großteil der 34 Beiträge im Sammelband den Unterschied, bzw. die Relation zwischen christlich und reformiert nicht ausdrücklich, sondern setzt beide als äquivalent voraus, bzw. definiert christliche Identität ausschließlich aus einer reformierten Perspektive. 176 Van der Borght, Christian Identity: An Introduction, 14f.

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Einen ganz spezifischen Ansatz verfolgt ein weiteres aus internationaler177 theologischer Zusammenarbeit erwachsene Buch zur reformierten Identität, der von Marco Hofheinz und Matthias Zeindler 2013 herausgegeben Band Reformierte Theologie weltweit. Zwölf Profile aus dem 20. Jahrhundert.178 Auch hier gehen Herausgeber wie Autorinnen und Autoren davon aus, dass die Frage nach reformierter Identität nach wie vor179 drängend ist, und dass es ignorant [wäre], wollten Theologie und Kirche den Befund bezweifeln, dass viele Menschen – bis in die Kreise der kirchentreuen Gemeindeglieder und der Theologiestudierenden hinein – nicht wissen, warum sie reformiert sind, bzw. was es überhaupt bedeutet, reformiert zu sein. Eine zutreffende Definition des Wesens des Reformiertentums und seiner Erscheinungsweisen bereitet große Schwierigkeiten.180

Gegen Versuche, eine reformierte Identität gleichsam als „‚ortlosen‘ Begriff“181 ohne spezifische Wechselwirkungen von Text (Schrift) und Kontext, also ohne deren Begründungs- und Entdeckungszusammenhänge zu entwickeln, setzen die Beiträge des Sammelbandes nicht allein die Pluralität der Kontexte reformierter Identität in Gegenwart und Vergangenheit voraus, sondern gehen davon aus, dass es auch reformierte Theologie (und damit auch reformierte Identität) immer nur als „datierte Theologie“ gibt, nicht als Singular, sondern nur als „Pluraletantum“. Zudem betonen die Beiträge des Bandes, dass „reformierterseits […] konfessionelle Identität immer auch ökumenische Identität“182 meint. Anhand von zwölf Profilen reformierter Theologinnen und Theologen des 20. Jahrhunderts183 wird versucht, diese Anliegen differenziert und kritisch zu 177 Die Autorinnen und Autoren stammen aus der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Korea. 178 Der Band geht auf ein an der Universität Bern angebotenes Vertiefungsseminar „für Theologiestudierende als zukünftige Pfarrerinnen und Pfarrer, Religionslehrerinnen und Religionslehrer“ im Frühjahrssemester 2011 zurück, in dem zwölf „Expertinnen und Experten jeweils das Porträt einer reformierten Theologin bzw. eines reformierten Theologen präsentiert [haben], die/der sich der Frage nach der reformierten Identität angesichts der besonderen Herausforderungen ihrer/seiner Zeit in profilierter Weise gestellt haben“; aus dem Vorwort zum genannten Band Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich ‚reformiert‘?, 8. 179 Vgl. Hofheinz/Zeindler, a. a. O., 10: „Nun ist es keineswegs so, dass die Frage nach der reformierten Identität eine völlig neue Frage darstellt, sondern vielmehr eine Frage, die bereits seit dem sogenannten konfessionellen Zeitalter virulent ist und auch in den verschiedenen theologischen und gesellschaftlichen Kontexten des 20. Jahrhunderts brisant wurde und zu neuen Antwortversuchen nötigte.“ Vgl. dort auch die Anm. 8–10. 180 A.a.O., 9f. 181 A.a.O., 11f. Vgl. dort auch zum Folgenden. 182 A.a.O., 19. Hofheinz/Zeindler fahren pointiert fort: „Es gibt keine konfessionelle neben einer ökumenischen Identität“. 183 Die beiden Herausgeber betonen nachdrücklich, dass eine gewisse „Subjektivität der Auswahl“ und eine „ebenso unvermeidbare Lückenhaftigkeit“ jeden Anspruch auf Vollständigkeit als vermessen erscheinen lassen würde; vgl. a. a. O., 14f. Dennoch ist es gerade im

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untersuchen und für Kirche und Akademie aufzubereiten, indem das „pluriforme Spektrum“184 ihrer Kontexte wie ihrer jeweiligen theologischen Ansätze aufeinander bezogen und für reformierte Identitätsbestimmungen fruchtbar gemacht werden. Die Beobachtung, dass einige der dargestellten Theologinnen und Theologen185 sich selbst nicht explizit als „reformiert“ einordnen, und auch von der Öffentlichkeit so nicht wahrgenommen wurden und werden, lässt in der Frage nach ihrer reformierten Identität bereits fruchtbare Impulse für Reflektionen über dieses Thema aufscheinen. Auch der letzte hier vorzustellende Sammelband ist aus internationaler Zusammenarbeit erwachsen: 2014 fand die erste Frierson Distinguished Scholars Conference am Austin Presbyterian Theological Seminary (USA) unter dem Thema „Always Being Reformed“ statt, an der Theologen und Theologinnen aus Nordarmerika, Korea, Sambia, Neuseeland, den Niederlanden, Deutschland und Puerto Rico teilnahmen und deren Fokus auf der Ambiguität reformierter Identität in den unterschiedlichsten Kontexten weltweit lag. Die Perspektive auch dieser Konferenz war bewusst nicht einer „cultural homogeneity“ verpflichtet, sondern verstand sich als „thoroughly international“186. Grundlage der Diskussionen wie der Beiträge des 2016 aus der Konferenz hervorgegangenen Sammelbandes ist das Verständnis einer reformierten Identität, die durch das Wort Gottes kontinuierlich „reformiert“ und in Frage gestellt wird: „Reformed Christianity frequently ask questions about its own identity. […] Perhaps the one mark that has endured across the centuries among Reformed Christians is that this tradition continually is in search of an identity.“187 Die unabgeschlossene Suchbewegung nach reformierter Identität wird also als zutiefst „reformiert“ verstanden und in den einzelnen Beiträgen des Bandes auf verschiedene Kontexte und aktuelle Fragestellungen hin expliziert.188 Die vielgestaltige weltweite Diskussion über reformierte Identität in kirchlichen wie akademischen Bereichen, die in den vorhergehenden Abschnitten

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Hinblick auf das Thema der weltweiten reformierten Theologie bedauerlich, dass auch in diesem Sammelband die oben bereits erwähnte europäisch-nordamerikanische Vorherrschaft durch die theologischen Profile von Soon Kyung Parks (Korea) und Christiaan Frederick Beyer Naudés (Südafrika) nur ansatzweise aufgebrochen werden konnte. A.a.O., 14. Vgl. dazu etwa die Beiträge zu Reinhold Niebuhr, Lesslie Newbigin und auch Letty M. Russell. So der Koordinator der Konferenz und Herausgeber des auf dieser Konferenz beruhenden Sammelbandes David Jensen in seinem Vorwort zu Jensen (Hg.), Always Being Reformed. Challenges and Prospects for the Future of Reformed Theology, XIV. So Jensen im Eröffnungsbeitrag des Bandes „Reformed and Always Being Reformed. A Tradition of the Spirit?“, 3 (Hervorhebungen im Original). In diesem Zusammenhang besonders interessant sind die Beiträge von Banda, Reformed Identity and Relevance in Zambian Context, Goroncy, Semper Reformanda as a Confession of Crisis, Chung, Integrating Different Values, Kim, Land, Exile, and the Spirit of God.

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skizziert wurden, ließen schon einige Themen ansatzweise deutlich werden, die sich auch durch die folgenden Kapitel durchziehen werden und dort im Einzelnen zu thematisieren und zu bearbeiten sind. Als kurzes Zwischenfazit lässt sich allerdings bereits an dieser Stelle erneut festhalten, dass allgemein von einer „Krise reformierter Identität“ ausgegangen wird, die allerdings nicht nur als Herausforderung oder gar als Bedrohung, sondern auch als Chance begriffen wird.189 Dieser Frage nach reformierter Identitätsbestimmung als Krisenphänomen soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden, stellt sie doch einen entscheidenden hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis reformierter Identität und der Suche danach dar.

1.1.5 … als Krisenphänomen? Zweifelsohne lassen sich Beobachtungen und Analysen nicht abweisen, die davon ausgehen, dass Identitätsfragen im Allgemeinen gerade in jenen Situationen akut werden, „when people are unsure about their identity“190, und dass Gleiches auch für die Institution Kirche gilt: „Whenever the church is confronted by a substantial change in cultural context, the question regarding the identity of Christianity becomes urgent“.191 Die den Einzelnen, die Gesellschaft und Institutionen gleichermaßen betreffenden „Orientierungskrisen“192 der Gegenwart haben auch vor den Toren der Kirchen und Akademien nicht haltgemacht, auch dort ist die „Krise der Identität(en)“193 mit all ihren Auswirkungen spürbar, mag sie auch in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Gestalt annehmen.194 Die in vorhergehenden Abschnitten diskutierte weltweite und kontinuierlich sich verstärkende Beschäftigung mit reformierter Identität im letzten Jahrhundert und zu Beginn des neuen Jahrtausends könnte (und sollte) daher angemessen als ein Problem verstanden und behandelt werden, „das mit Krisen und Sinnverlust im Zusammenhang steht, […] war das 20. Jahrhundert doch wie kein anderes von schnell aufeinander folgenden Krisen gekennzeichnet“195. Identität erscheint in 189 190 191 192 193 194

Vgl. z. B. Weinrich, Reformed Identity, 156. Busch, Reformed Identity, 207. Wethmar, Confessionality and Identity, 135. Lübbe, Fortschritt als Orientierungsproblem, 55. Deeg/Heuser/Manzeschke, Einleitung, 15. So lässt sich zum Beispiel für viele reformierte Kirchen Afrikas eine Identitätskrise ausmachen, die sich von den Krisen vieler reformierter Kirchen in Europa und Nordamerika unterscheidet, wie Pillay, Revival and Unity of Reformed Churches, 44, anmerkt: „In most parts in Africa, for example, Reformed Christians seem to suffer an identity crisis because deep in their hearts they prefer Reformed teachings but in the expressions of worship they are more at home with Pentecostals.“ (Hervorhebungen: M. E.-H) 195 Allolio-Näcke, Zwischen Person und Kollektiv, 237. Allolio-Näcke fährt fort: „Das An-

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diesem Zusammenhang als ein erstrebenswertes sinn- und gemeinschaftsstiftendes Konstrukt, auch im Bereich der Kirchen überwiegend positiv konnotiert;196 Verlust oder Infragestellung von Identität umgekehrt werden als beklagenswert, gar als bedrohlich empfunden.197 Die Suche nach reformierter Identität, nach christlicher Identität, kann daher also phänomenologisch als „Krisenphänomen“ interpretiert werden, dadurch implizierend, dass eine bestimmbare und gefestigte Identität entscheidend dazu beitragen könnte, den durch die Krise(n) verursachten Herausforderungen und Gefahren erfolgreich zu begegnen, unter Umständen gar die Krise zu überwinden. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass sich reformierte Kirchen und reformierte Theologie, simultan mit anderen kollektiven religiösen wie säkularen Gruppen und Institutionen, besonders in Krisenzeiten verstärkt mit Identitätsfindung und -wahrung beschäftigen, wird jedoch in der folgenden Untersuchung der Akzent nicht allein auf diese empirisch gewonnene und belegbare Tatsache gelegt, da eine rein (religions-)soziologische Perspektive dem Phänomen der Identitätsbestimmung aus mehreren Gründen nicht gerecht werden würde. Die Suche nach christlicher, bzw. reformierter198 Identität wird, im Vorgriff auf später zu Entwickelndes, im Folgenden tatsächlich als Krisenphänomen verstanden, welches jedoch primär nicht auf gegenwärtige Krisen gleich welcher Art beruht, sondern welches unmittelbar und fundamental durch die Krisis der Selbstoffenbarung Gottes im Christusgeschehen bewirkt wird.199 Mit den Worten des Bekenntnisses von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA

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wachsen des Interesses an Identität zum Ende des 20. Jahrhunderts kann demnach auch als Epiphänomen auf die zunehmende Globalisierung und die damit einhergehenden Prozesse der Fragmentierung, der beständigen Veränderung der Lebenswelten und dem Unsicherheitserleben der Menschen gesehen werden.“ Vgl. Deeg, Leben auf der Grenze, 278. Vgl. dazu auch die Beschreibung des Psychoanalytikers Schneider, Identität und Identitätswandel, 248: „Identität ist ein Begriff, der Haltbarkeit verheißt. Identität ist im Alltagsdiskurs das Bleibende im Wechsel, das feste Fundament, über die [sic!] eine Person oder ein Kollektiv verfügt. Identität enthält das Versprechen auf Kontinuität, Subjekt- und Objektkonstanz, das Versprechen auf Zuverlässigkeit.“; zitiert in: Niethammer, Kollektive Identität, 16f. Vgl. dazu beispielhaft den Artikel von Japinga, Fear in the Reformed Tradition. Zu den wenigen, die innerhalb des WARC die Infragestellung reformierter Identität nicht ausschließlich als bedauernswert beurteilen und die eine Suche nach reformierter Identität grundsätzlich mit mehreren Fragezeichen versehen, gehören Gordon, Who Are We Called to Be, und Blei, Some Dutch Reflections. Vgl. dazu auch Blaser, Resistenz und Konvergenz, 81–87. Zum Verhältnis von christlicher und reformierter Identität vgl. unten Kapitel 5.2.1. Partizipatorische Identität: Identität in Christus – Christliche Identität – Reformierte Identität(en). Damit folge ich Karl Barths Auslegung in Römerbrief (Zweite Fassung), 112, in der Barth Gott selbst als „die absolute Krisis […] für die Welt des Menschen, der Zeit und der Dinge“ versteht, als „roter Faden, der sich durch ihr Da-Sein und So-Sein hindurchzieht.“

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gesprochen: „Das Versöhnungswerk Jesu war die größte Krise im Leben der Menschheit“200, und eine Reaktion auf diese Krisis ist auch und gerade der immer wieder vorgenommene Versuch christlicher Kirchen, Gemeinschaften und Personen sich ihrer christlichen Identität zu vergewissern bzw. diese zu entwickeln. Bereits hier ist auch schon darauf zu verweisen, dass auch Bekenntnisse als „Identitätsdokumente der Kirche“ zwar in der Regel auch als Antwort auf interne oder externe „Krisen“ zu verstehen sind, dass aber „the ‚crisis‘ from which they all derive their power and urgency is the event they recall, and the church is summoned to proclaim it‚ in season and out of season‘ (2 Tim. 4:2)“201. Identitätssuche und –findung wird dementsprechend im Kontext der folgenden Untersuchung vorrangig als theologische Aufgabe verstanden und bestimmt; der Begriff der Identität selbst wird, bei aller methodischer Hilfestellung durch andere Disziplinen, als theologisches Konzept zu entwickeln und zu definieren sein. Es wird sogar mit Alexander Deeg zu fragen sein, ob das „vielfach unbestimmte Modewort Identität überhaupt ein christlich möglicher Begriff“202 ist. Mit dieser primär theologischen Herangehensweise soll insbesondere zwei Aspekten Rechnung getragen werden: a) Zum einen ist die Frage nach individueller wie kollektiver Identität so verstanden nicht allein eine „Grundfrage des Mensch-Seins“203, sondern auch eine Grundfrage des Kirche-Seins und ist damit so alt wie die christliche Kirche selbst.204 Haben auch die unterschiedlichsten Konzepte von „Identität“ besonders in den letzten Jahrzehnten unbestritten Hochkonjunktur, so verweist doch die immer wieder von neuem zu beantwortende Frage nach Identität im Bereich der Kirche, zumindest in ihrer theologischen Deutung, zurück auf Gottes Akt der Menschwerdung in Christus als grundlegende Krise der Menschheit und ist daher bei aller auch kritisch zu beurteilender Obsession mit Identität des 20. Jahrhunderts205 keine Erfindung eben dieses. Im Laufe der Kirchengeschichte lassen sich unzählige Aufbrüche und Wandlungen, aber auch rückwärtsgewandte Restitutionsversuche, Öffnungen wie Ein- und Abgrenzungen als Versuche verstehen, auf die Frage nach der Identität der Kirche im jeweiligen „Krisen“Kontext zu antworten. Besonders in der Krisenzeit der Reformation wurde die Identitätsfrage wieder mit Nachdruck vor die Kirche gestellt – „sie begleitet die reformierten Gemeinden […] seit es sie gibt“206; mit dem christlichen Namen der 200 201 202 203 204

RZH, 162. Gerrish, Saving and Secular Faith, 59. Deeg, Leben auf der Grenze, 282 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Opitz, Zukunftsträchtige Vergangenheit?. Vgl. Wethmar, Confessionality and Identity, 135f; Heckel, Die Identität des Christen bei Paulus, und Scholz, Christliche Identität im Plural. 205 Vgl. dazu etwa Clements, Ecumenical Dyncamic, 3. 206 Link, Die Kennzeichen der Kirche, 291. Vgl. dort auch zum Folgenden.

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Kirche ist ihr immer zugleich die Frage nach ihrer Berufung gestellt: „Theologisch geurteilt ist dies und nur dies die Frage ihrer Identität.“207 Daher kann die Frage nach ihrer je eigenen wie globalen Identität von den reformierten Kirchen nicht allein und nicht primär phänomenologisch beantwortet werden; sie ist weder allein durch die Beschreibung eines status quo, noch durch die Beschreibung geschichtlicher Entwicklungen oder dogmatischer Leitlinien zu beantworten.208 Die Krisis des Versöhnungswerkes Jesu Christi stellt jedes Konzept von Identität grundsätzlich immer wieder neu in Frage – diese Krise kann daher nicht abschließend überwunden werden und die Suche nach Identität wird, so verstanden, immer ein Krisenphänomen bleiben. Die Kirche Christi (und alle Versuche ihre Identität zu bestimmen) findet sich immer in einem Krisenstatus vor, wie der holländische Missiologe Hendrik Krämer angesichts der Krisen des Jahres 1938 festhält: Strictly speaking, one ought to say that the Church is always in a state of crisis and that its greatest shortcoming is that it is only occasionally aware of it. The Church ought always to be aware of its condition of crisis on account of the abiding tension between its essential nature and its empirical condition.209

Der Reformierte Weltbund betont ein ähnliches Verständnis, wenn in dem Aufruf zu Selbstbesinnung an die Kirchen des Reformierten Weltbundes mit dem Titel Ihr werdet meine Zeugen sein drei Herausforderungen christlichen Zeugnisses in unserer Zeit beschrieben werden, „die nach neuen Antworten rufen“210: bevor sich der Text mit den Herausforderungen durch die Entwicklungen der heutigen Welt und durch die Begegnung mit anderen Kirchen in der ökumenischen Bewegung beschäftigt, identifiziert er die „primäre Herausforderung“ als „mit dem Evangelium von Jesus Christus selbst gegeben.“211 Keine andere Herausforderung, keine andere Krise kann dieses Primat des Evangeliums Christi ersetzen.

207 Link, a. a. O., 291. Er fährt fort: „Sie lautet nicht: Was sind wir im Lauf unserer Geschichte geworden? Wo stehen wir heute? Oder: Woran erkennt man uns im Chor der verschiedenen Konfessionen und vollends in einer pluralistischen Gesellschaft? Auch das sind wichtige Fragen. Man kann sie allerdings nur in selbstkritischer Absicht stellen, das heißt, sich durch sie auf den Nerv zurückführen lassen, der in der erste Frage lebendigt ist: Was ist unser evangelischer Auftrag? Wofür stehen wir als reformierte Kirche ein?“. 208 Vgl. Heron, Confessional Continuity, 147f: „The question of the continuity proper to reformed confession [sic!] is in the end a theological issue, not merely a historical or cultural one. The search for marks of confessional continuity in the reformed family of churches – whether as already given or as needing to be recovered – cannot bracket off the question of the theological calling and commission of the churches themselves. Otherwise discussion of ‚Reformed continuity‘ is all too likely to remain on the surface, concerned more with tradition than with truth.“ 209 Krämer, Christian Message, 24f. 210 Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 9. 211 A.a.O., 10.

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Einleitung

b) Zum anderen betont ein solches theologisches, genauer: christologisches Verständnis von Identität und Krise aber auch die möglichen Gefahren einer Identitätssuche, die ohne ihre Verankerung in Christus allein auf die Krisen ihrer Zeit zu reagieren versucht.212 Droht in dieser unablässigen Beschäftigung mit sich selbst die Kirche nicht der von ihr selbst so oft kritisierten „modern ‚mania of finding oneself‘“213 zu erliegen? Mit dem oben skizzierten Verständnis von Christi Versöhnungswerk als grundlegender Krisis ließe sich jeder modernen Selbstfindungsmanie, jeder „reformierten Selbstbespiegelung“214 entgegenhalten, dass es nicht der Auftrag der Kirche ist und sein kann „sich selbst zu finden“, sondern dass es ihr immer nur darum gehen kann, Zeugnis abzulegen in Wort und Tat von dem Gefunden-Werden durch Gott und den Konsequenzen aus diesem Akt Gottes. Beschränkt sich die Kirche auf ein verengtes Verständnis von „Selbst“findung, dann droht ihr das, was nach Martin Luther das Wesen der Sünde ausmacht: ein In-sich-Verkrümmtsein des Menschen und der Kirche, eine spezifische Art der incurvatio in se ipsum.215 Zum Abschluss dieser ersten Reflektionen über die Suche nach reformierter Identität lassen sich zwei Zwischenergebnisse festhalten, die auch in der folgenden Diskussion noch von Bedeutung sein werden. a) Reformierte Identität, ob weltweit oder lokal, zu definieren stellt ein nahezu unlösbares Problem dar – und verweist genau damit auf ein reformiertes Spezifikum,216 das direkt mit der Natur reformiertem Theologie- und Traditionsverständnisses zu tun hat.217 b) Lässt sich dieses reformierte Spezifikum in der Folge theologisch einsichtig und 212 Dabei soll an dieser Stelle bereits nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass mit einem solchen Verständnis die Krisen der gegenwärtigen Zeit weder ignoriert, noch verharmlost oder gar spiritualisiert werden sollen, sondern dass sie vielmehr im Licht der Krise des Versöhnungswerkes Christi zu verstehen und ernst zu nehmen sind, so wie es das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA für seine Zeit und seinen Kontext eindringlich vorgeführt hat. 213 Weinrich, The Openness and Worldliness of the Church, 431. 214 Blaser, Resistenz und Konvergenz, 87. 215 So Deeg, Leben auf der Grenze, 282. Bukowski, Vorbereitende Überlegungen, 25, analysiert die Frage nach der reformierten Identität als „‚Krankheitssyndrom‘, vergleichbar mit der Frage eines Depressiven nach dem Sinn seiner Existenz“, wenn sie gleichsam als Antwort auf die Frage „Warum muss es Euch überhaupt noch geben?“, bzw. internalisiert „Warum muss es uns noch geben?“ verstanden wird. 216 Vgl. Naudé, Identity and Ecumenicity, 437: „It seems an almost typical Reformed feature to constantly ask ‚identity questions‘.“ 217 Vgl. Smit, Trends and Directions, 313, der unter der Zwischenüberschrift „Reformed Identity?“ festhält: „Describing Reformed theology is notoriously difficult, for reasons that have to do with the nature of Reformed theology itself. At the same time, Reformed people are often fascinated by the question, and internal discussions about the identity of the tradition are never-ending. These attempts often begin by explaining why this is such an impossible task and in this process already describe important characteristics of the Reformed faith and theology.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.)

Fokus, Aufbau und Begrenzungen der Interpretation

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christologisch begründet erarbeiten, dann handelt es sich bei dem problematischen Charakter reformierter Identitätsbestimmung nicht um eine zu behebende Schwäche, sondern im Gegenteil um eine zu bewahrende Stärke der reformierten Tradition – und genau dazu versucht die vorliegende Arbeit einen Beitrag zu leisten.

1.2

Fokus, Aufbau und Begrenzungen der Interpretation

Wie aus den einleitenden Bemerkungen ersichtlich, werden die in den folgenden Kapiteln vorgenommene Untersuchung und Interpretation reformierter Bekenntnisse mit der Absicht, eine weltweite reformierte Identität zu erarbeiten, vorrangig theologischer Natur sein. Bevor diese theologische Bearbeitung der Ausgangsfrage nach einer reformierten Identität jedoch vorgenommen werden kann, müssen einige Vorannahmen der vorliegenden Untersuchung, wenigstens anfänglich, geklärt werden. Es handelt sich dabei um die folgenden drei Determinanten, die sowohl das Vorgehen als auch den Skopus der Untersuchung bestimmen werden: An erster Stelle ist dabei die Bezeichnung „reformiert“ in Bezug auf die zu untersuchende Tradition zu definieren, um den Fokus der Interpretation bestimmen zu können (1.2.1). Sodann ist die Begrenzung auf Bekenntnistexte des 20. und 21. Jahrhunderts zur Ermittlung einer reformierten Identität weltweit zu begründen (1.2.2); um daraufhin den Aufbau und die Begrenzungen der vorliegenden Untersuchung und interpretativen Bekenntnisexegese darlegen zu können (1.2.3).

1.2.1 Der Begriff der „reformierten Tradition“ Dass die Bestimmung dessen, was „reformiert“ für eine bestimmte kirchliche Tradition bedeutet, oder genauer: für eine Sammlung von verschiedenen kirchlichen Traditionen, ein nicht einfaches Unternehmen darstellt, haben bereits die einleitenden Überlegungen zu reformiertem Selbstverständnis gezeigt. Wenn in den folgenden Untersuchungen der bis in das 16. Jahrhundert zurückreichende Begriff reformiert218 verwandt und der Fokus auf Bekenntnisse der reformierten Tradition gelegt wird, dann geschieht dieses zunächst ganz schlicht in Bezug auf das Selbstverständnis der bekennenden Kirche, die sich selbst – als 218 Zur Geschichte des Begriffes „reformiert“ vgl. dazu beispielhaft die kurze Darstellung bei Freudenberg, Reformierte Theologie, 14–16; sowie die Überlegungen von Bukowski, Vorbereitende Überlegungen. Vgl. dazu auch die bei Faulenbach, Einleitung, 5, Anm. 10, angegebene Literatur.

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Einleitung

christliche, evangelische, protestantische, reformierte, presbyterianische, kongregationalistische, waldensische, unierte oder sich vereinigende –219 Kirche dieser Tradition zuordnet. Ein weiteres Indiz ist dabei die Zugehörigkeit der bekennenden Kirche zu einem der reformierten weltweiten Zusammenhänge, wie den Reformierten Weltbund und dem Reformierten Ökumenischen Rat, die sich ab 2010 zur Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen zusammengeschlossen haben, aber auch zu anderen Organisationen wie etwa der International Conference of Reformed Churches oder zur World Reformed Fellowship. Ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Geschichte reformierter Kirchen220 soll an dieser Stelle die Varietät der Kirchen der reformierten Tradition, welche nicht zuletzt das Bestimmen einer reformierten Identität weltweit zu einem so herausfordernden Unterfangen macht, verdeutlichen. Schon die Namensvielfalt, insbesondere die Bezeichnungen „reformiert“, „presbyterianisch“, „evangelisch“ und „kongregationalistisch“ verweisen auf die historische Tatsache, dass die reformierte Tradition im Grunde mehrere Traditionen in sich vereint: die reformierten Kirchen sind im Umkreis der Schweizer Reformation auf dem europäischen Kontinent entstanden; die presbyterianischen Kirchen haben ihre Wurzeln im angelsächsischen Raum und sind aus der Reformation Schottlands erwachsen; die kongregationalistischen Kirchen sind aus Auseinandersetzungen mit der etablierten Kirche in England hervorgegangen; als evangelisch bezeichnen sich vornehmlich die Kirchen, die durch die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts geprägt sind.221 Durch die Migrationsund Missionsgeschichte der einzelnen reformierten Kirchen wird das Bild noch vielfältiger: es lassen sich innerhalb dieser Geschichte holländische, britische, französischsprechende, deutsche und deutschsprechende schweizerische, nordamerikanische, schwedische, südafrikanische, italienische und koreanische Linien unterscheiden. Sowohl Migration als auch Mission von Kirchen dieser verschiedenen Linien führten in zahlreichen Ländern dazu, dass in einem Land unter Umständen mehrere voneinander unabhängige reformierte Kirchen ent219 Zu der für Kirchen der reformierten Tradition zu statuierenden „great variety of names“ vgl. Bauswein/Vischer, The Reformed Family Worldwide, 2–4, die außerdem noch die Bezeichnungen „free, liberated, or independent“, „covenant“, „fundamentalist“, „orthodox“, „Czech Brethren“ und „Disciples of Christ“ aufführen. Bauswein/Vischer ziehen, a. a. O., 4, das Fazit: „Names are more than just labels. […] Names are also expressions of identity. […] While a common name underlines the bonds of communion within one and the same family, particular names distinguish a church from other churches and tend to harden the lines of separation. It is therefore essential not to lose sight, within the great variety of names, of the common heritage all Reformed churches share.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 220 Vgl. dazu den Überblick „The History of the Reformed Churches“ bei Bauswein/Vischer, a. a. O., 4–25; siehe auch Leith, Introduction to the Reformed Tradition, 32–69. 221 Dieser Typus reformierter Kirchen findet sich vor allem unter den jüngeren Kirchen in Afrika, Asien und dem Pazifik.

Fokus, Aufbau und Begrenzungen der Interpretation

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standen, die sich auch im Laufe der Geschichte nur zu einem geringen Teil vereinigten und zu Denominationen neben anderen Denominationen wurden. Beispiele für diese Geschichte und ihre Auswirkungen sind zum einen die USA, wo Auswanderer aus Schottland, Holland, Deutschland und der Schweiz ihre je eigene reformierte Kirche gründeten, und zum anderen Kamerun, wo die missionarischen Aktivitäten von Kirchen aus Schottland, der Schweiz, Frankreich und Nordamerika zur Bildung getrennter reformierter Kirchen führten. Auch auf der den einzelnen Ländern übergeordneten Ebene eines weltweiten Zusammenschlusses reformierter Kirchen lässt sich, wie bereits erwähnt, keine Einheit finden; die reformierte Familie ist die einzige in der Christenheit, die mehr als einen internationalen Zusammenschluss geschaffen hat.222 Lässt sich bereits auf dieser äußerlichen, organisatorischen Ebene keine Einheit finden, so könnte man erwarten, dass die reformierten Kirchen eine gemeinsame Identität oder ein gemeinsames Selbstverständnis über die Bindung an ein bestimmtes Bekenntnis oder eine Sammlung von Bekenntnissen erhalten. Aber auch dies ist nicht der Fall: Im Gegenteil zum Luthertum, dessen Bekenntnisentwicklung mit der Konkordienformel (1577) und dem Konkordienbuch (1580)– wenigstens dem vorherrschenden Verständnis nach – zu einem Abschluss gelangt ist, können reformierte Kirchen weder ein gemeinsames Bekenntnis noch ein entsprechendes Corpus doctrinae aufweisen. Unbestritten ragen zwar aus der großen Anzahl reformierter Bekenntnisschriften einzelne Bekenntnisse sowohl in theologischer als auch in historischer Bedeutung heraus, so vor allem der Heidelberger Katechismus, die Westminster Standards, die Helvetica Posterior und aus neuerer Zeit die Barmer Theologische Erklärung und das Belhar-Bekenntnis; keines dieser Bekenntnisse hat aber in allen reformierten Kirchen Anerkennung gefunden und kann somit auch nicht ein einigendes inhaltliches Band für die Kirchen aus der reformierten Tradition darstellen.223 Dem Fazit von Bauswein und Vischer in ihrem Handbuch The Reformed Family Worldwide kann daher nur zugestimmt werden, wenn sie schreiben: „What is it that characterizes Reformed churches today? The answer is not obvious. The universe of the Reformed churches cannot easily be described, and the descriptions will differ according to the particular background of the authors.“224 222 Die große Mehrheit der reformierten Kirchen weltweit gehören der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen an, nämlich ca. 230 Kirchen mit mehr als 80 Millionen Gläubigen; etwa 2/ 3 davon gehören zu den sog. „Kirchen des Südens“. Die bereits erwähnte International Conference of Reformed Churches hat 30 Mitgliedskirchen; der World Reformed Fellowship gehören ca. 60 Kirchen an. Daneben gibt es weltweit noch einige hundert, der reformierten Tradition zuzurechnenden Kirchen, die keinem dieser internationalen Zusammenschlüsse angehören. 223 Vgl. dazu auch die Darstellung bei Faulenbach, a. a. O., 1–7; sowie unten Abschnitt 2.2.1. „Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition“. 224 Bauswein/Vischer, a. a. O., 26.

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Einleitung

Diese diffuse Lage macht es daher nahezu unmöglich, die gesamte Bandbreite reformierter Kirchen weltweit, deren Gesamtzahl bei ungefähr 750 liegt, bei der Bestimmung einer reformierten Identität in den Blick zu nehmen; die vorliegende Untersuchung versucht dies dennoch, indem sie davon ausgeht, dass gerade im Bekenntnis reformierte Grundüberzeugungen zum Ausdruck kommen, die – in sicherlich variabler Gestalt, aber nichts desto weniger valide – auch in den nicht aktuell neu bekennenden oder gar bekenntnislosen reformierten Kirchen eine zentrale Rolle spielen. Die Überlegungen zu einer weltweiten reformierten Identität beziehen sich daher zwar primär auf Bekenntnistexte der reformierten Tradition aus dem 20. und 21. Jahrhundert, schließen aber auch Überlegungen reformierter Kirchen zum reformierten Selbstverständnis ein, die kein neues Bekenntnis verfasst haben und diesem Vorgehen unter Umständen auch kritisch bis ablehnend gegenüber stehen.

1.2.2 Im Fokus: Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts Wenngleich die theologische Begründung der Fokussierung auf Bekenntnistexte zur Annäherung an die Frage nach einer reformierten Identität erst im nächsten Kapitel unter der Überschrift „Confessing is Identity: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis“ zu diskutieren sein wird, so sollen bereits an dieser Stelle sechs Vorbemerkungen dazu gemacht werden, die die in dieser Untersuchung vorgenommenen Beschränkung auf Bekenntnistexte anfänglich erläutern: (a) Zum einen wird im Folgenden selbstredend nicht davon ausgegangen werden, dass allein Bekenntnistexte einen Schlüssel zur Erarbeitung einer reformierten Identität liefern können. Im Grunde wären dazu alle Lebensäußerungen reformierter Kirchen, vom Gottesdienst über Katechese, Diakonie, Mission, Kirchenordnungen, bis hin zu aktuellen politischen Stellungnahmen, nicht nur geeignet und sondern auch maßgeblich heranzuziehen. Gleichzeitig gilt jedoch, dass das verschriftlichte Bekenntnis einer Kirche eine besonders hervorgehobene Funktion für alle anderen Lebensäußerungen einer bekennenden Kirche spielt, indem es aus ihnen erwächst und sie bestimmt, den Glauben der Kirche in Verkündigung und Handeln unterweist und prägt. (b) Zum anderen wird ebenfalls nicht davon ausgegangen, dass allein schriftlich verfasste Bekenntnistexte einen bekennenden Charakter haben, sondern dass die eben genannten Lebensäußerungen der Kirche und das Handeln der Kirchenglieder in ihrer Gesamtheit auch als solche Bekenntnis ablegen können.225 An anderer Stelle226 wird das Bekenntnisverständnis reformierter 225 Vgl. dazu Opocˇenský, Bekenntnis und Ökumene, 223. 226 Vgl. unten Abschnitt 3.6.

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Kirchen auf den Zusammenhang von Glauben und Leben, von „lebendigem Zeugnis und bezeugendem Leben“ hin expliziert werden; hier soll nur im Vorgriff darauf verwiesen werden, dass der Fokus auf Bekenntnisdokumente gelegt wird im Wissen darum, dass diese Dokumente nur einen Aspekt kirchlichen Bekennens darstellen, der jedoch transversale Bedeutung und Wirkung für Leben und Lehre der Kirche hat. (c) Der Warnung von Peter Bukowski, dass bei jeder „Selbstbesinnung auf reformiertes Profil […] die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit“227 nicht verdrängt werden darf, ist gerade an dieser Stelle große Aufmerksamkeit zu schenken: selbst wenn das theologische Verständnis reformierter Bekenntnisse, wie es in einem der folgenden Kapitel entwickelt werden wird, dem Bekenntnis selbst kontext- und zeitübergreifend eine zentrale Rolle im Leben einer konkreten, partikularen Kirche einräumt und diesem eine hohe, wenngleich relative Autorität einräumt, so muss dieser Anspruch doch immer auch auf dem Hintergrund der realen Bedeutung von Bekenntnissen im Leben der Kirche gelesen werden. Anders formuliert: eine theologische Erarbeitung reformierter Identität anhand von Bekenntnisdokumenten kann und will für sich nicht reklamieren, diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu überwinden, sondern will stattdessen diesen Anspruch verdeutlichen, kritisch hinterfragen und für das Leben der Kirche in all seinen Aspekten fruchtbar machen. (d) Eine primäre Konzentration auf die Bekenntnistexte des 20. und 21. Jahrhunderts schließt selbstredend nicht diejenigen Bekenntnistexte aus, die aus früheren Jahrhunderten stammen; im Gegenteil: die Bekenntnisse der Gegenwart sind in sich nicht ohne ihre Vorgänger zu verstehen und müssen dementsprechend in den zeitübergreifenden Kontext der reformierten Bekenntnistradition seit ihrem Beginn im 16. Jahrhundert eingeordnet werden. Dass darüber hinaus die reformierten Bekenntnisse sich immer auch, abgrenzend wie einschließend, im Kontext ökumenischer Bekenntnistraditionen seit der Alten Kirche verorten, wird durchgängig mitzudenken und an spezifischen Stellen explizit zu thematisieren sein. (e) Die Perspektive der reformierten Bekenntnistradition einnehmend, soll gleichzeitig an keiner Stelle impliziert werden, dass das zu Beschreibende und zu Erarbeitende exklusiv reformierte Eigenart sei – was positiv für die reformierte Bekenntnistradition weltweit formuliert und festgehalten wird, kann gleichzeitig durchaus auch auf andere Bekenntnistraditionen zutreffen. Das Anliegen der vorliegenden Untersuchung und Bekenntnisinterpretation ist dabei nicht, spezifisch Reformiertes im Gegenüber und in Abgrenzung zu anderen christlichen Traditionen zu entwickeln, sondern in der Konzentration auf die positiven Aussagen reformierter Lehre und reformierten Lebens, wie sie in den Bekennt227 Bukowski, a. a. O., 30.

52

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nissen erkennbar und bekennbar werden. Da die vorliegende Untersuchung sich nicht als Teil einer „vergleichenden Konfessionskunde“228 versteht, werden essentielle Überschneidungen mit anderen christlichen (und an einigen Stellen auch mit jüdischen) Traditionen auch und gerade bei der Ermittlung eines spezifisch reformierten Profils immer wieder zu erwarten, ja nachgerade einzufordern sein. Spezifisch reformiert ist eben nicht nur das, was nicht lutherisch, nicht katholisch, nicht orthodox usw. ist, sondern ein Konglomerat von Charakteristiken und Verständnissen, die zum Teil auch von anderen Traditionen geteilt werden.229 Es wird also Peter Opitz nachdrücklich zuzustimmen sein, wenn er festhält: „Reformierte Identität kann sich […] nicht aus der Abgrenzung gegenüber anderem ergeben. Höchstens umgekehrt: die Abgrenzung gegen Anderes kann sich ergeben als Konsequenz, die aus der eigenen Identität fließt.“230 (f) Mit diesem materialen Schwerpunkt auf reformierte Bekenntnissen der Gegenwart wird dabei angestrebt, ein Desiderat gerade europäischer reformierter Theologie zu adressieren: die weltweiten reformierten Kirchen, gerade des globalen Südens, aber auch Nordamerikas, bieten in ihrer neuen Bekenntnisfülle einen, wenigstens in Teilen, neuen Blick auf die gegenwärtige reformierte Tradition und damit reformiertes Selbstverständnis weltweit, und auf diese Weise gleichzeitig Potentiale, auch die Theologie in Kirchen der sog reformierten Stammländer zu beleben und zu hinterfragen,231 indem die neueren Bekenntnistexte als „Geschenk und Herausforderung“232 wahr- und ernstgenommen werden. Damit wird ebenfalls versucht, wenigstens ansatzweise der faktischen Realität der weltweiten reformierten Tradition Rechnung zu tragen, die inzwi228 Ferdinand Kattenbusch verwandte als erster diesen Begriff in seinem 1892 erschienen Lehrbuch der vergleichenden Confessionskunde und beschrieb damit eine „theol[ogische] Disziplin, die die Differenzen zw[ischen] den verschiedenen christl[ichen] Konfessionskirchen im Blick auf ihre Bekenntnisse bzw. öff[en]tl[ichen] Lehren, dogmatischen Identitätskonstruktionen, spezifischen Ethosformen, liturgischen Praktiken und rel[igiösen] Lebensvollzüge vergleichend untersucht.“; Graf, Art. Konfessionskunde, 1552. 229 Damit wird aufzuzeigen versucht, dass reformierte Identität, wie sie etwa in den Mitgliedskirchen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen zum Vorschein kommt, tatsächlich kein „ragbag of misfits“ (vgl. dazu oben bei Anm. 79) ist, sondern eine beschreibbare Wesensart darstellt. 230 Opitz, Zukunftsträchtige Vergangenheit?, 2. Vgl. dort den gesamten Abschnitt zu den Überlegungen einer Identitätsgewinnung durch Abgrenzung. Siehe auch Bukowski, a. a. O., 30. 231 Vgl. dazu die Anmerkungen unter „Die neue Nähe“ von Busch, Die Nähe der Fernen, 594– 597. Dort zitiert Busch die Beobachtung Dietrich Bonhoeffers, der dem nordamerikanischen Protestantismus nach einer Reise in die USA im Jahr 1939 bescheinigte, „keine feste Bekenntnisbildung“ zu kennen, weil ihnen „ein Kampf um die Wahrheit der Verkündigung und Lehre“ nicht bekannt und erwünscht sei; Bonhoeffer, Protestantismus ohne Reformation, 327f. 232 Vgl. dazu Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 28.

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schen „truly a global phenomenon [is], whose center and heart are now in the global South.“233

1.2.3 Aufbau und Begrenzungen Wie bereits erwähnt wird zunächst im folgenden zweiten Kapitel unter dem Titel „Confessing is Identity“ der theologische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität zu analysieren und erarbeiten sein. Dazu wird in einem ersten Schritt ein theologisches Verständnis des Identitätsbegriffes zu entwickeln sein, indem zunächst der Begriffsverwendung im Umfeld der Diskussion einer reformierten Identität nachgegangen wird. In einem zweiten Schritt werden dann die Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition, sowie Kategorien und Funktionen reformierter Bekenntnisse der Gegenwart skizziert, um schließlich den intrinsischen Zusammenhang der beiden Fokusse der vorliegenden Untersuchung, Bekenntnis und Identität, darzulegen. Das dritte Kapitel wird sich dann Kennzeichen reformierten Bekenntnisverständnisses zuwenden, die im Kontext materialer reformierter Lehraussagen interpretiert werden sollen. Dabei wird reformiertes Bekenntnisverständnis zunächst ekklesiologisch verortet werden, indem das Bekenntnis als Text der communio viatorum verstanden wird, bevor es dann in vier sich daraus entwickelnden Konsequenzen zu bedenken sein wird: als Bekenntnis im partikularen Kontext und der universalen Katholizität; als Bekenntnis mit relativer Autorität; als Bekenntnis in den drei Dimensionen coram Deo, coram ecclesiae und coram mundi; und schließlich als Bekenntnis im Zusammenhang von Glauben und Leben. Nach dieser Diskussion vornehmlich des Bekenntnisverständnisses wendet sich das vierte Kapitel den Grundaussagen reformierter Bekenntnistexte zu, die anhand der Tiefendimension der „Heiligkeit“ für eine reformierte Identitätsbestimmung fruchtbar gemacht werden sollen. Nachdem das in der vorliegenden Untersuchung verwandte Konzept einer interpretativen Bekenntnisexegese verdeutlicht wird und „Heiligkeit als zentrales Identitätsmerkmal Gottes“ aus einer biblischer und theologischer Perspektive heraus definiert wird, wird diese Heiligkeit Gottes trinitarisch entfaltet und mithilfe der Bekenntnistexte exemplifiziert. In einem letzten Schritt wird dann die Heiligkeit des Volkes Gottes als Reflexion der Heiligkeit Gottes in Bezug auf ihr identitätsbildendes Wesen hin untersucht. Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse insbesondere der Kapitel zum Bekenntnisverständnis und zu Heiligkeit als Tiefendimension zusammen und er233 Kirkpatrick, A Future for the Reformed Movement Worldwide?, 150.

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Einleitung

arbeitet zwei Komponenten einer weltweiten reformierten Identität, die zum einen durch die ihre eigentümliche Hermeneutik in Dialektik, Kontinuierlichkeit und befreiendem Gehorsam, zum anderen in den Determinanten einer partizipatorischen, konfessorischen, exzentrischen, missionalen und eschatologischen Identität besteht. Den Abschluss bildet ein kurzes sechstes Kapitel, das einen Ausblick auf den möglichen Beitrag der Bestimmung einer reformierten Identität weltweit für die Ökumene über interkonfessionelle Dialoge hinaus anzudeuten versucht. Inzwischen ist die Feststellung, dass jedes theologische Arbeiten, jede Analyse, Interpretation und Diskussion immer auch durch den Kontext der Verfasserin mitbedingt und geprägt ist und damit einen intrinsisch kontextuellen Charakter trägt,234 schon zu einer nahezu trivialen Einleitungsfloskel geworden. Wenn sie in an dieser Stelle jedoch noch einmal bewusst aufgenommen wird, dann insbesondere um die Begrenzungen der vorliegenden Untersuchung und Interpretation aufzuzeigen: Zwar sind beide Fokusse der Untersuchung von einer kontextübergreifenden Perspektive her bestimmt, indem eine weltweite reformierte Identität anhand von Bekenntnistexten von Kirchen aller Kontinente ermittelt werden soll; selbstredend lässt sich dennoch eine vom westeuropäisch/nordamerikanischen Kontext der Verfasserin begrenzte und bestimmte Interpretation nicht gänzlich vermeiden. Zu dieser kontextuell-perspektivischen Begrenztheit kommt eine weitere faktische Gegebenheit hinzu: die zum Thema der „reformierten Identität“ wie auch zu den reformierten Bekenntnistexten weltweit zur Verfügung stehende Literatur ist vornehmlich aus der theologischen Arbeit Westeuropas (Deutschland, Niederlande, Schweiz, Großbritannien), Nordamerikas (USA, Kanada), Australiens und Südafrikas entstanden,235 und steht damit im direkten Gegensatz zur Tatsache, dass – wie oben angemerkt – das Herz der reformierten Tradition der Gegenwart im globalen Süden schlägt. Umso wertvoller und hilfreicher waren deshalb formelle und informelle Kontakte und Austausche in internationalen Zusammenhängen,236 die sich zwar nicht in ver234 Vgl. dazu Alston/Welker, Introduction II, IX, die zu dem Thema der intrinsischen Kontextualität jedes theologischen Arbeitens festhalten: „Contextuality […] might mean a particular ethical concern or a specific historical, political, or cultural setting and challenge for theological, exegetical, and ecclesial existence.“ Gleichzeitig betonen die beiden Herausgeber, dass theologisch Arbeitende sich immer auch in einer Situation der „Poly-Kontextualität” befinden, und diese nicht nur wahrzunehmen, sondern auch theologisch zu reflektieren haben. 235 Die für diese Arbeit untersuchte Literatur begrenzte sich dabei auf deutsche, englische, niederländische, afrikaanssprachige und wenige französische Arbeiten. Allerdings konnten auch äußerst wenige Texte in anderen Sprachen zu diesem Thema ermittelt werden, bzw. publizieren reformierte Autoren und Autorinnen mit anderen Sprachen ihre theologischen Texte häufig in einer der angeführten Sprachen. 236 Hier sind insbesondere zu nennen: Meine Lehrtätigkeit am Columbia Theological Seminary

Fokus, Aufbau und Begrenzungen der Interpretation

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schriftlichter Form niedergeschlagen haben, die aber dennoch nicht unwesentlich zu den Ergebnissen dieser Untersuchung beigetragen haben. Wenn im Blick auf die genannten faktischen Begrenzungen daher realiter nicht von einer globalen Perspektive auf reformierte Identität und Bekenntnisse gesprochen werden kann, so wird dennoch durchgehend angestrebt werden, das Erarbeitete in Bezug auf die Globalität der Perspektive kritisch zu hinterfragen und revidieren.

in Decatur, Ga /USA (1999–2002), während derer sich unzählige informative und anregende Diskussionen mit nordamerikanischen und internationalen Studierenden und Lehrenden ergeben haben; die Entsendung als Delegierte der PC (USA) für die Lutheran-Reformed International Consultation for Theologians in Genf 2001; die Teilnahme an der Clarence N. and Betty B. Frierson Distinguished Scholars Conference mit dem Titel „Always Being Reformed“, Austin Presbyterian Theological Seminary (2014) mit 15 reformierten Theologen und Theologinnen aus den USA, Kanada, Puerto Rico, den Niederlanden, Deutschland, Sambia, Südkorea und Neuseeland; die Teilnahme an der Konferenz „Reformed Identity and Ecumenicity“ organisiert vom Center for Theological Inquiry/Princeton und der Akademie der Wissenschaften Heidelberg (1999); die Teilnahme an der 23. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Debrecen/Ungarn 1997 (Untersektion Reformiertes Selbstverständnis); und schließlich zwei mehrmonatige Forschungsaufenthalte am Princeton Theological Seminary, Princeton, NJ/USA (1997, 1998). Viele der Vorträge, Gespräche und Begegnungen, die bei diesen Gelegenheiten stattgefunden haben, haben sich nicht in zitierfähigen Quellen niedergeschlagen, sind aber dennoch bei der Erarbeitung der hier vorliegenden Überlegungen zu einer reformierten Identität weltweit von besonderer Bedeutung gewesen. Die aus zwei der genannten theologischen Konferenzen hervorgegangen Sammelbände (Alston/Welker (Hg.), Reformed Theology. Identity and Ecumenicity, 2003, und Jensen (Hg.), Always Being Reformed, 2016) bieten hervorragende Quellen für eine global orientierte Perspektive reformierter Theologie.

2.

„Confessing is Identity“1: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

Schon im ersten Kapitel dieser Untersuchung wurde deutlich, dass quer durch alle Bemühungen, reformierte Identität in den je unterschiedlichen Kontexten zu bestimmen, immer wieder explizit, wenn auch in durchaus differierender Weise, Bezug auf klassische wie gegenwärtige Bekenntnistexte genommen wurde. Bekenntnis und Identität stehen offensichtlich in einem engen Zusammenhang, deren einzelne Bestandteile zunächst jedoch analysiert und für die zugrundeliegenden Fragen fruchtbar gemacht werden sollen, bevor der angedeutete Zusammenhang weiter thematisiert werden wird. Dabei wird, wie oben bereits angedeutet, eine theologische Analyse und Definition Vorrang haben vor anderen, eher phänomenologisch orientierten Zugangsweisen. So wird in einem ersten Abschnitt (2.1.) der Begriff der „Identität“ zunächst kritisch hinterfragt und in die weltweite Diskussion der reformierten Tradition eingeordnet. Ein zweiter Schritt (2.2.) beschäftigt sich mit dem Objekt „Bekenntnis“, zeichnet die geschichtliche Bekenntnisentwicklung der reformierten Tradition seit der Reformation kurz nach, und diskutiert Kategorien und Funktionen reformierter Bekenntnistexte der Gegenwart. Abschließend wird in einer Synthese dann der intrinsische Zusammenhang von Identität und Bekenntnis beleuchtet und herausgearbeitet – und damit das dieses Kapitel überschreibende Zitat von Paul Fries „Confessing is Identity“ als Zwischenfazit der Suche nach reformierter Identität weltweit festgehalten.

1 Paul R. Fries überschreibt 1988 mit diesem Titel seine „Reflections on a Denominational Identity Crisis“; in sehr prägnanter Weise fasst er damit ein Verständnis von Bekenntnis und Identität zusammen, das im Folgenden in Bezug auf die Suche nach einer weltweiten reformierten Identität diskutiert und weiterentwickelt werden wird.

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

2.1

Reformierte Identität in theologischer Diskussion

2.1.1 „Identität“: Schlüsselphänomen oder Plastikwort? In ihrer Einleitung zu dem für die vorliegende Untersuchung hilfreichen und anregenden Sammelband Identität. Biblische und theologische Erkundungen halten die Herausgeber eine Beobachtung fest, die so auch auf die Suche nach reformierter Identität als Krisen- und Fundamentalthema2 in Kirche und Akademie durchaus zutreffend wäre: Das allgegenwärtige Suchen und Behaupten von Identität ist das beste Anzeichen dafür, dass sie nicht selbstverständlich ist, weder die Identität eines Einzelnen, noch die von Gruppen. […] Die alte Frage nach ‚Identität‘ hat Konjunktur – und zugleich droht der Begriff ‚Identität‘ zum ‚Plastikwort‘ zu werden – beliebig biegbar und zu unterschiedlichsten Zwecken einsetzbar.3

Damit wird schon das Thema, bzw. die Fragestellung angedeutet, der im Folgenden nachgegangen werden soll, was nämlich präzise unter dem Begriff der „Identität“ zu verstehen ist, der zwar als „Schlüsselphänomen“ in aller Munde ist,4 kaum jedoch auch nur ansatzweise definiert oder gar kritisch hinterfragt 2 Vgl. dazu oben Kap. 1.1.5. Vgl. dazu auch Marquard, Identität, 347: „Wo immer weniger identisch bleibt, rufen immer mehr immer häufiger nach Identität, je mehr Realität Identität entbehren muss und vermisst, desto mehr wird Identität wissenschaftlich und philosophisch zum ausdrücklichen Fundamentalthema.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). 3 Deeg/Heuser/Manzeschke, Einleitung, 9. Die Autoren schreiben dort weiter: „Das bisweilen fieberhafte Verfassen und Implementieren von Leitbildern, um sich selbst und anderen zu sagen, wer man ist und wofür man steht, hinterlässt nicht selten den Eindruck des Brüchigen, Konstruierten und Inszenierten und vermag in den seltensten Fällen zu überzeugen.“ 4 So erweist bereits eine kursorische Titelrecherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, dass der Begriff der „Identität“ weiterhin, in wissenschaftlichen wie in eher populären Schriften, Hochkonjunktur hat. Die Verwendung des Identitätsbegriffs allein in den Buchtiteln gibt eine Übersicht darüber, in welcher Breite dieser Begriff diskutiert und erforscht wird, wie anhand der folgenden, eher zufällig zusammengestellten und selbstredend unvollständigen Liste von spezifizierenden Dimensionen von Identität deutlich wird: Identität wird dabei etwa thematisiert als soziale, kulturelle, multi-kulturelle, regionale, nationale, ethnische, deutsche, europäische, globale, religiöse, christliche, konfessionelle, lutherische, reformierte, unierte, jüdische, islamische, personale, individuelle, multiple, männliche, weibliche, kollektive, transtemporale, narrative, neuzeitliche, berufliche, wahre oder falsche, etc. Identität. Auch der Gebrauch des Begriffes „Identität“ in Kombination mit anderen Begriffen verdeutlicht eben diese Breite; so finden sich Buchtitel, in denen „Identität“ mit einem oder auch mehreren der folgenden Begriffe zusammengestellt sind: Differenz, Existenz, Macht, Einsamkeit, Religion, Glaube, Kultur, Medien, Behinderung, Befreiung, Widerstand, Prozess, Politik, Heimat, Immigration, Integration, Inklusion, Vielfalt, Lebenszyklus, Ordnung, Medien, Image, Körper, Gehörlosigkeit, Geist, Gender, Sprache, Ideologie, Erinnerung, Wandel, Rätsel, Sichtbarkeit, Symbol, Rollenentwicklung, Management. Es verwundert daher nicht, dass der Begriff offensichtlich in den meisten akademischen Disziplinen (von der Philosophie, Theologie, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Sprach- und Literaturwissenschaft, Anthropologie, Ethnologie,

Reformierte Identität in theologischer Diskussion

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wird – eine theologische Bestimmung fehlt zudem gerade in kirchlichen Texten fast vollständig.5 So lässt sich festhalten, dass der Begriff „Identität“, indem er eine „enorme Ausweitung und epidemische Verwendung“6 erfahren hat, oftmals de facto zum Verständnis- und Verständigungshindernis7 geworden ist: „Er wird (zu) viel gebraucht, und oft bleibt dabei unklar, was Menschen eigentlich meinen, wenn sie von ‚Identität’ reden“8. Mit Heinz-Günther Stobbe „provozierend schlicht ausgedrückt: Alle reden über Identität, aber niemand weiß, was das eigentlich soll.“9 Diese Feststellung kommt nicht von ungefähr: Sprechenderweise gehört „Identität“ nach Uwe Pörksens einflussreicher sprachphilosophischer Studie zu jenen „amorphen Plastikwörtern“10 des 20. Jahrhunderts, die aus der wissenschaftlichen Sprache stammen oder durch sie hindurchgegangen sind,11 um dann (wieder) von der Umgangssprache aufgenommen zu werden, nun allerdings mit dem Charakter eines wissenschaftlichen Stereotyps versehen, das aber keine wirkliche Definitionsmacht mehr besitzt, sondern als inhaltsarmer Reduktionsbegriff 12 den Anschein von Wissenschaftlichkeit erweckt ohne jedoch in irgendeiner Art zur Lösung von Problemen beizutragen. Im Gegenteil, der universale Gebrauch dieser Plastikwörter selbst trägt zur Schaffung von Problemen, von vermeintlichen Defiziten bei,13 die nun von Experten zu lösen, bzw. zu beseitigen sind.14 Bezogen auf die Suche nach reformierter, bzw. christlicher Identität wäre damit zunächst zu fragen, ob das so beschriebene „Plastikwort Identität“ nicht allein schon durch seine allgegenwärtige Präsenz in Gesellschaft

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über Kommunikations- und Medienwissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften, der Geschichtsforschung bis hin zu Jura, Medizin und Biologie) Gegenstand von Forschung und kontroverser Diskussion geworden ist. Nicht nur in nahezu allen Überlegungen zu „reformierter Identität“, sondern desgleichen auch in einer großer Anzahl von Bearbeitungen des Themas Identität in anderen theologischen bzw. kirchlichen Zusammenhängen fällt diese Negativbeobachtung ins Auge – obwohl der Begriff der „Identität“ im Zentrum von Reflektionen, Leitbildern, mission statements, Handlungsanleitungen, etc. steht, wird er kaum selber je thematisiert. Die Fülle der (auch theologischen) Literatur zum Thema Identität findet so kaum Eingang in die theologische Diskussion in Kirche und Wissenschaft; Identität wird als gegebenes Konzept unhinterfragt vorausgesetzt. Waldmüller, Erinnerung und Identität, 25. Deeg/Heuser/Manzeschke, Identität?, 301. Ebd. Stobbe, Konfessionelle Identität und Hermeneutik, 227, der dort von einer „an sich erstaunliche[n] Unklarheit […] des Begriffs ‚Identität’“ spricht, „der inzwischen zu den schillerndsten Begriffen überhaupt zählt“. Pörksen, Plastikwörter, 21. Pörksen bezeichnet diese Wörter auch als „Wissenschaftsgeröll“ oder „Brückenköpfe der Wissenschaft in der Umgangssprache“; a. a. O., 22. Vgl. die Liste der Kennzeichen von Plastikwörtern bei Pörksen, a. a. O., 37f. Vgl. dazu Möller, Die homiletische Hintertreppe, 34f. Möller, ebd., erläutert diesen Vorgang am Beispiel des Plastikwortes „Gesundheit“.

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und Wissenschaft suggeriert, dass eben auch in Kirche und Theologie eine spezifische kollektive Identität zu bestimmen sei, dass dort ein durch Experten zu beseitigendes Defizit vorliege, nämlich eine tiefgreifende Verunsicherung hinsichtlich einer eigenen Identität. Ist damit auch „reformierte Identität“ ein Plastikwort, das „zugleich bedeutsam, wissenschaftlich und universal“15 klingt, wobei es sich jedoch tatsächlich um einen zwar hoch abstrakten, aber „inhaltlich leeren Operationsbegriff“16 handelt? Liegt seine Attraktivität auch in kirchlichen Kreisen gerade in seiner Unbestimmtheit begründet? 17 Kann ein derartig „metaphorisierter“18 Begriff wie Identität auch dort nicht anders als „zur Verwirklichung zu drängen“19, oder trägt er dazu bei, Wirklichkeit zu verstehen und zu gestalten? Ist der Identitätsbegriff Projektionsfläche der jeweilig Suchenden, die in ihm das wiedererkennen, was sie zu finden hofften; oder trägt er dazu bei, komplexe Strukturen, Ereignisse, Lehren etc. zu beleuchten und eine ihnen gemeinsame Essenz sichtbar zu machen? Zugespitzt formuliert: gibt es die Suche nach einer definierbaren „reformierten Identität“ nur aufgrund der Karriere eben dieses Begriffes im 20. Jahrhundert, oder hilft der Begriff eine sich unmittelbar manifestierende und artikulierende Realität zu beschreiben, die sich auch ohne ihn würde vorfinden lassen und die ihr Echo in analytischer und theoretischer Reflektion findet? 20 Und noch weiter zugespitzt und in theologisches Denken übersetzt: Gewinnt die Frage nach christlicher, bzw. reformierter Identität ihre unbestreitbare Dynamik aus dem Wirken des Heiligen Geistes – oder aus dem Zeitgeist? Es lässt sich weiter fragen, ob „Identität“ überhaupt per se ein Konzept darstellt, das biblisch verantwortbar in theologischer Perspektive verwendet werden kann, oder haben Kirche und Theologie dieses klassisch-philosophische Konstrukt über den Umweg der Psychologie21 in ihren Sprach- und Denkgebrauch

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Möller, a. a. O., 36. Waldmüller, Erinnerung und Identität, 25. Vgl. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 167. Zur fortschreitenden Metaphorisierung des Begriffes „Identität“ vgl. Niethammer, Kollektive Identität, 30. Niethammer hält fest, dass dem Begriff „Identität“ das an Konnotationen zuwächst, was er an Substanz verliere. 19 Niethammer, a. a. O., 33. 20 So beschreibt es Stobbe, Konfessionelle Identität und Hermeneutik, 227, der davon ausgeht, dass das allgegenwärtige Ringen um Identitätsfindung das Symptom einer tiefgreifenden Verunsicherung darstellt, „die offenbar gebieterisch nach Selbstvergewisserung verlangt, ein Bedürfnis, das sich einerseits unmittelbar manifestiert und artikuliert, zugleich aber mittelbar ein Echo auf analytischer und theoretischer Ebene hervorbringt.“ 21 Vgl. dazu die Feststellung von Allolio-Näcke, Zwischen Person und Kollektiv, 236: „Kaum ein anderes psychologisches Konstrukt hat mehr kontroverse Diskussion und wissenschaftliche Beschäftigung ausgelöst als das Problem der Identität.“ (Hervorhebung im Original)

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aufgenommen,22 weil die Suche nach Identität in der (post-) modernen Welt zum allgemeinen und unhinterfragten Paradigma geworden ist? 23 Wenn die Feststellung stimmt, das „Identität“ an sich weder ein biblischer Begriff ist, noch ein biblisches Anliegen widerspiegelt,24 dann muss sich theologische Reflektion mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie es im Identitätsbegriff mit einem „Idol – magisch und leer“25 zu tun haben könnte, dem gerade aus reformiertem Verständnis her eine „iconoclastic resistance“26 entgegenzubringen wäre. Bringt man zusätzlich gegenwärtige Kritik, besonders aus postkolonial-theologischer Perspektive,27 an Identitätskonzepten und –bestimmungen und ihren Gewaltund Unterdrückungspotentialen28 in die Diskussion ein, dann wird schnell deutlich, dass ein unkritischer, ja geradezu naiver Umgang mit dem terminus ‚Identität‘ heute theologisch nicht mehr verantwortbar ist. Eine weitere theologische Anfrage stellt jedes Bemühen, personale wie kollektive Identität zu bestimmen, vor eine entscheidende Herausforderung: Wie verhält sich ‚Identität‘ zum Zentralbegriff des Glaubens? Wie kann die Identität des Einzelnen oder der Kirche von der ständigen Erneuerung der Menschen in ihrem Sein durch den und im Glauben verstanden werden? Ist Identität der Glaubenden, der Kirche, etwas Gegebenes oder Werdendes, ein Sein oder ein Prozess, oder beides? Kann mit einem Verständnis des Zusammenhangs von Glaube und Menschwerdung dann Identität als „Ich–Leistung“29, bzw. als „WirLeistung“ verstanden werden, indem sich Gremien zusammensetzen, diskutieren und festlegen, was zum eigenen Wesen gehört und sich für die Gestaltung eines Leitbildes, einer spezifischen Identität eignet? Der Mensch wird dadurch letztlich zum ‚Garant seiner selbst’“30 – oder anders formuliert: wird über den Weg der Identitätsbestimmung letztlich die Kirche zum Garanten ihrer selbst? Wie ist zudem Identitätssuche und –bestimmung im Kontext biblischer Eschatologie, in 22 Aus der schier unübersichtlichen Fülle der Literatur vgl. zur Begriffsgeschichte insbesondere die umfangreiche und detaillierte Untersuchung Zarnow, Identität und Religion. 23 Vgl. dazu insbesondere die Darlegung bei Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 79–175: „Kapitel 2. Der Aufstieg von der Vorstellung der Identität des Menschen“. 24 Vgl. Witvliet, Christian Identity, 169: „Identity is not a biblical concept; it is not even a biblical concern.“ 25 So schon der Nicht-Theologe Pörksen, a. a. O., 38. 26 Witvliet, a. a. O., 175. 27 Vgl. z. B. Keller/Nausner/Rivera, Introduction, 11, die das moderne Identitätsverständnis als eines der Hauptziele postkolonialer Kritik verstehen, und ebenfalls von einer (ultimativen) „idolatry of identity“ sprechen können; a. a. O., 12. 28 Vgl. dazu etwa Deeg/Heuser/Manzeschke, Identität?, 304: „Wir brauchen eine Verständigung über das, wofür der Begriff ‚Identität’ steht und was er wegen seiner metaphysischen Implikationen und seines Gewaltpotenzials kaum jemals leisten kann.“ 29 So Schneider-Flume, Die Identität des Sünders, 111: „Identitätsbildung ist allemal Ich– Leistung.“ 30 Deeg, Leben auf der Grenze, 282, mit Verweis auf Schneider-Flume, a. a. O., 10.

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der Spannung zwischen dem „Schon“ und dem „Noch nicht“ einzuordnen und zu bewerten? Es wird daher nicht nur zu fragen sein, ob und wie sich eine solche Identitätsbestimmung mit dem Glauben als Geschenk der Gnade in Rechtfertigung und Heiligung versteht, das auf die verheißene Erfüllung schaut, sondern auch ob das „vielfach unbestimmte Modewort Identität überhaupt ein christlich möglicher Begriff“31 sein kann. Damit einher geht die Frage nach Ursache und Ziel jeder Identitätsbestimmung, die häufig auch Mittel und Verständnis bestimmen: warum und mit welcher Absicht begeben sich Kirchen in der reformierten Tradition auf die Suche nach ihrer Identität? Wie oben im ersten Kapitel bereits dargelegt wurde, führte eine Vielzahl unterschiedlichster Gründe zu diesem konstanten Bemühen um die eigene Identität, und jeder dieser Gründe birgt eigene Gefahren in sich, von denen nur drei hier andeutungsweise skizziert werden sollen. a) So kann die Identitätsbestimmung in Zeiten von Traditionsabbruch und Entkonfessionalisierung zum Beispiel retrospektiv vorgenommen werden, um Kontinuität mit historischen Ereignissen, Lehren oder Persönlichkeiten zu attestieren, um auf diese Weise wiederum Identität und Autorität für die Kirche der Gegenwart zu bestimmen und zu gewinnen. Im Vordergrund solcher Bemühungen kann dann eine eher ahistorische Auffassung von Identität stehen, die jegliche Gebrochenheit durch geschichtliche Entwicklungen und gegenwärtige Herausforderungen außer Acht lässt.32 Wird konfessionelle Identität im und für den intra- und interkonfessionellen Dialog bestimmt, so ergibt sich daraus die potentielle Gefahr, dass sie b) im irenistischen Bemühen um Konvergenz alles Spezifische einebnet, um den Weg zur ökumenischen Gemeinschaft freizumachen, ihre Identität also nur noch über Gemeinsamkeiten zu bestimmen sucht ohne Divergenzen und Widersprüche wahrnehmen und gelten lassen zu können;33 oder c) im Gegenteil dazu alles Spezifische in ausschließlicher und abgrenzender Weise betont, um sich selbst im Gegenüber und in der Abgrenzung von anderen Konfessionen Profil und Orientierung zu verschaffen; eine Art vergleichender Konfessionskunde mit eindeutiger Hierarchisierung der eigenen Konfession. 31 Deeg, a. a. O., 282. Deeg formuliert: „Entspricht das einem Glauben, der – wie Martin Luther befreiend entdeckte – von außen kommt, durch das äußere Wort (verbum externum) des Urteils und Freispruchs Gottes? Den ich mir nicht selbst sagen kann, sondern der mir gesagt werden muss? […] Den ich nicht habe, sondern nur immer neu empfange? Und der gerade so der Sünde entgegentritt, die im Kern das In-sich-Verkrümmtsein des Menschen (incurvatio in se ipsum) bedeutet?“ (Hervorhebungen im Original). 32 Zink, Konfessionen, 26, schreibt dazu: „Wir sind in unseren Konfessionen nicht mehr zu Hause, und je länger die Zeit geht, desto weniger werden wir ihrer bedürfen. Das Zeitalter der babylonischen Gefangenschaft der Kirche in den Käfigen ihrer Konfessionen ist vorüber. […] Es geht um das, was ihnen vorausliegt. Die tradierten Konfessionsdifferenzen aber werden künftig eine Forschungsaufgabe einer theologischen Paläontologie sein.“ 33 Vgl. dazu Reuss, Evangélikus Egyház, 3f.

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Ohne Mühe ließen sich noch weitere zusätzlich Problematiken der Identitätsbestimmung aufweisen; jedem dieser Versuche der Identitätsbestimmung droht in allen Fällen die Gefahr, dass die Identitätsfindung der Kirche zum Selbstzweck wird, ausschließlich der Selbstvergewisserung in den unterschiedlichen Herausforderungen dient, und die Kirche damit zur „ecclesia incurvata in se ipsa“34 wird. Eine weitere Beobachtung ist dabei von entscheidender Bedeutung: Zwar ist zu beobachten, dass der Begriff „Identität“, wie viele andere aktuelle Begriffe auch, in der Tat ein „Krisensignal“35 darstellt und als Verweis auf gefährdete und destabilisierte Selbstverständnisse, auf Orientierungskrisen und Identitätsverunsicherungen36 auf unterschiedlichsten Ebenen verstanden und gedeutet werden kann, und dass mit Identitätssuche im kirchlichen Raum häufig ein bewusstes oder unbewusstes Ausweichen auf Strukturfragen37 verschiedenster Art, auf Leitbilderstellungen oder „mission statements“ verbunden ist, die sich vorranging mit externen und internen Faktoren und Herausforderungen38 beschäftigten. Jedoch, und dies gilt für den untersuchten Bereich der reformierten Tradition weltweit im Allgemeinen, ist gleichzeitig festzustellen, dass die Bestimmungsversuche reformierter Identität nicht in der Festlegung einer (wie auch immer gearteten und zu erarbeitenden) „corporate identity“ aufgehen, bzw. auf diese abzielen, sondern dass sie – bei aller nahezu grundsätzlicher Unbestimmtheit des angewandten Identitätsbegriffes – sich jedoch wenigstens ansatzweise mit dem auseinandersetzen, was Moltmann bereits 1972 als „doppeltes Identifizierungsgeschehen“ beschrieb, und was, modifiziert, für unsere weiteren Überlegungen von ausschlaggebender Bedeutung sein wird und daher im Vorgriff auf später zu Entwickelndes bereits an dieser Stelle wenigstens angedeutet werden soll: Christliche Identität lässt sich nur als Akt der Identifizierung mit dem gekreuzigten Christus verstehen, weil und sofern einen die Verkündigung erreicht hat, dass in ihm Gott sich mit den Gottlosen und Gottverlassenen identifiziert hat, zu denen man selbst gehört. Ist dieses doppelte Identifizierungsgeschehen der Vorgang, in welchem christliche Identität entsteht, dann wird deutlich, dass man die Identität des christlichen Glaubens39 nicht an diesem selbst festhalten kann und sie auch nicht durch richtige

34 So formuliert Locher, Reformiert, reformiert!, 17, in Anlehnung an Luthers Diktum vom „homo incurvatus in se ipsum“ (z. B. WA 56, 304,25–29 und WA 56, 355,28–356,6). 35 Josuttis, Identität und Konversion, 119. 36 So Sundermeier, Lutherische Identität, 44f. 37 Vgl. ebd. 38 Vgl. Witvliet, a. a. O., 166. 39 Analoges wäre über die Identität der christlichen Kirche und der reformierten Tradition, sowie über die Identität individueller Christen und Christinnen zu sagen.

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Lehrformeln, wiederholbare Rituale und fixierte moralische Verhaltensmuster vor Verlust sichern kann.40

Damit ist aber auch schon die Gefahr jeder Identitätsbestimmung angedeutet, die auch vor kirchlichen Identitätssuchen und –bestimmungen nicht Halt macht, bzw. diese gerade in besonderer Weise bedroht: die Gefahr des „Kleinglaubens“. Moltmann führt seine Überlegungen zur Identität des christlichen Glaubens weiter: Die Gefahr des Kleinglaubens ist es, wenn der Glaube an sich selbst zu sterben beginnt, weil er sich festhalten will und nach Sicherheiten und Garantien greift. […] Der Kleinglaube will sich selbst festhalten und schützen, weil er von Angst besessen ist. Er will seine ‚heiligsten Güter‘: Gott, Christus, die Glaubenslehre und die Moral schützen, weil er offenbar nicht mehr glaubt, dass diese kräftig genug sind, sich selbst zu erhalten.41

Wenn wir also nun im nächsten Abschnitt einen Blick darauf werfen, mit welchen konkreten Begriffen und Fragestellungen sich einzelne Kirchen, Theologen und Theologinnen, sowie internationale und nationale kirchliche Gemeinschaften der Suche nach einer reformierten Identität genähert haben, dann wird auch hier schon bereits dieses Doppelte im Blick zu behalten sein: inwieweit nämlich diese Suche und alle aus ihr erwachsenen Bestimmungen reformierter Identität gleich welcher Art einen Versuch darstellen, den oben genannten zweifachen Identifizierungsvorgang des und mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus konkret, hier und jetzt, abzubilden, oder inwieweit sie stattdessen das Anliegen eines Kleinglaubens widerspiegeln, der angesichts der vielfachen Herausforderungen und Krisen seiner Zeit vermeintliche Sicherheiten und Garantien in sich selber sucht. Anders formuliert: inwieweit trägt die Suche nach reformierter Identität dem Rechnung, was Calvin in seiner Institutio42 so nachdrücklich betont hat, und was als Losung reformierter Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch43 immer wieder von neuem bekannt wurde: „Nostri non sumus, sed Dei“? 40 Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 24f. 41 Moltmann, a. a. O., 24. 42 Inst. III.7.1: „Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also darf bei unseren Plänen und Taten weder unsere Vernunft noch unser Wille die Herrschaft führen. Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also dürfen wir uns nicht das Ziel setzen, danach zu suchen, was uns nach dem Fleische nütze! Wir sind nicht unsere eigenen Herren – also sollen wir uns und alles, was wir haben, soweit irgend möglich vergessen. Auf der anderen Seite: Wir sind Gottes Eigentum – also sollen wir ihm leben und ihm sterben! Wir sind Gottes Eigentum – also muss seine Weisheit und sein Wille bei all unserem Tun die Führung haben! Wir sind Gottes Eigentum – also muss unser Leben in allen seinen Stücken allein zu ihm als dem einzigen rechtmäßigen Ziel hin streben!“ 43 Vgl. Smit, Freedom in belonging?, 124. Um nur einige wenige Beispiel zu nennen: So spiegelt etwa die 1. Frage des Heidelberger Katechismus dieses „sed Dei!“ in nach- und eindrücklicher Weise wider, aufgenommen im 20. Jahrhundert in der Ersten These der Barmer Theologi-

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Der Begriff der Identität kann dann zwar phänomenologisch sowohl als „Schlüsselphänomen“ der Moderne als auch als „Plastikwort“ verstanden und kritisiert werden, muss sogar vielleicht letztendlich abgelehnt werden, bzw. theologisch definiert werden, gleichzeitig jedoch wird dem nachzuspüren sein, inwieweit diese „Suchbewegungen“ reformierter Kirchen und Gemeinschaften im Hinblick auf eine reformierte Identität nicht der Selbst-findung, sondern im Sinne Calvins, der Selbstverleugnung44 dienen: „Wir sollen nicht suchen, was unser ist, sondern was aus des Herrn Willen kommt und zur Mehrung seines Ruhms geschieht.“45 Es wird zu fragen sein, um ein weiteres Kennwort reformierter Tradition aufzugreifen, wie sich der Ruf „Soli Deo gloria“ mit den Bestrebungen, eine reformierte Identität zu bestimmen, in Beziehung setzen lässt.

2.1.2 Terminologie und Theologie Dass die Suche nach reformierter Identität tatsächlich nicht allein der modernen Manie der Selbstfindung46 geschuldet ist, bzw. sich immer wieder von dieser abzugrenzen sucht, soll im folgenden kurzen Überblick über die in der Diskussion der letzten etwa 100 Jahre verwandten Begrifflichkeiten dargestellt werden. Zusätzlich zu dem zentralen Begriff der „Identität“, der in seiner Verwendung oben bereits im Einleitungskapitel dargestellt wurde, werden in der Diskussion der letzten knapp einhundert Jahre noch eine Anzahl weiterer Begriffe benutzt, die sich im semantischen Umfeld von „Identität“ ansiedeln lassen, aber auch weitere Assoziationsfelder erschließen und eine über die Identitätsdebatte hinausgehende theologische und historische Betrachtungsweise eröffnen. Gleichzeitig wird durch die Diversität der Begriffe auch die Diversität der Fragestellung und Absicht der Diskussion um das „eigentlich Reformierte“ deutlich; wie die schen Erklärung, dem Brief Statement der Presbyterian Church (USA) von 1983 (vgl. Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 37–50) und zudem auch in der sog. Erklärung von Debrecen, 1997 verabschiedet von der 23. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes, (welche allerdings bis auf das Eingangszitat der 1. Frage des Heidelberger Katechismus das „sed Dei!“ überhaupt nicht wiederholt, sondern ausschließlich die Negation „nostri non sumus“ und das sogar siebenfach); vgl. Opocˇenský, Debrecen 1997, 273f. Vgl. dazu auch das Glaubenszeugnis der Christian Reformed Church in North America Our World Belongs to God: A Contemporary Testimony (1983/2008). 44 Welche Calvin als „summa vitae Christianae“ versteht (Inst. III.7.1); vgl. Inst. III.7.2: „Der Christenmensch muss wahrlich so beschaffen und so zubereitet sein, dass er bedenkt: ich habe es in meinem ganzen Leben mit Gott zu tun. Aus diesem Grunde wird er all sein Tun und Lassen nach Gottes Urteil und Ermessen richten; ebenso wird er auch alles Streben seines Herzens fromm auf ihn lenken. […] Dies ist die Selbstverleugnung, die Christus mit solchen Nachdruck allen seinen Jüngern von ihrer ersten Lehrzeit an aufträgt.“ 45 Inst. III.7,2. 46 Vgl. Weinrich, Openness and Worldliness, 431.

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Frage formuliert wird, hat immer auch Einfluss darauf, welche Antwort gefunden wird. Stellt eine reformierte Kirche etwa die Frage nach den „essential tenets“ ihrer reformierten Lehre oder die reformierte Weltgemeinschaft nach den sie verbindenden fundamentalen Prinzipien47, dann gehen sie in der Regel davon aus, dass diese de facto nicht nur zu finden, sondern auch verbindlich zu benennen sind – das auf diese Weise also die alte Frage „Was ist reformiert?“ adäquat und wenigstens vorläufig, wenn nicht gar abschließend, zu beantworten sei. Die folgenden Begriffe48 aus dem Umfeld der Identitätsdiskussion bringen zwar jeweils ihre eigene Perspektive und Betonung mit, werden aber auch oftmals gleichzeitig und austauschbar verwandt; in den seltensten Fällen jedoch werden die Begriffe selbst kritisch definiert oder theologisch erarbeitet und eingeordnet, was sich dann häufig als potentieller Schwachpunkt der Bestimmung reformierter Eigenart erweist. Es wird daher bei jedem Begriff zu fragen sein, inwieweit die Verwendung des jeweiligen Begriffes eher einer phänomenologischen Beschreibung oder einer theologischen Erarbeitung reformierter Identität dient.

Wesen und Aufgabe Wie oben bereits dargestellt,49 eröffnete Karl Barth 1923 mit seinem Vortrag „Reformierte Lehre – ihr Wesen und ihre Aufgabe“ in gewisser Weise ein neues Kapitel der Suche nach einer bestimmbaren reformierten Identität.50 Charakteristisch für Barth, wie auch für einige später folgende Versuche, das eigentümlich Reformierte zu bestimmen, ist die in dem Vortragstitel zum Tragen kommende doppelte Fragestellung bzw. Bestimmung: Es geht Barth nicht um eine historisch, dogmengeschichtlich oder anders primär phänomenologisch und retrospektiv zu bestimmende Eigenart reformierter Lehre und reformierten Kirche-Seins, sondern um ihr eigentliches Wesen und ihre Aufgabe, die beide nur von Gottes Ruf, bezeugt durch den Geist in der Heiligen Schrift, her zu verstehen sind. Auf dem Hintergrund seiner theologie- und kirchengeschichtlichen Situation kommt 47 Zu diesen Fragestellungen siehe die im Folgenden diskutierte Begrifflichkeit. 48 Der Versuch, reformierte Identität über den Begriff der „polity“, einer spezifisch reformiertpresbyterianischen Kirchenordnung und -leitung, zu bestimmen, wird hier nicht weiter diskutiert, da er – global gesehen – nur eine zu vernachlässigende Rolle spielt; vgl. aber Stroup, Reformed Identity, 259. Unbestreitbar ist dabei allerdings, dass dieses Merkmal reformierter Tradition, bei aller lokaler Unterschiedlichkeit, nicht nur auf gemeinsamen theologischen Grundentscheidungen beruht, sondern gerade auch von außen als charakteristisch wahrgenommen wird. 49 Vgl. oben bei Abschnitt 1.1.1. 50 Lohmann, Gewissheit der Erkenntnis, 149, versteht das Anliegen des Vortrages wie folgt: „Barth formuliert in ihm seine Antwort auf die Frage nach dem Charakteristikum reformierten Christentums, nach dem, was reformierte Identität im letzten ausmacht.“

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Barth zu dem Schluss, dass das eigentlich Reformierte für ihn und seine Zeitgenossen zu jenem Zeitpunkt keinerlei Triumphalismus darstellen könne, sondern vielmehr primär im Schuldeingeständnis gegenüber diesem Auftrag Gottes liegen müsste.51 Für Barth weist die Frage nach Identität also unmittelbar über sich selbst hinaus und auf Gott hin, kann also immer nur von dieser ex-zentrischen Perspektive her überhaupt gestellt und bedacht werden. Dieser Ansatz in der Bestimmung reformierter Identität hat sich allerdings im ganzen gesehen, insbesondere in kirchlichen Dokumenten, nicht durchgehalten, handelt es sich bei Bestimmungen reformierter Identität, wie auch im Folgenden zu sehen sein wird, in der Mehrzahl doch weit eher um Bestandsaufnahmen als um Wegweiser. Eine Ausnahme bietet wenigstens ansatzweise die Studie „Wozu sind wir berufen?“ („Who are we called to be?“) des Reformierten Weltbundes, die unter diesem Titel mehr als eine bloße Bestandsaufnahme hätte ermöglichen können, wenn auch dann schlussendlich nicht bietet.52 Lehrpunkte und „Essential Tenets“ Den Charakter einer solchen retrospektiven Bestandsaufnahme weisen insbesondere jene Versuche einer Identitätsbestimmung auf, die aus Auflistungen zentraler „Lehrpunkte“ bzw. im englischsprachigen Bereich auf „essential tenets“ der reformierten Tradition bestehen.53 In einem Versuch etwa, die Dordrechter Canones zusammenzufassen und damit eine Art „unverfälschten Calvinismus“ und „wahre“ reformierte Identität zu konservieren, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Akronym TULIP54 immens populär, welches für die „Five Points of Calvinism“ steht. In weiten Teilen nordamerikanischer reformierter Kirchen, darüber hinaus aber auch weltweit in reformierten Kirchen mit eher konservativer Ausrichtung55, werden diese fünf Punkte bis heute als authenti-

51 Barth hält auf diesem Hintergrund abschließend fest: „‚Reformierte Lehre‘ ist uns heute vielleicht in diesem Punkt möglich, dass wir unsere Schwachheit ernstlich und vorbehaltlos Schuld und nicht Schicksal nennen. In der Sehnsucht, in dem Schreien nach dem Schöpfer Geist, der einmal auch dieses Feld voller Totenbeine anwehen wird, werden wir uns dann auf alle Fälle mit den Vätern treffen, deren Erbe wir im Übrigen noch nicht erworben haben, um es zu besitzen.“ Reformierte Lehre, 247 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 52 Vgl. dazu den folgenden Abschnitt „Selbstverständnis und Hermeneutik“. Vgl. dazu auch Lienemann-Perrin, Introduction, VIII: „Identity is not only where we come from but also who we are called to be.“ 53 Vgl. dazu z. B. die Diskussion bei Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 4–6. 54 Das TULIP-Akronym wird gebildet aus den Anfangsbuchstaben der folgenden theologischen Begriffe: 1) Total depravity; 2) Unconditional election, 3) Limited atonement, 4) Irresistible grace, 5) Perseverance of the Saints. 55 Vgl. zum Beispiel Fubara-Manuel, Reformed Identity in Nigeria Today, 241: „With differing emphases here and there, the so-called Five Points of Calvinism have been historically

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scher, gar sakrosankter Wächter56 reformierter Identität, als „yardstick of the truly Reformed“57 verstanden und stehen in keinem Punkt zur Diskussion.58 Jeder Versuch, eine reformierte Identität weltweit zu bestimmen, wird mit dieser Einstellung nicht geringer Teile der reformierten Tradition ernsthaft zu rechnen haben. Einen ähnlichen Versuch, wenn auch basierend auf anderen historischen Voraussetzungen,59 reformierte Identität zu bestimmen, findet sich in dem Verständnis von „essential tenets“, das insbesondere in der presbyterianischen Kirche in den USA eine große Rolle spielt.60 Auch dieser Weg geht davon aus, dass es möglich sei, über die Bestimmung von zentralen Dogmen sozusagen eine Essenz des Reformierten zu destillieren, die dann zur Bewahrung eben dieses Erbes dienen könnte. Die grundlegende Schwierigkeit dieses Weges wird schon daraus ersichtlich, dass z. B. Pastorinnen und Pastoren, Diakone und Älteste etwa der Presbyterian Church (USA) im Ordinationsformular zwar auf die „essential tenets of the Reformed faith as expressed in the confessions of our church“61 verpflichtet werden, dass diese aber trotz häufiger Versuche62 nicht abschließend definiert und festgelegt wurden. Daher muss bereits für eine Partikularkirche bezweifelt werden, ob dieser Weg gangbar und dazu theologisch wie historisch überhaupt verantwortbar ist.63 Bedenkt man den Begriff „essential tenets“ aus einer theologischen Perspektive, dann müsste beispielshalber kritisch nachgefragt werden, wie sich das Konzept von „essentiellen Lehr- und Glaubenssätzen“ mit anderen simultan anerkannten bekenntnishermeneutischen Grundsätzen der reformierten Tradition64 in Verbindung bringen lässt: etwa dem Grundsatz

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used to express the substance of the Reformed belief in the sovereignty of God in the salvation of humankind.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.) Vgl. Stewart, The Points of Calvinism, 188: „For the ‚sovereign grace‘ Calvinist, the TULIP acronym is sacrosanct; it is a historic formula understood to have been bequeathed to us by our forebear. Dislike and scorn of TULIP is reckoned as being akin to negative attitudes towards Bible and gospel.“ Häufig wird, auch in wissenschaftlichen Untersuchungen, unkritisch und historisch nicht zutreffend davon ausgegangen, dass das Akronym TULIP auf die Dordrechter Synode selbst zurückgehe. So die Bezeichnung von Stewart, Ten Myths about Calvinism, 75, der eine unkritische Hochschätzung von TULIP für einen internen und externen unhistorischen Mythos des Calvinismus hält. Die erste Erwähnung des Akronyms lässt sich erst für 1913 belegen; vgl. den im Anhang des genannten Werkes, 291, wiedergegebenen Auszug eines Artikels von Wail mit dem Titel „The Five Points of Calvinism Historically Considererd“. Vgl. dazu den gesamten Aufsatz von Stewart, The Points of Calvinism; sowie das Kapitel „TULIP as the Yardstick of the Truly Reformed“ in seinem o.g. Werk Ten Myths about Calvinism. Vgl. dazu Small, Essential Tentets?. Vgl. Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 4–6. Zitiert z. B. in Small, a. a. O., 224. Vgl. Rogers, New introduction, XIIf. Vgl. dazu Small, a. a. O., 232f, und Stroup, a. a. O., 259–262. Diese Grundsätze werden ausführlich in Kap. 3 zum Bekenntnisverständnis der reformierten Tradition diskutiert werden.

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einer wesensmäßigen Reformierbarkeit der Lehre65 bei besserer Belehrung durch die dem Bekenntnis stets über- und vorgeordnete Heilige Schrift66 oder dem Aspekt der theologisch verantwortbaren Bekenntnispluriformität in Gegenwart und Geschichte. Das vornehmlich retrospektiv bestimmte und konfessionalistisch verengte Konzept67 der essential tenets und seine vage materiale Füllung erscheinen daher weder als besonders hilfreicher noch als besonders „reformierter“ Versuch einer Identitätsbestimmung. Selbstverständnis und Hermeneutik Einen anderen Weg als die beiden oben geschilderten gehen der bereits oben erwähnte Selbstbesinnungsprozess und die Studie des Reformierten Weltbundes von 1994 mit dem Titel „Wozu sind wir berufen?“ (bzw. „Who are we called to be?“), die sich unter dem Stichwort des „reformierten Selbstverständnisses“ mit dem Thema der Identitätsfindung und -bestimmung, mit dem „Wesen des Reformiertseins“ befassen. Zwar betont auch die 23. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Debrecen, ähnlich wie Barth, in ihrem Abschlussbericht, dass Reformiertes Selbstverständnis im Kern nur die Frage nach der Berufung sein kann,68 andererseits wird diese Berufung weder ausführlich beschrieben noch theologisch bestimmt oder direkt auf das Selbstverständnis bezogen. Im Gegenteil, das „Wesen des Reformiertseins“ wird verstanden als „Faktoren, Grundsätze und Sichtweisen, die zwar in den dynamischen Veränderungen der Vergangenheit am Werk waren, die aber dennoch zeitlos sind.“69 Reformiertes Wesen, reformiertes Selbstverständnis beziehen sich demnach primär auf diese „bipolare Analyse“ von dynamisch und zeitlos, die dann in einem zweiten Schritt auf ihre Übereinstimmung „mit dem Evangelium und den Bedürfnissen der Welt“70 zu überprüfen sei. Das eigentlich Reformierte wäre in diesem Falle fast ausschließlich in einer spezifisch reformierten Hermeneutik zu suchen und zu finden; „Berufung“ und „Hermeneutik“ werden ohne weitere Ausführungen direkt miteinander in Bezug gesetzt – ohne jede Erwähnung des Berufenden. Was reformierte Identität über diese Hermeneutik hinaus bedeuten 65 Stroup, a. a. O., 262. 66 Vgl. Ottati, Confessional Standards, 92. 67 So kritisiert Jensen, a. a. O., 5 zu Recht: „The ‚essential tenets‘ risk becoming beliefs that are not shared with the church catholic. […] An insistent focus on ‚essential tenets‘ may, in the end, result in a rather idiosyncratic understanding of the tradition, one that becomes rather distant from other bodies of the Christian family.“ 68 So auch die Zwischenüberschrift des Berichts der Sektion I: Reformierter Glaube und die Suche nach Einheit, nämlich „Reformiertes Selbstverständnis: Wozu sind wir berufen?“, vgl. Opocˇenský, a. a. O., 204. 69 Ebd. 70 Ebd.

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könnte, und – noch grundlegender – aus welchen theologischen Entscheidungen sie erwachsen ist, wird nicht thematisiert. Im Rückblick scheint diese Bestimmung reformierten Selbstverständnisses eher als ein Versuch, den größten gemeinsam Nenner diverser Traditionsstränge reformierter Kirchen zu benennen. In einer Zeit, in der weltweit ein Schwund reformierter Identität festgestellt (und beklagt) wird,71 in der Diversität innerhalb der eigenen konfessionellen Tradition häufig eher als Bedrohung empfunden wird, wird damit eine für die Mehrheit zustimmungsfähige Hermeneutik zum Fokus gemeinsamer Identität, ohne theologische Fragestellungen und Differenzen ausreichend zu beleuchten und einzuarbeiten. Ethos und Habitus Ein weiteres, sich vornehmlich auf den Vollzug reformierter Eigenart beziehendes Verständnis wird auch in dem im Zusammenhang mit der Identitätsdiskussion vielfach erwähnten Begriff des „Ethos“, bzw. des „Habitus“ deutlich. Neben der Verfassung des Reformierten Weltbundes, die diesen Begriff an zentraler Stelle in ihrer Verfassung zur Beschreibung ihres Selbstverständnisses verwandte,72 hat der Begriff des Ethos für die Bezeichnung des eigentümlich Reformierten besonders aufgrund seiner Verwendung durch John H. Leith in dessen – in der englischsprachigen Welt sehr einflussreichen – Einführung in die reformierte Tradition73 an Einfluss gewonnen. Mit der Verwendung dieses Begriffes im Sinne von „Gesamthaltung“, „Gesinnung“ aber auch „Lebensstil“74 sollte die eindimensionale Festlegung reformierten Wesens auf dogmatische Lehrpunkte unter 71 Der Bericht der Sektion 1 betont allerdings nachdrücklich, dass „das gegenwärtige Leben der reformierten Kirche […] nicht als Identitätsverlust verstanden werden [sollte], sondern als Kampf um die Entdeckung neuer Wege, wie unsere Identität sich angesichts der vielen plötzlichen Veränderungen, vor denen wir heute stehen, in Leben und Kultur ausdrücken soll.“ (Ebd.) Allerdings lässt sich mit Small, Reformed, X, fragen: „Would member churches [of the WARC] have to be encouraged to study what it means to be Reformed if they already understood and approved the basic elements of Reformed thought and life?“. 72 Constitution of the WARC II, 1.5: alle beitrittswilligen Kirchen müssen anerkennen, „that the Reformed tradition is a biblical, evangelical, doctrinal ethos, rather than any narrow and exclusive definition of faith and order“; zitiert bei Visser, Global Christian Communion, 7 (Hervorhebung: M. E.-H.). Zu Recht merkt Visser dort an, dass „Glaube und Verfassung“ an dieser Stelle „in an almost pejorative way“ benutzt werden, wohingegen „ethos“ im Gegensatz dazu als inklusiv verstanden wird. 73 Leith, Introduction to the Reformed Tradition. A Way of Being the Christian Community, Erstauflage 1977. 74 Leith, a. a. O., 70, identifiziert neun „Motive“, „that have given a particular style and manner to Reformed theology, worship, polity, culture, and life“. In der neuen Verfassung der Weltgemeinschaft reformierter Kirchen wird das Wort „Ethos“ nicht mehr verwandt; stattdessen erhält der Begriff „Identität“ oder auch genauer „reformierte Identität“ eine zentrale Rolle – ohne jedoch genauer definiert zu werden.

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Ausblendung aller anderen Aspekte christlichen Lebens wie etwa Gottesdienst, Kirchenordnungen, Kultur, etc. verhindert werden. Während der Reformierte Weltbund dabei eher vage von einem „biblischen, evangelischen, dogmatischen Ethos“75 gesprochen hatte, identifiziert Leith neun theologische Motive, die den „Reformed style of being a Christian“76 ausmachten.77 Der Begriff des „Reformed Ethos“ wurde vielfältig positiv aufgenommen und weitergeführt; selten jedoch kritisch hinterfragt.78 In ähnlicher Weise, und auch ähnlich einflussreich, definiert Brian Gerrish zwanzig Jahre später eine „reformierte Geisteshaltung“79, einen reformierten Habitus.80 Für Gerrish beruht das typisch Reformierte nicht primär auf gemeinsamen Lehrsätzen oder Zusammenstellungen von Fundamentallehren, ebenso wenig wie auf gemeinsamen (historischen) Glaubensbekenntnissen. Da Glaubensbekenntnisse, laut Gerrish, von jeder Generation neu zu verfassen und zu verantworten seien, müssen sich reformierte Christen und Christinnen auf „etwas Konstanteres und Grundlegenderes als Glaubenssätze stützen: auf gute Geisteshaltungen,81 die alle letztlich auf der einen Begründung, nämlich Jesus Christus, basieren“82. Deutlicher noch als bei Leith oder auch in der Verfassung des Reformierten Weltbundes wird hier die christologische Matrix benannt und eingefordert: reformierte Identität kann nicht ohne ihre Basis und ihren Telos in Christus benannt und bestimmt werden; gleichzeitig beschränkt sich aber auch Gerrish in seiner Darlegung des reformierten Habitus mehr auf eine Beschreibung dieser Geisteshaltung als auf ihre theologische Begründung und Ausge-

75 Vgl. dazu allerdings die Interpretation von Fries, Fundamental Consensus and Church Fellowship, 157f. 76 Leith, a. a. O., 70. 77 Leith, a. a. O., 70–88. Diese neun Motive sind: 1) The Majesty and Praise of God, 2) The Polemic against Idolatry, 3) The Working Out of Divine Purposes in History, 4) Ethics, a Life of Holiness, 5) The Life of the Mind as the Service of God, 6) Preaching, 7) The Organized Church and Pastoral Care, 8) The Disciplined Life, 9) Simplicity. 78 Vgl. dazu z. B. Vischer, Ecumenical Commitment, 265. In seiner Antwort auf Vischer hält Mudge, Three Responses to Lukas Vischer, 286, jedoch zu Recht fest, dass es einen nicht zu leugnenden „chasm between the ‚Reformed ethos‘ at its best and the reality of our churches“ gibt. 79 Gerrish, Traditionen in der modernen Welt – Die reformierte Geisteshaltung; im englischen Original „Reformed habit of mind“. 80 Vgl. dazu Stroup, Reformed Identity, 263f. 81 Gerrish, Traditionen, 29, führt als „fünf Kennzeichen der reformierten Geisteshaltung“ fünf Punkte auf, „auf denen wir aufbauend unsere Glaubensbekenntnisse formulieren, wie die Zeitumstände es von uns erfordern.“. Die reformierte Geisteshaltung ist laut Gerrish zugleich ehrerbietig, kritisch (auch selbstkritisch), offen, der Praxis zugewandt und evangelisch (das „Herzstück der reformierten Geisteshaltung“ und bedeutet hier: „alles in Verbindung mit dem Wort des Evangeliums zu setzen“, a. a. O., 37). 82 Gerrish, a. a. O., 29.

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staltung.83 Zudem ist der von Gerrish beschriebene Habitus eine vorwiegend intellektuelle Haltung und Einstellung und ignoriert andere Aspekte christlichen Lebens, wie George Stroup zu Recht kritisiert.84

Profil und Akzent Ähnlich wie Gerrish, jedoch in charakteristisch unterschiedener Weise, argumentiert im deutschsprachigen Bereich Eberhard Busch, der auf dem „bewegten Feld“ der reformierten Konfession „durchaus gemeinsame und beständige Grundhaltungen, Einsichten und Interessen“85 findet, die bei „aller Vielfalt der Gestaltungen in den verschiedenen Kirchen und ihren Traditionen“ unverkennbar „das Profil eben der reformierten Kirche und Theologie kennzeichnen.“86 Dieses Profil, also vornehmlich etwas, das von der Außenperspektive zu erkennen ist (und zu erkennen sein soll),87 aber eben auch die Innenperspektive bestimmt, stellt Busch anhand von zehn „wichtigen und typischen“88 Themen, die sowohl die oben erwähnt spezifisch reformierte, bipolare (Bekenntnis-) Hermeneutik, als auch theologische Schwerpunkte, Kirchenordnung, und das christliche Leben umfassen,89 und insofern die Anliegen verschiedener Ansätze kombinieren. Der Begriff des „Profils“ tendiert dabei eher in Richtung einer „Bestandsaufnahme der heutigen reformierten Konfession“90, denn in Richtung einer „Anweisung zum Reformiertsein“91, obgleich sich beide Fragerichtungen selbstredend nicht gänzlich voneinander trennen lassen. Wie die meisten der oben bereits aufgeführten Ansätze, legt auch diese Bestimmung reformierter Eigenart den primären Schwerpunkt auf das Bekenntnis zu Jesus Christus, durch das es sich nicht nur innerhalb der reformierten Konfession untereinander 83 84 85 86 87

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Vgl. dazu auch die Darstellung reformierter Identität bei van der Kooi, Oepke Noordmanns. Vgl. Stroup, Reformed Identity, 263f. Busch, Reformiert. Profil einer Konfession, 9; dort auch die folgenden Zitate. Hervorhebung: M. E.-H. Busch, ebd.: „Die Reformierten müssen wissen, wer sie sind, wenn sie anderen begegnen, und die anderen sollten das auch zu wissen bekommen. Die Reformierten haben hier auskunftsfähig zu sein, nicht um sich abzugrenzen, sondern um sich mit den jeweils anderen verständigen zu können.“ Ebd. Busch zählt zu diesen wichtigen und typischen Themen: 1) Konfessionsverständnis, 2) Reformiertsein in der „Welt von heute“, 3) das eine Wort Gottes, 4) Gottes Gnadenbund, 5) Der Gott des Evangeliums – der Geber seines Gesetzes, 6) Beten und Arbeiten, 7) Die gute Weisung des Bilderverbotes, 8) Die Gemeinde von Schwestern und Brüdern, 9) Das Amt Jesu Christi und die Ämter in seiner Gemeinde, 10) Recht und Frieden. Busch, a. a. O., 31; vgl. ebd.: „Wie verstehen sich heute die Reformierten faktisch und praktisch? Was zeichnet sie nach Texten, die sie in der Gegenwart selbst formulieren, als Reformierte aus?“. Ebd.

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verbunden sieht, sondern auch mit Kirchen außerhalb der eigenen Tradition unter dem einen Haupt Christi.92 Reformiertes Profil ist dabei also nicht auf Themen begrenzt, die sich so ausschließlich in Kirchen der reformierten Tradition wiederfinden lassen, sondern bezieht sich auf das reformierte Verständnis christlicher Lehren, die auch in anderen konfessionellen Traditionen anzutreffen sind. Hier trifft sich das Verständnis von reformierter Identität als Profil mit anderen vielfältig verwandten Beschreibungen, die reformierte Eigenart als besonderen reformierten Akzent,93 als „tenor and tone“94, „distinictive characteristics“95, „shifting patterns“96 oder als „confessional emphases“97 verstehen. Der „Geist“ der reformierten Tradition Bereits 1971 fasste Eugene Osterhaven die Fragen nach dem, was die reformierte Tradition ausmache98, was ihre „inner dynamic“ sei, mit der Frage nach ihrem „spirit“ zusammen, ihrem „Geist“ also, und kommt zu den Schluss, dass dieser Geist insbesondere zu verstehen sei als „a consciousness of being in God’s presence with a call to live unto him“99. Sprechenderweise interpretiert Osterhaven 92 Vgl. Busch, a. a. O., 15. 93 Vgl. Small, To Be Reformed, 73; unter der Kapitelüberschrift „Reformed Accents“ schreibt Small: „The tradition and the churches that identify with [the Reformed tradition] embody three overarching themes that characterize Reformed thought and life: grace, the sovereignty of God, and the character of the Christian community. While these themes are not unique to the Reformed tradition, they receive identifiable stress and characteristic expression in Reformed faith and life.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch Christian Reformed Church (USA), What it means to be Reformed. An Identity Statement, 6f. 94 So McEnhill, The Reformed Tradition, 86: „For to be Reformed is a matter of tenor and tone. It is a way of holding a certain constellation of doctrines rather than the unique possession of them. It is a way of inhabiting a certain commitment to the absolute freedom and sovereignty of God that refuses to accord any penultimate system or structure absolute authority.“ 95 Hesselink, On Being Reformed. Distinctive Characteristics and Common Misunderstandings; vgl. auch Feenstra, Reformed Catholicity and Distinctiveness. 96 So im Titel eines der gegenwärtig neuesten Bücher zur reformierten Tradition: Campi, Shifting Patterns of Reformed Tradition von 2014 97 Sleith, Communion and Justice flourish together, 20: „There is the not unimportant matter of understanding our identity as being a branch of the church that has certain confessional emphases that were felt at our inception to be matters of crucial importance and through prayerful biblical exegesis, theological interpretation and ongoing spiritual discernment continue to be decisive for our wellbeing as Christ’s contemporary followers.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). 98 Vgl. Osterhaven, The Spirit of the Reformed tradition, 7: „What is there in the Reformed tradition that is as valid today as it was in the sixteenth century? What in it, if anything, is distinctive? What does the Reformed Church have to contribute to the one holy catholic and apostolic church in an ecumenical era? What are its fundamental emphases?“ (Hervorhebungen im Original); dort auch die folgenden Zitate. 99 Osterhaven, The Spirit of the Reformed tradition, 168; siehe auch a. a. O., 167: „The Re-

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diesen reformierten Geist, trotz eines Kapitels über den Heiligen Geist und das christliche Leben, dann allerdings in keiner Weise pneumatologisch. Der Geist der reformierten Tradition erscheint bei ihm eher als „christliche“ Variante möglicher Strömungen des Zeitgeistes in Vergangenheit und Gegenwart,100 der zwar in die Gemeinschaft mit Gott führt, nicht aber von dort aus bestimmt oder gegeben ist, also sozusagen ein von den Gläubigen zu verkörpernder Geist, der auf ihrer eigenen Wahl unter verschiedenen Alternativen beruht. Der letzte hier vorzustellende Ansatz, reformiertes Wesen zu verstehen und zu bestimmen, erscheint als einer für weitergehende Überlegungen dieser Untersuchung hilfreichsten und weiterführendsten. Verschiedene bereits vorgestellte Begriffe und Überlegungen aufnehmend, kommt Daniel Migliore in seinen Ausführungen zu „The Spirit of Reformed Faith and Theology“ zu einer theologischen Interpretation des Begriffes „Geist“ in explizit trinitarischer Perspektive. Zwar geht auch Migliore in einem ersten Teil von dem besonderen Charakter, spezifischen Kennzeichen, Schwerpunkten etc. der reformierten Tradition aus, die man mit dem Begriff „Spirit“ bezeichnen könne.101 Er warnt allerdings nachdrücklich davor, einen Geist der reformierten Tradition bestimmen zu wollen, ohne ihn explizit in Verbindung mit Person und Werk des Heiligen Geistes zu bringen, wie dieser in der reformierten Tradition erfahren und verstanden wird.102 Migliore betont dementsprechend: When this connection is lost, the reforming spirit that drives the church is all too easily identified with the spirit of restoration, or the spirit of progress, or the spirit of modernity, or the spirit of individual freedom, or the imperial spirit, or some other Zeitgeist.103

Reformierte Identität, reformierter Geist kann dementsprechend nur verstanden und beschrieben werden in seiner intrinsischen Beziehung zu Identität und Werk

100 101

102 103

formed tradition […] is not first of all a system of theology or of doctrine. Nor is it a particular type of church government or belief in ‚the five points of Calvinism‘. As important as these are, they do not constitute that tradition, nor do they reveal its heart. The spirit of the Reformed tradition is more subtle, more profound than any of these.“ Vgl. dazu besonders Osterhaven, a. a. O., 168f. Migliore, The Spirit of Reformed Faith and Theology, 352: „By the ‚spirit‘ of a group or movement we ordinarily mean its dominant tendency or character, its animating features, its distinctive traits, its peculiar emphases. […] I will have this common use in mind as I attempt briefly to portray the spirit of the Reformed theological heritage in its relative distinction from the Roman-Catholic tradition, on the one hand, and from the Lutheran and other Protestant confessional traditions on the other.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu Fries, Fundamental Consensus and Church Fellowship, 157f: „The Reformed Ethos is to be explained not through its Christology as such, but through its unique conjoining of the doctrines of Christ and the Spirit.“ Migliore, a. a. O., 356.

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des Heiligen Geistes.104 Wallace Alston, auf den sich Migliore in seinem Artikel bezieht, fasst dieses Verständnis reformierter Identität in Verbindung mit dem Heiligen Geist zusammen, wenn er prägnant formuliert, dass „whenever Reformed people speak of the Spirit of the church, they speak of course of none other than the judging, reforming, renewing Spirit of the living God, made known in Jesus Christ.“105 Im Umkehrschluss gilt dann das Verständnis der reformierten Tradition als einer „tradition of the Spirit“, wie insbesondere von David Jensen nachdrücklich betont.106

Terminologie und Theologie Als Zwischenergebnis sei hier dreierlei festgehalten: (1) Breite und Unterschiedlichkeit der Begrifflichkeit demonstrieren zum einen erneut, dass die Suche nach dem eigentümlich Reformierten ein pluriformes, weltweites Phänomen und Anliegen darstellt, dass sich in unterschiedlichen Herangehensweisen und auch in unterschiedlichen Antwortversuchen widerspiegelt, und das bis dato nicht abschließend oder umfassend beantwortet wurde, womöglich auch nicht werden kann. (2) Die bei der Bestimmung des eigentümlich Reformierten verwandten termini prägen und bestimmen bereits das Ergebnis der Suche vorher – wer nach gemeinsamem Ethos oder fundamentalen Lehrfragen sucht, wird diese dann möglicherweise auch finden und unter Umständen als exklusive Basis für Beschreibung und Definition des Reformierten verwenden. Nur wenige Versuche reformierte Eigenart zu bestimmen thematisieren jedoch dieses (unvermeidliche) Vorverständnis explizit und bestimmen es theologisch; kaum je wird der Versuch unternommen, angewandte Begriffe biblisch-theologisch einzuordnen, bzw. zu entwickeln und zu hinterfragen. (3) Wenn oben in Abschnitt 1.1.5 bereits darauf verwiesen wurde, dass die Krisis des Versöhnungswerkes Christi jedes Konzept von Identität und Krisis in Frage stellt, dann gilt dies umfassend für jeden Versuch mit gleich welcher Terminologie das Wesen und die Aufgabe reformierter Theologie, Kirche und Tradition zu bestimmen, will dieser Versuch eine konstruktive Antwort geben und nicht allein phänomenologisch abbilden, was aus der jeweiligen eingenommenen Perspektive als charakteristisch zu beschreiben ist. 104 Vgl. Migliore, a. a. O., 366. 105 Alston, The Church of the Living God, 81. Alston betont dabei nachdrücklich, a. a. O., 82, dass der „Reformed spirit“ nicht allein in reformierten Gemeinschaften existiere, „but in every congregation, denomination, or ecumenical event where the spirit of reform is at work.“ 106 Vgl. dazu Jensen, Reformed and Always Being Reformed: A Tradition of the Spirit?, und unten die Diskussion des pneumatologischen Charakters reformierter Identität in Abschnitt 5.2.3.

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Wenn nun also im Folgenden weiterhin der Begriff der „reformierten Identität“ als Schlüsselbegriff für „das Reformierte“ benutzt wird, so geschieht dies unter der Prämisse, dass nicht allein die bisher angedeuteten Vorbehalte weiterhin mitbedacht werden, sondern dass auch der Begriff zunächst biblisch begründet und theologisch definiert werden muss und im Laufe der Untersuchung weiter materiell-theologisch gefüllt und differenziert wird. „Identität“ wird damit zu einem theologischen terminus, der in seiner Verwendung in dieser Untersuchung durchaus von seinem Gebrauch in anderen Disziplinen abweichen kann und abweichen wird.107

2.2

Bekenntnisse in der reformierten Tradition

In seinem Kommentar zu 2 Kor 4:13 beschreibt Calvin einen zum Bekenntnis drängenden christlichen Glauben, und könnte in der Tat mit dieser Beschreibung auch die reformierte Tradition über weite Strecken beschrieben haben: Confessionis mater est fides. […] Tantum enim hoc vult, fideles debere magnanimos esse et intrepidos ad confitendum quod corde crediderunt. Viderint iam nostri pseudonicodemi, quale figmentum loco fidei sibi fabricent, quum fidem intus sepultam manere volunt, et prorsus mutam: hacque sapientia gloriantur, si tota vita nullum rectae confessionis verbum edant.108

Wie oben bereits erwähnt, ist ein charakteristisches Merkmal reformierter Kirchen in Gegenwart und Vergangenheit, und eines, das häufig nicht nur Verwunderung, sondern auch Verwirrung bei ihren ökumenischen Gesprächspartnern auslöst, die Tatsache, dass die reformierten Kirchen von Beginn an eine Vielfalt von Bekenntnisschriften erstellt haben, dass diese Bekenntnisentwicklung auch nach der Reformationszeit keineswegs ein Ende gefunden hat und dass sich zudem die Kirchen der reformierten Tradition nicht auf ein einziges Bekenntnis oder eine Bekenntnissammlung geeinigt haben. Der christliche Glaube in der reformierten Konfession wurde und wird als Mutter des Bekenntnisses verstanden, das immer wieder nicht nur im Herzen geglaubt, sondern auch 107 Vgl. dazu Abschnitt 4.1.1 „Die Selbigkeit Gottes: Biblische Vorüberlegungen und Perspektiven einer theologischen Identitätsdiskussion“. 108 Joannis Calvini in Novi Testamenti epistolas commentarii, Band 1, CR 78/CO 50, 57. (Deutsche Übersetzung, Johannes Calvins Auslegung des Römerbriefes und der beiden Korintherbriefe, 523: „Der Glaube aber ist die Mutter des Bekenntnisses. [Das Bekenntnis des David will Paulus mit den Korinthern nachsprechen;] denn die Gläubigen müssen mutig und unverzagt bekennen, was sie mit dem Herzen glauben. Ein ‚Glaube‘, wie ihn falsche Nachfolger des Nikodemus haben, der im Innern verschlossen und stumm bleibt und es noch für Weisheit hält, während eines ganzen Lebens kein Wort des Bekenntnisses auszusprechen, ist kein Glaube.“)

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ausgesprochen [Röm 10:9],109 niedergeschrieben, überliefert, mitbekannt, nachgesprochen und neugesprochen wurde. Die Identität der reformierten Kirche als Zeugnis- und Bekenntnisgestalt des Evangeliums110 ist daher unmittelbar und essentiell mit Bekennen und Bekenntnis verbunden;111 diesem Zusammenhang, der ja auch den doppelten Fokus der vorliegenden Untersuchung ausmacht, soll im Folgenden nachgegangen werden. Dazu werden in vier Abschnitten die Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition (2.2.1), Kategorien reformierter Bekenntnisse im 20. und 21. Jahrhundert (2.2.2) und schließlich noch die Funktionen reformierter Bekenntnisse (2.2.3) diskutiert und vorgestellt, um dann in einem abschließenden Kapitel den Intrinsischen Zusammenhang von Identität und Bekenntnis (2.3) zu bedenken.

2.2.1 Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition Überblickt man die Geschichte der Bekenntnisentwicklung in der reformierten Tradition, dann lassen sich, vereinfachend zusammengefasst, drei Perioden ausmachen:112 a) Die Quellen (16.–17. Jahrhundert, b) Der Stillstand (18.– 19. Jahrhundert), und schließlich c) Die Wiederbelebung (20.–21. Jahrhundert). Reformierte Kirchen in ihrer historisch gewachsenen Pluralität von Bekenntnissen und Bekenntnisverständnissen lassen sich ohne diese historisch wie theologiegeschichtliche Einordnung kaum adäquat verstehen; jede Analyse und Bestimmung reformierter Identität wird daher dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass die Bekenntnisentwicklung in reformierten Kirchen stets eine ungleichzeitige, sich aus verschiedenen Quellen speisende war, die nicht vorschnell auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist.113 109 Vgl. dazu etwa die Einleitungssätze der Second Scots Confession von 1581: „Ideoque corde credimus, ore profitemur, consignatis chirographis testamur et constanter asserimus.“ (BSRK 263:22f.) 110 Vgl. Schwöbel, Das Wesen des Christentums in der Vielfalt seiner Konfessionen, 84. 111 Gleiches gilt, wenn auch in je unterschiedlicher Weise, selbstredend auch für andere christliche Konfessionen als Zeugnis- und Bekenntnisgestalt des Evangeliums. 112 Für einen Überblick über die Entwicklung der reformierten Bekenntnisse vgl. insbesondere Faulenbach, Einleitung, 1–67; Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 7–17; Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 15–33; BSRK XIII–LXXI; Leith, A Brief History of the Creedal Task: The Role of Creeds in Reformed Churches; Vischer, Neuere reformierte Bekenntnisse. 113 So entpuppt sich bei genauerem Hinsehen die vielfach von reformierter Seite geäußerte Feststellung, dass die reformierten Kirchen immer zu neuem Bekennen bereit waren und sind, als häufig eher romantisierende Wunschvorstellung; die überwiegende Mehrzahl aller reformierten Kirchen weltweit und durch die Geschichte hindurch hat zwar durchaus aktuell bekannt, nicht aber neue Bekenntnisse verfasst, sondern sich auf die vorgefundenen altkirchlichen und reformierten Bekenntnisse, gerade der Reformationszeit, beschränkt.

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Die Quellen (16.–17. Jahrhundert)114 Von Beginn an ist die reformierte Tradition eine Bekenntnistradition gewesen, in dem Sinne, dass Glaubensbekenntnisse eine entscheidende Rolle bei der Definition der Tradition selbst gespielt haben115 – eine Tatsache, die sie etwa, wenn auch in charakteristisch anderer Weise, mit dem Luthertum verbindet und die sie gleichzeitig von anderen „bekenntnislosen“116 protestantischen Traditionen unterscheidet. Von Beginn entwickelte sich die reformierte Tradition dabei nicht allein mit einer Vielzahl unterschiedlicher, partikularer Glaubensbekenntnisse,117 sondern auch mit einem je unterschiedlichen Verständnis des Wesens und der Autorität dieser Glaubensbekenntnisse. Einsetzend mit Zwinglis Thesen von 1523 beginnt im 16. Jahrhundert nachgerade eine Flut reformierter Bekenntnisschriften,118 unterschiedlichste Texte in unterschiedlichsten Formen119 mit zum Teil unterschiedlichen theologischen Schwerpunkten, von größerer und weniger großer Bedeutung und über den ganzen europäischen Kontinent verteilt.120 Fragt man nach den für die reformierte Reformation ihrer eigenen Zeit bedeutsamsten Texten, die auch bis in die Gegenwart hinein eine „für die Ge114 Vgl. dazu Rohls, a. a. O., 14: „Die altreformierte Bekenntnisentwicklung nimmt ihren Ausgang bei Zwingli in den zwanziger Jahren des 16. Jh., und sie endet im letzten Drittel des 17. Jh., zu einem Zeitpunkt, an dem mit der Orthodoxie auch das konfessionelle Bewusstsein verfällt. Als erstes dieser Bekenntnisse gelten die die Zürcher Reformation einleitenden Thesen Zwinglis (1523), während die die orthodoxe Lehre festschreibende Helvetische Konsensusformel (1675) den Schlusspunkt markiert.“ 115 Vgl. auch zum Folgenden Smit, Confessions as Instruments of (Dis)Unity?, 137: „The Reformed tradition has always been a confessional tradition. Creeds and confessions of faith have played a major role in defining the tradition: they have been crucial documents as Reformed churches in their various locales have identified themselves as members of the church catholic and have expressed their understanding of the one gospel for their time and circumstances.“ (Hervorhebungen im Original). 116 Damit sind etwa protestantische Traditionen gemeint, die über kein schriftlich fixiertes und von der jeweiligen Kirche allgemein akzeptiertes Glaubensbekenntnis verfügen, denen aber selbstredend nicht das Bekennen des Glaubens abgesprochen werden soll. Vgl. dazu Rogers, Art. Creeds and Confessions, 92. 117 Goeters, Genesis, Formen und Hauptthemen, 45, hält dazu fest: „Die internationale reformierte Bekenntnisfamilie, als solches alles andere als ein einheitlicher Typos, ist aus den deutschschweizerischen, frankophonen und niederländischen Quellflüssen durch den Consensus Tigurinus von 1549 und seine Rezeption durch die Niederländer in England recht eigentlich erst erwachsen.“ 118 Die BSRK führt für die ersten etwa 150 Jahre 44 Bekenntnistexte auf; die im Auftrag der EKD herausgegebenen Reformierten Bekenntnisschriften führen für den gleichen Zeitraum 86 Bekenntnistexte auf; vgl. Faulenbach, a. a. O., 8–22. 119 Neben Lehrbekenntnissen finden sich gerade auch Konsenserklärungen, Katechismen und Kirchenordnungen; letztere können in reformierten Kirchen auch Bekenntnischarakter tragen. 120 Um nur einige Entstehungsorte reformierter Bekenntnisse zu nennen: Schweiz, Belgien, Niederlande, Schottland, Deutschland, Ungarn, Böhmen, England – viele von ihnen mehrfach mit verschiedenen Bekenntnissen vertreten.

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samtheit der reformierten Lehre und Kirche repräsentative und zum Teil auch überregional bedeutsame Rolle“121 eingenommen haben, dann können sich je nach theologischer Perspektive durchaus unterschiedliche Listen ergeben; eine Vorrangstellung der folgenden Texte aufgrund ihrer theologiegeschichtlichen Bedeutsamkeit erscheint aufgrund ihrer Wirkungsgeschichte jedoch als offensichtlich:122 die Berner Thesen von 1528, die Fidei ratio von 1530, der Genfer Katechismus von 1545, die Confessio Gallicana von 1559, die Confessio Scotica von 1560, die Confession Belgica von 1561,123 der Heidelberger Katechismus von 1563, die Confessio Helvetica Posterior von 1566, die Dordrechter Canones von 1619 und schließlich die Westminster Confession of Faith zusammen mit den beiden Westminster Catechisms von 1647124. Bereits Calvin hatte 1545 in seiner 121 So Plasger/Freudenberg, a. a. O., 16, in ihrem Kommentar zur Auswahl der in ihrem Sammelband herausgegebenen Bekenntnistexte. 122 Damit stimme ich im Groben, bis auf zwei Erweiterungen (Westminster Bekenntnisse und Confessio Belgica) der von Plasger/Freudenberg getroffenen Auswahl zu. 123 Die Confessio Belgica, oft auch Niederländisches Glaubensbekenntnis genannt, hat aufgrund ihrer Annahme zusammen mit dem Heidelberger Katechismus und den Dordrechter Canones durch die Dordrechter Synode 1619 als die sog. „Drei Formeln der Einheit“ (auch: Einigkeit; niederländisch: „De Drie Formulieren van Enigheid“; englisch: „The Three Forms of Unity“) im niederländischen und niederländisch beeinflussten Reformiertentum (z. B. in Südafrika, USA, Indonesien) eine enorme Wirkung erzielt und besitzt diese als nach wie vor gültige Lehrgrundlage auch heute noch weltweit in vielen reformierten Kirchen. So konnte Schaff, Creeds of Christendom, 505, noch im Jahr 1877 bemerken, dass die Confessio Belgica Bekenntnisgrundlage der reformiert-niederländischen Kirche in Amerika sei, „which holds to it even more tenaciously than the mother Church in the Netherlands.“ 124 Während das Westminster Bekenntnis im Protestantismus Englands keine bedeutsame Rolle spielte und z. B. auch in der deutschsprachigen reformierten Theologie fast vollständig ignoriert wurde, wurde es später zur „most influential and, for centuries, the sole confessional authority among most English-speaking Presbyterians“ (Leith, Art. Westminster Confession of Faith, 393) und hat seinen immensen Einfluss im presbyterianischen Protestantismus weltweit auch heute noch nicht verloren. Zur Bedeutung der Westminster Confession vgl. auch Barths Einschätzung und vernichtende Kritik in Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 212f: „Die Westminster-Confession […] ist nicht nur wichtig als Dokument der Durchsetzung des Calvinismus in England, mit gewissen Abänderungen noch heute maßgebend für die sämtlichen sogenannten presbyterianischen Kirchen englischer Zunge diesseits und jenseits des Ozeans, sondern auch als Kodifizierung des siegreichen Calvinismus überhaupt. Wenn man nicht sowohl die ursprüngliche Intention des Reformiertentums kennen lernen will als vielmehr die Form, in der er als Calvinismus den größeren und heute wenn auch nicht geistig, so doch politisch maßgebenden Teil der protestantischen und überhaupt der christlichen Welt erobert hat, dann wird man zu der Westminster-Confession greifen müssen. In diesem Sinn gehört auch sie zu den Stücken, die zu einer einigermaßen zureichenden Kenntnis der reformierten Bekenntnisschriften als unentbehrlich bezeichnet werden müssen. […] Es rechtfertigt sich, wenn wir dieses Schlussbild einer eingehenden Betrachtung unterziehen. Aber dieses Schlussbild ist eine Tragödie. Sie kann uns nur zeigen, wie sich der Calvinismus zu Tode gesiegt hat. Es ist noch nie gut herausgekommen, wenn das Christentum die Welt erobert hat.“ (Hervorhebungen im Original).

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Vorrede zum Genfer Katechismus diese Bekenntnisvielfalt (im Blick auf die verschiedenen Katechismen) thematisiert und sie dabei zwar nicht als wünschenswert, gleichzeitig jedoch als realiter kaum verhinderbar und unter bestimmten Voraussetzungen sogar als akzeptabel verstanden.125 Im Ganzen gesehen scheint man tatsächlich, trotz einiger vornehmlich aufgrund „unterschiedlicher Interessenlagen der beteiligten Kirchen“126 gescheiterter Versuche, zu einem gemeinsamen reformierten Bekenntnis zu kommen,127 davon ausgegangen zu sein, dass Partikularität und Pluralität des Bekenntnisses weder die Kirchengemeinschaft reformierter Kirchen verhindere, noch dass ein gemeinsames Bekenntnis als Glaubensregel für alle Kirchen insgesamt wünschenswert und notwendig sei.128 Die Bekenntnisentwicklung in reformierten Kirchen der ersten etwa 150 Jahre zeitigt daher ein doppeltes Resultat: zum einen eine Vielzahl partikularer Bekenntnisse mit nur begrenzter, auf ihre territoriale oder nationale Entstehung zurückgehender Geltung, und zum anderen eine Reihe reformierter Bekenntnisschriften, die – wie etwa die Confessio Helvetica Posterior und der Heidelberger Katechismus – bereits frühzeitig internationale Anerkennung fanden.129 Neben dieser wechselseitigen Anerkennung von Bekenntnisschriften wurde jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch auf eine zweite, letztlich jedoch gescheiterte Weise versucht, „aus den Divergenzen und besonderen Verhältnissen der gebietsmäßig gebundenen reformierten Bekenntnisse herauszukommen“130, nämlich mit häufig kirchenpolitisch bedingten Versuchen, Hauptlehrstücke reformierter Dogmatik und Ethik in einer Bekenntnisharmonie systematisch zusammenzustellen, um so ihre essentielle 125 Calvin, Studienausgabe Bd. 2, 11: „Es wäre zu wünschen, dass auch alle Kirchen einen gemeinsamen Katechismus besäßen. Weil dies aber aus vielerlei Gründen kaum jemals zustande gekommen ist, kann man nicht allzu heftig dagegen angehen. Allerdings soll die Verschiedenheit in der Lehre nicht weiter gehen, als dass wir durch sie zu dem einen Christus geführt werden und durch seine Wahrheit untereinander verbunden so in einem Leib und Geist verschmelzen, dass wir einhellig miteinander die Hauptpunkte des Glaubens verkündigen.“ 126 Faulenbach, a. a. O., 6. 127 So etwa durch den Pfalzgrafen Johann Casimir 1577 auf einen Konvent reformierter, europäischer Kirchen in Frankfurt; vgl. Rohls, a. a. O., 13. 128 Als Nachtrag zur Confessio Helvetica Prior formulierte Heinrich Bullinger dies besonders eindrücklich: „Diese Artikel […] sind von uns nicht in der Meinung aufgestellt worden, dass sie die einzige und allgemeine christliche Glaubensformulierung und Regel für alle anderen Kirchen sein sollten, oder dass wir jemand mit Worten fangen und zu einer besonderen Redeweise in Sachen des Glaubens zwingen wollten.“ Bullinger, Werke, 182 (zitiert bei Saxer, Bekenntnis, 70). 129 Vgl. Faulenbach, a. a. O., 2f. Vgl. dazu auch die Einschätzung von Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 20f: „Eine gewisse trotzig-selbstverständliche Behauptung der eignen Art verbindet sich hier in eigentümlicher Weise mit einem ebenso selbstverständlich freien Geltenlassen anderer Arten.“ 130 Faulenbach, a. a. O., 6; vgl. dort auch zum Folgenden.

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Übereinstimmung in der Lehre darzulegen.131 Auf die Frage nach der reformierten Identität bezogen, lässt sich für diese erste Phase reformierter Bekenntnisbildung vorläufig festhalten, dass die reformierte Tradition zwar von Beginn an in besonderer Weise eine Bekenntnis-Tradition war, dass aber der Bezug auf ein einziges Bekenntnis, resp. eine Bekenntnissammlung wie im Luthertum etwa das Konkordienbuch, als identitätsstiftendes Grunddokument für Kirchen der reformierten Tradition nicht möglich ist. Gleichzeitig kann jedoch wiederum die Tatsache sowohl der Bekenntnispluralität und –partikularität wie auch der gegenseitig Anerkennung von Bekenntnissen als Ergebnis und Movens reformierter Identität betrachtet werden. Der Stillstand (18.–19. Jahrhundert) Mit der Helvetischen Konsensusformel kam Ende des 17. Jahrhunderts die Bekenntnisentwicklung in reformierten Kirchen, bis auf wenige vernachlässigbare Ausnahmen,132 zu einem relativen Stillstand, der bis zu den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts anhalten sollte – wenngleich weiterhin grundsätzlich die Möglichkeit zu neuen Bekenntnissen in diesen Kirchen bestand.133 Stattdessen begannen reformierte Kirchen sich damit auseinanderzusetzen, wie sie mit ihrer offenen Bekenntnistradition umzugehen hatten. In der Mehrzahl wählten die reformierten Kirchen dabei einen der drei folgenden Wege:134 (1) Sie betrachteten den überlieferten und für ihre jeweilige Kirche geltenden Bekenntniskanon als 131 Hier sind insbesondere die folgenden Harmonien und Bekenntnissammlungen zu nennen, die zum Teil begrenzte kirchliche Autorität erfuhren, jedoch zu keinem Zeitpunkt für eine Mehrheit der reformierten Kirchen Autorität besaßen: Salvard, Harmonia Confessionum Fidei et reformatorum ecclesiarum von 1581 (1586 ins Englische übersetzt: An Harmony of the Confessions of the Faith of the Christian and Reformed Churches), und Laurentius, Corpus et Syntagma Confessionum Fidei von 1612. Vgl. dazu Plasger/Freudenberg, a. a. O., 13f; und besonders auch Faulenbach, Einleitung, 26–31; vgl. a. a. O., 31: „Die Benutzer erhielten durch die genannten Corpora doctrinae formal offene, inhaltlich zugleich dedizierte Bekenntnisorientierung. Obgleich diese Corpora doctrinae für die Gesamtheit reformierter Kirchen keine Verbindlichkeit erlangten, hatte ihre Zusammenstellung dennoch einen kirchlich-ordnungsmäßig-theologischen Sinn: Sie stellten nämlich zusammen, welche Bekenntnisse national oder territorial gültig waren und was ihre innere gemeinsame theologische Grundausrichtung war.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 132 Die von Faulenbach, a. a. O., 22–24, aufgeführten 15 Bekenntnisse des 19. Jahrhunderts unterstreichen allerdings trotz ihrer relativen Unbedeutendheit und rein partikularen Begrenzung, interessanterweise besonders auch in reformierten Kirchen der „Neuen Welt“, die grundsätzliche Offenheit zur Bekenntnisbildung reformierter Kirchen, die auch in den Zeiten eines vorwiegenden „Stillstandes“ in einzelnen Kirchen aktualisiert werden konnte. 133 Vgl. Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 23; vgl. dort auch zum Folgenden. 134 Zur Entwicklung vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. die ausführliche Studie von Reese, Bekenntnis und Bekennen: Vom 19. Jahrhundert zum Kirchenkampf, 19–103: Kap. 1. Kirche, Theologie und Bekenntnis im 19. Jahrhundert, und 104– 139: Kap. 2. Vom 19. zum 20. Jahrhundert. Christentum, Bekenntnisstand und Wort Gottes.

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ausreichende, gültige und verbindliche Wiedergabe des Evangeliums auch für ihre Zeit und für ihren Kontext, die keinerlei Änderung oder Neuformulierung bedurfte.135 (2) In ähnlicher Weise gingen andere reformierte Kirchen, und hier insbesondere die presbyterianischen Kirchen,136 die sich auf die Westminster Standards verpflichtet hatten, davon aus, dass ihre überlieferten Bekenntnis verbindlich und gültig seien, nahmen jedoch vereinzelt Modifikationen am Text vor, die sie als Antwort auf die veränderten Umstände und Fragen ihrer Zeit verstanden.137 (3) Vornehmlich in der Schweiz und in Frankreich, aber auch in anderen reformierten Kirchen, wurden dagegen die Bekenntnisbindung im Laufe der Jahrhunderte nach der Aufklärung sukzessive abgeschafft;138 Bekenntnisverpflichtungen für Pfarrer und Theologieprofessoren wurden aufgehoben;139 man wurde gar „des Bekennen und Bekenntnisses müde und überdrüssig“140. Diese Zeit der „Bekenntnisschwäche“141 lässt sich aber auch als Reaktion auf Versuche verstehen, Bekenntnisse wie ein verpflichtendes Gesetz zu handhaben, das von Kirchengliedern und Pastoren anzuerkennen sei: „An die Stelle der Freiheit zu bekennen trat vielmehr eine Freiheit, es gar nicht mehr zu tun: eine Freiheit vom Bekenntnis.“142

135 Vgl. dazu z. B. die sog. „jungreformierte Bewegung“ und ihre mithilfe der klassisch-reformierten Bekenntnisse zu angestrebte „Wahrung reformierter Belange“; Busch, Die Nähe der Fernen, 592. 136 Aber auch kongregationalistische und baptistische Kirchen, die revidierte Formen der Westminster Standards als ihrer eigenen Bekenntnisse annahmen; vgl. Leith, A Brief History of the Creedal Task, 43. 137 Vgl. dazu BSRK 542,1–6, welche den Text der Westminster Confession „mit den Abweichungen der kongregationalistischen Savoy-Declaration von 1658 und der CumberlandConfession von 1829“ wiedergibt. Zu weiteren Veränderungen des Bekenntnisses im USamerikanischen Kontext vgl. insbesondere Burgess, A Conversation with the Westminster Standards, 52–54, unter der Überschrift „A Continuing Conversation“. 138 Vgl. dazu Vischer, a. a. O., 23: „Die Erinnerung an die Bekenntnistradition ist in diesen Kirchen weitgehend verblasst.“ Vgl. dazu z. B. Campi, Die Bekenntnisfrage in Geschichte und Gegenwart. 139 Vgl. Faulenbach, Einleitung, 6. 140 Busch, Was zeichnet heute die „Reformierten“ aus?, 63. Dort zitiert Busch auch den reformierten Theologen Alexander Schweizer (1808–1888) mit dem folgenden Ausruf: „Unsere Väter haben den Glauben bekannt, und wir haben Mühe, ihr Bekenntnis zu glauben!“ 141 So Barth, Das Bekenntnis der Reformation und unser Bekennen, 24, im Blick auf die Situation der Schweizer Kirchen. 142 Busch, Die Nähe der Fernen, 590. Wenigstens ansatzweise ließe sich diese „Freiheit vom Bekenntnis“ auch positiv deuten, wie Busch, a. a. O., 591, anmerkt: „In der Befreiung vom Bekenntniszwang – im Gegenschlag zu jener gesetzlichen Handhabung des Bekennens – steckt wohl auch ein Hauch der ursprünglichen reformierten Freiheit, in der sie, die Reformatoren, bekannt haben. Allerdings bestand jetzt die Freiheit darin, sich nicht nur jene Mühe zu ersparen, das Bekenntnis der ‚Väter‘ zu glauben; sondern auch darin, darauf zu verzichten, wie sie ‚den Glauben zu bekennen‘“.

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Ab den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts ist jedoch eine weitere, gegenläufige Entwicklung zu beobachten: das Entstehen von vornehmlich auf privater Initiative beruhenden Sammlungen und Übersetzungen reformierter Bekenntnisse,143 die in Zeiten schwindenden konfessionellen Bewusstseins und Kenntnis der reformierten Bekenntnisse144 zur Verbreitung und Bekanntmachung der Texte dienen, aber auch Kirchenunionen fördern sollte.145 Die von E.F.K. Müller 1903 herausgegebene Bekenntnissammlung mit dem Titel Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche bot mit ihren 58 Stücken eine gegenüber ihren Vorgängern besonders umfangreiche Textzusammenstellung und wurde deswegen bis zum Erscheinen der EKD-Ausgabe der reformierten Bekenntnisschriften146 als Standardwerk, nicht nur im deutschsprachigen Bereich,147 angesehen.148 Diese Phase des Stillstandes kann daher nur in dem Sinn als Bekenntnisschwäche verstanden werden, als dass konkretes, aktuelles Bekennen und neue Bekenntnisformulierungen reformierter Kirchen die Ausnahme darstellten; simultan ist daneben allerdings eine stetig vorhandene Beschäftigung, vor allem von Theologen und Kirchengeschichtlern, mit klassischen Bekenntnistexten zu beobachten, die durchaus auch in die reformierten Kirchen und auch in den Reformierten Weltbund hineinwirkten.149 143 Hier sind zu nennen: Augusti, Corpus librorum symbolicorum von 1827; Niemeyer, Collectio confessionum in ecclesiis reformatis publicatarum von 1840 (sein Werk wurde für mehr als ein halbes Jahrhundert zum Standardwerk); Mess, Sammlung symbolischer Bücher der reformierten Kirche von 1828–1846; Beck, Die symbolischen Bücher der evangelisch-reformierten Kirche von 1830; Böckel, Die Bekenntnisschriften der evangelisch-reformierten Kirche von 1847; Ebrard, Salnar’s Harmonia confessionum. Das einhellige Bekenntnis der reformierten Kirche aller Länder von 1887. Für den englischsprachigen Bereich gestaltete sich insbesondere Schaffs Bibliotheca Symboclica Ecclesia Universalis. The Creeds of Christendom, with a history and critical notes von 1877, eine Sammlung von Bekenntnistexten aller christlichen Konfessionen, als besonders einflussreich. Eine englischsprachige Sammlung von (allerdings nur 12) reformierten Bekenntnissen legte zuerst Cochrane, Reformed Confessions of the 16th Century 1966 vor; 2008–2012 folgte eine vierbändige Ausgabe Reformed Confessions of the 16th and 17th Century hg. von Dennison. Zu den Bekenntnissammlungen und Übersetzungen vgl. Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 13–15; Faulenbach, a. a. O., 31–39; Cochrane, a. a. O., 11–31. 144 Vgl. Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 27. 145 Aufschlussreich ist die bei Faulenbach, a. a. O., 32, zitierte Anmerkung Johann Jacob Meß‘, dessen Textauswahl sich „zur Förderung des Unionswerkes an den kirchlich anerkannten Texten [orientierte], die ‚am meisten den Geist des Friedens athmen‘ [sic!].“ 146 Zur kirchengeschichtlich höchst interessanten Vorgeschichte dieser bereits 1928 beschlossenen Edition, deren Bände allerdings erst seit 2002 sukzessive erscheinen, vgl. Faulenbach, a. a. O., , 44–51. 147 Vgl. Cochrane, a. a. O., 14. 148 Vgl. Faulenbach, a. a. O., 39. Müller selber hat durch seine gesamtes Wirken nicht unwesentlich zu einem „Durchbruch der reformierten Theologie in Deutschland“ beigetragen; vgl. Lessing, Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Theologie 2, 99. 149 So wurde bereits 1880 eine Arbeitsgruppe des Reformierten Weltbundes installiert, welche einen „Consensus of the Reformed Confessions“ vorbereiten sollte; dieses Vorhaben

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Das Wiedererwachen (20.–21. Jahrhundert) Anfang der 1930er Jahre sollte sich die oben geschilderte Bekenntnissituation grundlegend ändern, und von Deutschland aus in der weltweiten reformierten Kirchengemeinschaft zu einer vorher noch nicht gesehenen Blüte reformierter Bekenntnisbildung führen – in wenigen Jahrzehnten entstanden mehr reformierte Bekenntnisse als jemals zuvor in einem ähnlichen Zeitraum.150 Auslöser dieser neuen „lebendigen Bekenntnisfreudigkeit“151, dieser „einzigartigen Kreativität“152 war die Barmer Theologische Erklärung von 1934, die als „Initialzündung“153 und Katalysator einen Paradigmenwechsel reformierten Bekennens154 initiierte.155 Lukas Vischer beschreibt diesen Paradigmenwechsel, seine Auswirkungen auf die weltweite reformierte Kirchen und ihre innere Motivation zum erneuten Bekennen entsprechend, wenn er festhält: Die Theologische Erklärung von Barmen hat die neuere Entwicklung in hohem Maße bestimmt. Die Auseinandersetzungen um die Bekennende Kirche in Deutschland haben allen Kirchen die Dringlichkeit aktuellen Bekennens neu ins Bewusstsein gehoben, und es ist darum nicht verwunderlich, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr Kirchen die Aufgabe stellten, das Evangelium in neuen Bekenntnissen zu bezeugen.156

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scheiterte jedoch aufgrund der Unterschiedlichkeit der Mitgliedskirchen in Amerika, Großbritannien und Kontinentaleuropa; vgl. Weinrich, Confessio and Traditio, 550. In den 1920er Jahren kam diese Frage wieder auf die Tagesordnung und Karl Barth hielt seinen berühmten und einflussreichen Vortrag „Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses“, in dem er nachdrücklich ein reformiertes Einheitsbekenntnis ablehnte. 1988 stellte Lukas Vischer im Vorwort zu RZH, V, fest: „Zu keiner Zeit […] sind Bekenntnisse in so großer Zahl verfasst worden wie in den letzten drei Jahrzehnten.“ Die vorliegende Untersuchung geht von mehr als sechzig Bekenntnissen in den letzten 80 Jahren seit der Barmer Theologischen Erklärung aus. Busch, Die Nähe der Fernen, 593. Link, Reformierte Identität, 349. Freudenberg, Reformierte Theologie, 131. Vgl. DeGruchy, Auf dem Weg zu einer reformierten Theologie der Befreiung, 144–147. Zudem schließt die Barmer Theologische Erklärung, wie Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 8, mit Recht anmerkt, den „neuzeitlichen Transformationsprozeß theologischer Gehalte“ ab, indem sie ihm einen „bekenntnismäßigen Ausdruck“ verleiht, während sie „zugleich die Grundlage für die meisten […] neuesten reformierten Bekenntnisse abgibt.“ Vgl. dazu auch Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 24–26 unter der Überschrift „Wie ist es zu diesem neuen Aufbruch gekommen?“. RZH, V. Vgl. dazu auch Van Houten, Art. Reformed and Presbyterian Churches, 536: „New confessions have now emerged in churches in Africa and Asia that do not go back to the European Reformation, and that see themselves threatened as minority churches if they do not give an account of their faith in their own particular cultural and sociopolitical context. As they take up traditional confessional statements and reformulate them, they are doing something that began with the Barmen Declaration of 1934.“ Freudenberg, Reformierte

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In diesem Sinne kann von Barmen tatsächlich als einem „Wendepunkt in der Geschichte der reformierten Kirchen“157 gesprochen werden. Daneben ist jedoch noch auf eine weiteren, wenngleich damit zusammenhängenden katalysatorischen Impuls hinzuweisen: Insbesondere Karl Barths theologischer Einfluss trug nicht allein dazu bei, die Barmer Theologische Erklärung, deren Hauptautor er ja war, in reformierten (und anderen) Kirchen weltweit bekannt zu machen, sondern dazu auch seine Interpretation reformierten Bekenntnisverständnisses zur Grundlage von theologischen wie kirchlichen Überlegungen zu Fragen des Bekennens und Bekenntnisses zu machen.158 Während der nächste Abschnitt sich noch genauer mit den Kategorien reformierter Bekenntnisschriften beschäftigen wird, sei doch bereits an dieser Stelle festgehalten, dass die neue Bekenntnisentwicklung des 20. und auch noch des 21. Jahrhunderts tatsächlich ein weltumspannendes Phänomen darstellt, mit Schwerpunkt auf den Kirchen Nordamerikas, aber auch aus den sog. „jungen Kirchen“ Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Australien;159 von den etwa sechzig neuen Bekenntnistexten stammt nur eine Minderheit aus den „klassischen reformierten Stammländern“160. Zugänglich gemacht hat diese Texte in erster Linie der Schweizer reformierte Theologe und Ökumeniker Lukas Vischer, der 1982 zunächst eine Sammlung von 32 Bekenntniserklärungen und Unionsgrundlagen unter dem Titel Reformed Witness Today. A Collection of Confessions and Statements of Faith Issued by Reformed Churches herausbrachte; 1988 folgte dann die leicht überarbeitete deutsche Ausgabe mit dem Titel Reformiertes Zeugnis heute. Eine Sammlung neuerer Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition, die 33 Bekenntnistexte versammelte, beginnend dem Glaubensbekenntnis der Kirche Christi in Japan von 1953 und endend mit dem Glaubensbekenntnis der Zweiten Cumberland-Presbyterianischen Kirche von 1984. Diese Texte stellen auch das Grundmaterial der vorliegenden Untersuchung dar, erweitert durch einige von Vischer nicht berücksichtigte, bzw. seit dem Erscheinen des Sammelbandes neu

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Theologie, 412, bezeichnet die Barmer Theologische Erklärung als „Modell“ für neue Bekenntnisse weltweit. Vischer, a. a. O., 25. Zu Karl Barths Bekenntnisverständnis vgl. grundlegend Plasger, Relative Autorität; Plasger schreibt dort, a. a. O., 3: „es geht wohl nicht zu weit, festzustellen, dass zumindest im reformierten Bereich die Wirkungsgeschichte von Barths Lehre vom Bekenntnis kaum zu überschätzen ist.“ Aus südafrikanischer Perspektive schreibt Naudé, Confessing the One Faith, 36, Anm. 11: „Karl Barth has been very influential in shaping the notion of confessions.“ Vgl. Busch, Die Nähe der Fernen, 594f, und Busch, Reformiert. Profil einer Konfession, 33f. Busch, Die Nähe der Fernen, 595. Zum weltweiten Phänomen des Bekennens im 20. Jahrhundert, auch über die reformierte Tradition hinaus, vgl. die Studie „Bekennen und Bekenntnis“ von Hans-Georg Link.

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hinzugekommene Texte.161 Einige dieser neuen Texte nahm ein französischsprachiger Sammelband reformierter Bekenntnistexte auf, den u. a. der Schweizer Theologe Henry Mottu162 im Jahr 2000 mitherausgab;163 2015 versammelte der deutsche reformierte Theologe Marco Hofheinz zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen, Raphaela J. Meyer zu Hörste-Bührer und Frederike van Oorschot, neunzehn mit Einleitungen versehene reformierte Bekenntnistexte aus aller Welt;164 ein weiterer Beleg für ein anhaltendes Interesse an diesen neuen Bekenntnisdokumenten aus der weltweiten reformierten Tradition.165 Diese spezifische Bekenntnisentwicklung in der weltweiten reformierten Tradition des 20. und 21. Jahrhunderts und ihre breite Rezeption in Theologie und Kirche bieten den unmittelbaren Impuls für die vorliegende Untersuchung in zweierlei Hinsicht: Zum einen hat sich durch diese neuen Bekenntnisse, gerade auch aus den nicht-europäischen Ländern, die Intensität und Qualität von Beziehung und Gemeinschaft in der reformierten Weltfamilie geändert: „Mit ihren Bekenntnissen sind uns mitteleuropäischen Reformierten die Reformierten der weiteren Ökumene in einer neuen Weise nahegekommen. Wir können nun definitiv nicht mehr umhin, die uneingeschränkte Gemeinschaft mit ihnen zu erkennen.“166 Diese „neue Nähe der Fernen“167 führt auf der einen Seite dazu, dass die Suche nach reformierter Identität auch in den sog. reformierten Stammländern unter Ausschluss der Mehrheit gegenwärtigen Reformiertentums mit Bezug allein auf die klassischen Bekenntnistexte oder Theologen legitim nicht mehr vorgenommen werden kann; reformierte Theologie und Identität sind schon lange nicht mehr nur auf Zwingli, Calvin, Barth und andere Mitteleuropäer der Vergangenheit bezogen zu entwickeln, sie sind auch nicht mit der Barmer Theologischen Erklärung abgeschlossen168, sondern leben und entwickeln sich weltweit an vielen Orten, einen Ausdruck in den neuen Bekenntnis161 Die Bekenntnistexte, die für die vorliegende Untersuchung bearbeitet wurden, werden im Anhang mit Quellenangabe aufgelistet. 162 Mottu war selber maßgeblich an der Abfassung des Bekenntnisses „La Déclaration de Foi“ der Genfer Nationalkirche von 1992 beteiligt; vgl. Krieg, Werkbuch, 155. 163 Mottu (Hg.), Confessions de foi réformées contemporaines. 164 Hofheinz/Meyer zu Hörste-Bührer/van Oorschot (Hg.), Reformiertes Bekennen heute. Bekenntnistexte der Gegenwart von Belhar bis Kappel. 165 Für den Kontext des Schweizer Evangelischen Kirchenbundes stellte Matthias Krieg im Jahr 2009 ein Werkbuch Reformierter Bekenntnisse zusammen, das neben frühkirchlichen Bekenntnissen und solchen aus der reformierten Reformation auch sechs moderne Bekenntnisse enthält. 166 Busch, a. a. O., 594 (Hervorhebung im Original). 167 Ebd. 168 Wie manche Werke reformierter Theologen und Theologinnen im europäischen Kontext nahezulegen scheinen. Anders allerdings der von Hofheinz/Zeindler herausgegebene Sammelband „Reformierte Theologie weltweit. Zwölf Profile aus dem 20. Jahrhunderts“, der bewusst das pluriforme Spektrum reformierter Theologie(n) abzubilden anstrebt.

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texten des 20. und 21. Jahrhunderts findend. Gleichzeitig stellt sich damit erneut und mit neuer Dringlichkeit auch die Frage nach dem, was diese weltweite Familie nun miteinander verbindet und tatsächlich als reformierte ausweist.169 In seinen Überlegungen zur Bedeutung dieser Bekenntnisentwicklung merkt Lukas Vischer entsprechend an: Die Frage nach der Identität der reformierten Tradition stellt sich damit auf neue Weise. Indem die reformierten Kirchen ihren Glauben in neuen Bekenntnissen zum Ausdruck bringen, machen sie unmissverständlich deutlich, dass sich ihre Identität letztlich einzig aus dem Vollzug der Verkündigung ergeben kann. […] Die gemeinsame Reflexion gehört zu den dringendsten Aufgaben, denen sich die reformierte Familie zu stellen hat.170

Die neue Bekenntnisfreudigkeit reformierter Kirchen erweist sich somit in dreifacher Hinsicht für die Suche nach und Bestimmung einer reformierten Identität bedeutsam: sie ist ihr Anlass, ihr Gegenstand und ihre Herausforderung.171 Drei weitere Entwicklungen in Bezug auf reformierte Bekenntnisse und ihre Bedeutsamkeit im 20. und 21. Jahrhundert müssen noch kurz skizziert werden, um das Gesamtbild dieser Periode abzurunden: Nicht nur die neuen reformierten Bekenntnisse, auch die klassischen spielten und spielen eine Rolle in reformierter Theologie, ersichtlich u. a. in weiteren Editionen reformierter Bekenntnistexte,172 und verschiedenen Versuchen, eine „Theologie reformierter Bekenntnisschriften“173 zu entwickeln. Eine zweite bedeutsame Entwicklung 169 Busch, a. a. O., 596: „Können wir anhand der formulierten Bekenntnisse die Verbundenheit und Geschwisterschaft der weltweiten Familie reformierter Kirchen erst recht erkennen, so stellt sich freilich die Frage, was denn diese Familie verbindet, und zwar so verbindet, dass sie sich dadurch eben als eine reformierte auszeichnet.“ (Hervorhebung im Original). 170 Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 28. Vgl. dazu auch Heideman, Old Confessions and New Testimony, 10, der u. a. in den neueren Bekenntnistexten einen „crucial shift in tone and theology“ ausmacht, und daher feststellt: „The whole Reformed tradition is faced with the fact that its confessional tradition is being encountered at fundamental levels by its new confessions.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 171 Vgl. Vischer, a. a. O., 28: „Die neuen Bekenntnisse, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, sind sowohl Geschenk als auch eine Herausforderung. Sie müssen sich selbst darüber Rechenschaft ablegen, wohin sie geführt worden, und inwiefern sich ihre Identität dadurch zu Recht oder zu Unrecht verändert hat.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). 172 Hier sind zu nennen: Niesel, Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche von 1938, Jacobs, Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen in deutscher Übersetzung von 1949, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften. Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart von 2005, die im Auftrag der EKD herausgegebene Reihe Reformierte Bekenntnisschriften seit 2002. Zu Niesel und Jacobs vgl. Faulenbach, a. a. O., 40–42. 173 Hier sind zu nennen: Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften von 1923, Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften in Grundzügen von 1959, sowie Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften. Von Zürich bis Barmen von 1987.

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durchzieht die letzten Jahrzehnte in reformierten Kirchen weltweit in Bezug auf die Diskussion um das südafrikanische Belhar-Bekenntnis, das durch eine Reihe von reformierten Kirchen als ihr eigenes Bekenntnis angenommen wurde und ein neues Besinnen auf aktuelles Bekennen im gegenwärtigen Kontext und in der ökumenischen Gemeinschaft ausgelöst hat. Und nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch der vom Reformierten Weltbund 1997 ausgerufene processus confessionis mit der daraus entstandenen Erklärung von Accra von 2004 zu nennen, welche zwar, wie bereits geschildert, im strengen Sinne kein Glaubensbekenntnis darstellt, sich jedoch als „Glaubensverpflichtung“ als ein Akt des Bekennens versteht und in reformierten Kirchen weltweit im Laufe des letzten Jahrzehnts in unterschiedlichster Weise rezipiert wurde. Angesichts dieses kurzen, notwendigerweise nur skizzenhaften Überblicks lässt sich die eingangs getroffene Feststellung wiederholen und präzisieren: von Beginn an und bis in die Gegenwart hinein ist die reformierte Tradition in einem besonderen Sinne – und durchaus auch im Unterschied zu anderen christlichen Traditionen174 – immer auch Bekenntnistradition gewesen, dem Wortsinne nach eine konfessionelle Tradition, die sich als zur Zeugenschaft berufene Gemeinschaft versteht, und daraus ihre Identität hinterfragt, entwickelt und benennt.175 Die besondere Herausforderung, vor der die globale Gemeinschaft reformierter Kirchen der Gegenwart steht, ist die Frage danach, ob und wie sich aus dieser durchaus divergenten Fülle neuerer Bekenntnistexte ein neuer Blick auf eine gemeinsame Berufung und Identität ergibt.176

174 Vgl. dazu den Vortrag von Raiser, Bekennen und Bekenntnis heute; Raiser hält dort fest, dass neuere christliche Glaubensbekenntnisse sich „sehr stark konzentrieren in zwei kirchlichen Traditionen, nämlich einerseits der reformiert-presbyterianischen und andererseits der römisch-katholischen. Es finden sich vergleichsweise sehr viel weniger oder gar keine Beispiele aus anglikanischer, lutherischer, methodistischer, baptistischer Tradition.“ (A. a. O., 127) Bei den neuen Bekenntnistexten aus der römisch-katholischen Tradition handelt es sich vor allem um neuere gottesdienstliche Bekenntnisse seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Vgl. dazu auch die vom ÖRK 1980–1985 herausgegebene Reihe „Confessing our Faith Around the World“. 175 Vgl. dazu z. B. Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein. Ein Aufruf zur Selbstbesinnung an die Kirchen des Reformierten Weltbundes. 176 So forderte schon 1982 eine Arbeitsgruppe des Reformierten Weltbundes nachdrücklich ein: „The new voices need to be fully heard by all Reformed Churches. […] Each statement, as it seeks to express the Gospel in a particular situation of today’s world, has significance for all churches. […] The fact that so many churches in different parts of the world have articulated their faith in new statements, may provide the opportunity to understand in a fresh way and more clearly the common calling of Reformed Churches in today’s world.“ (WARC, Confessions and Confessing, 20. Hervorhebungen: M. E.-H.).

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2.2.2 Kategorien reformierter Bekenntnisse im 20. und 21. Jahrhundert Auch wenn sich die reformierten Bekenntnisse, die seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden sind, nicht nur in ihren kontextuellen Erkenntnis- und Bekenntniszusammenhängen, sondern auch in Form, Inhalt und Intention voneinander deutlich unterscheiden und in der Tat ein pluriformes Spektrum reformierten Bekennens abbilden,177 so lassen sie sich doch, vereinfachend dargestellt, in vier Kategorien einordnen – wobei die Grenzen selbstverständlich fließend sind und es durchaus zu Überschneidungen kommen kann.178 Die folgenden vier Kategorien oder Typen reformierten Bekennens lassen sich unterscheiden, dabei wird als Typologiekriterium besonders auf Intention und Entstehungskontext der Bekenntnisse zu achten sein: a) Bekenntnisse als Summa Doctrinae, b) Bekenntnisse in statu confessionis, c) Bekenntnisse als Visitenkarte, d) Bekenntnisse aus Kirchenunionen.

Bekenntnisse als Summa Doctrinae Bekenntnisse in dieser Kategorie streben an, die Hauptpunkte christlichen Glaubens für ihren Kontext und ihre Zeit zusammenfassend wiederzugeben, und ähneln darin dem klassischen Typus des Lehrbekenntnisses, ohne sich allerdings zwingenderweise als negativ-abgrenzend zu erweisen, wie es klassische Lehrbekenntnisse häufig getan haben.179 Nur zum Teil richten sie sich an den traditionellen Lehrstücken aus; häufig werden auch neuere Dispositionen bevorzugt, in denen Aspekte biblischen Zeugnisses zum Tragen kommen können, die so in der klassischen Bekenntnistradition keine zentrale Stellung eingenommen haben.180 177 Vgl. dazu Ernst, We Believe the One Holy and Catholic Church… Reformed Identity and the Unity of the Church. Vgl. dazu auch Rüegger, Neuere reformierte Bekenntnisse, 313f, der von einer „nach Inhalt, Form und Intention […] verwirrende Fülle von Gesichtspunkten und Akzenten“ spricht. 178 Auch andere Kriterien für eine Typologie wären denkbar; so könnte etwa auch nach Bekenntnissituation, geographischer Kontext, Motiv oder auch Form des Bekenntnisses unterschieden werden. Für weitere Typisierungen neuerer reformierter Bekenntnisse, vgl. Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 26f, der drei „Typen“ ausmacht (zusammenfassende Darstellung des Glaubens, Dokumente aus Unionsverhandlungen, Situationsbekenntnisse); Raiser, a. a. O., 127–132, der fünf „Hauptgruppen“ beschreibt (gottesdienstliches Bekenntnis, Lehrbekenntnis, Konfliktbekenntnis, persönliches Bekenntnis, Bekenntnisse auf ökumenischem Hintergrund); sowie Rüegger, a. a. O., 313–320, der vier, bzw. fünf Hauptmotive ausmacht (Unionsbestrebungen, situative Orientierungsbekenntnisse, Kampf gegen ideologische Gefährdung, Schuldbekenntnisse, liturgischdoxologisches Motiv). Vgl. auch Link, Bekennen und Bekenntnis, 21–23, und Mottu, Confesser sa foi aujourd’hui. 179 Vgl. Link, a. a. O., 22. 180 Vgl. Raiser, a. a. O., 129.

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Dieser Typus findet sich vor allem in den Bekenntnissen Nordamerikas und Großbritanniens,181 aber besonders auch in jenen aus der Mission erwachsenen Kirchen, die, inzwischen selbständig geworden, ein eigenes Glaubensbekenntnis in der Herausforderung ihrer jeweiligen Situation verfassen, um es den „importierten“ Bekenntnissen der reformierten Tradition hinzuzufügen oder diese abzulösen.182 Zu diesen Lehrbekenntnissen zählen zudem auch verschiedene Katechismen, welche, nachdem sie als Bekenntnistypus schon fast aus dem Bewusstsein reformierter Kirchen verschwunden zu sein schienen, in den letzten Jahren als Instrument von Lehre und Bekenntnis wiederentdeckt wurden.183 Bekenntnisse in statu confessionis184 Mit ihrem Modell, der Barmer Theologischen Erklärung, haben diese Bekenntnisse gemeinsam, dass sie in einer ganz konkreten „Krisen“-Situation auf die Herausforderung der Kirche reagieren, und dementsprechend häufig ein Thema zentral in den Mittelpunkt ihres Bekenntnisses stellen. Diese Bekenntnisse suchen in ihrer Situation „Klarheit über das Wesentliche des Evangeliums zu schaffen“185, dabei ist eine gewisse Fokussierung auf ganz bestimmte Fragestel181 Hier sind vor allem die folgenden Bekenntnisse zu nennen: Das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche, Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, Glaubensbekenntnis (1984) der Zweiten Cumberland-Presbyterianischen Kirche, Lebendiger Glaube. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, A Song of Faith of the United Church of Canada (2006), Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der presbyterianischen Kirche von England; Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales; und schließlich die Coleraine Declaration (1990) der Presbyterian Church in Ireland. 182 Diesem Typus gehören die folgenden Bekenntnisse an: Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche und Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche (beide Indonesien), Neues Bekenntnis (1972) der presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, Glaubensbekenntnis (1977) der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba. 183 Eine Vorreiterrolle nehmen hier der Study Catechism und Belonging to God: A First Catechism der Presbyterian Church (USA) ein, die 1998 von der General Assembly angenommen wurden, jedoch keinen Bekenntnisstatus erhalten haben und nicht in das Book of Confessions aufgenommen wurden. Zur Motivation einen neuen Katechismus zu verfassen vgl. Osmer, The Case for Catechism. Weitere Katechismen sind A Catechism for Today (2004) der Presbyterian Church Kanadas und besonders interessant auch der katechetische Anhang zum Heidelberger Katechismus, den die Christliche Kirche aus Nordmitteljava (GKJTU) im Jahr 2008 unter dem Titel „Die Lehre der GKJTU zu Fragen der Kultur, des religiösen Pluralismus und der Vielfalt der Kirchen, der Politik, der Wirtschaft, sowie der Wissenschaft und Technologie“ angenommen hat. 184 Im eigentlichen Wortsinne entsteht jedes Bekenntnis selbstredend aufgrund eines status confessionis; mit dem Gebrauch dieses Ausdruckes wird hier nur die starke situative Verortung des Bekenntnisses auf eine ganz konkrete Krisensituation angesprochen. 185 Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 27.

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lungen und Glaubensaussagen häufig zu beobachten – und durchaus auch so gewollt. Von entscheidender Bedeutung für Bekenntnisse dieser Kategorie ist, dass sie ihr Bekenntnis als grundsätzlich wesensverschieden etwa von kirchlichen Stellungnahmen und Verlautbarungen verstehen;186 sie sehen in gesellschaftlichen, politischen, sozialen usw. Herausforderungen der Kirche ihr Bekenntnis zu dem einen Herrn von Welt und Kirche aktuell gefährdet. Mit ihrem Bekenntnis ruft daher die Kirche sich selbst in prophetischer Weise auf, die eigene Schuld einzugestehen und sich neu allein auf Gott zu orientieren und zu verlassen, und legt gleichzeitig vor der Welt und der ganzen Kirche Zeugnis von ihrem Bekenntnis zu Gott ab,187 in der Hoffnung „auf Rezeption und Zustimmung über die akute Situation hinaus“188. Am eindrucksvollsten und am einflussreichsten geschah dies, nach der Barmer Theologischen Erklärung, im letzten Jahrhundert durch die südafrikanische Belhar-Confession von 1982/86, die inzwischen weltweit in einer Anzahl reformierter Kirchen anerkannt, bzw. als eigenes Bekenntnis aufgenommen wurde. Die dogmatischen Anliegen dieser in statu confessionis Bekenntnisse können dabei durchaus variieren und reichen von der Einheit der Kirche (etwa in Südafrika), über Fragen der Solidarität in Unterdrückungssituation bis hin zu Schuldbekenntnissen; immer in dem Verständnis, dass es „zum missionarischen Auftrag der Kirche gehört, sich für die Wahrheit, für Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen“ und „angesichts von Unterdrückung und Unrecht nicht zu schweigen“189. Gerade diese Bekenntnisse haben sowohl in ihrem Ursprungskontext als auch in der weiteren christlichen Gemeinschaft häufig die meiste, zustimmende wie ablehnende, Aufmerksamkeit erhalten, und tatsächlich auch in einigen Fällen zu Verfolgung und Martyrium einzelner Christen und Christinnen geführt. Neben der südafrikanischen Situation190 haben insbesondere reformierte Kirchen Asiens in einer Vielfalt von Formen sich zu einem 186 Vischer, ebd.: „Diese Texte sind insofern mehr als bloße Stellungnahmen zu bestimmten Fragen, als sie den Rang eines Bekenntnisses in Anspruch nehmen. So wie die Bekenntnisse der Alten Kirche beginnen sie mit den feierlichen Worten ‚wir glauben‘. Sie sind von der Absicht geleitet, das Bekenntnis der christlichen Kirche auf eine bestimmte Situation hin zu interpretieren.“ 187 So ist es mindestens missverständlich, wenn Rüegger, a. a. O., 317, schreibt, diese Bekenntnisse, die er als Kampf gegen ideologische Gefährdungen beschreibt, seien zu verstehen als Nötigung der Kirche „zu politischen Vorgängen in der Gesellschaft warnend Stellung zu nehmen“. Die erste Adressatin auch dieser in statu confessionis Bekenntnisse bleibt die Kirche selbst. 188 Raiser, a. a. O., 131. 189 Rüegger, a. a. O., 317. 190 Neben dem Belhar-Bekenntnis gehören in diese Kategorie auch die bei Vischer, RZH, 3–12, aufgeführten Dokumente dazu: die Theologische Erklärung von 1979 des Broederkring der Niederländisch-Reformierten Kirche, das Liturgische Bekenntnis und der Entwurf eines Glaubensbekenntnisses, beide von 1983 des Bundes Schwarzer Reformierter Christen in Südafrika.

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aktuellen Bekennen in dieser Form entschieden,191 aber auch im europäischen Kontext lassen sich auch nach der Barmer Theologischen Erklärung ähnlich fokussierte Texte finden.192 Bekenntnisse als Visitenkarte193 Angesichts der mannigfaltigen und häufig als Bedrohung empfundenen Wandlungen und Verunsicherungen der Gegenwart, in Kirche wie Gesellschaft, entschieden sich reformierte Kirchen, besonders in den westlichen Ländern,194 neue, kurze Bekenntnisse zu verfassen, die als „Orientierung in den Komplexitäten einer gewandelten Situation“195 dienen sollten. Neben den Herausforderungen, denen sich die Kirche von außen gegenüber sieht, kommen häufig auch innere „Orientierungskrisen“ dazu, nicht zuletzt auch durch Traditionsabbrüche im konfessionellen wie allgemein-christlichen Bereich, die gar zu einem „Verstummen der Glaubenssprache“196 führen können.197 Gerade im Umfeld dieses Bekenntnistypus kommen die Fragen nicht nur nach einer „christlichen Identität“, sondern besonders auch nach einer „reformierten Identität“ zentral zur Sprache;198 das neue Bekenntnis wird explizit und primär unter der Aufgabe der 191 Hier wären die folgenden Bekenntnisse zu nennen: das Bekenntnis über die Verantwortung im Zweiten Weltkrieg von 1967 der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), die Erklärung koreanischer Christen von 1973 und Unser Glaubensbekenntnis von 1976 beide aus der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea; die Öffentliche Erklärung über unser nationales Schicksal von 1971, Unser Appell von 1975 und Eine Menschenrechtserklärung von 1977 der Presbyterianischen Kirche in Taiwan. 192 So etwa die Peace Vocation von 1994 der Presbyterianischen Kirche von Irland; aus dem europäischen Kontext wären weiter noch die Thesen von Pomeyrol der französischen Reformierten Kirche von 1941 zu nennen. Auch das bereits erwähnt Glaubensbekenntnis der Presbyterianisch-Reformierten Kirche Kubas ließe sich in gewisser Weise hier einordnen, da es sich auf die Darstellung des Glaubens „in aktiver Teilhabe am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft“ fokussiert; vgl. RZH, 111 (ein Indiz dafür, dass die Aufteilung in Kategorien oder Typen unter Umständen dem mehrdeutigen Charakter eines Bekenntnisses nicht gerecht werden kann). 193 Diese Bezeichnung entstand im Umkreis der Diskussion und Verabschiedung der Déclaration de Foi der Genfer Nationalkirche von 1992; vgl. Grandjean, Enfin un seule „carte des visite“. 194 Vgl. dazu die Analyse von Rüegger, a. a. O., 315. 195 Ebd. 196 Wüthrich, Bekenntnisbildung, 51. 197 Als Beispiel mag dafür das Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA) von 1991 dienen, dessen Entstehungsprozess zu den für reformierte Bekenntnisschriften am besten dokumentierten gehört. Vgl. dazu Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 12f. Einer der Autoren des Bekenntnisses (Stotts, A Brief Statement of Faith, 31) erinnert sich: „We could not make the assumption of a general knowledge of the tradition. We had to state the basics of a Christian, Protestant, and Reformed creed in contemporary terms.“ 198 Vgl. Rogers, a. a. O., 31: „I remember only one issue on which all twenty-one of us could agree. That was: the Presbyterian Church (U.S.A.), at this moment in its history, lacks a clear

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Identitätsbildung verstanden199 und soll in kontemporärer Sprache und kurz gefasster Form sowohl auf die Frage der Gemeindeglieder „Was glauben wir eigentlich?“ als auch auf die von außen gestellte Frage „Was glaubt ihr eigentlich?“200 antworten. Die Visitenkarte der Glaubensgemeinschaft „gibt zu erkennen, wes Geistes Kind sie ist“201, und in diesem Sinne wird das Bekenntnis als „identity document“202, als Identitätsausweis verstanden und verwandt, sowohl für katechetische Zwecke als auch für interkonfessionelle und interreligiöse Dialoge. Darüber hinaus ist jedoch ein weiteres Merkmal für die Texte dieser Bekenntniskategorie typisch, dass allerdings mit der Bezeichnung „Visitenkarte“ nicht konnotiert wird: diese kurzen Texte haben häufig einen dezidiert doxologischen, trinitarischen und an den altkirchlichen Symbolen orientierten Charakter und Sprachgebrauch, und sind für den liturgischen Gebrauch im Gottesdienst vorgesehen,203 verbinden gleichzeitig jedoch den Lobpreis Gottes auch mit dem Aufruf an die Gemeinde, ihren Glauben in Kirche und Welt zu leben.204 Neben Bekenntnissen dieser Art aus westlichen reformierten Kirchen205 haben

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sense of identity. Once it became clear that the central task was identity formation, then the form of the committee’s work was determined.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch die Einleitung zum benannten Bekenntnis in A Book of Confessions der Presbyterian Church (USA), 264: „While recognizing realities of diversity and disagreement in both the church and the world, members of the drafting committee sought to articulate Presbyterians’ common identity.“ Vgl. ebd.: „Creating identity is the task for a creed. […] A creed is meant to be used regularly in the worship of the believing community. It provides common language and concepts which bind people together.“ Vgl. außerdem Boder in seiner Einleitung zur Déclaration de Foi der Genfer Nationalkirche, Krieg, Werkbuch, 156: Die Déclaration „sollte die Notwendigkeit eines identitätsstiftenden Textes bei den Kirchenmitgliedern wachsen lassen, weniger um sich abzugrenzen, als vielmehr, um eine Position in der Gesellschaft zu markieren.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.) Für das Brief Statement of Faith vgl. dazu die Aufsätze im von Jack Stotts und Jane Dempsey Douglas herausgegebenen Sammelband „To Confess the Faith Today“. Krieg, Werkbuch, 8. Vgl. Stroup, Reformed Identity, 159f: „By means of its confessions the church declares to its members and to the world ‚Who and what it is, what it believes, what it resolves to do.‘ In other words, the church declares that its confessions […] are the church’s identity documents.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. z. B. den Entstehungshintergrund der Erklärung des Glaubens (1959) der Vereinigten Kirche Christi in den USA in RZH, 155; sowie Shinn/Williams, We Believe, 121f. Vgl. Raiser, Bekennen und Bekenntnis heute, 128. Zu diesem Bekenntnistyp gehören: Ein Glaubensbekenntnis (1968/80) der Vereinigten Kirche von Kanada; Erklärung des Glaubens von 1959 der Vereinigten Kirche Christi in den USA; das Glaubensbekenntnis von 1967 der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales; Unser Lied der Hoffnung von 1974 der Reformierten Kirche in Amerika; das Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA); Ein Glaubensbekenntnis von 1986 der Schweizer Evangelischen Synode; La Déclaration de Foi von 1992 der Genfer Nationalkirche; das Mission Statement von 1992 der Presbyterian Church in Ireland.

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auch einige aus Mission und Migration erwachsene Kirchen diese Form für ihr aktuelles Bekennen im jeweiligen Kontext gewählt.206

Bekenntnisse aus Kirchenunionen Diese Kategorie umfasst einen erstaunlichen großen Teil207 neuerer Bekenntnisschriften aus der reformierten Tradition, wobei mit Blick auf inter-konfessionelle Kirchenunionen mit Lukas Vischer festzuhalten ist, dass „in dem Maße, als reformierte Kirchen an dieser Verständigung beteiligt waren […] die Bekenntnisse als ‚reformiert‘ anzusehen sind.“208 Sei es bei innerreformierten Zusammenschlüssen209 oder bei Zusammenschlüssen mit protestantischen Kirchen anderer Konfession,210 gerade im Prozess der Union wird vielfach die Frage aufgeworfen, auf welcher Bekenntnisgrundlage die neue Kirche und ihre Verkündigung stehen soll: „Reformierte Kirchen, die sich mit Kirchen anderer konfessioneller Herkunft vereinigt haben […] wurden mit der Frage des Bekenntnisses ja auf besondere Weise konfrontiert. Denn eine Vereinigung konnte ja nur möglich werden, wenn es gelang, den Glauben gemeinsam auszusagen“.211 Die Kirchen mussten sich darüber einig werden, wie „das Evangelium gemeinsam ausgesagt werden konnte.“212 Während einige Kirchen sich dabei auf bereits vorhandene Bekenntnistexte der Tradition beziehen, treten andere Kirchen vor 206 Hier wären die folgenden Bekenntnisse zu nennen: Glaubensbekenntnis von 1953 der Kirche Christi in Japan; das Bekenntnis Ich glauben an den einen Gott – Quelle und Zukunft des Lebens von 1983 der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche in Chile; das Bekenntnis Je crois à la miséricorde de Dieu von 1984 der Protestantisch-Evangelischen Kirche von Dschibuti; das Glaubensbekenntnis von 1985 der Presbyterianischen Kirche in Taiwan; das Bekenntnis der Hoffnung von 1997 der Evangelischen Waldenserkirche am La Plata, das Bekenntnis Jésus est le seul…“ von 1997 der Evangelischen Kirche in Kamerun; die Confession de Foi von 1997 der Evangelischen Kirche der Maòhi (vormals Französisch-Polynesien); Glaubensbekenntnis und Evangelisationsbekenntnis der GRI von 1986/89 bzw. 1991; Glaubensbekenntnis der GMIT von 2007. 207 Grob gerechnet etwa ein Viertel der Texte. 208 Vischer Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 26. Vischer fährt fort: „Denn eine reformierte Kirche hört ja nicht in dem Augenblick auf, reformiert zu sein, in dem sie sich mit Kirchen anderer Traditionen vereinigt. Der Schritt in die Einheit ist vielmehr ein Schritt in der eigenen Tradition.“ 209 Die allerdings eher selten vorkommen; ein Beispiel dafür bietet die jetzige Presbyterian Church (USA), die sich 1983 aus zwei getrennten presbyterianischen Kirche vereinigte, der United Presbyterian Church in den U.S.A. und der Presbyterian Church in the U.S., und aus diesem Anlass das Bekenntnis Brief Statement of Faith erstellte. In diesem Sinne ließe sich das genannte Bekenntnis, das oben als Beispiel für ein Visitenkarten-Bekenntnis aufgeführt wurde, auch als Unionsdokument verstehen. 210 Und hier in der Hauptsache methodistische Kirchen, aber auch anglikanische, kongregationalistische und mennonitische Kirchen. 211 Vgl. dazu RZH, VI. 212 Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 26.

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oder auch nach der Vereinigung in eine Phase der gemeinsamen Bekenntnisreflektion und –produktion ein. Auch in dieser Bekenntniskategorie stellt sich also die Frage nach der „Identität“ der neuen Kirche und ihrem Verhältnis zum verfassten Bekenntnis unmittelbar, insbesondere auch weil in unterschiedlichen reformierten oder protestantischen Tradition eine unterschiedliche Bekenntnisgrundlage und/oder ein unterschiedliches Bekenntnisverständnis herrschen können. Die Frage nach der „Identität“ der neuen Kirche kann und wurde dann unter Umständen mit einem neuen Bekenntnis oder mit einem bekenntnisartigen Abschnitt in den Unionsdokumenten beantwortet. Dieser Typus reformierten Bekennens findet sich sowohl in den aus Mission und Migration entstandenen Kirchen,213 als auch in Kirchen aus klassisch-reformierten Traditionen.214 Diese sich teilweise überschneidenden, teilweise ergänzenden Typen reformierter Bekenntnisse im 20. und 21. Jahrhundert weisen bereits in dieser Übersicht auf ein Faktum hin, das später noch zu einem Fokus der Untersuchung und Interpretation reformierter Bekenntnisse werden wird: die je spezifische, kontextuelle Herausforderung reformierter Kirchen kann ein spezifisches, kontextuelles Bekenntnis hervorbringen, das sich dann allerdings aufgrund von Form, Intention, Adressaten und nicht zuletzt auch Inhalt miteinander ins Gespräch bringen und auf Aspekte einer gemeinsamen reformierten Identität hin untersuchen lässt. Um diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede reformierter Bekenntnisse genauer zu analysieren, soll zunächst in einem weiteren Abschnitt kurz auf die verschiedenen Funktionen (reformierter) Glaubensbekenntnisse eingegangen werden.

213 Siehe dazu die Unionsgrundlage von 1941 der Kirche von Südindien; das Glaubensbekenntnis von 1954 der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan); die Glaubenserklärung von 1958 der Kirche Jesu Christi in Madagaskar; die Kirchenverfassung von 1965 der Vereinigten Kirche von Sambia; die Kirchenverfassung von 1965 der Kirche von Nordindien; die Unionsgrundlage von 1971 der sich vereinigenden Kirche in Australien; den Plan for Union von 1971 der Joint Communion on Church in New Zealand; das Scheme of Church Union in Ceylon von 1963 des Negotiating Committee for Church Union in Sri Lanka; die Basis of Union von 1965 des Ghana Church Union Committee. 214 So in der Kirchenverfassung von 1978 der Vereinigten Protestantischen Kirche von Belgien; der Unionsgrundlage und der Erklärung über Wesen, Glaube und Kirchenverfassung, beide von 1981, der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich; auch die Leuenberger Konkordie von 1973 und die Amman Declaration von 2006 könnten hier aufgeführt werden.

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2.2.3 Funktionen reformierter Bekenntnisse Der Konkretisierung des allgemeinen christlichen Glaubens im spezifischen Kontext einer reformierten Kirche entspricht die Konkretisierung der Funktionen, die ein Glaubensbekenntnis in der bekennenden Kirche aktuell und im Laufe der Zeit innehaben kann. In Anlehnung an Dirk Smit215 und Hans Schwarz216 lassen sich acht Bekenntnisfunktionen ausmachen, die miteinander vielfach verbunden im Leben einer Kirche mit ihren Bekenntnissenn durchaus unterschiedliche Bedeutung erfahren können. Ein einzelnes Bekenntnis kann und wird daher unterschiedliche Funktionen zu unterschiedlichen Zeiten, gleichzeitig oder nacheinander, annehmen können. Jede dieser Funktionen des Bekenntnisses berührt mittelbar oder unmittelbar auch die Frage nach der Identität der bekennenden Kirche und gibt so erste Anhaltspunkte für das Verhältnis von Bekenntnis und Identität.217 Identitätsstiftende Funktion Das Glaubensbekenntnis betont in besondere Weise den Aspekt der Identitätsfindung und -stiftung, indem es bekennt, das durch den im Christusgeschehen erfolgten Herrschaftswechsel die bekennende Kirche als ganze und die einzelnen Gläubigen in ihr ganz und gar, mit Leib und Seele218, nicht mehr sich selber, sondern zu Gott gehören und von dort ihre Identität gewinnen.219 Die identitätsstiftende Funktion des Bekenntnisses liegt also zunächst nicht darin, dass in und mit ihm eine reformierte (oder lutherische, katholische, anglikanische usw.) Identität bekannt und gestiftet wird, oder das diese oder jene Häresie verworfen wird, sondern dass die Identität der Kirche als die der „In–Christus-Seienden“ bekannt und bezeugt wird;220 das Bekenntnis wird zum Instrument, das grund215 Smit, (Dis)Unitiy, 147–149. Vgl. dazu auch die Studie von van Ruler, Hoe functioneert de belijdenis? von 1954; sowie Modras, Funktionen und Grenzen, und Lanczkowski, Art. Glaubensbekenntnisse. 216 Schwarz, Art. Glaubensbekenntnisse, 437–441. 217 Jede dieser Funktionen wird in Kapitel 3 noch ausführlich analysiert und aus reformierttheologischer Perspektive interpretiert werden. Hier soll ein kurzer Überblick nur einen ersten Eindruck von den unterschiedlichen Funktionen reformierter Bekenntnisse verschaffen. 218 Wie es der Heidelberger Katechismus in seiner ersten Frage formuliert. 219 Vgl. dazu Track, Lutherisch, reformiert, uniert, 19: Im Bekenntnis „geht es um das, was mich unbedingt angeht. Mein ganzes Personsein steht auf dem Spiel. Es geht um das, was letztgültig darüber entscheidet, wer ich bin, sein kann und sein darf. […] So bekennen wir im Bekenntnis, was der Grund und das Ziel aller Wirklichkeit, unseres Lebens, unseres Glaubens, unserer Liebe und Hoffnung ist. Die Gemeinschaft der Glaubenden identifiziert sich im Bekenntnis.“ 220 So sehen z. B. Deeg/Heuser/Maneschke, Identität?, 319, den „spezifisch evangelischen

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legend christliche Identität formt und bewahrt.221 Für viele der oben genannten Bekenntnistypen ist gerade dies ein primäres Anliegen, das sie mit dem Bekenntnis verfolgen: was heißt heute und an diesem Ort, im säkularen Pluralismus oder in einer multi-religiösen Umwelt, Christ oder Christin zu sein? Das Bekenntnis dient damit explizit der „Selbstdefinition“ und „Selbstfindung“, nach Hans Schwarz eine der ursprünglichsten Funktionen des Bekenntnisses.222 Erst in einem zweiten Schritt kann die identitätsstiftende Funktion dann auch als „identity building“223 im Sinne des Aufbaus einer konfessionellen Identität verstanden werden, indem die Bekenntnisse „express identity and thereby contribute to a sense of belonging. […] The way they are used definitely contributes to a strong sense of identity, demarcates community boundaries, strengthens a sense of belonging and calling, in short builds both selfhood and community.”224

Doxologische Funktion Viele der neueren Bekenntnistexte tragen in stärkerem Maße als klassische Texte explizit doxologischen Charakter und verstehen sich selbst ausdrücklich als einen Weg, zum Lobpreis Gottes beizutragen. Allerdings stellt jedes Bekenntnis, gleichwie es formuliert ist, die Gemeinde coram Deo,225 am Sonntag wie im Alltag,

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Beitrag“ zum Identitätsdiskurs in der „Rede von dem Selbst, das Menschen durch das gewinnen, was Gott an ihnen tut: eine Identität extra nos, die wir besitzen, sondern auf die hin wir geschaffen werden.“ (Hervorhebungen im Original). Diese Identität extra nos ist das Zentrum auch jeder Bekenntnis-Rede. Vgl. Van Dyk, A Conversation with the Ecumenical Creeds, 20; und Gerrish, Saving and Secular Faith, 56: „Confessions of faith are reminders. Their primary use is not to smoke out heresy but, through constant recollection, to preserve identity.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. Schwarz, a. a. O., 437: „Eine der ursprünglichsten Funktionen des Bekenntnisses, wie wir immer wieder auch historisch nachweisen könnten, ist die Selbstdefinition. In einem Bekenntnis wird vorgestellt, was man glaubt (und lehrt). Damit dient der Bekenntnisakt zugleich zur Selbstfindung.“ Smit, a. a. O., 147. Vgl. dazu auch Reichel, Theologie als Bekenntnis, 275: „So wirkt das Bekenntnis identitätsbildend nach innen und abgrenzend nach außen. Es ist sowohl Ausdruck faktischer Übereinstimmung als auch deren kontrafaktische Behauptung, zugleich Deskription und Performanz.“ Smit, a. a. O., 147. 151f. (Hervorhebungen im Original) In diesem Sinne kann Gerrish, a. a. O., 55, ein Bekenntnis sogar bezeichnen als „instrument of socialization: it is one of the devices by which the believing community maintains its world of meaning and so both reaffirms its own identity and confers identity on its individual members.“ Für ein konkretes Beispiel vgl. die Überlegungen von Wilkinson, On Being a Confessional Church, der die Identitätsfrage in das Zentrum seiner Diskussion der Presbyterian Church (USA) als bekennender Kirche stellt. Vgl. dazu Presbyterian Church (USA), The Confessional Nature of the Church, 22: „Some creeds and confessions have been used as act of worship in the church’s liturgy. This use is a reminder of the fact that the church’s confessions are first of all acts of praise, thanksgiving, and commitment in the presence of God.“

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gibt der Kirche eine gemeinsame Sprache für Liturgie wie für christliches Leben.226 Wenn Calvin in seinem Genfer Katechismus den Sinn den menschlichen Lebens in der wahren und rechten Erkenntnis Gottes sieht, bei der Gott die angemessene und geschuldete Ehre erwiesen wird,227 dann nehmen die Bekenntnistexte des 20. und 21. Jahrhunderts diesen Gedanken auf und setzten ihn auf ihre je eigene Weise für ihre Zeit um und unterstützen die Kirche dabei, sich selbst – also ihre eigene Identität – als diejenigen zu verstehen, die zum Lobe Gottes beitragen, Gott danksagen und sich Gott ganz anvertrauen. In dieser doxologischen Funktion wird das Bekenntnis zur „Sprachschule des Glaubens: Es ermöglicht spirituellen Spracherwerb und sichert spirituelle Sprecherfahrung.“228 Theologisch verstanden ist das Bekenntnis darin also vor allem die sprachliche Anerkennung der gnädigen Gegenwart Gottes als Schöpfer, Richter und Retter, ist das Ja der Kirche zu Gott in Jesus Christus, und als solches, gleichgültig in welchem Kontext, immer auch ein gottesdienstlicher Akt.229 Anders formuliert: „Ähnlich wie im Gebet, verehrt man auch durch das Bekenntnis den, der in ihm zum Ausdruck kommt.“230 Damit zeigt die doxologische Funktion der Be226 Vgl. Nyomi, The Accra Confession, 45: „The Word of God has […] been articulated in Christian creeds and confessions as good guides to keep belief and lifestyle in tune with the Word of God.“ 227 Fragen 1 und 6 des Katechismus, Calvin-Studienausgabe 2, 16: „1. Quis humanae vitae praceipuus est finis? – Ut Deum, a quo condite sunt homines, ipsi noverint. […] 6. Porro, quaenam vera es ac recta Dei cognition? – Ubi ita cognoscitur, ut suus illi ac debitus exhibeatur honor.“ 228 Krieg, Werkbuch, 8. (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch die Negativ-Bestandaufnahme für die „bekenntnisfreie“ Schweiz bei Wüthrich, Bekenntnisbildung, 39, der das Fehlen eines basalen religiösen Grundwortschatzes und einer spirituellen Sprecherfahrung konstatiert. 229 So Leith, A Brief History of the Creedal Task, 37. Vgl. auch Barth, KD III/4, 84: „Das vom Menschen geforderte Zeugnis und Bekenntnis wird auf alle Fälle den Charakter eines zweckfreien Tuns haben müssen. Oder positiv gesagt: es wird allein zu Ehre Gottes geschehen dürfen. Das ist das Eigentümliche alles menschlichen Tuns in der Richtung auf Gott, dass es dem Menschen dabei, soll es recht getan sein, nur um Gott und nicht etwa auf dem Umweg über Gott oder auch im Namen Gottes um die Erreichung irgendwelcher Zwecke gehen kann. Das kennzeichnet im Besonderen auch das Bekenntnis: der Mensch darf und muss dabei für einen Augenblick ganz heraustreten aus dem Bereich aller Wollungen, Absichten, Bestrebungen. Er bekennt nicht im Blick auf irgendein Ziel, nicht um mit seinem Bekenntnis dies und das auszurichten und durchzusetzen. Er visiert und erwartet keinen Erfolg. Sondern er bekennt, weil Gott Gott ist, im Regiment sitzt und alles wohl macht, weil er dessen gewahr ist und weil er angesichts dessen nicht schweigen kann. Bekennen ist ein ernsthaftes Tun; es hat aber in seiner Zweckfreiheit mehr von der Art eines Spiels oder eines Gesanges als von der einer Arbeit oder eines Kampfes an sich. Eben darum wird es bei ernsthaften Leuten, die aber gerade den besonderen Ernst des Bekenntnisses nicht kennen, immer Kopfschütteln erregen, wenn Einer bekennt. Wozu? werden sie sich und ihn fragen und werden, je ernsthafter einer tatsächlich bekennt, umso weniger eine Antwort finden: eben darum, weil es diesem ja um keinen Zweck, sondern nur um die Ehre Gottes geht.“ 230 Schwarz, a. a. O., 439.

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kenntnisse gleichzeitig auf, dass diese niemals zum Selbstzweck werden dürfen, sondern nur eine dienende Funktion übernehmen können.231

Hermeneutische Funktion Bekenntnisse werden zu hermeneutischen Linsen, mit denen die Heiligen Schriften Neuen und Alten Testaments in ihrer Pluralität und Ambiguität gelesen, interpretiert, verkündigt und geglaubt werden;232 allerdings unter dem Vorbehalt, dass das Primat der Heiligen Schrift bewahrt wird. Das heißt, die Bekenntnisse dienen nur so lange als hermeneutische Linsen, wie die Kirche von ihrer rechten Schriftinterpretation überzeugt ist.233 Gleichzeitig wollen sie den scopus der Guten Nachricht, der den Bekenntnissen selbst zugrunde liegt, in den Mittelpunkt gegenwärtigen christlichen Glaubens und Lebens stellen. In diesem Sinne versuchen die Bekenntnisse als Begleittexte234 zur Bibel, den Gläubigen das Evangelium selbst als Haupttext zu eröffnen.

Katechetische Funktion Bekenntnisse erziehen im Glauben, wollen die Gläubigen befähigen und vorbereiten, damit diese als mündige Christen und Christinnen am verantwortlichen Glaubensdenken und -reden teilhaben können.235 Darin stärken sie, ob als Katechismus, als Lehrbekenntnis oder auch in anderer Form verfasst, die Identität der Gemeindeglieder im Priestertum aller Gläubigen, nicht als passive Empfänger eines Glaubensschatzes, sondern als aktive, kritische Mitgestalter der Glaubenskommunikation in all ihren Formen. Das Bekenntnis enthebt die Gläubigen nicht ihrer Pflicht zum eigenständigen und eigenverantwortlichen Bekennen indem es etwa auf bloße Rezitation bedacht wäre. Im Gegenteil, es bietet „den Grundwortschatz der Glaubenden: Es schafft Sprache und Texte für Spiritualität, 231 Vgl. dazu auch Webster, Confessing God, 69: „The creed is a good servant but a bad master.“ 232 Vgl. Smit, a. a. O., 148. 233 Vgl. dazu Gerrish, a. a. O., 61: „Confessions have unquestionably functioned in the Reformed church as the hermeneutic lenses through which Scripture is read, but only as long as the church is persuaded that they interpret the Scriptural norm correctly.“ 234 So Busch, Der Freiheit zugetan, 9, in Bezug auf den Heidelberger Katechismus. 235 Vgl. dazu Thorsten Latzels Untersuchung „Theologische Grundzüge des Heidelberger Katechismus“, in welcher er den Katechismus zusammenfassend als „Anleitung zur Glaubenskommunikation […], als orientierungsstiftender Basistext einer gemeindetheologischen Glaubensverständigung, […] als Einweisung in den Prozess verantwortlichen Glaubensdenkens“ (a. a. O., 181.186, Hervorhebungen: M. E.-H.) versteht. Dieser Ansatz Latzels ließe sich auf viele der neueren Bekenntnistexte der reformierten Tradition uneingeschränkt übertragen.

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

Zeugnis und Gemeinschaft, den zeitlichen Sekundärtext zum ewigen Primärtext der Bibel.“236

Orientierende Funktion In der Situation des status confessionis (externus et internus) 237 versucht die bekennende Kirche mit einem „Identitätsbekenntnis“238 durch Selbstverständigung und Verbindlichkeit,239 Positionierung und Abgrenzung Klarheit nach innen und nach außen zu schaffen,240 bietet den Gläubigen Orientierung241 in Konfliktsituationen an und unterstützt sie in ihrer Urteilsfindung. Das kann in apologetischer oder polemischer Weise geschehen,242 aber auch ohne explizites damnamus bezieht ein Bekenntnis mit jeder positiven Glaubensaussage Stellung gegen andere Lehren, seien sie religiös oder ideologisch motiviert.243 Bekenntnisse erhalten damit einen idolatriekritischen Charakter und dienen als „guides to discerning the Spirit“244. Identitätsfindung und –beschreibung findet im Bekenntnis der Kirche also statt durch ein Doppeltes: die Markierung des Zentrums der Kirche in Jesus Christus und die Markierung von Grenzen gegenüber dem,

236 Krieg, a. a. O., 9. (Hervorhebungen: M. E.-H.). 237 Zur Unterscheidung vgl. Krieg, a. a. O., 9. Dies gilt jedoch nicht allein für die oben in der Kategorie des status confessionis aufgeführten Bekenntnisse, sondern grundsätzlich für alle Bekenntnistexte. 238 Ebd.; vgl. dort auch zum Folgenden. 239 Hailer, Differenzen in der Bekenntnishermeneutik der Konfessionen, 135, spricht von einer „Selbstfestlegung“, die allerdings mit einer „Selbstrelativierung“ einhergehe. 240 Diese orientierende Funktion kann und wird – in Vergangenheit wie Gegenwart – von Kirchen auch ausgeweitet auf eine kontrollierende Funktion der Kirche, indem das Bekenntnis zur Prüfung der Rechtgläubigkeit von Gemeindegliedern wie auch Pastorinnen und Pastoren wird, die zur Subskription eines bestimmten Bekenntnisses, bzw. einer Bekenntnissammlung verpflichtet werden können; vgl. Kromminga, The Shape of a New Confession, 149. Mit dieser Funktion kann sich zudem eine Rechtsfunktion verbinden, „denn mit dem, was man bekenntnismäßig formuliert, wird man identifiziert und behaftet.“ Schwarz, a. a. O., 437. 241 Smit, a. a. O., 148, spricht genauer von der „discerning function“. 242 So explizit in der Barmer Theologischen Erklärung und dem Belhar-Bekenntnis. Vgl. dazu Modras, a. a. O., 520: „Neinsagen ist eine wichtige, altehrwürdige Funktion von Glaubensdefinitionen. […] Ihre polemische Natur sollte indes nicht als rein negativ angesehen werden; Linien zu ziehen und zu etwas nein zu sagen, ist eine Weise zu etwas anderem ja zu sagen. Polemik ist die andere Seite der Loyalität.“ 243 Der EKD-Text Vom Gebrauch der Bekenntnisse. Zur Frage der Auslegung von Bekenntnissen der Kirche, 9, spricht in diesem Zusammenhang von einer positiven und negativen Funktion der Bekenntnisse: Bekenntnisse haben „positiv die Funktion grundlegender Orientierung sowie negativ die Funktion des Aufweises der Grenzen dessen, was als Verkündigung in der Kirche im Vollzug der Schriftauslegung möglich ist.“ Vgl. dazu auch Van Dyk, a. a. O., 22f. 244 Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 18 (Hervorhebung im Original).

Bekenntnisse in der reformierten Tradition

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was als Häresie erkannt und bekannt wird.245 Dadurch erhält das Bekenntnis, ob explizit benannt oder nicht, immer auch eine Abgrenzungs- und Verteidigungsfunktion, welche allerdings nicht zwangsläufig zur Abgrenzung von „Andersgläubigen“ und zur Selbstbehauptung führt, sondern vielmehr den Dialog ermöglichen und eröffnen kann und soll.246 Bezeugende Funktion Eng verbunden, wenn auch unterschieden von der orientierenden Funktion ist die Zeugnisfunktion des Bekenntnisses, in der das Bekenntnis als „form of public witness to Jesus Christ the Lord“247 dient. Vor Kirche und Welt bezeugt die bekennende Kirche mit ihrem lebendigen Bekenntnis und bekennenden Leben248, wessen Eigentum sie ist und welche Konsequenzen dies für ihren Glauben und ihr Leben hat – das Bekenntnis übernimmt im Wortsinn die Funktion des pro-testare.249 Das Bekenntnis als „geformtes Glaubenszeugnis“250 wird damit nach innen und außen zu einem „Referenztext der Glaubwürdigkeit“251. Hinter dieser kerygmatischen Funktion252 (wie auch hinter der orientierenden Funktion) steht keine selbstgerechte und –genügsame Haltung,253 sondern das Bestreben, durch das Zeugnis der Kirche an der Missio Dei teilzuhaben, d. h. ihre missionarische Sendung für und in der Welt zu erfüllen,254 und in diesem Sinne sind Bekenntnisse auch als „missionary documents“255 im weitesten Sinne zu verstehen.256 245 Vgl. Heideman, Discipline and Identity, 17: „The church of Jesus Christ has traditionally known its identity in terms of both its center and its boundaries.“ 246 Vgl. Schwarz, a. a. O., 439: „Es muss immer bedacht werden, dass Abgrenzung nicht zur Einigelung und Offenheit nicht zur Niveaulosigkeit führen darf, sondern den Dialog ermöglichen und fördern soll. Die Abgrenzungsfunktion darf auch nicht von denen wegführen, die auf der anderen Seite der Grenze stehen, sondern sie soll auf sie hinführen.“ 247 Smit, a. a. O., 147. 248 Vgl. dazu Leith, Reformed Confession, 503, der die fundamentale Rolle von Bekenntnissen in ihrem „witness of confessors and as the public expression of the authentic life of a community“ sieht. 249 Vgl. Alston, The Church of the Living God, 12. 250 Lienemann, Bekenntnis, 22. 251 Vgl. Krieg, a. a. O., 9: „Das Bekenntnis ist der Referenztext der Glaubwürdigkeit: Es schafft Klarheit für die Fälle der Bedrängnis. Alle Teile der Kirche können sich darauf beziehen. Mit ihm ist sie öffentlich, lesbar und verbindlich.“ (Hervorhebungen im Original). 252 Vgl. Schwarz, a. a. O., 439. 253 Vgl. dazu Webster, a. a. O., 74: „Confession is attestation, not self-assertion“. 254 Vgl. Chun, Bekennen und Bekenntnis, 524, der hervorbebt, dass Bekenntnis des Glaubens und die Sendung der Kirche in dialektischer Weise zusammenhängen. 255 Robinson, The 1982 Belhar Confession in Missionary Perspective, 42 et passim. 256 Vgl. dazu auch die Bekenntnisdefinition von Gerrish, a. a. O., 65: „A confession of faith is an official codification of a church’s world of meaning that seeks through recollection of the

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

Einheitsstiftende Funktion Zu den komplexen Herausforderungen des jeweiligen Kontextes einer bekennenden Kirche gehören an vielen Orten Kirchenspaltungen – drohende wie bereits geschehene, und das im Verlauf der gesamten Kirchengeschichte. Ein Motiv für die Erstellung bereits der neutestamentlichen wie der altkirchlichen Bekenntnisse und Bekenntnisformeln liegt u. a. in dem Bestreben, eine „painfully divided Christian community“257 zu vereinigen,258 und diese Funktion hat das christliche Bekenntnis bis in die Gegenwart hinein beibehalten. Aber die einheitsstiftende Funktion des Bekenntnisses ist in der Tat nicht erst im drohenden Fall einer Kirchenspaltung zu beobachten, sondern wirkt als „Gemeinschaftsfunktion“259 in jedem Bekenntnis einer christlichen Glaubensgemeinschaft, indem sie nämlich durch das „Wir“ oder das gemeinsam gesprochene „Ich“ des Bekenntnisses die Teilhabe am Leibe Christi bekennt und die Bekennenden in der Gemeinschaft vereint.260 In dieser Funktion wird das Bekenntnis, wie Calvin formuliert, zum „feierlichen Wahrzeichen ihrer christlichen Gemeinschaft“261. Daneben kennt die reformierte Kirche diese einheits- und damit auch identitätsstiftende Funktion von Bekenntnissen auch in der Annahme oder Anerkennung von Bekenntnistexten aus anderen reformierten Kirchen;262 noch zu erkennen in der Bezeichnung „Drei Formulare der Einheit“ für die von der Dordrechter Synode 1619 anerkannten drei Bekenntnistexte. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass sich kaum eine der Funktionen des Bekenntnisses in der reformierten Tradition im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder so sehr in ihr Gegenteil verkehrt, wie diese, so dass Dirk Smit zurecht fragen kann, ob Bekenntnisse bei allem Anspruch auf Einheit in bestimmten Fällen de facto nicht vielmehr als „Instrumente der Uneinigkeit“263 funktioniert

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founding events, to reaffirm the historical identity of the church and to reformulate its mission in a new day.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Van Dyk, a. a. O., 21. Unter den kontemporären Bekenntnistexten ragt, neben den oben angeführten Texten aus Kirchenunionen, in dieser Hinsicht das Belhar-Bekenntnis heraus, dessen Thema explizit die Einheit der Kirche ist, und das in langer Sicht dann auch maßgeblich zum Vereinigungsprozess reformierter Kirchen in Südafrika beigetragen hat. Vgl. dazu Naudé, Neither Calendar nor Clock, 131–148, unter der Überschrift: „‚A gift from heaven‘: The reception of the Belhar Confession in the period 1982–2007)“. Schwarz, a. a. O., 437f. Vgl. Van Dyk, a. a. O., 21f. „Solenne Christianae communionis symbolum“; in der Vorrede zum Genfer Katechismus von 1545, Calvin-Studienausgabe 2, 12.28f, bzw. 13.35f. In der Gegenwart insbesondere die Barmer Theologische Erklärung sowie das Belhar-Bekenntnis. Vgl. dazu den Titel seines Aufsatzes „Confessions as Instruments of (Dis)Unity?“. Van den Belt, Forms of Unity or Disunity. The Confessions in the Recent History of the Protestant

Bekenntnisse in der reformierten Tradition

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haben – und ob dies angesichts der oben diskutierten orientierenden und bezeugenden Funktion des Bekenntnisses nicht auch unter Umständen in Kauf genommen werden muss.

Seelsorgerliche Funktion Die letzte der hier aufzulistenden Funktionen ist nicht im Gegensatz zu den vorhergegangen zu sehen, sondern als deren Ergänzung. In all seinen Funktionen strebt das Bekenntnis in der reformierten Tradition auch an, den Gläubigen Trost und Hoffnung (im Sinne der ersten Frage des Heidelberger Katechismus als Vertrauen, Ermutigung, Stärkung) 264 zu vermitteln; die Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts noch in weitaus stärkeren Maße als ihre klassischen Vorgängertexte. Bekennen ist kein exklusiv intellektuelles Unternehmen, sondern strebt an, den ganzen Menschen in seiner konkreten Situation anzusprechen, in den neueren Bekenntnistexten häufig in Bezug auf Person, Geschichte und Werk Christi, wobei sein Menschsein gegenüber den älteren Texten an Bedeutung gewonnen hat.265 Dies seelsorgerliche Anliegen ist besonders in den Texten, die in expliziten Krisensituationen entstanden sind, zu erkennen, aber auch und gerade in den Texten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Kern der christlichen Botschaft in den allgemeinen Verunsicherungen und Herausforderungen unserer Zeit zu bekennen. John Webster fasst viele der genannten Funktionen von Bekenntnissen prägnant zusammen, wenn er zusammenfassend die Natur von Bekenntnistexten und –formeln wie folgt beschreibt: A creed or confessional formula is a public and binding indication of the gospel set before us in the scriptural witness, through which the church affirms its allegiance to God, repudiates the falsehood by which the church is threatened, and assembles around the judgement and consolation of the gospel.266

Die hier und oben aufgelisteten Funktionen sind wesentlich aufeinander bezogen und hängen ersichtlich auch direkt vom theologischen Verständnis von Bekenntnissen in der reformierten Tradition ab (welches im folgenden Kapitel ausführlich diskutiert werden wird). Als Zwischenbilanz lässt sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass nicht nur die geschichtliche Bekenntnisentwicklung Church in the Netherlands, liefert mit seinem Beitrag eine Art „Fallstudie“ aus der niederländischen Kirchengeschichte zu diesem Thema. 264 Vgl. Busch, Der Freiheit zugetan, 25f, und meine Überlegungen zu Frage 1 des Heidelberger Katechismus in Ernst-Habib, But why are you called a Christian?, 53f. 265 Vgl. dazu Heideman, Old Confessions and New Testimony, 9f. 266 Webster, a. a. O., 73f. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Schlink, Der kommende Christus, 24–79.

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

der letzten Jahrzehnte, sondern auch das in den verschiedenen Kategorien und Funktionen zum Ausdruck kommende Anliegen dieser neuen reformierten Glaubensdokumente immer wieder direkt auf die Frage nach einer reformierter Identität bezogen wurden oder diese Frage provozierte – im lokalen wie auch globalen Zusammenhang. Damit gilt, was John H. Leith in Bezug auf die einzelne bekennende Kirche gesagt hat, in modifizierter Weise auch für die Gemeinschaft reformierter Kirchen weltweit: Confessions function in the life of the church as well as in the life of individuals as a means of identity, of identification against the world and of internal identity among members of the same community. […] A Confession is one of the ways a community tells the world who or what it is and thus differentiates itself from the world and maintains the integrity of its own identity.267

Bekenntnis und Identität sind also auf intrinsische Weise miteinander verbunden, und dieser Aspekt soll nun im folgenden Abschnitt beleuchtet werden.

2.3

Der intrinsische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität

„Confessionis mater est fides“ – mit diesem Calvinzitat wurden die Überlegungen des Kapitels zu den Entwicklungen reformierter Bekenntnisse in den Jahrhunderten seit der Reformation eröffnet, und dieses Zitat könnte einleitend auch über den folgenden Überlegungen stehen. Mit Calvin geht die reformierte Tradition268 in Vergangenheit und Gegenwart davon aus, dass der christliche Glaube zum Bekennen führt269 und sich im öffentlichen Bekenntnis ausdrückt; mit Hans Schwarz270 ausgedrückt: „Ein Glaube ohne das ihn zumindest partiell ausdrückende Bekenntnis ist […] ebenso ein Widerspruch in sich selbst wie ein Bekenntnis ohne den Glauben, der das Bekenntnis umgreift, und es dadurch möglich und notwendig macht.“271 Das Bekenntnis ist also zunächst und vor allem kein Mittel zur „Selbstfindung“, zur „Identitätsbildung“, sondern als 267 Leith, Reformed Confession, 502 (Hervorhebungen im Original). 268 Selbstverständlich geht nicht nur die reformierte Theologie von diesem Grundsatz aus, sondern teilt ihn mit vielen ihrer protestantischen Pendants; es könnte daher auch verallgemeinernd von einem reformatorischen Bekenntnisbegriff gesprochen werden. 269 Vgl. auch den vielzietierten Satz Calvins aus den Epistolae Duae, Calvin Studienausgabe 1.2, 280: „Vera enim pietas veram confessionem parit.“ Calvin schreibt dort weiter: „Nec vanum baberi ebet quod ait Paulus (Rom. 10,10): Quemadmodum corde ad iustitiam creditur, ita ore fiere confessionem ad salutem. Denique suas ad confessionem vocat Dominus: quam qui detrectant, alium sibi magistrum quaerant oportet: quano ab eo ferri com sua simulatione no possunt.“ Vgl. dazu auch Link, Verbindliches Bekennen, 174f. 270 Schwarz ist evangelisch-lutherischer Theologe. 271 Schwarz, a. a. O., 437.

Der intrinsische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität

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„Urakt des antwortenden Glaubens“272 die Antwort der Kirche auf die in Christus geschehene Offenbarung des Heils; christliches Bekennen ist damit eine „Grundhaltung jeder vita christiana, […] eine Urfunktion der Kirche aller Zeiten und Zonen“273 und „Fundamentalbestimmung der Kirche“274. Von diesem „aktualen Bekennen als […] Lebensvollzug der christlichen Gemeinde“275 her wurde der reformatorische Bekenntnisbegriff entworfen, den auch reformierte Theologie teilt. Vom Glauben führt damit eine direkte Linie zum Bekennen des Einzelnen und der Kirche, und von dort zum verfassten und verkündigten Bekenntnis, wobei die einzelnen Elemente dieser Linie nicht austauschbar sind: weder ersetzt das Bekenntnis das Bekennen in actu, noch ist der Glaubensinhalt mit Bekennen oder Bekenntnis deckungsgleich. Mit Johannes Wirsching ist daher auf terminologische und sachliche Eindeutigkeit zu dringen, und zwischen den einzelnen Bekenntnisaspekten zu unterscheiden;276 und zu klären, welcher Grundsinn von Bekenntnis vorausgesetzt wird. Dabei darf dementsprechend– gerade im Blick auf den äquivoken Charakter des Begriffes „Bekenntnis“, seiner wissenschaftsgeschichtlich kurzen Verwendungszeit erst seit dem 19./20. Jahrhundert und seiner häufig unbestimmten und unreflektierten Verwendung in Bezug auf unterschiedlichste Aspekte christlichen Zeugnisses und Lebens – das Drängen des Begriffes „in die Pluralisierung und Differenzierung, um nicht zusagen: Diffundierung“277 nicht übersehen werden. Wenn in der vorliegenden Untersuchung also von „Bekenntnis“ die Rede ist, so ist den meisten Fällen von dem Bekenntnis als Urkunde die Rede, in welchem der „christliche Identitätswille“278 einer Kirchengemeinschaft dokumentiert 272 Schlink, a. a. O., 25. 273 Wirsching, Art. Bekenntnisschriften, 487. 274 So Weinrich mit Blick auf das Barths Bekenntnisverständnis, Karl Barth, 32; vgl. dazu auch Weinrich, Kirche glauben, 183: „Es geht [… ] um das Bekennen als einen fundamentalen Lebensakt der christlichen Gemeinde.“ (Hervorhebungen im Original). 275 Link, Verbindlichkeit, 186. Vgl. auch ders., Die Bewegung der Einheit, 192: „Gehört zum festen Bestand der Kirche und ihres Lebensvollzuges nicht von Anfang an das Bekenntnis, das mit einem Mindestmaß zentraler Formulierungen(‚Sätze‘) des Glaubens den Raum absteckt, den wir offenbar brauchen, um uns unserer Gemeinschaft zu versichern?“ (Hervorhebung im Original). 276 Vgl. Wirsching, a. a. O., 487: „Bekenntnis bezeichnet 1. Den einzelnen Vorgang bzw. den lebendigen Vollzug des Bekennens in Wort oder Tat (Bekenntnisakt); 2. Die hierin zum Ausdruck kommende Handlungsweise des Bekennenden (Bekenntnishaltung); 3. den objektiven Sachgehalt bzw. den Tatbestand, zu dem man sich bekennt (Bekenntnisinhalt); 4. Die sprachliche Ausformung dieses Inhalts (Bekenntnisaussage); 5. Den kirchlich-konfessionellen Bereich, für den eine bestimmte Bekenntnisformulierung als ‚Bekenntnisstand‘ verbindlich ist (Bekenntnisgemeinschaft).“ (Hervorhebungen im Original). 277 Reichel, Theologie als Bekenntnis, 262; sehr aufschlussreich und weiterführend ist Reichels Diskussion einer „Theologie des Bekenntnisses“ in zwölf Thesen, a. a. O., 256–285. 278 Wirsching, a. a. O., 488.

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

ist.279 Diese Bekenntnisurkunde, das dokumentierte Bekennen und auch die je neue Bekenntnisrezeption einer kirchlichen Gemeinschaft mit den oben skizzierten unterschiedlichen Funktionen, ermöglicht aus sich heraus die Selbstfestlegung auf eine ganz bestimmte, definierte, wenngleich offene Identität und macht diese öffentlich. Mit Heinz Rüegger wird Bekenntnis im Folgenden dementsprechend verstanden als die inhaltlich-sprachliche Verdichtung des Aktes der religiösen Selbstverpflichtung und Selbstidentifikation im Text eines Glaubensbekenntnisses.280 Dabei ist es jedoch nicht das Bekenntnis selbst als solches, d. h. das bloße Vorhandensein eines Bekenntnistextes, das Identität schafft, sondern es ist der Akt des Bekennens dieses Bekenntnisses281 – ein bloßes „Bekenntnishaben“ versichert der Kirche keine Identität.282 Positiv formuliert: Das Bekennen mithilfe eines Glaubensbekenntnisses aktualisiert die Christusteilhabe, die Identität der Gläubigen als die „In–ChristusSeienden“283 und schließt damit an die ersten Christusbekenntnisse der Schrift an, die die Kirche zur Kirche gemacht haben und immer noch machen.284 Im Bekenntnis als „spiritual event“285 streckt sich die Gemeinschaft der Heiligen, ihr Selbst und ihre Identität, Gott entgegen, der sie bereits angenommen hat, und so bleibt ihre „‚Identität‘ […] erwartungsvoll offen für Gottes schöpferische Zu279 Vgl. dazu auch die Definition von „Konfession“ die Schwöbel, Das Wesen des Christentums, 66, vornimmt: „Nach der in der evangelischen Theologie üblichen Sprachreglung bezeichnet ‚Konfession‘ den Akt des Bekennens des Glaubens, die Urkunde, in der ein solches Bekenntnis schriftlich fixiert ist, und die Gemeinschaft von Christen, die sich aufgrund gleicher Grundlagen zur gleichen Gestaltung des Christseins, vor allem im gottesdienstlichen Leben bekennen.“ 280 Rüegger, Christliche Identität, 10. Vgl. auch Fries, Reflections, 4f: „Why confess? The short answer is that to confess is to create identity – to call into being who and what we are and at the same time to determine our purpose and commitment.“ 281 Vgl. Vischer, Der Auftrag der reformierten Kirchen heute, 19: „Ihre [die reformierte Tradition] Identität wird durch den Akt des Bekennens bestimmt. Die Frage ist also, wie die reformierten Kirchen die Herrschaft Christi über die Kirche und die Welt durch ihr Leben und ihr Zeugnis heute bezeugen.“ 282 Vgl. dazu van der Kooi, a. a. O., 49: „Identität entsteht in der Glaubensentscheidung, im Akt des Bekennens, sie ist nicht gegeben mit dem Besitz von einigen Bekenntnissen.“ (Hervorhebung im Original); vgl. dazu auch Ernst-Habib, A Conversation with TwentiethCentury Confessions, 70f. 283 Vgl. dazu Weinrich, „Confessio“, 547: „In its substance, every confession is an actualization of the connection to the resurrected and living Christ.“ (Hervorhebung im Original). 284 Vgl. Gerrish, a. a. O., 57: „However elaborately the primitive Christian formula may be developed, the confession that makes and remakes the church has always been: ‚Jesus is Lord (or Christ)‘.“ 285 Vgl. dazu die Interpretation zu 1. Kor. 12:3 von Wethmar, Confessionality and Identity, 139f: „A confession is much more than merely having a theory about Jesus or simply knowing something about God. And as such, it is more than a mere human act. A real confession of faith is a spiritual event. […] Where Jesus is confessed as Lord, there the Holy Spirit is working. And where the Holy Spirit works, there Jesus is confessed as Lord.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

Der intrinsische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität

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wendung“.286 In diesem Sinne legt Paul Fries großen Nachdruck auf den Akt des Bekennens eines Bekenntnisses, wenn er schreibt: „confessing confers identity“287 und zieht das Fazit, „confessing does not lead to identity; confessing is identity“288. Nur unter dieser theologischen Prämisse sind die kontinuierlich wiederkehrenden Aussagen zur Zentralität des Bekenntnisses/der Bekenntnisse für die Identität der Kirche zu verstehen289 – phänomenologisch ließe sich eine solche Zentralität für die Identitätsbestimmung der Kirche nicht oder nur in Einzelfällen nachweisen.290 Die Zentralität des Bekenntnisses für Identität, Integrität und Treue der Kirche291 liegt also nicht darin begründet, dass es als das einzige und ausschließliche Zeugnis der Kirche zu verstehen sei, sondern in dem Verständnis, dass die Kirche in all ihren Lebensäußerungen Zeugnis ablegt,292 dass dieses vielfältige Zeugnis aber abgelegt wird „according to the confession, which is the way the gospel is heard and understood“293. Wie schwierig aber die tatsächliche Identitätsbeschreibung bereits einer einzelnen kirchlichen Gemeinschaft der reformierten Tradition ist, zeigen die ebenso umfangreichen wie umstrittenen Versuche einzelner reformierter Kirchen, ihre jeweilige reformierte Identität mit Bezug auf ihrer Bekenntnisschriften festzulegen, bzw. zu umschreiben. Für die Gesamtheit reformierter Kirchen 286 Deeg/Heuser/Manzeschke, Identität?, 322. Vgl. dazu auch Wethmar, a. a. O., 149: „The church should not really be so frantically preoccupied with preserving its own identity. The true identity of the church will, in every time and place, be protected and created anew by the Word of God.“ 287 Fries, Confessing is Identity, 6. Vgl. dazu auch Muller, Confessing the Reformed Faith, o. S.: „Our Reformed identity depends on our willingness to declare our confessions and in doing so to confess the faith.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 288 Fries, a. a. O., 5. (Hervorhebungen: M. E.-H.) Vgl. dazu auch Wethmar, a. a. O., 137: „Being the object of faith does not only mean that the church is acknowledged in and through faith, but also that the church originates in and through the decision and confession of faith. Confessionality reflects the manner in which the church exists.“ 289 Vgl. z. B. Track, Lutherisch, reformiert, uniert, 16: „Ohne klaren Bezug zu ihren geschichtlich sie prägenden Bekenntnissen verliert die Kirche ihre Identität und Integrität“; und van der Borght, Identity and Ministry, 207: „Confessions became the element par excellence to protect the identity of the church.“ 290 Zur Diskrepanz zwischen theologischer Hochachtung und tatsächlicher Relevanz von Bekenntnistexten im deutschen Protestantismus vgl. z. B. Track, a. a. O., 15: „Vereinfacht gesagt lässt sich der Umgang mit dem Bekenntnis so charakterisieren: Auf der einen Seite finden wir offizielle Hochschätzung des Bekenntnisses in den Kirchen und die Sorge um das Bekenntnis – und auf der anderen Seite oft faktische Unkenntnis bei den Mitgliedern der Kirche und die Sorge vor dem Bekenntnis.“ 291 Vgl. Stotts, Introduction, XI: Die „contemporary confessions are recognized as extraordinarily important for a church’s integrity, identity, and faithfulness.“ 292 So konnte schon Luther in seinem Hebräerbriefkommentar davon sprechen, dass „tota nostra operatio confessio“ sei (WA 57 137,5). 293 Smit, No other motives, 155.

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„Confessing is Identity“: Der doppelte Fokus von Identität und Bekenntnis

weltweit mit ihrer großen Vielfalt an Bekenntnisschriften scheint die Bestimmung einer reformierten Identität daher von vorneherein ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen zu sein.294 Wie sollte sich eine reformierte Identität weltweit anhand von in allen möglichen Aspekten differierenden Bekenntnistexten ermitteln lassen, etwa als möglichst großer gemeinsamer Nenner von Lehraussagen oder durch die Ermittlung eines gemeinsamen Ethos bzw. Habitus? Als Collage von dogmatischen Lehrentscheidungen und doxologischen Lobpreisungen, die – aufs Ganze gesehen – dann ein aussagekräftiges Bild ergeben? Viele Wege wären denkbar, wenngleich offensichtlich problematisch. Welchen Anteil an reformierter Identität weltweit hätten dann etwa diejenigen Kirchen, die im letzten und diesen Jahrhundert kein neues Bekenntnis verfasst oder angenommen haben? Die vorliegende Untersuchung wählt eine andere Art der Annäherung an eine reformierte Identität weltweit. Ausgehend von der nachdrücklichen Mahnung Lukas Vischers, dass sich „die Einsicht […] durchsetzen [muss], dass jedes Bekenntnis, das in einer bestimmten Situation entsteht, immer auch die Angelegenheit aller Kirchen ist und von ihnen mitverantwortet werden muss“295, macht es sich diese Untersuchung zur Aufgabe, „in der Vielfalt der Bekenntnisse das Gemeinsame festzustellen und sichtbar zu machen“296. Dieses „Gemeinsame“ wird in den folgenden Kapitel ermittelt und beschrieben, indem zunächst das reformierte Bekenntnisverständnis auf seine theologische Bedeutung für reformierte Identität hin untersucht werden wird (Kap. 3), um dann in einem zweiten Schritt eine Interpretation theologischer Grundlinien der Bekenntnisinhalte anhand der Tiefendimension der Heiligkeit vorzunehmen (Kap. 4). Von diesen beiden Perspektiven her werden dann gemeinsame Aspekte und Determinanten weltweiter reformierter Identität beschrieben (Kap. 5), wie sie sich aus den vorangegangen Untersuchungen und Interpretationen ergeben haben.

294 Vgl. Stroup, a. a. O., 257. 295 RZH, VIII. 296 Ebd.

3.

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Wenn reformierte Kirchen weltweit in ihrer häufig tiefgehenden Diversität auf wenigstens eine grundlegende Gemeinsamkeit verweisen können (und es tatsächlich auch in aller Regelmäßigkeit immer wieder tun), dann ist diese Gemeinsamkeit schon auf den ersten Blick in ihrem theologischen Verständnis der Natur von Bekenntnistexten zu finden. Wie im Laufe des folgenden Abschnittes aufzuzeigen sein wird, ist dieses formale Bekenntnisverständnis selbst, zunächst einmal abgesehen von den inhaltlichen Aussagen des Korpus der Bekenntnistexte, in Tradition und Gegenwart ein nicht unerheblicher Faktor in Bestimmung einer grundlegenden Kongruenz reformierter Kirchen weltweit bei aller disperaten theologischen Ausrichtung. Dabei beruht dieses kongruente Bekenntnisverständnis jedoch nicht allein auf formal-äußerlichen (im Gegensatz etwa zu material-inhaltlichen) Gemeinsamkeiten, sondern vielmehr auf theologischen, und hier im besonderen ekklesiologischen Grundentscheidungen, die mitbestimmend für den besonderen Charakter der reformierten Tradition sind. Aus diesem Grunde wird im folgenden Abschnitt (3.1) der unlösbare Zusammenhang von Form und Materie im Bekenntnisverständnis reformierter Kirchen (insbesondere in Anlehnung an Karl Barths Bekenntnisverständnis) thematisiert. Es folgt eine Untersuchung von vier Schwerpunkten reformierter Ekklesiologie in ihrer Beziehung zum Bekenntnisverständnis (3.2). Obgleich auch die weiteren Abschnitte explizit ekklesiologische Dimensionen aufweisen, wird in ihnen die Ekklesiologie nicht zum Ausgangspunkt der Diskussion gemacht, sondern nur punktuell zur Argumentation herangezogen und das reformierte Bekenntnisverständnis so in zwei für es typische, dialektische Spannungsverhältnisse positioniert: nämlich der Spannung zwischen dem Bekennen im partikularen Kontext und der universalen Katholizität (3.3) und zwischen Autorität und Relativität des Bekenntnisses (3.4). Als Referenzpunkte für reformiertes Bekennen werden im Anschluss daran Gott, die Kirche und die Welt in ihren jeweiligen Dimensionen diskutiert und miteinander in Beziehung gesetzt (3.5). Einer weiteren

110

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

reformierten Eigenart, nämlich dem Zusammenhang von Glauben und Leben im Bekenntnis, wird im abschließenden Abschnitt (3.6) nachgegangen.1

3.1

Der unlösbare Zusammenhang von Form und Materie

In seiner Theologie reformierter Bekenntnisschriften hatte Paul Jacobs die These aufgestellt, dass die Einheit der reformierten Kirche keine Einheitlichkeit in den materialen Aussagen der Bekenntnistexte sei, sondern vielmehr auf einer einheitlichen Wertung der Bekenntnisschriften als der Schrift untergeordnet beruhe.2 Wenn dieser These Jacobs, die einer von Albrecht Ritschl aufgestellten Unterscheidung folgt,3 in dieser Untersuchung auch nur in Teilen zugestimmt werden kann, wie besonders das vierte Kapitel zeigen wird, so ist sie doch ein Verweis auf eine grundlegende Gemeinsamkeit, die reformierte Kirchen trotz ihrer mannigfaltigen Unterschiedlichkeit miteinander teilen:4 das theologische Verständnis der Natur von Bekenntnistexten, ihre Bekenntnishermeneutik.5 1 Der von Hofheinz/Jochum-Bortfeld/Bienert herausgegebene Sammelband Neuere reformierte Bekenntnisse im Fokus. Studien zu ihrer Entstehung und Geltung befand sich zur Zeit der Abfassung der vorliegenden Untersuchung im Erscheinen und konnte daher für die folgende Diskussion reformierter Bekenntnishermeneutik nicht mehr berücksichtigt werden. An dieser Stelle sei jedoch ausdrücklich auf diesen Band verwiesen, der in einer Anzahl von Studien zur Hermeneutik reformierter Bekenntnisse und in Fallstudien zu einzelnen reformierten Bekenntnissen wichtige Fragestellungen und Aspekte einer spezifisch reformierten Bekenntnishermeneutik aufgreift und vertieft. 2 Vgl. dazu die Diskussion über den „Rang der Bekenntnisschriften“ bei Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 13–18. 3 Siehe dazu Ritschl, Über die beiden Principien des Protestantismus (1876), der die reformierte Kirche als Kirche des Formalprinzips, nämlich des Schriftprinzips, im Gegensatz zur lutherischen Kirche als der Kirche des Materialprinzips, nämlich der Rechtfertigungslehre, versteht. Auch dieser Unterscheidung, obwohl sie auf wichtige Teilaspekte reformierter Identität hinweist, kann hier nicht zugestimmt werden, wie aus dem Folgenden ersichtlich werden wird. 4 Anders Smit, Confessions, 139, der davon ausgeht, dass „the plurality of confessional documents is accompanied by an equally basic plurality on the nature of such documents in the Reformed tradition“; und ebd. Anm. 6: „There is no single and authoritative view of confessions within the Reformed tradition. […] The fundamental importance of these different viewpoints and different practices represents in fact a further characteristic of the Reformed faith.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Während Smit zuzustimmen ist, dass sich die Praxis reformierter Kirchen im Umgang mit ihren Bekenntnisschriften durchaus unterschiedlich, ja gegensätzlich gestalten konnte, wird aber im Folgenden aufgezeigt werden, dass die theologische Begründung der Natur von Bekenntnistexten für die reformierte Tradition in all ihrer Unterschiedlichkeit dagegen eine bis zu einem gewissen Grade einende Größe darstellt. 5 Selbst wenn dieses Verständnis durch die Jahrhunderte hindurch auf ein bloßes Rezitieren der Grundaussagen beschränkt wurde, und im Leben der jeweiligen Kirche eine kaum sichtbare Rolle mehr spielte, so war es doch in der weitaus überwiegenden Anzahl der reformierten Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch wenigstens als theoretischer Anspruch noch exis-

Der unlösbare Zusammenhang von Form und Materie

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Pointiert formuliert Michael Weinrich diesen Sachverhalt in seinen Überlegungen zu reformierter Identität: To be Reformed is not to have specific confessions but to have a Reformed attitude towards these confession. Being Reformed is not enough – you have always to be reformed and Reformed. That is the provocative meaning of ‚semper reformanda‘.6

Karl Barth, der diesem spezifisch-reformierten Verständnis von Bekenntnistexten im Gegenüber besonders zu einem lutherischen Bekenntnisverständnis in seiner Vorlesung über die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften von 1923 etwa ein Drittel seiner Zeit widmete,7 ist zuzustimmen, wenn er dieses gemeinsame Verständnis folgendermaßen charakterisiert: „Das Prinzip des reformierten Bekenntnisses besteht […] darin, dass es Form und Gefäß ist. Form und Gefäß desselben Inhalts, den das lutherische Bekenntnis als solchen, als Materie meint in Anspruch nehmen zu können. Nur Form und Gefäß dieses Inhalts, sagt das reformierte Bekenntnis und nimmt den Inhalt nicht für sich in Anspruch.“8 Von ebenso entscheidender Bedeutung für das reformierte Bekenntnisverständnis wie diese eher „formale“ Definition des Bekenntnisprinzips ist jedoch auch und gerade deren Fortführung, die Barth kurz darauf vornimmt. Dieses Bekenntnisprinzip beruht nämlich, wie Barth anhand seiner Untersuchung insbesondere der reformierten Bekenntnisse der Reformationszeit nachweist,9 auf einem weiterem Prinzip, dem Schriftprinzip – ein für Barths Theologie in dieser Zeit mitentscheidender terminus10: „Das reformierte Bekenntnis ist Bekenntnis zur Schriftwahrheit; solange und sofern es das ist, hat es nicht aufgehört zu sein.“11 Das Schriftverständnis reformierter Bekenntnisse wird an anderer Stelle12 ausführlich zu diskutieren sein; bereits hier soll jedoch festgehalten werden, dass reformierte Bekenntnisse zwar bewusst und nachdrücklich das Bekenntnis als Form und Gefäß von dessen Inhalt, dem Worte Gottes, unterscheiden, dass jedoch Form und Gefäß immer entscheidend und grundlegend

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tent. Vgl. dazu z. B. Small, Conversation, 1: „We know too well that there is a slip between the formal place of confessions in our ecclesiology and the way things are in sessions, presbyteries, and our own offices and homes. To the extent that we pay attention to them at all, it is often as museum pieces – as mildly interesting historical artifacts – or, increasingly, as rule books to identify bad faith or bad life in other people.“ Weinrich, Reformed Identity, 156. Nämlich § 1 Die Bedeutung des Bekenntnisses in der reformierten Kirche und § 2 Das Schriftprinzip und seine Begründung; Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 1–103. Barth, a. a. O., 64. (Hervorhebungen im Original). Diese These Barths lässt sich auch, wie im Folgenden aufgezeigt werden wird, ebenso für die modernen Bekenntnistexte der reformierten Tradition nachweisen. Vgl. dazu Plasger, Relative Autorität, 36f. Barth, a. a. O., 65. Siehe unten insbesondere Kapitel 4.3.5.2. zum Zeugendienst des Heiligen Geistes.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

von ihrem Inhalt her bestimmt werden, und dass daher beide Größen in einer wesentlichen, wenn auch einseitigen Relation zueinander stehen. Weil nur in der und durch die Schrift das Wort Gottes zu finden ist, übernimmt die Heilige Schrift diese formale Rolle als Regel aller Verkündigung;13 woraus folgt, dass „das Formalprinzip nicht nur eine formale Dimension hat, sondern eine inhaltliche, materiale Grundlegung (nicht nur Füllung!)“14. Mit anderen Worten, das Bekenntnisverständnis in der reformierten Tradition ergibt sich aus dem zu Bekennenden, und ist mit ihm untrennbar verbunden. Reformierte Bekenntnisse in ihrer spezifischen Eigenart können nur dann recht verstanden werden, wenn formale und materiale Aspekte in ihrem Zusammenhang gesehen und interpretiert werden; wenn deutlich wird, dass das Bekenntnisverständnis in der reformierten Tradition in seinen wesentlichen Aspekten von theologischen Grundentscheidungen bestimmt wird, ja in einigen seiner Elemente selbst Bekenntnis ist,15 wie in den folgenden Abschnitten immer wieder zu zeigen sein wird. Ein Versuch, diese theologischen Grundentscheidungen wenigstens vorläufig zu bestimmen und sichtbar zu machen, wird im vierten Kapitel in der interpretativen Bekenntnisexegese mithilfe der Tiefendimension der Heiligkeit vorgenommen werden, welche sich dann auch auf das im Folgenden zu erarbeitende Bekenntnisverständnis beziehen lässt, bzw. dessen theologische Fundierung deutlich machen wird. Damit ist auch die Kongruenz reformierter Bekenntnishermeneutik, die in dem folgenden Kapitel näher bestimmt werden soll, nämlich das in großen Zügen einheitliche Verständnis der Bekenntnisschriften in der reformierten Tradition, keine auf äußerliche, rein formale Kriterien zurückzuführende Gemeinsamkeit, sondern beruht direkt und indirekt auf einer gemeinsamen theologischen Basis.16 Anders ausgedrückt: nicht allein die Bekenntnisschriften, sondern auch alle Aspekte des Bekenntnisverständnisses sind in der reformierten Tradition potentiell revidierbar, sie können jedoch nicht adiaphora, nicht beliebig werden, so wie ja auch die materialen Aussagen des Bekenntnisses zwar nicht mit dem Worte 13 Barth, a. a. O., 67, stellt die These auf, die für seine folgende Untersuchung des Schriftprinzips und seiner Begründung ausschlaggebend wird: „Die Kirche erkennt die Regel ihrer Verkündigung allein im Worte Gottes und findet das Wort Gottes allein in der heiligen Schrift.“ 14 Plasger, a. a. O., 36. 15 So schreibt etwa Barth in seiner Begründung des Schriftprinzips, a. a. O., 89: „Die heilige Schrift ist die vollkommene Offenbarung, oder: sie ist das Werk des heiligen Geistes. Ein Werk des heiligen Geistes ist aber auch dieses Urteil über die Schrift.“ Vgl. dazu auch Plasger, a. a. O., 53f. 16 Aus diesem Grunde wird in dem folgenden Kapitel nicht allein auf die Präambeln, Vorworte und Begleitschreiben der Bekenntnistexte, die für das Verständnis der Bekenntnistexte eine entscheidende Rolle spielen, eingegangen, sondern auch auf die Aussagen des Bekenntniskorpus selber.

Der unlösbare Zusammenhang von Form und Materie

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Gottes verwechselt werden dürfen, aber eben auch nicht beliebig sein können. Ein weiterer entscheidender Punkt für die Bestimmung einer Kongruenz der Bekenntnishermeneutik reformierter Kirchen weltweit soll hier wenigstens kurz angesprochen werden: auch diejenigen reformierten Kirchen, die seit der Reformation keine neuen Bekenntnistexte verfasst haben, oder die gar zu „bekenntnis-freien“ Kirchen geworden sind, teilen die durch Explizierung des Bekenntnisverständnisses gewonnenen Teilaspekte reformierten Selbstverständnisses, denn diese Teilaspekte beruhen ja auf jenem theologischen Gottes- und Selbstverständnis, welches sich zwar in diesen Kirchen nicht direkt in neuen Bekenntnisprozessen ausgewirkt hat, welches aber indirekt und auf vielfältige Weise auch Theologie und Leben dieser Kirchen mitbestimmt. Wenn also die zeitliche und geographische Bekenntnisvielfalt ein offensichtliches, phänomenologisches Kennzeichen der reformierten Tradition im Unterschied zu anderen christlichen Traditionen darstellt, so ist dieses Faktum selbst doch, dem hier dargelegten Verständnis folgend, nicht Teil einer noch zu bestimmenden reformierten Identität, sondern Konsequenz dieser Identität. Um das eben diskutierte Beispiel noch einmal aufzugreifen: Reformierte Kirchen müssen keine neuen Bekenntnisse verfassen, um dem Prinzip des semper reformanda zu entsprechen; sie müssen allerdings grundsätzlich dazu bereit sein, ihre Bekenntnisse sowie eine etwaige Bekenntnislosigkeit immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob sie noch dem Prinzip entsprechen, wonach Gottes Wort Grund, Norm und Ziel für jede Form der Reformation des Lebens und der Lehre der Kirche ist, oder ob die Kirche etwa in ihrer Zeit und an ihrem Ort zu neuem (Bekenntnis-)Handeln aufgerufen ist. Vice versa gilt: nicht jede reformierte Kirche, die ein neues Bekenntnis verfasst, kann damit unmittelbar auf ihre reformierte Identität verweisen – auch dieses neue Bekenntnis muss auf grundlegende theologische Entscheidungen hin befragt werden. Im Folgenden werden nun anhand der Diskussion einiger für die reformierte Tradition charakteristischer theologischer Schwerpunkte Teilaspekte reformierten Selbstverständnisses über das Bekenntnisverständnis expliziert, beginnend mit einer Untersuchung der Auswirkungen ekklesiologischer Bestimmungen auf das Bekenntnisverständnis.

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3.2

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Die communio viatorum17 und ihr Bekenntnis

3.2.1 Der theozentrische Charakter von Kirche und Bekenntnis Zentral für reformierte Ekklesiologie, wenn auch selbstredend nicht einzigartig im Vergleich mit anderen christlichen Traditionen, ist das Verständnis der Kirche als „theocentric community“18; als Gemeinschaft der Heiligen, deren Identität vom Sein und Wirken des Heiligen Gottes her zu bestimmen ist,19 und die daher in keinem Aspekt selbst-referentiell sein kann. Diese Lehre, die aus dem Verständnis der Heiligkeit und Souveränität Gottes erwächst, hat in der reformierten Tradition immer auch als Leitmotiv funktioniert, indem sie die inhaltliche Gewichtung und Rangfolge reformierter Lehren mitbestimmt; im ekklesiologischen Zusammenhang heißt das: Kirche ist nicht ohne den Heiligen Gott und Gottes heiliges und heiligendes Handeln, genauer gesagt: Gottes schaffendes, erwählendes, versöhnendes, befreiendes und sendendes Handeln, zu verstehen.20 Von großer Bedeutung ist hierbei, dass Erwählung auch in den klassischen reformierten Texten nicht allein und nicht primär – wie einem weitverbreiteten Missverständnis zufolge21 – individuell zu verstehen ist, sondern sich auf Gottes Akt der Erwählung seiner Gemeinde in Christus bezieht, deren Glied die einzelne Christin, der einzelne Christ ist.22 So erwähnt z. B. der Heidelberger Katechismus, eines der in Geschichte und Gegenwart einflussreichsten Bekenntnistexte der 17 Zum Begriff der communio viatorum siehe unten bei Anm. 128. 18 Stotts, Art. Church, 69. Vgl. dazu auch Hesselink, On Being Reformed, 94: „The most fundamental and comprehensive thing that can be said about the Reformed Tradition is that it is theocentric or God-centered.“ 19 Auf dem Hintergrund des Heilshandelns des trinitarischen Gottes wäre also präziser von einer „God-centered, Christ-focused and Spirit-empowered“ Gemeinschaft zu reden; so Migliore, The Communion of the Triune God, 145. Vgl. dazu auch die Diskussion des Begriffes und seines historischen Hintergrunds bei Johnson, The Mystery of God, 192 (Anm. 2); sowie die Warnung de Quervains, Konfession und Katholizität, 37: „Die Kennzeichnung der lutherischen Theologie als einer christozentrischen, der reformierten Theologie als einer theozentrischen ist unsachlich, untheologisch, unkirchlich. Calvin weiß als Theologe wohl, dass es Gotteserkenntnis außerhalb des Wortes, außerhalb des Fleisch gewordenen Wortes, nicht gibt.“ Im Hinblick auf traditionelle Bestimmungen des Wesens der Kirche hält daher auch Letty M. Russell zusammenfassend fest: „The church has no nature of its own because its existence is derivative from Christ’s presence.“; Russell, Why bother with Church?, 243. 20 In dieser genaueren Bestimmung liegt auch die Abwehr eines „letzten Endes abstrakten Theozentrismus“, der Gott allein als absoluten und autoritären Herrscher von seinen Geschöpfen abstrahiert – gerade das erste Gebot, zum Beispiel, schildert Gott aber als den Gott einer Freiheitsgeschichte: „Nicht Herrschafts-, sondern Erlösungs- und Freiheitsinteresse ist sein Leitmotiv“, so Lochman, Wegweisung der Freiheit, 39. 21 Vgl. dazu auch Ernst-Habib, „Chosen by Grace“, 89–94. 22 Vgl. dazu unten ausführlicher Kapitel 4.3.1. Die Erwählung der Gemeinschaft der Heiligen. Siehe auch Blei, Communion and Catholicity, 372–377.

Die communio viatorum und ihr Bekenntnis

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reformierten Tradition weltweit, im Anschluss an Melanchthon Gottes Erwählung tatsächlich nur in diesem Zusammenhang,23 indem er bekennt, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen menschlichen Geschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammle, schütze und erhalte, und dass ich derselben ein lebendiges Glied bin und ewig bleiben werde. (Frage 54) 24

Der Heidelberger Katechismus betont damit, dass die theozentrische Ausrichtung der Kirche nicht allein auf ein vergangenes Erwählungshandeln zu beschränken ist, sondern dass es sich auch auf die Gegenwart und die Zukunft von Gottes Handeln in Bewahrung und Mission der Kirche bezieht.25 Reformiertem Verständnis nach ist die Kirche daher keine triumphale Heilsanstalt, die etwa Gottes Gnadenmittel austeilen könnte,26 sondern sie ist essentiell schwache Kirche, die allein zur Ehre Gottes existiert, um Gottes Willen und sein Handeln in und für die Welt zu bezeugen.27 Diese Schwäche, oder mit den Worten Michael Weinrichs, diese relative Natur der Kirche spiegelt sich nun unmittelbar im Verständnis des Bekenntnisses wider: „Because a confession is not the Word of God but the response of the church to that Word, it shares in the church’s relativity in its continually fluctuating state.“28 Auch das Bekenntnis als Antwort der Kirche kann in der reformierten Tradition daher nur als „schwach“ und „relativ“ verstanden werden, bei aller Autorität und Wertschätzung, dies es besitzen mag.29 Reformierte Bekenntnisse verstehen sich auf diesem Hintergrund als theozentrisch: die von Gott erwählte und ausgerüstete Gemeinschaft der Heiligen mit Hilfe des Heiligen Geistes strebt mit dem Bekenntnis an, von Gottes Handeln Zeugnis abzulegen – im Angesicht Gottes, der Kirche und der Welt.30 Das Handeln dieses Heiligen Gottes ist im Bekenntnisakt der Kirche zentral, d. h. es ist 23 24 25 26

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Vgl. dazu die Diskussion bei Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 198–200. Vgl. dazu z. B. auch Kapitel XVI der Confessio Scotica. Vgl. Link, Kennzeichen der Kirche, 273–275. Vgl. dazu etwa Blei, a. a. O., 372: „The church as […] communio sanctorum [is] not an institution of grace above people, but the communion of the people themselves; not an institution of salvation, distributing salvation according to its own insight and decision, but a communion of salvation, a communion of people who are listening to the Word and actually sharing in salvation.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch die Argumentation bei Weinrich, Openness and Worldliness, 413: „The semper reformanda points the church not to itself but beyond itself to that Word of God which it hears, to which is has to respond, and to which it is responsible. The church is vitally reminded of the fact that it is neither grounded in itself nor capable of maintaining itself. It owes not only its calling but also its preservation and mission to its living opposite, to God, i. e., to the Word of God which is continually to be heard anew and is offered to it as gospel and command.“ (Hervorhebungen im Orginal). Weinrich, a. a. O., 413f. Vgl. dazu den folgenden Abschnitt 3.4. zur relativen Autorität des Bekenntnisses. Siehe dazu unten den Abschnitt 3.5.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Gottes Offenbarung, die bezeugt wird, und es ist Gottes Heiliger Geist, in dem bezeugt wird; Bekenntnis ist ein im tiefsten Sinne „geistliches Ereignis“31. Karl Barth konnte daher dieses Zeugnis des reformierten Bekenntnisses treffend beschreiben als „Hinweis“ auf Gottes Wirken und als „Empfangsbestätigung“32 dessen, was Gott selbst bezeugt.33 Aus pneumatologischer Perspektive ließe sich das Bekenntnis damit als eine Art „Pfingsterfahrung“ verstehen: „die Einsicht der Bekenntnisse ist eine geschenkte und empfangene Einsicht“34. Die Barmer Theologische Erklärung versteht ihr Bekennen in eben dieser Weise als Gabe Gottes, wenn sie in ihrem Vorwort sagt: Gemeinsam dürfen und müssen wir als Glieder lutherischer, reformierter und unierter Kirchen heute in dieser Sache reden. Gerade weil wir unseren verschiedenen Bekenntnissen treu sein und bleiben wollen, dürfen wir nicht schweigen, da wir glauben, dass uns in einer Zeit gemeinsamer Not und Anfechtung ein gemeinsames Wort in den Mund gelegt worden ist.35

Auch das „Objekt“ des Bezeugens, Jesus Christus als autor und perfector des Glaubens [vgl. Hebr. 12:2] und seiner Antwort, ist wiederum nur in seiner Theozentrik zu verstehen: „Christus ist das Zeugnis, Christus wird bezeugt, und Christus bezeugt sich in seiner Gemeinde.“36; zugespitzt formuliert gilt damit für reformierte, wie für alle christlichen Bekenntnisse: „Bekenntnis heißt Messiasbekenntnis.“37 Das Bekenntnis zu Christus, das auf Christi Bekenntnis zum 31 Vgl. Wethmar, Confessionality and Identity, 139f: „A confession is much more than merely having a theory about Jesus or simply knowing something about God.And as such, it is more than a mere human act. A real confession of faith is a spiritual event.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 32 Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 64f. 33 Vgl. dazu auch die Diskussion der Voraussetzungen des Bekenntnisses in Plasger, a. a. O., 9– 30. Dabei ist festzuhalten, dass neuere reformierte Bekenntnistexte ihre theozentrische Grundlage gegenüber den klassischen Texten in pointierter Weise anders ausdrücken. So bewegt sich in den neueren Bekenntnistexten die theologische Logik meist vom Handeln zum Sein, ist daher eher als funktional denn als spekulativ zu bezeichnen. Gottes Sein etwa wird durch Gottes Selbstoffenbarung in der Geschichte interpretiert und nicht ontologisch definiert. Vgl. dazu auch Cochrane, The Church’s Confession under Hitler, 213: „The Confession occurs not when we think we have discovered the truth, but when the truth has found us.“ 34 Naudé/Botha, Jesus is die Here!, 16: „Belydenisse is Pinksterervarings. Die insig van die belydenis is geskenkte en ontvangde insig.“ 35 Nicolaisen, Der Weg nach Barmen, 172 (Hervorhebungen: M. E.-H.; nicht abgedruckt in Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften). 36 Jacobs, a. a. O., 18. Vgl. dazu auch WARC, Confessions and Confessing, 22: „The ultimate source of all confession is Jesus Christ who made the good confession before Pontius Pilate. He is at the same time the author and perfector and the object of the confession of the Church.“ 37 Barth, Das Bekenntnis der Reformation, 9. Jan Rohls hält diesen Ansatz für nicht allgemein auf die reformierten Bekenntnisse übertragbar in dem Sinne, dass Barth irrt, „when he declares that they [the Reformed confessions] explicate nothing but God’s self-revelation in Jesus Christ. […] The restriction to the revelation in Christ is part of Barth’s own theological

Die communio viatorum und ihr Bekenntnis

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Menschen folgt,38 das durch Christi vor-läufiges Bekenntnis39 provoziert wurde,40 und das alle die einigt, die zur Kirche gehören, kann damit als latentes Bekenntnis verstanden werden, dass je und je zur Bekenntnisschrift expliziert werden muss.41 Alle Bekenntnisschriften haben also ihren „‚Bekenntnis‘-Moment […] – nach reformatorischem Glauben – ihre Wurzel im neutestamentlichen Bekenntnis: Jesus ist der Herr, beziehungsweise im alttestamentlichen Bekenntnis: Jahwe, unser Gott, ist einer.“42 Das theozentrische Bekenntnis der reformierten Tradition kann daher nicht ein selbst-referentielles Dokument einer Übereinkunft von Kirchentheologen und –theologinnen oder Gruppen und Parteien in der Kirche sein,43 sondern immer nur als gehorsame Antwort der Kirche im Rahmen des Versöhnungs-

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program.“ Dagegen hält er fest: „The doctrine of a general revelation of God, which forms the basis of natural theology, makes good sense and has a biblical foundation as well. It is quite obvious that it is part of the old Reformed confessions.“ Rohls, Reformed Theology, 37. Rohls ist in soweit zuzustimmen, dass in diesem Ansatz Barths eigenes Programm deutlich zum Tragen kommt, und dass es in der Folgezeit sicher einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Theologen und Theologinnen der bekennenden Kirchen ausübte. Das die reformierten Bekenntisse in Gegenwart und Vergangenheit einer natürlichen Gotteserkenntnis den gleichen oder auch nur einen annähernd bedeutenden Stellenwert wie der Selbstoffenbarung Gottes in Christus einräumen, lässt sich dagegen m. E. durch die Quellen nicht belegen. Moltmann, Das Bekenntnis Jesu Christi, 504: „Das ‚Bekenntnis Jesu Christi‘ meint zuerst sein Bekenntnis zu uns und erst dann und daraufhin unser Bekenntnis zu ihm. […] Unser Christusbekenntnis muß sich darum am bekennenden Christus orientieren. In seinem Bekenntnis zu uns liegen die Kraft und die Gemeinschaft unseres bekennenden Glaubens.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch Heron, Confessional Continuity, 150f, der von dem „single, normative testimony of Jesus Christ“ auch im Blick auf reformierte Bekenntnisse spricht. Weniger christologisch pointiert spricht Kunz, Reformierte Katholizität, 139, davon, dass „Credo […] die Antwort auf das Bekenntnis Gottes zu seiner Kirche ist.“ So Reichel, Theologie als Bekenntnis, 264: „Das Bekenntnis Gottes zum Menschen ist dem Bekenntnis des Menschen zu Gott darum konstitutiv vor-läufig.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. Busch, Credo, 12: „Antwort ist ihr [der Kirche] Bekennen aber auch in dem Sinn, dass es provoziert ist durch Christi Bekennen seinerseits zu uns. […] Das Bekenntnis Christi zu uns macht unser Bekenntnis zu ihm nicht überflüssig, es ermöglicht es, ruft es hervor spricht uns dazu mündig. In unserem Bekennen bestätigen wir unsere Mündigkeit und wird so unser Glaube ausdrücklich Glauben.“ (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu Fischer, Bekenntnis und Verbindlichkeit, 35. Jacobs, a. a. O., 9f. Vgl. dazu auch Gerrish, Saving and Secular Faith, 57: „However elaborately the primitive Christian formula may be developed, the confession that makes and remakes the church has always been: ‚Jesus is Lord (or Christ).‘“ Vgl. dazu auch Leith, Introduction, 99: „The theocentric character of Reformed faith sets it over against every ethic of self-realization, against inordinate concern with the salvation of one’s own soul, against excessive preoccupation with questions of personal identity. The great fact is God, and the true vocation of every human being is trust in him and loyalty to his cause.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

werkes Christi versucht werden, als kleine menschliche Antwort44, als „Angebot und Versuch“45. So bleibt es auch, wie alle menschlichen Werke, auf Rechtfertigung und Heiligung angewiesen, und zeigt darin seinen theozentrischen Charakter auf; wie etwa die Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales betont: Wir bringen unsere Erklärung Gott dar, den wir im christlichen Glauben verehren, zur Ehre seiner Herrlichkeit. Wir beten, dass er das, was falsch daran ist, keinen Schaden anrichten lasse. Wir beten, dass er das, was richtig daran ist, zur Stärkung des Glaubens gebrauche.46

Reformiertes Bekennen versteht sich also selbst als von Gottes eigenem Zeugnis herkommend, auf Gottes Sein und Handeln hinweisend und durch Gottes rechtfertigendes und heiligendes Handeln wirkend, und ist daher im eigentlichen Sinne als dreifach theozentrisch zu beschreiben.47

3.2.2 Unsichtbare und sichtbare Kirche Da die Kirche als theozentrische Gemeinschaft auf Gottes Erwählung und nicht auf menschlichem Übereinkommen beruht, ist auch nur Gott allein „die Erkenntnis seiner Kirche überlassen, deren Fundament ja seine verborgene Erwählung ist“, wie Calvin formulierte.48 Nicht im Unterschied zu vielen anderen christlichen Traditionen, aber in spezifisch charakteristischer Weise betont daher die reformierte Tradition den Unterschied zwischen der ecclesia visibile et invisibile und gleichzeitig ihren Zusammenhang.49 Aus dieser Betonung ergeben sich für das reformierte Bekenntnisverständnis bedeutsame Folgerungen. a) Das Bekenntnis zur unsichtbaren Kirche als der wahren und vollständigen Kirche verankert die Identität der Kirche wiederum in Gottes Sein und Wirken. Nur Gott ist die wahre Kirche bekannt, da sie eben auf seiner Erwählung beruht, wie schon die Confessio Scotica bekannte.50 Für das reformierte Verständnis der 44 Vgl. Moltmann, a. a. O., 507: „Das Bekenntnis der Glaubenden zu Christus ist getragen vom Bekenntnis Jesus Christi zu ihnen und ist nur eine kleine menschliche Antwort.“ 45 Barth, Credo, 11. Vgl. dazu auch Goroncy, Semper Reformanda, 51. 46 RZH, 75. Vgl. dazu auch die Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten von 1976: „Wir unterbreiten [Gottes] Urteil all unser Verständnis von Lehre und Praxis, einschließlich dieser Glaubenserklärung.“; a. a. O., 191. 47 Vgl. dazu Reichel, a. a. O., 264f. 48 Inst. IV.1.2. 49 Vgl. dazu etwa Bradbury, Perpetually Reforming, 31–59, und Sorge, Why the Church?, 160– 162. 50 BSRK 256,27f: „Haec ecclesia inivisibilis est, uni Deo cognita, qui solus novit quos elegerit“. (Plager/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 138: „Diese Kirche ist unsichtbar, nur Gott bekannt, der allein weiß, welche er erwählt hat.“)

Die communio viatorum und ihr Bekenntnis

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unsichtbaren Kirche lässt sich festhalten, dass „the notion of the invisible church reminds us that the church does not exist to serve its own ends; the church exists because of God, not because of us. […] We are Christians because God has called us and claimed us, not because the visible church has given us its stamp of approval.“51 Gliedschaft am Leibe Christi ist nicht auf menschliches Wirken, Anerkennung oder individuelle Entscheidung zurückzuführen, sondern auf Gottes Akt der liebenden Erwählung, wie das Belhar-Bekenntnis in seinem ersten Artikel in Anlehnung an die oben bereits zitierte Frage 54 des Heidelberger Katechismus bekennt: Wir glauben an den dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, der seine Kirche durch sein Wort und seinen Geist versammelt, schützt und für sie sorgt, wie er es von Anfang an getan hat und bis in alle Ewigkeit tut.52

Menschlichem Urteil ist der Umfang der wahren Kirche vorenthalten, daher begegnen die Glieder der christlichen Gemeinschaft jedem und jeder mit Hoffnung für das Beste und verwerfen niemanden vorschnell als Verworfenen, wie die Helvetica Posterior die Gläubigen ermahnte.53 Aber nicht allein der Umfang der wahren Kirche ist Gegenstand der Lehre von der sichtbaren und der unsichtbaren Kirche in der reformierten Tradition; wichtiger noch ist die Bestimmung des essentiellen Wesens aller sichtbaren Kirchen, das sich aus dieser Unterscheidung ergibt. Keine sichtbare Kirche, und sei sie auch noch so perfekt, kann in ihrer historischen Realität die Verheißung und Berufung der wahren Kirche, der unsichtbaren, der geglaubten Kirche Gottes ein für allemal erfüllen.54 Sichtbare Kirche wird sich daher immer wieder neu am Worte Gottes ausrichten müssen, dessen Geschöpf sie ja ist.55 Diese besondere Betonung der Unsichtbarkeit der Kirche war durch die Jahrhunderte hindurch eines der Kennzeichen der reformierten Tradition56 und beeinflusste unweigerlich auch das Bekenntnisverständnis. Zum einen ergibt sich aus dieser Betonung, dass die Bekenntnisdokumente der Kirche die nicht von 51 Pauw, Graced Infirmity, 199. 52 RZH, 7. 53 BSRK 181,40–43: „Et quamvis Deus norit, quit sint sui, et alicubi mentio fiat paucitatis electorum, bene sperandum est tamen de omnibus, neque temere reprobis quisquam est annumerandus.“ (Heinrich Bullinger, Das Zweite Helvetische Bekenntnis, 44: „Obwohl nun Gott weiß, wer die Seinen sind und da und dort die geringe Zahl der Erwählten erwähnt wird, muß man doch für alle das Beste hoffen und darf nicht vorschnell jemanden den Verworfenen beizählen.“ (Die Abschnitte V–X der Helvetica Posterior sind in Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, nicht abgedruckt.) 54 Vgl. auch zum folgenden Weinrich, Confessing Unity, 170. 55 Vgl. McEnhill, The Reformed Tradition, 83: „The Church is never a settled possession, never a cosy accommodation with received tradition or past structures, but is a creation of the Word itself and often a disturbing and uncomfortable gift.“ 56 Blei, Communion and catholicity, 375.

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Menschen einzugrenzende Liebe Gottes inhaltlich und formal widerzuspiegeln haben, indem sie nicht etwa anstreben, einen Katalog von absoluten und finiten Lehrsätzen aufzustellen, anhand dessen dann entschieden werden könnte, wer durch Zustimmung dazu zu den Erwählten gerechnet werden kann und wer nicht. Selbst Verwerfungen in Bekenntnistexten zielen letztendlich darauf ab, die Liebe Gottes weiterzugeben, indem sie die Gläubigen, die Häresien anhängen, dazu einladen, zum wahren Glauben in die Gemeinschaft der Kirche zurückzukehren.57 Zum anderen hat die oben beschriebene „essentially relative nature of the church“58 einen direkten Einfluss auf das formale Bekenntnisverständnis, denn so wie keine Kirche vollständig das sein kann, wozu sie berufen ist, so kann auch kein Bekenntnis einer Kirche erschöpfend und abschließend auf Gottes Ruf antworten, sondern wird sich immer nur als vorläufig und relativ verstehen können.59 (b) Ebenso bedeutsam wie die unsichtbare Kirche ist jedoch für reformierte Ekklesiologie die sichtbare Kirche, die von Calvin bemerkenswerterweise „unsere Mutter“ genannt wird;60 reformierte Ekklesiologie ist bei aller Betonung der ecclesia invisibile keine doketische Ekklesiologie.61 Für die Struktur reformierter Ekklesiologie bleibt festzuhalten, dass „die Berufung auf einen coetus electorum […] gerade nicht die ‚sichtbare‘ Kirche gegenüber einer ‚unsichtbaren‘ abwerten [will], ja sie kann im Bereich dessen, was wir ‚in hoc saeculo‘ als Gemeinde kennen und verwirklichen, überhaupt keine Trennung begründen.“62 Diese sichtbare Kirche mit allen ihren Fehlern, Problemen und Schwächen ist für die Gläubigen essentiell und nicht optional,63 denn sie ist in Gottes Heiligkeit und nicht dem menschlichen Wirken begründet. Die Kirche ist heilig, da sie auf dem vollendeten und dem weitergehenden Werk Christi gründet und indem sie für Gottes Herrlichkeit und das Zeugnis in der Welt ausgeson57 So etwa die Barmer Theologische Erklärung in ihrem vorletzten Satz: „Die Bekenntnissynode […] bittet alle, die es angeht, in die Einheit des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zurückzukehren.“ Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 245. 58 Weinrich, a. a. O., 170. 59 Vgl. dazu unten die ausführliche Diskussion in Abschnitt 3.4.2. 60 Inst. IV.1.4: „Es gibt für uns keinen anderen Weg ins Leben hinein, als dass sie [die sichtbare Kirche mit dem Ehrennamen Mutter] uns in ihrem Schoße empfängt, uns gebiert, an ihrer Brust nährt und uns schlieplich unter ihrer Hut und Leitung in Schutz nimmt, bis wir das sterbliche Fleisch von uns gelegt haben und den Engeln gleich sein werden (Matth. 22:30).“ 61 Vgl. dazu Blei, a. a. O., 375. 62 Link, Kennzeichen der Kirche, 278. 63 Buitendag, Corporate Culture, 214, schreibt in diesem Zusammenhang: „By being visible, the church is composed of human beings and exists for human beings. By being visible, the chuch is being true, not false, to its essential nature. The fellowship of the believers exists in space and time and must therefore exist visibly in order to fulfil ist vocation.“ Vgl. dazu auch Kunz, a. a. O., 136, Anm. 37, der in Bezug auf Barths Ekklesiologie pointiert festhält: „Es gibt […] keine communion sanctorum in abstracto.“ (Hervorhebungen im Original).

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dert ist. Ihre Heiligkeit bleibt also darin begründet, dass Gott sie für ihre erlösende Mission heiligt, und nicht in irgendwelcher Heiligkeit ihrer Mitglieder.64

Es ist jedoch eben diese sichtbare Kirche, die in der reformierten Tradition immer wieder Grund und Anlass geboten hat, den christlichen Glauben aufs Neue zu bekennen, da sie sich von ihrem Zentrum Christus zu entfernen drohte oder bereits entfernt hatte. Dabei wird der Begriff des status confessionis nicht allein auf eine lehrmäßige Häresie angewandt; auch die Strukturen und Formen, die Kirchenverfassungen und Realitäten des kirchlichen Lebens werden als Teil des Glaubensbekenntnisses der Kirche verstanden.65 So verbindet die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung nachdrücklich „Glaube und Gehorsam“ sowie „Botschaft und Ordnung“, und verwirft jede Beliebigkeit der Gestalt von Botschaft und Ordnung. Auch das Belhar-Bekenntnis thematisiert diesen Zusammenhang ausführlich an zentraler Stelle,66 handelt es sich hierbei doch um den konkreten Anlass für das Bekenntnis selbst. Es ist die durch Apartheidsideologie und -theologie begründete Spaltung der sichtbaren Kirche, in der die Niederländisch-Reformierte Missionskirche einen status confessionis sah, eine Fehlinterpretation von Glauben und Gehorsam.67 Konkret wird auch das Bekenntnis der Toraja-Kirche/Indonesien von 1981, das den Gehorsam der „neuen Gemeinschaft“ als Niederreißen aller „Trennwände der alten Strukturen und Normen in allen ihren Ausdrucksformen“ beschreibt,68 eine Formulierung, die auf dem Hintergrund der indonesischen Gesellschaft einen geradezu revolutionären Charakter besitzt.69 „Form und Identität“70 der Kirche sind dem Bekenntnis reformierter Kirchen nach vom Heiligen Geist gegeben und müssen daher ihren konkreten Ausdruck finden; die sichtbare Struktur der Kirche ist „ein Bestandteil ihres Zeugnisses“71. 64 Glaubensbekenntnis der Cumberland-Presbyterianischen und der Zweiten CumberlandPresbyterianischen Kirche von 1984; RZH, 213. 65 Vgl. dazu unten Abschnitt 3.6. 66 Vgl. dazu besonders den zweiten Artikel des Belhar-Bekenntnisses, RZH, 7f. 67 Vgl. dazu die Aussagen zum „neuen Gehorsam“ im dritten Artikel des Belhar-Bekenntnisses, RZH, 8. 68 RZH, 26. 69 Vgl. dazu Kobong, Evangelium und Tongkonan. Eine Untersuchung zwischen christlicher Botschaft und der Kultur der Toraja. 70 So die Terminologie der Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten (1976), RZH, 194. 71 DeGruchy, Befreiung der reformierten Theologie, 193; vgl. dazu seine Diskussion „Die Bekenntnisstruktur der Kirche“, a. a. O., 193–198. Dirk Smit verweist darauf, dass aus diesem Grund in der reformierten Tradition immer wieder Kirchenordnungen zusammen mit Bekenntnissen verfasst wurden: „Time and again, confessions would be followed by church orders, so that the witness of the community, through words, deeds and life, could indeed correspond to the confession, which meant, to the gospel as heard in their historical context.“; Smit, No other motives, 155.

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Der konkrete Ausdruck der sichtbaren Kirche ist dabei kein Endzweck in sich selbst, sondern immer wieder nicht nur auf seine Grundlage hin zu prüfen, nämlich das Wirken des Heiligen Geistes, sondern auch auf seine Ausrichtung: Organisation, Theologie und Verfassung der Kirche sind dazu da, ihr zu helfen, richtig und hilfreich zu funktionieren. Die Kirche besteht konkret durch ihr Leben in Glauben und Mission; sie nimmt notwendigerweise institutionelle Gestalt an. Die Kirche errichtet eine institutionelle Ordnung, um die missionarische Arbeit wirksam wahrnehmen zu können.72 So regelt die Kirche ihr Leben als Institution durch Verfassung, Leitung, Amtsträger, Finanzen und Verwaltungsvorschriften. Dies sind Instrumente ihrer Sendung, kein Selbstzweck. […] Jede Kirchenordnung muss für Reformen offen sein, die sich als nötig erweisen, um sie zu einem besseren Instrument des Versöhnungsauftrags zu machen.73

Bekenntnisse und eben auch Kirchenordnungen und -verfassungen, die als Teil des Bekenntnisses der Kirche verstanden werden können, müssen als konkrete Instrumente der sichtbaren Kirche daher immer auch mit Blick auf ihre Funktion in dieser Kirche formuliert und verstanden werden; sie sind nicht allein ehrwürdige, amtliche Dokumente, von Theologen oder Kirchenjuristen erarbeitet, sondern Werkzeuge für die umfassende, tagtägliche Mission der Kirche.74 Allerdings ist an dieser Stelle auch auf eine Gefahr hinzuweisen, die sich durch die Unterscheidung der sichtbaren von der unsichtbaren Kirche ergeben kann, und die im Laufe der Kirchengeschichte schon vielfach problematisch wurde; nämlich die Abtrennung der ecclesia visibile von der ecclesia invisibile, welche oftmals eine theologisch legitimierte Spaltung der sichtbaren Kirche nach sich zog. Gegen diese Fehlinterpretation betonen reformierte Ekklesiologien (c) die Einheit der Kirche als „Gabe und Verpflichtung für die Kirche Jesu Christi“; als eine Einheit, die sowohl „bindende Kraft“ als auch „Realität“ ist.75 Die unsichtbare Kirche ist „kein freischwebendes Ideal […] Sie existiert nicht außerhalb,

72 Kap. VI, Abschnitt 1 des Neuen Bekenntnisses der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972; RZH, 46. 73 So das Bekenntnis von 1967 aus den USA, RZH, 165. 74 Vgl. dazu auch Jacobs, a. a. O., 22; Link, a. a. O., 285f; und Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 16: „Bekenntnisschriften dienen dem Zeugnis der Kirche. Sie wollen der Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags und ihrer Berufung helfen.“ 75 So der zweite Artikel des Belhar-Bekenntnisses, dessen Fokus die Einheit der Kirche ist; RZH, 7. Vgl. dazu auch die Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales von 1967, a.a.O., 90: „Die Einheit der Kirche Christi eine Tatsache, weil Christus bei seinem Volk wirklich gegenwärtig ist. Sie wird durch seine Gegenwart begründet, muß aber durch die Gemeinschaft aller Christen mit ihrem Herrn sowie mit der Kirche der vergangenen Jahrhunderte, mit Christen der eigenen unmittelbaren Umgebung und mit Christen in der ganzen Welt zum Ausdruck gebracht werden.“

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sondern innerhalb der sichtbaren Kirche“ und ist „ihr ‚gestaltbildendes Element‘“.76 Die Niederländische Reformierte Kirche bekennt: Durch die Heilsmittel und um sie herum versammelt der Heilige Geist die Kirche als die Gemeinschaft derer, die durch den Glauben an Christus Gottes Kinder sind. Diese Kirche ist sichtbar, da sie um die Heilsmittel geschart in Erscheinung tritt. Sie ist zugleich unsichtbar, insofern die Scheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen unsichtbar ist. Der Herr kennt die Seinen! 77

Bei aller Offenheit, Dynamik und Partikularität wird daher immer wieder betont, dass reformierte Kirchen „the one Church ‚of all times and of all places‘“78 glauben. Durch die Jahrhunderte weisen reformierte Bekenntnisse darauf hin, dass es Aufgabe der Kirche ist, diese geistliche Einheit der unsichtbaren Kirche der Welt in der sichtbaren Kirche offenbar zu machen, sie ernsthaft zu verfolgen und anzustreben, und dass menschliche Trennungen, welche die Einheit des Volkes Gottes bedrohen, gegen den Willen Gottes sind; „eine Sünde, die Christus bereits überwunden hat.“79 Diese im weitesten Sinne ökumenische Einheit sprengt nicht nur jede zeitliche Limitation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern erstreckt sich auf alle anderen von Menschen erschaffenen Begrenzungen, die in den Bekenntnissen des letzten Jahrhunderts immer wieder, je nach Kontext, in verschiedener Weise aufgeführt werden; so etwa die Unterschiede von „Rasse, Nation, Stamm oder sozialer Klasse“80 (Indonesien), von „Geschlecht, Alter, Sippe, Gesellschaft und Kultur“81 (Korea), von „Rasse, Klasse oder kirchlicher Tradition“82 (England), bzw. „kulturelle und wirtschaftliche, nationale und rassische Grenzen“ (Australien) 83. Für reformierte Bekenntnisse bedeutet dies, dass eines der ultimativen Ziele jeden Bekenntnisses die Einheit der Kirche zu sein hat, auch wenn dies eine temporäre Abwendung von häretischen Lehren und deren Anhängern bedeuten mag.84 Schon reformierte Bekenntnisse des Reformationszeitalters haben explizit 76 Link, a. a. O., 279. Vgl. dazu auch DeGruchy, a. a. O., 190, der Calvins Verständnis von der sichtbaren und unsichtbaren Kirche wie folgt zusammenfasst: „Für ihn [Calvin] war die ‚unsichtbare‘ Kirche keine alternative Kirche, sondern ein kritisches Mittel, die ‚sichtbare‘ Kirche in Frage zu stellen und zu reformieren.“ 77 Weber, Lebendiges Bekenntnis, 51. 78 Blei, a. a. O., 375. 79 Belhar-Bekenntnis, RZH, 7. 80 Glaubensbekenntnis der Torajakirche, RZH, 26. 81 Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972, RZH, 45. 82 Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von 1956, RZH, 70. 83 Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien von 1971, RZH, 278. 84 Vgl. dazu auch Jacobs, a. a. O., 16: „Bei aller notwendigen Herausstellung der Unterschiede und Gegensätze wollen und sollen die Bekenntnisschriften die Blickrichtung nicht in erster Linie auf die Unterschiede, sondern auf den gemeinsamen Bezugspunkt des Wortes Gottes, auf Christus selbst lenken, und also auf die Einheit und Gemeinschaft des Leibes Christi, der sie dienen wollen.“

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festgehalten, dass der Zweck des Bekennens in „Frieden und Eintracht in gegenseitiger Liebe“85 zu suchen ist. Auch die beiden Bekenntnistexte des letzten Jahrhunderts, die mit expliziten Verwerfungen arbeiten (die Barmer Theologische Erklärung und das Belhar-Bekenntnis), betonen ausdrücklich im Vorwort bzw. im Begleitschreiben, dass sie sich gegen die die „Einheit […] sprengenden Irrtümer“86 wenden, und dass ihr Bekenntnis keine weiteren Abspaltungen herbeiführen, sondern im Gegenteil „reconciling and uniting“87 wirken soll.88 Reformierte Bekenntnisse streben daher an, „symbols of unity“89 zu sein, auch wenn sie diese Einheit nicht als homogene Einheit in Bezug auf Formen und Gestaltung kirchlicher Strukturen und konfessionellen Bekennens verstehen: Entsprechend den verschiedenen geographischen, geschichtlichen, und theologischen Bedingungen kann die Kirche in verschiedenen Formen leben; aber die Kirche ist ein und dieselbe, da der Leib Christi einer ist.90 Die Einheit der Kirche ist mit einer großen Vielfalt von Formen vereinbar, aber sie wird verdunkelt und verzerrt, wenn zugelassen wird, dass unterschiedliche Formen sich zu sektiererischen Spaltungen, exklusiven Denominationen und rivalisierenden Parteien verhärten.91

85 Vorrede zur Confessio Helvetica posterior von 1566, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 191. Kurz vorher stellt Bullinger fest: „Man wird daraus auch ersehen, dass wir uns von den heiligen Kirchen Deutschlands, Frankreichs und Englands und denen anderer Völker der christlichen Welt nicht durch frevelhafte Spaltung absondern und trennen, sondern mit ihnen im allgemeinen und besondern in diesem Bekenntnis christlicher Wahrheit völlig übereinstimmen und sie selbst mit aufrichtiger Liebe umfassen.“ Die Vorrede ist in BSRK nicht abgedruckt. 86 Barmer Theologische Erklärung, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 242. 87 Aus dem Begleitschreiben zum Belhar-Bekenntnis, zitiert in Cloete/Smit, A Moment of Truth, 6. Vgl. dazu auch Smit, What does a Status Confessionis mean?, 22f: Die Ausrufung eines status confessionis und das daraus folgende Bekenntnis ist „never calculated to result in a schism. The intention is, on the contrary, always the purification or (re-)uniting of the ‚true church‘, the defense of and witness to ‚the credibility of the gospel‘.“ 88 Vgl. dazu auch Barths Verständnis des expliziten oder impliziten damnamus jeden Bekenntnisses, KD I/2, 705: „Es ist […] so, dass dieses Nein die verdunkelte kirchliche Einheit wieder sichtbar machen, die bedrohte Einheit wieder herstellen will und kann, dass es also vielmehr als ein ausgezeichnetes Werk gerade der Liebe zu würdigen ist.“ 89 Rogers, Art. Creeds and Confessions, 91; wobei der englische Begriff „symbols“ hier nicht vorschnell mit dem deutschen Bekenntnisbegriff des „Symbols“ gleichgesetzt werden darf. 90 Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1982; RZH, 45. 91 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den US, RZH, 164. Vgl. dazu auch Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten (1976): Der Heilige Geist „wirkt unter uns, nicht um die Vielfalt zu beenden oder Uniformität zu erzwingen, sondern um Trennungen und Bitterkeit zu überwinden.“; a. a. O., 188.

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So hält dann auch die Amman Declaration der lutherischen und reformierten Kirchen im Nahen Osten und Nordafrika von 2006 unter der Überschrift „The Unity We Seek“ festhalten: Our unity is a God-given gift flowing from God’s communion with us and our communion with each other. […] Our understanding of church unity asserts that unity and diversity are not opposites. Diversity is part of the richness of our unity in Christ. However, diversity which compromises and threatens the right preaching of the Gospel and the proper administration of the Sacraments makes communion impossible and thus becomes a church-dividing difference and an instance of illegitimate diversity.92

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass reformierte Bekenntnisse der Einheit der Kirche Christi auf zweifache Weise dienen wollen: sie versuchen, die in Christus bereits gegebene Einheit der Kirche im weitesten ökumenischen Sinn auszudrücken und für die Welt (und Kirche) sichtbar zu machen und zu bekennen, und sie streben gleichzeitig an, den Zusammenhang von sichtbarer und unsichtbarer Kirche in Christus zu bekennen, zu fördern und zu leben.93 Bekenntnisse und Bekenntniskirchen sind daher dem reformierten Verständnis nach nur in einem wirklichen „esprit œcuménique“94 richtig zu verstehen. Weiterhin bedeutet dies auch, dass ein Bekenntnis oder eine gegenseitige Anerkennung von Bekenntnissen reformiertem Verständnis formal nicht als Voraussetzung für die Einheit der Kirche verstanden werden können, denn „nicht das Bekenntnis begründet die Einheit der Kirche, sondern das Bekenntnis artikuliert, worin die spirituelle Einheit der Kirche begründet ist, mit Barmen I gesprochen: in Jesus Christus als dem einen Wort.“95

92 RW 56, 205f. 93 Vgl. dazu Link, a. a. O., 280: „Die ‚unsichtbare‘ Kirche hält die Erinnerung an den in ihr gegenwärtig wirksamen Ursprung wach. Sie steht unter der Verheißung der ihr zugesagten Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität und soll diese ihr vorgegebenen Attribute als Perspektiven ihres Handelns und ihrer Ordnung zur Geltung bringen; sie soll ihre sichtbare Gestalt daran orientieren. Die geglaubte Kirche will in der empirischen Gemeinde Gestalt annehmen.“ (Hervorhebungen im Original). 94 Déclaration der foi der Genfer Kirche von 1992: „L’Église de Jésus-Christ dépasse les limites des confessions, appelées à se reconnaître dans un esprit œcuménique.“ Mottu, Confessions de foi réformées contemporaines, 123. Die deutsche Übersetzung bei Krieg, Werkbuch, 158, lautet: „Die Kirche Jesu Christi, die alle Konfessionsgrenzen überschreitet, ruft die Konfessionen auf, sich in einem ökumenischen Geist gegenseitig anzuerkennen.“ 95 Fischer, a. a. O., 41 (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch Hirzel, Bekenntnis und Kirchengemeinschaft, 162: „Für die reformierten Reformatoren war die Unterscheidung des die Kirchengemeinschaft konstituierenden Christusereignisses von dessen näherer Beschreibung im Bekenntnis grrundlegend.“

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3.2.3 Kirche als „bekennende Kirche“ Nicht erst seit der sog. Bekennenden Kirche im Dritten Reich verstehen sich die reformierten Kirche als eben das: Kirchen, zu deren Natur das Bekenntnis in Wort und Tat gehört – als „Konfession“ im ursprünglichen Sinn des Wortes.96 Jesus Christus ist reformiertem Verständnis nach das alleinige Haupt der Kirche und leitet sie in der Kraft des Heiligen Geistes – die Kirche wird nur und ausschließlich dadurch zur bekennenden Kirche, dass sie auf ihr Haupt hört und sich durch ihn leiten lässt.97 Demzufolge ist grundlegend zu betonen, dass das Verständnis der Kirche als konfessorisch („confessing church“) für die reformierte Ekklesiologie eine größere Bedeutung besitzt als das Verständnis der Kirche als konfessionell („confessional church“).98 Das konfessorische Wesen der Kirche, die necessitas des gemeinsamen Bekenntnisses der glaubenden Gemeinde,99 führt zu einem Verständnis des Bekenntnisses, welches sich mit Barth als gehorsames Handeln der Kirche100 definieren ließe; ein Handeln, welches reformiertem Verständnis nach unabdingbar zum Wesen und Sein der Kirche gehört.101 Diesen drei Elementen der Definition Barths (Kirche – Gehorsamkeit – Antwort), die zentrale Aspekte reformierten Bekenntnisverständnisses hilfreich beleuchten, soll im Folgenden kurz nachgegangen werden. Es ist die Kirche, die in einem gehorsamen Akt bekennt.102 Nicht ein Einzelner, nicht eine Gruppe in der Kirche und auch nicht die Mehrheit ihrer Glieder kann dem reformierten Bekenntnisverständnis nach Subjekt des Bekennens sein, sondern allein die gesamte Glaubensgemeinschaft, die Gemeinschaft der Heiligen an diesem Ort und zu dieser Zeit.103 Das Bekenntnis als consensus ecclesiae104 96 Vgl. Presbyterian Church (USA), The Confessional Nature of the Church, 19: „The church called and held together by Jesus Christ himself, lives only through the continual renewal of this fundamental confession of faith that all Christians and Christian bodies make together.“ 97 Vgl. Vischer, Bekennen und Bekenntnis, 1. 98 Vgl. Weinrich, Confessing Unity, 171. Weinrich fährt fort: „The confessing event – confessing as a vital act – has priority over its confessional or denominational identity.“ Vgl. dazu auch unten die ausführliche Diskussion der konfessorischen Identität der Kirche in Abschnitt 5.2.2. 99 So Hall, Confessing the Faith, 35–39. 100 Vgl. dazu Barth, Das Bekenntnis der Reformation, 5–8. 101 Vgl. dazu Seils, Der „Stellenwert“ des Bekenntnisses, 121: „Die reformierte Kirche kennt eine absolute Notwendigkeit des Bekennens, aber keine absolute Notwendigkeit des Bekenntnisses.“ 102 Dieser Aspekt wird unten in Abschnitt 3.5.2 „Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae“ ausführlich thematisiert. 103 Vgl. Barth, a. a. O., 5: „Und nur eine Kirche kann bekennen, nicht ein Einzelner, der Jesus Christus nicht gemeinsam mit anderen gehört hat.“ Vischer, a. a. O., 3, betont in diesem Zusammenhang: „Es gehört […] zum Ethos der reformierten Kirche, dass das ganze Volk Gottes hinter dem Bekenntnis zu stehen hat. Die Geschichte der reformierten Kirche ist zwar

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hat damit Gemeinschaftscharakter und ist notwendigerweise personal-gemeinschaftlich und nicht privat oder individuell.105 Glaubwürdiges Bekennen wird damit diesem Verständnis nach nicht allein durch den Inhalt des Bekenntnisses, sondern auch durch die Bekennenden bestimmt. Einzelne Gläubige können und sollen reformiertem Verständnis nach ihren Glauben bekennen; ein formales Bekenntnis ist aber mehr als eine persönliche Affirmation des Glaubens, es hat das gemeinschaftliche Leben in der konkreten Partikularkirche als Ausgangsund Zielpunkt.106 So kann in reformierten Kirchen, die diesen Anspruch ernst nehmen, der Prozess, in dem ein neues Bekenntnis entsteht, mehrere Jahre andauern. An dem Bekenntnis der Reformierten Kirche in Amerika nahmen z. B. im Lauf der Jahre mehrere tausend Menschen an der Diskussion um und über das Bekenntnis teil,107 und der den Gemeinden vorgelegte Entwurf des Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA) erhielt mehr als 15.000 Antworten und Anfragen.108 Bekenntnis in der reformierten Tradition kann damit verstanden werden als „ein Wort in einem relativ überschaubaren Raum […], ausgesprochen von einer konkret verantwortlichen Schar“109. Der Begriff Handeln weist auf einen weiteren Aspekt hin, der für das reformierte Bekenntnis, wie selbstredend für jedes andere christliche Bekenntnis

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in dieser Hinsicht nicht immer vorbildlich gewesen. Bekenntnisse sind gelegentlich von städtischen Obrigkeiten oder Fürsten den Gemeinden aufgenötigt worden. Dieses Vorgehen entspricht aber nicht dem Verständnis der Kirche, das für die reformierte Tradition charakteristisch ist. Bekenntnisse sind die Angelegenheit der ganzen Kirche […] Die reformierte Kirche versteht sich in diesem Sinne als konziliare Gemeinschaft.“ Vgl. dazu die Diskussion bei Plasger, a. a. O., 143f. Vgl. dazu Dowey, Confessional Documents, 28f. Dowey fährt fort: „Even when the confessor is physically alone, he or she shares in the community that is created by the participation in the Lord’s kingdom, both in and beyond the empirical church. Christian confessing always reflects the personal and community dimensions of life in the church.“ Vgl. dazu Eine Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales von 1967, RHZ, 75. Vgl. dazu Heideman, Our Song of Hope, 1f. Vgl. Stotts/Dempsey Douglas, Introduction, 10. Busch, Die Nähe der Fernen, 590. Vgl. dazu auch die Diskussion unten in Abschnitt 3.5.2: „Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae“. Für diese „konkret verantwortliche Schar“ und ihr kirchliches Bekenntnis gilt dann auch das, was die Kirchenverfassung der Vereinigten Kirche von Sambia unter dem Stichwort „Das Amt der Kirche“ gleich zu Beginn bekennt: „Die Kirche ist ein königliches Priestertum aller Gläubigen. Alle ihre Glieder haben durch Christus Zugang zu Gott und ihren Anteil am Auftrag und an der Vollmacht der ganzen Kirche. Befähigt durch den Heiligen Geist, haben sie alle Rechte und Pflichten eines Priestertums der Gläubigen […] Die ganze Kirche und alle ihre Glieder haben die Pflicht und das Recht, die gute Nachricht von Gottes Reich und die Botschaft der Erlösung durch Jesus Christus auszubreiten.“ RZH, 233. (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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auch, von großer Bedeutung ist: Ein Bekenntnis ist primär immer ein Akt,110 ein Ereignis und erst dann ein Dokument.111 Bekenntnis heißt, „die Kirche im Akt einer Entscheidung“112, und ist nur sekundär Festschreibung gültiger Lehre.113 Selbst als Bekenntnisschriften liegt ihr Schwergewicht nicht in der Bekenntnisformel, sondern im Bekenntnisvollzug; das Bekenntnis verschafft sich in einer Bekenntnisschrift Gehör und sein lebendiges Zeugnis ist der Gehalt der Bekenntnisschrift.114 Bekenntnisse „represent the literary precipitate of the verbal side of confessing, usually formulated under special historical conditions“115; sie sind auch in ihrer schriftlichen Gestalt auf den Akt des Bekennens bezogen, indem sie den Inhalt des Bekennens den Gliedern der bekennenden Kirche in den für diesen Moment ihrer Geschichte in konzentrierter Form vor Augen führen, und so den Akt des Bekennens nicht allein erleichtern, sondern auch zu einem bewussten Akt machen.116 Dem Verständnis der reformierten Kirchen nach ist dieses Handeln gehorsam, weil ein Bekenntnis nicht aus dem Wollen der Glieder einer Kirche heraus entsteht, sondern weil es ein der Kirche gebotenes, gehorsames Handeln ist;117 eine Antwort auf den Ruf Gottes, oder wie Belhar es formuliert, die Nötigung durch das Evangelium: [Wir] legen […] dieses Bekenntnis ab nicht als einen Beitrag zum theologischen Gespräch oder als eine neue Zusammenfassung unserer Glaubensinhalte, sondern als einen Schrei aus unserem Herzen, als etwas, zu dem wir uns angesichts der Zeit, in der wir stehen, um des Evangeliums willen genötigt sehen.118

110 Wüthrich, Bekenntnisbildung, 46, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Kreativakt“. 111 Vgl. dazu Leith, Reformed Confession, 502: „The most authentic use of a confession is by the confessors in the act of declaring their faith. Confession is first an act and then a statement.“ 112 Vgl. Barth, a. a. O., 7. Vgl. dazu auch den Abschnitt „The Church’s Confession as Act and Being“ in Hall, a. a. O., 41–44. 113 Vgl. auch Busch, Reformed Strength, 27: „The purpose is not to have a confession, but to confess in the challenges of daily life.“ (Hervorhebungen im Original). 114 Vgl. dazu Jacobs, a. a. O., 15. Vgl. dazu auch unten den Abschnitt 3.6.1 „Lebendiges Zeugnis und bezeugendes Leben“; und Beintker, Reformierte Dogmatik, 165: „Lebendiges Bekennen setzt aktuelles Bekennen voraus und neuformulierte Bekenntnistexte frei.“ 115 Dowey, Confessional Documents, 28. (Hervorhebungen: M. E.-H.). 116 Vgl. Herrenbrück, Reformierte Bekenntnisse, 53. Mit Christian Link sind dabei immer die Fragen zu stellen „Was setzt das Bekenntnis frei? Was will es ermöglichen? […] [Das Bekenntnis] hat nur eine sekundäre Bedeutung. Es geht aus dem Bekennen der Kirche hervor und will ihm dienen.“ Link, Bewegung der Einheit, 237f. 117 Vgl. dazu Barth, a. a. O., 7, der ironisierend festhält: „Die Frage, ob in unseren Kirchen ein Bekenntnis ‚wünschbar‘ sei, kann also als völlig gegenstandslos fallen gelassen werden. Wünschen kann man sich in einer Kirche eine neue Glocke oder eine Orgel, aber nicht ein Bekenntnis.“ 118 Aus dem Begleitbrief, zitiert in RZH, 6.

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Es geht im Bekenntnis, das diesen Gehorsam wagt,119 daher primär nicht darum, eigene Wünsche nach Selbstdarstellung, interner Aussprache oder Umgrenzung des kirchlichen Raumes zu erfüllen; Bekenntnisschriften sind keine einem Parteiprogramm vergleichbaren Dokumente, die die Überzeugungen und Absichten der Bekenner wiedergeben, sondern „dringende und zwingende Schriften“120. Wiederholung und Modifikation von bereits bestehenden Bekenntnisses wären dem Verständnis der reformierten Kirchen nach selbstredend auch möglich; in einer Situation der „existentiellen Glaubensbedrängnis“ ist dies allerdings reformiertem Verständnis nach unter Umständen eine unangemessene oder nicht ausreichende, und damit Gott gegenüber ungehorsame, Reaktion. Grundmovens des Bekennens ist dementsprechend die sprachliche Verantwortung und die Entwicklung einer Elementarrede, in der der Glaube in der Situation der Herausforderung verantwortet und vertreten werden kann.121 Aber nicht allein Bedrohungen führen Kirchen zu neuem Bekennen, sondern auch neue Einsichten in die Verheißungen und Gebote des Evangeliums. In dem Neuen Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972 wird dieses Charakteristikum – das Bekenntnis als gehorsamer Akt der Kirchen – für den koreanischen Kontext ausführlich thematisiert; ähnliches ließe sich selbstredend für jeden Kontext reformierter Kirchen formulieren: Die Wahrheit der Schrift gibt uns jederzeit Kraft durch den Heiligen Geist. Wir haben es uns jedoch zur Pflicht gemacht, die Wahrheit des Evangeliums in einer neuen Form auszudrücken und dadurch neue Wege des Gehorsams gegenüber Christus zu suchen, indem wir den ständig wechselnden Sprachgebrauch, neuen Einsichten, rasch wechselnden Lebenssituationen, neuen Herausforderungen durch herkömmliche und gegenwärtig entstehende sektiererische Religionen sowie den Bedrohungen durch verschiedene heutige Übel Rechnung tragen. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Begegnung mit Christus uns befähigt, neue Einsichten in unsere eigene traditionelle Kultur zu geben, antichristliche Mächte zu besiegen und die Formen und Strukturen unseres Glaubens sowie die Beziehungen zwischen den Kirchen zu erneuern.122

119 Vgl. Myers, Indigenous Australians and the Church’s Confession, 41: „To confess is to venture the risk of obedience. To confess is to stand exposed before the strangeness of the one who calls.“ 120 Naudé/Botha, Jesus is die Here!, 13: „Belydenisskrifte is dringende en dwingende geskrifte.“ 121 Vgl. Bühler, a. a. O., 20. Vgl. dazu auch Myers, a. a. O., 39, der die Sprache der Unionsgrundlage von 1971 der sich vereinigende Kirche in Australien wie folgt beschreibt: „It speaks with the urgent language of surprise, obedience, commitment, interruption.“ 122 RZH, 36 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch das Bekenntnis von 1967 der Presbyterianischen Kirche in den USA, a. a. O., 159: „Allein der Gehorsam Jesus Christus gegenüber […] ist der Grund für die Verpflichtung und die Freiheit der Kirche, sich in Leben und Lehre zu reformieren, wenn neue Umstände nach Gottes Vorsehung dies erfordern.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

In diesem Zitat aus Korea wird schon jene dynamis deutlich erkennbar, die im folgenden Abschnitt ausführlich zur Charakterisierung reformierter Kirchen wie reformierter Bekenntnisse diskutiert werden wird.

3.2.4 Die Kirche als dynamische Gemeinschaft „Ecclesia reformata semper reformanda secundum verbum Dei“ – dieser Leitsatz reformierter Kirchen123 versucht, die von Gott erwählte Gemeinschaft124 der Heiligen, die creatura verbi divini als offene, dynamische Institution zu beschreiben. Offen und dynamisch ist diese Institution dem Verständnis reformierter Ekklesiologie nach, da sie auf dem weitergehenden Wirken Gottes in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beruht;125 als ihre dynamis wird die Kraft des Heiligen Geistes bekannt.126 Um diese Dynamik der Kirche, ihre „UnterwegsStruktur“127, zu verdeutlichen, haben sich reformierte Kirchen in Vergangenheit und Gegenwart oft als communio viatorum128 verstanden, als eine „gemeinsame sichtbare Körperschaft […], die mit Gott durch die Jahrhunderte auf Pilgerschaft ist“129. Die Geschichte dieser Pilgerschaft stellt dabei keinen triumphalen Siegeszug, sondern vielmehr „eine Geschichte von Glauben und Unglauben, von 123 Zur Herkunft dieses Satzes vgl. insbesondere Mahlmann, „Ecclesia semper reformanda“, sowie Bush, Calvin and the Reformanda Saying; außerdem Weinrich, Openness and Worldliness, 412, Anm.1, und Weerda, Art. Reformierte Kirche, Sp. 884. 124 Wobei der terminus der „Gemeinschaft“ hier ebenfalls eine große Rolle spielt; vgl. z. B. Blei, a. a. O., 372: „Here [in the Reformed tradition], ecclesiology has always been communion ecclesiology.“ 125 Vgl. dazu Weinrich, Confessing Unity, 170: „The often quoted phrase ecclesia reformata semper reformanda refers the church beyond itself, not back to itself – pointing to the word of God to which it must listen and respond and to which it is accountable.“ (Hervorhebungen im Original). 126 Vgl. Bradbury, Perpetually Reforming, 81, der in Bezug auf die Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich festhält, dass die Kirche „unter der Führung des Heiligen Geistes“ nicht statisch sei, „because divine activity continually calls the church to reform.“ 127 Busch, Was zeichnet heute die „Reformierten“ aus?, 60. 128 Zur Herkunft dieses Begriffes, der auf den tschechischen Theologen Joseph L. Hromádka zurückgeht, vgl. Neval, Macht Gottes, 114 Anm. 299; und Zademach, Brückenbauer, 76. Vgl. auch Hall, a. a. O., 49. 129 Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten (1976), RZH, 193. Vgl. dazu auch die Unionsgrundlage der Uniting Church in Australia von 1971, a. a. O., 278: Die Kirche „ist ein wanderndes Volk [engl. Original: pilgrim people], immer auf dem Weg zu einem verheißenen Ziel; hier hat sie keine bleibende Stadt, sondern sie sucht nach der zukünftigen.“ (Englischer Text in RWT, 278). Vgl. auch aus derselben Unionsgrundlage, a. a. O., 285: „Die sich vereinigende Kirche bekräftigt, dass sie zum Volk Gottes auf dem Weg zu dem verheißenen Ziel gehört.“

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Ruhm und Schande“130 dar, die von vielen Auferstehungen lebt.131 Schon von Beginn an wurde reformierte Ekklesiologie entscheidend dadurch geprägt, dass sie sich auch der Fehler und Schwächen der verfassten, sichtbaren Kirche durch die Jahrhunderte bewusst war:132 Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität der Kirche sind durch das Versagen und die Schwäche, die das Leben der Kirche entstellen, verdunkelt. Dass Christus die Kirche in all ihrem Versagen und ihrer Schwäche weiterhin ruft, hat die Kirche erkennen lassen, dass ihr Leben gemäß der Schrift und unter der Führung des Heiligen Geistes ständig erneuert und reformiert werden muss.133

Als das „noch gefangene, schon befreite Volk Gottes“134 haben reformierte Kirchen sich selbst als das die civitas peregrina135 und ihre Bekenntnisdokumente als eine Art „Wegkarte“ verstanden, die nicht nur das Ziel, sondern auch die Herkunft und den Weg der Kirche zu beschreiben versucht.136 Bekenntnisse können also, recht verstanden, nicht zu „holy relics“ werden, sondern sind allein als „articles for the use of the congregation on its way“137 zu verstehen. Das ein-

130 Eine Glaubenserklärung, RZH, 195. Das Bekenntnis fährt unter der Überschrift „Die Geschichte Gottes mit der Kirche geht weiter“ fort: „Die Kirche wurde von feindlichen Gesellschaften verfolgt, kannte aber auch Zeiten von Privilegien und Macht, wenn sie mit herrschenden Kulturen zusammenging. Sie suchte Heiligkeit durch Absonderung von der Gesellschaft wie durch Teilnahme an den Angelegenheiten der Welt. Sie hat lebensspendende Reformationen erlebt und missionarische Ausbreitung in aller Welt, aber auch Zeiten schwindender Mittel und geringen Einflusses. Sie trennte sich in rivalisierende Orden, Sekten und Denominationen, hat sich aber auch Zusammenarbeit und Einheit bemüht. Wir bekennen, dass wir Erben dieser ganzen Geschichte sind.“ 131 So Calvin in seiner Auslegung von Micha 4,6: „das Leben der Kirche ist nicht ohne Auferstehung, noch mehr: nicht ohne viele Auferstehungen.“ CO 71, 353. 132 Vgl. dazu Pauw, a. a. O., 189: „A Reformed narrative of the church has no Eden. The church has always existed ‚after the Fall‘.“ Small, To Be Reformed, 84, spricht in diesem Kontext von dem für die reformierte Tradition typischen „utter realism about the church“. 133 Unionsgrundlage der Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich von 1981, RZH, 290. 134 Barth, Letzte Zeugnisse, 64. 135 Bereits Augustinus verwandte das Bild von der Kirche als civitas peregrina, als wanderndem Gottesvolk in seinem Werk De civitate Dei 136 Vgl. dazu Rüegger, Bekenntnisse, 322, der den Begriff der „Landkarte“ benutzt. Seils, Der „Stellenwert“ der Bekenntnisse, 125, benutzt den Ausdruck „Wegzeichen der wandernden und ringenden Kirche.“ Vgl. dazu auch Link, Kirche anerkennen, 19. 137 Busch, Reformed Strength, 27. Vgl. dazu auch Weber, Lebendiges Bekenntnis, 14: „Doch muß dazu bedacht werden, dass in der Kirche, wenn sie sich recht versteht, das Bekenntnis der Väter nur dann in Geltung steht, wenn die Kirche immer neu, und bei vorliegender Notwendigkeit auch mit ganz neuen Worten, Jesus Christus und seine Herrschaft bekennt. Das Bekenntnis darf kein Denkmal werden.“ Ako Haarbeck formuliert eine reformierte Grundhaltung und –stimmung, wenn er in diesem Zusammenhang bemerkt: „Reformierte werden ein wenig mißtrauisch, wenn Mitchristen betonen, dass sie auf dem Boden eines Bekenntnisses ‚stehen‘. Sie halten es für wichtiger, einen Weg zu gehen und das aktuelle Bekennen zu wagen. […] Auch die meisten reformierten Kirchen ‚haben‘ Bekenntnisse, aber

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deutige Charakteristikum der reformierten Bekenntnistradition, die Tatsache nämlich, dass sie sich durch die Jahrhunderte hindurch nie auf einen verbindlichen Text oder eine Sammlung von Texten für alle reformierten Kirchen hat festlegen lassen, ist so unmittelbar mit dem Verständnis der Kirche verbunden: „The Church as the wandering people is called in each generation to give account anew of the faith transmitted through the centuries.“138 Anders ausgedrückt: „Die Kirche ist auch [in] ihrem Bekennen ein wanderndes Gottesvolk.“139 Es gehört dabei zu den Grundanliegen der Bekenntnistexte, dass der Weg der Kirche nur im Rahmen des kommenden und in Christus gekommenen Reiche Gottes verstanden werden kann.140 Die reformierten Kirchen als Pilgergemeinschaften verweisen daher auch in ihren Bekenntnistexten immer von sich weg und hin zur Königsherrschaft Christi;141 sie ordnen sich so zu allererst der obersten Autorität Christi unter, der sein Amt auch in der „Kirche unterwegs“ ausübt. Indem die Bekenntnisse als Wegbeschreibungen unter der Autorität Christi und, nachgeordnet, der Autorität der Heiligen Schrift verstanden werden, können sie auch nicht den Anspruch erheben, zeitlose Dokumente mit einem „ewigen“ Gültigkeitsanspruch zu sein; sie besitzen, wie unten noch ausführlicher zu diskutieren sein wird,142 nur einen Charakter relativer Autorität. Reformiertes Bekennen strebt an, sich durch diesen dynamischen Geschehenscharakter der Bekenntnisse von einem konfessionalistischen Bekennertum zu unterscheiden: „Im Unterschied zum Konfessionalismus macht nicht ein übergeschichtlichstatisches traditum, sondern ein geschichtlich-dynamisches Nachfolgehandeln, nämlich lebendige traditio, das Glaubensbekenntnis aus.“143 Die Begründung für dieses Verständnis liegt nun wiederum außerhalb der menschlichen Gemeinschaft, nämlich im Wesen Gottes:144 Der Heilige Gott, als der lebendige, in Freiheit liebende Gott ist weder an eine Tradition noch an einen bestimmten Kontext gebunden – daher ist alle Offenbarung und Erkenntnis

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sie haben sie weniger als Firmenschild an der Kirchenwand und mehr als Wegbeschreibung im Marschgepäck.“; Haarbeck, Was ist reformiert?, 21. Perret im Vorwort zu WARC, Confessions and Confessing, 1 (Hervorhebungen: M. E.-H.) . Link, Reformierte Identität, 349 (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu auch Track, Lutherisch, reformiert, uniert, 21, der aus lutherischer Perspektive festhält: „Unser Bekennen [ist] immer ein Bekenntnis im Unterwegssein, in dem wir unsere Identität als Glaubende und als Gemeinschaft des Glaubens bestimmen und finden.“ Busch, a. a. O., 26: „The church, and much less a confession, is not the end of the ways of God. In every form, from that testified to in the Bible onward, the church is only on the way toward the goal God brings about – the fulfillment of the appearing of the kingdom of God.“ Vgl. dazu auch Pauw, a. a. O., 199: Die Kirche „is a pilgrim community pointing ahead of itself to the fulfillment of the reign of God already inaugurated in Jesus Christ.“ Siehe dazu unten Abschnitt 3.4.2 „Der vorläufige, temporäre und relative Charakter des Bekenntnisses.“ Kumazawa, Confessing the Faith in Japan, 161. Vgl. dazu die ausführliche Diskussion der Heiligkeit Gottes in Kapitel 4.

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Gottes „ever a gift, never a given“145. Und auch wenn das Volk Gottes unterwegs ist, geleitet von den Bekenntnistexten, so bleibt es doch immer auf das AdventGeschehen angewiesen und bezogen: Die Kirche lebt zwischen der Zeit von Christi Tod und Auferstehung und der letzten Vollendung aller Dinge, die Er bringen wird; sie ist ein wanderndes Volk, immer auf dem Weg zu einem verheißenen Ziel; hier hat sie keine bleibende Stadt, sondern sie sucht nach der zukünftigen. […] Die sich vereinigende Kirche anerkennt, dass die Kirche durch den Wandel der Geschichte hindurch nur leben und Bestand haben kann, weil ihr Herr kommt, sich den Menschen zuwendet und an ihnen in und durch die Botschaft Seines vollendeten Werks handelt.146

Das Bekenntnis der Toraja-Kirche aus Indonesien versucht beispielhaft, diese doppelte Dynamik, nämlich die dynamische Gemeinschaft des wandernden Gottesvolkes und den dynamischen Charakters der Bekenntnisschrift als eine Lebensäußerung der Kirche mit einer neuen, dem eigenen Kontext angepassten Begrifflichkeit widerzugeben. So spricht es z. B. von der Kirche als „Prozession“147, und versteht u. a. das Bekenntnis selbst als Einladung dazu, sich in diese Prozession, diese vom Heiligen Geist bewirkte Bewegung, einzureihen: Das Volk Gottes ist als Leib Christi keine statische Gemeinschaft, die für sich selbst lebt; vielmehr lebt die Gemeinde in einer dynamischen und offenen Prozession und lädt alle durch das Zeugnis ihres Lebens, durch ihren Dienst und durch die Verkündigung ein, an dieser Prozession teilzunehmen, die auf die Fülle des Lebens im Reich Gottes hinweist. Der Heilige Geist und das Wort Gottes sorgen für den Aufbau dieser Prozession in all ihren Lebensäußerungen und Tätigkeiten mitten in der Welt.148

Grundstimmung reformierter Kirchen ist dementsprechend nicht das Gefühl einer „sicheren Kirche“ mit dem „Bollwerk“ des Bekenntnisses um sie herum sein,149 sondern der Pilgergemeinschaft, die „eine weite Wanderschaft vor sich [hat,] auch Kämpfe, auch Leiden, auch Hunger und Durst. Nicht zu verkennen: 145 Case-Winters, Ecclesia Reformata, Semper Reformanda, XXXI. 146 Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien, RZH, 278 (Hervorhebungen: M. E.-H.) Vgl. dazu auch Stroup, Before God, 187: „The Christian life is both a journey before God and a journey to the God who is coming – the God who is coming to meet those who are both on the way and people of the way.” (Hervorhebungen im Original). 147 Bei Vischer lautet die deutsche Übersetzung „Prozess“; Übersetzung korrigiert nach Kobong, Evangelium und Tongkonan, 263, der das Wort „Prozession“ verwendet; und nach Plaisier, Belijdenis, 7, der „stout“ benutzt, was mit Aufzug, Prozession oder Prozess wiedergegeben werden kann. Die englische Übersetzung spricht ebenfalls von „procession“, RWT, 54. 148 Bekenntnis der Toraja-Kirche, RZH, 26. 149 So etwa in dem Lied des lutherischen Theologen C. C. J. Asschenfeldt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts: „Sichre Kirche, unsere Kirche! Mauer um sie, Heil und Wehr, Augsburgs siegendes Bekenntnis, wie ein Bollwerk um sie her!“ Zitiert bei Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 11.

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sie seufzt. Aber noch weniger zu verkennen: sie freut sich. Dementsprechend denkt, redet, handelt sie.“150

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Wir glauben, dass die Kirche die Gemeinschaft des Volkes Gottes ist, […] dass sie ökumenisch ist und zugleich Wurzeln hat in diesem Land.151

Mit dieser Formulierung gibt die Presbyterianische Kirche in Taiwan eine für die reformierte Tradition kennzeichnende Dialektik wieder, die zu den herausragenden Merkmalen nicht allein reformierten Bekennens, sondern auch reformierter Theologie im allgemeinen und der Ekklesiologie im Besonderen gehört, nämlich das Verständnis von universaler Katholizität152 und Partikularität der Kirche. Auf die Bekenntnisbildung angewandt, unterscheidet dieses Merkmal die reformierte Tradition schon seit ihren Anfängen deutlich von anderen christlichen Traditionen, und ist gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für reformierte Theologie.153

3.3.1 Bekennen in tempore et in loco Der hier zu erarbeitende Aspekt des Bekenntnisverständnisses154 reformierter Kirchen betont das konkrete Zeugnis des Evangeliums zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort; den Ausdruck des christlichen Glaubens in kontemporärer und kontextuell-geprägter Bezogenheit und Begrifflichkeit – in gewissem Sinne streben reformierte Bekenntnisse eine Inkulturation des Glau150 Barth, Letzte Zeugnisse, 64 (zitiert in: Busch, Was zeichnet heute die „Reformierten“ aus?, 59f). 151 Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Taiwan von 1985; RZH, 61. 152 Mit Brinkman, Contextual Theology, 126, Anm. 27, verstehe ich Universalität und Katholizität als zwei nicht vollständig ineinander aufgehende Konzepte: „Universality points to the synchronic aspect of Christianity. Catholicity points at once to the synchronic as well as diachronic aspect and moreover its [sic!] points to the content of the Christian message throughout the ages and places, namely to the ‚being in Christ‘ of all Christians.“ 153 Strauss, Reformed Theology, 143, formuliert explizit: „If you understand the connection and relationship between confession, context and ecumenicity, if you are able to balance between these three aspects, you will be well-equipped to practise meaningful, thorough and useful Reformed theology.“ 154 Selbstredend gilt dieser Aspekt nicht allein für das reformierte Bekenntnisverständnis, sondern ebenso für reformiertes Theologieverständnis; vgl. McEnhill, Introduction, 1: „If there is one truism about Reformed theology it is that it has long revealed the profoundly contextual nature of ist own brand of theology, and implicitly of all theology.“

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bens an.155 Eines der auch für Außenstehende deutlichsten Merkmale der reformierten Tradition durch die Jahrhunderte erwächst aus diesem Verständnis, nämlich die im Vergleich mit anderen Bekenntnistraditionen geradezu verwirrende Vielfalt reformierter Bekenntnisse, oder anders ausgedrückt, ihre „Partikularität und Pluralität in räumlicher und zeitlicher Hinsicht“156. Aus der Begegnung des ewig-lebendigen Evangeliums mit den Menschen in ihrem „bestimmten Raum-Zeit-Rahmen“ ergibt sich so für die bekennenden Kirchen nicht ein neuer Glaube, sondern ein „neuer Ausdruck der christlichen Botschaft.“157 Es gehört reformiertem Verständnis nach zum Auftrag der Kirche, sich zu jeder Zeit für diese Begegnung mit dem Evangelium offenzuhalten, wie die Presbyterianische Kirche in Kanada in den ersten Sätzen des Vorwortes zu ihrem Glaubensbekenntnis ausführt: In every generation the church needs to confess its faith anew. That confession must at one and the same time be the ancient faith of the church and yet spoken into the mood and questions of its own time.158

Diese Ausrichtung auf und Bindung an eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort meint also nicht allein das soziologisch-empirisch festellbare Faktum, dass alle Bekenntnistexte immer mit ihrer jeweiligen historischen Situation durch Sprache, Gedankenformen, Philosophien, normative gesellschaftliche, kulturelle, ökonomische und politische Paradigmen verbunden und geprägt sind,159 auch dann, wenn sie die für alle Zeiten und Orte gültige christliche Wahrheit aussagen wollen, sondern es spiegeln sich hier ein weiteres Mal

155 Inkulturation wird hier mit Giancarlo Collet folgendermaßen verstanden: „Inkulturation bezeichnet jenen permanenten Vorgang, in dem das Evangelium in einer bestimmten soziopolitischen und religiös-kulturellen Situation so zur Sprache gebracht wird, dass es sich nicht bloß mit Elementen dieser Situation ausdrückt (z. B. in der Liturgie und der Lehre), sondern zu deren inspirierenden, bestimmenden und transformierenden Kraft wird.“ Art. „Inkulturation“, 395 (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch die Diskussion bei Raiser, Bekennen und Bekenntnis, 125. 156 Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 9. (Hervorhebungen im Original) 157 So der römisch-katholische Theologe Modras, Funktionen und Grenzen, 519: „Glaubenssätze sind Deutungen der christlichen Botschaft aufgrund veränderter geschichtlicher und kultureller Umstände. Diese Deutungen erfolgen nicht einfach auf dem Weg logischer Ableitung, sondern gehen aus einer lebendigen Begegnung zwischen dem Evangelium und den Menschen hervor, die in einem bestimmten Raum-Zeit-Rahmen leben. Ein Austausch zwischen dem Evangelium und einer neuen Daseinssituation erfordert einen neuen Ausdruck der christlichen Botschaft.“ 158 Presbyterian Church in Canada, Living Faith – A Statement of Christian Belief. Das Vorwort zum Bekenntnis ist nicht in RZH abgedruckt; das englische Original findet sich z. B. unter http://presbyterian.ca/?wpdmdl=272 [letzter Zugriff am 01. 05. 2016]. 159 So dass man gar von einer „universality of contextuality“ sprechen könnte; vgl. dazu Cressey, Local Church and Universal Church, 145.

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Grundzüge reformierter Ekklesiologie.160 In diesem Falle ist es der Bezug auf die Partikularkirche, die reformiertem Verständnis nach nicht die kleinste Zelle einer Kirche oberhalb ihrer selbst repräsentiert, sondern die als nucleus der Kirche Christi verstanden wird, die aus ihr erwächst.161 Nicht allein die institutionalisierte Partikularkirche, sondern auch schon die Ortsgemeinde wird dabei als „Verkörperung der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche an einem Ort“162 verstanden.163 Diese dezentralisierte Ekklesiologie ermöglicht und erfordert daher eher eine „desired flexibility of the churches towards a specific contextuality“164 als eine starre Homogenität der Kirchen in Lehre und Leben. Besonderes Gewicht erhält diese Frage im Missionsverständnis reformierter Kirchen: Muss oder kann die „junge“ Kirche das Bekenntnis der Missionare übernehmen, um auf diese Weise nicht allein ihre christliche, sondern auch ihre reformierte Identität zu legitimieren, oder muss und kann sie ihr eigenes Bekenntnis in tempore et in loco verfassen? Obwohl es in reformierten Missionswerken dazu unterschiedlichste und auch durchaus widersprüchliche Auffassungen gab und gibt, forderte bereits die einflussreiche Middelburger Synode reformierter niederländischer Kirchen und Missionswerke von 1896, wenn auch im paternalistischen und kolonialisti-

160 Vgl. Weinrich, „Communio Sanctorum“, 125–126: „Das Bekenntnis kann nicht den Anwälten der Katholizität überantwortet werden, wenn es nicht zu einer abstrakten Formel herabsinken soll. Es gehört fundamental zum Wesen der Kirche, dass sie in dieser Welt etwas zu bekennen hat. […] Das lebendige Bekenntnis zeigt sich vielmehr in der konfessorischen Existenzform der Kirche, die nur dann zu den [sic!] nötigen Klarheit durchfinden kann, wenn sie auf ihre konkrete Verantwortlichkeit bezogen wird und nicht durch die Nötigung bedrängt wird, immer auch alle anderen Situationen im Blick zu halten.“ 161 Vgl. auch zum folgenden Weinrich, Openness and Worldliness, 416. 162 Aus der Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirchen in Australien, RZH, 283. Gerrish, Saving and Secular Faith, 57 formuliert dieses Verständnis folgendermaßen: „Christians […] belong to the one Church only by belonging to one of the churches.“ 163 Das Bekenntnis zur una ecclesia findet dann, wie Karl Barth formuliert, „seinen Ausdruck darin, dass wir die Kirche nicht in einer Idee der Kirche glauben, sondern jeweils in der konkreten Kirche, der wir zugehören, d. h. in der wir getauft sind, wir Reformierten also in der reformierten Kirche.“ Barth, Credo, 167 (Hervorhebungen im Original). Damit legitimiert Barth allerdings nicht die Trennung der Kirche in die verschiedenen Konfessionen; er fährt fort (167f): „So gewiß Kirche der coetus fidelium ist, so gewiß ist sie auch eine wirkliche sichtbare Versammlung von Menschen und kann nur da geglaubt werden, wo diese Menschen sind. Die Tatsache der Zersplitterung der una sancta gehört zu den faktischen Merkmalen der Kirche im Zeichen des erst nahe herbeigekommenen Reiche Gottes in der Zeit. […] Da es […] um die Trennung in der Kirche geht, so können wir diese Trennungen nur mit Schrecken anerkennen und um ihre Aufhebung beten. Wir glauben ja an die eine Kirche. Wir können hier nur eine Not der Kirche sehen, deren Überwindung geglaubt werden muß, deren Überwindung aber wahrhaftig nicht in unserer Hand liegt.“ (Hervorhebungen im Original). 164 Weinrich, a. a. O., 416.

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schen Ton und Denkmuster ihrer Zeit,165 nachdrücklich eben diese Flexibilität einer dezentralisierten Ekklesiologie ein.166 Diese Flexibilität findet dann ihren direkten Ausdruck im Bekenntnisverständnis der reformierten Tradition, und auch wenn es gerade in ökumenischen Gesprächen für Kirchen außerhalb der reformierten Tradition häufig schwer zu verstehen ist, so haben doch die reformierten Kirchen durch die Jahrhunderte hindurch eher mit Stolz167 auf die Tatsache verwiesen, dass ihre Bekenntnisse „always contextually determined“168 und „very much products of a certain time and place“169 sind.170 Sie haben in dem Ausruf „wir, hier, jetzt – bekennen dies!“171 keinen Nachteil oder gar eine zu beseitigende Schwäche gesehen, sondern vielmehr darauf bestanden, dass es eine „verheißungsvolle Herausforderung“172 sei, dass die Kirche nur auf diese Weise authentisch und verantwortungsvoll be165 Van den End, Transfer of Reformed Identity, 130, spricht in diesem Zusammenhang von einem „persistent paternalism of mission“ und einem „influence of colonial atmosphere and ideology“. 166 Artikel 116 der Acta van de Synode van Middelburg 1896, zitiert bei van den End, a. a. O., 115: „Our Reformed Churches in the Netherlands are Western, and in part also national in character. This character is also evident in the forms of its creed, even in its language and wording. Because God did not create all people equal, but made the Javanese different from us, with an Oriental imagination, and because He placed him on a quite different level of development, it is not allowed ever to require from him that he adopt our forms. On the contrary, from the midst of the converted fraction among the Javanese has to spring up Oriental forms of hymns, prayers, and confession of faith which are in harmony with their existence.“ 167 So formuliert z. B. Brinkman pointiert, Unity, 113: „The fact that their confessions of faith are always very much products of a certain time and place is not regarded by them as a disadvantage or admission of weakness but rather as a point in their favour.“ 168 Brinkman, The Will to Common Confession, 119. Vgl. dazu auch Za Bik, Die Herausforderung der reformierten Tradition, 112, der für die reformierte Theologie im allgemeinen festhält: „Größe und Kraft reformierter Theologie bestehen gerade in ihrem partikularen Charakter, in ihrer theologischen Vielgestaltigkeit, die sie dazu befähigt, Pluralität und Relativität zu absorbieren und in ein System theologischer Einheit in Vielfalt zu integrieren.“ 169 Brinkman, a. a. O., 118. Vgl. dazu auch Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 15: Bekenntnisschriften „wollen und sollen in ihrer jeweils geschichtlichen Situaion gewertet sein. Sie sind in einer geschichtlichen Situation entstanden, dienen einer bestimmten geschichtlichen Aufgabe und stehen in einer entsprechenden Kontroverse. Ohne dieses geschichtliche Gegenüber versteht man sie nicht mehr richtig und spricht ihnen einen ungeschichtlichen und im schlechten Sinne übergeschichtlichen Wert zu.“ 170 Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass sich zwar viele Kirchen der reformierten Tradition zu einer prinzipiellen Offenheit ihres Bekenntniskanons bekennen, jedoch gleichzeitig widersprüchlicherweise ihre eigenen Bekenntnisse als „ahistorical documents with timeless propositions“ betrachten; vgl. dazu Smit, The Ongoing Task, X. 171 Barth, Wünschbarkeit, 616 (Hervorhebungen im Original). 172 Bühler, Bekennen, 24: „Es ist eine verheißungsvolle Herausforderung, der von innen her begründeten Freiheit den Auftrag zu geben, sich in Worten zu äussern, zu entäussern, und so das Wagnis zu riskieren, sich in zeitbedingten, in die Zeit hineingesprochenen Sätzen festlegen zu lassen.“

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kennen könne;173 ja, das dies geradezu ein „Wesensmerkmal des Bekenntnisses“174 ist. Allerdings muss in diesem Zusammenhang auch nachdrücklich betont werden, dass zwar jedes historische Bekenntnis auf einen kritischen Moment in der Geschichte der bekennenden Gemeinschaft antwortet und daraus eine gewisse Kraft gewinnt, dass es aber seine essentielle Macht und Dringlichkeit nicht aus der jeweiligen Situation, sondern ausschließlich aus der Krise gewinnt, die das Christusgeschehen darstellt, an das es zu erinnern und das es zu predigen hat.175 Nicht die Maßstäbe der jeweils „zeitgemäßen Ideen von Wahrheit, Gott, Offenbarung u. dgl.“176 bestimmen also das Bekenntnis, sondern das im Glauben gefundene Urteil der Schrift hinsichtlich des neu zu Bekennenden.177 Im Vertrauen auf den Heiligen Gott kann reformiertes Bekenntnis sich dann als „fearlessly contextual“178 verstehen; alle Kontextualität und Partikularität kann daher nur in theozentrischer und keinesfalls in einer anthropozentrischen Fundierung, nur als „paradoxe Rede“ im Sinne Otto Webers interpretiert werden.179 Partikularität des Bekenntnisses ereignet sich also in einer Dialektik von Nähe und Distanz: der zu bekennende eine Glaube der Kirche wird diesem Verständnis 173 Vgl. Brinkman, a. a. O., 119. Vgl. dazu auch European Consultation of Reformed Theologians, The Church in Reformed Perspective – The Report, 18: „Because the Church can do this [understanding and interpreting the experience of our present history] responsibly only in the particular context in which she is placed and with a view to concrete challenges, she gives her answer to God’s call in the form of particular confessions.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). 174 So Heron, Das reformierte Zeugnis, 434: „Zeit- und Ortsbedingtheit sind bei einem […] Bekenntnis keineswegs ein Mangel, sondern ein Wesensmerkmal des Bekenntnisses, denn es will ein konkretes Zeugnis abgeben, wenn es gilt, eben dieses Ja! und jenes Nein! zu sagen.“ (Hervorhebungen im Original). Auch Migliore, The Spirit of Reformed Faith and Theology, 355, geht nicht von einem Mangel, bzw. einer Schwäche reformierten Bekennens, sondern stellt fest: „It [the Reformed tradition] has celebrated the contextual particularity of its confessions because it understands the church to be responsible in every time and place to bear faithful witness to the living Word of God that addresses people in judgment and grace here and now.“ 175 Vgl. dazu Gerrish, a. a. O., 59. Busch, Credo, 17, formuliert: „Wohl entsteht ein Bekenntnis jeweils in einer kritischen Situation. Aber in einem echten Bekenntnis führt nicht die Bearbeitung dieser Situation die Feder, sondern die in dieser Situation neu gehörte biblische Botschaft.“ 176 Barth, Credo, 9. 177 Vgl. dazu auch Moltmann, Theologia reformata, 162: „Die Kontextualität der reformierten Bekenntnisschriften und des reformierten Bekennens war immer auf die Textualität des Wortes Gottes in der Schrift bezogen. Der Text macht den Kontext, und der Kontext ist der Kairos des Textes.“ 178 Migliore, a. a. O., 355. 179 Weber, Grundlagen der Dogmatik Bd. 1, 41: „Da es [das Bekenntnis] stets die Sprache seiner Zeit redet und sich in dieser Sprache vom Selbstverständnis des Menschen abwendet, das diese Sprache bestimmt, so gewinnt es notwendig den Charakter der paradoxen Rede (d. h. der Aufhebung eines Selbstverständnisses mit dessen eigenen Ausdruckmitteln).“

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nach in jedem kulturellen Kontext heimisch, aber mit keinem exklusiv identifiziert; die Kontextualität des Bekenntnisses besteht also sowohl in seiner Kontra-Kulturation als auch seiner In-Kulturation.180 Mit anderen Worten, das Glaubensbekenntnis befindet sich immer zwischen „Inkulturation einerseits und Transformation der kulturellen Voraussetzungen andererseits“181. Hinter dieser Partikularität steht die Bemühung und das Bestreben der Kirchen, in ihren Bekenntnissen die Implikationen des Bekenntnisses zur Herrschaft Christi in tempore et in loco182 deutlich und relevant183 zu machen, als „living […] contemporary response“184 auf Gottes Wort, „the church’s response to the call of God in a concrete situation“185. Dabei beabsichtigt das Bekenntnis in keinem Fall die Schrift zu ersetzen, sondern vielmehr unter den gegebenen Umständen dazu beizutragen, die Schrift zu öffnen.186 Schon in der Reformationszeit ist dieses Vorgehen theologisch damit legitimiert worden, dass es – anders als die Gegner vorwarfen – kein hinreichender Grund zur Zwietracht und Spaltung war, sondern dass die Kirchen je nach 180 Vgl. Reichel, Theologie als Bekenntnis, 274. 181 Raiser, a. a. O., 125. In Bezug auf das Belhar-Bekenntnis beschreibt Dirk Smit dementsprechend den Zusammenhang von Evangelium und Kontext wie folgt: „The gospel is not spoken by the context but to the context. Not the needs of the people and the interests of groups determine what is believed, but the gospel is spoken to the needs of people and the interests of groups, if necessary to critize them. The context provides the occasion, but not the content.“ Smit, No other Motives, 147. Smit fährt fort (in Anlehung an Niebuhrs ‚Christ transforming culture‘-Typus): „This means the Reformed vision takes the historical context and reality extremely seriously since it is God’s world and history, yet at the same time this historical reality does not become normative, but it should be continously challenged, criticized, even transformed.“ 182 Vgl. Brinkman, Contextual Theology, 126: „Reformed churches always articulated and still articulate their faith according to the adage ‚in loco et in tempore‘. That means that they always were and are fully aware of the place and time in which they confess(ed) their faith.“ 183 Für Raiser, a. a. O., 133, ist die Frage nach der Relevanz eines Bekenntnisses, nach seinem Bezug zur gegenwärtigen Erfahrungssituation, eines von vier Hauptkriterien bei der Beurteilung von neuen Bekenntnistexten. Vgl. dazu auch Migliore, a. a. O., 355: „If the world is to hear God’s word and be summoned to repentance and new life, the word must be concrete rather than abstract, particular rather than general. Reformed Christians take up their responsibility in every particular time and place to bear witness to the lordship of Christ and give glory to God in the power of God’s Spirit.“ 184 Weinrich, a. a. O., 414. 185 Cloete, Let Us Hold Fast Our Confession, 93. Vgl. dazu auch Link, Reformierte Identität, 349: „Das Bekenntnis ist unsere Antwort auf die Stimme Jesu. Es fragt immer auch nach uns selbst, nach unserem eigenen Ort in der Welt. Es stellt uns vor die Frage, ob der besondere Ort und die besondere Gestalt unserer Kirche ihrem Auftrag entsprechen, ob wir wahre Kirche oder Scheinkirche sind. Darum muß es genaugenommen in jeder Epoche neu formuliert werden.“ (Hervorhebung im Original). 186 Spykman, Confessing, 82: „In fact, confessions are one way of opening up the Scriptures in their address to the ever-new demands of succeeding generations, and of keeping us open to the Biblical message for our times. Thus contemporary re-statements of the Biblically Reformed faith can help prevent the closed canon from becoming a closed book.“

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„Bedürfnis, Nutzen und Aufbau der einzelnen Kirchen“ in diesem Vorgehen von der ihnen geschenkten Freiheit des Evangeliums Gebrauch machten.187 Theologische und auch kirchenrechtliche Kontinuität kann sich reformierter Auffassung nach daher nicht in der Akzeptanz eines einzelnen Bekennntisses oder einer Bekenntnissammlung finden, sondern nur übergeordnet im Gehorsam zu Christus, der eben in bestimmten geschichtlichen Situationen ein neues Bekenntnis notwendig machen kann. Daher gilt: Kein einziger Bekenntnistyp ist allein gültig, kein einziges Bekenntnis ist irreformabel. Allein der Gehorsam Jesus Christus gegenüber begründet die eine weltweite Kirche und gibt ihrer Tradition Kontinuität.188

Reformierte Bekenntnisse weisen, wie oben schon angedeutet, nachdrücklich daraufhin, dass sie auch in den neuen Konfessionen keinen neuen Glauben bekennen wollen, im Gegenteil, sie wollen als „christiana atque orthodoxa confessio“189 die ewige Botschaft von Gottes Rettung der Welt in Christus bekennen – allerdings unter den modernen Gegebenheiten unserer Zeit, wie es die Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von England im Jahr 1956 ausdrückt.190 Zu diesen „modernen Gegebenheiten“ gehört nun gerade auch die Sprache der bekennenden Kirche, die ihren Gliedern ein volles Verständnis der Glaubenssätze erst ermöglicht.191 A confession of faith is an affirmation of ancient truth in contemporary language. Hence, it should begin with that which is ancient and proceed to speak in language

187 „Obgleich man nun in den verschiedenen Kirchen einen gewissen Unterschied findet in Ausdruck und Formulierung der Lehre, in Gebräuchen und Zeremonien, die je nach Bedürfnis, Nutzen und Aufbau der einzelnen Kirchen angenommen wurden, ist das in der Kirche doch niemals als hinreichender Grund zur Zwietracht und Spaltung betrachtet worden. Denn immer haben die Kirchen Christi darin von der Freiheit Gebrauch gemacht.“ Aus der Vorrede zur Confessio Helvetica Posterior, Plager/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 191. 188 Das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 159. 189 Eines von zahllosen Beispielen für diesen Anspruch bietet u. a. die Confessio Belgica, die eben diesen Ausdruck verwendet; BSRK 233,4. 190 „Die Not des Menschen und die Antwort, die Gott in Christus darauf gibt, sind heute grundsätzlich dieselben, wie sie immer waren. Die Vorstellungen, die Sprache, die Denkweisen des Menschen haben sich mit seinen Kenntnissen und mit der Enwicklung der modernen städtischen und industriellen Gesellschaft und ihren Problemen geändert; die Darstellung christlicher Offenbarung und christlichen Glaubens, die früher ausreichend war (wie das Westminster-Bekenntnis), scheint heute nicht genügend Verständlichkeit und Gewicht zu haben. Darum ist es nötig, die ewige Botschaft von Gottes Rettung der Welt in Christus unter modernen Gegebenheiten neu zu formulieren.“ RZH, 64. 191 Bühler, a. a. O., 25 formuliert: „Freiheit im Bekenntnis heisst Freiheit für die Verständlichkeit.“

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which is natural for those who seek to make witness to God’s mighty acts of judgment and redemption in their own time.192

Ein weiterer Aspekt des zeitgemäßen Zeugnisses erwächst aus der Erkenntnis, dass neue historische Situationen der Kirche Fragen stellen können, die von den klassischen Bekenntnistexten nicht oder nicht ausreichend beantwortet werden.193 Das Zeugnis der Bibel kann in einer neuen historischen Situation auf neue Weise zur Kirche sprechen und die Kirche trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie auf neue Weise bekennt. Reformiertem Verständnis nach ist dies nicht allein möglich, sondern dann notwendig, wenn die Apostolizität der Kirche von außen oder von innen her in Frage gestellt ist.194 Die wieder neu bekennende Kirche will sich mit einem solchen Schritt dabei nicht über ihre bekennenden Vorfahren stellen, indem sie ihr Bekenntnis etwa als Produkt einer fortschreitenden und mit der Zeit immer größer werdenden Gotteserkenntnis verstünde; im Gegenteil, sie bekennt, dass sie in jedem Aspekt genauso begrenzt und fehlbar ist wie jene, die ihr im Bekenntnis voran gingen. Sie bekennt aber auch, dass die Welt sich in einer Weise geändert hat, die von den kirchlichen Vorfahren nicht vorausgesehen werden konnte, und dass sie von daher von neuem über ihre kirchliche Identität nachzudenken hat, die ja durch das Bekenntnis gestaltet und geschützt werden sollte.195 In Barmen führte das Bekennen in tempore et in loco zu dem gemeinsamen Wort der Bekenntniskirchen;196 in anderen Situationen und Kontexten kann es, je nach Situation, eine andere Gestalt annehmen. Ein besonders sprechendes Beispiel für ein reformiertes Bekenntnis als Artikulation der „Lehre einer bestimmten Zeit“197 bietet das Bekenntnis der Vereinigten Presbyterianischen 192 Aus der Einleitung zum Glaubensbekenntnis der Ersten und Zweiten Cumberland-Presbyterianischen Kirche; Cumberland Presbyterian Churches, Confessions of Faith. Auch dieses Vorwort ist in RZH nicht abgedruckt; online verfügbar unter www.cumberland.org/gao/ confession/confess.htm [letzter Zugriff am 01. 05. 2016]. 193 Vgl. dazu auch die Diskussion von „tradition und contemporaneity“ bei Shinn/Williams, We Believe, 18–22. 194 Vgl. Hall, Confessing the Faith, 346: „Confession of the faith is occasioned by the inherent compulsion of apostolicity as these are stimulated by specific events and situations in the actual life of the church in the world.“ 195 Vgl. dazu Gerrish, a. a. O., 63. Die Entstehung der Barmer Theologischen Erklärung mag dafür als prägnantes Beispiel aus dem vergangenen Jahrhundert dienen: „If the church had only repeated the Apostles’ Creed instead of formulating the Barmen Declaration (1934) at the time of National Socialism, it could hardly have called attention to the reformanda that was needed precisely at that point in time.“; so Weinrich, a. a. O., 414. 196 Vgl. dazu die Einleitung der Barmer Theologischen Erklärung: „Gemeinsam dürfen und müssen wir als Glieder lutherischer, reformierter und unierter Kirchen heute in dieser Sache reden. Gerade weil wir unseren verschiedenen Bekenntissen treu sein und bleiben wollen, dürfen wir nicht schweigen, da wir glauben, dass uns in einer Zeit gemeinsamer Not und Anfechtung ein gemeinsames Wort in den Mund gelegt ist.“ 197 So Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 320.

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Kirche in den USA aus dem Jahr 1967, welches ganz bewusst nach dem Jahr des Entstehens benannt wurde: The Confession of 1967. Auf dem globalen Hintergrund des sog. „Kalten Krieges“ und der Auseinandersetzungen um Segregation und Rassismus in den USA198 versuchte dieses Bekenntnis für seine Zeit den Begriff der „Versöhnung“ als Kernbotschaft des Evangeliums in allen relevanten Bereichen von Kirche und Gesellschaft auszubuchstabieren. Auch das jüngste Glaubensdokument der Presbyterian Church of Korea (PCK) von 2001 verdeutlicht diesen Kontextbezug bereits mit dem Titel: The 21st Century Confession of Faith;199 oder in der deutschen Übersetzung: Das Glaubensbekenntnis der PCK für das 21. Jahrhundert.200 Mit klarem Bezug auf den gegenwärtigen Kontext dieser spezifischen presbyterianischen Kirche in Korea versucht dieses Bekenntnis, die Glaubenswahrheiten für seine Zeit und seinen Kontext auszulegen, etwa indem es einen Schwerpunkt auf öko-theologische Aspekte legt.201 Offenheit für das weitergehende Wirken des Heiligen Geistes birgt allerdings auch eine Gefahr in sich, der reformierte Kirchen in ihrem Bekenntnis auch erlegen sind; die Gefahr nämlich, nicht dem Heiligen Geist, sondern dem Zeitgeist zu folgen.202 Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyteriani198 Diese beiden Themen stellen die zwei Hauptschwerpunkte des Bekenntnisses dar. Weitere Themen, die für das Bekenntnis von 1967 wichtig waren und nicht in den klassischen Bekenntnistexten (hier v. a. dem Westminster-Bekenntnis) behandelt wurden, werden von Come, Occasion and Contribution, 18, aufgeführt, und seien hier als Beispiel für die kontextuelle Situation eines Bekenntnisses des 20. Jahrhunderts genannt: „The major sociocultural forces were: (1) World War I, the Great Depression, and World War II, (2) Freud, Darwin, and Marx, (3) the cultural pessimism of Nietzsche, Spengler and ‚existentialist‘ literature, (4) the movement for economic justice through labor unions and New Deal ‚socialism‘, (5) the social and cultural disestablishment of the church and the Christian religion, (6) the Jewish holocaust, (7) the emergence of world communism and the Third World, (8) the movement for racial equality in the USA, (9) radical departures in music, visual arts, and dance, (10) radio, motion pictures, and television, (11) automobiles, airplanes and space exploration, (12) the atomic bomb.” Come schließt aus dieser Liste: „It was clear […] that Presbyterians could no longer adequately confess their Christian faith by the use of the Westminster Confession.“ (Ebd.) Vgl. dazu auch die Beiträge von Wilmore, Racial Justice; Mauser, Peacemaking; Gajardo, Economics, und Wildung Harrison, Sexuality. 199 Hwang, New Confession. 200 Suk, Reformatorisch und ökumenisch, 245f. 201 Vgl. dazu die Diskussion bei Hwang, a. a. O. 202 Vgl. dazu Strauss, Reformed Theology, 153f. Dieser „Zeitgeist“ ist dabei nicht ausschließlich als ein außerhalb der Kirche entstehender und wirkender, rein säkularer „Geist“ zu verstehen, dem sich die Kirche zu widersetzen hätte, sondern er bedroht die Kirche und ihre Verkündigung viel stärker von innen durch eine Fehlinterpretation des Wortes Gottes und eben auch der Bekenntnisschriften der eigenen Tradition. Migliore, a. a. O., 355, stellt daher zurecht fest, dass der „Reformed spirit“ in der reformierten Tradition gerade auch in den „typisch reformierten Kennzeichen“ dieser Tradition immer wieder auch zu einem Zerrbild seiner selbst wurde: „It [the Reformed spirit] has sometimes given in to legalistic, exclusionary, and coercive impulses. It has sometimes turned the authority of the Word into biblicism; the importance of proclamtion into didactism; the call to responsible Christian life

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schen Kirche von England von 1956 beschreibt diesen Balanceakt der Kirchen zwischen Heiligem Geist und Zeitgeist: Die Kirche muss der Versuchung widerstehen, die Augen vor neuen Erkenntnissen zu verschließen; sie muss sich vor vorübergehenden Vorstellungen des Zeitgeistes hüten, zugleich aber darauf achten, dass sie die Ereignisse ihrer Zeit, die ihre Selbstzufriedenheit stören, nicht verdrängt. Sie muss sich jederzeit dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen und alles an der Offenbarung Gottes in Jesus Christus messen.203

Einer der umstrittensten Versuche, Zeitgeist und Heiligem Geist miteinander ins Gespräch zu bringen, findet sich im Glaubensbekenntnis (1977) der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba.204 Indem diese Kirche versucht, von der Bedeutung Zeugnis zu geben, „die das Evangelium von Jesus Christus für die Kirche in Kuba heute hat“205, und sich gleichzeitig „die Ziele der sozialistischen Revolution bewusst zu eigen gemacht hat“206, ersetzt sie an zentralen Stellen biblische Vorstellungen mit marxistisch-leninistischen Ideen. Deutlich wird dies etwa im sog. „anthropozentripetalen“ Kriterium, welches den Menschen in den Mittelpunkt des Interesses und der Sorge der Kirche stellt, und seine Integrität als den Maßstab [betrachtet], an dem sich alles messen lassen muss, insbesondere ihre eigene Lehre, ihre eigenen kirchlichen Strukturen und ihre besondere Sendung als Kirche.207

Für zeitgenössische Betrachterinnen und Betrachter scheint dieses Bekenntnis nur allzu deutlich den damaligen Zeitgeist der sozialistischen Revolution widerzuspiegeln; eine Gefahr in der die meisten Kirchen heute sicher nicht stehen. Dabei übersehen diese Kritiker dieses Bekenntnisses jedoch oftmals die Gefahr, in der sie selbst stehen, nämlich die unkritische Übernahme des Zeitgeistes und der Paradigmen des eigenen (westlichen) Kontextes208 – auch dafür ließen sich in den Bekenntnistexten des letzten Jahrhunderts vielfache Beispiele finden.209 Die

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into moralism; the concern for sound doctrine into dogmatism; the passion for the public service of God into religious zealotry; and the message of God’s sovereign grace into oppressive rule.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). RZH, 65. Für eine Diskussion dieses Bekenntnisses vgl. Stock, Cubanisches Glaubensbekenntnis. RZH, 111 (Hervorhebungen im Original). So der kommentierende Einleitungstext zum Bekenntnis. RZH, 113; es ließen sich noch unzählige weitere Stellen finden, die eine ähnliche Tendenz aufzeigen. Vgl. dazu etwa die Warnung bei Small, To be Reformed, 5f. Ganz besonders trifft dies zu im Bereich der Sexualethik; vgl. dazu etwa das Bekenntnis von 1967, RZH, 167, oder Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) RZH, 71f. Ein weiteres aktuelles Beispiel für die drohende Gefahr einer unkritischen Übernahme des Zeitgeistes findet sich in einigen, insbesondere westlichen, Kirchen der reformierten Tradition, wenn die in diesem Abschnitt beschriebene Kontextualität und evangelische Freiheit nicht als „schöpferischer Pluralismus des Geistes“, sondern als religiöse Beliebkeit verstanden wird,

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immer wieder anzustrebende und durchzusetzende Theozentrik von Kirche und Bekenntnis versucht dieser Verwechslung zu wehren, und allein den Heiligen Geist als Quelle des Bekennens anzuerkennen – gerade dort, wo der Heilige Geist „mitten in der Welt wirkt“210.

3.3.2 Bekennen in der Ökumene der Una Sancta Ecclesia Bei aller Betonung der Partikularität und Kontextualität der Bekenntnisse aber ist ein weiteres, ebenso bedeutendes Leitmotiv zu berücksichtigen, das erneut in der reformierten Ekklesiologie begründet liegt, nämlich das Verständnis der Universalität des Bekennens.211 Dabei beruht jegliches Verständnis von „Universalität“ der reformierten Tradition jedoch nicht auf dem Anspruch, die einzige wahre christliche Tradition zu sein; vielmehr beansprucht sie, „to be one way the one, holy, catholic, apostolic church has lived, handing on its faith and life to every new generation“212. Besonders deutlich wird dieses Anliegen bei Unionsverhandlungen von Kirchen; wie hier etwa bei der Vereinigten Kirche von Südindien: Die sich vereinigenden Kirchen stimmen darin überein, dass bei jedem Versuch, getrennte Glieder des Leibes Christi in einer Organisation zusammenzubringen, das Endziel die Vereinigung aller derer, die den Namen Christi bekennen, in der Universalkirche sein muss. […] Sie vertrauen deshalb darauf, dass die vereinigte Kirche, bei Wahrung all dessen, was in ihrem indischen Erbe geistlichen Wert hat, unter indischen Bedingungen und in indischen Formen den Geist, den Gedanken und das Leben der Universalkirche zum Ausdruck bringt.213

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welche letztendlich aber nur einen „zerstörerischen Relativismus“ darstellt, wie Welker, Elend und Auftrag, 188, betont. Das Bekenntnis der Toraja-Kirche von 1981; RZH, 25. So könnten Martien Brinkmans Überlegungen zu Universalität/Katholizität und Partikularität/Kontextualität in der reformierten Tradition den folgenden Überlegungen vorausgestellt werden: „The Reformed tradition is preeminently a tradition in which the contextual articulation of faith has acquired a legitimate place, but in which, nevertheless, the pretension to formulate contextually the universal truth in Jesus Christ was upheld continuosly. […] This contextual awareness, however, did never weaken their intention to articulate the catholic faith in their contextual confessions. All these confessions are meant as expressions of the authentic faith of the church throughout the ages.“ Brinkman, Contextual Theology, 126f. Leith, Introduction, 31 (Hervorhebung im Original). Zur Diskussion des problematischen Verhältnisses und Verständnisses von kontextueller/partikularer und universaler Theologie aus der Sicht reformierter Theologie des 21. Jahrhunderts vgl. insbesondere die Beiträge des von Brinkman/van Keulen herausgegebenen Sammelbandes, Christian Identity in CrossCultural Perspective, der auf ein internationales Seminar des IRTI zum Thema „Contextual and Universal Theology“ im Jahr 2002 zurückgeht. RZH, 238 (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Der oben diskutierte theozentrische Charakter des Bekenntnisses führt dazu, dass „sich eine Kirche nicht zu sich, zu ihrer Tradition, zu ihrem Sonderanliegen und ihrer Sonderexistenz, sondern zu Gott in Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift und […] sich damit als Repräsentantin der einen Kirche“214 bekennt. In gleicher Weise wollen reformierte Bekenntnisse bezeugen, was Christen glauben, zwar reformierte Christinnen und Christen an diesem Ort und zu dieser Zeit, aber – und das ist entscheidend – als Glieder der einen allgemeinen Kirche.215 Die Partikularität des Bekenntnisses kann nur als (legitimer) Weg zur Universalität verstanden werden, wie Karl Barth betont; die partikulare Bekenntniskirche wird zur Hoffnungsträgerin auf ein ökumenisch-öffentliches Bekenntnis.216 Faktische Bekenntnisheterogenität darf daher nicht als Voraussetzung und Begründung für etwaige „Speziallehren“ einer konfessionellen Tradition dienen.217 So verpflichtet sich The Fellowship of Middle East Evangelical Churches im Jahr 2006 in ihrer Amman-Erklärung Unsere Offenheit für den Heiligen Geist zu erklären, dass er uns führe, wie er will im Prozess der Integration unserer evangelischen Einheit in die christliche Einheit als Ganzes. Daher verpflichten wir uns, unablässig füreinander zu beten, „damit sie alle eins sind“ (Joh 17,21).218

Gleichzeitig jedoch betonen reformierte Bekenntnisse, wie unten noch zu diskutieren sein wird, immer auch die Begrenztheit und Fehlbarkeit menschlicher Aussagen, und erheben nicht den Anspruch, den christlichen Glauben in einer 214 Busch, Die Nähe der Fernen, 593. Vorher schreibt Busch: „Die alten Bekenntnisse [der Reformationszeit] hatten nicht bekannt, um das Sondergut einer Spezialkirche apologetisch nach außen zu behaupten oder ästhetisch nach innen schön zu finden, sondern um zu erklären: Die diese Erkenntnis aussprechende Kirche ist an ihrem Ort die Vertretung der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche.“ A. a. O., 592. 215 Vgl. zu diesem Abschnitt Ernst, Reformed Identity. Es bleibt dabei aber festzuhalten, dass dieses Verständnis eines dialektischen Verhältnisses von Partikularität und Universalität besonders für reformierte/protestantische Minderheitenkirchen eine gewaltige Herausforderung darstellt, wie etwa Paul Wells für die reformierte Kirche in Frankreich betont; vgl. dazu WElls, The Identity of a Religious Minority. Wells stellt etwa fest: „The ecumenical movement was a real danger for the existence of French Protestantism. It became fashionable to be a ‚Christian‘, rather than primarily a member of a confession – a slippery slope for Protestant identiy in France, where ‚Christian‘ always means ‚Catholic‘.“ A. a. O., 492. 216 Barth, Theologie der Reformierten Bekenntnisschriften, 19. Vgl. dazu auch KD I/2, 699, wo Barth betont, dass gerade in der Einschränkung durch den „bestimmten Umkreis“ der bekennenden Kirche das Bekenntnis „kirchliche Universalität [hat], […] kirchliches Dogma [ist], […] es also kirchliche Autorität [hat]“. 217 Nachdrücklich betont Berkhof, Reformed Confession, 354, mit Rückbezug auf die reformierte Ekklesiologie der Reformationszeit: „It is not the task of the Reformed church to deny that the ecclesia catholica is also present in many other forms of the Church; but from this fact it should not conclude that its business is to spezialize in ‚special‘ Reformed doctrines but rather to represent in itself this ecclesia catholica as deeply and as broadly as possible.” 218 Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 43.

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endgültigen Form christlicher Katholizität widerzugeben.219 Schon Bullinger hatte, wie andere Reformatoren auch,220 in der Helvetica Posterior darauf gedrungen, dass sein Bekenntnis nicht als Sonderbekenntnis zu verstehen sei, sondern dass es im Gegenteil gerade der Einheit des katholischen Glaubens der einen Kirche zu dienen habe und in ihr begründet liegt: Außerdem lehren wir mit allem Fleiß, man solle darauf achten, worin am ehesten die Wahrheit und Einheit der Kirche liege, damit wir nicht leichtfertig Spannungen erzeugen und in der Kirche begünstigen. Jene liegt nicht in den äußeren Zeremonien und gottesdienstlichen Gebräuchen, sondern vielmehr in der Wahrheit und Einheit des katholischen christlichen Glaubens.221

Noch nachdrücklicher formulierte Calvin in seiner Einleitung zur lateinischen Ausgabe seines Genfer Katechismus (1545), geradezu paradigmatisch auch für seine Nachkommen in der reformierten Tradition späterer Jahrhunderte, den Anspruch partikularen Bekennens im universalen Kontext der einen Kirche Christi sowie dessen realistischen Umsetzung. Das Zitat wird hier in einem längeren Ausschnitt wiedergegeben, weil es wie in einem Brennglas das zum Ausdruck bringt, was in den vorhergegangen Abschnitten dargelegt wurde: Da uns keine Anstrengung zu groß sein soll, damit unter uns jene Einheit des Glaubens, an der schon Paulus gelegen war, sichtbar werde, sollte zu diesem Zweck namentlich jenes feierliche Bekenntnis, welches gemeinhin mit der Taufe verbunden ist, wieder zur Geltung gebracht werden. Von daher sollte nicht bloß unter allen eine Übereinstimmung in Bezug auf die Glaubenslehren bestehen, sondern es wäre zu wünschen, dass auch alle Kirchen einen gemeinsamen Katechismus besäßen. Weil dies aber aus vielerlei Gründen kaum jemals zustande gekommen ist, kann man nicht allzu heftig dagegen angehen. Allerdings soll die Verschiedenheit in der Lehre nicht weiter gehen, als dass wir durch sie zu dem einen Christus geführt werden und durch seine Wahrheit untereinander verbunden so in einem Leib und Geist verschmelzen, dass wir einhellig miteinander die Hauptpunkte des Glaubens verkündigen. Lehrer, die dieses Ziel nicht anstreben, verursachen eine gottlose Entheiligung der Taufe, abgesehen von dem gewaltigen Schaden, den sie in den Kirchen anrichten, wenn sie verschiedene Ansichten über die Religion verbreiten. […] Herausgeber von Katechismen müssen darum erst recht 219 Vgl. dazu auch Leith, The Reformed Imperative, 37: „The finiteness of the human mind and the parochialness of human achievements mean that we are safest when we openly acknowledge that our reading of the tradition is not complete, not even catholic. Every particular tradition of Christian faith must remain in tension with the catholicity of the tradition. […] The tradition is Jesus Christ, and the traditions are broken apprehensions of what God has done in Christ for our salvation.“ 220 Vgl. dazu Runia, Catholicity, 58–69. 221 Confessio Helvetica Posterior Kapitel XVII; Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 219. („Observandum praeterea diligenter docemus, in quo potissimum sit sita veritas et unitas ecclesiae, ne temere schismat excitemus, et in ecclesia foveamus. Sita est illa non in caeremonijs et ritibus externis, sed magis in veritate et unitate fidei catholicae.“ BSRK 199,36–38.)

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Sorgfalt walten lassen, damit sie nichts Unbesonnenes vorbringen und dadurch nicht nur im Augenblick, sondern auch für die Zukunft der Frömmigkeit schweren Schaden zufügen oder gar der Kirche eine unheilvolle Wunde schlagen.222

Vierhundert Jahre später sprechen auch die Erklärung des christlichen Glaubens aus Großbritannien und die Déclaration de Foi aus Genf dieses Anliegen in ihren jeweiligen Bekenntnispräambeln konkret aus. Die Erklärung christlichen Glaubens wurde von einem Ausschuss der Generalsynode der Presbyterianischen Kirche Englands ausgearbeitet und von dieser Synode angenommen. Sie wollte jedoch nicht nur eine rein konfessionelle Position darstellen, sondern den allumfassenden Glauben der christlichen Kirche umschreiben, wie er einem Teil der Kirche zu verstehen gegeben ist.223 Unsere Kirche, die im 16. Jahrhundert aus der Reformation entstanden ist, bekräftigt dankbar und in Verbundenheit mit der weltweiten Kirche, die Kontinuität des christlichen Glaubens bei allem Wandel in seinen Ausdrucksformen durch die Zeit bis zu uns.224

Auch die Presbyterianische Kirche in den USA bekennt sich ausdrücklich dazu, sich durch ihr Brief Statement of Faith nicht etwa von anderen Kirchen abzusondern, sondern gerade eben mit ihm der einen, universalen Kirche zu vereinen.225 Ein reformiertes Bekenntnis strebt diesem Verständnis nach also an, eine 222 Calvin-Studienausgabe Bd. 2, 11 (Hervorhebungen: M. E.-H.). („Cum hoc modis omnibus eniti nos conveniat, ut inter nos reluceat illa, quae tantopere a Paulo commendatur fidei unitas ad hunc certe finem potissimum solennis fidei professio, quae Baptismo communi annexa est, debebat referri. Proinde hic non perpetuum modo inter omnes consensum in pietatis doctrina constare: sed unam quoque ecclesiis omnibus esse Catechismi formam optandum esset: Verum, quia multas ob causas vix unquam id poterit obtineri, quin suam quaeque ecclesia propriam habeat, non est vehemtius pugnandum: modo tamen ea sit in docendi modo varietas, qua ad unum Chistum dirigamur omnes, cuius veritate inte nos copulati, sic in unum corpus coalescamus unumque spiritum, ut eodem simul ore, quaecunque ad fidei summam spectant, praedicemus. Ad hunc scopum qui non intendunt Catechistae, praterquam quod dissidii materiam in religione serendo capitaliter nocent ecclesiae, impiam quoque baptismi profanationem inducunt. […] Quo diligentius cavere debent, qui Catechismos edunt in publicum, ne quid temere prferendo, non in praesens modo, sed etiam ad posteros, tum gravem pietati noxam, tum exitiale Ecclesiae vulnus infligant.“ A. a. O., 10) 223 RZH, 64 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 224 Krieg, Werkbuch, 158 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 225 So im Vorwort des Bekenntnisses: „The faith we confess unites us with the one, universal Church. […] This statement […] intends to confess the catholic faith.“ Zitiert bei Placher/ Willis-Watkins, Belonging to God, 21. Diese von den Reformatoren übernommene Einsicht führte dann z. B. auch während des Entstehungsprozesses des Bekenntnisses dazu, dass der Arbeitstitel des zu verfassendenen Bekenntnisses als Brief Statement of Reformed Faith als theologisch irreführend verworfen wurde, da das Anliegen doch nur das Bekenntnis des biblischen oder katholischen Glaubens sein könne; vgl. a. a. O., 9.

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Stimme der Una Sancta zu sein, und mit den Heiligen aller Zeiten und Orte zu bekennen: All testimony to Jesus Christ is made within the context of the church universal and therefore must not be made in a narrow, sectarian manner or spirit.226

Dabei beziehen sich viele reformierte Kirchen227 bewusst und explizit auch auf ihr von den Vätern und Müttern überliefertes Erbe, denn Partikularität und Kontextualität reformierter Bekenntnisse bedeuten eben nicht, dass sie nur ihre Zeit, ihren Orte sehen. Im Gegenteil, reformierte Kirchen suchen und bekennen die Verbindung zu den Bekenntnissen aus der Zeit der Alten Kirche, der Reformation und auch aus jüngerer Zeit.228 In diesem Sinne wissen sie sich in eine apostolische Tradition eingebunden; wobei „apostolisch“ hier im Sinne der Kontinuität des apostolischen Glaubens verstanden wird229 und nicht etwa im Sinne etwa einer apostolischer Sukzession. Bezugnahme auf die christliche, bzw. „reformierte“ Tradition im allgemeinen oder auf bestimmte Bekenntnistexte dieser Tradition im Besonderen können für Erstellung und Rezeption des Bekenntnisses in der jeweiligen Kirche von ausschlaggebender Bedeutung sein. Das Belhar-Bekenntnis aus Südafrika z. B. sieht sich als in der Kontinuität der „Drei Formulare der Einheit“230 stehend, während die drei anderen aus der holländischen Mission und Migration entstandenen reformierten Kirchen, die diese Bekenntnisgrundlage mit der Niederländisch-Reformierten Missionskirche teilen, durch die theologische und kirchenpolitische Verteidigung der Apartheidsideologie diese Grundlage des „wahren Glaubens“ ihrer Ansicht nach bereits verlassen hatten.231 Nur auf diese Weise war und ist es auch heute noch möglich, die anderen reformierten Kirchen in Südafrika in die Diskussion um 226 So die Cumberland-Presbyterianischen Kirchen in der Einleitung zu ihrem Glaubensbekenntnis von 1984, Cumberland-Presbyterianische Kirchen, Confessions of Faith. 227 Wobei hier festzuhalten ist, dass es durchaus auch reformierte Kirchen gibt, die sich nicht auf ein gemeinsames (reformiertes) Bekenntnis gründen, und in deren Sprachgebrauch auch der Begriff der „Katholizität“ für Gemeindeglieder keine tatsächliche Bedeutung mehr hat, sondern gleichsam zu einem „Zeichen höchster Schwäche“ geworden ist, und sich das Kirchenverständnis zu einem partikularistischen und eher kongregationalistischem entwickelt hat; so Kunz, Reformierte Katholizität, 118, in seiner Analyse der gegenwärtigen Situation in Schweizer reformierten Landeskirchen (mit Bezug auf Karl Barth, KD IV/1, § 62, 784). 228 Vgl. dazu unten die Diskussion in Abschnitt 3.5.2 „Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae“. 229 Vgl. z. B. die Präambel des Neuen Bekenntnisses der Presbyterianischen Kirche in Korea von 1972, RZH, 36. 230 Zusätzlich zu diesen Bekenntnissen der Reformationszeit stellt insbesondere auch die Barmer Theologische Erklärung eine wichtige Quelle für das Belhar-Bekenntnis dar; vgl. dazu u. a. Horn, From Barmen to Belhar and Kairos, und Niemöller, Von Barmen zu Belhar, 45– 52. 231 Vgl. dazu Botha/Naudé, Jesus is de Here!, 10f.

Bekennen im partikularen Kontext und in der universalen Katholizität

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das Bekenntnis einzubinden – auch wenn dieses sich häufig immer noch als sehr schwierig gestaltet.232 Bekennen im Kontext der Ökumene heißt aber auch, dass die bekennende Kirche gerade im Bekenntnisprozess offen für andere christliche Kirchen und Traditionen bleibt, und bereit ist, von ihnen zu lernen und im Gespräch mit ihnen gegenseitige Korrekturen und Versöhnung zu suchen.233 Schon zu Beginn der Reformationszeit stellte sich Zwingli mit seiner Fidei Ratio von 1530, die er als Rechenschaft über seinen Glauben Karl V. vorlegte, ausdrücklich nicht allein dem Urteil des Kaisers: Daher übergebe ich Dir, Kaiser, die Zusammenfassung meines Glaubens […], und erkläre gleichzeitig, dass ich das Urteil […] nicht einem einzelnen oder einigen wenigen, sondern der ganzen Kirche Christi anvertrauen und überlassen werde, sofern diese nach der Vorschrift und der Eingebung des Wortes und Geistes Gottes entscheidet.234

Reformiertes Bekenntnis spricht also „zusammen mit der einen universalen Kirche“235, „in Gemeinschaft mit der christlichen Kirche in aller Welt“236. Auch an dieser Stelle wird, wie schon im vorhergehenden Kapitel, erneut deutlich, wie Grundanliegen reformierter Ekklesiologie, wie das des Verhältnisses von universaler und partikularer Kirche, mit denen des Bekenntnisverständnisses verwoben sind. Dieser Aspekt wird an anderer Stelle noch ausführlicher zu betrachten sein.237

232 Vgl dazu Naudé, Belhar, 77–89, und besonders Naudé, Neither Calendar nor Clock, 131– 165. 233 Vgl. z. B. die Diskussion zum „ecumenical character of Reformed churches“ in: Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 23. Gleichzeitig warnt dieser Text jedoch auch davor, diese ökumenische Offenheit zu verzeichnen, da es in der Geschichte der reformierten Tradition zahlreiche Beispiele für Personen, Gruppen oder ganze Denominationen gegeben habe, für die „the true understanding of Christian faith and life […] is completely, infallibly, and unchangeably contained in this or that particular Reformed confession. But such an attitutde is itself un-Reformed and contrary to the very confessional documents used to support it.“ (Ebd.). 234 Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 29. („En igitur tibi Caesar hac lege fidei meae summam […] inidicium, nulli uni: nullisque paucis, sed toti Ecclesia Christi, quatenus illa ex verbi et spiritus Dei, tum praescripto, tum adflatu pronunciat crediturum ac permissurum esse.“ BSRK 79,27–32, Hervorhebungen: M. E.-H.). Durand, Confession, 40, fasst dass in diesem Abschnitt diskutierte Verständnis der Universalität und Partikularität zusammen, wenn er festhält, dass die bekennende Kirche „speaks the truth on behalf of the universal Church, even if it is for a specific and particular situation.“ (Hervorhebungen im Original). 235 Lebendiger Glaube – Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 132. 236 Glaubenserklärung der Kirche Jesu Christi in Madagaskar (1958), RZH, 225. 237 Vgl. dazu unten Abschnitt 3.5.2.

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3.4

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

Aus den in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen Grundzügen des reformierten Bekenntnisverständnisses, besonders aus dem Verständnis des Bekenntnisses als gehorsamer Antwort auf Gottes Ruf, wird schon erkenntlich, welchen Stellenwert das Bekenntnis in der reformierten Tradition innehat und welche Autorität es bei aller Kontextualität und Relativität besitzt. Gleichzeitig ist allein schon die große Anzahl reformierter Bekenntnistexte von Beginn der reformierten Tradition an ein Hinweis darauf, dass dieses Verständnis von Bekenntnisautorität einen für die reformierte Tradition eigenen und signifikanten Charakter besitzt. So kann Georg Plasger das Bekenntnisverständnis Karl Barths, stellvertretend für die Mehrheit reformierter Bekenntnistexte, mit der knappen Formel „relative Autorität“238 zusammenfassen, während Shirley Guthrie den gleichen Sachverhalt beschreibt als „uniquely Reformed understanding of the provisional, temporary, relative authority of creeds and confessions“239. Reformierte Kirchen sind ihren eigenen Bekenntnissen gegenüber immer gleichzeitig „relatively bound and relatively free“240; das Bekenntnis ist immer gleichzeitig „vorläufig verbindlich und verbindlich vorläufig“241. Wenn hier also zunächst das Verständnis der Bekenntnisautorität diskutiert wird, so geschieht dies rein aus formalen Gründen; inhaltlich muss der darauf folgende Abschnitt über die Relativität der Bekenntnistexte dazu stets ins Verhältnis gesetzt werden.

3.4.1 Der bindende, leitende und bewahrende Charakter Eine reformierte Kirche, die ihr Bekenntnis als „gehorsamen Akt“ und als „zwingende Schrift“ versteht, als ein Dokument, das auf der Leitung des Heiligen Geistes und dem Worte Gottes beruht, muss dem Bekenntnis damit zwangsläufig sowohl inhaltlich als auch formal einen hohen Anspruch an Autorität zuweisen. Johannes Fischer kann daher mit Recht lapidar festhalten, dass „man […] nicht 238 So der Titel der Untersuchung des Bekenntnisverständnisses Karl Barths von Georg Plasger. 239 Guthrie, Christian Doctrine, 27 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Unter den Begriffen Vagheit und Verbindlichkeit diskutiert auch Latzel, Grundzüge, 187–190, diesen Aspekt reformierten Bekenntnisverständnisses. 240 Guthrie, a. a. O., 28. Selbstverständlich ist dieses Verständnis nicht auf Kirchen der reformierten Tradition beschränkt; vgl. dazu etwa die Überlegungen zu Gebundenheit und Freiheit der Antwort bei Schlink, Struktur, 37: „Nur im rechten Miteinander von Gebundenheit und Freiheit ihrer Aussagen erweist sich die Kirche als die durch alle Zeiten hindurch unveränderte Eine, die gerade darin dieselbe ist, dass sie aktuell lebendig mit ihrem Zeugnis in immer neue Bereiche dieser Welt hineinstößt.“ 241 Reichel, Theologie als Bekenntnis, 269.

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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von Bekenntnis reden [kann], ohne auch von Verbindlichkeiten zu reden“242. Bekenntnis wird nicht als theologisches Programm oder Selbstverständnis dieser Kirche verstanden, sondern als Antwort auf die Offenbarung Gottes; das Bekenntnis beruht auf der Erkenntnis243 und ist ein „Geschenk Gottes“244. Auf dieser Grundlage kann dann schon der Berner Synodus folgenden Anspruch festlegen: Zuletzt ist unser Befehl und unsere endliche Meinung, dass diese Acta auf den folgenden Synoden […] fleißig verlesen, erläutert, ausgelegt und erneuert werden und an keinem Punkt Abbruch geschehen soll.245

Andere Kirchen haben zukünftige Pfarrerinnen und Pfarrer bei der Ordination auf einzelne Bekenntnisse oder Sammlungen von Bekenntnissen verpflichtet oder die Zustimmung zu Bekenntnissen zum Aufnahmekriterium für neue Gemeindeglieder gemacht.246 Aber nicht diese formal-juristischen Aspekte begründen den inneren Autoritätsanspruch, im Gegenteil, sie werden von ihm begründet. Jeglicher Verbindlichkeitscharakter reformierter Bekenntnisse kann, dem Verständnis bekennender Kirchen nach, nur aus Gottes Handeln an und für die bekennende Kirche verstanden werden. Verbindlichkeit fordert das reformierte Bekenntnis daher „nicht für sich, nicht für seinen Wortlaut, sondern für den Geber jener Gabe und nur insofern auch für sich.“247 Erstes Subjekt allen Bekennens bleibt reformiertem Verständnis nach Gott; er schenkt der Kirche die aus der Heiligen Schrift erkannte Wahrheit, die sich nun von allen anderen Äußerungen der Kirche dadurch unterscheidet, dass sie grundsätzlich nicht mehr diskursiv zu verstehen ist.248 So begründet der Heidelberger Katechismus in

242 J. Fischer, Bekenntnis und Verbindlichkeit, 33 – eine in seinem Kontext der „bekenntnislosen“ Zürcher Landeskirche geradezu (gewollt) provaktive Aussage. 243 Vgl. Barth, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 53, und auch Kraus, Systematische Theologie, 120. 244 Plasger, Relative Autorität, 128. Vgl. dazu auch Bühler, a. a. O., 21: „Das Bekennen kommt aus einem fröhlichen, gewissen, munteren, vollen Gewissen. Es kann nicht erzwungen werden, sondern wird dem Menschen durch den Glauben geschenkt.“ 245 Vgl. BSRK XXI,27–30 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 246 Für Beispiele der auch formal-juristisch verstanden Autorität reformierter Bekenntnisse von der Reformationszeit an vgl. bei Barth, a. a. O., 52–62. 247 Busch, Credo, 21. Busch fährt fort: „Darum ist allerdings auch der Inhalt des Bekenntnisses für seine Respektierung entscheidend. Darum ist die Autorität des kirchlichen Bekenntnisses vor allem eine geistliche und keine juristische.“ (Hervorhebungen im Original). 248 Vgl. dazu Barth, KD I/2, 699: „Weil und sofern sie auf einer der Kirche gegebenen Einsicht beruht, darf und muß eine echte kirchliche Konfession verbindlich reden, kann sie also ihre Aussagen nicht bloß bekanntgeben, nicht bloß zur Diskussion und freien Auswahl stellen.“ (Hervorhebungen im Original), und Barth, Gottes Wille, 16: „Abgründe hat es wohl immer gegeben mitten in der Kirche. Heute haben sie sich aufgetan. Und damit sind große Linien gezogen mit einem Hüben und Drüben, über das sich nicht mehr diskutieren, dass durch

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Frage 104 in einer interessanten Auslegung des Fünften Gebotes die „Annahme aller guten Lehre“ mit dem Verweis auf den gebührenden Gehorsam, während er gleichzeitig Geduld „mit ihren Schwächen und Fehlern“ einfordert.249 Mit Karl Barth kann man daher reformierte Bekenntnisse als „Dokumente des Gehorsams gegen den Heiligen Geist des Wortes Gottes“ und damit als „Instrument seiner Macht und seiner Regierung“250 verstehen. Dementsprechend bekennen die sich vereinigende Kirche von Australien in ihrer Unionsgrundlage und die Reformierte Kirche in Amerika in ihrem Lied der Hoffnung: Durch Zeugnis der Menschen in Wort und Tat und in der Kraft des Heiligen Geistes ist Christus am Werk, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erringen und ihren Glauben zu wecken.251 Der Geist […] hat in den altkirchlichen Bekenntnissen gesprochen und in den Bekenntnisschriften der Reformation. Er ruft die Welt auf, für Christus zu zeugen.252

Der Gehorsam diesem Geist gegenüber ist nun nicht als „blinder“ zu verstehen, sondern kann in der reformierten Tradition nur dann recht verstanden werden, wenn er zugleich mit dem Konzept der Dankbarkeit in Beziehung gesetzt wird:253 Gehorsame Dankbarkeit beruht auf Gottes barmherziger Bindung an die Menschen, auf die sie mit der willigen Bereitschaft antworten, sich auch durch die Lehrer der Kirche als ihre geistlichen Vorfahren und durch deren Bekenntnisse binden zu lassen. Die christliche Tradition […] soll demütig und dankbar empfangen werden, jedoch mit Unterscheidungsvermögen, und soll stets am Geist Christi gemessen werden, wie er in der Schrift erscheint.254

249

250 251 252 253 254

kein Ja und Nein mehr zu überbrücken ist, das Entscheidung, Gehorsam und Bekenntnis verlangt und sonst gar nichts.“ Vgl. auch Plasger, a. a. O., 131f. So konnte etwa Barth auf die Frage, warum er der Tradition und ihren Bekenntnissen in seiner theologischen Arbeit einen so großen Stellenwert einräume, antworten: „Meines Erachtens steht die ganze Frage der Tradition unter dem 5. Gebot: Ehre Vater und Mutter! Gewiß, das ist eine begrenzte Autorität: Wir haben Gott mehr zu gehorchen als Vater und Mutter. Aber wir haben auch Vater und Mutter zu gehorchen.“ Barth, Credo, 156. Vgl. dazu auch Plasger, a. a. O., 211. Barth, KD I/2, 732. RZH, 279 (Hervorhebungen: M. E.-H.). RZH, 172. Vgl. auch zum Folgenden Busch, Reformed Strength, 28. Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von England (1956); RZH, 65. Allerdings müssen sich die Kirchen der reformierten Familie hier selbstkritisch fragen, ob sie tatsächlich bereit sind, sich auch durch die Tradition binden lassen, oder wie der Reformierte Weltbund formuliert: „Wir fragen uns […], ob die reformierten Kirchen die relative Autorität der Tradition hinreichend würdigen. Der Heilige Geist hat die Kirche durch die Jahrhunderte hindurch geleitet. Die Kirche unserer Generation ist aufgefordert, sich die in der Kirchengeschichte angesammelten Einsichten und Erfahrungen in angemessener Weise zunutze zu machen.“ Ihr werdet meine Zeugen sein, 22.

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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Diesem Verständnis entsprechend löste die Vereinigte Kirche Christi in Japan die Spannung zwischen „Glaubensfreiheit“ und „Bekenntnisautorität“ im Jahr 1954, indem sie erklärte, dass „das Glaubensbekenntnis jene bindet, die es freiwillig bekennen“255. Frei-willig ist dieses Bekenntnis allerdings nur, weil der einzelne Christ, die einzelne Christin so wie die gesamte Kirche von Gott zu jedem Glaubens- und Bekenntnisakt befreit wurde: Wenn wir das Evangelium hören und darauf antworten, wenden wir uns aus freien Stücken zu Christus. Wenn wir uns zu ihm gewandt und Buße getan haben, stellen wir fest, dass es der Heilige Geist war, der uns fähig gemacht hat zu glauben.256 Der Heilige Geist befähigt uns, Jesus Christus zu begegnen, so dass wir in dieser Begegnung uns selbst als Sünder sehen, Jesus als Christus bekennen, durch Glauben gerecht werden und durch Glauben an Gott ein christliches Leben führen können.257

Erst auf diese durch den Heiligen Geist gewirkte Umkehr folgend kann die Kirche sich in Freiheit in die Verbindlichkeit des Bekenntnisses begeben, und als Konsequenz kann das Bekenntnis selbst dann als „Akt der Freiheit“258 verstanden werden. Bei aller theologisch begründeten und angestrebten Partikularität reformierter Bekenntnisse gilt daher gleichzeitig immer auch ihr eben genau diese Partikularität wieder relativierender Anspruch auf Autorität. Reformierte Bekenntnisse sollen durch diesen Anspruch, durch dieses spezifische Verständnis von Tradition, auch vor der „tyranny of the moment“259 bewahrt werden, wobei sie gleichzeitig „some transcendence over time“260 gewinnen, und einer willkürlichen Selektivität der Kirche entgegenwirken.261 Bekenntnisbindung kann auf diese Weise sogar einen befreienden Charakter erhalten, indem die bekennende Kirche aus der Gefangenschaft ihrer notwendig begrenzten Perspektiven

255 In der Einleitung zum Glaubensbekenntnis, RZH, 30. 256 Lebendiger Glaube – Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 140. 257 Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972, RZH, 4. 258 So J. Fischer, Bekenntnis und Verbindlichkeit, 35. Vgl. dazu auch Schröer, Glaubensbekenntnis, 104: „Bekenntnis nimmt […] das nicht autoritäre Subjektsein Gottes ernst. Im Bekenntnis löst sich der oft als ausweglos bezeichnete Gegensatz von Autonomie (Selbstbestimmung) und Heteronomie (Fremdbestimmung). Das Bekenntnis ermöglicht die volle Aktivität des Menschen, der darin mündig werdend Gott die Ehre gibt, weil ihm das wahre Selbstverständnis eröffnet wurde.“ 259 Leith, Introduction, 28. 260 Ebd. 261 Vgl. dazu z. B. Herrenbrück, Reformierte Bekenntnisse, 53 „Bekenntnisschriften helfen uns, wichtige theologische Begriffe und Themen, die heute vielleicht nicht gerade ‚in‘ sind, nicht zu vergessen. Der H[eidelberger] K[atechismus] spricht von ‚des Menschen Elend‘; er spricht von der menschlichen Sünde. Wo kommt in unserem kirchlichen Reden und in unserer kirchlichen Praxis heute noch die Sünde vor? […] Hier bewahrt uns die Bekenntnisschrift vor Willkür.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

und Paradigmen befreit wird,262 ohne dabei jedoch einen ungeschichtlichen, bzw. übergeschichtlichen Charakter anzunehmen. Um einen solchen übergeschichtlichen Charakter zu vermeiden, können sogar Ergebnisse und Fragestellungen der historisch-kritischen Forschung in den Bekenntniskorpus aufgenommen werden und das Verständnis von der bindenden Autorität der Tradition und ihrer Bedeutung für Bekenntnisaussagen beleuchten.263 Die gegenüber überlieferten Glaubensdokumenten eher argwöhnische kongregationalistische Kirche264 in England und Wales widmet diesem Argument sogar zwei Abschnitte in ihrer Glaubenserklärung von 1967, und bekennt: Gott leitet die Kirche durch das Studium ihrer eigenen vergangenen Geschichte. […] Unsere Aufgabe ist es herauszufinden, wo in der Vergangenheit christliche Gemeinden gehorsam waren und wo nicht. […] Wir betrachten mit besonderer Dankbarkeit die großen Affirmationen christlichen Glaubens, die uns aus der Vergangenheit überkommen sind. […] Wir hören sorgfältig auf sie, während wir unser Zeugnis in der heutigen Zeit ablegen. Sie weisen uns auf die volle Botschaft der Bibel hin, und wir folgen ihnen, insofern sie uns zu Gott in Christus führen.265

Der letzte Satz des kongregationalistischen Bekenntnisses enthält in seiner doppelten Ausrichtung einen weiteren Hinweis auf den Autoritätsanspruch reformierter Bekenntnisse: Bekenntnisse wollen und sollen nicht anstelle der Bibel gelesen werden, sondern bezeugen die in der Schrift enthaltene Wahrheit, und nur insofern sie dies tun, leiten sie die bekennende Kirche zu Gott in Christus266 – 262 Vgl. dazu insbesondere Joseph D. Small, der vor dem Hintergrund einer weitläufig vorhanden Traditionsvergessenheit in amerikanischen Kirchen nachdrücklich feststellt: „Tradition itself can be liberating, freeing us from captivity to the limited perspective of our time and place. Without the capacity to transcend the taken-for-granted assumption of twentyfirst-century North America, we become prisoners in the tiny cell of ‚here and now‘.“ Small, Conversation, 5. 263 Vgl. dazu die Diskussion bei Thompson, Truth in Tradition, 60–82. 264 Siehe dazu die ausführliche Diskussion der „Creeds and Confessions in the Congregational Council“ von Sell, A Reformed, Evangelical, Catholic Theology, 79–83. 265 RZH, 94. 266 Vgl. dazu z. B. Busch, Was zeichnet die Reformierten heute aus?, 62: „Nicht weil, sondern sofern das Bekenntnis mit der Schrift übereinstimmt, ist es für die Gemeinden verbindlich.“ (Hervorhebungen im Original). Gustav Bam löst die klassische „quia vs. quatenus“-Diskussion in gewisser Weise auf, Concerning Confession, 106: „We adhere to the confession not to the extent that but because we believe it is in harmony with the Word of God. But this ‚because‘ does not grant the creed an absolute finality in the life of the Church. […] The confession is ever subject to the discipline and correction of the Word.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch die Diskussion des Zusammenhangs von „quia“ und „donec“ bei Strauss, Reformed Theology, 153. Dieter Schellong hält sowohl eine quatenus- als auch eine quia-Subscription für „sinnlos“, da erstere durch den Vorbehalt eine Verpflichtung erübrigt, während in der Verpflichtung auf die Bibel die zweite schon eingeschlossen sei; Schellong, Zur Bedeutung von Bekenntnissen, 77. Siehe dazu auch die Diskussion im folgenden Abschnitt.

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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dann aber kann sich die Kirche ihnen anvertrauen, und sich von ihnen führen lassen.267 In ihrem Bezeugen der Schriftwahrheit wirken Bekenntnisse so als „erster Kommentar zur heiligen Schrift“, als „Chorführer oder Kronzeuge“268 unter allen anderen Kommentaren, oder, wie Brian Gerrish formuliert, als „hermeneutische Brille“269. Wir betrachten sie [die Bekenntnisse der frühen Kirche] als Erbe, durch das die wahre Auslegung der Schrift in die richtige Richtung gewiesen wird.270 Die sich vereinigende Kirche lernt weiterhin im Gehorsam und in der Freiheit des Glaubens und in der Kraft der verheißenen Gabe des Heiligen Geistes von der Lehre der Heiligen Schrift durch das Zeugnis der reformatorischen Väter.271

Bekenntnisse bezeugen nicht allein den biblischen Glauben, sondern beschützen und bewahren ihn auch, wie zahlreiche Kirchen ausdrücklich betonen.272 In

267 So gehört z. B. die folgende Frage zu den Ordinationsfragen der Presbyterian Church (USA): „Do you sincerely receive and adopt the essential tenets of the Reformed faith as expressed in the confessions of our church […], and will you be instructed and led by those confessions?“; Presbyterian Church (USA), Book of Confessions, 365. Diese Ordinationsfrage ersetzt die früher gebräuchliche und – wie noch zu zeigen sein wird – im reformierten Sinne wenigstens zweifelhafte Frage, ob die Ordinanden „die Westminster-Dokumente ‚als das in der Heiligen Schrift gelehrte Lehrsystem enthaltend‘ anerkennen“; Mudge in der Einleitung zum Bekenntnis von 1967, RZH, 159. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Small, Essential Tenets?, 230–233. 268 So Barth, KD I/2, 728. Vgl. dazu auch EKD, Vom Gebrauch der Bekenntnisse, 5: „Gerade weil die Heilige Schrift auf Grund der verschiedenen Ausprägung ihres Christusbekenntnisses nach Auslegung ruft, kann keine reformatorische Kirche auf die Orientierungen verzichten, die bei solcher Auslegung für ihr eigenes Kirchesein grundlegend wurden.“ 269 Gerrish, Saving and Secular Faith, 61. Tatsächlich ergibt sich aus diesem Verständnis allerdings eine häufig ignorierte Spannung zwischen Schrift und Bekenntnis, wie Brinkman, Unity, 115, zu Recht zu Bedenken gibt: „On the one hand, no dogma is recognized by any church unless it is grounded in Scipture, while, on the other hand, no exegesis of Scripture is accepted as correct, if it is in conflict with the dogma of the church. […] When one is unaware of this tension between Scripture and confession and continues to naively underscore the importance of sola scriptura, one is always bound […] to pay a high price, namely either the doctrinalization of Scripture or a biblicistic foundation of dogma.“ Dieser Spannung kann, laut Brinkman, nur dadurch begegnet werden, dass dem Prinzip sola scriptura immer das Prinzip der ecclesia semper reformanda zur Seite gestellt wird, durch welches jede, auch die in Bekenntnissen aufgenommene Schriftauslegung auf Basis der Schrift kritisiert werden kann; vgl. a. a. O., 115f. 270 Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche von Kanada (1984); RZH, 133. 271 Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien (1971); RZH, 280 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 272 So z. B. die Basis of Union des Ghana Church Union Comittee von 1965, RWT, 274: Die sich vereinigenden Kirchen „accept the creeds […] as witnessing to and safeguarding that faith which is continuously confirmed by the Holy Spirit in the experience of the church.“ (nicht aufgenommen in RZH). Vgl. dazu auch die Unionsgrundlage der Kirche von Südindien (1941), die Kirchenverfassung der sich vereinigenden Kirche von Sambia (1965), aber auch

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

dieser Funktion der Bewahrung des rechten Glaubens wird das situative Bekennen in statu confessionis zu einem Bekenntnis als kirchlichem und damit autoritativem Dokument für die gegenwärtige und die nachfolgende Gemeinschaft: „Was als Wort der Bewährung ausgesprochen ist, wird aufbewahrt, um Anderen und Späteren als Hilfe und Wegweisung zu dienen.“273 Zusammengefasst kann daher der „bindende, leitende und bewahrende Charakter“ der Bekenntnisschriften als Verbindlichkeit im doppelten Sinne interpretiert werden: als verpflichtend so wie auch als verlässlich.274 Als kirchliches Dokument zeigt es den Gläubigen Grenzen für die christliche Lehre und das christliche Leben auf, während es gleichzeitig innerhalb dieser Grenzen einen nicht unerheblichen Freiraum für diverse Ausdrucksformen von Leben und Lehre bietet.275 In diesem Sinne können reformierte Bekenntnisse dann beispielsweise als „metaphorical/theological tent“276 verstanden werden, welches die Kirche zwar umspannt und sie überdacht, in welchem aber auch unterschiedliche Ausdrücke und Gewichtungen christlicher Lehre und christlichen Lebens ihren Raum finden. Die bewahrende Kraft des Bekenntnisses findet sich jedoch ausdrücklich nicht etwa in äußerlichen, formal-juristischen Charakteristika eines Bekenntnisses, welche höchstens als „labil“ zu bezeichnen wären, sondern ausschließlich in der „Kraft seines Ursprunges aus der Heiligen Schrift“277. Besonders deutlich wird dies in den Kirchendokumenten, die in einer Situation der Bedrohung der Kirche durch Häresien in Wort und Tat entstanden sind. Dabei erhebt das Bekenntnis nicht den Anspruch, eine absolute Richtinstanz innezuhaben, sondern „rekurriert […] auf die Heilige Schrift als auf den Richter der entstandenen Kontroverse“278 – und damit befinden wir uns inhaltlich schon in der Diskussion über die Relativität des Bekenntnisses.

3.4.2 Der vorläufige, temporäre und relative Charakter Obwohl also, wie oben dargelegt, reformierte Bekenntnisse durchaus einen – theologisch und nicht primär formal-juristisch begründeten – bindenden Charakter besitzen, kann ihre Autorität und Respektierung jedoch nicht als absolut

273 274 275 276 277 278

die Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche von Kanada (1984); RZH, 239, 229, resp. 133. Schellong, a. a. O., 61. Vgl. Smit, Confessions, 139. Vgl. dazu Muller, Confessing the Reformed Faith: Our Identity in Unity and Diversity. Appendix A des Song of Faith der Vereinigten Kirche in Kanada (2006); United Church of Canada, A Song of Faith: A Statement of Faith of the United Church of Canada, 10. Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 620. Barth, KD I/2, 703.

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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verstanden werden, sondern immer nur als provisorisch, vorläufig und relativ. „Unfehlbarkeit“ des Bekenntnisses ist als solcher, reformiertem Verständnis nach, „ein eschatologischer Begriff, dem jetzt und hier keine Verwirklichung entspricht, dem alle Wirklichkeit kirchlicher Konfession […] nur entgegeneilen kann“279. Reformierte Kirchen betonen daher, „that all confessional statements and theologies this side of the promised reign of God are semper reformanda.”280 Dieses Verständnis der Relativität des Bekenntnisses in der reformierten Tradition besteht im Wesentlichen aus drei aufeinander bezogenen Aspekten:281 a) Bekenntnisse in der reformierten Tradition können nur als vorläufig und damit als Gegenstand potentieller Revision und Korrektur verstanden werden, weil sie von begrenzten, fehlbaren und sündigen Menschen, „von Menschen, die so vielfältig irren können“282 erstellt wurden. Während die bekennenden Kirchen den Anspruch erheben, eben dies ihr Bekenntnis aus der Schrift gewonnen zu haben, so setzen sie doch dieses Bekenntnis immer unter den Vorbehalt eines möglichen Irrtums, wie etwa die Confessio Scotica und auch das WestminsterBekenntnis: Wir wagen es nicht, ohne gewissenhafte Prüfung anzunehmen, was uns unter Berufung auf ein allgemeines Konzil auferlegt wird. Denn es steht fest, dass diese Menschen Männer waren, die in offensichtliche Irrtümer hineingeraten sind, und dies bei Fragen, die keineswegs von geringer Bedeutung sind. […] Beides [die Abwehr von Häresien und das Bekenntnis des Glaubens] aber taten sie auf Grund der Autorität des geschriebenen göttlichen Wortes, nicht aber weil sie meinten, dass ihnen auf Grund ihrer Versammlung als solcher das Vorrecht, nicht irren zu können, geschenkt werde.283 All Synods or Councils since the Apostles Times, whether general or particular, may err, and many have erred: Therefore they are not to be made the Rule of Faith or practice, but to be used as a help in both.284

Mit welch großem Autoritätsanspruch auch die Bekenntnistexte schon der Reformationszeit auftraten, so relativierten sie sich und auch die klassischen Bekenntnistexte der Kirche stets mit diesem Vorbehalt ihrer „Menschlichkeit und 279 Barth, a. a. O., 737. Vgl. dazu auch die Diskussion des christlichen Lebens bei Tanner, Jesus, Humanity and the Trinity, 75f, die festhält, dass jeder Aspekt menschlichen Lebens Perfektion nur im eschaton erreichen kann. 280 Migliore, The Communion of the Triune God, 145. 281 Vgl. zum folgenden u. a. die Diskussion in Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 25–27. Ähnlich auch Karl Barth, der von dem geographischen, zeitlichen und sachlichen Umkreis der kirchlichen Konfession spricht; KD I/2, 700–702. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Plasger, a. a. O., 132–142. 282 So die Formulierung in der Confessio Sigismundi, BSRK 836,35f. 283 Vgl. Kapitel 20 der Confessio Scotica, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 142 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Siehe auch die Diskussion bei Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 32–39. 284 Westminster-Confession of Faith, BSRK 609,28–34.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Irrtumsfähigkeit“285. Unfehlbarkeit ist eine Eigenschaft, die allein dem Heiligen Gott eignet, und die charakteristische Betonung der Heiligkeit und Souveränität Gottes führt reformierte Kirchen zu der Auffassung, dass sowohl alle kirchlichen Versammlungen, auch die ehrwürdigsten, wie auch Einzelpersonen, und seien sie theologisch noch so versiert, irren können.286 Bekenntnis bleibt auch bei aller möglichen Klarheit immer „unvollkommenes Zeugnis […] nicht die Wahrheit selbst“287. Aufgrund des oben diskutierten theozentrischen und dynamischen Charakters von Kirche und Bekenntnis kann also jedes Bekenntnis mit Calvin nur als praeiudicium288, oder mit Karl Barth als „Etappe auf dem Weg“289 verstanden werden; jedes Bekenntnis ist als menschliches Werk fehlbar und dem Urteil Gottes unterstellt.290 Dieses Verständnis der Vorläufigkeit bezieht sich dabei durchaus auch auf die wirkungsgeschichtlich bedeutsamen klassischen Bekenntnistexte der eigenen Tradition wie die Presbyterianische Kirche von England im Vorwort zu ihrer Glaubenserklärung festhält: Die Darstellung christlicher Offenbarung und christlichen Glaubens, die früher ausreichend war (wie das Westminster-Glaubensbekenntnis), scheint heute nicht genügend Verständlichkeit und Gewicht zu haben. Darum ist es nötig, die ewige Botschaft von

285 Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 32. 286 In gewissem Sinne nehmen reformierte Bekenntnisse damit von Beginn ein Verständnis vorweg, das in der Postmoderne in dem bekannten Diktum David Tracys „There is no innocent tradition.“ seinen Ausdruck gefunden hat; Tracy, Dialogue with the other, 5f. 287 Weinrich, Reformiert ja, Konfessionalismus nein, 200: „Wir können in unserem menschlichen Antworten niemals unmißverständlich von Gott reden. Bei aller möglichen Klarheit unseres Zeugnisses werden wir doch stets zuzugestehen haben, dass es ein unvollkommenes Zeugnis ist und somit nicht die Wahrheit selbst.“ Was John Buchanan für den einzelnen Christen, die einzelne Christin formuliert, gilt daher ebenso für Kirchen der reformierten Tradition: „To be a Reformed Christian means to acknowledge that none of us gets it right all the time. In fact, our trust in God’s sovereignty inspires us always to limit our trust in church bodies, even our own.“; Buchanan, The Reformed Theological Tradition, 48. 288 Als solche bezeichnet Calvin alle Konzilsbeschlüsse, Inst. IV,9,8: „Aber sooft man den Beschluß irgendeines Konzils vorbringt, möchte ich, dass man zunächst gründlich erwägt, zu welcher Zeit es gehalten worden ist, aus welchem Grunde und mit welcher Absicht man es gehalten hat und was für Leute dabei waren. Alsdann soll man, das möchte ich weiter, den Gegenstand, um den es sich handelt, nach dem Richtmaß der Schrift prüfen, und das soll in der Weise vor sich gehen, dass die Entscheidung des Konzils ihr Gewicht hat und als vorläufiges Urteil [praeiudicium] gilt, aber doch die Prüfung, von der ich sprach, nicht hindert.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 289 Barth, KD I/2, 739. 290 Wie die Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten bekennt: „Wir unterbreiten seinem [Gottes Wort] Urteil all unser Verständnis von Lehre und Praxis, einschließlich dieser Glaubenserklärung.“; Eine Glaubenserklärung (1976), RZH, 191.

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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Gottes Rettung der Welt in Christus unter modernen Gegebenheiten neu zu formulieren.291

Auch wenn demnach eine Kirche der festen Überzeugung ist, zu diesem Zeitpunkt ihrer Geschichte eben dieses sagen zu müssen, um gehorsam auf Gottes Ruf zu reagieren, so weiß und bekennt sie dennoch, dass ihre tiefsten Intentionen immer nur Gott bekannt sind, und dass sie daher unter Gottes Gericht stehen: „We do not make this confession from [God’s] throne and from on high, but before his throne and before men.“292 Grundstimmung der bekennenden Kirche ist daher nicht Triumph, sondern eher Demut und „Bußgesinnung“293, wie die Präambel der Glaubenserklärung der Kirche Jesus Christi in Madagaskar von 1958 abschließend bemerkt, weil die bekennende Kirche stets weiß, „dass menschliche Sprache unfähig ist, die Offenbarung Gottes angemessen auszudrücken.“294 Bekennende Kirchen sind sich daher des Risikos bewusst, dass jedes Bekenntnis zwangsläufig mit sich bringt: „the risk of making a mistake, of misinterpreting the context, of misreading the gospel, of speaking falsely“295, wissen aber gleichzeitig, dass sie sich dieses Risikos nicht durch den Verweis auf die Autorität früherer Bekenntnisschriften, Bibeltexte, andere Quellen oder Institutionen entledigen können, wie dies in anderen christlichen Gemeinschaften geschehen mag.296 Zum Wesen allen menschlichen Bekennens gehört in der reformierten Tradition danach eine „eschatological untidiness“297, seine grundsätzliche Vorläufigkeit im Sinne einer „ongoing metanoia“298 der Kirche, die bei aller Demut durchaus selbstbewusst benannt und anerkannt werden kann.299 Als 291 RZH, 64. 292 Aus dem Begleitschreiben zum Belhar-Bekenntnis, zitiert in Cloete/Smit, A Moment of Truth, 5 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 293 So Willis, Eine reformierte Antwort, 535. Leith, The Reformed Imperative, 136, nennt drei Gründe für eine demütige Bekenntnishaltung: „Confession has to be done in humility for at least three reasons. First, that which we confess is a gift, a gift from God and a gift from others. Second, our apprehension of the God whom we confess is broken and limited by our time, space, personhood, and intelligence as well as by our sin. Finally, we do not confess what we have done, but what God has done for us and all people.“ (Hervorhebung im Original). 294 RZH, 225. 295 So Smit, No other Motives, 151. 296 Vgl. ebd. 297 Myers, Indigenous Australians and the Church’s Confession, 41. 298 So Johnson, Theology and the Church’s Mission, 66. In diesem Zusammenhang kann CaseWinters, Ecclesia Reformata, Semper Reformanda, XXXI, formulieren: „It migt be said that reform is the institutional counterpart of repentance.“ 299 Vgl. dazu das Anschreiben des Moderamens des Reformierten Bundes, Das Bekenntnis zu Jesus Christus, 40, welches als Anhang der Erklärung beigegeben wurde: „Wir sind von Jesus Christus begnadigt, Buße zu tun, umzukehren und unser Leben zu erneuern. In gleichem Maße sind wir auch bevollmächtigt, andere zur Buße und zur Erneuerung ihres

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

„prominentes Beispiel“300 für eine solche wesentliche Revidierbarkeit und tatsächlich auch erfolgte Revision kann etwa im deutschsprachigen Raum die Frage 80 des Heidelberger Katechismus gelten.301 Ebenso aufschlussreich ist aber auch das wesentlich unbekanntere Bekenntnis der Karo-Batak-Kirche Indonesiens von 1979, welches in den Jahren 2005 und 2015 jeweils grundlegend theologisch überarbeitet und revidiert wurde.302 b) Bekenntnisse in der reformierten Tradition können nur als temporär und damit als Gegenstand potentieller Revision und Korrektur verstanden werden, weil die bekennenden Kirchen allein dem Gehorsam gegenüber Christi unterworfen sind. Darum ist jede Kirche stets, wie es die Presbyterianische Kirche in Korea für ihren Kontext formuliert, verpflichtet, „neue Wege des Gehorsams gegenüber Christus zu suchen.“303 Es ist dieses Verständnis des Gehorsams gegenüber Christus, diese Erwartung, dass die providentia Dei auch die Reformierung von Lehre und Leben der Kirche beinhalten kann, die reformierte Bekenntnisse sich selbst als wesensmäßig reformabel und vorläufig verstehen lässt.

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Lebens zu rufen. […] Die christliche Gemeinde versteht ihr Friedenszeugnis darum als Bußruf, als Umkehr hin zu dem, der unser Friede ist.“ So Beintker, Revidierbarkeit, 49–75 (hier: 49); vgl. dort auch zum Folgenden. Frage 80 erklärt in scharf antirömischer Polemik, dass die katholische Messe „im Grunde nichts anderes als eine Verleugnung des einmaligen Opfers und Leidens Jesu Christi und eine vermaledeite Abgötterei“ sei. Die revidierte Ausgabe des Heidelberger Katechismus von 1997 fügt der Frage 80, die als solche unverändert im Haupttext stehen bleibt, die folgende Anmerkung hinzu: „Das Moderamen des Reformierten Bundes hat hierzu erklärt: Diese Verwerfung wurde vor 400 Jahren formuliert; sie lässt sich nach Inhalt und Sprache in dieser Form nicht aufrechterhalten: Die Polemik gegen die Wiederholung des einmaligen Opfers Christi am Kreuz und die Anbetung der Elemente (Brot und Wein) wird dem nicht gerecht, was im ökumenischen Gespräch inzwischen an Verständigung erreicht werden konnte. Der bleibende Lehrunterschied besteht darin, dass die Eucharistie in der römisch-katholischen Kirche als ‚Opfer‘, das Abendmahl im evangelischen Gottesdienst als ‚Mahlfeier‘ begriffen wird; doch sollte sich dieser Unterschied nicht kirchentrennend auswirken.“ Ähnliche Formulierungen haben auch andere reformierte Kirchen, etwa die Presbyterian Church (USA), die Reformed Church in American und die Christian Reformed Church in America, zu Frage 80 hinzugefügt; vgl. dazu Ernst-Habib, But Why Are You Called a Christian?, 110f. Eine Synopse der Revisionen findet sich unter http://www.reformiert-info.de/14531–0-0– 14.html [letzter Zugriff am 01. 05. 2016]. RZH, 36; siehe auch oben bei Anm. 120. Vgl. dazu auch die vom Reformierten Weltbund herausgegebene Studie „Ihr werdet meine Zeugen sein“, 10: „Die reformierten Kirchen sind sich […] immer bewußt gewesen, dass neue Situationen Neuformulierungen des Glaubens erfordern können. Neue Fragen tauchen auf, die neue Antworten auf der Grundlage der Heiligen Schrift und im Lichte der Erfahrung verlangen. Die reformierte Tradition kann nicht einfach dadurch definiert werden, dass man auf die reformierten Bekenntnisse des 16. und 17. Jahrhunderts verweist. Wir sind dem Geist dieser Bekenntnisse erst dann treu, wenn wir dem Aufruf des Evangeliums in der heutigen Welt Folge leisten.“

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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Dieser Gehorsam ist der Grund für die Verpflichtung und die Freiheit der Kirche, sich in Leben und Lehre zu reformieren, wenn neue Umstände nach Gottes Vorsehung dies erfordern.304

In charakteristischer Auslegung der Providenzlehre erwarten also reformierte Kirchen nicht, dass in den Kirchenkonfessionen der Vergangenheit oder Gegenwart schon alles zu Sagende abschließend formuliert wurde,305 sondern bleiben offen für „a new and fresh word from the Lord“306. Gottes Handeln ist nicht auf die Vergangenheit beschränkt. […] Neue Aufgaben werden dem Menschen immer wieder gestellt und neue Wahrheiten erkannt; wenn er mit diesen Aufgaben ringt und diese Wahrheiten innerhalb der lebendigen Tradition der Kirche und im Licht des biblischen Zeugnisses von Gottes Natur und Plan annimmt, erlangt er tieferes Wissen von Gott und seinen Wegen. […] Sie [die Kirche] muss sich jederzeit dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen und alles an der Offenbarung Gottes in Jesus Christus messen.307

Diesem Verständnis entsprechend ergibt sich die Freiheit der Kirchen zu neuem Bekenntnis aus der Offenheit gegenüber der Leitung des Heiligen Geistes; das Recht zu neuen Erklärungen des Glaubens aus der Pflicht der Verantwortung gegenüber Christus als dem lebendigen Haupt der Kirche.308 Wenn David Jensen dieses Wesensmerkmal reformierten Bekennens pneumatologisch interpretiert, dann fasst er damit ein Verständnis zusammen, das in einem späteren Abschnitt (5.2.3) für das Verständnis des pneumatologischen Charakters reformierter Identität noch von Bedeutung sein wird: The Spirit, not our confession is the sole Lord of life. Nearly every attempt to maintain a universally binding creed in the Reformed tradition has failed. And this failure is one strength of the tradition, as it stresses the ever-provisional, ever-recurring growth in the life of faith. Life in the Spirit is always incomplete, short of the eschaton. Faith is not

304 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA; RZH, 159. 305 Vgl. Weinrich, Confessing Unity, 170: „In the Reformed tradition, it is assumed that confessing the faith not only is not completed, but never will be complete.“ 306 Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 26. 307 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England; RZH, 65. 308 Vgl. dazu z. B. die Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich (1981): „Die Vereinigte Reformierte Kirche anerkennt in der Bindung an die Heilige Schrift und in der gemeinsamen Verantwortung gebenüber Jesus Christus, dem lebendigen Haupt, ihre Pflicht, jederzeit der Leitung des Heiligen Geistes gegenüber offen zu sein. Daher bekräftigt sie ihr Recht, neue Erklärungen ihres Glaubens zu formulieren, wie sie von Zeit zu Zeit im Gehorsam gegenüber diesem selben Geist erforderlich sein mögen.“ RZH, 293 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Jack L. Stotts formuliert in seinen Überlegungen zu reformiertem Bekennen nach Barmen daher mit Recht, dass für die reformierte Tradition „developing and adopting confessions is indeed an obligation, not an option.“; in seinem Vorwort „Confessing after Barmen“ in Rohls, Reformed Confessions, XI.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

captured in a creed, but witnessed in a Spirit who seals us in the heart […]. Faith is continually re-awakened and re-made by the One who is faith’s author.309

Das Verfassen neuer Bekenntnisse, bzw. das erneute und erneuerte Bekennen können dabei konkret als Teil christlichen Dienstes verstanden werden, wie die Präambel der Déclaration de Foi der Genfer Kirche betont: Ohne sich wortwörtlich an diese Bekenntnisschriften [der Vergangenheit] zu fesseln, will unsere Kirche über ihren Glauben auch heute Rechenschaft ablegen, mit Hilfe des Heiligen Geistes, zu dessen Dienst sie aufgerufen ist.310

Reformierte Bekenntnisse weisen aus diesem Grunde – auch wenn sie sich über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende als schriftgemäßes Zeugnis von Gottes Offenbarung erweisen – einen wesensmäßig temporären Charakter311 auf, und können nicht per se einen Autoritätsanspruch ad omnem posteritatem erheben wie etwa die Konkordienformel.312 Die Vereinigte Kirche von Kanada bekennt dementsprechend im Vorwort zu A Song of Faith aus dem Jahr 2006: This is not a statement for all time but for our time. In as much as the Spirit keeps faith with us, we can express our understanding of the Holy with confidence. And in as much as the Spirit is vast and wild, we recognize that our understanding of the Holy is always partial and limited. Nonetheless we have faith, and this statement collects the meaning of our song.313

Diese prinzipielle „Unabgeschlossenheit“ reformierter Bekenntnisbildung, dieser grundsätzlich offene Kanon reformierter Bekenntnisse gilt als eines der deutlich sichtbarsten Kennzeichen reformierter Kirchen,314 gerade etwa auch im 309 Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 17. 310 Krieg, Werkbuch, 158. 311 Robert McAfee Brown rekurriert in seiner Analyse des Kubanischen Bekenntnisses auf den Vorwurf „it [das Bekenntnis] is so contemporary that it will be out of date within a decade“ mit der seiner Einschätzung nach angemessenen reformierten Anwort: „Well and good! That will signal that it is time to write a new confession designed for a new situation!“, McAfee Brown, Confession of Faith, 280 (Hervorhebung im Original). 312 BSLK 840,21. 313 United Church of Canada, A Song of Faith: A Statement of Faith of the United Church of Canada, 2. Ebenfalls im Vorwort besteht dieses Bekenntnis darauf: „The church’s faith is grounded in truths that are timeless.“ Vgl. dazu auch die Studie der UCC von 2006 „Our Words of Faith. Cherished, Honoured and Living“. Gerrish fasst dieses Verständnis treffend zusammen, wenn er schreibt: „The Reformed confessions […] disclaim finality. Even if they were perfectly free from error (which they do not pretend to be), there would still be a need to keep the book open simply because history refuses to stand still, and what is said truly today is not always said appropriately for another day.“ Gerrish, a. a. O., 61. Vgl. dazu auch Small, Essential Tenets?, 236: „No contextual interpretation can claim to be absolute, as if it fully expressed every element of Christian truth. Yet each of the confessions, in its own time and place, intends to formulate the truth of the gospel.“ 314 Vgl. dazu z. B. Vischer, Bekennen und Bekenntnis in der reformierten Tradition: Die grundsätzliche Offenheit.

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Hinblick auf den – bis auf wenige Ausnahmen315 – hier vorhandenen grundlegenden Unterschied zur lutherischen Kirche weltweit mit ihrer in Konkordienformel (1577) und Konkordienbuch (1580) zum Abschluss gekommener Bekenntnisentwicklung.316 Gleichzeitig allerdings muss auch darauf verwiesen werden, dass – wie bereits erwähnt – de facto nur einer sehr kleiner Prozentsatz aller reformierten Kirchen weltweit seit der Reformationszeit neue Bekenntnisse erstellt hat, und so könnten viele, theologisch wie kirchenpolitisch eher konservative, reformierte Kirchen „if not in principle then in actuality to the closedconfessional Lutheran tradition“317 gerechnet werden, die sich jeder neuer Bekenntnisentwicklung in der eigenen wie in anderen reformierten Kirchen gegenüber skeptisch bis ablehnend positionieren.318 Gerade an dieser Stelle ist daher eine genaue Analyse des jeweiligen kirchlichen Verständnisses der reformierten Tradition als „open tradition“ angezeigt, um nicht der Vorstellung einer

315 Die lutherische Huria Kristen Batak Protestant Church/Indonesien hat 1951 ein neues Bekenntnis angenommen und wurde 1952 in den Lutherischen Weltbund aufgenommen, als einzige Kirche, die sich nicht direkt auf ein lutherisches Bekenntnis der Reformationszeit bezieht; vgl. dazu Gassmann et al., Historical Dictionary of Lutheranism, 49f. 316 Mit dieser Beobachtung beginnt Rohls seine Untersuchung zur Theologie reformierter Bekenntnisse, 13. Vgl. dazu auch die Beschreibung von Stotts in seinem Vorwort zur englischen Ausgabe von Rohls Werk, Theology of Reformed Confessions, XI: „A closed tradition holds a particular statement of belief to be adequate for all times and places. An open tradition anticipates that what has been confessed in a formally adopted confession takes its place in a confessional lineup, preceded by statements of the past and expectant of more to come as times and circumstances change.” (Hervorhebungen: M. E.-H.). Dass diese Abgeschlossenheit des Bekenntniskanons nicht von allen lutherischen Theologen so eindeutig geteilt wird, muss allerdings auch von reformierter Seite her deutlicher in den Blick genommen werden, um nicht die faktisch vorhandene Binnendifferenz auch im lutherischen Bekenntnisverständnis zu ignorien. Vgl. dazu etwa Wenz, Theologie der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 13–26, der mit dem Augsburger Bekenntnis und dem Konkordienbuch gegen einen „enthistorisierenden Selbstabschluss lutherischer Bekenntnisbildung“ (23) argumentiert; Pannenberg, Bekenntnishermeneutik, 296–297, warnt mit deutlichen Worten vor jeglicher „lutherische[r] Bekenntnisromantik“, welche die kontingente Tatsache der geschichtlichen Entwicklung lutherischer Bekenntnisse als „theologisch verpflichtende Eigenart lutherischen Kirchenverständnisses“ interpretiert. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Hailer, Differenzen in der Bekenntnishermeneutik der Konfessionen. 317 So Fries, Reflections, 3. Fries verweist auf die Diskussionen über ein neues Bekenntnis, bzw. – auf Einladung der URCSA – eine mögliche Übernahme des Belhar-Bekenntnisses in der Reformed Church in America (RCA). Trotz Widerstände wurde das Belhar-Bekenntnis 2010 mit überraschend starker Unterstützung von der RCA als viertes „Bekenntnisdokument der Einheit“ angenommen. 318 Besonders deutlich werden diese Diskussionen im südafrikanischen Kontext, wo sich verschiedene reformierte Kirchen im Vereinigungsprozess befinden, zu dessen Grundvoraussetzung die Übernahme des Belhar-Bekenntnisses gehört; vgl. dazu Naudé, Neither Calendar nor Clock, 131–148, und Fromm, Belhar Confession, 11–18, um nur zwei der zahlreichen Titel zu nennen, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

reformierter „Offenheit“ anzuhängen, die der konkreten realen Situation einer großen Zahl von reformierten Kirchen realiter nicht entspricht. c) Bekenntnisse in der reformierten Tradition können nur als relativ und damit als Gegenstand potentieller Revision und Korrektur verstanden werden, weil sie – wie schon mehrfach erwähnt – immer der höheren Autorität der Schrift unterworfen sind.319 Sie können daher nicht den Anspruch einer „formula et regula fidei“320 erheben, sondern verweisen immer auf die Schrift als Glaubensregel, wie schon der schottische Reformator George Wishart 1536 bei der Übersetzung eines Glaubensbekenntnisses betonte: Wir haben nicht die Absicht, allen Kirchen eine bestimmte Glaubensregel aufzuerlegen. Denn es gibt nach unserem Wissen keine andere Glaubensregel als die Schrift. Und darum sind wir mit denen eins, die der Sache nach übereinstimmen, auch wenn sie eine andere Ausdrucksweise gebrauchen.321

Differieren reformierte Bekenntnisse in ihrem Schriftverständnis auch mitunter stark voneinander, so haben sie sich mit dem Verständnis der Schrift als alleiniger und suffizienter Richtschnur des Glaubens von Beginn an als „Autorität unter dem Wort“322 verstanden, und haben daher in aller Regelmäßigkeit in den Vorreden323 oder im Bekenntniskorpus selbst324 auf diesen Vorbehalt verwie319 Walter Kreck verdeutlicht dieses Verständnis mit dem folgenden Bild: Bekenntnisse gleichen „den Bojen im Wasser, die den Weg der Schiffe markieren und ihnen die rechte Ausfahrt ermöglichen. Sie sind nicht selbst die Fahrtrinne, sondern sie zeigen sie an. Sie liegen nicht unwiderruflich in dieser Form, an dieser Stelle fest, sondern hier gibt es bei besserer Erkenntnis notwendige Korrekturen, falls die Heilige Schrift selbst, d. h. das in ihr uns begegnende Wort Gottes, es gebietet.“ Kreck, Bekenntnis der Väter, 75. 320 So die Konkordienformel, BSLK 833,2f. 321 Zitiert in der Einleitung zum Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche von Kanada; RZH, 132. 322 So der Titel des Paragraphens der Kirchlichen Dogmatik, der sich mit dem Bekenntnisverständnis befasst; Barth, KD I/2, 652–740. Vgl. dazu auch Hofheinz, Mit der Tradition zum Aufbruch. Die konstitutive Bedeutung der Schrift für das reformierte Bekenntnis. 323 So etwa in der Vorrede zur Confessio Helvetica Posterior, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 191: „Vor allem bezeugen wir, dass wir immer völlig bereit sind, […] denen, die uns aus dem Worte Gottes eines Besseren belehren, nicht ohne Danksagung nachzugeben und Folge zu leisten im Herrn, dem Lob und Ehre gebührt.“ Vgl. auch das Vorwort der Confessio Scotica: „If any man will note in our Confession any chapter or sentence contrary to God’s Holy Word, that it would please him of his gentleness and for Christian charity’s sake to inform us of it in writing; and we, upon our honour, do promise him that by God’s grace we shall give him satisfaction from the mouth of God, that is, from Holy Scripture, or else we shall alter whatever he can prove to be wrong.” Book of Confessions, 31 (nicht abgedruckt in BSRK und Plasger/Freudenberg, a. a. O.). 324 Vgl. Kapitel II der Confessio Helvetica Posterior BSRK 172–173, und Plasger/Freudenberg, a. a. O., 194–196. Insbesondere BSRK 172,27–30: „Ergo non alium sustinemus in causa fidei iudicem, quam ipsum Deum, per scripturas sanctas pronuntiantem, quid verum sit, quid falsum, quid sequendum sit, quidve fugiendum.“ (Plasger/Freudenberg, a. a. O., 195: „Darum anerkennen wir in Sachen des Glaubens keinen anderen Richter als Gott selbst,

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sen.325 Das in der Schrift Offenbarte wird als dessen Ursprung nachdrücklich vom Bekenntnis unterschieden;326 es ist die Schrift, die als „höchste Autorität für Glauben und Verhalten des ganzen Volkes Gottes“327 anerkannt wird. Nur sie ist „maßgebliche Norm von Glauben und Leben […] nötig, ausreichend und verlässlich als Zeuge Jesu Christi, des lebendigen Wortes“328. Sola Scriptura heißt in diesem Zusammenhang: Die Schrift allein behält den Charakter des Primärzeugnisses, während dem Bekenntnis nur der Charakter eines Sekundärzeugnisses eignet.329 Das Bekenntnis kann für sich, reformiertem Verständnis nach, immer nur einen dienenden Charakter reklamieren.330 Man könnte in diesem Zusammenhang das Verständnis des Verhältnisses von Schrift und Bekenntnis daher mit Brinkman als epistemologische Version des Extra-Calvinisticums, des reformierten theologumenons „finitum non capax infiniti“, verstehen, indem das menschliche Verständnis niemals dazu fähig sein wird, die in der Schrift bezeugte Offenbarung Gottes gänzlich und umfassend zu verstehen und auszudrücken.331 Dieser Charakter des Bekenntnisses als Sekundärzeugnis wird insbesondere auch dadurch geschützt, dass viele reformierte Kirchen nicht ein einziges Bekenntnis oder eine theologisch homogene Bekenntnissammlung, zudem etwa noch exklusiv aus dem Reformationszeitalter, als Bekenntnisgrundlage angenommen haben, sondern eine Sammlung von Bekenntnissen aus verschiedenen Zeiten und u. U. auch Orten, deren einzelne Lehraussagen durchaus auch im Widerspruch miteinander stehen können:332 „Precisely be-

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der durch die heiligen Schriften verkündigt, was wahr und was falsch sei, was man befolgen und was man fliehen müsse.“). Anders allerdings die orthodoxen Lehrentscheidungen, die diesen Vorbehalt häufig vermissen lassen. Vgl. dazu die Diskussion über die implizite „Revidier- und Abrogierbarkeit“ reformierter Bekenntnisse aufgrund des Schriftverständnisses bei Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 317–323. Vgl. dazu Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 33: „Die ‚testificatio fidei‘ hat sich zu richten nach der ‚veritas scripturae‘, so gewiß sie testificatio fidei ist, sie wird aber dadurch nicht zu einer Art Unterstufe oder Auswickelung der scriptura. Schrift bleibt Schrift, einzigartig, inkommensurabel, außerhalb der Reihe.“ (Hervorhebungen im Original). So die Formulierung der Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich (1981), RZH, 291. Auch das Glaubensbekenntnis der PresbyterianischReformierten Kirche in Kuba (1971) bekennt, wie viele andere Bekenntnisschriften auch, die Heilige Schrift als „Norm ihres Glaubens und […] Beispiel ihres Handelns.“; a. a. O., 112. Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten; RZH, 191. Vgl. dazu Rüegger, Bekenntnisse, 320: „Die Schrift als Primärzeugnis steht zu jedem in einem Bekenntnis als Sekundärzeugnis sich äußernden partikularen Verständnis des Evangeliums in einem bleibenden kritischen Gegenüber.“ Siehe dazu allerdings die kritischen Anmerkungen bei Brinkman, The Will to Common Confession, 122–124. Vgl. Niesel, Glaubensbekenntnisse, 188. Vgl. Brinkman, Unity, 114. Besonders deutlich so etwa im den Bekenntnissen je eigenen Schriftverständnis oder der

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cause the confessions are not entirely self-consistent and uniform, it becomes more difficult to claim that they could ever function as an entirely self-consistent rule“333. Auf reformiertes Selbstverständnis bezogen hieße das: „From a Reformed perspective and as a matter of self-description, a diverse collection of confessions encourages us to take them for what they really are: authoritative yet fallible and subordinate standards that point to the one true Word.“334 Aber auch als Schrift-Auslegung kann das Bekenntnis, trotz seines Status als erster Kommentar zur heiligen Schrift, „niemals den Charakter einer verbindlichen, normativen Instanz der Schriftauslegung“335 für sich beanspruchen. Bekenntnisse sind allein als „Wegweiser zum Worte Gottes hin“336 zu verstehen. Der sich daraus ergebende relative Charakter von Lehre und Leben der Kirche wird in der Unionsgrundlage der Kirche von Südindien deutlich benannt: Die sich vereinigenden Kirchen nehmen die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als alles Heilsnotwendige enthaltende oberste und entscheidende Richtschnur des Glaubens an und anerkennen, dass die Kirche immer bereit sein muss, sich selbst in Übereinstimmung mit der Lehre dieser heiligen Schrift zu korrigieren und zu reformieren, so wie der Heilige Geist es offenbaren wird.337

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das Schriftverständnis reformierter Bekenntnisse ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf das Werk des Heiligen Geistes,338 auf das testimonium spiritus sancti internum.339 Die Heilige

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Beurteilung der Rolle von Frauen im kirchlichen Dienst; vgl. dazu Ottati, Confessional Standards, 91f. Ottati, a. a. O., 92. Ebd. (in Anlehnung an das Bekenntnis von 1967, vgl. RZH, 159, Hervorhebungen: M. E.-H.). Gleichzeitig, so betont Ottati, erhält damit das Book of Confessions der PCUSA einen implizit ökumenischen Charakter und verweist deutlicher auf die Pluralität reformierter Kirchen und die Weite der christlichen Kirche als ganzes, als es einziges Dokument vermögen würde, a. a. O., 93. Auch Fergusson, Confession, 212f, argumentiert ähnlich: „A Reformed church might just as well, if not better, understand ist identity through several confessions than one. A group of confessions which together reflects the range of convergent themes in the Reformed tradition may prove more useful for education, study and doctrinal self-understanding.“ Für die Church of Scotland folgert Fergusson: „Our Reformed identity might be more suitable characterized by the inclusion of statements from other times and places.“ (a. a. O., 213, Hervorhebungen: M. E.-H.). Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 317. Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 14. RZH, 239. Dieser Abschnitt wurde wörtlich in die Kirchenverfassung der Kirche von Nordindien (1965) übernommen; a. a. O., 224. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Glaubenserklärung der Kirche Jesu Christi in Madagaskar (1958), a. a. O., 225: „Das Wort Gottes, wie es sich in der Heiligen Schrift offenbart, enthält gemäß der Erleuchtung durch den Heiligen Geist die volle Offenbarung Gottes über Sich selbst […]. Deshalb ist die Kirche bereit, sich selbst nach der Lehre der Heiligen Schrift korrigieren zu lassen und zu reformieren.“ Vgl. dazu unten Kapitel 4.2.5. Vgl. dazu Eßer, Die Lehre vom „testimonium Spiritus sancti internum“ bei Calvin.

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Schrift an sich wurde „von menschlicher Hand geschrieben“; es ist der Heilige Geist, der durch „das Zeugnis in unserem Inneren auf die einzigartige Autorität der Schrift [hinweist]. Er ist die Quelle ihrer Kraft“.340 Der oben beschriebene Vorbehalt ist also tatsächlich kein formales Kriterium, sondern durch das Vertrauen in das Werk des Heiligen Geistes bedingt, und stellt damit im Grunde wiederum eine Bekenntnisaussage dar.341 Anders formuliert: der vorläufige, temporäre und relative Charakter der Bekenntnisse der reformierten Tradition ist nur in seinem Zusammenhang mit der Heiligkeit Gottes zu verstehen, wie sie im vierten Kapitel dieser Untersuchung expliziter diskutiert werden wird. Autorität in Bezug auf reformierte Bekenntnisse der Vergangenheit und Gegenwart muss also in drei konzentrischen Kreisen verstanden werden: im Mittelpunkt und als oberste Autorität ist dem Zeugnis der Bekenntnisse nach Christus, der Heilige Gottes, anzusehen, der im zweiten Kreis in der Heiligen Schrift bezeugt wird, wie diese im dritten Kreis durch die Bekenntnisse ausgelegt wird.342 Mit diesem Verständnis versuchen die Bekenntnisse einem möglichen biblizistischen Schriftverständnis entgegenzuwirken, während sie gleichzeitig die einzigartige Autorität der Schrift zu bewahren suchen. Es geht in diesem Zusammenhang also nicht primär um ein formales Schriftprinzip, sondern darum, dass das Bekenntnis durch die Verwurzelung in der Heiligen Schrift die Stimme des Evangeliums erschließt.343 Wenn sich reformiertes Bekennen also immer auch der ganzen Schrift verpflichtet weiß, so wird es doch anstreben, „stets selber nach dem Schwerpunkt der Sache Christi und deren Aktualität [zu] fragen und damit für Gottes Geisteswirken offen [zu] sein.“344 Der in den beiden vorhergehenden Abschnitten beschriebene vorläufige und temporäre Charakter reformierter Bekenntnisse ist daher im Wesentlichen mit dem relativen Charakter der Bekenntnisse eng verbunden.345 Nur insofern und 340 Zitate aus Lebendiger Glaube – Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada; RZH, 141. 341 Vgl. dazu Vischer, Auftrag, 18, und unten Abschnitt 4.3.5.2. Der Zeugendienst des Heiligen Geistes. 342 Vgl. dazu Dowey, Commentary, 29f. Diese drei konzentrischen Kreise finden sich u. a. auch im Ordinationsversprechen der PC (USA) wieder, in dem die zukünftigen Pastoren und Pastorinnen versprichen, ihren Dienst zu versehen „in obedience to Jesus Christ, under the authority of Scripture, and continually guided by our confessions“; zitiert in Rogers, Presbyterian Creeds, 276. Seils, Stellenwert der Bekenntnisse, 119, findet hier ein „ganz ursprüngliches reformiertes Gut“: „Stärker als bei den Lutheranern scheint allerdings bei den Reformierten der Ton darauf zu liegen, dass die Bezogenheit der Bekenntnisse auf die Heilige Schrift Bezogenheit auf Christus sei und Bindung an Christus bedeute.“ 343 So Raiser, Bekennen und Bekenntnis heute, 133. Alston/Welker können in ähnlichem Zusammenhang festhalten, dass Bekenntnisse „modes of learning from Scripture“ seien; Introduction, XIII. 344 Saxer, Bekenntnis, 68. 345 Vgl. dazu Barth, Das Bekenntnis der Reformation und unser Bekennen, 12: „Bekenntnis ist

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weil es gilt, dass „the only authority for […] a confession and the only grounds on which it may be made are the Holy Scriptures as the Word of God“346 kann neues Bekenntnis entstehen. Bei aller Partikularität und Kontextualität muss daher aber auch immer wieder in Betracht gezogen werden, dass es nicht die Umstände sind, die zur Kirche sprechen und die ein neues Bekenntnis erfordern, sondern dass es das Evangelium ist, dass in dieser Situation zur Kirche spricht,347 und das Prüfstein für kirchliche Worte jeglicher Art ist: Die Bibel […] ist die Norm jeglicher Lehre, an ihr haben wir jedes Wort zu prüfen, das von der Kirche, der Welt oder auch der inneren Erfahrung an uns gerichtet wird. Wir unterwerfen ihrem Urteil alles, was wir glauben und tun.348

Ein solches Schriftverständnis weist also im Kontext des Bekenntnisses eine doppelte Funktion auf; es ist Grundlage für die dialektische Spannung zwischen Autorität und Relativität, Bindung und Freiheit: Insofern die Heilige Schrift – wie immer wieder neu zu überprüfen ist – Quelle und Grundlage des Bekenntnisses ist, hat dieses Bekenntnis eine bindende, leitende und bewahrende Autorität. Insofern allerdings die Heilige Schrift und ihre Auslegung niemals in einem Bekenntnis aufgeht und als oberste Autorität immer von ihm zu unterscheiden bleibt, kann das Bekenntnis nur vorläufigen, temporären und relativen Charakter haben.349 In diesem Zusammenhang kann dann auch die typisch reformierte Betonung des Idolatrieverbotes auf das Schrift- und Bekenntnisverständnis bezogen werden: „Reformed churches have been acutely aware of the dangers of idolatry, including the idolatry of exalting creeds and confessions

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Schriftauslegung. […] Eben in dieser Beziehung und Bindung gründet nun auch die Autorität und Normativität des kirchlichen Bekenntnisses. Wir haben damit schon gesagt, dass sie eine relative und das heißt: eine begrenzte und vorläufige ist. Begrenzt: das Bekenntnis kann und soll wohl als Zeugnis auf Christus und das heißt als Auslegung auf die Schrift verweisen; es kann aber weder Christus noch die Schrift ersetzen wollen; es kann, wie es in der Konkordienformel heißt, nicht selber Richter, Norm und Regel sein wollen. Und vorläufig ist seine Autorität und Normativität: es ist nicht unaufhebbar und nicht unverbesserlich.“ (Hervorhebungen im Original). So im Begleitschreiben des Belhar-Bekenntnisses, zitiert bei Cloete/Smit, A Moment of Truth, 5. Vgl. dazu Smit, What does a Status Confessionis mean?, 18f. Lebendiger Glaube – Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 141. Die Formulierungen dieses Bekenntnisses sind angelehnt an Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten; vgl. a. a. O., 191. Dieses Verständnis ist auch von entscheidender Bedeutung für die Feststellung eines status confessionis, bei dem sich reformierte Kirchen nicht auf Bekenntniszitate oder auf eine konfessionelle Tradition berufen können: „Just like all other confessional statements, the recognition of a status confessionis derives its authority from the Word itself and not in a secondary way from already existing confessional documents.“ Smit, a. a. O., 21 (Hervorhebungen im Original).

Die „relative Autorität“ reformierter Bekenntnisse

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above their status as secondary authorities, subordinate to Scripture.“350 Gerade weil das Bekenntnis anstrebt, schriftgemäß zu sein, kann es nicht als abgeschlossen betrachtet werden: „Ein Bekenntnis kann nur formuliert werden unter der Voraussetzung, dass aus der Schrift auch neue Erkenntnisse gewonnen werden können, die dann in das Bekenntnis einfließen müssen.“351 Das wohl am häufigsten zitierte Beispiel für diese dialektische Spannung findet sich schon 1532 in der bereits zitierten doppelten Anweisung des Berner Synodus: Zuletzt ist unser Befehl und unsere endliche Meinung, dass diese Acta auf den folgenden Synoden […] fleißig verlesen, erläutert, ausgelegt und erneuert werden und an keinem Punkt Abbruch geschehen soll. Wo aber etwas uns angebracht von unseren Pfarrern oder anderen das uns näher zu Christo führt, und nach Vermögen Gottes Wort, gemeiner Freundschaft und christlicher Liebe zuträglicher, denn jetzt verzeichnete Meinung ist, dasselbige wollen wir gern annehmen, und dem heiligen Geist seinen Lauf nicht sperren.352

Diese auf dem Schriftverständnis beruhende Dialektik hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Bekenntnisverständnis in der reformierten Tradition,353 und damit auf die einheitliche Wertung der Bekenntnisschriften in reformierten Kirchen – ein Charakteristikum, das die Kirchen über Jahrhunderte miteinander verbindet.354 350 Small, Reformed, 3. 351 Herrenbrück, Reformierte Bekenntnisse, 52. 352 BSRK XXI,27–34. Zitat sprachlich angepasst nach Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 317. Ein noch deutlicheres, wenn auch nicht so häufig zitiertes Beispiel für den Schriftvorbehalt findet sich in der Vorrede der Confessio Scotica: „Denunciamus igitur, omnesque adeo rogamus, si quis aut caput aliquod, aut etiam sententiam cum sancto Dei verbo pugnantem hic animadverterit, ut pro sua humanitate, proque eo more, quo Christum Christique gregem prosequitur, nos per literas admoneat. Id qui fecerit, sancte ei repromittimus, nos eidem, aut ex ore Dei, hoc est, ex sacrae Scripturae oraculo satifacturos, aut quod secus a nobis dictum demonstraverit, emendaturos.“ Niesel, Bekenntisschriften, 85; nicht abgedruckt in BSRK und Plasger/Freudenberg. („Wenn jemand irgendeinen Artikel oder auch nur einen Satz bemerkt, der dem heiligen Worte Gottes widerstreitet, so möge er uns nach seiner Menschenpflicht und der Liebe, mit der er Christus und seiner Herde anhängt, schriftlich ermahnen. Wenn er das tut, so versprechen wir ihm feierlich, dass wir ihm Bescheid geben werden nach dem, was Gott, d. h. was das Wort der Heiligen Schrift rede oder dass wir abstellen werden, was er uns als von diesem Wort abweichend nachgewiesen hat.“ Zitiert bei Rohls, a. a. O., 317.) 353 Vgl. Freudenberg, Karl Barth und die reformierte Theologie, 238, der Barths These zum Verhältnis von Schriftprinzip und Bekenntnis, bzw. reformierter Lehre folgendermaßen zusammenfasst: „Das von den Bekenntnissen selbst vertretene Schriftprinzip [sei] Grund, Ausgangspunkt, regulatives Prinzip und kritisches Moment für die von der Schrift präzise zu unterscheidende reformierte Lehre.“ 354 Vgl. dazu Hesselink, On Being Reformed, 9–15. Busch, Was zeichnet heute die ‚Reformierten‘ aus?, 62, formuliert das erste seiner drei Kennzeichen für eine reformierte Identität in der Gegenwart folgendermaßen: „Reformiertsein heute heißt, Schüler oder Schülerin der Schrift zu sein.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

3.4.3 Exkurs: Der Zusammenhang von relativer Autorität des Bekenntnisses und Kirchenspaltungen in der reformierten Tradition Ein kritischer Blick auf die Geschichte der reformierten Kirchen in Vergangenheit und Gegenwart offenbart allerdings die Tatsache, dass die in diesem Kapitel dargestellte Dialektik von Autorität und Relativität, von Bindung und Freiheit tatsächlich in den Kirchen häufig nicht durchgehalten wurde, dass die Spannung einer gleichzeitig „dogmatic and […] open confessional tradition“355 einseitig aufgelöst wurde.356 Während reformiertes Bekenntnis ja, wie dargelegt, als eigentliches Ziel den Verweis auf die Heilige Schrift zur Darstellung und Förderung der in Christus gegebenen Einheit der Kirche hat,357 so gibt es doch kaum eine andere christliche Tradition, die sich durch derartig viele Spaltungen und Kirchenneugründungen auszeichnet wie die reformierte mit ihrer Vielzahl von Bekenntnissen.358 Der Trend zu immer neuen Spaltungen kann geradezu als „ein tief verwurzeltes negatives Kennzeichen der reformierten Familie“359 bezeichnet werden, und es lässt sich zu Recht festhalten: „The Reformed tradition has left shameful marks of division of faith throughout the history of Christianity“.360 Das 355 Lewis, From Barmen to Baltimore, 61. 356 Vgl. zur folgenden Diskussion auch Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 26f. 357 So formuliert Sell, Reformed Theology, 67f, zutreffend: „Reformed theology is catholic in intention, but ever at risk of affording hospitality to the sectarian demon.“ 358 Vgl. zum folgenden Vischer, Die reformierten Kirchen – eine unheilbar zersplitterte Familie?, insbesondere 45f; und den Konsultationsbericht des Reformierten Weltbundes, Unity and Union as a Challenge to the Reformed Family. Link, Die Kennzeichen der Kirche, 293, geht davon aus, dass das Fehlen eines gemeinsamen reformierten Bekenntnisses einer der Gründe sein mag, „die zu immer neuen Spaltungen der reformierten ‚Familie‘ führen“. 359 Link, Reformierte Identität, 349. Vgl. dazu allerdings auch Weinrich, Kirche bekennen, 44, der mit Recht festhält, dass „das schlichte Faktum einer vielfältigen kirchlichen Landschaft solange nicht grundsätzlich anzuprangern [ist], wie die […] Bescheidenheit hinsichtlich des eigenen Kircheseins ebenso im Blick bleibt wie das Bewusstsein um die unsere Kirchengrenzen überschreitende Katholizität des Leibes Christi, der sich als solcher auch nicht durch eine geeinte Weltkirche institutionalisieren lässt, so dass die institutionellen Differenzen durchaus nur relativen Charakter haben.“ Auch Busch, Christentum und Konfession, 81–83, betont nachdrücklich, dass das Beharren bei den Konfessionen einen tiefen und triftigen Grund habe, da „an der Wurzel der Konfession das neue Ernstnehmen der Wahrheit des Evangeliums“ stehe (82). 360 Brinkman, Contextual Theology, 126. Gleichzeitig gilt aber auch festzuhalten, was Lienemann-Perrin, Catholicity and Inculturation, 69, hinsichtlich der schismatischen Tendenzen der reformierten Kirchenfamilie betont: „At the same time the Reformed churches attempted to counteract the trend towards separate churches thorugh unions, alliances and bilateral dialogue.“ Moltmann, Was heißt „reformiert“?, 27, konnte 1959 gar davon sprechen, das es „immer ein Ruhmestitel der Reformierten“ gewesen sei, „Unionsgespräche in Gang zu bringen und Unionen zu schließen“. Vgl. dazu auch beispielhaft die Bemühungen um eine Kirchenunion in Schottland: Newlands, Reformed Confessionality and Ecumenical Union, 103–111.

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von Lukas Vischer und Jean-Jaques Bauswein zusammengestellte Handbuch reformierter Kirchen etwa listet weltweit mehr als 775 Kirchen auf, die sich zur reformierten Tradition zählen; wobei es in vielen Ländern ein Nebeneinander (oder sogar Gegeneinander) von mehreren reformierten Kirchen mit unterschiedlichem Hintergrund gibt.361 Ein nicht unerheblicher Grund für diese Tatsache362 liegt darin, dass die dem Bekenntnisverständnis inhärente dialektische Spannung, dieses „typisch reformierte“ zweipolige Denken363 nicht ausgehalten werden konnte, und daher der ihr innewohnenden „verführerischen Tendenz“364 nachgegeben wurde. Diese Tendenz kann in einem Gebrauch der Autorität ohne jedwede Relativierung bestehen, indem etwa die Gläubigen nicht an Christus, sondern an dieses oder jenes Bekenntnis, sei es als Bekenntnisschrift offiziell formuliert oder aber als theologische Lehrsätze in der Kirche vorhanden, gebunden werden sollen, und so das Ziel der Einheit durch das, implizite oder explizite, Ziel einer Abgrenzung durch die Mauern des Bekenntnisses stattfindet.365 Wie Brian Gerrish kritisch anmerkt, wurden Bekenntnisse in der Geschichte nicht allein der reformierten Kirchen immer wieder im legalistischen Sinne als „instruments for the persecution, or prosecution, of deviant believers and critics of the prevailing beliefs“366 missbraucht, um missliebige Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Eine Kirche, die ihr Bekenntnis in solcher Weise versteht, handelt im schlechten Sinne „konfessionalistisch“.367

361 Allein in Korea z. B. existieren mehr als 90 reformierte Kirchen, während es in den USA immerhin noch 50 sind. 362 Selbstredend spielen bei diesen Spaltungen nicht allein theologisch-dogmatische Unterschiede eine entscheidende Rolle, sondern auch andere Faktoren, wie DeGruchy, Three Responses to Lukas Vischer, 285, zu Recht feststellt: „It does seem […] that in many if not all instances the factors which lead to division, as well as those which prevent unity within the Reformed family are an interrelated amalgam of theological and socio-political issues.“ 363 Meines Erachtens läßt sich hier auf das Bekenntnisverständnis übertragen, was Busch, Die Nähe der Fernen, 598f, über das „reformierte Profil“ und die „Zweigestaltigkeit der theologischen Grundaussage“ festgehalten hat: „Immer wieder stoßen wir auf die eigentümlich Doppelung der Aussage, in der jeweils Beides zu verbinden ist, ohne es zu vermischen, und in der jeweils Beides zu unterscheiden ist, ohne es zu trennen oder gar in Gegensatz zu sehen. Man darf sagen, dass sich darin reformiertes Profil verrät.“ 364 Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 15. 365 Van der Borght, Identity and Ministry, 205, sieht dagegen einen hauptsächlichen Grund für schismatische Tendenzen der reformierten Tradition eher in der nicht ausgewogenen Balance von Universalität und Partikularität im Bekenntnis. 366 Gerrish, Saving and Secular Faith, 52. 367 Vgl. dazu Vischer, Die reformierten Kirchen, 49f: „Die Reformatoren betonen die Rolle des lebendigen und befreienden Wortes Gottes für die Erneuerung der Kirche. Sie kämpften mit Leidenschaft dafür, dass das Zeugnis der Schrift ernstgenommen werde. Auch die Bekenntnisse der Reformationszeit dienten ausschließlich dem Zweck, Gottes Wort in der Kirche Raum zu verschaffen. Diese Betonung konnte leicht umschlagen in Biblizismus oder

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Aber auch ein diesem Vorgehen entgegengesetzter Missbrauch unterstützt die erwähnte „verführerische Tendenz“. Zum Teil als Reaktion auf den gerade geschilderten konfessionalistischen Gebrauch der Bekenntnisse haben Kirchen oder Gruppen in einer Kirche in ihrem Streben nach Freiheit vom bindenden Aussagen jeglichen „Bekenntniszwang“ abgelehnt, und sich als „nicht-konfessionell“ verstanden;368 oder gar einen „anticredalism“ als Reaktion auf den Missbrauch der Bekenntnisse entwickelt.369 Beide Vorgehen haben in den betreffenden Kirchen häufig zu Abspaltungen von Gruppen geführt, die wiederum neue reformierte Kirchen gegründet haben.370 Die relative Verbindlichkeit des Bekenntnisses wurde so aufgelöst; die betroffenen Kirchen standen in der Gefahr, dass das Bekenntnis entweder zum „Zwang“ wurde oder ihm gegenüber „Willkür“ herrschte.371 So lassen sich immer wieder „konservative“ Impulse in reformierten Kirchen finden, die um der „Bewahrung des Bekenntnisses“ willen die Trennung von einer institutionalisierten Kirche oder die Separation in der Kirche anstreben. Gleichzeitig sind auch „progressive“ Impulse, die sich vom gegenwärtigen Verständnis des kirchlichen Bekenntnisses oder von dessen Aussagen selber lösen wollen, bzw. neue Erkenntnisse zu Bekenntnisaussagen erheben wollen, und daher ebenfalls Abspaltungstendenzen fördern, in den reformierten Kirchen nicht unbekannt.372 Überlieferte Bekenntnisschriften können dann als „Bedrohung der Freiheit“ verstanden werden und als Konsequenz wird die Bekenntnisfreiheit, oder sogar Bekenntnislosigkeit der Kirche gefordert und durchgesetzt.373 Beide Seiten, die ihrem jeweiligem Verständnis nach die wahre Kirche anstreben, stehen also einer je spezifischen Problematik gegenüber:374 Diejenigen, die den Bekenntnissen höchste Autorität zuschreiben wollen, riskieren es,

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sogar Konfessionalismus. Viele Spaltungen haben darin ihren Grund, dass Schrift und Bekenntnis verabsolutiert wurden.“ So z. B. die reformierten Kirchen der Schweiz im 19./20. Jahrhundert; vgl. dazu etwa Barth, Gottes Wille und unsere Wünsche. Exemplarisch dazu auch die Geschichte des sog. „Apostolikumsstreit“: Campi, Bekenntnisfrage, 81–87; Plasger, Relative Autorität, 88–95. So Gerrish, a. a. O., 53, der diese Einstellung als „a legitimate protest against the reckless use of creeds as tests of orthodoxy“ bezeichnet. Vgl. auch Vischer, Kirche, 307–310. Busch, Credo, 22. „It is characteristic of the Reformed family that it includes the two extremes: most reactionary and very progressive elements.“ Vischer, Jesus Christ, 68. Vgl. dazu auch McCormack, The End of Reformed Theology?, 53f. Vgl. dazu die Diskussion bei Bühler, Bekennen, 18f. Es muss dazu allerdings auch festgehalten werden, dass dies ein nicht allein reformiertes Phänomen darstellt, sondern sich in einer Vielzahl protestantischer Bekenntniskirchen wiederfindet. Vgl. dazu etwa die Diskussion über „Die Verbindlichkeit der Bekenntnisse der Kirche als Problem der Kirche der Gegenwart“, EKD, Vom Gebrauch der Bekenntnisse, 3f. Vgl. dazu Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 27.

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Idolatrie zu betreiben, indem sie der Kirche und ihren (traditionellen) Texten eine ultimative Autorität zuschreiben, welche nur dem Heiligen Gott zukommt. Die andere Seite, die den consensus ecclesiae in Bezug auf die Bekenntnisschriften aufgibt, riskiert es, sich von der Leitung der Kirche für die Interpretation der Schrift zu lösen, um dann in der Folge nicht mehr der biblischen Wahrheit zu dienen, sondern die eigenen Voreingenommenheiten in die Schrift hineinzuinterpretieren.375 Dieses Streben beider Seiten nach der ecclesia purissima hat in reformierten Kirchen einen Pfad der Zerstörung hinterlassen,376 und für zahlreiche Kirchen, die auf die eine oder andere Art durch Kirchenspaltung etc. den Ausweg aus der dialektischen Spannung des Bekenntnisverständnisses gesucht haben, scheint zuzutreffen, was Joseph Small generalisierend über die reformierten Christen im allgemeinen sagt: „For Reformed Christians, schism is not the last resort, but the first instinct.“377 Einen Ausweg aus dieser Gefahr könnte darin bestehen, in eben dieser dialektischen Spannung auszuharren, in dieser Doppelung von „streng sachliche[r], keine Konsequenzen scheuende[r] dogmatische[r] Haltung des reformierten Bekenntnisses“ und gleichzeitigem „frommen und freien Relativismus, mit dem es selbst seine eigenen Aufstellungen betrachtet“378 – ein späteres Kapitel wird diese Haltung später als reformierte Hermeneutik und Teil der reformierten Identität genauer beleuchten.379

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Reformiertes Bekennen versteht sich traditionell als Bekenntnis mit drei Referenzpunkten: „The believer and the congregation declare themselves before God, before their brothers and sisters – their fellow believers – and before the whole world”380, und ist nur in diesen drei Dimensionen voll verständlich.381 Bekenntnisse haben daher allgemein daher in der reformierten Tradition sowohl doxo375 Nyomi, Ecumenical Theology, 227, argumentiert, dass es im Besonderen dieser unterschiedliche Schriftgebrauch ist, der zu Kirchentrennungen führt. 376 Vgl. dazu die Ausführung von Brinkman zum „‚Church-dissolving Element within the Reformation“, The Will to Common Confession, 125–127. 377 Small, Schism and Sacraments. Vgl. dazu auch McEnhill, The Reformed Tradition, 84: „There is no doubt that Reformed Christians imbibe an attitude that regards separation for the sake of doctrinal purity as not only possible but on occasion necessary.“ 378 Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 613. 379 Vgl. Abschnitt 5.1. 380 Bam, Concerning Confession, 102 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 381 Die bei Reichel, Theologie als Bekenntnis, 265, dargestellte doppelte Relationalität des Bekenntnisses, „seinen doppelten Ort, seine doppelte Kontextualität und seine doppelte Verpflichtung“ wäre dementsprechend um die dritte Relation, das coram ecclesiae, zu erweitern.

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logisch-theologische und ekklesiologische, als auch weltliche, d. h. politisch-soziale Relevanz.382 Diese drei genannten Referenzpunkte werden in den folgenden Abschnitten in ihrer doxologischen Dimension coram Deo (3.5.1), ihrer ekklesiologischen Dimension coram ecclesiae (3.5.2) und ihrer weltlichen Dimension coram mundi (3.5.3) analysiert und mit Hilfe gegenwärtiger Bekenntnistexte interpretiert.

3.5.1 Die doxologische Dimension: das Bekenntnis coram Deo In den für die reformierte Theologie mit ihrer Theozentrik bedeutsamen ersten Fragen des Genfer Katechismus hatte Calvin zu dem höchsten Sinn menschlichen Lebens die Erkenntnis und Verherrlichung Gottes erklärt;383 soli Deo gloria! wurde zum immer wieder aufgenommenen Sammlungsruf in der reformierten Tradition, und das Motiv der Ehre Gottes zu einem cantus firmus nicht allein in der Theologie Calvins.384 Dementsprechend kann das Leben jedes Menschen coram Deo als den bedeutendsten Aspekt allen menschlichen Lebens beschrieben und das telos dieses Lebens als essentiell doxologisch verstanden werden.385 382 Vgl. dazu auch Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 20: „Confessions of faith are first of all the church’s solemn and thankful response to God’s self-revelation, expressed with a sense of responsibility to be faithful and obedient to God. Second, in a confession of faith members of a Christian community seek to make clear to themselves who they are, what they believe, and what they resolve to do. Finally, Christians confess their common faith not only to praise and serve God and not only to establish their self-identity but to speak to the world a unified word that declares who they are and what they stand for and against.“ 383 Die ersten zwei Fragen des Genfer Katechismus lauten: „Quis humanae vitae praecipuus est finis? – Ut Deum, a quo conditi sunt hominess, ipsi noverint. Quid causa habes, cur hoc dicas? – Quoniam nos ideo creavit, et collocavit in hoc mundo, quo glorficetur in nobis. Et sane vitam nostram, cuius ipse est initium, aequum est in eius gloriam referri.“ BSRK 117,7– 12. (Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 59f: „Was ist der Sinn des menschlichen Lebens? Die Erkenntnis Gottes unseres Schöpfers. Aus welchem Grund sagst du dies? Er hat uns ja dazu geschaffen und in diese Welt gestellt, um in uns verherrlicht zu werden. So ist es nichts als recht und billig, dass unser Leben, dessen Ursprung er ist, wiederum seiner Verherrlichung dient.“). 384 Vgl. dazu Blancy, Reformed and Ecumenical, 184, und Ott/Otte/Balser, Die Antwort des Glaubens, 516–519. In seinen Überlegungen zum „Spirit of Reformed Faith and Theology“ beschreibt Migliore, Spirit, 353, diesen etwa zusammenfassend als „a spirit of zeal for the glory of God and of thanksgiving for God’s sovereign grace.“ An anderer Stelle, a. a. O. 355, fasst Migliore diesen reformierten Geist folgendermaßen zusammen: „God is God, and to God alone be the glory; that is the spirit of Reformed faith and theology.“ Ähnlich schließt schon Osterhaven , The Spirit of the Reformed Tradition, 168, seine 1971 erschienen Überlegungen ab: „There is indeed a spirit of the Reformed tradition. Reduced to a minimum, it is a consciousness of being in God’s presence with a call to live unto him.“ 385 Vgl. dazu die gesamte Monographie Stroup, Before God, insbesondere das erste Kapitel „Beforeness“, in dem Stroup das Verständnis des coram Deo in Bibel und Theologie be-

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Wenn also die vom Reformierten Weltbund herausgegebene Studie Ihr werdet meine Zeugen sein gleich in ihrem ersten Abschnitt dieses Thema explizit aufnimmt und erklärt: „Es gibt keinen anderen Sinn für unser Leben als ‚Gott zu verherrlichen und unsere ewige Freude in ihm zu finden‘“386, dann spiegelt sie damit eines der Grundanliegen reformierter Theologie durch die Jahrhunderte hindurch wider. Der für das presbyterianische Reformiertentum immens einflussreiche Große Westminster Katechismus von 1647 erklärt in der Auslegung des Ersten Gebotes (Frage 104) detailliert, wie diese Verherrlichung Gottes im christlichen Leben aussieht: The duties required in the First Commandment are: the knowing and acknowledging of God to be the only true God, and our God; and to worship and glorify him accordingly; by thinking, meditating, remembering, highly esteeming, honoring, adoring, choosing, loving, desiring, fearing of him; believing him; trusting, hoping, delighting, rejoicing in him; being zealous for him; calling upon him, giving all praise and thanks, and yielding all obedience and submission to him with the whole man; being careful in all things to please him, and sorrowful when in anything he is offended; and walking humbly with him.387

Dreihundert Jahre später leitet die Generalsynode der niederländischen Reformierten Kirche ihre Grundlagen und Perspektiven des Bekennens mit einem Artikel über „Gott, den König“ ein, und bestimmt in diesem Artikel den Grundton für die ganze folgende Erklärung. Nach dem Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer, Retter und Erhalter wird dort erklärt: „In der Verherrlichung Gottes finden wir nach dem Ratschluss seiner ewigen Liebe unsere Bestimmung und unsere Seligkeit.“388 schreibt, sowie den Ursachen für ein Verschwinden dieses Verständnisses im Bewußtsein des modernen Menschen nachgeht. Vgl. z. B. a.a.O, 16: „Beforeness describes not only the ‚place‘ of human beings before God, but their purpose and telos as well. To live before God means that human beings, along with the rest of creation, are called to live gratefully and in everlasting praise of God, that is, to live doxologically.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Stroup bezieht sich hier explizit auf Ebeling, Dogmatik I, 346–355, der die „Coram-Relation als ontologische[n] Schlüssel zur Anthropologie“ versteht. 386 Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 14. 387 Presbyterian Church (USA), Book of Confession, 265 (Hervorhebungen: M. E.-H.); BSRK 627,19–27: „Officia quae mandato primo imperantur hujusmodi sunt, cognoscere et agnoscere Deum esse solum verum Deum, Deumque nostrum; eumque ut talem colere et glorificiare, de ipso cogitando, meditando, illum recordando, faciendo plurimi, honorando, adorando, eligendo, diligendo, desiderando, timendo, ei credendo, fidendo, in eoqque sperando, oblectando nosmet, exultando, pro eo zelando, eum invocando, laudem ei omnem, gratiasque tribuendo, obedientiam omnem totius hominis ac summissionem exhibendo; studendo ut ei in omnibus placeamus, dolendo si qua re illum offenderimus, cumque ipso humiliter ambulando.“ 388 Weber, Lebendiges Bekenntnis, 23. Vgl. dazu auch später im Abschnitt über „Das persönliche Leben“, a. a. O., 58: Wir dürfen „uns mit unserem ganzen Leben, mit Verstand und Willen, mit Geld und Gut, in Arbeit und Erholung, Familie und Gesellschaft stellen und

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Bekenntnisse als Handlungen und Äußerungen der Kirche, welche „for the sake of the glory of God“389 existiert, müssen in der reformierten Tradition dementsprechend ebenfalls primär als doxologisch verstanden werden; Orthodoxie und Doxologie sind nicht voneinander zu trennen,390 wenn sie auch nicht ineinander aufgehen.391 Die Vereinigte Protestantische Kirche von Belgien und die Kongregationalistische Kirche in England und Wales bekennen daher an zentraler Stelle in ihren jeweiligen Glaubenserklärungen: Die Vereinigte Protestantische Kirche von Belgien hat den Auftrag, Gott zu verherrlichen und ihren Meister Jesus Christus als Herrn und Heiland der Welt zu bekennen.392 Wir bringen unsere Erklärung Gott dar, den wir im christlichen Glauben verehren, zur Ehre seiner Herrlichkeit.393

Ungeachtet der Funktionen, die Bekenntnisse im Leben reformierter Kirche ausüben, seien sie katechetischer oder liturgischer Natur, teilen sie doch alle diese Gemeinsamkeit der Ausrichtung auf Gott – sie bekennen zunächst und zuallererst coram Dei und wollen eine Gabe zum Lobe Gottes394 sein. Ein Glaubensbekenntnis ist demnach nicht die Erklärung kirchlicher Absichten, Einstellungen und Gefühle, sondern zuerst „an act of praise and worship“395, indem es das bekennende Ja zur Gegenwart Gottes in Jesus Christus darstellt. Das Bekenntnis stellt der Kirche eine Sprache zur Verfügung, mit der die Kirche in gottesdienstlicher Liturgie,396 aber auch im alltäglichen Leben Gottes Heilshan-

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immer wieder neu stellen lassen in den Lobpreis und Dienst Gottes und um seinetwillen in den Liebesdienst am Nächsten. Wer mit der ihm verliehenen Lebenskraft und in den gegebenen Lebensformen sich selbst oder anderen irdischen Gewalten Lobpreis und Dienst leisten will, der lebt im Ungehorsam gegen seinen Schöpfer und Erlöser und verachtet damit seine Bestimmung und sein Heil.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Weinrich, Openness and Worldliness, 413. So Busch, Credo, 35: „Die Ortho-‚doxie‘, d. h. die Rechtgläubigkeit des Bekenntnisses ist untrennbar davon, dass es zuerst ein wesentliches Element der ‚Doxo‘-logie, ist, d. h. des anbetenden Lobpreises Gottes und seiner großen Taten.“ Vgl. dazu etwa Schlink, Struktur, 35: „Im Bekenntnis fallen Gebet und Zeugnis, Doxologie und Lehre in eigentümlicher Weise zusammen. Auch wenn im Bekenntnis Gott nicht als Du angeredet wird, wird es doch ihm dargebracht und ist wie das Gebet an ihn gerichtet. […] Ohne nur Doxologie zu sein, hat es teil an der Struktur der Doxologie, die Gott und seinen Christus in ihrer der Geschichte überlegenen Herrlichkeit preist.“ RZH, 287 (Hervorhebungen: M. E.-H.). A.a.O., 75. Van Dyk, Conversation, 23: „When we think of the creeds as a gift of praise to God, an offering of the best words the Christian tradition has produced to express its faith, the creeds can become a doxology rather than an act of rote memorization.“ Leith, Brief History, 36. Wilkinson, Confessional Church, 2, kann im gleichen Sinne lapidar festhalten: „We confess to worship God“. Vgl. dazu Lienemann, Bekenntnis, 10: „Bekenntnisse haben Ursprung, Kern und Ziel im gottesdienstlichen Lob der großen Taten Gottes. Sie sind zuerst und zuletzt Doxologien – Lobpreis und Danksagung der Gläubigen im Gegenüber zu Gott.“

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deln preisen kann.397 Das Bekenntnis als solches übt daher eine zentrale Funktion aus, denn es „ermöglicht die volle Aktivität des Menschen, der darin mündig werdend Gott die Ehre gibt, weil ihm das wahre Selbstverständnis eröffnet worden ist.“398 Selbst das Bußbekenntnis wird so zum Lobpreis Gottes, weil es sogleich immer auch das Heilshandeln Gottes bekennt, von diesem Heilshandeln selbst herkommt.399 Damit ist der theozentrische Gebrauch der Glaubensbekenntnisse ein zweifacher; er ist, wie die Kirche von Nordindien bekennt, „ein Akt der Anbetung gegenüber dem allmächtigen Gott sowie der Danksagung für Sein Wesen und Seine Taten der Liebe und Barmherzigkeit“400. Die bekennende Kirche steht daher letztlich immer „im Zeugenstand vor der letzten Instanz, vor Gott“401, auch wenn sie durchaus andere Foren für das Bekenntnis, wie etwa die eigene Kirche, die Ökumene oder die Gesellschaft, wahrnimmt und einbezieht. Die Kirche als „Gemeinschaft des Lobpreises“402, mit all ihren Lebensäußerungen, von denen das Bekenntnis nur eine, wenn auch eine zentrale ist, lebt immer in der Gegenwart des Heiligen Gottes und durch die von Gott geschenkte Freiheit; daher ist ihre Antwort zuallererst immer dankbarer Lobpreis.403 Das gilt sogar für Bekenntnisse, die in einem Kontext der Gefährdung durch Häresien entstanden sind wie etwa die südafrikanische Dokumente, denn auch sie machen deutlich, „dass die bekenntnishafte Auseinandersetzung mit politischen Irrlehren nirgendwo anders herkommt als aus dem Lobpreis der großen Taten Gottes.“404 Es 397 Vgl. Smit, Confessions, 147. A Song of Faith, das Bekenntnis der Vereinigten Kirche von Kanada (2006), versteht sich so etwa als unmittelbare Reaktion auf Gottes Heilshandeln: „Grateful for God’s loving action, We cannot keep from singing.“ United Church of Canada, A Song of Faith: A Statement of Faith of the United Church of Canada, 3. Der niederländische Theologe van Ruler vergleicht daher die Aufgabe von Bekenntnissen mit „einer Stimme, um damit das Loblied zu singen“; zitiert bei Vreugdenhil, Discipleshap, 145: „een stem om het loflied te zingen.“ 398 Schröer, Glaubensbekenntnis, 104. 399 Vgl. Busch, Credo, 14. 400 Kirchenverfassung der Kirche von Nordindien; RZH, 254 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 401 Bühler, Bekennen, 26. 402 So Vischer, Gottes Bund, 78f. Die Vereinigte Reformierte Kirche im Vereinigten Königreich schließt ihre Erklärung über Wesen, Glaube und Kirchenverfassung von 1981 mit einem Paragraphen ab, der die Absicht der Vereinigten Kirche wie folgt beschreibt, RZH, 297: „Wir bekräftigen unsere Absicht, uns einzusetzen in Gebet und Arbeit […] für die sichtbare Einheit der Kirche, in der Weise, wie Christus es will, damit Menschen und Völker dahin geführt werden, Gott zu lieben, Ihm zu dienen, und Ihn immer mehr zu preisen in Ewigkeit.“ 403 Vgl. dazu European Consultation of Reformed Theologians, The Church in Reformed Perspective – The Report, 17: „Because the Church lives in the presence of God and from the freedom God has bestowed on her, her first answer is praise springing from thankfulness.“ Siehe auch Mottu, Confesser, 148f. Vgl. dazu auch den Aufruf des Reformierten Weltbundes, Ihr werdet meine Zeugen sein, 14: „Die Entdeckung des Evangeliums bewegt Herz und Sinn und lässt die davon Betroffenen ein neues Lied anstiommen. Das Lob Christi entspringt dieser Sprache der Liebe und der Dankbarkeit.“ 404 Rüegger, Bekenntnisse, 320. Vgl. dazu auch Smit, Das Belhar-Bekenntnis, 24, der in Bezug

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lässt sich daher generalisierend für alle Bekenntnisformulare festhalten, dass „ihr tatsächlicher Stellenwert nur erfasst werden kann, wenn ihr doxologisches Wesen verstanden wird.“405 Reformierte Bekenntnisse verstehen sich aber nicht nur essentiell als doxologisch; viele schließen explizit doxologische Passagen, zum größten Teil biblischen Ursprungs, in ihr Bekenntnis ein, und gestalten auf diese Weise auch eher lehrhafte Texte zum danksagenden Gebet. Dieses Vorgehen beruht nun nicht allein auf stilistischen Entscheidungen, etwa um das Bekenntnis für liturgische Zwecke verwendbar zu machen, sondern vor allem auf dem theologisch-anthropologischen Verständnis, dass, so wie das menschliche Leben primär in der coram Deo-Relation zu verstehen ist, die authentische Form menschlicher Rede die der Doxologie ist.406 Die Eröffnungs- und Schlussdoxologien, die sich in vielen der traditionellen und modernen Bekenntnistexte finden,407 ordnen das jeweilige Dokument in diesen Kontext des Lobpreises ein. Andere reformierte Kirchen machen schon durch Form und Stil ihrer Bekenntniserklärung deutlich, dass ihr Bekennen doxologischen Charakter trägt, wie etwa die Reformierte Kirche in Amerika, die 1974 Unser Lied der Hoffnung verfasste. Dieses Dokument, das sich selbst als „kurzer Leitfaden für viele Fragen“ versteht, wählte eine dichterische Form, um den Gebrauch in Liturgie und Katechese zu erleichtern;408 gleichzeitig wird schon durch den Eröffnungssatz des Bekenntnisses („Wir singen unserem Herrn ein neues Lied“) 409 deutlich gemacht, dass sich das Bekenntnis auch in die Tradition der Psalmen einordnet, und sich mit seinem Bekenntnis an Gott wendet, dem dieses neue Lied gesungen wird.410

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auf die interne Logik der drei Artikel des Belhar-Bekenntnisses festhält: „Die tiefste Absicht ist jedes Mal doxologisch, Gott zum Lob, der der Kirche Einheit schenkt und der die Hilfe der Hilflosen ist.“ (Hervorhebung im Original). Willis, Barmen, 233. Willis fährt fort: „Sie [die Bekenntnisformulare] sind orthodox, weil sie die Doxologie des wahren Gottes lenken und widerspiegeln.“ Vgl. auch Busch, Credo, 14: „Bekenntnis wird geübt zum Lobe Gottes – und nicht, um wieder einmal Zivilcourage zu zeigen oder um sich das Herz zu erleichtern. Wo dieser Ton fehlt, der Lobpreis Gottes, da wird das Bekennen zu einer aufdringlichen oder sauren Sache.“ Vgl. Stroup, Before God, 23; Stroup fährt fort, a. a. O., 24: „The purpose and end of human existence is gratitude and doxology not because of who human beings are, but because of who God is. The God before humans live is a splendor beyond human comprehension, to whom humans respond appropriately only in adoration and praise.“ Um nur einige Beispiele zu nennen, seien hier exemplarisch die Schlußdoxologien des Bekenntnisses der Toraja-Kirche, der Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, des Bekenntnisses von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA der Glaubenserklärung der Kirche Jesus Christi in Madagaskar erwähnt; RZH, 29, resp. 108.169.226. So Heideman in der Einleitung zu dem Bekenntnis, RZH, 170. RZH, 171. Dementsprechend ist es die Hoffnung der Kirche, dass das Bekenntnis „will not only reflect

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Es lässt sich für die neueren Bekenntnistexte der reformierten Tradition insgesamt im Vergleich zu den klassischen Texten festhalten, dass sie „in weit höherem Masse doxologischen Charakter“411 tragen. Aber nicht allein in Anbetung wissen sich die Bekenntnistexte coram Deo, sondern auch im Bekenntnis zur eigenen Fehlbarkeit und Sündhaftigkeit. Die Kehrseite der Hinwendung zu Gott im Bekennen coram Deo ist das explizite oder implizite Sündenbekenntnis, „der Bruch mit der Umwelt und ihren Ansprüchen, beginnend mit dem eigenen Ich.“412 Das oben angeführte Zitat der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales etwa, mit der die Glaubenserklärung dieser Kirche Gott dargebracht werden soll, wird mit einer Bitte um Rechtfertigung und Heiligung des Bekenntnisses und seines Gebrauches durch Gott weitergeführt. Coram Deo muss auch alle menschliche Gotteserkenntnis, alles das, was die Kirche über den Heiligen Gott zu wissen glaubt, immer hinter ihrem Gehorsam und Vertrauen in Gott und Gottes Offenbarung zurückstehen.413 Die in den vorangegangenen Abschnitten diskutierte Theozentrik und Dynamik reformierter Ekklesiologie und reformierten Bekenntnisverständnisses spiegelt sich hier also auch im Verständnis des Bekenntnisses coram Deo wider. Bekenntnis coram Deo erlangt auf diese Weise einen eschatologischen Charakter wie Karl Barth betont: „die unfehlbare und also unüberbietbare und unveränderliche Konfession ist der Lobpreis, den die Kirche als der mit seinem Haupte auf ewig vereinigte Leib ihrem Herrn in dieser ihrer eigenen ewigen Vollendung darbringen wird; sie also ein eschatologischer Begriff, dem jetzt und hier keine Verwirklichung entspricht, dem alle Wirklichkeit kirchlicher Konfession […] nur entgegeneilen kann.“414

3.5.2 Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae Das Bekenntnis einer Kirche als Bekenntnis coram ecclesiae zu verstehen, scheint ein eine nicht weiter diskussionswürdige Selbstverständlichkeit zu sein, wäre dabei nicht die Frage nach der Definition der ecclesia zu stellen. Das oben diskutierte Verständnis von Universalität und Partikularität sowohl der reformierten Ekklesiologie als auch des Bekenntnisverständnisses legte bereits nahe, dass unter Kirche hier nicht allein die eigene Partikularkirche verstanden werden

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the faith of the Church and reverberate in the life of this world, but also magnify the name of our Lord.“; Heideman, Our Song of Hope, 1 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 30. Schellong, Zur Bedeutung von Bekenntnissen, 63. Weinrich, Confessing Unity, 176: „Our commitment to God must be clearly seen to stand above our commitment to insights about God.“ Barth, KD I/2, 737 (Hervorhebung im Original).

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kann, auch wenn dies nach reformierten Verständnis tatsächlich der eigentliche „Sitz im Leben“ jeden Bekenntnisses ist. Die hier zu beschreibenden ekklesiologische Dimension des reformierten Bekenntnisses umfasst vielmehr drei Unterpunkte: a) die bekennende Kirche als Teil oder Gesamtheit einer Partikularkirche; b) die Gemeinschaft der Kirchen einer Konfessionsfamilie; und c) die ökumenische Gemeinschaft der einen Kirche Jesus Christi. Thematische Rückbezüge auf bereits Dargelegtes werden sich insbesondere im Blick auf Schwerpunkte reformierter Ekklesiologie ergeben. a) Reformiertem Verständnis in Vergangenheit und Gegenwart nach strebt ein Bekenntnis an, den Glauben einer „örtlich umschriebenen christlichen Gemeinschaft“415 zu bekennen; coram ecclesiae heißt also in diesem Fall, dass die Partikularkirche ihren Glauben öffentlich bekennt und sich damit nach innen (und nach außen) verbindlich äußert. Sie bekennt dabei ihre Gemeinsamkeit bei aller stets vorhandenen Unterschiedlichkeit in einem consensus ecclesia.416 Um den gemeinsamen Glauben der Glieder dieser Kirche bekennen zu können, ist ein Vorgehen notwendig, das die gesamte Kirche, soweit möglich, in den Entstehungsprozess des Bekenntnisses einbindet, eben weil Bekenntnisse „the expression of our corporate faith and corporate identity“417 darstellen. Auf diese Weise entsteht ein Bekenntnis, das „das Ergebnis einer bei weit offenstehender Türe stattfindenden Disputation und Abstimmung“418 ist.419 Dieses „demokratische“ Vorgehen reformierter Kirchen liegt nicht darin begründet, dass etwa der Mehrheitswille mit dem Willen Gottes identifiziert werden würde, sondern beruht auf dem Verständnis, that we are more likely to discern the truth, promises, and demands of the gospel when there is full, free, public debate about what the Holy Spirit speaking through scripture is 415 Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 618. 416 Wie es z. B. das Brief Statement of Faith der Presbyterianischen Kirche (USA) auf dem Hintergrund der Kirchenvereinigung von 1983 in seinem Vorwort betont: das Bekenntnis „celebrates our rediscovery that for all our undoubted diversity, we are bound together by a common faith and a common task.“ Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 21 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 417 Muller, Confessing the Reformed Faith, o.S. 418 Barth, a. a. O., 618. 419 Vgl. dazu Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 53–62, der die Beteiligung auch der Laien und die synodale Autorisierung der Bekenntnistexte betont. Anders allerdings die Einschätzung von Schellong, a. a. O., 67, in Bezug auf die Bekenntnisse der Reformationszeit: „Der […] die Gemeinde ernst nehmende Versuch, die ganze Bürgerschaft das Bekenntnis durch Eid nachvollziehen zu lassen, der in Basel wie in Genf unternommen wurde, fällt auch nicht wirklich aus dem übrigen Bild heraus, da auch hier Theologenschaft und Magistrat die Arbeit geleistet und die Entscheidung gefällt hatten; die Bürgerschaft sollte sie nur nachvollziehen und sich an sie gebunden erklären. Es ist auch nicht belanglos, dass dieser Versuch zweimal scheiterte. […] Die Schar derer, die sich ein Bekenntnis zueigen machen, wurde wohl oder übel primär unter dem Lehrstand gesucht.“

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leading the church to say and do, even though it may not be in agreement with the personal preferences or serve the self-interest of any one group within the church.420

Es soll damit sichergestellt werden, dass das Bekenntnis tatsächlich das Bekenntnis dieser spezifischen Kirche ist, nicht das Bekenntnis einzelner Theologen und Theologinnen, Gruppierungen in der Kirche oder gar Kirchenleitungen.421 Gerade auch dann, wenn die Einheit der Kirche bedroht ist, und das Bekenntnis innerhalb einer Partikularkirche oder einer Kirchengemeinschaft von nur einem Teil der Gemeinschaft verfasst wird, so ist doch die Ausrichtung auf die gesamte Kirche und die Wiederherstellung ihrer Einheit immer von höchster Priorität.422 Eine der ersten Fragen im Prozess der Bekenntnisfragen ist daher die Frage nach der eigenen Kirche;423 mit einem Bekenntnis versuchen die Glieder einer spezifischen christlichen Gemeinschaft, „to make clear to themselves who they are, what they believe, and what they resolve to do.“424 Ein 420 Guthrie, Always Being Reformed, 19. Guthrie fährt fort: „Respect for the authority of the church, under the authority of scripture, with openness to listen to people who represent various social contexts – all three are built into the democratic process by which confessional statements are formulated and adopted in Reformed churches. […] Reformed churches are distinguished from other confessional churches first of all in that their ‚from below‘ process of producing confessional statement both allows and requires all three [components].“ (Hervorhebungen im Original). 421 Vgl. dazu Guthrie, Christian Doctrine, 23: „Even when they have been composed by an individual or several individuals, […] they are intended to articulate the faith of the whole community of Christians. They do not aim to confess the faith of a few extraordinarily orthodox or pious individuals, or the faith of a group within or among the churches who consider themselves spiritually superior. They aim to be the voice of the ‚one holy catholic‘ church. And even when they have to exclude, the great creeds and confessions do so for the sake of the ‚one holy catholic‘ church.“ (Hervorhebungen im Original). 422 „The intention is […] always the purification or (re-)uniting of the ‚true church‘“ wie Smit, What does a status confessionis mean?, 22, mit Blick auf die Ausrufung des status confessionis in den südafrikanischen Kirchen festhält. Barth, KD I/2, 696, fordert nachdrücklich: „Wie beschränkt und verdrängt immer die Urheber einer Konfession in der Kirche existieren mögen: haben sie wirklich zu bekennen, d. h. Gottes Wort zu bekennen, dann können sie unmöglich nur von sich, von ihrem besonderen Winkel her und bloß zum Zweck der Anerkennung ihrer selbst und dieses ihres Winkels, dann müssen sie vielmehr – den unerhörten Anspruch, den das bedeutet, nicht scheuend – von der einen allgemeinen Kirche her und zu ihr hin zu reden sich getrauen. Sie müssen die Verantwortung auf sich nehmen, der Stimme der una sancta catholica Ausdruck zu geben. Sonst sollen sie schweigen oder ihr Reden mindestens nicht für kirchliches Bekenntnis halten.“ (Hervorhebungen im Original). 423 Vgl. dazu Barth, Das Bekenntnis der Reformation, 6: „Das erste Stück der Bekenntnisfrage muss also schlechterdings die Frage nach der Kirche sein, die Frage: wer sind denn ‚wir‘, die da bekennen oder nicht bekennen, so oder so bekennen?“ 424 Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 20 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Gerade in der Reformationszeit wurde auch dieses Anliegen reformierten Bekennens deutlich, so etwa bei der Abfassung der Confessio Gallicana, die den verfolgten Hugenotten zur Stärkung ihres „Zusammenhalt[es] und ihre[r] konfessionellen Identität“ dienen sollte; Plasger/Freudenberg, a. a. O., 106.

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primärer Nutzen von Bekenntnissen ist daher nicht etwa in der „Ausräucherung von Häresien“, sondern in der Bewahrung der Identität der Kirche zu sehen,425 da die Bekenntnisse eine gemeinsame Sprache und eine Diskursgemeinschaft bieten, ohne welche die Kirche in der Gefahr stünde, einen kollektiven Erinnerungsverlust zu erleiden und sich im Geschwätz sich widersprechender Stimmen aufzulösen.426 Zu diesem Prozess gehört immer auch, wie bereits erwähnt, die Untersuchung der Sünde und Fehlbarkeit der eigenen Kirche und ihrer Glieder: Bekenntnisse entstehen nicht nur als Bezeugung des wahren Glaubens und richtigen Lebens der Heiligen Gottes, sondern ebenso als Sündenbekenntnis der Kirche,427 als „Aufruf zur Umkehr, zur Buße, zur Erneuerung an die Kirche“.428 Im Bekenntnis werden mit jedem expliziten oder impliziten damnamus nicht die Anderen gerichtet; „im Bekenntnis richtet die Kirche sich selbst“429. Das kann geschehen, indem die Kirche ein Schuldbekenntnis ablegt, wie etwa die Vereinigte Kirche Christi in Japan, als sie 1967 ein Bekenntnis über die Verantwortung im Zweiten Weltkrieg430 verabschiedete; das kann aber auch als Teil des Bekenntnisses geschehen; besonders deutlich z. B. in dem Glaubensbekenntnis der Schweizerischen Evangelischen Synode von 1986.431 Auch Bekenntnistexte, wie z. B. das Belhar-Bekenntnis, die – in Anlehnung an die Barmer Theologischen 425 Vgl. dazu oben Kapitel 2.2.4. Der intrinische Zusammenhang von Bekenntnis und Identität. 426 Vgl. Gerrish, Saving and Secular Faith, 56. 427 Vgl. dazu Schellong, a. a. O., 63, der in Bezug auf das urchristliche Bekenntnis festhält: „Gemeinsam ist den Bekenntnissen […] der Absage-Charakter, das Moment des Bruches mit der Umwelt und ihren Ansprüchen, beginnend mit dem eigenen Ich. Insofern ist das Sündenbekenntnis ausgesprochen oder unausgesprochen miteingeschlossen. Das ist die Kehrseite der in der Verkündigung ausgerufenen totalen Hinwendung zu dem einen Herrn.“ 428 Raiser, Bekennen und Bekenntnis heute, 133, für den dieses Kriterium eines der vier Hauptkriterien ist, die er zur Überprüfung der „Relevanz, Glaubwürdigkeit und Rezeptionsfähigkeit“ (a. a. O., 132) neuerer Bekenntnistexte aufstellt. 429 Barth, Das Bekenntnis der Reformation, 10. Dirk Smit, einer der Mitverfasser des BelharBekenntnisses, beschreibt die Reaktion der Gemeinden auf das Bekenntnis in diesem Zusammenhang wie folgt: „1982, als wir zum ersten Mal das Konzeptbekenntnis in den Gemeinden und Kirchenkreisen erläuterten, war dies auch fast überall die spontane Meinung der Mitglieder. Sie dachten nicht, dass das Bekenntnis an die Adresse von anderen gerichtet war. Sie glaubten sofort, dass wir selbst, in unseren eigenen Reihen, mehr Einheit, mehr Versöhnung und mehr Gerechtigkeit anstreben und leben müssen. Vielleicht ist das noch heute die größte Relevanz von Belhar für die URCSA. Es ruft uns zur Selbstkritik und Demut auf, zu Selbstprüfung, zu der Frage, ob wir wahrhaftig sind und tun, was wir vor der Welt bekennen.“; Smit, Belhar-Bekenntnis, 32. 430 RZH, 32. 431 Das Bekenntnis der Schuld wird in dieses Bekenntnis explizit und zentral aufgenommen, indem jeder der drei Artikel in gleicher Form aufgebaut ist, wobei das Schuldbekenntnis „die eigentliche Mitte zwischen dem von Gott Gegebenen und dem von Gott trotz dem Menschen Erhaltenen [bildet]. So entsteht ein Dreiklang aus Gottes Ja, des Menschen Nein und Gottes Aber.“ Krieg, Werkbuch, 142. Vgl. dazu auch die Coleraine Declaration der Presbyterianischen Kirche in Irland von 1990.

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Erklärung – mit Verwerfungen arbeiten, wollen ihr Bekenntnis nicht abgesehen von dem eigenen Sündenbekenntnis verstanden wissen: We confess our guilt, in that we have not always witnessed clearly enough in our situation and so are jointly responsible for the way in which those things which were experienced as sin and confessed to be so or should have been experienced as and confessed to be sin have grown in time to seem self-evidently right and to be ideologies foreign to the Scriptures.432

In besonderer Weise können Unionsgrundlagen diesen Aspekt des Sündenbekenntnisses aufnehmen, indem sie in Bezug auf Kirchenspaltungen in der Vergangenheit ihr eigenes Versagen und ihre Schwäche bekennen, wie etwa die Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich „in Demut“ anerkennt, dass das Versagen und die Schwäche der Kirche besonders in ihrer Spaltung offenbar wurde, die es den Christen unmöglich machte, das Leben der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche völlig zu kennen, zu erleben und mitzuteilen.433

Diese Matrix von Bestimmung der eigenen Identität (in Glaube und Unglaube) und des Auftrags der Kirche vor Ort liegt jedem reformierten Bekennen – implizit oder explizit – zugrunde, birgt allerdings auch Gefahren in sich, wenn die theozentrische wie die weltliche Ausrichtung der Kirche und des Bekennens nicht durchgehalten wird. Ohne die Dimension des coram Deo und des coram mundi kann dann z. B. die Bestimmung der eigenen Identität „als Selbstzweck und deshalb in reiner Selbstbezogenheit betrieben“434 werden, und damit das Ziel des Bekennens als Zeugnis von der Offenbarung Gottes für und in der Welt verfehlt werden.435 b) Die bekennende Kirche weiß sich nun in ihrer Partikularität auch ihrer Konfessionsfamilie436 und der reformierten Tradition in Gegenwart und Vergangenheit verbunden. Neben theologischen Konsultationen, die im Kontext der Entstehung einer Bekenntnisschrift stattfinden, ist dabei insbesondere der Bezug auf traditionelle und moderne Bekenntnisse der reformierten Tradition von großer Bedeutung. Es geht um das gemeinsame Hören und Annehmen des Wortes Gottes, das sich in zweierlei Form vorfindet, nämlich einmal als syn432 Aus dem Begleitbrief des Bekenntnisses, abgedruckt bei Cloete/Smit, A Moment of Truth, 4. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Durand, Confession, 39. 433 RZH, 290; vgl. dazu Artikel 5–8 des genannten Bekenntnisses. 434 Bühler, Bekennen, 26. 435 Vgl. dazu auch Hall, Confessing the Faith, 12f. 436 Ich ziehe für diese Diskussion den Ausdruck „Konfessionsfamilie“ dem in der ökumenischen Diskussion gebräuchlicheren Ausdruck der „Weltweiten Christlichen Gemeinschaften“ vor, da er für unsere Zwecke genauer beschreibt, um welche Anliegen es den reformierten Kirchen geht. Vgl. zu dieser Frage Ernst, Die Weltweiten Christlichen Gemeinschaften, 57–66.

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chrones Hören mit den Zeitgenossen der kirchlichen Gegenwart; zum anderen Teil als diachrones, ungleichzeitiges Hören, „stattfindend zwischen denen, die früher und denen, die später Kirche waren, zwischen der jeweiligen kirchlichen Gegenwart und ihren kirchlichen Vorzeiten.“437 Dabei wird nicht nur die Übereinstimmung mit den wirkungsgeschichtlich bedeutenden Bekenntnistexten der reformierten Kirchen und der ökumenischen Bekenntnisse betont,438 sondern es werden auch implizit Schwerpunktthemen klassischer reformierter Bekenntnisse unter den jeweiligen modernen Gegebenheiten neu bekannt,439 oder explizit auf Bekenntnistexte, modern wie klassisch, verwiesen. Ausdrücklich anerkennen die modernen Bekenntnisse „die Hilfe, die [ihnen] beim Verstehen des Evangeliums durch das Zeugnis der Kirche aus früheren Zeiten und in vielen Ländern zuteil geworden ist“440. So erklärt z. B. die Presbyterianische Kirche von Kanada in der Einleitung zu ihrer Glaubenserklärung: The inspiration for the style and general outline of Living Faith comes from A Declaration of Faith of The Presbyterian Church in the United States. Some use has also been made of modern statements such as The Confession of 1967 of The United Presbyterian Church in the U.S.A. and others listed in the notes. We are grateful for permission to use these statements. The committee responsible for Living Faith always had in mind the great Reformed Confessions such as the Westminster Confession, the Scots Confession and the Heidelberg Catechism. In the end the statement is our own, reflecting our own needs and experiences.441

437 Barth, KD I/2, 655. Vgl. dazu auch Pauw, a. a. O., 190: „Attention to the enormous diachronic and synchronic breadth of the church’s life and witness serves as a hedge against perennial tendencies to absolutize features of the church’s existence in particular historical and geographical contexts.“ 438 So etwa das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, das Glaubensbekenntnis der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba, das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, die Glaubenserklärung der Kirche Jesus Christi in Madagaskar, die Kirchenverfassung der Vereinigten Protestantischen Kirche von Belgien, u. a. RZH, 37.111.159.287. 439 Besonders deutlich wird dies im Bekenntnis von Belhar, das bewusst ekklesiologische Bestimmungen besonders des Heidelberger Katechismus und der Confessio Belgica aufnimmt und im Kontext von Südafrika bekennt. 440 Das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA; RZH, 159. 441 Presbyterian Church in Canada, Living Faith. Ein Vergleich der genannten Dokumente zeigt auf, dass das kanadische Bekenntnis sogar wörtliche Zitate aus den aufgelisteten Bekenntnistexten in das eigene Bekenntnis aufgenommen hat. Vgl. etwa RZH, 138 mit dem Bekenntnis von 1967, a. a. O., 160 oder der Glaubenserklärung, a. a. O., 184. Die Presbyterian Church (USA) betont nachdrücklich im Vorwort ihres neuesten Bekenntnisses, des Brief Statement of Faith, dass es nur im Zusammenhang mit den anderen zehn (klassischen und modernen) Bekenntnistexten des Book of Confessions dieser Kirche zu verstehen ist: „This statement is […] not intended to stand alone, apart from the other confessions of our Church.“ Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 21.

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Eine große Zahl der Bekenntnisse listen in ähnlicher Weise in ihren Präambeln jene Bekenntnisse explizit auf, auf die sie sich beziehen. Je nach Kontext und Geschichte der Kirche können diese Listen variieren, und damit die jeweilige Bekenntnistradition widerspiegeln. Die aus holländischen Missionsbewegungen entstanden Kirchen erwähnen z. B. häufig die für diese Tradition bedeutsamen „Drei Formulare der Einheit“.442 Aus kirchenspezifischen Gründen können auch konfessionsübergreifende Verbindungen hergestellt werden, wie etwa beim Neuen Bekenntnis aus Korea, das – wie schon einzelne reformierte Bekenntnistexte aus dem 16. und 17. Jahrhundert443 – die Übereinstimmung des Bekenntnisses sogar mit dem Augsburgischen Bekenntnis erklärt.444 Andere Bekenntnisse wiederum ordnen sich nur ganz allgemein der reformierten oder reformatorischen Tradition als Teil der universalen Kirche zu: Unsere Kirche, die im 16. Jahrhundert aus der Reformation entstanden ist, bekräftigt dankbar und in Verbundenheit mit der weltweiten Kirche, die Kontinuität des christlichen Glaubens bei allem Wandel in seinen Ausdrucksformen durch die Zeiten bis zu uns.445

Dieses Vorgehen, die Anerkennung anderer Bekenntnistexte bei Erstellung eigener Dokumente, war schon im 16. Jahrhundert ein Kennzeichen reformierter Bekenntnisentwicklung gewesen.446 Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Glaubensgemeinschaft hier nicht etwa durch eine gegenseitige Anerkennung von Bekenntnissen konstituiert, sondern „ausschließlich als vorausgesetzte bezeugt“447 wird, oder, mit anderen Worten, die Einheit der christlichen Kirche im wahren Glauben448 ist als Gabe Gottes eine Realität, die weder durch 442 Vgl. dazu etwa das Bekenntnis der Toraja-Kirche, RZH, 22. 443 So u. a. der Consensus Sendomiriensis von 1570, der Consensus Bremensis von 1595, die Declaratio Thoruniensis von 1645, das Waldenser-Bekenntnis von 1655, die sich jeweils in eigener Form vor allem auf die Variata beziehen; vgl. dazu Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 13–16. 444 Vgl. dazu die Präambel, RZH, 37; auch die Vereinigte Protestantische Kirche von Belgien versteht sich als „Miterbin“ u. a. des Augsburger Bekenntnisses, a. a. O., 287. 445 So die Déclaration de Foi der Protestantischen Kirche von Genf; Krieg, Werkbuch, 158. Vgl. dazu auch Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 16: „Wir bezeugen das Evangelium als Kirchen, die der reformierten Tradition angehören. Das uns durch diese Tradition überlieferte Erbe macht uns dankbar.“ 446 Vgl. hierzu z. B. den Text der Emder Synode von 1571: „Die Gemeinschaft des Glaubens zu bezeugen, die in der Lehre des Wortes Gottes in den niederländischen Gemeinden besteht, schien es den Brüdern gut, das Bekenntnis der niederländischen Kirchen zu unterschreiben. Und zum Zeugnis der Glaubensgemeinschaft dieser mit den Gemeinden in Frankreich unterschrieb man in gleicher Weise das Bekenntnis der französischen Kirchen. Dabei hegte man das Vertrauen, dass die Diener dieser Kirchen, um gegenseitig die Gemeinschaft des Glaubens zu bezeugen, nun auch das Bekenntnis der niederländischen Gemeinden unterzeichnen würden.“ Jacobs, Reformierte Bekenntnisschriften, 252. 447 Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 321. 448 Mit Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 19, ist jedoch auch zu

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Bekenntniseinheit noch durch gegenseitige Anerkennung hergestellt, sondern nur mit Dankbarkeit bekannt wird,449 denn „Glaubenseinheit erfordert keine Bekenntnisuniformität“450. Es geht bei diesem Bezug auf andere Bekenntnistexte also nicht um die formale Anerkennung des Bekenntnisses einer anderen Kirche,451 sondern um das verantwortliche Bezeugen des Glaubens innerhalb einer Konfessionsfamilie, um die Gemeinschaft bekennender Kirchen452. In diesem Sinne legt etwa Calvin, dessen ökumenische Gesinnung im Europa seiner Zeit durchaus bekannt war,453 in seinem Vorwort zur lateinischen Ausgabe des Genfer Katechismus (1545) größten Nachdruck auf diese Verantwortung bekennender Kirchen in der Gemeinschaft anderer, geographisch getrennter Kirchen. So hält er das Vorhandensein von „publica testimonia“454 dieser Kirchen für nützlich, da sie die Übereinstimmung in der Lehre dokumentiere als „solenne Christianae communionis symbolum“ und zur gegenseitigen Anerkennung diene, damit also eine „sacra communio“ unter den Kirchen bekräftige. Reformierte Bekenntnis coram ecclesiae entstehen daher im Blick auf und im Gespräch mit den Kirchen, die zwar voneinander getrennt leben, jedoch in Bezug auf Christus eine übereinstimmende Lehre besitzen455, und können auch nur so bekannt werden: jedes

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betonen, dass eine „Universalität des Glaubens“, nach der die Bekenntnisse streben, nicht in Vergangenheit oder Gegenwart begründet ist, „sie ist nicht gegeben, sondern gesucht.“ Vgl. dazu auch Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 17: „Verschiedene Bekenntnisschriften, die diesen Glauben [an den gekreuzigten und lebendig gegenwärtigen Herrn] aussagen, haben sich […] die Gemeinschaft untereinander nicht abzusagen, sondern die Gemeinschaft unter dem einen Haupt zu bezeugen. Nicht die gleiche Bekenntnisschrift […] darf die Voraussetzung für diese Gemeinschaft sein, sondern der eine Glaube an den einen Herrn.“ Rohls, a. a. O., 321. Obwohl auch dies durchaus geschieht; so diskutieren z. B. verschiedene reformierte Kirchen weltweit, ob und wie sie das Belhar-Bekenntnis aus Südafrika anerkennen können; so z. B. die Vereinigte Evangelische Kirche in Belgien, die Reformierte Kirche in Amerika, die Evangelisch-Reformierte Kirche und der Reformierte Bund in Deutschland und das Reformierte Ökumenische Konzil. Vgl. Naudé, Confessing the One Faith, 8; Smit, Living Unity?, 208 (Anm. 57), und speziell für Deutschland: Evangelisch-Reformierte Kirche (Hg.), Das Bekenntnis von Belhar und seine Bedeutung für die reformierten Kirchen in Deutschland. Siehe dazu auch die Auflistung der fünf Möglichkeiten eines gegenseitigen Einvernehmens in Bekenntnissachen bei Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 626f. So Vischer, Gottes Bund, 72. Vgl. dazu auch Rüegger, Neuere Reformierte Bekenntnisse, 324, und Smit, Confessions, 143, der dem innerkonfessionellen Rezeptionsprozess große Bedeutung einräumt, „not always reception as confessions with any status, but primarly reception in the form of recognition, study, reflection, discussion, critique, use, and source of inspiration for further action.“ Vgl. etwa Brinkman, Unity, 119. Die folgenden lateinischen Zitate finden sich in der Calvin-Studienausgabe Bd. 2, 12. Vgl. a. a. O., 13.

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Bekenntnis einer „örtlich umschriebenen Gemeinschaft“456 ist immer auch ein „Zeichen heiliger Verbundenheit“457. Die bekennende Kirche stellt sich damit ausdrücklich in die Zeugengemeinschaft458 der reformierten Tradition in Gegenwart und Vergangenheit und weiß sich dieser Tradition verantwortlich.459 Dieses Verständnis, das die Authentizität von (neuen) Lehraussagen regelt, ist in der expliziten und impliziten Verbundenheit mit und in der Treue zu der reformierten Tradition in Vergangenheit und Gegenwart zu finden. Bekennende Kirche zu sein heißt also in diesem Zusammenhang, Bekenntnisse als lebendige und dynamische Zeugnisse zu verstehen und selbst „faithful and present witness“460 abzulegen: „this is the engine or dynamic that makes for a living confessional heritage from the New Testament and Nicea to Heidelberg, Westminster, Belhar, and beyond.“461 Diese Treue zur reformierten Tradition,462 dieses Verständnis des „eigenen, besonderen Erbes“463 besteht nun nicht darin, überkommene Sätze, und seien es auch Bekenntnissätze mit großer kirchengeschichtlicher Relevanz, nachzusprechen; Treue ist kein Selbstzweck,464 sondern besteht „in der Entdeckung ihrer Macht für die Gegenwart und ihrer Formulierung in neuer bezwingender Sprache.“465 Kirche kann reformiertem Verständnis nach nicht damit beschäftigt sein, 456 Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 618. 457 Calvin-Studienausgabe Bd. 2, 13. 458 Vgl. dazu auch die Diskussion der „Wolke der Zeugen“ aus Hebr 12:1 bei Schellong, a. a. O., 65f. 459 So etwa die Kongregationalistische Kirche in England und Wales, RZH, 75: „Wir machen diese Erklärung als Zeugnis für die Kirchen unserer eigenen Ordnung“. Vgl. dazu auch Naudé/Botha, Jesus is die Here!, 17: „Wir stehen immer mit unseren Brüdern und Schwestern von gestern und vorgestern zusammen im Bekenntnis unseres gemeinschaftlichen Glaubens.“ („Ons staan immers saam met ons broers en susters van gister en eergister in die belydenis van ons gemeenskaplike geloof.“). 460 Ottati, Confessional Standards, 95. 461 Ebd. 462 Dabei werden weder die reformierte noch die allgemein-christliche Tradition und Geschichte glorifiziert, sondern sowohl in ihren positiven, wie auch in ihren negativen Aspekten und Auswirkungen gesehen und verstanden. 463 Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich (1981); RZH, 293. 464 Barth, Credo, 157: „‚Orthodoxie‘ heißt: Übereinstimmung mit den Vätern und den Konzilien. Sie kann als das niemals Selbstzweck sein. Repristination ist Unsinn.“ 465 DeGruchy, Theologie der Befreiung, 147. Vgl. dazu auch de Quervain, Konfession und Katholizität, 52: „Die reformierte Kirche […] kennt konfessionelle Rücksichten in dem von uns abgelehnten Sinne der Treue gegen die eigene Art nicht. Sie läßt sich durch die geistlichen Väter nach dem Fleisch nicht binden, und sie beruft sich nicht auf die Pietät, die sie ihnen schuldet, wo von ihr nichts anderes als Glaube und Gehorsam gefordert wird. […] Ihre Einheit ist eine kirchliche; ihre brüderliche Verbundenheit ist eine Tat des Glaubens und Gehorsams und nicht ein Erzeugnis kirchlicher Diplomatie oder eines sektierischen Gemeinschaftswillens.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

retrospektiv auf eine Bewahrung der Tradition und ihrer Bekenntnisse zu dringen, sondern muss im Umgang mit den Bekenntnissen ihre Bedeutsamkeit für Gegenwart und Zukunft zu beweisen.466 Es geht der Kirche in ihrem Umgang mit der Tradition mehr um das „Bewähren“ als das Bewahren, mehr um das Tradieren als um die Tradition.467 Ihr Anliegen muss es sein, nicht die Tradition, sondern den lebendigen Gott in das Zentrum ihrer Verehrung zu stellen,468 wie das poetisch wirkende Bekenntnis der Evangelisch-Waldensischen Kirche am Rio de la Plata gleich zu Beginn festhält: Ich glaube an Gott, den Gott der Bekenntnisse und an alle ihre Wahrheiten, aber vor allem glaube ich an einen Gott, der aus toten Buchstaben aufersteht, um ein Teil meines Lebens zu werden.469

Von besonderer Bedeutung ist dieses Verständnis gerade für die reformierten Kirchen in Asien, Afrika und Lateinamerika, zu deren Geschichte als Kirche die europäische Reformation nicht gehört, und die darum die Bekenntnisse der Reformationszeit häufig als fremd oder gar als Belastung empfinden.470 Es wäre gegen den Geist dieser Bekenntnisse selbst, sie für Kontexte, die so grundverschieden von denen der Reformationszeit sind, als unbedingt bindende und verpflichtende Dokumente zu verstehen. Für reformiertes Bekennen kann es kein unbedingtes Festhalten am „Bekenntnisstand“ geben, wenn sich für die Kirche ein neuer casus confessionis ergibt.471 Auch hier gilt also die Doppelung 466 Vgl. Weinrich, Openness and Worldliness, 432. Weinrich fährt fort: Die Perspektive der Bekenntnisse „was continually that of testing, of the direction-giving participation, which also precisely could not be completely answered by a recitation of the tradition but needed its own contemporary instrumentarium in which the church had to formulate its own responsibility to its time.“ (Hervorhebung im Original). 467 Vgl. Weinrich, Kirche bekennen, 40. So auch Sallman/Zeindler, Die Berner Reformation, 10, die im Blick spezifisch auf die Identitätsfrage betonen: „Wer heute danach fragt, was evangelisch-reformierte Identität im 21. Jahrhundert heissen könnte, dem kann nicht einfach ein Dokument aus der Reformationszeit in die Hand gedrückt werden.“ Gleichzeitig gilt aber auch: „Als ecclesia reformata eine ecclesia reformanda zu bleiben, bedeutet deshalb für sie [die Berner Kirche] immer auch, sich auf diese wegweisenden Texte zurückzubeziehen, sie neu zu befragen und sich ihrerseits von ihnen befragen zu lassen.“ (a. a. O., 32; Hervorhebungen im Original). 468 Vgl. dazu Case-Winters, Ecclesia Reformata, XXXII: „While we honor the forms of faith and life that have been bequeathed to us, we honor them best in a spirit of openness to the Word and the Spirit that formed and continues to re-form the church. The church, because of who God is – a living God, who loves in freedom – remains open to always being reformed.” (Hervorhebungen im Original). 469 „Je crois en Dieu, Le Dieu des credos, et en toutes leurs vérités, mais surtout, je crois en un Dieu qui ressuscite de la mort de la lettre pour devenir une part de ma vie.“ Mottu, Confessions, 238. 470 Vgl. auch zum folgenden WARC, Confessions and Confessing, 13. 471 So Schellong, a. a. O., 62: „Wenn das Festhalten am Bekenntnisstand das Erkennen eines aktuellen und neuartigen casus confessionis und den Vollzug neuen Bekennens, neuer

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von Autorität und Glaubensfreiheit; die Rezeption der reformierten Bekenntnisse geschieht im Zeichen der Dankbarkeit und zugleich im Zeichen einer durch die Freiheit des Glauben begründeten kritischen Mündigkeit.472 In seiner Diskussion der „fünf Kennzeichen der reformierten Geisteshaltung, auf denen aufbauend wir unsere Glaubensbekenntnisse formulieren, wie die Zeitumstände es von uns erfordern“473, dessen also, was seiner Meinung nach gar die reformierte Identität weitgehend ausmacht, legt Brian Gerrish auf genau diese beiden Aspekte großen Wert. Dementsprechend diskutiert er das erste Kennzeichen als eine ehrerbietige, d. h. der Tradition Respekt und Achtung entgegenbringende Haltung, um gleich darauf als zweites Kennzeichen eine gleichzeitig grundsätzlich kritische Einstellung der Tradition gegenüber zu beschreiben;474 die reformierte Haltung der Tradition gegenüber oszilliere so zwischen Attraktion und Aversion.475 Es kann daher geschehen, und geschieht tatsächlich immer wieder, dass moderne Bekenntnisse Themen und Schwerpunkte, die für die klassische reformierte Theologie des 16. und 17. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung waren476, in neuer Weise bekennen, oder sie überhaupt nicht thematisieren: „Das Vertrauen auf die Weisung des Geistes hemmt die Reformierten, sich einfach immer nur über das 16. Jahrhundert definieren zu müssen.“477

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Formulierung des Bekenntnisses und eine neuen Scheidung der Geister verhindert, wird das Bewahren des Bekenntnisstandes zum Verleugnen in casu confessionis, wendet sich der Stand gegen das Bekenntnis, so wie im anderen Falle das Bekenntnis den Stand, das Stehenbleiben unmöglich macht.“ Es gilt dabei jedoch auch, „dass neues, aktuelles Bekennen zwar den Bekenntnisstand und die Einheit, die dieser gewährt, verflüssigt, da es zu neuen Versuchungen in eigenen Worten Stellung nimmt und neu scheidet und sammelt, dass es aber damit nicht die Kontinuität mit dem zum Bekenntnisstand geronnenen früheren Bekennen abbrechen, vielmehr die Kontinuität mit ihm wahren, den Bekenntnisstand aktuell bewähren will.“ (ebd.). Rüegger, a. a. O., 326 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu z. B. Kreck, Bekenntnis der Väter, 67–78, der das, was er „kritischen Respekt“ nennt, an drei Punkten im Gespräch mit dem Heidelberger Katechismus verdeutlicht. Gerrish, Reformierte Geisteshaltung, 29. A.a.O., 30f. A.a.O., 32: „Unsere Haltung der Tradition gegenüber, die uns wie ein lebendiges, menschliches Wesen vorkommt, sollte zwischen Attraktion und Aversion oszillieren, so dass wir durch Konversation mit der Vergangenheit lernen: Weder sollten wir sie zur Gänze ignorieren, noch uns nur als passiv Aufnehmende und Wiedergebende bestätigen.“ (Hervorhebung im Original), Vgl. dazu auch Plasger, a. a. O.., 86–88. So etwa die Prädestinationslehre, die in denen neuen Bekenntnissen, in denen sie überhaupt noch Erwähnung findet, eher in den Hintergrund tritt; vgl. WARC, a. a. O., 16, sowie unten Kap. 4.3.1. Busch, Die Nähe der Fernen, 590. Vgl. dazu auch Busch, Was zeichnet heute die „Reformierten“ aus?, 62f: „Wenn die neuen [Bekenntnis-]Texte nicht das betonen, was einst als ‚calvinisch’ oder ‚zwinglianisch‘ galt (Sonderlehren über die Erwählung oder über das Abendmahl), so liegt das nicht an einem Relativismus. Wo Relativismus ist, da ist kein Bekenntnis und kein Wissen um ein Stehen oder Fallen der Kirche an einem bestimmten Artikel des Glaubens. […] [Reformierte] halten sich offen für die Weisung des Geistes, dass

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Die Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten und die sich vereinigende Kirche von Australien beschreiben diese ehrerbietige und kritische Mündigkeit beispielhaft, wenn sie bekennen: Wir sind dankbare Erben von Reformationen und Erweckungen. Wir bleiben den Reformatoren der Vergangenheit treu, wenn wir uns in der Gegenwart offen halten für das verändernde und erneuernde Wirken des Geistes.478 Die sich vereinigende Kirche lernt weiterhin im Gehorsam und in der Freiheit des Glaubens und in der Kraft der verheißenen Gabe des Heiligen Geistes von der Lehre der Heiligen Schrift durch das Zeugnis der reformatorischen Väter.479

In diesem Sinne muss kontextuelles Bekennen sowohl mit der Gegenwart durch den Austausch über Glaubenseinsichten mit anderen, also auch mit der Vergangenheit verbunden sein.480 Es gilt auch für die bekennenden Kirchen, was Bruce McCormack nachdrücklich für reformierte Theologen und Theologinnen einfordert, dass nämlich ohne eine Bindung an das konfessionelle Erbe, an das, was die Identität der eigenen Kirche in der Vergangenheit maßgeblich mitbestimmt hat, die Gefahr eines ekklesiologischen Idealismus droht, in welchem Kirche auf ein platonisches Ideal reduziert wird.481 Zeitgenössisches Bekennen hinterfragt demnach die eigene Tradition nicht nur kritisch, sondern muss auch bereit sein, sich von dieser selbst kritisch hinterfragen zu lassen, sonst droht es durch „the tyranny of the present“ zu einem Gefangenem „in the tiny cell of ‚here and now‘“482 zu werden, und dabei das Wirken des Heiligen Geistes auch in der

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er ihnen je neu zeige, an welchem Punkt es hier und jetzt um das Bekennen des Evangeliums geht.“ RZH, 187. Es folgt eine Aufzählung verschiedener reformierter Bekenntnisse sowie der 44 Predigten John Wesleys; RZH, 280. So fordert Brinkman, The Will to Common Confession, 125: „It should be possible to follow a trail.“ Ottati, Confessional Standards, 90, beschreibt diesen Vorgang in seinen Überlegungen zu Bekenntnis-Standards als „conversation with a rather diverse cloud of witnesses from different places and times“. Vgl. McCormack, The End of Reformed Theology?, 52. Wie Small, Reformed, 21, kritisch für den nord-amerikanischen Kontext des 21. Jahrhunderts anmerkt. Small interpretiert dementsprechend Zeile 70 des Brief Statement of Faith der PCUSA („The Spirit gives us courage […] to hear the voices of peoples long silenced“) nicht wie die Mehrzahl der Kommentatoren, die diese „voices long silenced“ ausschließlich auf die Stimmen benachteiligter Gruppen und Personen gegenwärtiger Kirche und Gesellschaft bezieht (vgl. dazu Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 171–172), sondern fordert nachdrücklich ein: „Among the long-silenced voices we need to hear are the voices of all who have gone before us in the living of Christian faith. […] We listen to their words in the expectation that we will be guided, led, and instructed by their attempts to bear witness to the one Word of God, Jesus Christ.“

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Vergangenheit, in der „Ökumene der Kirchengeschichte“483, zu ignorieren oder gar zu leugnen. Während der 23. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes 1997 in Debrecen formulierte die Untersektion „Reformiertes Selbstverständnis“ diesen Zusammenhang wie folgt und endete mit einer für die reformierte Tradition zentralen hermeneutischen Frage:484 Was wir als reformierte Kirchen sind, verdanken wir dem Zeugnis unserer Mütter und Väter im Glauben. Wir müssen ihre Stimme hören und von ihrem Glauben und ihrer Treue lernen. Aber auch die Stimmen unserer Brüder und Schwestern in den reformierten Kirchen der ganzen Welt gilt es zu hören. Wir müssen uns als Reformierte dem reformierenden Wort Gottes öffnen, denn wir sind weder der Vergangenheit verhaftet noch in der Gegenwart gefangen. Wie aber können wir das Verhältnis zwischen Tradition und Anpassung, Treue und Freiheit, Text und Kontext verstehen? 485

Kritisch bleibt damit immer von neuem nachzufragen, ob und in wieweit der Verweis auf die reformierte Bekenntnistradition in jedem Fall tatsächlich das Ergebnis eines aufmerksamen Hörens auf deren Zeugnis ist, ob dem neuen Bekenntnis ein wirklicher Dialog in Bereitschaft zur Korrektur durch die Tradition vorausgegangen ist, oder ob dieser Verweis eine eher technische Angelegenheit darstellt, die eine gewisse „reformierte Orthodoxie“ oder Authentizität absichern soll, um etwa dem neuen Bekenntnis auf diese Weise Autorität zu verschaffen. Einige Bekenntnisse fügen in Anhängen thematische Querverweise zu älteren Bekenntnistexten an, wie z. B. das Brief Statement of Faith,486 das Bekenntnis von 1967487 oder Unser Lied der Hoffnung488, und lassen damit eine 483 Lochman, Glaubensbekenntnis, 172. Lochman schreibt dort weiter: „Wir verarmen geistlich und theologisch, wenn wir uns abkapseln, ob dies im Raum oder in der Zeit geschieht. Der geschichtliche Provinzialismus ist nicht weniger gefährlich als der geographische.“ 484 Vgl. dazu unten Kap. 5.1. 485 Vgl. Opocˇenský, Debrecen 1997, Anhang 15: „Bericht der Sektion I: Reformierter Glaube und die Suche nach Identität“, 203. Zur Frage des Verhältnisses von Text und Kontext vgl. auch Weinrich, Ökumene, 50. 486 Placher/Willis-Watkins, a. a. O., 25–34; hier wurden in einem Anhang sowohl Schriftstellen als auch Verweise auf Bekenntnistexte zusammengestellt, die für die Erstellung des Brief Statements von großer Bedeutung waren, denn die Absicht der Verfasser und Verfasserinnen des Bekenntnis war es, „to establish this confession on the broad base of Scripture as a whole and the consensus of Reformed theology, not upon isolated or particular texts either in Scripture or in theology. […] They show the congruence of A Brief Statement of Faith with the teachings of Scripture and of earlier confessional documents.“ 487 Für das eine „Harmony of the Book of Confessions“ erstellt wurde; Dowey, Commentary, 273–275. 488 Heideman, Our Song of Hope, 86–90. Ein Anhang von Verweisen auf ältere Bekenntnisse soll dabei helfen, „to become more consious of where we are in relation to our fathers.“ Und vorher: „When we confess our faith today, we discover how close we stand to our fathers in the faith; we also note that in certain ways our fathers’ perspectives were different from our own.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

bewusste und nachprüfbare Anknüpfung an das konfessionelle Erbe erkennen. In anderen Fällen, wie etwa beim kubanischen Bekenntnis, scheinen die Verweise auf die reformierte Tradition dagegen „eher zufällig und nicht unbedingt sofort einleuchtend“489. Eine Rezeption der Bekenntnisse sowohl in der eigenen, als auch in anderen Kirchen wird den Anspruch auf Bindung an die reformierte Tradition in jedem Fall genauer zu untersuchen haben. c) Der oben bereits beschriebenen Logik von der Partikularität zur Universalität folgend verstehen reformierte Bekenntnisse ihr Zeugnis immer auch für „die Kirchen anderer Ordnung innerhalb der einen Kirche Christi“490, also als Stimme der und für die una sancta ecclesia.491 Selbst als Partikularkirche bekennen reformierte Kirchen daher, wie oben bereits ausführlich diskutiert, immer „in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“492, in „Verbundenheit mit der weltweiten Kirche“493. Der Akt des Bekennens des christlichen Glaubens an sich ist so verstanden immer schon ein gemeinschaftlich-ökumenischer.494 Daraus ergibt sich das Verständnis einer essentiellen Katholizität reformierter Bekenntnisse,495 und damit dieser Anspruch nicht nur ein rein theoretischer bleibt, werden viele Bekenntnistexte schon im Entwurfsstadium in theologischen Konsultationen mit ökumenischen Gesprächspartnern diskutiert; sie werden dabei sogar als „part of the […] commitment to ecumenical relations“496 verstanden.497 Wie schon Zwingli zwar seine Fidei Ratio dem 489 So Rüegger, Neuere reformierte Bekenntnisse, 326f, in Anm. 78. 490 So die Weiterführung des im vorhergehenden Abschnitt begonnenen Zitates der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 75. 491 Vgl. dazu etwa Busch, Reformed Strength, 26: „In their confessions the Reformed confess not their denominational distinctiveness, but rather, in their concrete location and with their own understanding, they confess a universal church.“ 492 Unionsgrundlage der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich (1981); RZH, 290 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 493 Glaubenserklärung der Genfer Protestantischen Kirche von 1992; Krieg, Werkbuch, 158. Vgl. dazu Busch, Credo, 33: „Wohl kann ich nicht außerhalb ‚meiner‘ Konfession mich zur Kirche Christi bekennen, aber doch immer nur in meiner Konfession zur Kirche Christi.“ (Hervorhebungen im Original). 494 So formuliert der Study Catechism der Presbyterian Church (USA) in seiner Auslegung des ersten Artikels des Apostolikums in Frage 10: „Do you make this confession only as an individual? – No. With the apostles, prophets and martyrs, with all those through the ages who have loved the Lord Jesus Christ, and with all who strive to serve him on earth here and now, I confess my faith in the God of loving power and powerful love.“ 495 Leith, Brief History, 49, fordert daher nachdrücklich ein: „The catholicity of the confession means that a statement of faith must be for all Christians. A statement of faith may be occasional – that is, arising out of a particular situation – but a Christian confession of faith should never be just for some Christians. It must be written for all.“ 496 So Willis-Watkins, Ecumenical Significance, 62, über das Brief Statement of Faith der Presbyterianischen Kirche (USA). 497 Vgl. dazu auch Vischer, Auftrag, 20: „Die Bekenntnisse, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, tragen die Züge bestimmter geschichtlicher Situationen und Herausfor-

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Kaiser übergab, diese und alle seine Schriften dann allerdings nicht ihm, sondern dem Urteil der ganzen Kirche Christi anvertraute,498 so erwarten auch reformierte Kirchen von der Ökumene nicht allein Zustimmung, sondern auch Kritik und Korrektur aufgrund besserer Einsichten der jeweiligen Gesprächspartner.499 Die Einbindung in die Ökumene ist dabei also eine zweifache: bekennende Kirchen erwarten von anderen Kirchen belehrt zu werden,500 und gleichzeitig bieten sie „ohne falsche Bescheidenheit“501 anderen Kirchen mit ihrem Bekenntnis einen Beitrag zur ökumenischen Diskussion an. Dieser Beitrag, oder genauer: dieses Zeugnis in der ökumenischen Welt502 kann dabei sowohl in der Ökumene allgemein akzeptierte Glaubensaussagen, als auch solche Aussagen umfassen, die im Moment sogar noch umstritten sind oder gar kirchentrennend wirken, wie etwa die Ordination von Frauen zum vollen Pfarramt.503 Selbst wenn es noch keine universale Rezeption solcher umstrittenen Glaubensaussagen gibt, so werden sie doch im Bewusstsein bekannt, dass sie zur „future catholicity of the faith“504 gehören, und daher stellvertretend von dieser Partikularkirche für die Gesamtkirche bekannt werden. Dabei wird eine Abgrenzung zu anderen Parti-

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derungen. Sie sind nur in diesem Kontext voll verständlich. Sie sind aber zugleich ein Versuch, das eine Evangelium Jesu Christi zu bekennen, das für alle Kirchen in gleicher Weise gilt. Sie sind darum immer auch ein Appell an die Solidarität aller Kirchen.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Auch Heinrich Bullinger verstand die von ihm abgefasste Confessio Helvetica posterior in diesem Sinne: „Deshalb hoffen wir, die Kirchen Christi werden mit uns gern auch selbst in der Einigkeit des Glaubens und der Lehre, im rechtgläubigen Sinn und in der brüderlichen Liebe übereinstimmen, wenn sie gesehen und gefunden haben, dass wir in der Lehre des heiligen und ewigen Gottes, ferner im rechtgläubigen Sinn und in der brüderlichen Liebe mit ihnen besonders aber mit der alten apostolischen Kirche übereinstimmen.“ Plasger/ Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 191. Vgl. dazu etwa Small, To be Reformed, 5: Dieses „‚testing‘ of confessional witness within a wider community of churches is a guard against parochialism that imagines one church’s time and place to be the only time and place that matter.“ Vgl. dazu Kunz, Reformierte Katholizität, 137: „Im Streit um die Wahrheit ist davon auszugehen, dass jede Konfession ihre blinden Flecken hat. So gesehen ist die Ökumene ein Korrektiv, das hilft, die Kirche leserlich zu machen.“ Heron, Confessional Continuity, 159, beschreibt auch die reformierten Bekenntnisse des 16. Jahrhunders als „part of a kind of international dialogue of testimony and testing.“ Siehe dazu Weber, Was heißt heute ‚reformiert‘?, 149, der im Blick auf die Situation der reformierten Kirchen in Deutschland in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts formulierte: „Wenn es wirklich so ist, dass wir das Bekenntnis unserer Kircher für ein rechtes Bekenntnis halten, so sind wir anderen vor Gott dieses Bekenntnis schuldig. […] Es gibt im Blick auf unser Bekenntnis auch eine falsche Bescheidenheit, die niemandem dient. Sie erwächst in Deutschland meist im Blick auf unsere Stellung als Minderheit, die uns zwar mit gutem Grunde darauf verweist, keine Macht zu begehren […], aber nicht hindern darf zu sagen, was uns zu sagen anvertraut ist.“ (Hervorhebungen im Original). So die Formulierung bei J. Brown, Confessions, 102: „a witness in the ecumenical world“. Vgl. dazu Willis-Watkins, The Ecumenical Significance of the Brief Statement. Willis-Watkins, a. a. O., 50.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

kularkirchen durch diese Bekenntnisaussage zwar in Kauf genommen wird, gleichzeitig werden diese Unterschiedenheiten jedoch angesichts des „Ratschluss Gottes“ relativiert: The faith we confess unites us with the one, universal Church. […] Diversity remains. But we are thankful that in our time the many Churches are learning to accept, and even to affirm, diversity without divisiveness, since the whole counsel of God is more than the wisdom of any individual or any one tradition.505

Hier wird erneut ein entscheidender Grund dafür deutlich, warum sich reformierte Kirchen in der Regel dem ökumenischen Dialog verbunden fühlen, gerade auch im spezifischen Bekenntnisprozess. Respektvoller Umgang mit anderen Traditionen in der gemeinsamen Suche nach und Teilhabe an Gottes Wahrheit kann daher zutreffenderweise als „notwendiges Implikat reformierten Bekenntnisverständnisses“506 verstanden werden. Reformierte Kirchen gehen davon aus, dass immer die Möglichkeit besteht, dass einer anderen kirchlichen Tradition eine „vital insight“507 von Gott gegeben wurde, die sie selbst bislang noch nicht erkannt haben.508 In diesem Zusammenhang kann die Kongregationalistische Kirche in England und Wales dann auch als Versäumnis bekennen: Wir waren nicht aufmerksam genug gegenüber Erklärungen christlichen Glaubens, die von anderen Kirchen aus Ost und West zu uns gekommen sind, und wir beten, dass Gott unsere Sinne öffne und unseren Geist durch das, was sie enthalten, bereichere.509

Zugespitzt lässt sich das Bekenntnis coram ecclesiae zudem als Aufforderung an alle christlichen Traditionen verstehen, gemeinsam in einen Klärungsprozess zu treten.510 Es liegt bekennenden reformierten Kirchen in diesem Forum der Ökumene also nicht zuallererst an Abgrenzung gegenüber anderen Konfessionstraditionen (obschon diese immer implizit mit jeder affirmatorischen 505 Aus dem Vorwort zum Brief Statement; Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 21. 506 Wie Hofheinz, Moltmann, 304, im Blick auf Moltmanns (reformiert geprägtes) Dialogverständnis formuliert. 507 Vischer, Ecumenical Commitment, 267. 508 Ebd.: „The Reformed churches, therefore, will seek fellowship with the other churches in order to understand and confess the Gospel with them.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch Campbell, With All of Our Mind, 28f, die die „appreciation of the gift of other parts of the [Christian] tradition“ als eine von vier „theological habits of the heart“ und kennzeichnend für die reformierte Tradition und ihr Verständnis von theologischer Bildung bezeichnet. 509 RZH, 94. 510 Vischer, Auftrag, 20: „Jedes Bekenntnis, das eine Kirche ablegt, ist aber im Grunde nichts anderes als eine Aufforderung, gemeinsam in einen Prozess synodaler (oder konziliarer) Klärung zu treten.“ Vgl. dazu auch Wilkinson, Confessional Church, 2, der über A Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA) sagt: „If it is true for us, we believe that it is true for the world, and we invite the world, including the ecumenical church, into conversation with us.“

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Glaubensaussage auch gegeben ist) 511, sondern an dem „mutual service within the one body of Christ“512; reformierte Bekenntnisse wollen einem „ecumenical purpose“513 dienen. Zugrunde liegt dieser Auffassung ein Schwerpunkt reformierter Ekklesiologie, nämlich das Verständnis, dass es unmöglich ist, Kirche in Isolation von anderen Gläubigen zu sein.514 So richtet sich etwa Unser Appell der Presbyterianischen Kirche in Taiwan von 1975 nachdrücklich und sehr konkret an die eigene Kirche: Ein Mangel an Vertrauen in die weltweite Kirche war einer der Gründe, die Spaltungen in unserer Kirche haben aufkommen lassen; aber in unserem Glaubensbekenntnis bekennen wir unseren Glauben an die heilige katholische Kirche. Die verschiedenen Kirchen in der ganzen Welt sollten die Meinungen anderer respektieren, einander annehmen und auf eine größere Einheit hinwirken. Wir appellieren an unsere eigenen Gemeindeglieder, auf jede nachteilige Handlung, die unserer Beziehung zur Weltkirche schadet, zu achten und ihr nach Möglichkeit Einhalt zu gebieten.515

Das Komitee, das zur Abfassung des Brief Statement der Presbyterianischen Kirche (USA) eingesetzt war, kann in diesem Zusammenhang dann sogar zu dem Schluss kommen, dass jedes Bekenntnis, das authentisch reformiert zu sein anstrebt, gleichzeitig auch ein genuin ökumenisches Bekenntnis ist und sein muss.516 Damit betonen reformierte Kirchen ein Anliegen, dass auch schon für Calvin von größter Bedeutung war. Nachdrücklich hatte Calvin immer wieder gefordert, dass sich die bekennenden Kirchen aus Gehorsam gegenüber Christus in einer pia conspiratio im gegenseitigen Frieden517 zusammenschließen sollten. Wird dieses Ziel nicht angestrebt, so droht nach Calvin eine „Entheiligung der Taufe“, die ja „Grundlage der Übereinstimmung aller in einem Glauben ist“518.

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Vgl. dazu z. B. Busch, Christentum und Konfession, 82. Wyatt, The United Church and Reformed Identity, 15. So Shinn/Williams, We Believe, 28. Vgl. dazu Brinkman, The Will to Common Confession, 125, und Brinkman, Unity, 117: „A great need for exchange is not new within the Reformed tradition. From the very beginning one realized that the church of Christ is greater than one’s own church and that it is impossible to be a church isolated from other fellow baptized believers.“ RZH, 59. Stotts/Dempsey Douglass, Introduction, 17. Vgl. dazu auch Haarbeck, Was ist reformiert, 11: „Reformierten kann es nie in erster Linie um das Reformiertsein gehen. […] Wichtiger als konfessionelle Sonderfeuer erscheint den Reformierten die Flamme der Liebe, die sie mit der weltweiten Ökumene verbindet.“ Im Vorwort zum Katechismus und Glaubensbekenntnis von 1538, CO 5,321: „Quod si imperatori Christo nostra obsequia approbare cupismus, piam inter nos conspirationem ineamus necesse est, ac mutuam pacem foveamus, quam suis non commendat modo, sed etiam inspirat. Quid? An non hostis quoque ipse aculeos nobis ad syncretismum agendum admovere debet?“ Vgl. dazu auch die von Vischer, Pia Conspiratio, 11–33, zusammengestellten Texte Calvins. Calvin Studienausgabe 2, 11

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Auch hier wird erneut die, in diesem Falle christologisch begründete, Theozentrik reformierter Theologie im Blick auf das Bekenntnisverständnis deutlich: es ist nicht das Bekenntnis selbst, auch nicht das gemeinsame Bekenntnis zu dem einen Herrn, dass die bekennenden Kirchen miteinander verbindet, sondern es ist Christi Wahrheit, die die Kirchen zu einem Leib und Geist verschmelzen lässt. Ein Blick auf die aktuelle Situation einer Anzahl reformierter Kirchen weltweit scheint diesem Verständnis von ökumenischer Offenheit zu widersprechen; ohne größeren Anstrengung lassen sich in vielen Ländern Kirchen der reformierten Tradition finden, die weder im inter- noch im intrakonfessionellen Dialog z. B. des Weltrates der Kirchen oder der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen aktiv und engagiert sind und dies auch nicht anstreben.519 Es existieren zahlreiche zur reformierten Tradition gehörende Denominationen, die einen Standpunkt vertreten, der sich wie folgt beschreiben ließe: „only this or that particular Reformed church is the true church, all other churches (including other Reformed churches) are false or at least fatally corrupted, and conversation with them can only compromise the true understanding of Christian faith and life which is completely, infallibly, and unchangeably contained in this or that particular Reformed confession.“520 Diese insbesondere in theologisch eher konservativen Kirchen anzutreffende Haltung wird allerdings weder von den Bekenntnisschriften der Gegenwart noch denen der Reformation gestützt und wäre von daher innerreformiert von den den Bekenntnistexten zugrunde liegenden theologischen Entscheidungen her zu hinterfragen. Ohne diesen Kirchen ihre reformierte Identität von vorneherein absprechen zu wollen, wäre jedoch zumindest darauf hinzuweisen, dass sich viele Aspekte eines derart verengten Verständnisses von „wahrer Kirche“ nicht mit reformierten Grundentscheidungen in Vergangenheit und Gegenwart, einschließlich derer in zentralen theologischen Positionen wie etwa denen von Calvin, in Einklang bringen lassen, und von daher der Anspruch auf ungebrochene Kontinuität mit dem breiten Strom reformierter Tradition(en) jedenfalls fraglich ist. Bekennen in und vor der Ökumene der una sancta ist in den Zeiten der interkonfessionellen Dialoge auch davon mit beeinflusst, dass, wie oben bereits geschildert,521 reformierte Kirchen im Vergleich zu anderen christlichen Traditionen häufig Schwierigkeiten haben, ihr theologisches Profil eindeutig zu be519 Van der Borght, Identity and Ministriy, 205, ist sogar der Überzeugung, dass „ecclesial isolationism is on the increase in Reformed churches. Enthusiasm for church unity and ecumenism is declining and being replaced by arbitrary cooperations on specific projects with like-minded believers and congregations.“ Inwieweit diese stark verallgemeinernde Beobachtung für reformierte Kirchen in unterschiedlichen Kontexten tatsächlich zutrifft, lässt sich allerdings nicht verifizieren. 520 Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 23. 521 Vgl. oben Abschnitt 1.1.

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stimmen. Reformiertes Bekennen mit ökumenischer Ausrichtung wird daher sicher immer auch im Blick haben, wie andere christliche Traditionen das Bekenntnis und die bekennende Kirche lesen und verstehen können. Diese Beeinflussung kann allerdings auch eine nicht zu unterschätzende Gefahr in sich bergen, wenn nämlich die Identitätsfindung der Kirchen wiederum zum Selbstzweck wird, „weil die Partner der reformierten Kirche eine gewisse Orientierungs- und Profillosigkeit vorwerfen“522. Um dieser Gefahr der ausschließlichen Selbstvergewisserung, der Gefahr einer „ecclesia incurvata in se ipsa“523 zu entgehen, muss auch hier der Zusammenhang mit der theologischen Dimension des Bekennens coram Deo gewahrt bleiben.

3.5.3 Die weltliche Dimension: das Bekenntnis coram mundi Das Verständnis reformierten Bekenntnisses wäre unvollständig ohne seine jetzt zu diskutierende weltliche Dimension. Nach dem oben bereits zitierten Dreischritt folgt nun auf das Bekennen vor Gott und den Mitgläubigen das Bekennen vor der Welt, der oikumene im ursprünglichen Sinne, denn das Bekenntnis des gemeinsamen Glaubens schließt immer auch – und dies ist von entscheidender Bedeutung – die Absicht ein, „to speak to the world a unified word that declares who they are and what they stand for and against.“524 Das Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche von Kanada äußert dementsprechend in seinem Vorwort die Hoffnung: While arising out of the Canadian Presbyterian experience, it is hoped that the statement speaks to a much wider circle than one denomination, and to people outside the church.525

Diese Ausrichtung der Gläubigen und ihres Bekenntnisses auf die Welt, auf das, was als „external context“526 bezeichnet werden könnte, kann geradezu als ein Kennzeichen reformierter Theologie verstanden werden;527 dem reformierten Ethos wird nicht allein eine theozentrische Ausrichtung zugesprochen, sondern 522 Bühler, Bekennen, 26. 523 So formuliert Locher, Reformiert, reformiert, 17; vgl. dazu oben Kap. 2.1.1. 524 Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 20. Vgl. dazu auch Neumann, Glaube bekennen, 92f. 525 Presbyterian Church, Living Faith – A Statement of Christian Belief. 526 Campbell, The Brief Statement in Context(s), 18. 527 Nichols, Three Responses, 282f: „And it is certainly true of the Reformed churches that they are concerned at least as much with themselves and with the problems and promise of their own life as they are with those of the world that surrounds them. Nevertheless, is it not a mark of the Reformed faith that it directs the attention of the believer and of the community of faith outwards, beyond itself ?“

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eine doppelte, wenn auch nicht gleich gewichtete, Offenheit, nämlich „an openness to God, and […] an openness to the world“528. Versteht sich ein Christ, eine Christin und die Gemeinschaft der Heiligen auch immer zunächst coram Deo, so ist damit aber nicht die Welt abgeschrieben, im Gegenteil: „Das Sein vor Gott will in der Welt verantwortet sein.“529 Daraus folgt ein Zweifaches530 für das reformierte Bekenntnis: es spricht gleichzeitig a) als ihr Gegenüber zu der Welt und b) als Teil ihrer selbst in der Welt.531 a) Reformiertes Bekenntnis hat sich von Beginn an nicht nur an die kirchliche, sondern gerade auch an die weltliche Öffentlichkeit in ihren unterschiedlichsten Gestalten gewandt und als „Heroldsruf“ verstanden.532 Aufgrund veränderter Kontexte, in denen sich die christlichen Kirchen des 20. und 21. Jahrhunderts wiederfinden, gewinnt dieser Aspekt reformierten Bekennens wieder mehr an Bedeutung; nicht nur für die sog. Jungen Kirchen in einem nicht mehrheitlich christlichen Umfeld und ihre Bekenntnis erweist sich „das Zeugnis vor der Welt außerhalb der Kirche“533 als eine zentrale Funktion.534 Selbst wenn es im Bekenntnis um die rechte Lehre und das rechte Leben einer spezifischen Kirche geht, wenn es also aus internen Herausforderungen erwächst, so ist es doch immer grundsätzlich in seiner Funktion auf das Zeugnis für die Welt ausgerichtet: The ‚error within its own ranks‘ must be identified and reproved – not, let us note, merely for the sake of doctrinal purity, but for the sake of its right apostolic witness

528 Blancy, Reformed and Ecumenical, 183. Weinrich, Openness and Worldliness, 424, spricht von einer doppelten Offenheit der Kirche: „The openness of an actual contemporaneity that will not be realized without reflection on the living presence of God nor without a concrete reference to the order of the day in the ‚world‘, with all its difficulties and embarrassments.“ 529 So der lutherische Theologe Ebeling, Dogmatik, 354. Vgl. dazu auch Busch, Credo, 254: Die Kirche „existiert in der Bewegung hin zu ihrem Herrn und sie existiert in der Bewegung hin zu den Menschen, zu allen, zu der ‚Welt‘.“ (Hervorhebung im Original). 530 Vgl. dazu die Darstellung bei Ottati, Reforming Protestantism, 93–116, der diese doppelte Relation in eine vierfache ausdifferenziert: „The Church In, With, Against, and For the World“, wobei „Against and For“ das Gegenüber von Kirche und Welt und „In and With“ die Kirche als Teil der Welt beschreiben. 531 Die Basis of Union aus Ghana formuliert: „The church has a continuing responsibility to make its faith clear both to itself and to those outside, restating that faith in relation to the contemporary situation in which the Church stands and in relation to the beliefs, hopes and fears of the world around it.“ RWT, 275 (nicht abgedruckt in RZH). 532 Vgl. dazu auch Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 619. 533 Spindler in der Einleitung zur Glaubenserklärung der Kirche Jesu Christi in Madagaskar (1958), RZH, 224. 534 Kromminga, New Confession, 149, definiert die Rolle, die ein Bekenntnis im Leben der Kirche spielt, und benennt dabei an erster Stelle „a witness to the world concerning the beliefs held by the church.“

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within and before the world. […] The only legitimate rationale for theological vigilance […] is‚ that the world may believe (John 17).535

Bekenntnis zeigt also die Kirche „im Akte der Mission, in der Zuwendung zur Welt, die noch nicht zur Kirche versammelt ist“536; die Kirche verantwortet sich der Welt gegenüber, indem sie durch das und in dem Bekenntnis ihres Glaubens um diese Welt wirbt, einlädt, anknüpft und gemeinsamen Boden sucht und beschreibt. Von großer Bedeutung ist dabei, dass das Bekenntnis in dieser Funktion der Welt die Wahrheit bezeugen will, von der es selbst ergriffen ist; christliche Glaubensrede wird hier als bezeugend und nicht behauptend verstanden,537 eher deskriptiv denn präskriptiv.538 Die Kirche bringt in ihrem Bekenntnis der Welt nicht das Heil, sondern verweist auf es „wie Bettler, die anderen Bettlern sagen, wo Nahrung zu finden ist.“539 Der christliche Charakter der bezeugenden Gemeinschaft soll im Bekenntnis „nachdenkenerregend zum Bewusstsein kommen“540. Die reformierten Kirchen verstehen ihr Bekenntnis in dieser Heroldsfunktion, weil sie Teil des Auftrages der Kirche ist, weil die Kirche, so sie von der Welt unterschieden ist, doch kein Refugium von der Welt darstellt, sondern 535 Hall, Confessing the Faith, 37. Vgl. dazu auch Weinrich, Confessing Unity, 171: Das Bekenntnis der Kirche „is directed not just to itself but also and above all to the world.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 536 Barth, Credo, 10; vgl. dort auch zum Folgenden. 537 Vgl. dazu Fischer, Behaupten oder Bezeugen?, 224–244; und Weinrich, Openness and Worldliness, 422: Die Kirche „can speak of God and his history with human beings in principle only in questionable ways.“ 538 Vgl. dazu etwa Appendix A des Song of Faith der Vereinigten Kirche in Kanada (2006), der Absicht und Stil des Dokumentes wie folgt beschreibt: „The Document […] is more descriptive than prescriptive, which is to say it does not claim to tell the church what it should believe so much as it attempts to put forward in an orderly and evocative way what the church seems to believe, based on its actions, its discourse, and its relationship to the Christian tradtion in general and its own history in particular.“; United Church of Canada, A Song of Faith, 10. 539 Lebendiger Glauben – Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von Kanada von 1984, RZH, 152: „Wir dürfen anderen nie im Geist der Anmaßung gegenübertreten und den Eindruck geben, dass wir besser seien als sie. Wir sollen, im Gegenteil, im Geist der Demut auf das Leben in Christus hinweisen – wie Bettler, die anderen Bettlern sagen, wo Nahrung zu finden ist. Wir bezeugen Gott in Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, und laden andere ein, von ihm Vergebung zu empfangen. Wir können nicht anders als diese frohe Botschaft weiterzugeben.“ Vgl. dazu auch Frage 65 des Study Catechism der Presbyterian Church (USA): „Our mission as the church is to bring hope to a desperate world by declaring God’s undying love – as one beggar tells another where to find bread.“ Der in beiden Texten zitierte und im nordamerikanischen Kontext sehr populäre Aphorismus geht auf den methodistischen Theologen und Evangelisten Daniel Thambyrajah Niles (Sri Lanka) zurück, der im Vorwort seines Buches Brief an einen Buddhisten, 5, schreibt: „Evangelium verkündigen heißt Zeugnis ablegen. Das geschieht so, dass ein Bettler dem anderen erzählt, wo man etwas zu essen bekommen kann.“ 540 Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit, 619.

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vielmehr in diese gesandt ist, wie es A Brief Statement of Faith in seinem Vorwort festhält: The Church is not a refuge from the world; an elect people is chosen for the blessing of the nations. A sound confession, therefore, proves itself as it nurtures commitment to the Church’s mission, and as the confessing Church itself becomes the body by which Christ continues the blessing of his earthly ministry.541

Die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, ist daher nicht zum Selbstzweck erwählt, sondern als Instrument für Mission des Heiligen Gottes in der und für die Welt:542 Wir bezeugen, dass Gott sich der Welt bekannt machen will durch diese Gemeinschaft normaler Leute; deshalb wagen wir nicht, die Kirche zu verachten oder zu verlassen. […] Gott hat sein Volk nicht aus der Welt herausgenommen, sondern es in die Welt hineingesandt, um ihn dort zu verehren und allen Menschen zu dienen.543

Das Zeugnis der Kirchen in ihrer „Pro-Existenz“544 coram mundi kann dabei immer nur öffentliches Zeugnis sein545 und ist ebenso facettenreich wie die Aufgabe der Kirche in ihren je unterschiedlichen Kontexten: es reicht von der Verkündigung, dem Teilen des Glaubens mit der gesamten Menschheit546, über das Wächter- und Prophetenamt der Kirche in konkreten politischen und sozialen Situationen547 bis hin zur aktiven Teilnahme an der Gestaltung und Erneuerung von Gesellschaft, Staat und sogar auch Wirtschaft.548 541 Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 22. 542 Vgl. dazu auch McKim, Mission of the Church, 407f. 543 Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten (1976), RZH, 193 (Übersetzung korrigiert nach RWT, 196). 544 So Weinrich, a. a. O., 420. 545 Vgl. dazu Busch, Credo, 15. 546 So das Bekenntnis der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche aus Chile (1983), in Mottu, Confessions de foi réformées, 241: „Comme l’Èglise, notre mission est de partager notre foi avec l’humanité entière.“ (deutsch: Hofheinz et al.Reformiertes Bekennen heute, 48). Vgl. dazu auch die Einleitung zum Bekenntnis der Cumberland-Presbyterianischen Kirchen: „The purpose of a confession of faith is two-fold: (1) to provide a means whereby those who have been saved, redeemed, and reconciled by God through Jesus Christ in the power of the Holy Spirit understand and affirm their faith; and (2) to bear witness to God’s saving activity in such a way that those who have not been saved, redeemed, and reconciled might believe in Jesus Christ as Lord and Savior and experience salvation.“ Cumberland-Presbyterianische Kirchen, Confessions of Faith. 547 Das Versäumnis, das Wächteramt der Kirche auszuüben, kann dementsprechend als Sünde bekannt werden; vgl. dazu RZH, 32. Die Presbyterianische Kirche in Taiwan appelliert in Unser Appell (1975) an die eigene Kirche, um „sich von einer Gesinnung, die sich nur um die Erhaltung der eigenen Existenz kümmert, und einer Erlösung, die nur das Individuum betrifft, zu lösen“, um die der Kirche aufgetragene „Rolle des Propheten“ in der Nation nicht aufzugeben; a. a. O., 56f. 548 Vgl. dazu auch Kirkpatrik, Mission in Progress, XXV: „To be a faithful Presbyterian Church (or a faithful Presbyterian!) is to be engaged in a mission that is holistic: proclaiming

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Das Missionsfeld ist die Welt, und die ganze Gesellschaft ist Gegenstand der Mission. […] Mission sollte auch in denjenigen Gebieten erfolgen, die die Kirche noch nicht erreicht hat.549

Auch wenn das Missionsverständnis später noch ausführlicher zu diskutieren sein wird,550 soll bereits hier darauf hingewiesen werden, dass das hier diskutierte Bekenntnisverständnis reformierter Kirche auch zu einem Bekennen in der und für die Welt führt, weil die Kirche ihren Auftrag nicht als einen rein innerkirchlichen, sondern gerade auch als einen im weitesten Sinne missionarischen versteht,551 wenn sie wie das Ghana Church Union Committee bekennt, dass „the risen and ascended Christ continues His ministry to the world in and through the Church.“552 Reformiertem Verständnis nach ist der Heilige Gott nicht allein Herr der Kirche, sondern „der Herr der Geschichte und der Welt“553 und der christliche Glaube umfasst daher das ganze Leben,554 alle Aspekte der geschöpflichen Wirklichkeit.555 Damit ist ein weiteres zentrales Grundthema reformierter Bekenntnisse festgelegt,556 das dann in zahllosen Variationen spezifiert werden kann.557 Die Kirche versucht zudem, mit ihrem Bekenntnis auch auf die „Not der Welt“558 zu antworten und „für das Wohl der Welt konkret Partei [zu] ergrei-

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the gospel and working for social justice, nurturing the children of God (within and without the church) and upholding God’s truth, worshipping God with gusto and living the Christian life.“ Das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in Korea, RZH, 46. Vgl. dazu auch das Vorwort zu A Brief Statement of Faith, Placher/ Willis-Watkins, Belonging to God, 22; und Ernst-Habib, The True Worship of God. Vgl. dazu unten die Abschnitte 4.3.4. und besonders 5.2.4. zur missionalen Identität. Vgl. dazu Vischer, Gottes Bund, 72: „Bekennende Kirchen sind immer auch missionarische Kirchen. Sosehr das Bekenntnis zuerst der Klarheit über das Evangelium in den eigenen Reihen dient, zielt es doch immer zugleich auf die Kommunikation nach außen.“ RWT, 276 (Hervorhebungen: M. E.-H., nicht enthalten in RZH). Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (1985); RZH, 61. So die Formulierung der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea in Unser Glaubensbekenntnis von 1976; RZH, 51: „Da der Glaube das ganze Leben umfasst, ist das Glaubensbekenntnis der Kirche unmittelbar auf die Wirklichkeit bezogen.“ Vgl. dazu Kirkpatrik, a. a. O., XXVI. Die Studie des Reformierten Weltbundes Ihr werdet meine Zeugen sein, 19, hält dazu fest: „Die Herrschaft Christi über Kirche und Welt ist für das gegenwartsbezogene Zeugnis der reformierten Kirchen von zentraler Bedeutung.“ Wie etwa Haarbeck, Was ist reformiert?, 11, im Blick auf reformierte Bekenntnisse formuliert: „Ihr Thema ist […] Jesus Christus und das Reich, das er bringt. Ihr Thema ist die Welt, die vom dreieinigen Gott geliebt wird. Ihr Thema sind Zeugnis und Dienst, die wir im Namen Christi der Welt schulden.“ Vgl. dazu auch Migliore, Spirit, 355. Eine Erklärung des christlichen Glauben (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 63: „Die Not der Welt schreit nach einer Botschaft der Befreiung und Hoffnung, nach einem Heilmittel für die Ungerechtigkeit, den Streit und die Labilität der menschlichen Gesellschaft und das verbreitete Gefühl von Sinnlosigkeit und Angst.“ Vgl. dazu auch das Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen (1934): „Die Kirche ist in der Welt. Sie bekennt sich in der Nachfolge des fleischgewordenen Wortes Gottes rückhaltlos zu der

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fen“559. Mit den Worten des Bekenntnisses der Reformierten Kirche in Amerika formuliert: die Kirche singt ihr Lied der Hoffnung in einer Welt ohne Hoffnung560, und es gilt auch für sie, was schon Zwingli am Ende seiner Fidei Ratio von 1530 den Herrschenden zuruft: „Consyderate non quid vos maxime cupiatis, sed quid mundus in Evangelij negocio exigat!“561 b) Wie bereits im Abschnitt über das partikulare und kontextuelle Bekennen beschrieben, bekennen reformierte Kirchen nicht nur für die Welt, sondern in spezifischer Weise gerade auch in der Welt.562 Die sichtbare Kirche, die, wie oben diskutiert, von der unsichtbaren nicht zu trennen, mit ihr aber auch nicht zu verwechseln ist, findet sich immer nur als Teil der Welt,563 oder, mit den Worten Friedrich Schleiermachers, als „Gemisch von Kirche und Welt“564. Will die Kirche in eine verantwortliche Beziehung zur Welt treten, dann kann sie nicht anders, als ihre eigene Weltlichkeit zu bekennen, um sich nicht in einen künstlichen Gegensatz zu eben dieser Welt zu setzen, der sie selber ja immer noch angehört.565 Sie kann sich nicht aus dem Gegenüber zur Welt heraus verstehen,

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ganzen Not des von Gott gut geschaffenen, aber in Sünde gefallenen und unter dem göttlichen Fluch stehenden Menschen.“ Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 234. Moderamen des Reformierten Bundes, Das Bekenntnis zu Jesus Christus, 40. Unser Lied der Hoffnung (1974), RZH, 171. Vgl. dazu auch das Vorwort zum Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Kanada, Presbyterian Church, Living Faith – A Statement of Christian Belief, welches bewußt auch die Menschen außerhalb der Kirche ansprechen möchte und daher auch den Zweifel im Glaubensbekenntnis thematisiert: „Here, perhaps for the first time, a confessional statement recognizes doubt, and in the midst of its ringing affirmation of Christian truth acknowledges the difficulties of belief and the ambiguities of the life of faith.“ BSRK 94,36–37 (Hervorhebungen: M. E.-H.). „Überlegt Euch gut, nicht was Ihr am meisten begehrt, sondern was die Welt in der Sache des Evangeliums verlangt!“; Plasger/Freudenberg, a. a. O., 56). Vgl. Bam, Confession, 113: „A confession does not only say something about God and his heaven, about the believer and his church, but also something about the world.“ Vgl. dazu Frage 99 des Genfer Katechismus, BSRK 126,3–6: „Verum, estne haec, quam ecclesiae tribuis, sanctitas iam perfecta? Nondum: quamdiu scilicet in hoc mundo militat. Laborat enim semmper infirmitatibus: nec unquam vitiorum reliquiis penitus purgabitur, donec Christo, suo capiti, a quo sanctificatur, ad plenum adhaereat.“ (Plasger/Freudenberg, a. a. O., 74: „Ist denn die Heiligkeit, die du der Kirche zuschreibst, schon vollkommen? Noch nicht, weil sie eben noch in dieser Welt kämpft. Sie leidet immer unter Schwächen, und ist nie ganz von verbleibenden Übeln gereinigt, bis sie Christus, ihrem Haupt, von welchem sie geheiligt wird, vollkommen anhängt.“) Vgl. Schleiermacher, Der christliche Glaube 2, 385: „Also sind Kirche und Welt nicht räumlich und äußerlich getrennt, sondern auf jedem Punkt des erscheinenden menschlichen Lebens, wo auch schon Kirche ist, weil Glaube und Gemeinschaft des Glaubens da ist, eben da ist auch noch Welt, weil noch Sünde und Gemeinschaft mit der allgemeinen Sündhaftigkeit da ist. Jeder sichtbare Teil der Kirche ist also, genauer betrachtet, ein Gemisch von Kirche und Welt.“ Vgl. auch zum folgenden die Diskussion bei Weinrich, Profil der Kirche, 314–318. Leith,

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sondern immer nur mit der Welt zusammen im Gegenüber zu Gott, von dem sich sowohl Welt als auch Kirche wesentlich unterscheiden. Daraus leitet sich auch der besondere Charakter der kirchlichen Konfession und ihre essentielle „Schwäche“ ab: sie versteht sich als Bekenntnis eben dieser sichtbaren Partikularkirche in der Welt, und will doch der wahren, unsichtbaren Kirche Gottes dienen.566 Dem Bekennen in der Welt eignet dementsprechend eine doppelte Funktion: es ist Differenzierung von dieser Welt und gleichzeitig Brücke zur Welt.567 Es kommt von dem Grund her, der in Christus gelegt wurde, und will und kann daher nicht „weltlich“ sein; gleichzeitig aber wird es von den Gläubigen formuliert, die in der noch nicht erlösten Welt existieren, und richtet sich an die in Christus mit Gott versöhnte Welt und kann daher nur „weltlich“ und nicht von der Welt geschieden sein, denn „die Kirche ist in der Welt, aber nicht von der Welt (Joh 17,16)“.568 Mit dem Bekenntnis bestimmt die bekennende Gemeinde ihre Identität und Integrität gegenüber der Welt und grenzt sich von dieser ab,569 um die Botschaft Gottes in und für diese Welt zu verkünden.570 Die Gläubigen befinden sich in

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The Reformed Imperative, 38, formuliert die Aufgabe reformierter Theologie und reformierten Zeugnisses daher als einen Dialog „with the world outside the church, but also with the world […] within the church.“ In diesem Sinne kann Lienemann-Perrin, Catholicity and Inculturation 81, von der „Weltwerdung“ der Kirche sprechen, die aber deutlich zu unterscheiden bleibt von jeder Form einer „Verweltlichung“: „Being Reformed expresses itself in the adaption of the church to the world (Weltwerdung), i. e., living ‚in the world‘ but not being ‚of the world‘, a process which is to be distinguished from living ‚in the world‘ and becoming ‚like the world‘, i. e. secularization (Verweltlichung), for the recognition of the church of Jesus Christ in the world remains preserved in the former. […] The European contribution to being Reformed consists therefore essentially in an anti-syncretistic critique.“ (Hervorhebungen im Original). Weinrich, Openness and Worldliness, 422, formuliert dieses Verhältnis folgendermaßen: „The church is itself ‚world‘, continually related in a dynamic way to its environment and inconceivable apart from this relation. It is not to be distinguished in principle form the surrounding ‚world‘ that it shares with all other people in a particular light. Because the church’s starting point is that the ‚world‘ is not self-explanatory, and that its reality becomes evident only by means of a certain interpretation, it is already in discussion with the ‚world‘ on the need for explaining the ‚world‘.“ Zitiert von der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien, Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), RZH, 18. Vgl. Leith, Reformed Confession, 502: „Confessions function in the life of the church […] as a means of identity, of identification against the world and of internal identity among members of the same community. […] A confession is one of the ways a community tells the world who or what it is and thus differentiates itself from the world and maintains the integrity of its own identity.“ Wie das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA betont, ist dies nicht allein die Aufgabe der institutionalisierten Kirche, sondern gerade auch der einzelnen Gläubigen: „Jedes Glied ist die Kirche in der Welt; es ist vom Heiligen Geist mit einer Gabe des Dienstes begabt unf für die Integrität seines Zeugnisses in seiner eigenen speziellen Situation verantwortlich.“ RZH, 165 (Übersetzung korrigiert nach RWT, 213).

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dieser Dialektik in einer nahezu schizophrenen Situation und müssen in jedem Moment ausloten, in welchem Verhältnis zur Welt sie sich befinden, denn die Kirche existiert immer in, mit, gegen und für die Welt,571 wie es die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der Niederländischen Kirche von 1949 in zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten zur Bestimmung des Wesens der Kirche deutlich machen: Die Gemeinde Christi ist von der Welt abgesondert und in Christus eingeleibt. Sie darf daher dieser Welt nicht gleichförmig werden. […] Zugleich aber ist die Gemeinde in die Welt ausgesandt worden. In Christus, der die Welt liebt, eingeleibt, hat sie um Christi willen die Welt lieb. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, zu richten, sondern zu bewahren. […] Sie wird […] die Welt in ihrer Schuld und Not barmherzig suchen, da sie weiß, dass sie selbst ständig auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen ist. Darum wird sie weder ihren inneren Gegensatz gegen die Welt verbergen noch sich mit einer äußerlichen Gegensätzlichkeit zu ihr abfinden.572

Das Verständnis, dass die Kirche „um Christi willen die Welt liebhat“, wie die Niederländische Kirche bekennt, ihre bewusste Weltlichkeit also, kann gar als „the particular gift of the Reformed tradition“573 bezeichnet und inkarnationstheologisch begründet werden: Reformierter Glaube strebt danach, die Welt so ernst zu nehmen, sie so radikal zu lieben und so gänzlich in ihr zu leben, wie es Jesus Christus, die Inkarnation des Heiligen Gottes, getan hat, und wie die Kirche als die Gemeinschaft der Heiligen aufgerufen ist, es ihm gehorsam nachzutun.574 Dieses Verhältnis zur Welt in seiner Gegensätzlichkeit wie grundlegenden Verbundenheit kann auch in der Bereitschaft der Kirche zum Martyrium bestehen, wie gerade Kirchen in mehrheitlich nicht-christlichen Kontexten immer wieder leidvoll erfahren haben und wie sie es als Teil ihres Bekenntnisses verstehen: Das Volk Gottes ist in die Welt gesandt für die Welt; es ist in der Welt, aber nicht von der Welt. Die Kirche gleicht in ihrer Existenz einem Gast und einem Reisenden. Die Kirche muss, als Zeichen ihrer Treue, bereit sein zu leiden, wann immer sie von der Welt gehasst und verfolgt wird. Ihre Stärke liegt im Sieg des Herrn.575

571 Vgl. McKim, Reformed Faith, 162: „In what ways does the church relate to culture? At different times and places, in different ways. A realistic view recognizes that no one normative view is valid. For the church is in, with, against, and for the world – depending of the issue and context.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 572 Weber, Lebendiges Bekenntnis, 52f. 573 Buchanan, The Reformed Theological Tradition, 49. 574 Vgl. ebd., und auch Johnson, Reformed and Ever Reforming, 82, der eine trinitarische Begründung für den Auftrag der Kirche in und für die Welt gibt: „The church’s mission is linked to the unfolding, triune drama of God for the world, Christ with the world, and the Spirit in the world.“ (Hervorhebungen im Original). 575 Bekenntnis der Toraja-Kirche/Indonesien von 1981, RZH, 26. Vgl. dazu auch Lewis, From Barmen to Baltimore, 52, der im Kontext seiner Diskussion der Barmer Theologischen Erklärung feststellt: „Here homologia, the public confession of faith, proves indistinguish-

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Dabei kann auch das Reden der Kirche zur und in der Welt als Quelle und Ursprung nur Gottes Wort haben, wie es das Bekenntnis der Freien reformierten Synode in Barmen 1934 betont: Die Kirche ist in der Welt unter der Heiligen Schrift. Sie dient dem Menschen und dem Volk, dem Staat und der Kultur, indem sie hinsichtlich ihrer Botschaft und ihrer Gestalt dem ihr vorgeschriebenen Worte Gottes und seinem Heiligen Geist gehorsam zu sein bemüht ist. Damit ist abgelehnt die Ansicht: Die Kirche habe dem Menschen damit zu dienen, dass sie, ihm mehr gehorchend als Gott, ihre Botschaft und ihre Gestalt seinen jeweiligen Überzeugungen, Wünschen und Zwecken anpasse und zur Verfügung stelle.576

Es ist also die Schrift, von der die Kirchen herkommen, wenn sie ihr Wort an die Welt richten – nachdrücklich betonen dies auch die erste und die vierte der insgesamt acht Thesen von Pomeyrol, die im September 1941 in Kenntnis der Barmer Theologischen Erklärung von Mitgliedern der Reformierten Kirche in Frankreich als unter dem Thema „was die Kirche der Welt heute zu sagen hat“577 formuliert wurden: I. Es gibt nur einen einzigen Herrn der Kirche und der Welt, Jesus Christus, Retter und König. Die Kirche verkündet allen Menschen das Königtum dieses Retters. Im Besonderen belehrt sie die Welt über die Art und Weise, nach der hier gemäß Gottes Willen regiert werden soll. […] IV. Die Botschaft der Kirche an die Welt gründet sich auf die biblischen Worte über das Zusammenleben der Menschen, insbesondere auf die Zehn Gebote und die Lehre über den Staat, seine Gewalt und seine Grenzen. Die Kirche erinnert also Staat und Gesellschaft an Wahrheit und Gerechtigkeit und damit an Werte, die Gott von jeder Gemeinschaft einfordert.578

Als Kirche in der Welt bekennt sie den Heiligen Gott als den freien Herrn der Welt, der wohl das Geschehen in der Welt durch sein Wort beleuchtet, mit diesem aber nicht zu verwechseln ist.579 Die Kirche leitet daher ihre Botschaft nicht aus der Welt ab und setzt ihr Vertrauen nicht in weltliche Mächte:

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able from marturia, life-jeopardizing witness.“ (Hervorhebungen im Original). Siehe auch Guthrie, Always Being Reformed, 20: „We understand the creeds and confessions of the church only when we see that they have to do with life-and-death-decisions of individual Christians and the Christian community, not just with some abstract intellectual theories.“ Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 235. Die Thesen von Pomeyrol sind u. a. übersetzt und abgedruckt in Anhang 1 von Gerdes, Ökumenische Solidarität, hier: 310. Vgl. dazu auch Gerdes Diskussion der Thesen als „Ausdruck christlicher Widerstandsethik“, 232–241. A.a.O., 310. Vgl. dazu Barth, Gottes Wille, 18–21.

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Wir sind in der Welt aber nicht von der Welt. Unser Vertrauen und unsere Hoffnung für uns und andere ruhen nicht auf den Kräften und Errungenschaften dieser Welt, sondern auf der kommenden und verborgenen Gegenwart des Reiches Gottes.580

Gerade das Bekenntnis ist dabei der Ort, an dem die bekennende Gemeinde „eben in dem sie bindenden Bekenntnis ihre eigentliche Freiheit hat, nämlich ihre Freiheit von der ‚Welt‘, von ihren Ansprüchen und ihren Versprechungen.“581 Das heißt nun allerdings nicht, dass sich Gott in der Welt unbezeugt gelassen hätte, denn „Gott ist fortwährend in der Welt und arbeitet in ihr“582. Kirche in der Welt sein heißt auch, in der Welt Gottes Wort zu hören, allerdings mit der Qualifizierung, dass der Maßstab dieses in der Welt gefundenen Wortes die ultimative Offenbarung Gottes in Christus ist, wie die folgenden zwei Zitate aus den Vereinigten Staaten und Korea bekennen: Gottes Geist spricht in der Welt gemäß583 Gottes letztgültigem Wort in Christus. Zu jeder Zeit und an jedem Ort, in alten Städten und fernen Ländern, in Technik und Wirtschaft, in Kunst und Erziehung hat Gott sich nicht ohne Zeugen gelassen. Sein Wort fand Eingang, wo wir nicht hingelangt sind.584 Das Bekenntnis, dass Jesus der Christus ist (1 Joh 4,3), ist das Kriterium durch das sich das Wirken des Heiligen Geistes von dem der weltlichen Geister unterscheidet. Die Früchte des Heiligen Geistes beweisen es.585

Gerade die Bekenntnisse, die in mehrheitlich nicht-christlichen Umgebungen entstanden sind, thematisieren in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis der christlichen zu anderen Religionen als Teil der sie umgebenden Welt spezifischer. Sie betonen dabei etwa die Verpflichtung zum mutigen Zeugnis der christlichen Kirche gegenüber den „außerchristlichen Überzeugungen“586, oder grenzen die christliche als die wahre Religion gegenüber anderen ab, wie etwa die indonesische Toraja-Kirche: Religionen und religiöse Institutionen zeigen, dass der Mensch sich der Existenz Gottes oder einer Macht außerhalb seines Lebens, die er fürchtet und verehrt, wohl bewusst ist.

580 Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten (1976), RZH, 201. 581 Weber, Dogmatik 1, 39. 582 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien; RZH; 15. 583 Das englische Original formuliert: „according to God’s ultimate word in Christ“, RWT, 224; es umfasst daher eine Bedeutungsbreite von „entsprechend“, „zufolge“, „in Übereinstimmung mit“. 584 Unser Lied der Hoffnung der Reformierten Kirche in Amerika (1974), RZH, 172. 585 Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972; RZH, 44. 586 Art. 12 des Grundlegenden Bekenntnisses (1979) der Karo-Batak-Kirche/Indonesien bekennt unter der Überschrift Religiöse Überzeugungen: „Christen müssen Gott und Seine Macht, an die sie glauben, gegenüber außerchristlichen Überzeugungen mutig bezeugen“. RZH, 22.

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

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Die wahre Religion, die Erlösung bringt, gründet sich auf die spezielle Offenbarung Gottes in Jesus Christus.587

Aber auch Bekenntnisse, die aus westlichen Kirchen588 stammen, thematisieren diese Fragestellung, insbesondere auf dem Hintergrund der Diskussion der allgemeinen Gotteserkenntnis,589 wie sie besonders in interreligiösen Dialogen eine Rolle spielt: Da Gott der Herr über alles ist, erwarten wir, dass sich die Gedanken von Männern und Frauen ihm überall zuwenden, und wir begrüßen jedes Zeichen von allgemeiner Gotteserkenntnis. […] Wir betrachten auf jeden Fall die Offenbarung Gottes in Christus nicht als eine bloße Ergänzung oder willkürliche Variante einer bestehenden Offenbarung Gottes, die auch sonst aus sich selber sicher und gewiss wäre. Glaube an Gott durch Jesus Christus gibt sowohl dem Wort ‚Gott‘ als auch dem Wort ‚Glaube‘ einen neuen Sinn.590

Für die Welt und in der Welt, aber nicht von der Welt – erneut finden sich also reformierte Kirchen, wie jede andere christliche Konfession auch,591 im Bekenntnisprozess in einer dialektischen Spannung vor, die eine besondere Ausprägung auch im Verständnis des Zusammenhanges von Glauben und Leben in reformierten Bekenntnissen findet.

3.6

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

3.6.1 Lebendiges Zeugnis und bezeugendes Leben592 Ein weiteres Charakteristikum reformierter Theologie und Tradition durch die Jahrhunderte hindurch ist der enge Zusammenhang von Glaube und christlichem Leben, in dem jede falsche Trennung von Orthodoxie und Orthopraxis verworfen wird:593 587 RZH, 28. 588 Für Überlegungen, inwieweit auch und gerade westliche Kirchen sich selbst als Kirche in mehrheitlich nicht-christlichem oder post-christlichem Kontext zu verstehen haben, vgl. insbesondere die Artikel von Hall, Confessing Christ, und McKim, Reformed Convictions. 589 Vgl. dazu unten insbesondere den Abschnitt 4.1.2. 590 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 77. 591 Vgl. dazu Visser’t Hooft, Ecumenical Movement, 5: „The issue of church and world is a perennial issue, […] we can never say that the debate is closed, […] we can only continue to live with the issue and struggle with it.“ 592 So die Formulierung von Moltmann, Das Bekenntnis Jesu Christi, 506: „Es gibt kein lebendiges Zeugnis ohne ein bezeugendes Leben und Sterben. Christus und Nachfolge Christi gehören untrennbar zusammen.“

208

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

It is typical of confessions in the Reformed tradition that they emphasize not only what Christians believe but also how Christians live, not only orthodox Christian faith, but also thankful and obedient Christian ‚practice‘, not only justification by grace through faith but also sanctification by grace evidenced in ‚good works‘.594

Glaube und Leben werden nicht als zwei voneinander unabhängige Größen betrachtet, sondern als doppelter Ausdruck der Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus, dem Heiligen Gottes.595 Für das reformierte Bekenntnis ergibt sich daher das Verständnis, dass es „nicht auf formale Wahrheiten festlegen, sondern den umfassenden Lebensvollzug der Kirche bestimmen [will]. Bekenntnis ist kein Buch, sondern ein Stück Leben.“596 Unser Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche von Korea argumentiert dementsprechend von der Glaubensperspektive her, wenn es bekennt: „Da der Glaube das ganze Leben umfasst, ist das Glaubensbekenntnis der Kirche unmittelbar auf die Wirklichkeit bezogen.“597 Auch aus anderer Perspektive betrachtet ergibt sich für diese zwei Größen ein innerer Zusammenhang: Die Erkenntnis Gottes, deren Zeugnis ja das Bekenntnis zu sein anstrebt, ist reformiertem Verständnis nach kein Selbstzweck in sich, sondern geschieht „zum Wohle des persönlichen wie sozialen Wandels“598; reformierte Geisteshaltung konnte sich darum immer ohne Scheu auch der Praxis

593 Vgl. dazu DeGruchy, Theologie der Befreiung, 150f. Wiley, How Shall We Live?, 207, schildert dieses reformierte Verständnis plakativ, wenn er in seiner Diskussion über das Verhältnis von christlichem Bekennen und Leben fragt: „So what? […] You believe that Jesus is the savior of the world. What difference does this make in the world? You believe that Jesus Christ is both human and divine. What difference does this make to the living of human life? You believe that the Godhead is an eternal communion of three consubstantial persons? So what?” Wiley schließt seine Betrachtungen des Apostolikums und des Westminster Larger Catechism mit den folgenden Bemerkungen ab (a. a. O., 220): „What may be most impressive is the breadth of the call from both documents. We are to give our whole lives. Nothing is exempt. And if nothing is exempt, then there is indeed a compelling Christian answer to the key question, So what?” (Hervorhebungen im Original). 594 Presbyterian Church (USA), Confessional Nature, 24. Vgl. dazu auch Hesselink, On Being Reformed, 106: „There is, in short, a practical, utilitarian bent in the Reformed fascination with theology, an active, ethical thrust of Reformed thought.“ 595 Moltmann, Theologia reformata, 158f: „Wahrer Glaube und wahrhaftiges Leben, lebendiger Glaube und glaubhaftes Leben sind zwei Seiten derselben Sache, der Christusgemeinschaft, wie Calvin formulierte, um Rechtfertgung und Heiligung auf einen Nenner zu bringen.“ Vgl. dazu auch Johnson, Reformed and Ever Reforming, 84: „There is no orthodoxy but the life of Christ himself, made real in the lives of those who follow him.“ 596 Neumann, Glaube bekennen, 94. Vgl. dazu auch Busch, Credo, 14: „Darum besteht sein [des Menschen] Bekennen allerdings nicht bloß im Reden, sondern auch sozusagen in einem sprechenden Tun – oder auch zuweilen in einem sprechenden Schweigen, in einem sonntäglichen und alltäglichen Gottesdienst, auch in einem Kämpfen und Leiden.“ 597 RZH, 51. 598 Gerrish, Reformierte Geisteshaltung, 35.

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

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zuwenden.599 In einem tieferen Sinne kann daher das Bekenntnis des Glaubens als Grundlage für Handeln und Sein der Kirche nicht allein auf Worte beschränkt bleiben, sondern wird in das Leben der Gemeinschaft der Heiligen kollektiv und individuell übersetzt.600 Reformierte Bekenntnisse verstehen sich aus diesem Grunde als auf Lehre und Leben der bekennenden Gemeinschaft wie des bekennenden Individuums ausgerichtete Kirchendokumente, die den dankbaren Gehorsam der begnadigten Sünder und Sünderinnen beschreiben und fördern sollen.601 Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, gilt es dabei allerdings festzuhalten, dass auch dieser Aspekt des Bekenntnisverständnisses nur in einer theozentrischen Interpretation unter Einbeziehung der Schriftautorität recht verstanden wird, wie es der erste Abschnitt des Grundlegenden Bekenntnisses der Karo-Batak-Kirche aus Indonesien verdeutlicht: Die Mitte des biblischen Zeugnisses ist Jesus Christus, der Herr und Erlöser der Menschheit. Weil die Bibel das Wort Gottes ist, darum ist sie die Grundlage der Lehre, Ermahnung und Lebensführung der Christen. […] Nur mit Hilfe der Kraft des Heiligen Geistes können Menschen das Wort des Herrn verstehen und erfassen. Das Verständnis des Wortes Gottes wird im täglichen Leben Frucht hervorbringen.602

Auch wenn das Bekenntnis das Leben der gläubigen Gemeinde einbezieht, so gilt also dennoch, und dies wird immer wieder nachdrücklich betont, dass die Heilige Schrift (und kein welche Autorität auch immer beanspruchendes Bekenntnis) „die einzige normative Verhaltensregel für das Leben der Gläubigen, sowohl

599 A.a.O., 34. 600 Vgl. Hall, Confessing the Faith, 388. „Confession of faith […] is not by word alone. Must we not even say that it is never, legitimately, by word alone? Alone, words cannot be adequate vehicles of the Word. The Logos of God, according to John’s prologue, ‚with‘ God from the beginning, presses from the beginning toward concretization, enfleshment, actualization.“ Hall warnt allerdings im Folgenden auch vor den Gefahren eines christlichen Aktivismus ohne theologische Perspektive, wie er besonders etwa im angelsächsischen Raum anzutreffen sei. Eßer, Das reformierte Zeugnis, 8, gibt eine pneumatologische Begründung des oben skizzierten Verständnisses, wenn er formuliert: „Der Heilige Geist inkarniert sich immer wieder selbst in unser erwartungsvolles, gehorsames Handeln hinein.“ 601 Vgl. dazu etwa den Schlußsatz des Begleitbriefes zu Erklärung des Moderamen des Reformierten Bundes, Das Bekenntnis zu Jesus Christus, 40: „Wir wollen Gott bitten, dass er uns Erkenntnis und rechtes Urteil lehre (Ps. 119,66) und dass er uns mutige Schritte tun läßt.“ Oder wie Honecker, Sozialethik, 67 formuliert: „Das Akt-Bekenntnis, der Bekenntnisakt hat den Vorrang vor der Urkunde; das entspricht reformierter Tradition. Das Bekenntnis wird kairologisch zur Tat.“ Honecker verweist darauf, dass auch Luthers Satz „tota nostra operatio confessio est“ (WA 57,137,5) in diesem Sinne verstanden werden könnte. 602 RZH, 19. Vgl. dazu auch das Statement of Faith der United Church; Shinn/Williams, We Believe, 28: „The accent on ethics is not a serparate item or addendum to the Statement [of Faith]; as in scripture, it is an integral part of the meaning of faith.“ (Hervorhebungen: M. E.H.).

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

privat als auch in der Gemeinschaft“603 ist. Als Kommentar zur Heiligen Schrift, als ihre autoritative kirchliche Auslegung für das Leben in einem spezifischen Kontext zu diesem Zeitpunkt jedoch will das kirchliche Bekenntnis jeden Aspekt des menschlichen Lebens von Gottes Wort aus beleuchten und erhellen, und auch hier sowohl Grenzen aufzeigen als auch Freiraum gewähren. Das Bekenntnis zum Heiligen Gott als dem „Herrn über das ganze Leben“604 hat zur Konsequenz, dass sich ein Bekenntnis, je nach Kontext und spezifischen Herausforderungen, mit den unterschiedlichsten Aspekten des christlichen Lebens (und Sterbens) 605 befasst, sich „glaubend mit seinem Lebensbezug auseinandersetzt“606, wie das Vorwort zum Bekenntnis Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada ausführt: In writing this document the authors have tried to be in contact with people where they are today. Thus the statement speaks not only of God’s work in Christ, but also of sex, war, the economy, the family and justice. We believe that all this is fitting in a faith, which has as its central affirmation the great truth that‚ ‚God was in Christ reconciling the world unto himself.‘ The living God became the person of Christ and walked in our midst in a world that to an astonishing extent shared many of the same problems we do now. If God could get involved with the grim fabric of life, then so can God’s church! So, too, must the faith we confess.607

Wenn auch der sozial-ethische Charakter reformierter Bekenntnisse insbesondere seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts besonders deutlich zu Tage tritt,608 so ist er doch kein novum in der reformierten Bekenntnisgeschichte,609 sondern durchzieht viele Bekenntnistexte wie ein roter Faden, der die Bekenntnistexte über die Jahrhunderte miteinander verbindet und ins Gespräch bringt.610 603 Bekenntnis der Toraja-Kirche/Indonesien von 1981, RZH, 22. 604 Entwurf eines Glaubensbekenntnis des Bundes Schwarzer Christen in Südafrika von 1983, RZH, 11. 605 So z. B. die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der Niederländisch Reformierten Kirche von 1949, die im Kapitel „Das persönliche Leben“ auch einen Abschnitt über das Sterben aufgenommen haben; vgl. Weber, Lebendiges Zeugnis, 59. 606 Bühler, Bekennen, 25. 607 Presbyterian Church in Canada, Living Faith – A Statement of Christian Belief. 608 Vgl. Dowey, Confessional Documents, 31. 609 Allerdings wurde dieses Verständnis einer integralen Beziehung von Bekenntnis und Ethik gerade in den Zeiten der „reformierten Orthodoxie“ von Diskussionen um Fragen der Lehre und der Philosophie häufig in den Hintergrund gedrängt, und erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit reformierter Theologie gerückt. Vgl. dazu DeGruchy, a. a. O., 145. 610 So konnte zum Beispiel schon Calvin in der Auslegung des 4. Gebotes im Genfer Katechismus (BSRK 133,8; Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 86) mit Nachdruck auch die soziale Seite betonen, in dem er auf das Los der Dienstboten „sub aliena potestate sunt“ verweisen, für deren Erleichterung es Vorsorge zu tragen gilt; vgl. dazu Barth, Die Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 159f. Der Study Catechism der

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

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Aus dem oben dargelegten ist deutlich geworden, dass reformierte Bekenntnisse Glauben und Leben, Theologie und Handeln der Kirche und des Einzelnen nicht grundsätzlich voneinander trennen, sondern vielmehr von einer „integralen Beziehung zwischen christlichem Bekennen und Ethik“611 ausgehen. Beides erwächst aus dem christlichen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, dem in allen Bereichen der kreatürlichen Schöpfung zu folgen ist – eine grundlegende theologische Überzeugung, die für reformierte Identität von großer Bedeutung ist.612 Indem sie das urchristliche Bekenntnis, „Jesus ist der Herr“ in ihren Kontext übertragen, definieren reformierte Bekenntnisse auch den Gehorsam zu Jesus Christus für ihre Situation; dieser Gehorsam äußert sich im christlichen Leben als Bekenntnis und Handeln,613 wie das Belhar-Bekenntnis von 1982 am Ende zusammenfassend bekennt: Wir glauben, dass die Kirche im Gehorsam zu Jesus Christus, ihrem einzigen Haupt, dazu aufgerufen ist, all dies zu bekennen und zu tun, was immer Obrigkeiten und Gesetze der Menschen ihr auch verbieten mögen, selbst wenn Strafe und Leid die Folgen sind. Jesus ist der Herr.614

Wenn also zwischen Theologie und Handeln, zwischen Konfession und Mission der Kirche kein Gegensatz besteht, dann kann auch die Bestimmung des Zweckes eines Bekenntnisses und dessen Wirkung diese Doppelung nicht aufgeben, denn auch sie ist letztendlich christologisch begründet:

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Presbyterian Church (USA) nimmt in Frage 101 mehr als vierhundert Jahre später diese immer noch und erneut aktuelle Auslegung wieder auf: „Why set aside one day a week as a day of rest? – First, working people should not be taken advantage of by their employers. My job should not be my tyrant, for my life is more than my work.“ DeGruchy, a. a. O., 145. Schon die Synode von New York und Philadelphia hatte dies im Jahr 1788 festgehalten, indem sie in ihren „Principles of Church Order“ von einer „inseparable connection between faith and practice, truth and duty“ sprach; zitiert in Rogers, Presbyterian Creeds, 271. Smit, Can We Still Be Reformed?, 250, bemerkt dazu: „The notion that the will of God was to be obeyed in the political and social order is not primarily or merely a moral and ethical issue, but a fundamentally theological issue. This conviction is not something that Reformed people could also choose to ignore while retaining their identity. It is deeply embedded in our particular form of faith in the living triune God, God’s dealings in history and with creation, and our lives coram Deo.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu die Diskussion der These „Jedes Bekenntnis ist im ethischen Sinne kontextuell“ bei Reichel, Theologie als Bekenntnis, 273–275. RZH, 9 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Boesak, Er schuf uns alle zwar, 28, betont in diesem Sinne, dass die Annahme eines reformierten Bekenntnisses nicht allein im „formalen Geltenlassen einer Lehre“ bestehe; es gälte vielmehr: „Kirchen, die das Bekenntnis annehmen, verpflichten sich damit, in ihrem täglichen Zeugnis und Dienst zu bekunden, dass das Evangelium sie ermächtigt hat, als Volk Gottes zu leben.“

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Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

A sound confession […] proves itself as it nurtures commitment to the Church’s mission, and as the confessing Church itself becomes the body by which Christ continues the blessing of his earthly ministry.615 Durch Zeugnis der Menschen in Wort und Tat und in der Kraft des Heiligen Geistes ist Christus am Werk, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erringen und ihren Glauben zu wecken; Er ruft sie in die Gemeinschaft Seines Leidens; Er ruft sie, die Jünger des gekreuzigten Herrn zu sein.616

Viele der Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts617 verstehen sich auf dieser Grundlage daher nicht primär als eine Auflistung von dogmatischen Glaubenssätzen, die zu memorieren und rezitieren wären, sondern vielmehr als Ausdruck eines „commitment to Jesus Christ and to the ministry of reconciliation that this commitment entails“618. Es geht ihnen nicht allein um den ausgesprochenen, sondern ebenso sehr auch um den tätigen Glauben.619 Obschon sie also schriftliche Kirchendokumente sind, können reformierte Bekenntnisse in ihrer Abfassung wie in ihrer Ausrichtung nur als Teil des lebendigen Zeugnisses und des bezeugenden Lebens der Kirche620 und ihrer Glieder recht verstanden werden, und es ist die Aufgabe der Kirche, immer wieder zu überprüfen, ob sie tatsächlich noch diese Funktion ausüben, oder ob sie zu starren Dogmen, leeren Phrasen oder aktionistischen Handlungsanleitungen verkümmert sind, welche den Glauben und das Leben der Gläubigen nicht länger als die zwei Seiten der Gemeinschaft der Heiligen mit Christus bekennen und fördern.621 Die Arbeits615 Aus dem Vorwort zum Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA) von 1983; Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 22. Vgl. dazu auch das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 159: „Der Zweck des Bekenntnisses von 1967 ist es, die Kirche zu der Einheit in Bekenntnis und Sendung zu rufen, die heute von Jüngern verlangt wird.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Siehe dazu auch Dowey, Commentary, 35–37. 616 Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien von 1971, RZH, 279 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 9: „Vor allem aber sind wir durch das feste, standhafte Zeugnis von Kirchen und zahllosen einzelnen Christen gestärkt worden, die ihren Glauben in Situationen des Unrechts, der Repression und der Verfolgung bewähren müssen. Viele sind bereit, für ihr Zeugnis zu leiden, die Freiheit einzubüßen und, wenn es sein soll, das Leben hinzugeben.“ 617 Hier hatte bereits, wie Link, Verbindlich bekennen, 174, zu Recht feststellt, „die Genfer Reformation die Weichen neu gestellt. Das Bekenntnis schließt Sachaussage und persönliche Lebensführung, Wahrheit und Existenzform zu einer unauflösbaren Einheit zusammen. […] Es steht in einem unaufgebbaren Bezug zum Nächsten, seiner Bedürftigkeit und seiner Not.“ (Hervorhebungen im Original). 618 Gerrish, Saving and Secular Faith, 63. 619 So formuliert Raiser, Bekennen und Bekenntnis heute, 126, insbesondere mit Blick auf die neuen Bekenntnisse der sog. Jungen Kirchen. 620 Zu diesem bezeugenden Leben der Kirche gehören auch die Kirchenordnungen als „Körpersprache der Kirche“ (so H.-G. Link, Bekennen und Bekenntnis,52), die aus den hier angeführten Gründen in reformierten Kirchen Bekenntnisrang haben. 621 Wodurch auch die freie Herrschaft des Heiligen Gottes in der Kirche eingeschränkt würde,

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

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gemeinschaft des Reformierten Weltbundes, die 1982 zu dem Thema „Confessions and Confessing in the Reformed Tradition Today“ tagte, spricht daher für alle bekennenden Kirchen eine eindringliche Warnung aus, die die Überlegungen des vorangegangenen Abschnittes abschließen soll: Not everyone who says ‚Lord, Lord‘ shall enter the kingdom of heaven. The warning is to be acknowledged. A written confession of faith does not automatically lead to true acts of confessing. Confessions can be used to intimidate or to silence the weak. In the quest for verbal orthodoxy the hesitant vision of distant glory can be lost. Having got the words right, the confessor can offer that accuracy as a substitute for a more costly obedience. At the heart of every confession there is Christ crucified calling his confessing people to take up their cross and follow him.622

3.6.2 Der Begriff der „ethischen Häresie“ Werden Glauben und Leben als doppelter Ausdruck der Christusgemeinschaft verstanden, dann könnte daraus gefolgert werden, dass nicht allein falsche Lehre, sondern auch falsche Lebensweise von einer bekennenden Kirche als „häretisch“ bezeichnet und explizit verworfen wird, dass also von einer „ethischen Häresie“ zu sprechen sei. Der Begriff der ethischen Häresie wurde im Umfeld der Generalversammlung des ÖRK im Jahr 1968 heftig diskutiert, nachdem Willem A. Visser’t Hooft in seiner Ansprache an die Versammlung nachdrücklich gefordert hatte: „It must become clear that church members who deny in fact their responsibility for the needy in any part of the world are just a much guilty of heresy as those who deny this or that article of faith.“623 Entgegen späteren Fehlinterpretationen hatte Visser’t Hooft nicht versucht, mit diesem Verständnis die Unterschiedlichkeit von Glauben und Leben aufzuheben;624 er wollte vielmehr den Zusammenhang der vertikalen und der horizontalen Dimensionen des wie Ako Haarbeck in seinen Fragen an die institutionalisierte Kirche darlegt, Was ist reformiert?, 15: „Wie hoch aber sind die Mauern, hinter denen auch Christen sich gegen die Herrschaft Gottes absichern? […] Kann Gott durch sein Wort seiner Gemeinde die Wahrheit sagen? Oder ist die göttliche Wahrheit längst in Katechismen und Lehrbüchern konserviert, in dogmatischen Formeln archiviert und jederzeit abrufbar? […] Kann die Kirche ihrem Herrn nachfolgen zu den Armen, Entrechteten, Leidenden und Verlorenen, oder verteidigt sie längst Bastionen und vertritt Standpunkte?“ 622 WARC, Confessions and Confessing, 5. 623 Visser’t Hooft, Ecumenical Movement, 7 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 624 So etwa Kummer, Der Ökumenische Rat der Kirchen, 15f, der unzutreffenderweise die Behauptung aufstellt, dass mit dem Ansatz Visser’t Hoofts „durch die Einführung der Kategorie ‚ethische Häresie‘ (Irrlehre im praktischen Handeln) […] die Unterscheidung von Glaube und Werke aufgehoben [wurde]. Nicht der Glaube, sondern menschliches Tun gilt als heilsentscheidend.“

214

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

christlichen Glaubens aufzeigen.625 Hinter dieser Vorstellung liegt die Erkenntnis, dass nicht nur die Wahrheit des Bekenntnisses im Leben von Kirche und gläubigen Individuum Früchte trägt, sondern dass auch eine Irrlehre, unter anderem, in kirchlichen und individuellen Taten erkennbar wird.626 Es kann im Blick auf die Kirchen- und Theologiegeschichte festgehalten werden, dass eine Trennung bzw. Unterscheidung von Dogmatik und Ethik tatsächlich erst relativ spät eintrat,627 und dass auch die Bekenntnisse etwa der Reformationszeit noch in inhaltlicher Verbundenheit von Dogmatik und Ethik bekennen. Dennoch ist mit Dirk Smit zu bezweifeln, ob das Konzept der „ethischen Häresie“ für die bekennenden Kirchen überhaupt einen Erkenntnisgewinn bringt, oder ob es nicht vielmehr zu „endless misunderstanding and confusion of speech“628 führt. In seiner Argumentation führt Smit aus, dass der Begriff der Häresie sich per definitionem auf eine falsche Auslegung des Evangeliums bezieht und sich daher z. B. nicht auf etwas anwenden lässt, das sich nicht im Namen des Evangeliums präsentiert.629 Wie Trutz Rendtorff in diesem Zusammenhang angemerkt hat,630 kann der Begriff daher nur auf eine ethische Lehre angewandt werden, die sich im Konflikt mit dem Evangelium befindet, nicht aber auf unethische Taten an sich, welche eine Sünde und keine Häresie darstellen. Dann aber gilt, was Karl Gerhard Steck zugespitzt formuliert hat: „Häresie mag Sünde sein, aber Sünde ist nicht Häresie.“631 Nur in dem Fall, dass diese sündigen Taten also mit einer unevangelischen Interpretation der Schrift begründet werden, ist für diese Begründung von einer Häresie zu sprechen – dann aber unterscheidet sie sich als falsche Auslegung des Evangeliums mit unethischen Folgen nicht von allen anderen Formen der Häresie, und es macht nicht mehr viel Sinn, den Begriff der „ethischen Häresie“ weiterhin zu benutzen – zudem ein Häresieurteil immer bedeu-

625 Visser’t Hooft, a. a. O., 6. 626 Vgl. dazu die Erklärung der Dritten Weltkonferenz der Kirchen für Glauben und Kirchenverfassung in Lund 1952, zitiert in Kinder, Die ökumenische Bewegung, 75: Die Häresie „ist als Irrtum der Lehre zu formulieren, der beharrlich gegenüber einer überlieferten Norm der Kirche aufrechterhalten wird und der wesentliche Punkte der Lehre betrifft. Da aber Leben und Denken, Gottesdienst und Handeln nicht voneinander zu trennen sind, bringt die Häresie auch eine Verzerrung des geistlichen Lebens und der lebendigen Fülle des christlichen Glaubens mit.“ 627 Für den reformierten Bereich siehe Lambertus Danäus, Ethices Christianae libri tres von 1577; für den lutherischen Georg Calixt, Epitomae theologiae moralis von 1643. 628 Smit, What does status confessionis mean?, 28. Vgl. auch zum Folgenden a. a. O., 27–30. 629 Zur Diskussion über die Definition des Begriffes „Häresie“ vgl. Steck, Christliche Wahrheit, 11–13. Vgl. dazu auch Willis, Barmen, 235: „Häresie ist rar, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil beachtliche Bildung und emsiges Bemühen um eine andere Interpretation des Evangeliums erforderlich sind, damit diese tatsächlich häretisch ist.“ 630 Vgl. Rendtorff, Understanding Status Confessionis, 17. 631 Steck, a. a. O., 40.

Der Zusammenhang von Glaube und Leben in reformierten Bekenntnissen

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tende Konsequenzen nach sich zu ziehen hätte, wie etwa die Aufkündigung einer Kirchengemeinschaft mit Einzelnen oder ganzen Kirchen.632 Von großer Bedeutung wurde diese Diskussion gerade für die internationalen Auseinandersetzungen um das Apartheidssystem und seine Folgen in Südafrika. Und obwohl gerade das Belhar-Bekenntnis den inneren Zusammenhang von Glauben und Leben mit größtem Nachdruck betont, so vermeidet es doch bewusst, das Konzept der ethischen Häresie zur Grundlage des Bekenntnisses zu machen. Vielmehr ist die Versöhnung in Christus der Ausgangspunkt für die Affirmationen des Bekenntnisses wie für die Verwerfung einer „Lehre, die […] nicht bereit ist, sich auf den Weg des Gehorsams und der Versöhnung zu wagen […] als Ideologie und falsche Lehre“633. Diese Häresie führte nicht allein zu einer Scheidung in der Kirche, sondern auch „zu falschem Zeugnis in der Welt“634. Reformierte Bekenntnisse, die sich als ein lebendiges Zeugnis für ein bezeugendes Leben verstehen, thematisieren selbstredend auch das falsche Zeugnis in der Welt; verwerfen es implizit oder explizit. Festzustellen ist allerdings, dass die reformierten Bekenntnisse im allgemeinen635 trotz des inneren Zusammenhangs von Glauben und Werken die Unterscheidung zwischen beiden Größen aufrechterhalten, und zwar die ethischen Implikationen einer Häresie benennen und verwerfen können, diese jedoch nicht als ethische Häresie im oben dargestellten Sinne verstehen.

632 Das Häresieurteil ist damit „eine Waffe erster Ordnung […] Man handhabt das Urteil auf Häresie um den Gegner zu entmachten oder zu vernichten.“ Steck, a. a. O., 41. 633 RZH, 8. Vgl. dazu auch Tutu, Christentum und Apartheid, 60: „Zu leugnen, dass er [Gott in Christus] Versöhnung bewirkte, heißt, nicht bloß eine am Rande liegende und ziemlich unbedeutende christliche Wahrheit, sondern das Herz der christlichen Botschaft zu leugnen, Apartheid ist somit Häresie.“ 634 DeGruchy, Bekennende Kirche, 104. 635 Mit Ausnahme vielleicht des Glaubensbekenntnisses der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba von 1977, die beispielsweise in Teil III, Abschnitt A bekennt, dass das „lebendige und wirksame Wort“ offenbart, „dass der siegreiche Kampf um sozio-politische und ökonomische Befreiung von Ausbeutung, durch welche die kapitalistischen, monopolitischen oder imperialistischen Interessen die unterentwickelten Völker von heute unterdrücken, der explizite, konkrete und gültige Ausdruck ihrer Errettung ist, die sie zur neuen Menschheit Gottes machen wird.“ RZH, 120. Als Umkehrschluß wäre in diesem Zusammenhang eine Verurteilung des Kapitalismus als ethischer Häresie denkbar.

216

3.7

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

Einheit im Bekenntnis. Das gemeinsame Bekenntnisverständnis evangelischer Kirchen

Wenn in der Einleitung bereits nachdrücklich darauf verwiesen wurde, dass die vorliegende Untersuchung an keiner Stelle beabsichtigt, reformierte Akzente und Einsichten denen anderer christlicher Konfessionen gegenüber abzugrenzen oder sie zu monopolisieren, dann muss in diesem Zusammenhang explizit, wenngleich nur kurz zusammenfassend, darauf eingegangen werden, dass es gerade im Bereich der Bekenntnishermeneutik innerhalb der evangelischen Kirchen in den letzten Jahren entscheidende Annäherungen gegeben hat. So hatte bereits die Leuenberger Konkordie 1973 in ihrem Abschnitt über die Verwirklichung der Kirchengemeinschaft zur theologischen Weiterarbeit in Bezug auf die Geltung der Bekenntnisse aufgerufen, insbesondere auch zur Arbeit an bekenntnishermeneutischen Fragen: Die Konkordie lässt die verpflichtende Geltung der Bekenntnisse in den beteiligten Kirchen bestehen. Sie versteht sich nicht als ein neues Bekenntnis. Sie stellt eine im Zentralen gewonnene Übereinstimmung dar, die Kirchengemeinschaft zwischen Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes ermöglicht. Die beteiligten Kirchen lassen sich bei der gemeinsamen Ausrichtung von Zeugnis und Dienst von dieser Übereinstimmung leiten und verpflichten sich zu kontinuierlichen Lehrgesprächen. […] Es ist die Aufgabe der Kirchen, an Lehrunterschieden, die in und zwischen den beteiligten Kirchen bestehen, ohne als kirchentrennend zu gelten, weiterzuarbeiten.636

Im Jahr 2006 veranlasste dann die 6. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) ein Lehrgespräch, das sich mit der letzten in der Leuenberger Konkordie genannten und bisher nicht bearbeiteten Thematik beschäftigen sollte: den „hermeneutischen Fragen im Verständnis der Schrift, Bekenntnis und Kirche.“637 Das daraufhin unter Einbeziehung der Mitgliedskirchen erarbeitete Dokument „Schrift – Bekenntnis – Kirche“638 machte sich im Jahr 2012 die 7. Vollversammlung der GEKE zu eigen und bat „die Kirchen, das Ergebnis aufzunehmen und bei ihrer Weiterarbeit […] zu berücksichtigen.“639 Damit war von den evangelischen Kirchen in Europa ein in seiner Bedeutung nicht zu überschätzender Schritt getan worden: zum ersten Mal seit der Reformation wurde von den Kirchen der GEKE gemeinsam zum Ausdruck gebracht, „was heute über das Verständnis des Wortes Gottes, die Schrift als Zeugnis des 636 Plasger/Freudenberg, a. a. O., 256f (Hervorhebungen: M. E.-H.). 637 Plasger/FReudenberg, a. a. O., 257. 638 Unter gleichem Titel im Auftrag des Rates der GEKE herausgegeben von Michael Bünker; zum Vorgehen vgl. Birmlé, Vorwort, 11–13. 639 GEKE, Schrift – Bekenntnis – Kirche, 9.

Das gemeinsame Bekenntnisverständnis evangelischer Kirchen

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Redens Gottes, die Auslegung der Schrift und ihr Verhältnis zur Tradition und zu den Bekenntnissen gesagt werden kann.“640 Insbesondere im 6. und 7. Abschnitt zu „Schrift, Kirche und Tradition“ und „Die Autorität der kirchlichen Bekenntnisse“ werden viele der in den vorangegangenen Überlegungen aufgeführten Aspekte aktuellen Bekennens aufgenommen, bei aller Betonung auch der immer noch bestehenden Unterschiede im Bekenntnisverständnis evangelischer Kirchen. Ein für die reformierte Tradition und ihre Bekenntnishermeneutik zentraler Aspekt, der häufig als charakteristische Differenz zwischen lutherischen und reformierten Kirchen aufgeführt wird, nämlich die Unabgeschlossenheit und Offenheit reformierter Bekenntnisentwicklung, wurde dabei als zur reformatorischen Tradition gehörend interpretiert: Das gemeinsame Hören auf die Heilige Schrift hat seit der Reformation bis in die Gegenwart hinein immer wieder zu neuen Bekenntnissen geführt, die zu grundlegenden Bestandteilen reformatorischer Tradition wurden. […] Die Gemeinschaft der Gläubigen, die Kirche, ist immer bekennende, das heißt hörende und antwortende Kirche. Ihr Bekennen ist das explizite Amen zu Gottes Ja zum Menschen.641

Waren es in der Vergangenheit unter anderem gerade Fragen der Bekenntnishermeneutik gewesen, die in den reformatorischen Kirchen kirchentrennende Wirkung hatten, so wird in der GEKE-Schrift mit Bezug auf die Leuenberger Konkordie nachdrücklich betont, dass weder unterschiedliche Bekenntnisse noch eine unterschiedliche Bekenntnishermeneutik Gemeinschaft der Kirchen verhindert, sondern zum gemeinsamen Bekennen aufruft: Die Leuenberger Konkordie erklärt Gemeinschaft zwischen Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes aus der Überzeugung heraus, dass die Unterschiedlichkeit der reformatorischen Bekenntnisse die gemeinsame verbindliche Bezeugung des Evangeliums nicht ausschließt, sondern zu gemeinsamem Bekennen herausfordert. Das eine Evangelium kann in unterschiedlichen Sprachgestalten zum Ausdruck kommen (vgl. LK 5). Ein gemeinsames Bekennen ist auch ohne gemeinsame Formulierungen möglich.642

Beeinflusst unter anderem von dem GEKE-Dokument gelang es zwei Jahre später auch der Lutheran-Reformed Joint Commision im Frühjahr 2014 eine gemeinsame Stellungnahme mit dem Titel Communion: On Being the Church herauszugeben, die sowohl vom LWB als auch von der WGRK angenommen und veröffentlicht wurde. Unter der Überschrift „Our Confession is One“ wird dort nicht nur das (gemeinsame) Schriftverständnis vorgestellt, sondern auch theologische Gemeinsamkeiten in Bezug auf Bekennen, Bekenntnis und Bekenntnisherme-

640 Birmlé, a. a. O., 13. 641 GEKE, a. a. O., 35 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 642 GEKE, a. a. O., 39 (Hervorhebung im Original).

218

Reformiertes Bekenntnisverständnis in Tradition und Gegenwart

neutik hervorgehoben. Indem die „Einheit im Bekenntnis“643 festgestellt wird, haben zum einen die historischen Verwerfungen zwischen Lutheranern und Reformierten keine Geltung mehr. Zum anderen, und dies ist im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung von besonderer Bedeutung, können unterschiedliche Bekenntnisschriften der beiden Traditionen sowie der unterschiedliche Umgang mit ihnen heute kein Trennungsgrund mehr sein; vielmehr stellen die unterschiedlichen Bekenntnisschriften „das nun gemeinsame Erbe [dar], welches nun die versöhnte und legitime Verschiedenheit innerhalb der Kirche ausdrückt“644. Im Wortlaut der gemeinsamen Stellungnahme: Confessing Christ Together. Lutherans and Reformed share a common heritage of confessional writings existing in a dogmatically reconciled, hence legitimate, diversity. They share an understanding of confessional writing which is contextual by nature. They are therefore united, not divided, by such legitimate diversity of confessional writings. United in a common heritage of confessional acts and confessional writings, Lutherans and Reformed are united in confessing the gospel of Jesus Christ.645

Was dieses Dialogergebnis nun konkret für die lutherisch-reformierte Kirchengemeinschaft weltweit bedeuten kann und wird, bleibt abzuwarten, insbesondere eingedenk der Tatsache, dass „in einigen Ländern die Rezeption und Umsetzung wahrscheinlich schwieriger sein wird als in anderen.“646 Es bleibt allerdings festzuhalten, dass das hier zum Tragen kommende Verständnis eines gemeinsamen Erbes unterschiedlicher Bekenntnisschriften seit der Reformation als versöhnte und legitime Verschiedenheit innerhalb der einen Kirche Jesus Christi dem reformierten Bekenntnisverständnis sehr nahe kommt, wie es insbesondere oben im Abschnitt 3.5.2 bereits diskutiert wurde. Noch einmal mit Calvins Vorwort zum Genfer Katechismus von 1545 gesprochen:647 für reformierte wie für lutherische Kirchen kann ein unterschiedliches Bekenntnis nun als sanctae coniunctionis symbolum und solenne Christianae communionis symbolum verstanden werden, „mit welchen die Kirchen, die an verschiedenen Orten voneinander getrennt leben, eine in bezug auf Christus übereinstimmende Lehre besitzen und sich gegenseitig anerkennen.“648

643 644 645 646 647 648

Birmlé, Konsens, 286. Birmlé, a. a. O., 287 (Herhebungen: M. E.-H.). WCRC/LWF, Communion, 44 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Birmlé, a. a. O., 287. Calvin, Studienausgabe Bd. 2, 12. Calvin, a. a. O., 13.

4.

Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension reformierter Identität

Von welchem Fundament sollte sie [die Schriftunterweisung] besser den Ausgangspunkt nehmen können, als von der Ermahnung: ‚Ihr sollt heilig sein; denn der Herr, euer Gott, ist heilig‘1? Wenn wir unsere Verbundenheit mit Gott erwähnen hören, dann sollen wir immer daran denken, dass die Heiligkeit das Band sein muss, durch welches sie besteht. Das bedeutet nicht, dass wir etwa durch das Verdienst unserer Heiligkeit in die Gemeinschaft mit Gott gelangten. Wir müssen im Gegenteil zuerst ihm anhängen, damit uns seine Heiligkeit durchdringe und wir dann folgen, wohin er uns ruft.2 In consistency with being Reformed, we can describe who are we using biblical imagery3 […]: ‚You are a chosen people, a royal priesthood, a holy nation, God’s own people, that you may declare the wonderful deeds of Him who called you out of darkness into His marvelous light. Once you were no people, but now you are God’s people; once you had not received mercy but now you have received mercy.‘4

Diese zwei Zitate reformierter Theologen aus Kontexten, die kaum unterschiedlicher sein könnten, zusammen mit den von ihnen angeführten Bibelstellen, sollen die Überlegungen zu theologischen Leitmotiven reformierter Bekenntnisse und zur Tiefendimension reformierter Identität einleitend überschreiben. Wenn die Frage nach der reformierten Identität im Grunde die Frage danach ist, wer die Kirchen der reformierten Tradition und jedes einzelne ihrer Glieder in ihrer wahren Bestimmung coram Deo sind und sein sollen, dann zeichnen obige Zitate wie Bibelstellen vor, dass von einer Identität der communio sanctorum nur im Zusammenhang mit der Identität Gottes geredet werden kann: „Ihr sollt heilig sein, denn der Herr, euer Gott ist heilig“. Diese Existenz der communio sanctorum selbst als „heiliges Volk“, das einst „nicht-Volk“ war und jetzt „Gottes Volk“ ist, beruht dabei ausschließlich auf der Initiative und dem weitergehenden Handeln Gottes. Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes sind, 1 2 3 4

Lev 19:2; 1 Petr 1:15.16. Calvin, Inst. III,6,2. 1 Petr 2:9f. Nyomi, Reformed Identity, 3. Nyomi war Generalsekretär zunächst des Reformierten Weltbundes (2000–2010), dann der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (2010–2014).

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

wie Calvin schreibt, durch das Band der Heiligkeit miteinander verbunden, und diese Verbundenheit ermöglich christliches Leben und christliches Sein – und letztendlich, wie zu zeigen sein wird, christliche Identität.

4.1

Methodische Vorüberlegungen

Unter der Überschrift „Der theozentrische Charakter von Kirche und Bekenntnis“5 wurde bereits das für reformierte Ekklesiologie zentrale Verständnis reformierter Kirchen als einer „theocentric community“6 diskutiert, präziser gefasst als einer Gemeinschaft der Heiligen, die sich aufgrund des Heilshandelns des trinitarischen Gottes als „God-centered, Christ-focused and Spirit-empowered“7 versteht. Die Gemeinschaft der Heiligen, ihr Grund und ihre Sendung, ihr Sein und ihr Wirken sind damit, reformiertem Verständnis entsprechend, in keinem Aspekt selbstreferentiell, sondern beziehen sich immer auf Sein und Wirken des Heiligen Gottes. Wenn im folgenden Kapitel also der Schwerpunkt auf der Erarbeitung der Tiefendimension reformierter Identität gelegt werden wird, dann muss zunächst die „Identität“, bzw. die „Selbigkeit“ Gottes an den Ausgangspunkt der Überlegungen gestellt werden (4.1.1), bevor in einem nächsten Abschnitt die Heiligkeit Gottes als zentrales Identitätsmerkmal begründet und beleuchtet werden wird (4.1.2). Die methodischen Vorüberlegungen dieses Kapitels wenden sich dann der Begriffsklärung von Tiefendimension und interpretativer Bekenntnisexeges (4.1.3) zu, bevor der Zusammenhang der cognitio Dei et nostri und der Frage nach der reformierten Identität (4.1.4) diskutiert werden wird.

4.1.1 Die Selbigkeit Gottes: Biblische Vorüberlegungen und Perspektiven einer theologischen Identitätsdiskussion Den einleitenden Überlegungen8 entsprechend wird hier der Frage nachzugehen sein, inwieweit der Begriff der „Identität“ überhaupt ein biblisch verantwortbarer, bzw. biblisch begründbarer Begriff ist,9 auch wenn die neuzeitliche Vorstel5 6 7 8

Siehe oben Abschnitt 3.2.1. Stotts, Art. Church, 69. Migliore, The Communion of the Triune God, 145. Vgl. dazu insbesondere die Diskussion in Abschnitt 2.1: Reformierte Identität in theologischer Diskussion. 9 Zur Klärung dieser Frage werden insbesondere die Beiträge des sehr hilfreichen Sammelbandes von Deeg/Heuser/Manzeschke (Hg.), Identität. Biblische und theologische Erkundungen, herangezogen.

Methodische Vorüberlegungen

221

lung einer „Identität“ als solche selbstredend nicht Gegenstand biblischer Verkündigung ist und sein kann. Nähert man sich einer biblischen Bestimmung des Identitätsbegriffes über die etymologische Ableitung des spätlateinischen Abstraktums identitas (Wesenseinheit) zu idem (der-, dasselbe) 10 dann wird sogleich deutlich, dass die Bibel Alten und Neuen Testaments wesensmäßige Selbigkeit per se nur Gott selbst zuschreibt, wie die folgende kleine Auswahl biblischer Zitate andeuten soll: Himmel und Erde werden vergehen, aber Gott bleibt wie er ist [Ps 102:26f]; die ganze Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen [Röm 8:20]; es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden [1 Joh 3:2]. Nur Gott in seinem Handeln und Sein ist von Ewigkeit zu Ewigkeit der Gleiche, der Erste und bei den Letzten noch derselbe [Jes 41:4], gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit [Hebr 13:8], derselbe Herr über alle [Röm 10:12]; der Gott des ewigen Bundes [Gen 17:7], der Heilige Israels, Gott aller Welt [Jes 54:5]. Diese Selbigkeit Gottes, seine Identität, wird in Schöpfung, Bund, Exodus, Christusgeschehen, Geistausgießung11 und in der Verheißung des gekommenen und kommenden Reiches Gottes offenbar; Gott ist nicht nur in seinen Werken und seiner Person erkennbar als ein und derselbe Gott in dreifacher Selbigkeit,12 sondern auch in Ewigkeit ganz der Selbe. Gottes Unveränderlichkeit ist daher biblisch gesehen nicht als metaphysisch-spekulative Kategorie der Immutabilität Gottes, sondern vielmehr als Gottes Treue und Selbigkeit zu verstehen,13 und in eben dieser besteht seine Identität.14 Offenbart wird diese Identität als Selbigkeit Gottes in ihrem Verhältnis zum Menschen und simultan die Identität des (wahren) Menschen in Christus, wie die Christushymnen des Neuen Testamentes bezeugen: Christus ist sowohl das Ebenbild des unsichtbaren Gottes als auch der Erstgeborene vor aller Schöpfung, er ist vor allem und alles besteht in ihm [Kol 1:15–17]; er ist Abglanz von Gottes Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesen, der alle Dinge mit seinem kräftigen Wort trägt [Hebr 1:3; vgl. auch Joh 1]. Die Identität des in den Schriften bezeugten Gottes ist also die Identität des Heiligen Gottes15, der in seiner Heiligkeit sein Volk erwählt und bewahrt; sein Volk, das 10 Vgl. z. B. den Art. „Identität“ in Kluge/Seebold, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 432. 11 Vgl. dazu Christoph Schwöbels erste These zu Trinitätslehre und Identität Gottes in seiner Abhandlung „Die Trinitätslehre als Rahmentheorie des christlichen Glaubens“, 32f. 12 Vgl. dazu z. B. Barth, Unterricht, 163f, der dort von einem dreifachen ewigen In-sich-selbstBleiben Gottes spricht: „In sich selbst über der Welt als der Vater, in sich selbst in der Welt als der Sohn, in sich selbst dem Menschen zugewandt als Geist, aber immer in sich selbst, immer Gott, immer ganz Er.“ (Hervorhebung im Original). 13 Vgl. Körtner, Theologie des Wortes Gottes, 231: „Biblisch gesehen ist nicht von der Unveränderlichkeit, sondern von der Treue und Selbigkeit Gottes zu reden.“ 14 Vgl. dazu auch Hailer, Gott und die Götzen, 272. 15 Siehe dazu unten das gesamte vierte Kapitel, dass unter den Überschriften „Der Heilige Gott“ – „Der Heilige Gottes“ – „Der Heilige Geist Gottes“ das Verständnis der Heiligkeit Gottes als

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

heilig ist, weil Gott heilig ist [Lev 19:2], geheiligt in der Wahrheit Christi [Joh 17:19], erwählt in Christus, ehe der Grund der Welt gelegt wurde [Eph 1:4]. Von diesem Heiligen Gott her ist der Begriff Identität zu füllen und zu bestimmen, um dann in einem sekundären Schritt auf die Frage nach der Identität des Menschen und der Gemeinschaft der Heiligen übertragen zu werden. Bei einer theologischen Bestimmung des Begriffes der Identität kann es also zum einen nicht darum gehen, dass „Gott als Gegenüber des Menschen […] einfach in die bestehenden Identitätsverständnisse eingezeichnet [wird]“16, sondern darum, dass bereits der Begriff der Identität von Gott her definiert wird, und zum anderen kann Identität Gottes wie des Menschen nicht als statischer Ausgangspunkt, sondern nur als Bezugsgröße verstanden werden.17 In seiner Meditation zum Sinai-Geschehen in Ex 32, bei dem sich „Gott in seiner Selbigkeit, sprich Identität, offenbart hat“18 hält Theo Sundermeier zu Recht fest, dass „Gottes Identität […] uns nur in seiner Bindung an sein Volk und seinen Heilstaten zugänglich, glaubhaft, verlässlich [ist], […] dass Gottes Identität als Relationalität zu seinem Volk Gestalt gewinnt.“19 Wenn Thorsten Waap – Karl Barths theo-anthropologischen Ansatz zusammenfassend – festhält „dass sich die Identität des Menschen nur als die Ableitung der Identität Gottes verstehen lässt“,20 dann gilt bereits für den Begriff der Identität selbst, dass er nur als Ableitung des biblischen Zeugnisses von Gottes offenbarten Sein und Handeln zu verstehen ist.21 Menschliche Identität, individuelle wie kollektive, ist also primär nicht als anthropologische Konstante oder philosophisch-psychologisches

16 17

18 19 20

21

wesentliches „Identitätsmerkmal“ entfaltet und auf die Kirche als „die Heiligen Gottes“ beziehen wird. Deeg/Heuser/Manzeschke, Einleitung, 16. So skizziert etwa Heckel, Die Identität des Christen bei Paulus, 42, das paulinische Identitätsverständnis im Gegenüber zu Erikson. Vgl. dazu auch Schwöbel, a. a. O., 37: „Die Aussage der Identität Gottes ist darum nicht ablösbar von der Beziehung, die Gott dadurch schafft, dass er seine Identität zusagt und so den Glaubenden ermöglicht, ihn in seiner Identität zu bekennen und anzureden.“ Sundermeier, Lutherische Identität, 45. Sundermeier, a. a. O., 46. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 192: „Das christliche Menschenbild bzw. die Identität des wirklichen Menschen wird sich (nur) gegenüber der in Jesus Christus offenbarten Identität Gottes, d. h. als deren Ableitung formulieren lassen.“ Vgl. dazu Barth, KD III/2, 78f: „Nehmen wir einen Augenblick an, wir könnten, wer und was der Mensch ist, überhaupt nur im Blick auf diesen Menschen [Jesus] feststellen. Was ergibt sich dann als das Besondere des Menschen unter den übrigen Geschöpfen? […] Es ist der Mensch unter allen Geschöpfen dasjenige, in dessen Identität mit sich selber wir sofort auch die Identität Gottes mit sich selber feststellen müssen.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu Waap, a. a. O., 553: „In Jesus Christus ist darüber entschieden, was wirklich menschlich ist, was eine gelungene Identitätsverwirklichung ausmacht, an der sich wiederum die eigenen Identitätsvorstellungen ausrichten können. Jesus Christus ist das Kriterium des Humanen.“

Methodische Vorüberlegungen

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Konstrukt zu verstehen, sondern bezeichnet ein auf den Schöpfer, Erlöser, und Bewahrer bezogenes Verhältnis des erschaffenen, erlösten und bewahrten Menschen, dessen Selbigkeit essentiell in der Beziehung zu Gott liegt.22 Deeg, Heuser und Manzeschke reden in diesem Zusammenhang von dem „Vorgang der Befreiung zum Selbstwerden und Selbstbleiben“, hinsichtlich dessen Bibel und Theologie sprechen von dem lebendigen Gott, der durch die Institutionen hindurch die Welt daraufhin regiert, dass Menschen in ihr diejenigen werden, die sie in seinem Gedenken sind. Dieser Gott ruft Menschen aus all den Ambivalenzen formalisierter, fixierter und reglementierter Identitäten hinaus dazu, ihr Selbst im Leben mit ihm zu empfangen.23

Es ist die Treue Gottes in seiner Selbigkeit, die die Identität seiner Geschöpfe, als einzelne und als Gemeinschaft, begründet und aufrechterhält, wie auch Wolfhart Pannenberg festhält.24 Im kirchlichen wie theologischen Sprachgebrauch kann der Begriff der Identität daher nicht phänomenologisch verstanden werden, zumindest nicht voranging, sondern vor allem konfessorisch, indem sowohl Inhalt als auch Form immer auf Gottes Offenbarung in Christus ausgerichtet sind und von ihr her gefüllt werden. Welche Art kirchlicher Identität auch immer bestimmt werden soll, sie hat ihren Ausgangspunkt konsequent nicht bei sich selbst in Vergangenheit oder Gegenwart zu nehmen, sondern bei Gott, der sie als auserwählte Gemeinde versammelt, beschützt und erhält;25 von dem sie ihren Namen hat, über den sie nicht verfügt.26 Noch radikaler formuliert: sie hat zu bekennen und anzuerkennen, dass weder ihr Verständnis von Gott, noch die Schrift, noch Bekenntnisse, noch historische Gestalten oder gegenwärtige Handlungen als für sie verfügbare Basis der eigenen christlichen/kirchlichen/reformierten Identität beansprucht werden können, dass nicht sie also ihre eigene Identität produzieren, wählen oder bestimmen können, sondern dass vielmehr Christus als ei-

22 Vgl. Kruger, Christian Identity, 130: „The Bible, as the scriptural revelation of God, knows the identity of the people of God to be a relational identity. It is an identity born of the reconciled relation between man and God.“ 23 Deeg/Heuser/Manzeschke, Identität?, 307. 24 Vgl. dazu Pannenberg, Systematische Theologie 2, 69: „Schon die Erhaltung der Geschöpfe beruht nicht einfach auf einer starren Unveränderlichkeit Gottes, wie Descartes annahm, sondern auf der Treue des Schöpfers, in der sich Gottes Identität in der kontingenten Folge seiner Handlungen bekundet. Gottes Treue, die aus der gegenseitigen Treue des Sohnes zum Vater und des Vaters zum Sohne hervorgeht, begründet auch die Identität und Fortdauer seiner Geschöpfe in einer sich verändernden Welt, trotz ihrer Untreue und ihres Versagens.“ 25 Vgl. dazu Frage 54 des Heidelberger Katechismus. 26 Link, Reformierte Identität, 349: „Die Identität der Kirche hängt an ihrem Namen; die Identität der christlichen Kirche hängt an ihrem christlichen Namen, dem Namen Jesus Christus, über den sie selbst nicht verfügt, der ihr vielmehr […] von einem anderen gegeben ist: ‚Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt‘ (Joh 15,16).“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

gentlicher Akteur27 der Identität des Menschen wie der Kirche verstanden werden muss: „Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ [Gal 2:20].28 Jegliche Suche nach und Bestimmung von Identität, verstanden als relationaler und ex-zentrischer Begriff,29 ist daher in sich selber als Bekenntnisakt zu verstehen und durchzuführen, dessen Ziel eben nicht in irgendeiner Form von Selbstvergewisserung und -festlegung liegen kann, sondern der – wie jedes Bekenntnis – in die Verehrung Gottes führt.30

4.1.2 Heiligkeit als zentrales Identitätsmerkmal Gottes Einleitende Überlegungen Schon die biblischen Vorüberlegungen zur Selbigkeit Gottes haben ansatzweise gezeigt, dass diese Selbigkeit, dass Gottes Identität also, in besonderer Weise über das zentrale Merkmal der Heiligkeit zu erschließen ist, dass die Selbstvorstellung Gottes als des Heiligen sich dabei immer auch direkt auf Gottes Volk und dessen Identität bezieht. In gewissem Sinne könnte dabei sogar davon gesprochen werden, dass Heiligkeit gar als eine Auslegung der Selbigkeit Gottes zu verstehen ist, mit der nicht allein Gottes Wesen, sondern auch Gottes Sein-in-Beziehung zu interpretieren wäre. Bevor der Begriff der Heiligkeit jedoch inhaltlich gefüllt werden kann,31 soll das Thema der Heiligkeit an sich zunächst in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt werden. Mit diesen Überlegungen zur Heiligkeit als zentralem Identitätsmerkmal Gottes bewegt sich die vorliegende Untersuchung im Rahmen dessen, was in der klassischen Dogmatik als Lehre von den Attributen oder 27 Vgl. dazu Deeg/Heuser/Manzeschke, a. a. O., 17. 28 Vgl. dazu auch die Überlegungen von Hans-Martin Barth, Ich lebe, aber nicht mehr ich. Christlicher Glaube und personale Identität. 29 Vgl. Sundermeier, a. a. O., 46: „Durch Christus haben wir die Erlaubnis, Gott in seiner für uns in Christus erschlossenen Identität als Relationalität behaften zu können, ein für alle Mal. Darin ist unser Leben und unsere Identität begründet. […] Christliche Identität ist exzentrisch, sie hat ihr Zentrum außerhalb ihrer selbst.“ 30 Vgl. dazu etwa auch die kritische Nachfrage Welkers, Reformierte Theologie, 397: „Inwiefern ging es in all den gewiss realistischen Festlegungen von bedrängenden, nicht hinzunehmenden Not-, Unterdrückungs- und Krisensituationen, die die Generalversammlung des Reformierten Weltbundes beschäftigen, inwiefern ging es in den damit verbundenen Analysen, Forderungen und Selbstfestlegungen um die Realität Gottes inmitten unserer weltlichen, irdischen, menschlichen Realität? Inwiefern ging es um ihre Wahrnehmung, um ihr Sich-Zur-Geltung-Bringen? Inwiefern wurde Gottes, wurde Christi Selbstfestlegung in und unter den beschriebenen Selbstdarstellungen und Selbstfestlegungen der reformierten Christen, der reformierten Kirchen voreinander und füreinander deutlich?“ (Hervorhebungen im Original). 31 Siehe dazu unten Abschnitt 4.2 und 4.3.

Methodische Vorüberlegungen

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Eigenschaften Gottes32 bezeichnet wird, einem „Pflichtstück in den dogmatischen Lehrbüchern“33. Dieses Pflichtstück wurde in den Bekenntnistexten der Reformationszeit häufig unter der Überschrift „Von Gott“, bzw. „De Deo“ abgehandelt und eröffnete die Bekenntnisse mit mehr oder minder ausführlichen Aufzählungen der Eigenschaften Gottes. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung auf die Attribute Gottes, bzw. auf ein einzelnes dieser Attribute mag verwundern, wenn man sich vergegenwärtigt, das für die Mehrheit der reformierten Bekenntnisse der Gegenwart ebenso gilt,34 was Wolf Krötke im Allgemeinen festgehalten hat: „Der Lehre von den Eigenschaften Gottes wird in der christlichen Lehre der Gegenwart offenkundig keine herausragende Bedeutung zugesprochen.“35 Statt einer zentralen, abgeschlossenen Betrachtung von Gottes Attributen betonen auch reformierte Bekenntnisse der Gegenwart in ihrer Gotteslehre im Allgemeinen das Wesen und die Eigenschaften Gottes von der Perspektive des pro nobis aus, welche das Nachdenken über Gottes Identität in se erst ermöglicht und auch einfordert, und simultan ein Nachdenken über die eigene Identität stimuliert.36 Pro nobis und in se fallen dabei aber auch in den neueren Bekenntnistexten nicht ineinander; wie später noch zu zeigen sein wird, so betonen auch die reformierten Bekenntnistexte nachdrücklich und an zentraler Stelle immer auch das „Anders-Sein“ Gottes, das weder erschöpfend benannt noch bekannt werden kann, und den Menschen in keiner Weise zur Verfügung steht. Diese dialektische Spannung nun wird am deutlichsten in dem Begriff der „Heiligkeit Gottes“, der in ganz besonderer (und für Identitätsbestimmung besonders ertragreicher) Weise, das in se und pro nobis des Seins und Handelns Gottes zum Ausdruck bringt und gleichzeitig die Identitätsbeschreibung der Kirche als eine Gemeinschaft der „Heiligen Gottes“ ermöglicht. Zudem nimmt dieser Begriff ein biblisches Verständnis des Wesens und der Eigenschaften Gottes wie auch, davon abgeleitet, der von Gott Erwählten auf, das – wie ansatzweise schon gezeigt – in beiden Testamenten eine zentrale Rolle spielt, die 32 Für die klassischen Bekenntnistexte vgl. dazu Rohls, Theologie reformierter Bekenntnistexte, 53–57. Für eine dogmatische Behandlung aus reformierter Perspektive vgl. zum Beispiel die Ausführungen bei Weber, Dogmatik I, 439–508. 33 Krötke, Gottes Klarheiten, 1. 34 Es gibt jedoch durchaus Bekenntnisse, die sich in einem gesonderten Abschnitt ausführlich mit dem Thema „Gott“ in klassischer Weise beschäftigen; zumeist Lehrbekenntnisse, die dem typus der „summa doctrinae“ angehören (etwa die Erklärung des gemeinsamen des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984); oder auch Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956); vgl. RZH, 15. 63f). 35 Krötke, a. a. O., 1. 36 Dazu passt Vischers Beobachtung, Neuere reformierte Bekenntnisse, 29, dass reformierte Bekenntnisse durch eine „starke Betonung der Geschichte“ gekennzeichnet seien; dass das Bekenntnis von Gottes „Mitgehen in der Geschichte“ (a. a. O., 30) Vorrang hat gegenüber einem Verständnis Gottes primär „in se“.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

sich dann in reformierten Theologien und Bekenntnissen seit dem 16. Jahrhundert widerspiegelt. Die Fokussierung auf dieses Attribut Gottes, auf diese „Vollkommenheit Gottes“37 oder „klarmachende Klarheit“38 als Schlüssel für eine interpretative Bekenntnisexegese wird im Folgenden dabei als Versuch verstanden,39 die Gottesrede im Blick auf die Identität der Kirche und der Gläubigen zu spezifizieren.40 Wie sich im Verlauf der Diskussion des folgenden Kapitels zeigen wird, wird das Verständnis von Gottes Heiligkeit dabei essentiell mit FriedrichWilhelm Marquardt und Magdalene Frettlöh41 eher als eine „Beziehungsweise“ Gottes zu verstehen sein, denn als ein Attribut, eine Eigenschaft, die auch ohne jede Rede von einer Relation des Heiligen zu den Heiligen verständlich wäre und Sinn machen würde. Ein längeres Zitat von Theo Sundermeier aus seinen Überlegungen zur lutherischen [!] Identität soll an dieser Stelle den Zusammenhang von Heiligkeit Gottes und der Identität der Erwählten einleitend verdeutlichen und Bezug auf zuvor Entwickeltes nehmen, bevor näher auf biblische Begründungen und Perspektiven eingegangen werden wird: Christliche Identität ist niemals autonom oder autopoietisch. Sie ist immer ‚exzentrisch‘. Sie hat ihr Zentrum außerhalb ihrer selbst. Sie ist gegeben. Sie ist kein Besitz, sondern Geschenk und muss uns immer neu zugesprochen werden, da wir sie verlieren können. Der moderne Begriff der ‚Identität‘ steht in diesem Zusammenhang für ‚Heiligkeit‘. Der Grund dafür liegt in der besonderen Fassung des biblischen Identitätsbegriffes, der sich vom griechischen unterscheidet. Während dieser sich am Gleichen 37 Vgl. Barths Diskussion der „Vollkommenheiten Gottes“ in KD II/1, 362–764. 38 So Krötke, a. a. O., 104–159. 39 Barth, KD II/1, 396, spricht davon, dass jegliche Auswahl und Zusammenstellung der Eigenschaften Gottes „grundsätzlich nur den Charakter eines Versuches oder Vorschlags haben“ kann. 40 Vgl. dazu Krötke, a. a. O., 3f: Die Lehre von den Eigenschaften Gottes „ist die Dimension der Gotteslehre, die in die aktuelle Sprache von Gott einübt, in der Gott für die Menschen als sie spezifisch angehende, ihr Dasein genau betreffende Wirklichkeit zur Geltung gebracht wird. […] Gott ist nur Gott, indem er Menschen in der Gegenwärtigkeit seiner Wirklichkeit angeht. Sein Wesen kann im Vollzuge seines Seins darum niemals von der Aktualität abgesetzt werden, in der er Menschen angeht. Gott ist niemals in abstracto Gott. Darum können die Fragen, die wir als die Fundamentalfragen der Gotteslehre bezeichnet hatten, auch nicht als zeitlose, an der jeweiligen Situation von Menschen vorbei zu erörternde Fragen verstanden werden.“ 41 Frettlöh, Gott Gewicht geben, 57f, Anm. 2, bevorzugt in ihrer Darstellung der „Eigenschaften“ Gottes, den Begriff der „Beziehungsweisen“ bzw. „Begegnungsweisen“ mit Verweis auf die Rezeption der rabbinischen middot bei Marquardt, Eschatologie, 198–205. Dort schreibt Marquardt: „In der Sprache der jüdischen Lehrer heißen, was wir theologisch ‚Eigenschaften‘ nennen, middot; eigentlich sind das ‚Fußstapfen‘, in denen uns Gott vorangeht und in die wir treten können, um ihm-selbst nachzufolgen, im übertragenen Sinne aber sind middot ‚Maße‘ einer Zuwendung Gottes zu Menschen, wir können von Beziehungsweisen Gottes sprechen.“ (a. a. O., 198; Hervorhebungen im Original; zitiert bei Frettlöh, a. a. O., 57).

Methodische Vorüberlegungen

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orientiert – das Einzelne hat Teil am Allgemeinen, das Seiende an der Essenz – orientiert sich der biblisch geprägte Identitätsbegriff am Anderen und dem, was das Anderssein, die Veränderung beim Menschen bewirkt. Gottes Anderssein ist seine Heiligkeit (cf. Hosea 11.9) und schenkt und bewirkt beim Menschen Heiligwerden, Gerechtigkeit.42

Biblische Perspektiven Der Begriff der „Heiligkeit“, bzw. die Bezeichnung „heilig“ spielt sowohl im Alten wie im Neuen Testament eine wesentliche, wenn auch durchaus unterschiedlich nuancierte und sich fortwährend entwickelnde und verändernde Rolle.43 Seine besondere Bedeutung wird deutlich vergegenwärtigt man sich die Singularität der biblischen Rede von Gottes Heiligkeit zunächst besonders im Ersten Testament: der Begriff der „Heiligkeit“ hat keine Entsprechung im menschlichen Bereich, d. h. er allein ist nicht-metaphorisch, nicht aus dem Leben Israels erwachsen, sondern bezeichnet „the radical otherness of Yahweh“44. Gott selbst und Gott allein ist die Norm des Heiligen.45 Exegetische wie theologische Überlegungen zur Heiligkeit sind damit frei von den Zwängen metaphorischer Logik und Übersetzungs- und Substituierungsproblematiken und konzentrieren sich auf die eher schlicht anmutende Feststellung, dass „Heiligkeit“ als „großer Fremdling in der Welt der Menschen“46 zunächst und vor allem mit Gott und seinem Handeln zu tun hat,47 in und mit dem Gott seine Heiligkeit sowohl of42 Sundermeier, Lutherische Identität, 55. 43 Vgl. dazu etwa die kurze Darstellung bei Goroncy, Elusiveness, 197–205. 44 Vgl. dazu Brueggemann, Theology of the Old Testament, 288, und die dort angeführte Literatur. Brueggemann schreibt dort: „The term holiness (which has no analogue in other areas of Israel’s life and so is sometimes regarded as the only theological term in Israel that is not derived from other parts of life, and so alone is not metaphorical) refers to the radical otherness of Yahweh.“ 45 Vgl. dazu auch Stockmeier, Art. Heilig, 314: „Die Verwendung des Begriffs ‚heilig‘ im Alten Testament charakterisiert sich durch seine Verknüpfung mit Jahwe, der sich Israel von Anfang als absoluter Herrscher offenbart. In seiner Heiligkeit äußert sich Macht und Transzendenz zugleich (Hos 11:9), so dass Gott selbst die Norm des Heiligen bildet, die letztlich nicht aus geschöpflichen Analogien zu gewinnen ist. Ausgehend von Gottes Namen, der sein Wesen bezeichnet, erscheint Jahwe als der Heilige schlechthin.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 46 Vgl. dazu von Rad, Theologie des Alten Testaments 1, 218: „Das Heilige ist begrifflich in keiner Weise von irgendwelchen anderen menschlichen Wertmaßstäben ableitbar. Es ist nicht deren Überhöhung, gesellt sich ihnen auch nicht zusätzlich bei, viel eher könnte man das Heilige als den großen Fremdling in der Welt des Menschen bezeichnen, d. h. als eine Erfahrungswirklichkeit, die sich der dem Menschen vertrauten Welt nie wirklich einordnen lässt und der gegenüber der Mensch zunächst viel eher Furcht als Vertrauen empfindet; es ist wirklich das ‚ganz andere‘.“ 47 Vgl. Stettler, Heiligung bei Paulus, 57: „Das alttestamentliche Heiligkeitsverständnis unterscheidet sich von dem der Umwelt auch darin, dass die ‚Heiligkeit Gottes‘ nicht nur den Bereich Gottes umfasst, sondern zugleich sein in seinem Wesen begründetes Handeln.“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

fenbart als auch vermittelt – und gleichzeitig verhüllt.48 Heiligkeit wurde dabei in der Hebräischen Bibel nahezu zum Synonym für Gott, zu seinem Namen,49 Gott ist der ‫קךוש‬, der Heilige.50 Und auch wenn „heilig“, „Heiligkeit“ und „der Heilige“ schwer zu definieren und beschreiben sind,51 wenngleich diesem Wortumfeld immer auch eine „mysterious quality“52 anhaftet, so lässt sich doch als Ausgangsbeschreibung zunächst festhalten, dass die Wurzel ‫ קךש‬in all ihren Formen immer auf eine Separation hinweist.53 Eine Beschränkung auf diesen etymologischen Aspekt von Heiligkeit und, daraus folgend, auf (kultische) Reinheit und Absonderung, gar auf eine Distanz Gottes zu seinem Volk, würde jedoch dem alttestamentlichen Zeugnis von Gottes Heiligkeit nur teilweise entsprechen: der Heilige Gott wird in Israels Glaube zunehmend in den Kategorien des Bundes verstanden,54 der Heilige wird zum „Heiligen Israels“55. Die Heiligkeit Gottes wird durch die Genitivverbindung „der Heilige Israels“ in Israels Zeugnis radikal recharakterisiert; sie ist Heiligkeit in, mit und für Israel;56 anders formuliert: „die numinose Heiligkeit Gottes ist die Israel zugewandte Heiligkeit“57. Entgegen einseitiger Auslegung und (Miss-)Interpretationen von Gottes Heiligkeit allein als kultischer Absonderung bleibt also festzuhalten: „The Holy One is the related One“58; Heiligkeit ist damit mehr Beziehungs- denn Qualitätsmerkmal,59 und trifft damit wiederum exakt den Kern dessen, was oben mit Marquardt und Frettlöh als „Beziehungsweise Gottes“ bezeichnet wurde. Der Heilige Gott bleibt der ganz andere und ist doch „in deiner Mitte der Heilige“ [Hos 11:9] 60. Jahwes Heiligkeit besitzt, wie Gerhard von Rad analysiert, einen „penetranten Immanenzwillen“61 und ist daher nicht primär Distanzbeschreibung, nicht gänzlich 48 Vgl. Gorroncy, a. a. O., 197. 49 Vgl. a. a. O., 198, und die dort angegebene Literatur; siehe auch Van Wijk-Bos, Reimaging God, 31–33. 50 Vgl. dazu den kurzen Überblick exegetischer Forschung bei Schmidt, Heilig ins Eschaton, 374–376. 51 Brueggemann, a. a. O., 288, hält es für unmöglich „to articulate a clear definition of holiness“, identifiziert aber eine „cultic rootage“ des Begriffs. 52 So Levine, Leviticus, 256. 53 Vgl. dazu die Diskussion bei Stettler, a. a. O., 56f. 54 Brueggemann, a. a. O., 289: „The holiness of Yahweh is drawn into the covenant categories of Israel’s faith, so that the Holy One is the related One.“ 55 Vgl. Jes 12:6; 30:12.15; 41:14.20; 43:3. 56 Vgl. Brueggemann, a. a. O., 289. 57 Westermann, Das Buch Jesaja, 64. 58 Brueggemann, a. a. O., 289. Vgl. dazu auch Van Wijk-Bos, a. a. O., 32: „God’s holiness relates directly to the community.“ 59 Vgl. von Rad, a. a. O., 205; von Rad verweist an dieser Stelle auf Ringgren, The Prophetical Conception of Holiness, 13. 60 Hos 11:9 (Übersetzung der Elberfelder Bibel): „Denn Gott bin ich und nicht ein Mensch, in deiner Mitte der Heilige; ich will nicht in Zornglut kommen.“ 61 Von Rad, a. a. O., 219.

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unter das Stichwort der Transzendenz zu subsumieren und gar noch einer Immanenz Gottes entgegenzusetzen.62 Vielmehr ist das „Getrenntsein Gottes“ als die Einzigartigkeit des Heiligen Gottes zu verstehen, der gegenwärtig ist und doch nicht durch diese Gegenwart gebunden ist.63 Der Heilige Gott ist und bleibt in seiner Anwesenheit und in seinem Sein für und mit seinem Volk der freie und souveräne Gott; seine relationale Heiligkeit ist, wer Gott ist in Ewigkeit64 und wird gleichzeitig präsent in der Mitte seines Volkes, das heilig ist und heilig sein soll, weil sein Gott heilig ist [vgl. Ex 19:5f; Lev 19:29]. Ein weiterer, für die Bestimmung reformierter Identität entscheidender Aspekt von Gottes Heiligkeit ist an dieser Stelle zu thematisieren: Gottes Heiligkeit ist direkt mit der Identität Israels verbunden;65 der heilige Gott erwählt sich ein Bundesvolk als Eigentum vor allen Völkern und für alle Völker, das ihm ein „heiliges Volk“ sein soll. Erwählung und Bund haben direkt und intrinsisch nicht allein mit Gottes Treue und Erbarmen zu tun, sondern ganz zentral mit Gottes Selbigkeit als Heiligkeit, die an dieser Stelle gar zu einem Transferbegriff 66 werden kann.67 Dieser biblische Interpretationsstrang von Gottes Heiligkeit ist gar nicht als radikal genug einzuschätzen: die Bezeichnung für Gott in „his sheer difference from everything else“68, für sein Gott-Sein und Nicht-Mensch-Sein [Hos11:9], wird nicht allein zur Bezeichnung für sein Eigentumsvolk, sondern auch zu dessen Bestimmung: Seid heilig, wie ich heilig bin.69 Der Bund Gottes mit seinem Volk besteht in der Erwählung zur Heiligkeit; die Identität des Volkes Israels als Bundespartner des Heiligen Gottes besteht in ihrer Heiligkeit als GottZugehörigkeit, die sich explizit in ihrem kultischen wie sozialen Leben ausdrücken soll.70 Die Heiligkeit Gottes kommt mit dem Leben seines Volkes in all

62 Vgl. dazu Seitz, Word Without End, 23: „To call God the Holy One of Israel implies presence, not absence, insiderness, not outsiderness.“ Siehe auch Webster, Holiness, 42f. 63 Vgl. Willis, Holiness, 2: „The Holy One is present with but not bounded by the conditions of being present.“ 64 Gorman, Cruciform, 149, spricht daher von Gottes Heiligkeit als einem „attribute-in-relation“. 65 J.B. Wells, God’s Holy People, 14, hält Ex 19:5f „to be pivotal for understanding Israel’s life and identity under God.“ 66 Vgl. Stettler, a. a. O., 56. 67 Vgl. Wells, a. a. O., 14: „The notion of holiness is related fundamentally to the character of Yhwh, a character which is indelibly printed on his people Israel.“ 68 So Gunton, The Christian Faith, 49: vgl. a. a. O., 56: „God’s holiness consists in his utter difference and distinction from all other beings.“ 69 Diese Aufforderung wird nahezu zum Refrain in Lev17–26, dem sog. „Heiligkeitsgesetz“; vgl. Wells, a. a. O., 81. Vgl. Lev 19:2; 20:7; 21:6; 22:32f. Siehe auch Bauckham, The Holiness of Jesus, 95f: „Holiness belongs properly to God, and all persons and things given to God become holy. It is a paradoxical concept, in that holiness expresses what God intrinsically is, distinct from all creation, and yet it is also shared – in varying degrees – by all that belongs to God.“ 70 Vgl. Stettler, a. a. O., 56f.

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seinen Aspekten in Berührung und wird zum Maß der menschlichen Heiligkeit;71 Heiligkeit ist damit sowohl „vor-ethischer Terminus“ wie auch „Ethos-setzender Begriff“72 – als Name und Bezeichnung für Gott bestimmt es gleichzeitig auch Ethos und damit die Identität seines Volkes.73 Gleichzeitig wird durch diese Interpretation der Heiligkeit Gottes durch Israels Glaube eine weitere Facette deutlich: der Heilige Gott ist der erwählende und heiligende Gott; nicht durch seinen heiligen Wandel wird das Volk Israel zum heiligen Volk, dem Volk des Heiligen, sondern durch Erwählung, Befreiung und Heiligung Gottes.74 Israels Heiligkeit ist Gottes Gabe und wird gleichzeitig exemplifiziert in Israels Bereitschaft, heilig zu leben und zu handeln.75 Von der Perspektive des erwählten Volkes aus konstituiert Heiligkeit daher, im Alten wie auch später im Neuen Testament, ein bleibendes Paradoxon bezüglich der Identität der Gemeinschaft der Heiligen: On the one hand they are holy. This represents the status given to Israel/the Church by virtue of their special relationship with the holy God, on the basis of their understanding of his character. On the other hand, they are called to be holy. This represents a standard to which they should strive to live, commensurate with their identity as God’s elect people, which marks them out from others and according to which others may recognize the presence of God with them.76

Der letzte Satz dieses Zitates eröffnet eine weitere entscheidende Dimension sowohl von Gottes Heiligkeit als auch von Erwählung des Heiligen Volkes, nämlich den telos der Erwählung zu Heiligkeit und Heiligung, und damit ein weiteres Charaktermerkmal der Heiligkeit Gottes: Alle Welt soll der Herrlichkeit des Herrn voll werden [Num 4:21] und erst damit kommt Jahwes Heiligkeit an ihr

71 Vgl. Stockmeier, a. a. O., 314, und besonders die ausführliche exegetische Diskussion bei Stettler, a. a. O., 87–109. 72 So Seebass und Grünwaldt, Art. ἅγιος, heilig/rein, 887: „Nicht das Trennende, das Aussondere ist das Primäre, sondern positiv das In-Berührung-Kommen, das ganz selbstverständlich bestimmte Verhaltensweisen erzwingt […] Das Heilige ist demnach einerseits ein vor-ethischer Terminus, andererseits aber ein Ethos-setzender Begriff.“ 73 Vgl. Van Wijk-Bos, a. a. O., 33: „This naming of God [as the Holy One] highlights the connection between language about God and human identity. While the holiness of God points to God’s otherness, it also lays claim on the human community in whose midst God is present as the Holy One. God’s holiness issues a call to the community that names God holy, to mirror God’s justice and righteousness in caring for the most vulnerable among them.“ 74 Vgl. Stettler, a. a. O., 65, die den Exodus als Urdatum der Heiligung des Volkes Israels bezeichnet, und eine Beziehung beschreibt zwischen „(1) JHWHs eigener Heiligkeit, (2) der Heiligung Israels durch JHWHs grundlegende Erlösungstag und (3) dem heiligen Wandel Israels. […] Die Grundlage des ganzen Geschehens ist die Heiligkeit Gottes, die sich im Exodus […] erwiesen hat, in dem er Israel zu seinem Volk gemacht und (damit) geheiligt hat.“ 75 Vgl. Brueggemann, Deuteronomy, 159. 76 Wells, a. a. O., 243 (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Ziel.77 Das erwählte Volk dient in seiner Heiligkeit als Zeuge und Zeugnis der Heiligkeit Gottes vor aller Welt, die sich selbst in aller Welt offenbaren und durchsetzen will; in seiner Partikularität hat Gottes Heiligkeit universalen Anspruch und universale Verheißung.78 Bevor sich die Betrachtung der Heiligkeit Gottes dem Zeugnis des Neuen Testaments zuwenden kann, muss jedoch ein letzter Aspekt dieser Heiligkeit noch thematisiert werden. Gott ist gegenwärtig als „der Heilige in deiner Mitte“ [Hos 11:9] und seine Anwesenheit als der Heilige Gott wird durch das Volk Gottes in zweifacher Weise erfahren, nämlich als „verzehrendes Feuer“ und als „Güte“79 – der Heilige Gott kommt in seiner Liebe und seinem Erbarmen zu seinem Volk auch und gerade als Richter und mit Gericht; er richtet Gerechtigkeit auf um seines heiligen Namens willen.80 Die Heiligkeit Gottes drückt sich also in doppelter Weise aus; sie verwirft alles, was seiner Heiligkeit widerspricht und daher unwürdig ist, in seiner Gegenwart zu existieren, und gleichzeitig etabliert sie wahre Geschöpflichkeit in Heiligkeit, die als solche immer schon unterschieden ist von ihm.81 Gottes negative wie positive Heiligkeit bezieht sich dabei im Alten Testament auf kultische wie soziale Aspekt des Lebens seines Volkes: alles steht unter Gericht und Erbarmen des Heiligen Gottes – und mit dieser Perspektive wenden wir uns einigen Aspekten des Heiligkeitsverständnisses im Neuen Testament zu. Wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes. [Joh 6:69] Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu vernichten. Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes! [Mk 1:24; Lk 4:34]

Aus dem Mund von Simon Petrus und dem eines von einem unreinem Geist Besessenen kommt jenes Messiasbekenntnis, das für Christinnen und Christen die Heiligkeit Gottes entscheidend definiert und reformuliert:82 Jesus von Na77 Vgl. von Rad, a. a. O., 292. 78 Vgl. dazu insbesondere das Buch Jesaja und sein Verständnis des Heiligen Israels und der Völker. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die unterschiedlichen Traditionslinien des Heiligkeitsverständnisses im Alten Testament durchaus unterschiedliche Vorstellungen bezüglich des Einschlusses der Heiden am Heiligen Volk, auch eschatologisch betrachtet, haben; vgl. Stettler, a. a. O., 33–39. 79 Vgl. Proksch, Art. ἅγιος, 97; zitiert bei Stettler, a. a. O., 55. 80 Vgl. Ez 36. 81 Vgl. Gunton, The Christian Faith, 49. 82 Dabei ist jedoch mit Wells, a. a. O., 242, festzuhalten, dass „in the New Testament the notion of holiness is reformulated in response to the person of Christ, ‚the Holy One of God‘, in whom God’s character and choice is most fully invested. However, […] this reformulation develops with reference to most associated themes of holiness from the Old Testament. Although the redefinition of holiness is substantial, this takes place with reference to the Hebrew framework. It still possesses the major features of the Old Testament portrayal.“ Vgl. dazu auch die Überlegung zu „Gott als der Heilige oder Jesus Christus im Spiegel alttesta-

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zareth ist nicht ein,83 sondern der Heilige Gottes,84 der „Heilige und Gerechte“, der „heilige Knecht Gottes“, Sohn des „Heiligen Vaters“, und der, der seinen Heiligen Geist aussendet.85 Jesus Christus ist „der, der heilig ist.“86 In ihm ist Gottes Heiligkeit verkörpert und durch ihn in Leben, Tod, Auferweckung und Wiederkunft bestimmt, offenbart und „glaubhaft“ gemacht: wir haben geglaubt und erkannt – du bist der Heilige Gottes! Jesus Christus ist, dem ganzen neutestamentlichen Zeugnis87 nach, „der von und für Gott geheiligte Messias, in dem Gottes Heiligkeit auf den Plan tritt […] und der selbst mit dem Heiligen Geist erfüllt ist.“88 Seine Heiligkeit ist die Heiligkeit des „für uns“89 Gekreuzigten und Auferweckten,90 die Heiligkeit des Freundes von Zöllnern und Sündern, die Heiligkeit des Heilers, der die Unreinen berührt, sich von den Unreinen berühren lässt, Heilung bringt und sie mit seiner Heiligkeit ansteckt.91 Seine Heiligkeit

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mentlicher Heiligkeitsvorstellungen“ von Witte, Jesus Christus im Spiegel des Alten Testaments, 47–52. Vgl. dazu Köber, Jesus – der Heilige Gottes. Die Heiligkeit Jesu im Zeugnis der Synoptiker in ihrer Bedeutung für Theologie und Glauben, 306. Köber betrachtet die Perikope Mk 1,21–28 nicht nur als die Schlüsselstelle, die Jesu Heiligkeit bezeugt, sondern hält sie auch für eine sehr alte Überlieferung. Von besonderer Bedeutung ist für ihn, dass Jesus mit dieser Dämonenaustreibung nach Markus sein öffentliches Wirken beginnt, sie also „für das Verständnis seiner Person und seines weiteren Wirkens von grundlegender Bedeutung“ ist; Köber, a. a. O., 305. Vgl. dazu auch Proksch, Art. ἅγιος, 102. Vgl. Apg 3:14; 4:27.30; Joh 17:11. Zum exegetischen Hintergrund der Heiligkeit Jesu vgl. insbesondere den sehr hilfreichen Aufsatz von Köber, Jesus – der Heilige Gottes, und die dort aufgeführte Literatur; sowie Stettler, a. a. O., 153–155. 1 Joh 2:20. Das gilt selbstredend auch für die Stellen, in denen Jesus Christus nicht explizit mit Heiligkeitsattributen belegt wird; vgl. Köber, a.a.o., 307–311. Stettler, a. a. O., 155; dort auch die relevanten Bibelstellen. Vgl. z. B. Röm 5:6.8. Zentral für das Verständnis der Heiligkeit Christi dem neutestamentlichen Zeugnis nach ist die Definition dieser Heiligkeit von Person und Leben Jesu aus – nicht von allgemeingültigen, religionsphänomenologischen Vorstellung von Heiligkeit. Wenn also etwa Köber die Heiligkeit Jesu mit Bezug auf Rudolf Otto oder M. Eliade bestimmt (vgl. a. a. O., 312–314), dann verwundert es nicht, dass er zu dem einseitigen Schluss kommt, dass Jesu Heiligkeit darin bestehe, „dass er im Namen und an der Stelle Gottes und in der ihm von Gott verliehenen exousia den die Menschen und die gesamte Schöpfung versklavenden und sie bedrohenden Mächten des Bösen majestätisch entgegentritt und sie besiegt.“ (a. a. O., 307). In diesem sich auf Majestät, Durchsetzungsvermögen und Mächtigkeit beschränkten Verständnis von Heiligkeit hat aber das Kreuz Jesu keinen Platz, würde dementsprechend nicht zur Heiligkeit Jesu dazugehören. Dagegen gehe ich mit David Willis davon aus, dass die Heiligkeit Gottes nur unter Einschluss und in der Perspektive der „holiness of the cross“ richtig verstanden werden kann; vgl. Willis, Holiness, 8–32. Vgl. dazu Stettler, a. a. O., 164: „Der ansteckende Charakter von Heiligkeit ist also keineswegs ein allgemeines Prinzip, so als wollte Jesus sagen, dass Heiligkeit sich immer übertrage und durch Unreinheit nicht gefährdet werde. Vielmehr ist in ihm, dem Heiligen Gottes, die Heiligkeit Gottes gekommen, welche die Unreinheit überwindet (ohne dabei die Unheiligen zu verzehren).“

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führt ihn in die Abgeschiedenheit der Wüste, in die Synagogen, den Tempel und auf die Markplätze der Dörfer und Städte. Seine machtvolle Heiligkeit stillt den Sturm und treibt Dämonen aus, öffnet die Augen der Menschen und verbirgt sich gleichzeitig vor ihnen. Seine Heiligkeit ist die Heiligkeit des Knechts und Herrn, der sich selbst für die Seinen heiligt, damit sie in der Wahrheit geheiligt seien.92 Seine Heiligkeit ist die Heiligkeit Gottes, der in, mit und für sein Volk ist, in Gericht und Erbarmen. Jesu Botschaft von der basileia Gottes verkündigt, wie zuvor schon Israels Verkündigung, die „zugewandte, ausgreifende Heiligkeit“93 Gottes und verkörpert sie: Er ist diese Heiligkeit Gottes, die für die Seinen gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.94 In dieser zugewandten Heiligkeit, in diesem Heiligen Gottes, hat sich der Heilige Gott ein Volk erwählt vor aller Zeit, das vor ihm heilig sein soll:95 Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst ‚nicht ein Volk‘ wart, nun aber ‚Gottes Volk‘ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.96

Dieses heilige Volk, das einst ‚nicht-ein-Volk‘ war, Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung,97 ersetzt nicht Gottes Eigentumsvolk Israel, sondern wird ihm zugefügt: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“98 Als Mitbürger der Heiligen ist diese Gemeinschaft aus Juden und Heiden heilig, weil Israel heilig ist: „Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist auch der ganze Teig heilig; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig.“99 Ihr auf diese Heiligung antwortendes Leben ist bestimmt durch Gottes Gebot und Verheißung: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem Wandel. Denn es steht geschrieben (Lev 19:2): ‚Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig‘.“100 So wie Israel vor ihr versteht und bezeugt auch diese neue Gemeinschaft der Heiligen, dass die

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Joh 17:19. Vgl. Karrer, Jesus Christus im Neuen Testament, 259. Vgl. 1 Kor 1:30. Vgl. Eph 1:4. 1 Petr 2:9. Vgl. Eph 2:12. Eph 2:19. Vgl. dazu die Interpretation bei Wengst, Jesus zwischen Juden und Christen, 100– 102. 99 Röm 11:16. 100 1 Petr 1:15f. Vgl. dazu den Kommentar zu dieser Bibelstelle bei Zeindler, Erwählung, 109: „Heiligkeit als Aussonderung für Gott, heilig sein wie Gott – das ist schon im Alten Testament geprägte Erwählungssprache.“

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Wurzel ihrer eigenen Heiligkeit die Heiligkeit Gottes ist,101 die dieses Volk Gottes aussondert und heiligt. Dazu wird der Gemeinschaft der Heiligen der Geist Christi verliehen, der als solcher kein anderer Geist sein kann als der Heilige Geist und darin die Zuwendung des Heiligen Gottes zu seinem Volk ist. Es ist der gleiche Heilige Geist, der über Maria kam, so dass „das Heilige“, das sie gebar, Gottes Sohn genannt wurde; der gleiche Geist, der bei Jesu Taufe auf ihn hinabfuhr, ihn in die Wüste und nach Jerusalem führte, in dem er sich freute und der durch die Propheten gesprochen hatte, der Geist, durch den er sich zum Sterben am Kreuz hingab.102 Dieser Heilige Geist Christi, mit dem die Heiligen getauft werden, der sie lehrt zu reden und Zeugnis zu geben, um den sie bitten und der ihnen vom Vater gegeben wird, ist der Heilige Geist, der der Tröster ist und der die Liebe Gottes in ihre Herzen ausgießt.103 In ihm wurde das erwählte Volk, die Gemeinschaft der Heiligen, versiegelt; es ist der Heilige Geist, der sie heiligt, indem er sie zum Eigentumsvolk Gottes macht, „zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit“104 und indem er sie im Bad der Wiedergeburt erneuert.105 Der Heilige Geist ist der Geist Christi – darin besteht seine Heiligkeit, in der sich Christus uns zuwendet und wir ihm umgewandt werden.106 Die Heiligkeit des Heiligen Geistes, die als solche die Heiligkeit des Drei-Einen Gottes offenbart, ist also eine im tiefsten relationale Heiligkeit, in der sich Gott nicht nur den Menschen erschließt, sondern auch die Menschen für sich erschließt.107 Das macht dem Zeugnis des Neuen Testaments nach die Identität der Kirche, der Gemeinschaft der Heiligen und Geheiligten aus, dass sie der Heilige und souveräne Gott zu seinem Eigentumsvolk erwählt hat, so dass sie Kinder des himmlischen Vaters und Miterben des Sohnes sind.108 Das macht ihre Identität 101 Vgl. dazu Stettler, a. a. O., 195–197. 102 Vgl. Mt 1:18 und Lk 1:35; 3:22; 4:1; 10:21; Apg 28:25; Hebr 9:14. Zu einer pneumatologischen Christologie vgl. z. B. Moltmann, Der Weg Jesu Christi, 92–114, wobei Moltmann die Heiligkeit Jesu an keiner Stelle thematisiert und auch die einschlägigen Bibelstellen nicht erwähnt. 103 Vgl. Mt 3:11 parr.; Mk 13:11; Lk 11:13,12:12; Joh 14:26; Apg 1:8,2:4; Röm 5:5,15:16. 104 Eph 1:13. 105 Vgl. Tit 3:5 106 Vgl. Barth, KD IV/2, 370: „Und so ist der Heilige Geist nach dem Neuen Testament darin heilig, dass er des Menschen Jesu eigene Lebensäußerung und in ihr er selbst ist: als seine Lebensäußerung seine kräftige Zuwendung zu uns und unsere kräftige Umwendung zu ihm hin, seine Erschließung für uns und unsere Erschließung für ihn, und damit, dass sie uns in diesem doppelten Sinn widerfährt, das Neue in der irdischen Geschichte, die Veränderung im menschlichen Dasein, die gemeint ist, wenn wir von der Existenz der christlichen Gemeinde, der Existenz von Christen reden.“ 107 Vgl. ebd. und a. a. O., 567. 108 Vgl. Röm 8:12–17; und Sorge, Why the church?, 159: „The church’s holiness is not rooted in how we differentiate ourselves from the world, but in God’s sovereign election of a people

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aus, dass sie, geheiligt durch den Heiligen Geist,109 mit diesem himmlischen Vater verbunden sind und im Heiligen Geist110 beten: Dein Name werde geheiligt.111

Heiligkeit als theo-logische Realität Aufgrund dieses breit gefächerten biblischen Zeugnisses von der (primären) Heiligkeit des trinitarischen Gottes und der (sekundären) Heiligkeit seines Volkes mag es verwundern, dass die Heiligkeit Gottes zwar zu den „Grundaussagen der Theologie“112 gehört, dass jedoch Heiligkeit an sich und insbesondere die Heiligkeit Jesu keine wesentliche Rolle in systematisch- wie biblisch-theologischen Entwürfen113 und auch in der kirchlichen Verkündigung spielen.114 Es mag weiter verwundern, dass gerade für die reformierte Tradition und ihre unterschiedlichen Konzepte einer biblisch fundierten Gotteslehre in der Gegenwart115 das Thema der Heiligkeit insgesamt eine eher beigeordnete Bedeutung innehat,116 und das obwohl in der reformierten Tradition „Heiligkeit“ als eines

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who had been aliens and strangers, but now are made children of the Heavenly Father, joint heirs with Jesus the Son, by divine adoption through the midwifery of the Holy Spirit.“ Röm 15:16. Vgl. Jud 20. Zum jüdischen Hintergrund und Verständnis der Heiligung des Namens Gottes vgl. insbesondere Jäger-Beux, Das Verständnis der Heiligung des göttlichen Namens und des Reiches Gottes. So Köber, a. a. O., 304. Vgl. ebd. Köber hält dort fest, dass gerade die „Heiligkeit Jesu im NT gut bezeugt […] und dort wesentliche Voraussetzung des Verständnisses seiner Person und seines Wirkens“ ist. Vgl. dazu die Bestandsaufnahme aus evangelikaler Perspektive von D. Wells, No Place for Truth, 300. Vgl. Willis, Holiness, 60–66, für eine hilfreiche Analyse des Attributes „Heiligkeit“ in der reformierten protestantischen Orthodoxie. Vgl. dazu die Analyse bei Goroncy, Elusiveness, 196f: „Given the centrality of divine (and creaturely) holiness in the ‚holy‘ Scriptures, one is surprised to observe that Christian theologians have made very little of the idea in their theology proper. While copious material is available on God’s righteousness, faithfulness and love, the extra-biblical tradition betrays a lack of reflection on holiness – specifically divine holiness. Where such is offered, the tradition tends to relinquish holiness grammar for more familiar or accessible concepts of righteousness, goodness, truth and glory, or of God’s perfections, and not infrequently to the practical abandonment of ‚holiness‘ grammar altogether. Alternatively, holiness is used to consummate, unify and harmonize all incomparable divine attributes. Typically, what most definitions fail to offer (even some which purport to be ‚Christian‘) is any clarity over the locus of revelation of God’s holiness in Jesus Christ, the incarnate Son.“ Ausnahmen zu dieser Feststellung sind die für diesen Abschnitt der vorliegenden Untersuchung äußerst hilfreichen und weiterführenden Überlegungen von Willis, Notes on the Holiness of God (2002), Webster, Holiness (2003), Goroncy, The Elusiveness, Loss and Cruciality of Recovered Holiness: Some Biblical and Theological Observations (2008) und Goroncy, Hallowed Be Thy Name (2013).

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der attributa communicabilia verstanden werden konnte.117 Zwar betont dieses Verständnis nachdrücklich das „Anderssein“ Gottes in seiner Heiligkeit, kann jedoch auch von einer Kommunikation der Heiligkeit durch den Heiligen Geist ausgehen, die in dem Sinne partizipatorisch, bzw. transitiv118 aufgefasst wurde, als dass Gottes Heiligkeit beim Menschen Heiligwerden schenkt und bewirkt, dass diese aber nicht ontologisch an der Essenz Gottes teilhaben. Heiligkeit konnte damit, wie oben anhand der biblischen Perspektiven beschrieben, zwar auch als das Band zwischen dem Heiligen Einen und den heiligen Vielen119 verstanden werden, wie Calvin geschrieben hatte,120 bis in die Gegenwart hinein wurde sie jedoch in der (reformierten) protestantischen Tradition nicht zu seinem interpretativen Schlüssel für die Identität der Kirche und der Gläubigen.121 Für diese dezentrale Rolle des Heiligkeitsverständnisses der Gegenwart kann neben theologiegeschichtlichen Gründen und Akzentverschiebungen in der Gotteslehre122 auch eine „widespread confusion resulting from a compound mistake“123 gemacht werden, wie besonders David Willis nachdrücklich betont: In Theologie und Kirche herrsche eine Tendenz vor, Transzendenz und Immanenz Gottes als Gegensatzpaar in hauptsächlich räumlichen Kategorien zu verstehen und die Heiligkeit Gottes fast ausschließlich unter die Transzendenz Gottes zu subsumieren. Dem hält Willis eine Korrektur des Heiligkeitsverständnisses entgegen, die sich in den wesentlichen Punkten nicht allein mit den im vorherigen Abschnitt erarbeiteten biblischen Perspektiven der Heiligkeit Gottes und des Volkes Gottes trifft, sondern die sich auch in besonderer Weise als interpretativer Schlüssel für das Verständnis von reformierter Identität in den Bekenntnistexten des 20. und 21. Jahrhunderts anbietet, und die hier daher in einem längeren Zitat wiedergegeben werden soll: The first part of the correction is the recognition that, when used theologically, both transcendence and immanence refer to the living Subject, who is present but also not 117 Zum Verständnis von attributa incommunicabilia und attributa communicabilia in der reformierten Orthodoxie vgl. z. B. Weber, Dogmatik I, 464f; siehe auch Heppe/Bizer, Dogmatik, 56–58; zum Attribut „Heiligkeit“ siehe insbesondere 81–86. 118 Vgl. dazu Krötke, Gottes Klarheiten, 167. 119 Zu „singular and manifold Holiness“ vgl. Willis, a. a. O., 86–90. 120 Calvin, Inst. III,6,2. 121 Eine Ausnahme für die protestantische Tradition stellt das methodistisch/wesleyanische Heiligkeitsverständnis und das anderer Kirchen der sog. „Holiness movement“ dar, welches allerdings Heiligkeit in der Hauptsache als vollkommene christliche Lebensführung versteht; vgl. z. B. Schönberger, Gemeinschaft mit Christus, 241–310, „John Wesleys synergistisch-perfektionistische Heiligungskonzeption“, und Grenz/Placher, How should we life?, 261f. Dass sowohl orthodoxe als auch katholische Traditionen ein von dem hier vorgestellten unterschiedenes, für ihre jeweiligen Traditionen jedoch zentrales Heiligkeitsverständnis haben, liegt auf der Hand. 122 Hilfreich ist dabei die Übersicht, die Webster, a. a. O., 34–36, gibt. 123 Willis, a. a. O., 1; vgl. dort auch zum Folgenden.

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restricted to that presence: the Holy One is present with but not bounded by the conditions of being present. The second part is the recognition that the separateness implied in the root meanings of ‚holy‘ refers primarily to uniqueness, not distance from. The third part is the recognition that holiness is a communicable perfection of God: creatures belonging to the Holy One grow in creaturely holiness, so that the communion sanctorum is more than a nominal reality.124

Diesen Bestimmungen Willis’ wird in den folgenden Abschnitten „Der Heilige Gottes“ (4.2.) und „Die Heiligen Gottes“ (4.3.) noch genauer nachzugehen sein. Vorher seien jedoch fünf weitere wesentliche Aspekte des in dieser Untersuchung verwandten Heiligkeitsverständnisses explizit zu thematisieren, um weitere Missverständnisse von vornherein auszuschließen: (1) Wenn von „Heiligkeit“ und „heilig“ gesprochen wird, dann ist damit, wie ja schon aus der Voranstellung der biblischen Perspektiven zum Thema erkennbar, zunächst und primär „der Heilige“ gemeint, der Gott Israels, der als der Heilige Israels in der Mitte seines erwählten und befreiten Volkes in Güte und Gericht anwesend ist; der als der Heilige Gottes der „Holy One embodied“125 ist, und der schließlich als der Heilige Geist Menschen und Schöpfung heiligt – kurz: Heiligkeit ist und bleibt die Heiligkeit des Drei-Einen Gottes.126 Diese Auslegung von heilig und Heiligkeit unterscheidet sich damit grundlegend von anderen theologischen, religionssoziologischen, -philosophischen und -phänomenologischen Interpretationen des Begriffes, die zunächst eine allgemeingültige Definitionen von Heiligkeit zu erstellen suchen, um diese dann auf Theologie und Exegese anwenden.127 Zwar soll damit keineswegs die Nützlichkeit dieser Interpretationen in Frage gestellt werden, sie können jedoch immer nur als sekundäre Anregungen zu den Interpretationslinien des biblischen Zeugnisses verstanden werden.128 Der Begriff der Heiligkeit dagegen, zusammen mit dem Begriff der Heiligung, 124 A.a.O., 2. 125 So das Bekenntnis Song of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada von 2006. 126 Vgl. dazu Webster, a. a. O., 5, der von einem „Trinitarian account of holiness“ spricht, und weiter a. a. O., 18–21. 127 Gedacht ist hier insbesondere an das epochemachende Werk von Rudolf Otto, Das Heilige: Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen (1917), dessen Einfluss nicht allein in der Theologie sondern auch in Religionswissenschaft, -soziologie, -philosophie und –psychologie (hier seien als zwei Bespiele von vielen möglichen nur die Theologie Paul Tillichs und die Religionsphänomenologie Mircea Eliades erwähnt) von größter Bedeutung ist. Karl Barth war zwar anfänglich von der Bezeichnung Gottes als des „Ganz Anderen“ (vgl. Das Heilige, 28–37) angetan, etwa in seinem Römerbriefkommentar, stand jedoch Ottos Programm als Ganzem von Anfang an kritisch gegenüber. Zur Kritik an Otto aus der Perspektive systematisch-biblischer Theologie vgl. auch Goroncy, Hallowed Be Thy Name, 41–44. 128 Vgl. Webster, Holiness, 39: „The content of the term ‚holiness‘ in the case of God is wholly determined by its reference to God’s person. The predicate (holy) is exhaustively defined by the subject (the triune God).“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

verweist primär und entscheidend auf Gottes Selbigkeit, sein Wesen und sein Handeln,129 und macht diese zum Ausgangspunkt der Identitätsbestimmung. (2) Diese Heiligkeit Gottes ist immer ausschließlich als die Heiligkeit des DreiEinen Gottes zu verstehen, das heißt: es ist nicht allein die erste Person der Trinität, deren Wesen Heiligkeit ist und die ihr eignet, dementsprechend kann die Bestimmung von Heiligkeit auch nicht zunächst allgemein für Gott (erste Person) erfolgen, um dann auf die zweite und dritte Person angewendet zu werden. Dagegen wird in der vorliegenden Untersuchung, dem Impetus einer großen Anzahl reformierter Bekenntnistexte der Gegenwart folgend, davon ausgegangen, dass die Heiligkeit Gottes zentral offenbart, erkannt und geglaubt wird in Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus wie er in der Heiligen Schrift bezeugt ist in der Kraft des Heiligen Geistes.130 Aus dieser christologisch-pneumatologischen Perspektive kann die Heiligkeit Gottes nur als „Christ-given and -shaped characterization of holiness“131 bestimmt werden; eine christologische Bestimmung von Heiligkeit ist daher nicht ein zweiter Schritt, nachdem das Wesen Gottes und seine Eigenschaften, bzw. Beziehungsweisen, zuvor abgesehen von Christus und aus anderen Quellen definiert wurde, sondern ist der erste Schritt zum Verständnis und Bekenntnis von Gottes Heiligkeit:132 „Christology has to do with identifying the God whose name is Holy.“133 Das heißt nun nicht, 129 Vgl. dazu Barth, KD IV/2, 566: „Es könnte das, was mit ‚Heiligung‘ (sanctificatio) gemeint ist, auch mit den selteneren biblischen Begriffen der Wiedergeburt (regeneratio) oder Erneuerung (renovatio) oder mit dem der Bekehrung (conversio) oder mit dem im Alten und Neuen Testament so wichtigen Begriff der Buße (poenitentia) oder umfassend mit dem besonders für die Synoptiker so bezeichnenden Begriff der Nachfolge Jesu bezeichnet werden. Der Gehalt aller dieser Begriffe wird tatsächlich auch unter dem Titel ‚Heiligung‘ zur Geltung und zur Sprache kommen müssen. Es besteht aber Grund, hier den Begriff der Heiligung in den Vordergrund zu rücken. Indem er schon in seinem Wortlaut den Begriff des ‚Heiligen‘ in sich schließt, macht er nämlich im Unterschied zu jenen anderen Bezeichnungen derselben Sache sofort darauf aufmerksam, dass es in ihm um ein Sein und Tun Gottes geht, erinnert er, vorbildlich für die Interpretation auch jener anderen Bezeichnungen, sofort an das Grundlegende und Entscheidende: Gott ist wie das handelnde Subjekt der Versöhnung überhaupt, so auch das der Umkehr des Menschen zu ihm hin. Sie ist genauso wie seine Zuwendung zum Menschen und also wie des Menschen Rechtfertigung sein Werk, sein facere: nur jetzt nicht als sein iustificare, sondern jetzt als sein sanctificare gesehen und verstanden.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 130 Vgl. Willis, a. a. O., 3: „God means the Holy Other One, the center of whose self-disclosure is Jesus Christ as witnessed to by the power of the Holy Spirit in the scriptures of the Old and New Testaments.“ Vgl. dazu auch die Erste These der Barmer Theologischen Erklärung. 131 Goroncy, Elusiveness, 201. 132 Vgl. dazu den folgenden Abschnitt 4.2.1. 133 Willis, a. a. O., 25. Vgl. dazu auch Goroncy, a. a. O., 201: „To speak of ‚the holy‘ is to speak of none other than [the] One who has bared his holy arm in Jesus Christ and by the Holy Spirit as the ‚Holy One in our midst‘, as our Redeemer and Sanctifier. In other words, we must never think of God’s holiness (or human holiness) in abstraction from the action of the Triune God who elects, judges, saves and sanctifies humanity in Jesus Christ.“

Methodische Vorüberlegungen

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dass Gottes Heiligkeit ohne oder gar gegen das Zeugnis und Bekenntnis der Heiligkeit Gottes in Israels Glauben, wie das Erste Testament ihn vermittelt, bestimmt werden könnte, sondern dass Jesus als der Heilige Gottes den Heiligen Israels in menschlicher Form verkörpert und durch den Heiligen Geist auch denen, die Fremdlinge waren, zugänglich macht.134 (3) In und durch diesen Christus, in und durch seinen Heiligen Geist wird die Heiligkeit Gottes, sekundär und abgeleitet, auch zu Gabe und Bestimmung der Heiligen Gottes; zwischen ihnen und ihrem Schöpfer, Erlöser und Heiliger besteht dadurch eine, von Gott initiierte und keinesfalls gleichwertige, dennoch durchaus robuste und positive Beziehung als die Beziehung zwischen dem Heiligen Einen und den heiligen Vielen.135 Das Wirken des Heiligen Geistes erlaubt es daher nicht, von der Heiligkeit Gottes abgesehen von der Heiligkeit seines Volkes zu sprechen, ebenso kann die Heiligkeit der Kirche und der Gläubigen nicht ohne den Heiligen und heiligenden Gott verstanden werden.136 (4) Wenn in der Folge von den Attributen Gottes, und insbesondere von Heiligkeit als einer zentralen Beziehungsweise Gottes die Rede ist, dann wird davon ausgegangen, dass jede theologische Erörterung dieser Beziehungsweise primär nicht einer Kategorisierung von Gottes ‚Eigenschaften‘ zu scholastischen Zwecken dient, sondern dass diese Erörterung tatsächlich dem Zeugnis von und Bekenntnis zu Gott entspringt und dass sie dieses Zeugnis gleichzeitig stimulieren will. Als solche ist die theologische Diskussion der Attribute Gottes nicht mehr als „conceptual glosses on God’s name“, die jedoch gleichzeitig „indicators of God’s identity“137 zu sein anstrebt und versucht, diese Identität Gottes zu bekennen als die Identität, die Gott selbst in seinem Wirken als Schöpfer, Ver-

134 Vgl. dazu Goroncy, a. a. O., 198: „God’s holiness, like his love, is revealed in the economy of his action. The locus of this holiness-revealing activity was that nation birthed from slavery by the mercy of God and put out to live as the holy nation among all the nations to bear witness to the one true God (Ex. 15:11; 19:5–6). In the incarnation, that locus shifted as holiness tabernacled among us in Jesus Christ. At Pentecost, that locus was extended to those whom Jesus is not ashamed to call his sisters and brothers. Those who were once ‚no people‘ have come to the living Stone and are now ‚a chosen race, a royal priesthood, a holy nation, a people for his own possession, that [they] may proclaim the excellencies of him who called [them] out of darkness into his marvelous light‘ (1 Pet. 2:9).“ 135 Vgl. Willis, a. a. O., 34; siehe auch Webster, a. a. O., 5: „The triune is the Holy One in our midst; his holiness is a mode of relation to the creatures whom he sanctifies and calls to holiness.“ 136 Vgl. dazu Webster, a. a. O., 5: Theologie als „exercise of holy reason“ beschäftigt sich grundsätzlich „with the path taken by the holy three-in-one who, in the majestic fulfilment of his own freedom, elects, reconciles and perfects the creature for holy obedience. It does not think of divine holiness in abstraction from the sanctifying acts of God pro nobis, nor of human sanctity in isolation from election, salvation and the work of the sanctifying Spirit.“ 137 Webster, a. a. O., 37 (Hervorhebung: M. E.-H.). Vgl. ebd.: „All theological talk of the attributes of God traces God’s own enactment of his [holy] name.“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

söhner und Heiliger seiner Schöpfung konkretisiert und in Kraft setzt.138 Alle theologische Rede von Gottes Heiligkeit versucht daher nicht mehr und nicht weniger, als Vokabular für die theo-logische Realität des Heiligen Gottes anzubieten. (5) Mit diesem oben skizzierten Verständnis von der Heiligkeit Gottes und der Heiligkeit seines Volkes ist daher nicht primär und exklusiv an das gedacht, was im Allgemeinen unter diesem Begriff verstanden wird: nämlich kultische und moralische Reinheit, ethische Vollkommenheit und Abgesondertheit139 – „mit ‚heilig‘ ist [in der biblischen Offenbarung] zunächst nichts Ethisches gemeint, nichts von dem, an das wir denken, wenn von bestimmten Menschen als von ‚Heiligen‘ gesprochen wird.“140

4.1.3 Tiefendimension und interpretative Bekenntnisexegese Die vorhergehenden Kapitel ließen als Zwischenfazit bereits erkennen, dass zum einen moderne wie klassische Bekenntnistexte der reformierten Tradition nur unter Verzicht auf eine theologische Wahrnehmung grundlegender Unterschiede in Bezug auf ihren je eigenen Entstehungskontext, ihre Sprache und ihre theologische Pluriformität auf einen gemeinsamen dogmatischen Lehrkanon zu reduzieren wären. Eine „Theologie reformierter Bekenntnisschriften“ im Singular mit Blick auf die Vielgestaltigkeit des Zeugnisses reformierter Bekenntnisse weltweit wäre daher nur schwer vorstellbar und würde in vielerlei Hinsicht reformierter Pluriformität als kontextuellem Zeugnis des christlichen Glaubens widersprechen. Zum anderen demonstrierte aber gerade auch das letzte Kapitel zum Bekenntnisverständnis in der reformierten Tradition, dass bei aller Unterschiedlichkeit reformierter Bekenntnisse grundlegende und beständige theologische Entscheidungen und Leitmotive dem Bekennen vorausgehen und ihm 138 Vgl. Webster, a. a. O., 100: „As Father, Son and Spirit, God’s holiness is a way of indicating the ‚name‘ and ‚works‘ of God, that is, the identity which God enacts (represent in performance). Like all talk of God’s attributes, talk of God’s holiness is a conceptual attempt to point to the concreteness of God’s identity. That concrete identity is ‚enacted‘ in the sense that it is accomplished in God’s free action towards his creatures as creator, reconciler and perfecter.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 139 Ich schließe mich darin den Feststellungen von Joest, Dogmatik 1, 149, an: „In seiner Geschichten mit den Menschen erweist sich Gott als der Heilige. Wir nehmen damit eine Gottesprädikation auf, die in der biblischen Sprache allgegenwärtig und der überlieferten Frömmigkeitssprache vertraut ist, heute aber für Viele ein fremdes Wort wurde, das der Erklärung bedarf. ‚Heilige‘ soll hier nicht verstanden werden im Gegensatz zu ‚profan‘, als ob es neben einem heiligen Bereich, in dem Gott besonders gegenwärtig ist (‚heilige‘ Stätten, ‚heilige‘ Handlungen) einen Bereich von Gott gleichsam unbesetzt gelassener, neutraler ‚Weltlichkeit‘ gäbe.“ 140 Brunner, Dogmatik I, 161.

Methodische Vorüberlegungen

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folgen, und dass diese in der Tat auf gemeinsamen theologischen Grundeinsichten beruhen. Diese Grundeinsichten141 wiederum leiten sich von einer zentralen Tiefendimension reformierten Glaubens und Handelns, einer zentralen Tiefendimension reformierter Identität ab. Diese Tiefendimension ist dabei mehr als die Summe gemeinsamer Themen, Akzente oder Profile, sie auch mehr als das im vorhergehenden Abschnitt geschilderte Verständnis des Heiligen Gottes und seines heiligen und heiligenden Handeln an seinem heiligen Volk. Sie ist, primär und allem Verständnis vorausgesetzt, das Sein und Handeln des Heiligen Gottes in seiner Selbigkeit in der Beziehung mit seiner Gemeinschaft der Heiligen; die so verstandene Heiligkeit-in-Beziehung des Heiligen Gottes Gottes ist damit die uneinholbare und doch allwirksame Tiefendimension christlichen (und damit reformierten) Lebens und christlicher (und damit reformierter) Identität der Gemeinschaft der Heiligen. Die so verstandene Tiefendimension der Heiligkeit ist dabei also nicht, wie etwa bei Paul Tillich142 und Eduard Schillebeeckx143, ein ontologischer Wesenszug des Menschen als religiöses Suchen oder Religion als seine Seinswahrnehmung und –interpretation. Tiefendimension wird hier vielmehr, analog zum Verständnis von Tiefendimension wie sie Wolfhart Pannenberg in seinen Überlegungen zu Ewigkeit, Zukunft und Gegenwart verwendet,144 wie folgt verstanden: sie ergibt sich aus Gottes heiliger Initiative und wird dadurch gleichzeitig zur Realität der Glaubenden; sie ergibt sich aus Gottes eigenem Wesen und Handeln und wird dadurch gleichzeitig zum Lebens- und Beziehungsgrund von Gottes Volk. Sie ist die Tiefendimension jedes Lebensaspektes der Gemeinschaft der Heiligen und damit in besonderer Weise die Tiefendimension auch ihrer Identität. Jedes Bekenntnis, jede Verkündigung, jedes Handeln der Gemeinschaft der Heiligen wird in der Tiefe erst durch diese Dimension in der Beziehung des Heiligen Einen zu den heiligen Vielen verständlich.145 In der Perspektive dieser Tiefendimension gelesen, wird jedes einzelne Bekenntnis wie auch der (christliche) Bekenntniskorpus insgesamt Gegenstand einer interpretativen Bekenntnisexegese werden müssen, die versucht, diese 141 Welches diese Grundmotive sind, wird in Abschnitt 4.2 ausführlich thematisiert werden. 142 Vgl. dazu etwa Tillich, Die Frage nach dem Unbedingten, 40–47, und seine Ausführungen zu Religion als Tiefendimension. 143 Vgl. dazu etwa Schillebeeckx, Die Funktion des Glaubens, 70–73. 144 Pannenberg, Zeit und Ewigkeit, 202: „Weil die Zukunft Gottes die Parusie seiner Ewigkeit ist bildet sie die Tiefendimension schon der gegenwärtigen Zeit, und als solche kann sie für den Glaubenden, der auf Gottes Zukunft sein Vertrauen setzt, schon jetzt Gegenwart werden.“ 145 Damit geht das hier vorliegende Verständnis auch über das in dem von Kerner/Müller herausgegebenen Sammelband „Tiefendimensionen des Gottesdienstes“ verwandte, wenngleich es von dort hilfreiche Anregungen erhalten hat. Vgl. dazu den Beitrag von Plüss, Tiefendimensionen des reformierten Gottesdienstes.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Tiefendimension erneut zum Vorschein zu bringen und für die jeweilige Zeit und den jeweiligen Ort auszulegen. Dass jedes Bekenntnis, ähnlich wie die Bibel, immer auch einer Auslegung bedarf, ja, immer nur durch den Akt der Auslegung überhaupt erschließbar ist,146 und gleichzeitig selber Produkt nicht allein von Schriftauslegung, sondern auch von Bekenntnisauslegung ist,147 liegt auf der Hand. Jede theologische Beschäftigung mit Bekenntnistexten, die sich nicht in einer Repetition von dogmatischen Lehrsätzen erschöpft, ist dabei von vornherein Bekenntnisexegese, die analog zu Bibelkritik und -auslegung ohne Analyse von „Sitz im Leben“, Leitperspektiven, Nebenaspekten, Intention und Wortlaut, Wirkungsgeschichte des Bekenntnisses etc. das Bekenntnis zu einem a-historischen Glaubensdokument machen würde. Dadurch wäre dann den einzelnen Glaubensaussagen von Seiten der Gläubigen nur noch zuzustimmen; eigenverantwortliches Bekennen der Kirche wie der Einzelnen würde erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht werden, der Verweis auf ihre Tiefendimension und deren Erschließung ginge verloren.148 Nachdem ein Bekenntnis also zuerst sowohl auf seine theologische Mitte im Zeugnis von der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus als auch auf seine Schriftgemäßheit hin überprüft worden ist, kann und muss das einzelne Bekenntnis durch eine Auslegung im oben geschilderten Sinn nicht nur verständlich gemacht werden, sondern ebenso auch kritisch hinterfragt werden.149 In einem dritten Schritt können dann Bekenntnisse auf unterschiedliche Weise in ein Gespräch miteinander gebracht werden; und zwar Bekenntnisse aus verschiedenen kirchengeschichtlichen Epochen, verschiedenen Kontexten, mit verschiedener theologischer Sprache und Ausrichtung, ja sogar aus verschiedenen konfessionellen Kontexten. Die Kommunikation der Bekenntnisse, dieser „Wolke von Zeugen“ [Hebr 12:1], untereinander und ihrer 146 Vgl. auch zum Folgenden die kurzen Ausführungen von Härle, Dogmatik, 157–159; wobei festzuhalten bleibt, dass selbstredend jeder Akt der Deutung auch die Gefahr der Missdeutung in sich birgt. 147 Vgl. dazu oben Abschnitt 3.5.2.: Die ekklesiologische Dimension: das Bekenntnis coram ecclesiae. 148 Nicht umsonst gibt es zu den einflussreicheren Bekenntnistexten geradezu Bibliotheken von Kommentaren und Auslegungen; eine Praxis, die auch in der Gegenwart weitergeführt wird, und insbesondere an der umfangreichen Literatur zu weltweit bedeutsamen Bekenntnisse wie etwa der Barmer Theologischen Erklärung und der südafrikanischen Belhar-Erklärung deutlich wird. Bekenntnisse können aber auch schon kurz nach ihrer Annahme von eigenen Kommentaren der bekennenden Kirche begleitet werden, die den Bekenntnistext für die bekennende Kirche selbst auslegen und eröffnen wollen; vgl. dazu als prägnante Beispiele Placher/Willis-Watkins, Belonging to God. A Commentary on A Brief Statement of Faith; Dowey, A Commentary on the Confession of 1967, und Heideman, Our Song of Hope. A provisional confession of the Reformed Church in America. 149 Barth, KD I/2, 731, spricht in diesem Zusammenhang von einer Verantwortung gegenüber dem Bekenntnis, die „eine kritische, eine vielleicht sehr weitgehend kritische Verantwortung [ist]; sie bleibe aber Verantwortung!“

Methodische Vorüberlegungen

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Interpretation dienen dabei nun in erster Linie dazu, das je eigene wie ein gemeinsames Bezeugen zu stärken bzw. erst zu ermöglichen; als solches ist es ein „Bekenntnis zur Gemeinschaft der Heiligen“150. Und an genau diesem Punkt setzt das Kapitel der vorliegenden Untersuchung an, indem – in diesem Falle ausschließlich reformierte, in der Mehrheit aus dem 20. und 21. Jahrhundert stammende – Bekenntnisse von der geschilderten Tiefendimension her daraufhin untersucht werden sollen, was sie, über die im vorangegangenen Kapitel dargestellten gemeinsamen Aspekte einer reformierten Bekenntnishermeneutik151 hinausgehend, in den materialen Aussagen ihrer Lehre miteinander verbindet. Dabei werden die Lehraussagen dieser Bekenntnisse nicht wie in einer Bekenntnisharmonie nebeneinandergestellt, um deren Kohärenz und Kongruenz nachzuweisen. Auch soll und kann weder eine alle Lehrpunkte umfassende „globale“ Dogmatik anhand der unterschiedlichen Bekenntnistexte erstellt werden, noch eine „Essenz“ reformierter Lehre aus ihnen herausgearbeitet werden. Es wird auch kein Katalog dogmatischer Aussagen152 oder eine „Theologie reformierter Bekenntnisse“ aufgestellt werden können, welche dann womöglich als Ausgangspunkt und Grenzziehung einer weltweiten reformierten Identität dienen könnten. Vielmehr hat sich aus der konkreten Arbeit an den Bekenntnistexten, ihren Eigenheiten wie Gemeinsamkeiten, ein interpretativer Schlüssel angeboten, mit dem eine grundlegende Leitperspektive reformierten Bekennens und, daraus folgend, die Kommensurabilität verschiedener theologischer Themen und Formulierungen erkannt werden kann,153 welche dann wiederum zu einer Formulierung gemeinsamer Aspekte einer weltweiten reformierten Identität beizutragen vermag. Mit der hier vorliegenden interpretativen Bekenntnisexegese wird dabei nicht allein theologische Arbeit an den konkreten Bekenntnissen voraus150 Vgl. dazu z. B. Barth, a. a. O., 637f: „In jenem Bekenntnis [der Kirche zu sich selbst] ist also auch eingeschlossen das Bekenntnis: wo Kirche ist, da gibt es auch Väter, da gibt es auch Brüder im Glauben und in der Verkündigung; da dürfen und müssen die gegenwärtigen Zeugen des Wortes Gottes zurückblicken auf die ihnen vorangegangenen und hinüberblicken zu den ihnen gleichzeitigen Zeugen desselben Wortes, da wird nicht geredet, ohne zuvor gehört zu haben; da ist alles Reden eine Verantwortung jenen Vätern und Brüder gegenüber, da wird da wird diesen Vätern und Brüdern also eine bestimmt Autorität, die Autorität von vorgeordneten und als solche zu respektierenden Zeugen des Wortes Gottes zuerkannt. So gewiss das evangelische Bekenntnis das Bekenntnis zu der Lebendigkeit und zu der je und je Ereignis werdenden Gegenwart des Wortes Gottes ist, so gewiss ist es Bekenntnis zur Gemeinschaft der Heiligen.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 151 Vgl. dazu auch unten Kap. 5.1. 152 Vgl. dazu etwa oben Abschnitt. 2.1.2. 153 Vgl. dazu analog McCormacks Verständnis der „critical task of evaluating the commensurability of ideas in their differing formulations and even their differing frames of reference“ in Bezug auf die protestantische Tradition insgesamt; McCormack, Protestant Identity, 190.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

gesetzt und weitergeführt; der im Folgenden verwandte interpretative Schlüssel spielt sowohl in der Schrift Alten und Neuen Testaments, wenn auch auf je unterschiedliche Weise, wie auch in klassischen und modernen Bekenntnistexten der reformierten Tradition eine bedeutsame Rolle und wird nicht sozusagen von außen an die Dokumente herangetragen. Wie aus den einleitenden Zitaten und Worten zu diesem Kapitel schon erkenntlich wurde, wird dieser interpretative Schlüssel, diese Leitperspektive und Grundeinsicht reformierter Bekenntnisse in dem biblisch-theologischen Verständnis der „Heiligkeit Gottes“ gesehen; aus dieser Tiefendimension werden sich im Anschluss unmittelbar Konsequenzen für zentrale Aspekte reformierter Identität ergeben, die sich vorläufig in der Kurzform „der heilige und heiligende Gott und die Heiligen Gottes“ zusammenfassen ließen.

4.1.4 Cognitio Dei et nostri und die Frage nach reformierter Identität Bevor sich die Diskussion jedoch dem Thema der „Heiligkeit“ zuwenden kann, soll noch einmal auf die grundlegende Frage der vorliegenden Untersuchung Bezug genommen werden: Wie kann, anhand von Bekenntnistexten des 20. und 21. Jahrhunderts aus der reformierten Tradition weltweit eine reformierte Identität, oder genauer: gemeinsame Aspekte einer reformierten Identität bestimmt und interpretiert werden? Bisherige Ergebnisse der Untersuchung haben dabei bereits gezeigt, dass reformierte, bzw. christliche Identität immer nur denkbar und bestimmbar ist in Bezug auf Gott und mithilfe des Heiligen Geistes. Die Antwort auf die Frage nach dem reformierten Selbstverständnis ist damit intrinsisch mit dem Verständnis Gottes verbunden; die Identität der Kirche und der Gläubigen kann nicht unabhängig von der Identität Gottes gesucht und verstanden werden. Der Gott, auf den sich die reformierte Tradition bezieht, ist kein vom jeweiligen Kontext erst zu determinierendes Neutrum, dessen Vorstellung sich dann beliebig formen ließe. Es lassen sich vielmehr auch in der Beschreibung dessen, der Grund und Ziel reformierter Identität ist, also im Gottesverständnis der reformierten Tradition durch die Jahrhunderte hindurch und über alle kontextuellen Grenzen und Be-Grenzungen hinaus zentrale Schwerpunkte ausmachen, die in der Folge dann reformierte Identität entscheidend näher bestimmen. Der Identitätsbegriff wird damit explizit auf eine „Grundfrage der Theologie und des Glaubens“154 bezogen, nämlich auf Erkenntnis Gottes und des Menschen durch den Menschen, auf das seit Calvins Einleitungssätzen in der Institutio für die reformierte Tradition so bedeutsame 154 So Neuser, Calvins theologisches Leitmotiv, 28; vgl. dort auch zum Folgenden.

Methodische Vorüberlegungen

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Motiv der cognitio Dei et hominis.155 Das „Wesen“ der Menschheit und der Kirche besteht nach Calvin darin, dass ihre Existenz in ultimativer Realität in uno Deo subsistentia156 ist, also dazu bestimmt, Gott ganz zu entsprechen, so dass wahre Menschlichkeit im existentiellen Sinne weder an menschlichen Ideen noch Prinzipien erkannt werden kann,157 sondern nur an Gottes geoffenbarter Identität als Schöpfer und Erlöser158. Im 20. Jahrhundert versucht Lebendiger Glaube. Eine Erklärung des christlichen Glaubens diesen Zusammenhang des Substierens in Gott zu erklären und zu bekennen, indem sie auf das in Gott aufgehobene Geheimnis menschlicher Existenz verweist: Das Geheimnis der menschlichen Existenz besteht darin, dass wir Gott gehören und nach seinem göttlichen Bild gemacht sind. In Gott leben und bewegen wir uns, in ihm haben wir unser Sein. Darum kennen wir uns selber nur, wenn wir Gott kennen.159

Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis sind miteinander verknüpft und aufeinander bezogen,160 und dies gilt nicht nur für einzelne Individuen, sondern in gleichem Maße auch für die Kirche und ihre Traditionen: christliche Identität ist nur als Identität in Christus zu verstehen und zu bestimmen, als „Zweitakt von Tun Gottes und des Menschen Antwort darauf“161. Kurz gefasst: jede Suche nach reformierter Identität kann grundsätzlich nur mit einer Betrachtung der Identität Gottes beginnen, und erst von da aus ein reformiertes Selbstverständnis entwickeln. Stellt sich aber die Frage, wo und wie die Identität Gottes zu erkennen ist, dann geben die neueren reformierten Bekenntnisse darauf eine eindeutige und nachdrückliche Antwort: wer und was Gott ist, wird in Jesus Christus erkannt, weil Gott sich in ihm selbst zu erkennen gibt.162 Dabei wird diese Offenbarung Gottes selbst, dieser Akt der Selbstrepräsentation Gottes in Christus, 155 Calvin, Inst. 1.1.1.: „All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfass im Grunde eigentlich zweierlei: Die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis.[…] Es kann nämlich erstens kein Mensch sich selbst betrachten, ohne sogleich seine Sinne darauf zu richten, Gott anzuschauen, in dem er doch ‚lebt und webt‘. […] Selbst unser Dasein als Menschen besteht doch nur darin, dass wir unser Wesen in dem einigen Gott haben (nihil aliud […] quam in uno Deo subsistentia)!“ 156 Vgl. dazu die Übersetzung von Link, Finalität des Menschen, 164: „Selbst das, was unser Dasein ausmacht, ist nichts anderes als ein ‚Subsistieren‘ in dem einigen Gott.“ 157 Vgl. dazu Link, a. a. O., 164: „Dass unser Menschsein in Gott ‚subsistiert‘, dazu bestimmt ist, ihm zu entsprechen, heißt dann, dass unsere Menschlichkeit an keiner Idee und keinem Prinzip gemessen werden kann, die wir selbst aufstellen oder an dem Standard einer bestimmten Kultur und Moral ablesen. Das Maß der hier anvisierten Humanität, ihr Apriori gewissermaßen, ist vielmehr die Gerechtigkeit und Treue Gottes selbst.“ 158 Vgl. Calvin, Inst. 1.2.1. 159 RZH, 134. 160 Vgl. Calvin, Inst. 1.1.3. 161 Neuser, a. a. O., 47. 162 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung in Abschnitt 4.2.1. „God is Holy Mystery and Wholly Love“: Gotteserkenntnis und Offenbarung.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

bereits als Akt der Liebe Gottes bekannt, sie dient „den Menschen zu ihrem Heil“.163 Simultan wird in den neueren Bekenntnistexten der reformierten Tradition bekannt, dass in Jesus Christus nicht allein die wahre Identität des Heiligen Gottes erkannt wird, sondern dass der „Heilige Gottes“ [cf. Joh 6:69] in gleicher Weise auch wahre Menschlichkeit, ihre Identität als von Gott geschaffene, versöhnte und erlöste Menschen, offenbart.164 Jede Identitätssuche und -bestimmung im christlichen Bereich kann diesem Verständnis nach nur in christologischer Matrix vorgenommen werden, die auf ein Doppeltes schaut: wozu der Heilige Gott Kirche und Gläubige erschaffen, berufen und geheiligt hat, und inwiefern sie dieser Berufung entsprechen. Auch die Identitätssuche einer spezifischen Konfessionstradition beginnt daher also nicht etwa bei einem oder mehreren „Heiligen“ der Vergangenheit, nicht bei Zwingli, Calvin165, Schleiermacher, Barth oder anderen, sondern bei Jesus Christus und der doppelten Offenbarung, die in ihm gegeben ist: der Offenbarung der Identität Gottes und der Menschen.166

4.2

Der Heilige Gott

4.2.1 „God is Holy Mystery and Wholly Love“: Heiligende Offenbarung und Gotteserkenntnis Die Heiligkeit Gottes wird in neueren Bekenntnistexten der reformierten Tradition am offensichtlichsten im Zusammenhang mit dem Thema von Gotteserkenntnis und Offenbarung zur Sprache gebracht, anders nuanciert als in klassischen Bekenntnistexten,167 jedoch bereits hier als eine Beziehungsweise, eine 163 Eine Glaubenserklärung, RZH, 64. 164 Beispielhaft formuliert etwa Eine Glaubenserklärung von 1976: „Wir erkennen in Jesus, wozu Gott uns erschaffen hat. Er enthüllt unser Versagen, zu leben, wie er lebte. Er zeigt uns die neue Menschlichkeit, die Gott uns durch ihn verheißt.“; RZH, 184. 165 Zu Calvin als einem „Reformed saint“ vgl. etwa Selderhuis, Orientation, 4. 166 Vgl. dazu den ausführlichen Abschnitt in Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 85: „Wir glauben an Gott den Sohn. Wir glauben an Gott durch Jesus Christus, und wir sehen zuallererst an ihm, was es für einen Menschen heißt, als Sohn Gottes zu leben und dem Vater gleich zu sein, den er liebt und dem er gehorcht. Hierin sehen wir den Willen, die Absicht und die Liebe, aus denen heraus Gott die Menschen geschaffen hat; sie spiegeln sich in menschlicher Sohnschaft voll wider. Aber in der Sohnschaft Jesu sehen wir mehr als nur die Vollendung des Menschseins. Die Worte Jesu treffen uns als die Worte Gottes selbst. Die Taten Jesu treffen uns als die Taten Gottes selbst. Das erlösende Leiden Jesu trifft uns als das erlösende Leiden Gottes selbst. Alle drei, die in Jesus Sterben kulminieren, machen uns klar, dass wir Gott nicht nur durch Jesus, sondern in ihm gefunden haben.“ 167 Vgl. dazu z. B. Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 253f.

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relationale Heiligkeit in dialektischem Sinne verstanden: Gott als der Heilige ist und bleibt der „ganz Andere“, während er sich gleichzeitig im Bund mit Israel und vor allem in Christus als „heilige Liebe“, als der Heilige Vater [Joh 17:11] den Menschen zu erkennen gibt. „God is Holy Mystery, beyond complete knowledge, above perfect description.“168 Dieser Anfangssatz des Statement of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada aus dem Jahr 2006 beschreibt stellvertretend für eine große Zahl neuerer reformierter Bekenntnisschriften, wie deren Verständnis von Gott in seiner Heiligkeit bekannt werden kann und muss: Der heilige Gott „kann nicht mit menschlichem Verstand erfasst werden“169, denn „Gott ist größer als unser Verstehen. Wir verstehen nie ganz, wer Gott ist und wie er handelt. Gottes Wirklichkeit übersteigt bei weitem alles, was unsere Worte sagen können.“170 Damit unterscheiden sich die neueren reformierten Bekenntnistexte in Form und Stil von vielen der älteren Dokumente,171 die zwar auch die Heiligkeit Gottes voraussetzen und bekennen, aber dennoch in geradezu metaphysisch-philosophischer Weise172 etwa die Attribute Gottes auflisten können – besonders beispielhaft und einflussreich das zweite Kapitel des Westminster-Bekenntnisses von 1647: Unus est unicuasque, vivens ille et verus Deus: qui idem est essentia et perfectione infinitus, Spiritus purissimus, invisibilis, sine corpore, sine paritbus, sine passionibus, immutabilis, immensus, aeternus, incomprehensibilis, omnipotens, summe sapiens, summe sanctus, liberrismus, maxime absolutus.173

168 A Song of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada von 2006, 3. 169 So das Bekenntnis der Toraja-Kirche/Indonesien im Blick auf die Dreifaltigkeit, RZH, 23. Vgl. dazu etwa auch das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, a. a. O., 161: „Gottes souveräne Liebe ist ein Geheimnis, das den menschlichen Verstand übersteigt.“ 170 Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten von 1976, RZH, 177. 171 Selbstredend gilt jedoch auch und gerade für die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse, dass auch sie in keinem Fall das Geheimnis Gottes als ergründbar oder beschreibbar verstanden; vgl. dazu Stroup, Why Jesus Matters, 93: „They also knew that it is something that no words and no formula can ever adequately express because at the heart of it all is a holy mystery that finally transcends human comprehension.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 172 Vgl. dazu das Urteil Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 54, der festhält, dass sich die „Wesensbestimmung Gottes“ in den reformierten Bekenntnissen „ausschließlich im Rahmen des von der altkirchlichen und scholastischen Theologie rezipierten philosophischen Gottesbegriffs“ bewege; ebenso gelte „von mehreren der genannten positiven Eigenschaften, dass sie ihren Ursprung in der philosophischen allgemeinen Gotteslehre haben.“ 173 BSRK 547,12–21.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Hinter dieser Betonung des göttlichen Geheimnisses,174 das die Gläubigen zunächst in den Lobpreis führt, steht die Einsicht der bekennenden Kirchen, „dass Gottes Handeln in Christus und in der Kraft des Heiligen Geistes ein Geheimnis bleibt, das nie angemessen erfasst werden kann. Das Bekenntnis der Kirche muss das deutlich machen. Sie darf nicht so viel erklären wollen, dass kein Raum mehr für das Staunen bleibt.“175 Im Bekenntnis als Rede von Gott kommt der Kirche die „unmögliche Aufgabe zu, das Unnennbare, den Unnennbaren sprachlich zu vergegenwärtigen.“176 Die Bekenntnisse betonen, dass Gott in seiner Heiligkeit der ganz Andere,177 „der Freie“ bleibt;178 Gott begegnet den Menschen in seiner Heiligkeit als unbedingte, souveräne Majestät, die sich jeder menschlichen Vereinnahmung entzieht und eine „untameable nature“179 besitzt. „Gott lässt sich nicht in einem Begriff, System oder Brauch festlegen“180, wie das Neue Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972 bekennt. In akzentuierter Weise ist damit das klassisch-reformierte Thema der Souveränität und Selbstverherrlichung Gottes immer noch lebendig und von großer Bedeutung für die Bekenntnisse der Gegenwart.181 Reformierte Bekenntnisse streben an, Gott als „Holy Mystery“ zu verstehen und zu preisen, und ihn, auch und gerade im Bekenntnis, nicht in einen von Menschen erdachten Götzen zu verwandeln.182 174 Auch die Confessio Gallicana von 1559 bekennt nachdrücklich: „Indem wir so bekennen, dass nichts geschieht ohne die Vorsehung Gottes, beten wir in Demut die Geheimnisse an, die uns verborgen sind, ohne sie über unser Maß hinaus zu erforschen (Röm 1:19f; 11.33).“ Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 112. 175 Vgl., auch zum folgenden, die Diskussion bei Lukas Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 31. Siehe auch Willis, a. a. O., 3: „Confessional summaries of what is proper to God – the attributes or perfections of God – are not intended to be exhaustive; they are intended to hold together dialectically true and necessarily complementary affirmations.“ 176 Reichel, Theologie als Bekenntnis, 266. 177 Ebd. 178 Vgl. dazu auch die Diskussion der Wirklichkeit Gottes in Barth, KD II/1, §§28–31. 179 Appendix B des Song of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada von 2006, 12, spricht von der „‚untameable‘ nature of the Holy.“ 180 RZH, 37. 181 Vgl. dazu bei Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 34. Anders Small, Reformed, 21f, der am Beispiel des Brief Statement of Faith für die Presbyterian Church (U.S.A) im nordamerikanischen Kontext eine Negierung des biblischen Verständnisses Gottes heiliger Transzendenz analysiert, und ihr eine damit zusammenhängende Trivialisierung der Liebe Gottes vorwirft. Smalls Analyse ist für seine Interpretation des Brief Statements und dessen Auslegung in Predigt und Theologie im nordamerikanischen Kontext zuzustimmen; auf die Mehrzahl der reformierten Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts trifft diese Beobachtung jedoch nicht zu, sondern verweist auf ein Phänomen speziell nordamerikanischer Frömmigkeit des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. 182 So auch Busch, Reformed Strength, 29: „The people do not make their god; rather, God

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An dieser Stelle jedoch hat sofort ein entscheidendes, und in den neueren Bekenntnissen mit Nachdruck betontes „Aber“, ein für die reformierte Bekenntnistradition und Lehre nicht zu überschätzendes Argument zu folgen. In gewisser Weise, wie bereits im vorhergehenden Abschnitt betont wurde, ist das folgende Argument sogar der bisherigen Diskussion dieses Abschnittes theologisch vorauszusetzen. Bei aller Betonung der Heiligkeit Gottes als Mysterium in Souveränität und in Freiheit darf ohne eine groteske Verzerrung reformierten Verständnisses nicht übersehen werden, dass diese Heiligkeit Gottes eben nicht als rein transzendentes, den Menschen geradezu von Gott entfernendes Attribut Gottes zu verstehen ist.183 Heiligkeit wird stattdessen als Beziehungsweise Gottes verstanden, wie die Fortführung des oben zitierten Beginns des Song of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada prägnant formuliert: God is Holy Mystery, […] Yet, in love, the one eternal God seeks relationship. […] We witness to Holy Mystery that is Wholly Love.184

Damit sind zwei entscheidende Punkte angesprochen: Gottes Heiligkeit ist keine transzendente Heiligkeit in se, sondern eine Heiligkeit in relatio;185 und zweitens, diese Heiligkeit Gottes ist nur als Liebe zu verstehen, wie im folgenden Abschnitt ausführlich zu erläutern sein wird.186 Bleibt also der Heilige Gott dem Menschen an sich verschlossen, weil seine Wirklichkeit alles menschliche Verständnis übersteigt, so erschließt sich Gott in seiner Selbstoffenbarung in Christus dem Menschen und bindet sich in Freiheit an ihn.187

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makes them his own people. God is not the idolized creation of humans.“ Vgl. dazu auch Leith, The Reformed Imperative, 46.48: „The proper response to mystery […] is silence, awe, wonder, prayer. The more mystery is recognized, the more mysterious and wondrous it becomes. […] Jesus Christ transmutes the mystery into meaning.“ Vgl. dazu die Diskussion dieses Missverständnisses von Heiligkeit bei Willis, a. a. O., 1–3. Vgl. dazu auch Krötke, a. a. O., 116: „Diese heilsame Bedeutung des Unterschiedenseins Gottes von der Welt für das Leben von Menschen der Welt darf […] aber niemals mit einer abstrakten Absonderung von der Welt verwechselt werden.“ A Song of Faith der Vereinigten Kirche von Kanada von 2006, 3 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch den Aufruf des Reformierten Weltbundes, Ihr werdet meine Zeugen sein, 10: „Wir leben in Gemeinschaft mit ihm [Jesus Christus] und glauben und bekennen deshalb, dass uns keine Macht von der Liebe Gottes scheiden kann. Gleichzeitig sind wir uns der Tatsache bewusst, dass das Geheimnis der Offenbarung Gottes unser Verständnis übersteigt. Leben mit Christus bedeutet, ihn ständig neu zu entdecken.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). Vgl. dazu etwa Bavinck, The Doctrine of God, 213: „God’s holiness is revealed in his entire revelation to his people, in election, in the covenant, in his special revelation, in his dwelling among them.“ Einen besonders inspirierenden Ansatz des Verständnisses von Gottes Heiligkeit bietet DeGruchy, Holy Beauty: A Reformed Perspective on Aesthetics in a World of Ugly Injustice. Busch, a. a. O., 30, fasst dieses Verständnis zusammen, wenn er von dem „respect for the mystery and freedom of the living God who binds himself to the human being“ spricht. Er fährt fort: „It is not about some abstract difference between the infinite and the finite. It is

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

In seiner Freiheit und Liebe gibt er [Gott] sich selbst Männern und Frauen hin […] Gott, der Mächtige und Geheimnisvolle, gibt sich selbst, um unser Gott zu sein.188

Kirche und Theologie verfügen zwar weder über Gott noch über die Wahrheit des Evangeliums, sind aber in das Geschehen der „Ankunft Gottes bei uns“ mit hineingezogen.189 Immer wieder betonen dann auch die neueren reformierten Bekenntnisse nachdrücklich diesen Zusammenhang, dass obwohl „Gott größer ist als unser Verstehen“, er „sich in Jesus Christus bekannt macht“190: Gottes souveräne Liebe ist ein Geheimnis, das den menschlichen Verstand übersteigt. Menschliches Denken schreibt Gott Superlative an Macht, Weisheit und Güte zu. Aber Gott offenbart seine Liebe in Jesus Christus, indem er die Macht in Form eines Dieners zeigt, Weisheit in der Torheit des Kreuzes und Güte in der Annahme der sündigen Menschen.191 Die Dreifaltigkeit kann nicht mit menschlichem Verstand erfasst werden. Aber das Wort Gottes offenbart sie den Menschen, so dass sie aufgrund Seiner treuen Liebe zu Seiner Schöpfung angenommen und geglaubt wird. […] Jesus Christus ist das Wort Gottes, das uns zum Glauben an Ihn beruft.192 Der Gott, den die Heilige Schrift bezeugt und an den unsere christliche Kirche glaubt, ist der Vater Jesu Christi, unser Vater, der sich uns offenbart. Er offenbart sich als der Heilige Vater in der Erschaffung von Himmel und Erde und in der Geschichte Israels; als der Sohn in Jesus Christus, der Erfüllung der Offenbarung; und als der Heilige Geist in der Kirche, die sich im Namen Jesu Christi versammelt.193 Das Geheimnis und der Reichtum [Gottes] dreifältigen Wesens übersteigen jedes menschliche Begreifen, er macht sich uns bekannt durch die Offenbarung seiner selbst

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about the God of the first commandment who is the God of his covenant. This God is not an empty One beyond history. This God exists in relations, beginning with himself. Therefore this God is able to do what he does, to bind himself in his freedom within a concrete history to a certain human people, and to act, to walk, and to suffer in and with it, to deal with it in justice and grace, so that it may be a free people committed to him, so that he finally may have mercy on all.“ Eine Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales (1967), RZH, 76 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Link, Reformierte Identität, 345. So zwei Überschriften im ersten Kapitel von Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten von 1974, RZH, 177. Der Text fährt fort: „Jesu Teilhabe am menschlichen Leben ist Gottes Teilhabe. Sein Erbarmen für jeder Art Menschen ist Gottes Erbarmen. Sein Anspruch auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Treue ist Gottes Anspruch, seine Bereitschaft, Ablehnung zu erleiden, ist Gottes Bereitschaft. Jesu Liebe für eben die Leute, die ihn verwerfen, ist Gottes Liebe.“ Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 161. Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche/Indonesien, RZH, 23. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 37.

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und in dem neuen Leben, das gegeben ist durch die Liebe des Vaters, die Gnade Jesu Christi, des Sohnes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.194 Gottes Natur findet ihren Ausdruck in Jesus, dem eigentlichen Wort Gottes.195 Durch sein [Christi] Leiden, Sterben am Kreuz und Auferstehen offenbarte er die Liebe und Gerechtigkeit Gottes.196

Diese Selbstoffenbarung des Heiligen Gottes, bezeugt durch den Heiligen Geist in der Heiligen Schrift, ist also, wie oben bereits gesagt, eine sich-in-Beziehungsetzende Offenbarung: der Vater Jesu Christi offenbart sich als unser Vater, Jesus Christus als „unser Bruder“197 und der Heilige Geist als „Gott mit uns“198. Wir wissen, dass wir Gott nicht in der Tiefe seines ewigen Seins erfassen können; aber wir halten voll Vertrauen daran fest, dass Gott in Ewigkeit so ist, wie er sich selbst in seinem gnädigen Handeln an uns offenbart hat, Vater, Sohn und Heiliger Geist.199

Es bleibt allerdings zu betonen, dass auch diese Selbstoffenbarung Gottes das Geheimnis Gottes nicht auflöst;200 dass die volle Wahrheit der Selbstoffenbarung Gottes auch im Christusgeschehen nicht vollständig zu ergreifen ist – Gott vergegenwärtigt sich im Christusgeschehen selbst, gibt sich aber nicht gleichsam in die Hände der Menschen, sondern bleibt auch als der sich offenbarende ein Heiliger Gott, in Beziehung zwar, aber nach wie vor frei und souverän.201

194 Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von England von 1956, RZH, 65. 195 Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada von 1984, RZH, 137. 196 Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Taiwan von 1985, RZH, 61. 197 So z. B. im Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Taiwan von 1985, RZH, 61. 198 Vgl. etwa das Bekenntnis Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 139. Das Glaubensbekenntnis (2007) der GMIT, 199 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 86. Dieses Verständnis von Gottes Heiligkeit und Selbstoffenbarung ließe sich daher wie folgt zusammenfassen: „The full truth of incarnation, crucifixion, and resurrection remains beyond the reach of theory, but the truth is not inaccessible. Because it is all for us, for our sake, we can know, in the depth of our life, the truth of God’s reconciling love in Jesus Christ.“; Small, Reformed, 51. 200 Vgl. dazu z. B. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 84, die im Zusammenhang mit der Trinitätslehre bekennt: „Diese dreifache Erkenntnis [Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist] wollen wir hiermit zum Ausdruck bringen, nicht so, als könnten wir das Geheimnis von Gottes Wesen erklären, vielmehr um nach Möglichkeiten zu zeigen, dass dieses dreifache Wissen das Wissen um den einen Gott ist.“ Dowey, Commentary, 50, nimmt das Motiv des „Geheimnisses“ in Bezug auf die Offenbarung wieder auf, wenn er formuliert: „Throughout the Scriptures there is always a depth beyond knowing in the disclosure of mystery. In the act of revealing himself, God makes himself known as the one who is above man’s knowledge.“ 201 Vgl. dazu z. B. das Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, RZH, 206: „Der Wille Gottes ist für die Menschen [in der Person Jesu Christi] genügend bekannt, damit sie auf ihn antworten können in Anbetung, Liebe und im Dienst. Das

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Diesem Verständnis folgend wird „Heiligkeit“ in der vorliegenden Bekenntnisexegese in der Konsequenz nicht als ein einzelnes Attribut Gottes unter vielen anderen verstanden, wie es etwa das oben angeführte Zitat aus dem WestminsterBekenntnis nahelegen könnte, sondern zu einer grundlegenden Selbstbestimmung Gottes, zur „innersten Bezeichnung von Gottes Wesen“202. Noch genauer bestimmt wird damit Gottes Heiligkeit nicht allein zu einer durch die Offenbarung von den Menschen zu erkennenden Wesensbeschreibung Gottes, sondern Gottes Heiligkeit selbst ist in der Beziehung zu den Menschen die „klarmachende Klarheit“, die das, was sie verdeutlicht, gleichzeitig kommuniziert, um „für neue klare Relationen zwischen Gott und dem Menschen in der Zeit und im Eschaton zu sorgen“203. Gottes Selbstoffenbarung ist als solche selbst ein freier Akt der souveränen Gnade Gottes,204 weitaus mehr als nur eine Überbrückung der „noetic divide“205. Sie ist in sich selbst die Durchsetzung der Heiligkeit Gottes, seine sich selbst schenkende Präsenz inmitten der Heiligen, deren Gemeinschaft auf seiner Erlösung, Erwählung und Heiligung beruht; sie ist Erleuchtung und Heiligung des Volkes Gottes, wie die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949 betonen: Gott allein kann uns Gott zu erkennen geben. Es ist die Gnade des Heiligen Geistes, wenn Menschen, die in schuldhafter Ohnmacht dem Leben Gottes entfremdet sind, ihn wieder zu loben und ihm zu dienen lernen. Denn wie Gott uns schuf, als wir Feinde waren, und wie Christus uns versöhnte, als wir Feinde waren, so erleuchtet und heiligt uns der Geist, während wir in uns selbst verblendet und rebellisch sind.206

Gott bleibt dabei als der Heilige Gott stets Subjekt und Objekt seiner Offenbarung: „To speak of revelation is simply to point to God’s speaking of his own most holy name. […] Revelation is the self-giving presence of the holy God which overthrows opposition to God, and, in reconciling, brings us into the light of the knowledge of God.”207 Damit ist die Offenbarung des Heiligen Gottes der „Grund

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Geheimnis der Wege Gottes soll jedoch in der Ehrfurcht und im Stauen anerkannt werden.“ Vgl. auch Weinrich, Karl Barth, 34, zu dessen Offenbarungsverständnis. Kittel, Art. ἅγιος, 101. Mit Willis, a. a. O., 58, gesprochen: „Holiness is […] who God is eternally […]. God’s holiness is the all-embracing, all-encompassing attribute of God – or, in the language of perfections, the holiness of God is the perfection of all God’s perfections.“ Krötke, a. a. O., 116. Vgl. dazu auch Webster, a. a. O., 13: „Revelation is divine self-presentation; its content is identical with God.“ Vgl. Webster, a. a. O., 13: „Revelation is a free work of sovereign mercy.“ So Webster, a. a. O., 14: „Revelation is thus not simply bridging of a noetic divide (though it includes that), but is reconciliation, salvation and therefore fellowship. Revelation is the selfgiving presence of the holy God which overthrows opposition to God, and, in reconciling, brings us into the light of the knowledge of God. Christian theology (and confessing) is enclosed by, and does its work within, the sphere of the revelatory presence of the holy God.“ Weber, Lebendiges Bekenntnis, 39. Webster, a. a. O., 13f (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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christlichen Vertrauens“208, wie eine moderne Glaubenserklärung bekennt, nicht allein christlichen Wissens.209 Denn der Heilige Gott in seiner Freiheit ist der in „Freiheit Liebende und in der Liebe Freie“210, und so bekennen moderne reformierte Bekenntnisse, dass die Selbstoffenbarung Gottes selbst ein Akt der heiligen Liebe Gottes ist und diese gleichzeitig offenbart. In seinem Kommen in Jesus Christus, seinem Sohn, hat Gott den Menschen geoffenbart, dass er, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, der Allweise und Allmächtige, heilige Liebe ist. All sein Handeln am Menschen entspringt dieser heiligen Liebe.211 Die Dreifaltigkeit kann nicht mit menschlichem Verstand erfasst werden. Aber das Wort Gottes offenbart sie den Menschen, so dass sie aufgrund seiner treuen Liebe angenommen und geglaubt wird.212

In dieser heiligen Liebe sucht Gott alle Menschen zu retten,213 und offenbart sich „ihnen zum Heil“; die Grenzen dieser Liebe sind nicht bekannt.214 So bleibt die heilige Liebe Gottes als souveräne Liebe Gottes weiter auch Geheimnis,215 vor dem sich die Kirche in Ehrfurcht verneigt.216 Wenn die Vereinigte Kirche von Kanada in ihrem Song of Faith also bekennt: „we witness to Holy Mystery that is Wholly Love“, dann fasst sie damit in nahezu poetischer Weise zusammen, was die Mehrheit moderner reformierter Bekenntnisse aussagt,217 und was nach Cathe-

208 Vgl. Eine Glaubenserklärung (1976) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 75.79. 209 Dass beides jedoch untrennbar zusammengehört betont der Heidelberger Katechismus in Frage 21: „Was ist wahrer Glaube? – Wahrer Glaube ist nicht allein eine zuverlässige Erkenntnis, durch welche ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort geoffenbart hat, sondern auch ein herzliches Vertrauen, welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt.“ 210 Vgl. die Diskussion der „Vollkommenheiten Gottes“ in Barth, KD II/1. 211 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 64.66. 212 Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23. 213 Vgl. Erklärung des Glaubens (1959) der Vereinigten Kirche Christi in den USA, RZH, 156. 214 Vgl. dazu Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 175: „Seine Hand reicht über die hinaus, die ‚Herr‘ sagen, zu den Kindern, die im Raum des Glaubens leben, ja zu den entferntesten Sternen und Planeten – zu all Seiner Schöpfung. Die Grenzen seiner Liebe sind nicht bekannt. Sein Geist ist am Werk an den Enden der Welt, bevor die Kirche dort auch nur ein Wort gesprochen hat.“ 215 Vgl. Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 161: „Gottes souveräne Liebe ist ein Geheimnis, das den menschlichen Verstand übersteigt.“ Vgl. dazu auch Wolfhart Pannenbergs Diskussion des neutestamentlichen positiven Verständnisses von Geheimnis in § 16.2 seines Buches „Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten“. 216 Vgl. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 150. 217 Vgl. dazu auch Willis, Holiness, 55–110, der die „Eternal Love of the Holy Other“ und die „Purifying Love of the Holy Other“ mit der Bemerkung einleitet: „Being eternally love is who God is essentially, and that is what being holy means.“

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rine Gunsalus Gonzalez geradezu zum Wesenskern reformierter Gotteslehre gehört.218 Mehrfach ist es in den Zitaten und Überlegungen dieses Abschnittes bereits angeklungen, soll an dieser Stelle jedoch auch explizit noch einmal benannt werden: Die Offenbarung der heiligen Liebe Gottes findet ihr Zentrum219 den reformierten Bekenntnissen nach in Christi Leben, Tod und Auferweckung; die in der Heiligen Schrift bezeugte220 Inkarnation, Erniedrigung und Erhöhung Christi bringen den Menschen das Heil in Rechtfertigung und Heiligung. Ein Aspekt dieser Heiligung ist die Gotteserkenntnis, die dem gerechtfertigten und geheiligten Sünder geschenkt wird:221 Wir glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der Mensch wurde, um der Welt zu zeigen, wer Gott ist und was Gott in der Welt tut.222 Gott macht sich in Jesus Christus bekannt. Jesu Teilhabe am menschlichen Leben ist Gottes Teilhabe. Sein Erbarmen für jede Art Menschen ist Gottes Erbarmen. Sein Anspruch auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Treue ist Gottes Anspruch. Seine Bereitschaft, 218 Vgl. Gonzalez, Art. God, 157: „Within the Reformed tradition, the doctrine of God tries to hold in balance the sovereignty of God, the holiness of God, and the gracious love of God. […] It would be difficult to recognize as authentically Reformed any doctrine of God that compromised the sovereign omnipotence of God, or lessened the emphasis of God’s holiness.“ 219 Wo in den neueren Bekenntnistexten natürliche Gotteserkenntnis thematisiert und bekannt wird, wird ausnahmslos festgehalten, dass diese Form der Gotteserkenntnis aufgrund der Sünde keine ausreichende ist; vgl. dazu beispielhaft das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 40, welches unter der Überschrift „Die natürliche Gotteserkenntnis“ bekennt: „Im Gepräge von Gottes Geschöpfen sehen wir Absicht, Willen und Herrlichkeit Gottes in Seiner Schöpfung. Diese allein bieten jedoch keine hinreichende Möglichkeit, den dreieinigen Gott zu erkennen. […] Weil der Mensch bereits Sünder ist, kann die menschliche Kenntnis von Natur und Geschichte Gottes Offenbarung nicht ersetzen.“ 220 In diesem Zusammenhang kommt in vielen Bekenntnistexten auch das jeweilige und durchaus unterschiedlich nuancierte Schriftverständnis zur Sprache, so z. B. als „spezielle Offenbarung Gottes“ (Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23); als „Wort Gottes“, dessen Mitte Jesus Christus ist (Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, a. a. O., 19); Altes und Neues Testament werden dabei betont gleichermaßen als Wort Gottes verstanden, das „unseren Gott offenbart“ (Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, a. a. O., 38). 221 Vgl. dazu auch Goroncy, Elusiveness, 200: „The tradition has always maintained that holiness has no meaning apart from God. God is ontologically holy. Indeed, holiness is the one reality about God that is without parallel (metaphor) from within the created order. So it ought to come as no surprise that holiness can only be conceived by revelation – by giving itself to us. That God does precisely this is an expression of his freedom to be for and with the creature. That this ‚giving‘ happens in his beloved Son is assurance that God’s sovereign holiness is that which stoops down to us in merciful condescension and at great cost. Hence God’s holiness never means that God is less gracious.“ 222 Entwurf eines Glaubensbekenntnisses (1983) des Bundes Schwarzer Reformierter Christen in Südafrika, RZH, 11.

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Ablehnung zu erleiden ist Gottes Bereitschaft. Jesu Liebe für eben die Leute, die ihn verwerfen ist Gottes Liebe.223 Gottes Natur findet ihren Ausdruck in Jesus, dem eigentlichen Wort Gottes [engl. „the very Word of God“].224

Von Gott als „Heiligem Geheimnis“ kann nur gesprochen werden, wenn Christus verstanden wird als das „Geheimnis Gottes, in welchem verborgen liegen allen Schätze der Weisheit und Erkenntnis“ [Kol 2,3] 225; Christus offenbart und erfüllt Gottes „heiligen, liebenden und rettenden Plan“226; er ist „the Holy One embodied“227, und das in ihm erkennbar gemachte Wesen Gottes ist die heilige Liebe, in der Gott Schöpfer und Herrscher über alles ist, und in der sich der Heilige Gott mit dem Menschengeschlecht identifizierte: Wir sind überzeugt, dass niemand wirklich wissen kann, was es heißt, sich Gott zuzuwenden und an ihn zu glauben, oder was es heißt, sich seinem Willen zu widersetzen und seinen Plan zu missachten, solange man Gott nicht dort erkennt, wo er sich persönlich mit dem Menschengeschlecht identifizierte, nämlich in Jesus Christus.228

In der Identifikation Gottes mit dem Menschengeschlecht geschieht nun ein Doppeltes: zum einen wird dort, wie beschrieben, das Wesen Gottes deutlich, zum anderen wird in „Jesus Christus, dem wahren und echten Menschen“229, der klassischen Zwei-Naturen-Lehre Christi folgend, simultan auch das wahre Wesen der Menschheit erkannt:230 „Das Leben Jesu war ein vollkommener Ausdruck

223 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 177. 224 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 137. 225 Vgl. dazu Barth, KD IV/1, 85. 226 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68; vgl. dazu auch den Plan for Union der Joint Commission on Church Union in New Zealand (1971), RWT, 426: „In His [i. e. Jesus Christ’s] life and teaching He revealed God’s holy will, fatherly love and saving purpose.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 227 A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada: „We find God made known in Jesus of Nazareth, and so we sing of God the Christ, the Holy One embodied.“ 228 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 78. Vgl. dazu die Argumentation des Glaubensbekenntnisses (1977) der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba, a. a. O., 113: „Die Kirche glaubt an Jesus Christus. In Jesu Christus, in dem menschlichen Ereignis Jesu Christi offenbart uns Gott seine erlösende Absicht. […] Wenn die Kirche ihren Glauben an Jesus Christus verkündigt, so bekräftigt sie, dass Gott zu erkennen Jesus Christus zu erkennen heißt und dass Gott in Jesus Christus zu erkennen wirklich den Menschen zu erkennen heißt.“ 229 Vgl. Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 24; Glaubensbekenntnis (1953) der Kirche Christi in Japan, a. a. O., 34; Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, a. a. O., 43. 230 Dabei muss allerdings festgehalten werden, dass eine größere Anzahl von Bekenntnistexten die Erschaffung des Menschen und die Bestimmung des wahren Menschseins auf die imago Dei-Konzeption bezieht.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

menschlicher Liebe.“231 „In transparenter Güte verwirklichte Jesus das volle Maß des Menschseins.“232 „In Jesus Christus wurde wahre Menschlichkeit ein für allemal verwirklicht.“233 „Mit Seiner [Jesu Christi] Menschlichkeit vereint, kennen wir uns selbst, wenn wir in Ihm ruhen.“234 Diese Selbsterkenntnis enthält dabei einen Dreischritt: die Gläubigen erkennen in Jesus Christus nicht allein die wahre Menschlichkeit, sondern auch ihr Versagen gegenüber dieser wahren Menschlichkeit und schließlich die Neuwerdung der Gläubigen in wahrer Menschlichkeit: Wir erkennen in Jesus, wozu Gott uns erschaffen hat. Er enthüllt unser Versagen, zu leben, wie er lebte. Er zeigt uns die neue Menschlichkeit, die Gott uns durch ihn verheißt.235

Auf die Frage nach der Identität der Kirche bezogen heißt dies nun, dass Gottes Identität als der Heilige Gott in Christus offenbart und erfüllt ist, und dass aus diesem Akt Gottes die Identität der Kirche erwächst, erkennbar und glaubhaft gemacht wurde – und auch das Versagen der Kirche, die diese Identität immer wieder auf anderes gründete und gründet. Verstehen reformierte Bekenntnisse den Gott, den sie bekennen, also in dieser Weise als den Heiligen Gott, und sich selbst als die Heiligen Gottes, dann ist leicht ersichtlich, warum sie sich selbst und andere Bekenntnistexte immer wieder relativieren können und müssen;236 ebenso ist ersichtlich, dass sich nur schwerlich eine für alle reformierten Kirchen in allen Einzelheiten einheitliche Lehre wird finden lassen. Und dennoch eint die reformierten Kirchen eben diese Betonung der Heiligkeit Gottes, wenn sie dann auch je und je spezifisch ausbuchstabiert wird. Tatsächlich hat dieses Verständnis von Gottes Heiligkeit für alle Aspekte der Lehre der bekennenden Kirchen eine entscheidende Bedeutung, selbst wenn es in den Bekenntnistexten nicht explizit erwähnt wird: Bekennt eine Kirche, die sich selbst und ihr Bekenntnis als theozentrisch versteht,237 dann ist jeder Aspekt dieses Bekenntnisses von dem Gottesverständnis her geprägt, oder anders formuliert: der Heilige Gott ist und bleibt jedem Bekennen voraus- und ihm als lebendiges Gegenüber entgegengesetzt. 231 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 82. 232 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 77. 233 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 160. 234 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 171. 235 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 184. 236 Wie bereits oben in Abschnitt 3.4.2. Der vorläufige, temporäre und relative Charakter des Bekenntnisses diskutiert. 237 Siehe dazu oben Kapitel 3.2.1. Vgl. dazu auch L. Smit, Who is God?, 94: „For the Reformed tradition, all theology begins with the doctrine of God. […] It is a central understanding of our tradition that God is free and sovereign.“

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Dieses Verständnis und Bekenntnis Gottes als Gegenüber, als heiliger und gnädiger Vater, Schöpfer und Herrscher, und sein Wesen als das der heiligen Liebe, bestimmt reformiertes Bekennen grundsätzlich. Jeder einzelne Lehrsatz, jedes Credo ist nur von diesem Verständnis des Heiligen Gottes, Holy Mystery and Wholly Love, her zu verstehen und zu interpretieren.

4.2.2 Der Drei-Eine Gott Diese Theozentrik als besonderer Schwerpunkt reformierter Theologie ist besonders in den neueren Bekenntnistexten unmittelbar trinitarisch zu verstehen und simultan auf die christliche Gemeinde und die Welt zu beziehen; so bekennen die Texte des 20. und 21. Jahrhunderts mit großem Nachdruck, dass sich der Eine Gott in seinem Heilshandeln als Drei-Einer Gott offenbart. Die Trinitätslehre in den modernen Bekenntnissen legt dabei durchgehend größeren Wert auf ein ökonomisches denn auf ein immanentes Verständnis.238 Wenn also einige Bekenntnistexte der klassischen Ordnung folgen, und De Deo uno vor De Deo trino abhandeln, dann geschieht dies jedoch nicht um die beiden Stücke voneinander zu trennen,239 und um etwa eine abstrakte Gotteslehre zu entwickeln,240 sondern um sie, im Gegenteil, im Heilswerk der drei Personen auf den Menschen zu beziehen. Anders als in der klassischen Dogmatik wird in den modernen Bekenntnissen auch keine Lehre der attributa absoluta entwickelt, um erst darauf mit den attributa relativa bzw. operativa fortzufahren; die Eigenschaften Gottes werden als Beziehungsweisen bekannt, die der Heilige Gott in seinem Handeln an seinem Volk offenbart hat.241 Das Bekenntnis Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada vollzieht genau diese Bewegung, indem es in seinem ersten Kapitel „Gott“ sofort in seiner Beziehung zum Menschen bekennt: Es gibt nur einen wahren Gott. Ihn zu kennen heißt ewiges Leben. Ihm zu dienen heißt Freude und Frieden.242 238 Vgl. dazu auch die Diskussion in der WARC-Studie Confessions and Confessing, 16. 239 Wie in manchen Bekenntnistexten der Reformationszeit geschehen; vgl. dazu Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 57. Aber auch hier bleibt zu betonen, dass „die heilsame Gotteserkenntnis […] die Erkenntnis Gottes als des dreieinigen“ ist; a. a. O., 58. 240 Wie sie sich beispielshaft etwa in Kapitel 2 der Westminster-Confession finden lässt; der eher metaphysischen Behandlung des De Deo uno sind hier 67 Zeilen gewidmet (BSRK 547,10– 548,31), während De Deo trino in mageren 12 (BSRK 548,32–43) abgehandelt wird. 241 Vgl. dazu auch z. B. Joest, Dogmatik 1, 147: „Die Geschichte, an die wir gewiesen sind, ist ja Gottes Bestätigung seiner Beziehung zu Welt und Mensch; unter Absehen von ihr können wir keine inhaltlichen Aussagen über Gottes Wesen machen wollen.“ (Hervorhebung im Original). 242 RZH, 132.

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Unmittelbar darauf werden die Themen Schöpfung, Bund, Neuer Bund, Kirche, Schrift und Bekenntnisse abgehandelt, um schließlich aus Handeln Gottes den Schluss zu ziehen: Darum […] glauben wir an den einen Gott, die ewige Dreieinigkeit, Vater, Sohn und Heiligen Geist, drei in eins, eins in drei, gleich an Macht und Herrlichkeit. Gott ist der Vater, zu dem wir kommen. Er ist der Sohn, durch den wir kommen. Er ist der Heilige Geist, durch dessen Kraft wir kommen.243

Wenn also mit der altkirchlichen Tradition auf das Bekenntnis zur Trinität Gottes großer Wert gelegt wird, so wird doch diese Trinität nicht metaphysisch diskutiert, sondern als Erweis der Liebe Gottes bekannt, die nicht auf Spekulation begründet ist, sondern aus der Offenbarung Gottes erwächst, wie z. B. auch das Bekenntnis der Torajakirche/Indonesien bekennt: Gott ist einer. Das eine Wesen Gottes ist die Liebe, die Er uns in der Geschichte seines Erlösungswerkes in drei Personen gezeigt hat: als Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist.244 Wir glauben mit der Kirche durch die Jahrhunderte, dass Gott so ist, wie er sich in seiner Geschichte mit seinem Volk gezeigt hat: Ein Gott, der Schöpfer und Erhalter ist, Heiland und Herr, der Geber des Lebens in, unter und über uns hinaus.245

Diese Geschichte Gottes mit seinem Volk, das Versöhnungswerk des dreieinigen Gottes, ist die „eigentliche Grundlage aller Bekenntniserklärungen über Gott, den Menschen und die Welt“246, wie das Bekenntnis von 1967 einleitend festhält. Der Drei-Eine Gott wird als der er-kannt und be-kannt, der der Gott der Menschen ist; die Trinitätslehre artikuliert „how God’s holiness is known in his covenant-creating and covenant-sustaining acts.“247 Damit ist die Heiligkeit Gottes, der wir in und durch Jesus von Nazareth begegnen, zu verstehen als eine „encountered holiness; holiness in action“, und nicht als ein das Wesen Gottes in se beschreibendes Attribut unter anderen möglichen Attributen und ohne direkten Bezug auf Gottes Handeln.248 Die Trinitätslehre ist also für die Bekennt243 A.a.O., 133. 244 RZH; 22 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Ähnlich auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, a. a. O., 177. 245 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 189. 246 So das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA; RZH, 160. 247 Webster, Holiness, 48; Webster fährt fort: „God’s holiness is precisely that which is made known in his mercy, in his coming to the aid of his people, in his taking up their cause, in his bearing their sin, in his purifying of them and in his binding them to his own life.“ 248 So A. Burgess, Salvation as Judgment and Grace, 50: „While we must always acknowledge that God’s reality is in the first instance the reality of God in se – the reality of God prior to all creation, and all relationship with creatures – we must also say that the holiness of this God is

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nisse nicht so sehr als Maßstab und Richtschnur für Orthodoxie von Bedeutung, sondern vielmehr als konkreter Ausdruck der Erkenntnis des offenbarten Heilshandeln Gottes, das die Kirche zu dem Bekenntnis führt, dass der „eine Gott […] Vater Jesu Christi und Vater aller Menschen“249 und damit der Tröster und der Trost ist – Gott wird bekannt als „the One on whom our hearts rely“250. Während die Mehrheit der Bekenntnistexte zwar dieser noetischen Bewegung folgt, und die Erkenntnis Gottes in und durch Christus betont, hält sie sich doch in der Behandlung der Stücke an die klassische Anordnung Vater – Sohn – Heiliger Geist. In einigen der neueren Dokumente, herausragend unter ihnen das Bekenntnis von 1967 und das Brief Statement of Faith (beide aus den USA) spiegelt sich diese Erkenntnis jedoch auch in ihrer trinitarischen, an die apostolische Benediktion (2 Kor 13.13) angelehnten Struktur wieder, beide Texte beginnen mit dem zweiten Artikel.251 Die Einleitungsworte des Brief Statements etwa zitieren diese Bibelstelle in Verbindung mit der ersten Frage des Heidelberger Katechismus, den Eingangsworten der Confessio Scotica252 sowie der ersten These der Barmer Theologischen Erklärung und bekennen den dreieinigen Gott als den Heiligen Einen Israels253: Im Leben und Tod gehören wir Gott. Dank der Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der Liebe Gottes, und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes vertrauen wir auf den einen dreieinigen Gott, den Heiligen Einen Israels, den allein wir anbeten und dem allein wir dienen.254

Dieses Vertrauen, dieser „Trost“ wird in den folgenden Artikeln dann näher bestimmt:

249 250 251 252 253 254

an encountered holiness; holiness in action. Within the history of God’s covenant with creation, this means holiness in relation. God’s holiness cannot be defined as ‚sheer difference‘ or as ‚infinitely greater holiness‘; such definitions may point to a truth, but this kind of abstraction does not capture the holiness we encounter in and through Jesus of Nazareth. That holiness cannot be ascribed to God merely as an attribute – one among many – but is, rather, shorthand for the integrity of God’s act and being.“ Glaubenserklärung (1958) der Kirche Jesu Christi in Madagaskar; RZH, 225. A Song of Faith (2008) der Vereinigten Kirche von Kanada, 3; vgl. dazu auch die Diskussion „Naming the Holy“, a. a. O., 12. Das Bekenntnis von 1967 unterteilt den ersten Teil „Gottes Versöhnungswerk“ dementsprechend in Sektion A „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“, Sektion B „Die Liebe Gottes“, und Sektion C „Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes; RZH, 160–162. „Confitemur atque agnoscimus unicum Deum, cui uni adhaerere, uni servire, quem unum colere debeamus, in quo uno collocemus omnem spem salutis.“ BSRK 249,33–35. Das englische Original lautet „Holy One of Israel“ und würde im Deutschen eher mit „der Heilige Israels“ zu übersetzen sein. Krieg, Werkbuch, 150.

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Wir vertrauen auf Jesus Christus, vollkommen Mensch, vollkommen Gott. […] Wir vertrauen auf Gott, den Jesus Abba nannte, Vater. […] Wir vertrauen auf den Heiligen Geist, überall der Geber und Erneuerer des Lebens.255

Der Drei-Eine Gott wird hier also nicht abstrakt erkannt, sondern als der bekannt, der sich zu den Menschen in Beziehung gesetzt hat, und damit die Beziehung der Menschen zu ihm selbst ermöglicht; die Heiligkeit des Drei-Einen Gottes ist gemeinschaftsstiftende Heiligkeit.256 Mit dem Bekenntnis von 1981 der Torajakirche lässt sich damit der intrinsische Zusammenhang von Trinität, Wesen Gottes und Liebe abschließend wie folgt zusammenfassen: Gott ist einer. Das eine Wesen Gottes ist die Liebe, die Er uns in der Geschichte Seines Erlösungswerkes in drei Personen gezeigt hat: als Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist.257

4.2.3 Der Heilige Gott: Die heilige und heiligende Liebe des „Vaters“ Ist das Wesen des Heiligen Gottes offenbart als „wholly love“, als vollkommene heilige und heiligende Liebe, so ist weiter nach dem Zeugnis reformierter Bekenntnisse zu fragen, die diese Liebe Gottes konkret und für ihren Kontext wie für die ganze christliche Kirche bekennen. Bevor jedoch Gottes heilige und heiligende Liebe als Schöpfer, Bewahrer und Erwähler (4.2.3.2.), als gerechter Richter und Advokat (4.2.3.3.) und als Versöhner, Tröster und Hoffnung (4.2.3.4.) exemplifiziert und auf die Identität der Heiligen Gottes bezogen werden kann, soll diesen Überlegungen ein Abschnitt vorangestellt werden, der die erste Person der Trinität als den „Heiligen Vater“ Jesus Christi und als „Unseren Vater im Himmel“ (4.2.3.1.) thematisiert. Dabei ist den folgenden Überlegungen allerdings dreierlei vorauszuschicken, um möglichen Missverständnis zu begegnen: (a) Der Ablauf der Darstellung von Vater – Schöpfer – Richter – Versöhner folgt dem in der Mehrzahl der reformierten Bekenntnisse anzutreffenden Abfolge, ist aber keine noetische Notwendigkeit. Im Gegenteil, „Versöhnung, Trost 255 A.a.O., 151f. 256 Vgl. Webster, a. a. O., 9: „The holiness of the triune God is a holiness which directs itself to God’s creatures as fellowship-creating holiness. God the thrice Holy One is the Holy One in our midst, and so holiness is a relational concept, a way of confessing that we encounter the Holy One in his works as Father, Son and Spirit or not at all.“ (Hervorhebungen: M.E.-H.) Vgl. dazu auch Krötke, Gottes Klarheiten, 165: „So ist in der Heiligkeit Gottes die Selbstmitteilung begründet, die sich in der Liebe vollendet.“ 257 RZH, 22. Vgl. dazu auch den Plan for Union (1971) der Joint Commission on Church Union in New Zealand, RWT, 476: „There is one living and true God. God is love and makes Himself known as Father, Son, And Holy Spirit – One God, the Trinity.“

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und Hoffnung“, die hier am Ende behandelt werden, dienen in vielen Bekenntnissen als Erkenntnisschlüssel gerade auch für Schöpfung, Erwählung und Gericht. Anders formuliert: der sich erbarmende und versöhnende Gott wird als Schöpfergott und Richter offenbart, geglaubt und bekannt. (b) Liegt auch in den folgenden Überlegungen zur heiligen und heiligenden Liebe Gottes der Schwerpunkt auf dem Wirken der ersten Person der Trinität, so sind doch selbstredend christologische und pneumatologische Aspekte simultan mitzudenken, bzw. an späterer Stelle anzufügen. An dieser Stelle sei bereits erneut darauf verwiesen, dass dem Verständnis reformierter Bekenntnisse der Gegenwart nach Gottes Heiligkeit als heilige und heiligende Liebe sich in Jesus Christus manifestiert und offenbart, und im Wirken des Heiligen Geistes erfahrbar wird. Die Überlegungen zur christologischen und pneumatologischen Interpretation der Heiligkeit Gottes im Abschnitt „Der Heilige Gottes: Jesus Christus als der ‚Holy One Embodied‘“ und „Der Heilige und heiligende Geist Gottes: Gott mit uns“ hätten den folgenden Überlegungen daher auch vorausgestellt werden können. (c) Wie in den reformierten Bekenntnissen mit Nachdruck betont wird, ist Gottes heilige und heiligende Liebe die eine Liebe des Heiligen Gottes in Versöhnung und Gericht gleichermaßen. Gottes Heiligkeit manifestiert und offenbart sich als eben diese heilige Liebe in Gnade und Gericht, Erbarmen und Gerechtigkeit, die nicht als Oppositionspaare zu verstehen sind.258 Die Heiligkeit Gottes ist als heilige Liebe Gottes wahrlich, d. h. der Offenbarung Gottes in Christus entsprechend,259 heilig, indem sie Heiligkeit in adverso et in relatio ist: Sie ist als heilige Liebe „ein verzehrendes Feuer der Reinheit und doch zugleich warme und zärtliche Zuneigung“260, wie das Bekenntnis Lebendiger Glaube bekennt;261 die Herrschaft des Heiligen Gottes ist „gerechte und liebende Herrschaft 258 Von großer Bedeutung ist dieses Verständnis der heiligen und heiligenden Liebe Gottes im Christusgeschehen, in dessen Gänze Liebe und Gerechtigkeit Gottes offenbart wurden; vgl. dazu z. B. das Glaubensbekenntnis (1985) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan, RZH, 61: „Sein [Gottes] Sohn wurde als Mensch geboren von der Jungfrau Maria, wurde unser Bruder, der Heiland der Menschheit, Jesus Christus. Durch sein Leiden, Sterben am Kreuz und Auferstehen offenbarte er die Liebe und Gerechtigkeit Gottes.“ Vgl dazu auch insbesondere das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, a. a. O., 161: „Gotte Liebe ändert sich nie. Gegenüber allen, die sich ihm widersetzen, drückt Gott seine Liebe in Zorn aus. In derselben Liebe nahm Gott das Gericht und den schändlichen Tod in Jesus Christus auf sich, um Menschen zur Buße und zu neuem Leben zu bringen.“ 259 Vgl. dazu RZH, 134: „Wir sind überzeugt, dass Gottes Absicht [in und mit der Schöpfung] von Gerechtigkeit und Liebe getragen ist, auch wenn in dieser Welt das Böse die Oberhand zu haben scheint. Diese tiefste Absicht ist auf einzigartige Weise in Jesus Christus offenbart worden.“ 260 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 150. 261 Vgl. dazu auch Heppe/Bizer, Dogmatik, 52: „Die Heiligkeit Gottes manifestiert sich im allgemeinen als vollkommene Güte und Liebe und als vollkommene Gerechtigkeit.“

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über alles“262. Die Heiligkeit Gottes, in Christus manifestiert und im Heiligen Geist Gottes Kirche mit-ge-teilt, wird dementsprechend als „purifying love“263 erfahren, die die beiden genannte Aspekte umschließt.264 Der „Heilige Vater“ Jesu Christi – „Unser Vater im Himmel“ Kaum eine andere biblische Stelle fasst die in den vorausgegangenen Abschnitten dargelegte Heiligkeit Gottes in vielen ihrer Aspekten so prägnant zusammen wie das sog. Hohepriesterliche Gebet oder Abschiedsgebet Jesu im 17. Kapitel des Johannesevangeliums. Jesus betet zu Gott, seinem heiligen (V. 11) 265 und gerechten (V. 25) Vater, bittet um seine eigene Verherrlichung (V. 1–5), wie um die Verherrlichung und Heiligung der Jünger (V. 6–9), um die Einheit (V. 20–23) und Vollendung der Gläubigen (V. 24–26). Die Heiligkeit in Gerechtigkeit dieses liebenden Vaters Jesu ist unmittelbar mit der Heiligung der Jesu Übergebenen verbunden; für sie bittet Jesus um die Bewahrung in Gottes Namen, um Heiligung in Wahrheit, um vollkommene Einheit, damit die Welt Gottes Liebe in Christus erkenne, um die Anwesenheit der Liebe Gottes in ihnen.266 Heiligkeit ist auch hier nicht das weltabgewandte, von der Welt scheidende Attribut eines vollkommen transzendenten Gottes, sondern als Beziehungsweise die Bezeichnung der Einzigartigkeit, Souveränität und Uneinholbarkeit des sich selbst in Relation setzenden Gottes, dessen Wesen Liebe ist. Dieser Heilige Vater ist es, den auch die neueren Bekenntnistexte der reformierten Tradition als den Vater Jesu und „unseren Vater im Himmel“ bekennen und voraussetzen. Dabei sind jedoch für die neueren Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition vier aufschlussreiche Beobachtungen festzuhalten: (1) In der Hauptsache wird die biblische Metapher „Vater“ in den Bekenntnistexten in trinitarischen Doxologien, bzw. deren Explikationen verwandt, ohne jedoch in einem eigenen Abschnitt ausführlich beschrieben zu werden. Das Be262 Eine Glaubenserklärung (1976), RZH, 177. Vgl. dazu auch die Feststellung von Kraus, Systematische Theologie, 267: „Der Heilige Israels […] ist nicht ‚das Heilige‘ Rudolf Ottos und all jener, die das Religiöse im ‚Heiligen‘, im Numinosen repräsentiert sehen. Die Heiligkeit Gottes ist die Einheit seines Gerichtes mit seiner Gnade. Der kommende Gott ist darin heilig, dass seine Gnade Gericht und sein Gericht Gnade in sich schließt. Gottes Liebe ist heilig. Sie lässt sich nicht annektieren.“ 263 Willis, Holiness, 90. 264 Goroncy, Elusiveness, 204, fasst dieses für die folgenden Überlegungen entscheidende Verständnis hilfreich zusammen: „As it must if holiness is to be truly holy, God’s holiness descends on humanity as love, assails sin as grace, and exercises grace through judgement.” Vgl. dazu auch die hilfreiche Diskussion bei A. Burgess, Salvation as Judgment and Grace. 265 Nur an dieser einzigen Stelle bezeichnet Jesus Gott als den „heiligen Vater“; bei den Synoptikern und in den Briefen taucht diese Bezeichnung nicht auf. 266 Aus der umfangreichen Literatur zu dieser Bibelstelle sei hier nur auf Wengst, Johannesevangelium 2, 185–209, und die dort diskutierte Literatur verwiesen.

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kenntnis zu „Gott, dem Vater“ erhält dadurch in der Mehrzahl keine eigenständige Bedeutung, sondern wird nur in trinitarischem Rahmen verstanden und bekannt, wie es der doxologische Rahmen etwa des Belhar-Bekenntnisses vorführt:267 Wir glauben an den dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist, der seine Kirche durch sein Wort und seine Geist versammelt, schützt und für sie sorgt […] Dem einen und einzigen Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist, sei Ehre und Herrlichkeit jetzt und immerdar.268

Das Neue Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea bekennt Gott als den „Heiligen Vater“ und scheint sich in seiner Beschreibung auf die oben zitierten Abschiedsreden Jesu in Joh 17 zu beziehen, wenn es bekennt: Der Gott, den die Heilige Schrift bezeugt und an den unsere christliche Kirche glaubt, ist der Vater Jesu Christi, unser Vater, der Sich uns offenbart. Er offenbart sich als der Heilige Vater in der Erschaffung von Himmel und Erde und in der Geschichte Israels, als der Sohn in Jesus Christus, der Erfüllung der Offenbarung; und als der Heilige Geist in der Kirche, die sich im Namen Jesu Christi versammelt. Wir begegnen einem Gott in drei Personen und drei Personen in einem Gott.269

Tatsächlich hat das Bekenntnis zu Gott als dem Vater in vielen Bekenntnissen nicht viel mehr als den Charakter eines Zitates entweder des ersten Artikels des Apostolikums270 oder doxologischer Formeln der Bibel.271 Daneben gibt es auch eine Anzahl von Bekenntnistexten, die diese Gottesbezeichnung – aus unterschiedlichen Gründen – in ihr aktuelles Bekennen überhaupt nicht übernehmen und sich auf andere Namen Gottes beschränken.272 (2) Dass die Bezeichnung der ersten Person der Trinität als „Vater“ für Bekenntnisse der Gegenwart sogar zum Problem werden kann, wird in einigen 267 Vgl. dazu den vorhergehenden Abschnitt 4.2.2. 268 RZH, 7.9; im restlichen Text des Bekenntnisses wird die Bezeichnung „Vater“ nicht mehr aufgenommen. 269 RZH, 37 (Hervorhebungen: M. E.-H.); außer in diesem Abschnitt wird auch in diesem Bekenntnis „Vater“ nicht wieder aufgenommen. 270 Vgl. dazu zum Beispiel RZH, 31. 271 Vgl. als eines von vielen möglichen Bekenntnissen Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterianischen Kirche von England (1956), RZH, 65: „Das Geheimnis und der Reichtum seines dreifältigen Wesens übersteigen jedes menschliche Begreifen, er macht sich uns bekannt durch die Offenbarung seiner selbst und in dem neuen Leben, das gegeben ist durch die Liebe des Vaters, die Gnade Jesu Christi, des Sohnes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.“ 272 So zum Beispiel ein Glaubensbekenntnis der Schweizerischen Evangelischen Synode von 1986 und dem Credo von Kappel (2008); Krieg, Werkbuch, 144f.; so auch Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), das Grundlegende Bekenntnis der Karo-Batak-Kirche (1979), und Ein Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche von Kanada (1968/1980), Unser Lied der Hoffnung der Reformierten Kirche in Amerika (1974).

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Bekenntnistexten, bzw. deren Kommentaren explizit thematisiert. So schließt z. B. das Brief Statement der Presbyterian Church (U.S.A.) auf traditionelle Weise mit der Doxologie „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“273, bekennt jedoch bewusst im zweiten Artikel des Bekenntnisses das „Vater-Sein“ der ersten Person der Trinität mit den folgenden Worten: Wir vertrauen auf Gott, den Jesus Abba nannte: Vater. […] Wie eine Mutter, die ihren Säugling nicht verlassen wird, wie ein Vater, der eilt, den verlorenen Sohn zu begrüßen, ist Gott immer noch treu.274

Das Brief Statement strebt zweierlei mit diesen Formulierungen an:275 zum einen will es im und mit dem Bekenntnis verdeutlichen, dass die Bezeichnung „Vater“ für die erste Person der Trinität auf Jesus zurückgeht, dass aber gleichzeitig diese Bezeichnung eine intime Relation („Abba“) zwischen Vater und Sohn bezeichnen soll, nicht aber dem Analogiebegriff „Vater“ einen Offenbarungscharakter zumisst.276 Zum zweiten will das Brief Statement mit der Aufnahme anderer biblischer Metaphern (wie eine Mutter…) veranschaulichen, dass biblische Gottesbilder über die eindimensionale Bezeichnung Gottes als des Vaters hinausgehen und viel mehr Material auch für Bekenntnistexte bieten. Indessen stehen kontemporäre Bekenntnisse dabei immer auch in der Gefahr, über die Aufnahme weiblicher Gottesbezeichnungen (und hier gerade der der „Mutter“) tradierte Geschlechterrollen im Bekenntnis auf Gott zu perpetuieren, etwa wenn das Glaubensbekenntnis der Christlichen Evangelischen Kirche auf Timor von 2007 Gott auf der einen Seite als „allmächtigen Vater“ bekennt und Gott andererseits als den beschreibt, der „uns aufzieht und für uns sorgt wie eine Mutter.“277 Der Song of Faith aus Kanada dagegen bekennt weitaus offener und weniger geschlechterstereotyp: With the Church through the ages, we speak of God as one and triune: Father, Son, and Holy Spirit. We also speak of God as Creator, Redeemer, and Sustainer; God, Christ, and Spirit; Mother, Friend, and Comforter; Source of Life, Living Word, and Bond of Love, and in other ways that speak faithfully of the One on whom our hearts rely, the fully shared life at the heart of the universe. We witness to Holy Mystery that is Wholly Love.

273 Krieg, Werkbuch, 152. 274 A.a.O., 151. 275 Zum Gebrauch inklusiver Sprache und Metaphern in diesem Bekenntnis vgl. insbesondere Martin, Inclusive Language, und Ernst, In Leben und Tod gehören wir Gott, 450–457. 276 Vgl. dazu den Kommentar bei Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 93–95; die sich hier auf Karl Barth, KD I/1, 410, beziehen: „Mit dem Namen ‚Vater‘ bezeichnen wir ja den menschlich-natürlichen Urheber unserer Existenz. Aber unser menschlich-natürlicher Vater ist nicht unser Schöpfer. Er ist nicht Herr unseres Daseins, nicht einmal Herr unseres Lebens, geschweige denn unseres Todes. Indem die Schrift Gott unseren Vater nennt, nimmt sie eine Analogie auf, um sie sofort zu durchbrechen.“ 277 Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 96.

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Es ist die Heiligkeit Gottes, seine „untameable nature“278, die jeder menschlichen Festlegung Gottes auf eine Bezeichnung, ein Geschlecht wehrt, wie Appendix B des Song of Faith explizit festhält: The use of exclusively male language and metaphors to refer to God distorts our understanding of a divine being who transcends the human categories of gender. The statement employs and honours the traditional image of the Trinity (Father, Son, and Holy Spirit), but also offers other images, such as Mother, Friend, Comforter, Source of Life, Living Word, Bond of Love. Words are a significant means of understanding and relating to the Holy, and the statement of faith recognizes the adequacy of all images or metaphors that speak faithfully of ‚the One on whom our hearts rely.‘ However, the first designation of God in the statement of faith, that of Holy Mystery, serves as a reminder that all subsequent attempts to name the Divine are simply that – attempts to describe a reality that is always greater than human language can encompass. At times the use of inclusive language demands a certain amount of ‚verbal gymnastics‘ or awkwardness of phrasing, and perhaps this is not a bad thing. It reminds us that the object of worship is ultimately God and not our images of God.279

(3) Andere Bekenntnisse dagegen machen ausführlichen Gebrauch von dieser Analogie und benutzen „Vater“ durchgängig, allerdings wiederum mit prägnanter Betonung insbesondere des Vertrauensverhältnisses, welches durch diese Analogie assoziiert werden soll wie die Genfer Déclaration de Foi von 1992: Angesichts der Unsicherheiten unserer Zeit vertrauen wir auf den lebendigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Vater aller Menschen.280

Der Schöpfer in seiner Allmacht und Gnade ist der Vater aller Menschen – das weiß und bekennt die Kirche durch und im Sohn des Vaters, Jesus Christus;281 als Vater Jesu ist er „unser Vater im Himmel“. So „bekennt und erklärt“ die Kirche Jesu Christi in Madagaskar in ihrer Glaubenserklärung von 1958 „ihren Glauben an einen Gott, den Vater Jesu Christi und Vater aller Menschen in Jesus Christus.“282 Damit folgen die modernen Bekenntnissen der Auslegung insbesondere auch des Heidelberger Katechismus, der in Frage 26 bekennt: Ich glaube, dass der ewige Vater unsers Herrn Jesu Christus um seines Sohnes willen mein Gott und mein Vater ist. […] Auf ihn vertraue ich und zweifle nicht, dass er mich mit allem versorgt, was ich für Leib und Seele nötig habe und auch alle Lasten, die er mir

278 Appendix B „On the Language and Form of the Statement of Faith“, 12, des genannten Bekenntnisses. 279 Ebd. (Hervorhebungen: M. E.-H.). 280 Krieg, Werkbuch, 158 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 281 Vgl. Eine Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales (1967), RZH, 85. 282 RZH, 225.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

in diesem Leben auferlegt, mir zum Besten wendet. Er kann es tun als ein allmächtiger Gott und will es auch tun als ein getreuer Vater.283

(4) Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die Confession for the 21st Century der Presbyterian Church in Korea von 2001 dar, die durchgängig eine vater-zentrierte trinitarische Theologie mit patriarchaler Logik verwendet, mit dem Resultat, dass „what both the Son and the Spirit do is quite ambiguously treated and overshadowed by what the Father does. The end result is that the Son and the Holy Spirit seem to remain agents of God the Father.“284 Neben konservativer, durch Mission aus dem Westen importierter Theologie macht der koreanische Theologe Jae-Buhm Hwang als Ausleger des Bekenntnisses dafür insbesondere die historischen und kulturellen Wurzeln dieses Verständnisses koreanischer Kirchen im Konfuzianismus verantwortlich: „It is very likely that Confucian patriarchalism, which is pervasive in the Korean Christian mind, has caused the authors of the Confession to formulate their trinitarism in a patriarchal, Father-centered way.“285 Dieses patriarchale Verständnis der Trinität insgesamt und die sich daraus auch für Kirche und Verkündigung ergebenden Konsequenzen, etwa in der Marginalisierung von Frauen, müssen in ihrem Zusammenhang verstanden und kritisiert werden;286 dabei kann gerade das Zeugnis gegenwärtiger (und klassischer) Bekenntnistexte nicht nur der reformierten Tradition zum Verständnis Gottes als „Vater“ beitragen. Was dieses „Vater-Sein“ Gottes nun genau bedeutet bekennen reformierte Bekenntnisse, indem sie die Offenbarung Gottes als des Heiligen Vaters insbesondere in Schöpfung, Bewahrung und Erwählung287 nachzeichnen, wie der nun folgende Abschnitt entwickeln wird. Schöpfer, Bewahrer und Erwähler Kontextualität und Zeitbezogenheit reformierter Bekenntnisse der Gegenwart werden an dieser Stelle besonders deutlich und erkennbar: Gott als Schöpfer, die Schöpfung insgesamt als Produkt und Gegenüber von Gottes „souveräner Liebe“288 und „souveräner Fürsorge“289 nehmen gegenüber den klassischen refor283 Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 159 (Hervorhebungen: M. E.H.). 284 Hwang, New Confession, 139. 285 Hwang, a. a. O., 140. 286 So Hwang, a. a. O., 138–140: „The problem of a Father-centred or patriarchal trinitarian logic“. 287 Vgl. Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (1972), RZH, 37. 288 So das Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 161. 289 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 134: „Alles, was in dieser Welt geschieht, steht unter der souveränen Fürsorge des ewigen Gottes.“

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mierten Bekenntnistexten einen weitaus größeren Raum ein und werden explizit und ausführlich thematisiert. Das Thema der Schöpfung in den unterschiedlichsten Facetten hat gerade in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts eine in der Geschichte christlichen Bekennens zuvor nicht bekannte Dringlichkeit erhalten, die sich in verschiedenen Texten in großer Deutlichkeit widerspiegelt, gar zum Anlass erneuten Bekennens angesichts der globalen ökologischen Krise werden kann.290 So werden in vielen Texten die schaffende und bewahrende Aktivität Gottes in einem Atemzug genannt – und als Trost und Hoffnung der Schöpfung verstanden: Wir glauben an Gott, den Schöpfer. Ihm allein verdanken wir alles Leben. Außer ihm ist niemand, der Leben schaffen und zerstörtes Leben neu ins Dasein rufen kann. […] Gott, der Schöpfer und Erhalter dieser Erde, zieht seine Hand nicht zurück. Gegen alle Mächte, die zerstören, bleibt er der Herr über alle Kreatur. Dafür danken wir.291 Wir sind überzeugt, dass die Welt Gottes Werk ist, und sie ist gut. In ihrem ganzen Dasein regiert er sie so, dass sie am Ende seinem guten Plan völlig entsprechen wird.292 Gott gibt seine Schöpfung nicht preis und verlässt sie nicht, sondern in seiner Liebe regiert und erhält Gott seine Schöpfung vom Anfang bis zu ihrem Ende in treuer und gerechter Weise und errettet sie.293 Gott schafft und herrscht. Der lebendige Gott ist der Herr, der Schöpfer aller Dinge und der Herrscher über das Universum. […] Alles, was in dieser Welt geschieht, steht unter der souveränen Fürsorge des ewigen Gottes. […] Gott ist ständig am Werk in der Welt und in unserem Leben und führt alle Dinge auf die Erfüllung in Christus hin.294 Leben hat seinen Ursprung in Gott. In Gott findet es seine Erfüllung, in ihm wird seine Bedeutung in vollem Umfang offenbar werden. Die ganze Schöpfung wird in Gott ihre Erfüllung finden.295

Noch spezifischer bekennen einige der neueren Texte die Erkenntnis Gottes als Herr, Schöpfer und Bewahrer, bzw. Versöhner der Welt, von einer christologische Perspektive aus und machen damit deutlich, dass auch und gerade Schöpfung und Neuschöpfung nicht ohne Christus zu verstehen sind:

290 So war eine der Herausforderungen christlichen Bekennens, denen sich das Brief Statement of Faith gegenübergestellt sah, insbesondere die globale ökologische Krise „in einer gebrochenen und verängstigten Welt“, a. a. O., 161; vgl. dazu Ernst, a. a. O., 445–450. 291 Ein Glaubensbekenntnis (1987) der Schweizerischen Evangelischen Synode, Krieg, Werkbuch, 144. 292 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 87. 293 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), RZH, 16. 294 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche in Kanada, RZH, 133f. 295 RZH, 154.

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Die Macht der Liebe Gottes in Christus, die Welt zu verändern, zeigt, dass der Erlöser der Herr und Schöpfer ist, der alle Dinge geschaffen hat, damit sie dem Plan seiner Liebe dienen.296 Gott erschuf und herrscht in Liebe. Gott erschuf alle Welten, die es gibt, und erhält und regiert alles. Wir bezeugen, dass das Weltall durch die Macht von Gottes Wort und Geist besteht. Gott hat es gefallen, ihm das Dasein zu geben aus der Liebe heraus, die wir in Christus kennengelernt haben.297

Verstanden als heilige Liebe Gottes ist der Schöpfungswille Gottes daher nicht ohne den Bewahrungs- und Versöhnungswillen Gottes zu verstehen; an diesem Punkt greifen in den neueren Bekenntnistexten Providenz- und Erwählungslehre häufig ineinander: Gottes Vorsehung und „vorausblickende Fürsorge“298 als Schöpfergott gelten der ganzen gefallenen Welt;299 er handelt „nach Gerechtigkeit und Erbarmen, um die Schöpfung wiederherzustellen“300; seine „Fürsorge und Liebe gilt gleichermaßen den Gläubigen und Ungläubigen (Mt 5:45)“301. Als Teil von Gottes universalem Heilsplan erwählt sich Gott ein heiliges Volk302, das nicht allein die Vorsehung Gottes und seinen Heilsplan offenbart, sondern dass auch beauftragt ist, Teil dieses Heilsplanes zu sein.303 Drei Beobachtungen sind hier von Bedeutung: (a) der in den modernen Bekenntnistexten vielfach verwandte Begriff des „Heilsplanes“304 deutet darauf hin, dass Gott in einem den klassischen 296 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 161. Die etwas umständliche deutsche Übersetzung erschwert das Verständnis dieses christozentrischen Schöpfungsverständnisses, im englischen Original lautet das Zitat: „The power of God’s love in Christ to transform the world discloses that the Redeemer is the Lord and Creator who made all things to serve the purpose of his love.“ RWT, 207. 297 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 178. 298 Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, RZH, 207. 299 Vgl. zum Beispiel ebd., und in zahlreichen anderen Bekenntnistexten. Besonders deutlich auch im Bekenntnis der Toraja-Kirche von 1983: „Diese Welt mit allen ihren Institutionen, die durch die Sünde in Unordnung gebracht wurde, wird von Gott in Seiner Treue beständig geliebt, betreut und regiert. Gott hat diese Welt in Jesus Christus befreit und erneuert, und Er befreit und erneuert sie weiterhin auf ihre Fülle in einem neuen Himmel und einer neuen Erde zu.“ RZH, 29. 300 A Brief Statement of Faith (1991), Krieg, Werkbuch, 161. 301 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 36. 302 Zum Thema Israel und Kirche in Bezug auf die Erwählung vgl. unten Abschnitt 4.3.3. 303 Die Mission der Kirche als Teil dieses Heilsplanes wird unter 4.3.4. ausführlich diskutiert werden. 304 Vgl. zum Beispiel die Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984) der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien; Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales unter der Kapitelüberschrift „Gott hat einen endgültigen Heilsplan“; in sehr spezifischer Weise auch in dem Glaubensbekenntnis (1977) der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba unter den Kapitelüberschriften „Die Geschichte: umfassende Erneuerung des Menschen“ und „Das Reich Gottes und die Fülle der Geschichte“; RZH, 17f.98–100.118–129.

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Bekenntnistexten gegenüber verstärkten Maße als „Herr der Geschichte“305 verstanden wird;306 Geschichte wird zur „Heilsgeschichte“307 in eschatologischer Perspektive,308 wenngleich weiterhin betont wird, dass Gott über der Geschichte steht und auch diese „zur Vollendung in sein Reich führen“309 wird. (b) Das klassisch-reformierte „Zentraldogma“ der Prädestination ist aus den neueren Bekenntnistexten fast gänzlich verschwunden,310 während die Erwählungslehre im Sinne der Frage 54 des Heidelberger Katechismus eine zentrale Rolle spielt.311 Das Anliegen der Bekenntnisse ist dabei nicht so sehr, den Heilsplan Gottes „von Ewigkeit her“ zu ergründen, als vielmehr zu betonen, dass Erwählung Gabe und Aufgabe der Kirche im Hier und Jetzt ist. (c) In weitaus größerem Maße als zuvor in Bekenntnistexten wird auch immer wieder das Böse thematisiert, alles das, „was gegen den liebenden Plan Gottes für Menschen und die ganze Schöpfung arbeitet“312. Dass Gottes Schöpfung ausdrücklich als „gut“ bekannt wird,313 hindert die Bekenntnistexte nicht daran, auch das – nicht zur erklärende – Böse in der Schöpfung zu benennen.314 Gerade auch Kirchen, deren Umfeld von 305 So etwa im Glaubensbekenntnis (1985) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan, RZH, 61: „Herr der Geschichte und der Welt“; siehe auch a. a. O., 49. Die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949 schließen explizit einen Abschnitt über „Die Geschichte“ ein und bemerken dazu: „Einen Artikel über die Geschichte, über den Gang der Geschehnisse in der Zeit und über die Richtung, die sie nehmen, kennen die älteren Bekenntnisschriften nicht, obwohl doch Gottes Offenbarung durch und durch geschichtlich ist und die Schrift sich ständig mit Gottes Handeln auch in der weltlichen Geschichte abgibt, ja, das letzte Buch der Bibel gänzlich davon erfüllt ist.“ (Weber, a. a. O., 56f). 306 Vgl. dazu die Beobachtung von Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 29: „Die Bekenntnisse sind gekennzeichnet durch eine starke Betonung der Dimension der Geschichte. Die Autoren scheinen fast ausnahmslos von derselben grundlegenden Frage bewegt zu sein: Wie ist zu reden von Gottes Heil angesichts der menschlichen Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen, mit ihrem Fortschritt und ihrer Ausweglosigkeit? Die Antwort auf diese Frage lautet in immer neuen Variationen: Gott ist, indem er in Christus Mensch geworden ist, in die menschliche Geschichte eingetreten.“ 307 Auch der Terminus „Heilsgeschichte“ wird vielfach aufgegriffen; vgl. z. B. die Theologische Erklärung (1979) des Broederkrings der Niederländisch-Reformierten Kirche, RZH, 4. 308 Das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea etwa widmet einen ganzen Abschnitt dem Thema „Geschichte und Eschatologie“; vgl. RZH, 47f. 309 Déclaration de Foi (1992), Krieg, Werkbuch, 158. 310 Vgl. dazu unten die ausführliche Diskussion in Abschnitt 4.2.4.1. 311 Vgl. dazu unten Abschnitt 4.3.1. 312 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 179. 313 Vgl. dazu auch die Declaración de Fe der Iglesias Reformadas en Argentina (2003), Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 61: „Wir erkennen die Freude Gottes an seinem gesamten Werk und den Segen auf dieser Schöpfung.“ 314 Von vielen möglichen Belegstellen vgl. insbesondere die in Anm. 312 erwähnte Glaubenserklärung, aber auch das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche unter dem Abschnitt „Die Welt“; und Lebendiger Glaube, RZH, 27.134. Siehe auch Le Credo de L‘Espérance (1988) der

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Schöpfungsvorstellungen und –mythen bestimmt ist, die denen der christlichen Kirche nicht entsprechen oder gar entgegenstehen, widmen dieser Frage Raum – insbesondere unter dem Aspekt des Trostes: der Schöpfergott ist der gute Gott, und Schöpfung ist gute, wenn auch gefallene Schöpfung. Nachdrücklich wird auch die Nicht-Göttlichkeit der gesamten Schöpfung bekannt und damit betont, dass Gott allein angebetet und verehrt werden darf: Diese Welt und alles, was zu ihr gehört, ist die gute Schöpfung Gottes. Das Geschaffene selbst ist nicht göttlich und soll darum nicht verehrt werden.315 Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Er schuf alle Dinge aus der ‚Leere‘ und aus dem ‚Nichts‘ durch sein Wort und unterschied sich selbst von der Welt. Unter seinen Geschöpfen gibt es sowohl unsichtbare geistige als auch sichtbare wie die geschaffenen Dinge, die menschlichen Wesen und ihre Umwelt. Gott allein ist Herr über alle, und Ihn allein sollen wir anbeten.316

Im Glauben erkennt die Kirche in der Schöpfung die Offenbarung Gottes, des Vaters Jesu Christi, der „sich als der Heilige Vater in der Erschaffung von Himmel und Erde und in der Geschichte Israels“317 offenbart hat – die Heiligkeit Gottes ist für den Menschen von Beginn an gemeinschaftsschaffende und relationale Heiligkeit, die sich in Schöpfung, Bewahrung und Erwählung ausdrückt und aktualisiert.318 Wenn also die Identität des Heiligen Gottes in den Bekenntnistexten als die Identität des Schöpfers, Bewahrers und Erwählers bekannt wird, dann gilt umgekehrt für die Heiligen Gottes, dass ihre Identität auf Erschaffung,

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Evangelischen Waldenser Kirche am Rio de la Plata, Mottu, Confessions de foi réformées contemporaines, 238f. Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 27. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 39. RZH, 37. Vgl. dazu auch Barth, KD IV/2, 566f: „Ursprünglich und eigentlich Gott ist in der biblischen Sprache heilig, d. h. der, der dem Menschen in dessen Kreatürlichkeit und Sündigkeit, der dem ganzen geschaffenen Kosmos in schlechthinniger Eigenart und Verschiedenheit, in unverletzlicher Hoheit gegenübersteht. ‚Gott bin ich und nicht ein Mensch‘ (Hos. 11, 9). […] Aber die biblische Belehrung über Gott erfolgt in dieser wie in jeder anderen Hinsicht nicht theoretisch, sondern im Kontext ihrer Berichte über Gottes Handeln in der von ihm inaugurierten Geschichte. Sie blickt also nirgends abstrahierend auf jenen Gegenüberstehenden als solchen, in seinem Fürsichsein. Er ist wohl in sich und für sich heilig. Aber gerade als solcher bewährt und offenbart er sich, indem er mit dem Menschen und seiner Welt Gemeinschaft aufrichtet und hält. Zuerst und in seiner Weise ( jedenfalls im Alten Testament) einzigartig hat der Prophet Hosea gerade jenen in sich Heiligen als den sein Volk Liebenden verstanden und beschrieben. Aber diese Gleichung ist implizit die Aussage doch schon des ganzen Alten Testamentes. Diese bezieht sich doch durchweg auf den Heiligen, der dem von ihm so verschiedenen Menschen als solcher, eben in jener unnahbaren Hoheit, begegnet u. zw. nicht unwirksam, sondern wirksam begegnet, der sich darin als der in sich Heilige darstellt und offenbart, dass er Unheilige durch sein Handeln mit und an ihnen heiligt, d. h. ihnen an seiner eigenen Heiligkeit abbildlichen, limitierten, aber höchst realen Anteil gibt.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Bewahrung und Erwählung durch Gott beruht und von daher zu verstehen ist. Ihre Erschaffung wie die der gesamten Schöpfung hat dabei ein Ziel, das in der Beziehung zu Gott und den Mitmenschen zu finden ist319: Gott schuf Menschen mit dem Bedürfnis nach Gemeinschaft und mit der Freiheit, in sie einzutreten, indem sie auf ihren Schöpfer eingehen in dankbarem Gehorsam und aufeinander in Liebe und Hilfsbereitschaft. Wir glauben, dass wir geschaffen wurden, um mit Gott und miteinander in Beziehung zu stehen in Freiheit und Verantwortung.320 Gott hat den Menschen in einer persönlichen Beziehung zu ihm selbst geschaffen, so dass der Mensch auf die Liebe des Schöpfers antworten kann.321 Gott schuf die Menschen, damit sie immer Gemeinschaft mit ihm als Söhne und miteinander als Brüder haben sollen.322 Gott hat den Menschen nach Seinem Bild geschaffen und gibt ihm Weisheit und Persönlichkeit, damit er Ihm antworte. Deshalb preist der Mensch Gott mit allen Geschöpfen, freut sich an Ihm und teilt Gottes Liebe mit seinen Nächsten.323

Die 21st Century Confession of Faith der Presbyterian Church of Korea von 2001 legt einen besonderen Schwerpunkt auf eine ökotheologische Interpretation der Schöpfung Gottes und betont nachdrücklich und in allen Lehrpunkten des Bekenntnisses, dass Gottes Heilsplan nicht allein die menschliche Schöpfung umfasst, sondern auch „all other creatures“. So sind diese, wie die Menschheit, gut erschaffen, durch die Sünde verdorben, in Christus errettet, gipfelnd in dem Bekenntnissatz: „God the Father has revealed and promised that humankind and all other creatures may be justified, sanctified and glorified through the mediator, Jesus Christ.“324 Gottes Heiligkeit manifestiert sich in der Schöpfung dabei als gemeinschaftsschaffende, souveräne Liebe, Gemeinschaft zwischen Gott und allen Geschöpfen und Gemeinschaft zwischen den Geschöpfen untereinander. Diese relationale Heiligkeit Gottes manifestiert sich im Bund, in der Erwählung, und dieser Bund ist heilig, weil Gott ihn für immer hält:

319 Vgl. dazu auch unten den ganzen Abschnitt 4.3. Die Heiligen Gottes. 320 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 179f. 321 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 161. 322 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 64. 323 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 39. 324 Hwang, New Confession, 131 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Hwang, a. a. O., 134f, schreibt dazu: „It [the confession] does not insist simply that Christians are called by God to preserve God’s creation, but that, like humans, other creatures also participate in God’s saving works. By avowing God’s active relationship with creatures or nature, the Confession wants to affirm humans‘ solidarity with them, not their dominance over them.“ Zur Kritik an diesem „new environmental universalism“ vgl. Hwang, a. a. O., 136–138.

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Befreite Sklaven wurden zum Volk Gottes, als sie den Bund des Herrn annahmen. Gott hieß sie, auf seine rettende Liebe durch das Halten der Gebote zu antworten. Ihr Gemeinschaftsleben sollte auf die Gerechtigkeit und das Erbarmen ihres heiligen Gottes hinweisen. Da auch wir des Herrn Bundesvolk sind, wissen wir, dass wir heilig sein sollen, wie Gott heilig ist.325 From the beginning, through all the crises of our times, until the kingdom fully comes, God keeps covenant forever: Our world belongs to God! 326

Das Thema der Erwählung und des Bundes wird in weiteren Abschnitten noch ausführlicher zu diskutieren sein, insbesondere in seiner christologischen wie ekklesiologischen Perspektive;327 hier wendet sich die Untersuchung zunächst einem anderen Aspekt der Heiligkeit Gottes zu: Die Geschöpfe Gottes sind, wer sie durch Gott, in Gott und für Gott und einander sind – und gleichzeitig erkennen sie durch und an Gottes Heiligkeit in Liebe und Gerechtigkeit, dass sie nicht sind, wer sie durch, in und für Gott sind. Gerechter Richter und Advokat Verdeutlichte der vorangegangene Abschnitt Gottes Heiligkeit als Heiligkeit in relatio, so wenden sich die folgenden Überlegungen nun Gottes Heiligkeit in adverso zu: die Heiligkeit Gottes, die sich als vollkommene Güte und Liebe manifestiert, offenbart und manifestiert sich darin auch als vollkommene Gerechtigkeit: sie ist „ein verzehrendes Feuer der Reinheit und doch zugleich warme und zärtliche Zuneigung“328. In Liebe wendet sich Gott in seinem Eifer329 gegen alles, was seiner heiligen Gerechtigkeit widerspricht und damit un-heilig ist, was die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen sowie zwischen den Menschen untereinander zerstört, mit dem Ziel, diese Gemeinschaft wiederherzustellen.330 Insofern kann von Gottes Heiligkeit in adverso nur insoweit gesprochen 325 Eine Glaubenserklärung (1976), der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 182. 326 Our World Belongs to God: A Contemporary Testimony (2008) der CRC. 327 Siehe unten Abschnitt 4.3.1. 328 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 150. Vgl. dazu auch das Glaubensbekenntnis der Cumberland-Presbyterianischen Kirche (1984), RZH, 205: „Wir glauben an den einzig wahren und lebendigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, der vollkommene Liebe ist, ewig, unwandelbar in seinem Wesen, Weisheit, Kraft, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Güte und Wahrheit.“ 329 Zum Zusammenhang von Gottes Heiligkeit und Eifersucht vgl. Webster, Holiness, 50f, und die Diskussion von „Jahwes Eiferheiligkeit“ in von Rad, Theologie des Alten Testaments 1, 216–225. Vgl. dazu auch die Glaubenserklärung (1958) der Kirche Jesu Christi in Madagaskar, RZH, 225. 330 „Sünde“ umfasst dabei individuelle wie auch strukturelle Aspekte menschlichen Lebens; vgl. dazu als Beispiel das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 41: „Das allgemeine und individuelle Böse des Menschen ist der Ursprung von

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werden, als dass diese immer von Gottes Heiligkeit in relatio getragen und umgriffen ist.331 Beides, Heiligkeit in adverso wie in relatio, sind Aspekte der einen heiligen Liebe, die Gottes Wesen ist, und in beiden Aspekten wird offenbar, was den Menschen vom Heiligen Gott trennt und was Gott von seiner Seite aus nicht als endgültige Realität zulässt:332 der Bruch der wahren Beziehung zu Gott in Heiligkeit, nämlich die Sünde der Un-Heiligen.333 Sünde entfremdet uns von Gott. Sie beleidigt Gottes Heiligkeit, sie trennt uns von unserem Herrn und führt zu geistlichem Tod.334

Auffallend ist in manchen der neueren Bekenntnistexten, dass sie neben einem eher klassischen Sündenverständnis,335 welches sie thematisieren bzw. voraussetzen,336 die Sünde auch als „individuelle und gesellschaftliche Sünde“337, als

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Verderbtheit und Verworfenheit. Es beeinflusst das Individuum und durchdringt als soziale Kraft die ganze menschliche Gemeinschaft und zerstört Gottes Schöpfung.“ Auch der Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada betont diesen Aspekt, wenn er bekennt: „Sin is not only personal but accumulates to become habitual and systemic forms of injustice, violence, and hatred.“ Webster, a. a. O., 47: „God’s holiness is the quality of God’s relation to that which is unholy; as the Holy One, God is the one who does not simply remain in separation but comes to his people and purifies them, making them into his own possession.“ Vgl. dazu auch a. a. O., 46: „God’s holiness is actual as election to covenant, an election which is ever renewed in God’s acts of judgment and reconciliation.“ Vgl. dazu auch Joest, Dogmatik 1, 160: „Nennen wir Gott den Heiligen, so bringen wir damit zum Ausdruck, dass er in seiner Selbsterweisung über diese Frage [nach Recht und Unrecht] entscheidet. Wir sagen damit, dass allein Gott in sich selbst recht ist, das Rechte will und wirkt, dem Unrecht widersteht und es von sich ausschließt. Wir sagen damit, dass Gott mit sich selbst, mit der Erweisung seines Gemeinschaftswillens, sich zum Maßstab des Rechtes gibt, indem er Menschen zum Zusammensein mit ihm selbst und darin zum Leben im Rechten und Tun des Rechten beansprucht (‚ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig‘). Und wir sagen, dass Gott allein durch sich selbst, durch die Sendung des Sohnes zu uns und das Wirken seines Geistes in uns, das Rechte in unserem Leben verwirklicht.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 24: „Sünde ist das Zerbrechen der wahren Beziehung zu Gott im täglichen Leben. Das Zerbrechen der Beziehung zu Gott bedeutet den vollständigen Tod der Menschheit. Der Bruch der wahren Beziehung zu Gott brachte es mit sich, dass der Mensch nicht mehr in Wahrheit und Heiligkeit und Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes leben konnte, auch nicht in den Beziehungen zu seinen Mitmenschen und zur natürlichen Welt, so dass die Menschheit unter das Urteil des Zornes Gottes geriet.“ Lebendiger Glaube (1986) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 136. Vgl. dazu die folgenden Bekenntnisstellen in RZH, 16.19.24.67.80.136.181.208. Vgl. dazu ebenfalls die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der Generalsynode der niederländischen Reformierten Kirche (1949), die in diesem Zusammenhang Gottes Ehre und Gottes Liebe zentral thematisieren, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 25: „Das ist unsere Sünde: dass wir Gottes Ehre antasten und Gottes Liebe verachten, indem wir uns selbst und andere erschaffene Mächte zum König erheben.“ An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Mehrzahl der neueren Bekenntnistexte als

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„soziale Kraft“ verstehen können, welche „die ganze menschliche Gemeinschaft durchdringt und zerstört“338, und sich gerade in Un-Gerechtigkeit in allen Aspekten des menschlichen Lebens manifestiert. Dass Gott dagegen ein „Gott der Gerechtigkeit“ ist, ist in vielen modernen reformierten Bekenntnissen zu einem zentralen Bekenntnissatz geworden; ebenso wie die daraus zu erkennende und zu bekennende Ungerechtigkeit der Menschen und des menschlichen Zusammenlebens.339 Besonders deutlich wird dieses Bekenntnis in den Texten, die in Situationen extremer Ungerechtigkeit und Unrechts entstanden sind und diese als Grund für ihren status confessiones verstanden haben; so bekennen zum Beispiel Bekenntnisse aus dem südlichen Afrika zu Zeiten der Apartheid: Wir glauben, dass Gott sich in seinem Wort als der offenbart, der sich durch die Heilsgeschichte hindurch auf seine eigene Gerechtigkeit festgelegt hat, damit die Erde ein Ort des Lebens würde. Sein lebensspendendes Wort wurde Mensch in Christus Jesus, durch den er die Macht der Ungerechtigkeit zerbrach. […] Als Gottes Eigentum muss die Kirche unablässig dort stehen, wo ihr Herr ist: gegen Ungerechtigkeit und auf der Seite derer, denen Gerechtigkeit verweigert wird.340 Wir glauben, dass sich Gott als der eine offenbart hat, der Gerechtigkeit und wahren Frieden unter den Menschen herbeizuführen wünscht […] Daher lehnen wir jede Ideologie ab, die Formen von Ungerechtigkeit zu rechtfertigen sucht, und jede Lehre, die nicht gewillt ist, eine solche Ideologie im Namen des Evangeliums zurückzuweisen.341

Aber auch in anderen Kontexten wird das Thema von Gottes Gerechtigkeit und des Menschen Ungerechtigkeit und von Gottes Gericht über die Ungerechtigkeit der Menschen, sowie deren Überwindung in Christus zum Fokus,342 wie etwa in

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zusätzliche Texte einem bereits bestehenden Bekenntniskanon hinzugefügt wird und diesen nicht ersetzt. Neuere harmatiologische Konzepte ergänzen daher das Sündenverständnis, wie es sich etwa in den klassischen Bekenntnistexten darstellt; vgl. dazu z. B. Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 76–101. Declaratión de Fe (2003) der Iglesias Reformadas en Argentina, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 62. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 41. Vgl. dazu das ebenfalls aus Korea stammende Bekenntnis Confession for the 21st Century der Presbyterianischen Kirche von Korea (PCK) von 2001, welches von „structural evils“ spricht; Hwang, New Confession, 133. Vgl. dazu explizit Lebendiger Glaube (1986) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 136: „Weil wir sündig sind, ist auch die Gesellschaft sündig, in der wir leben. Es gibt keine Ausnahmen: Jedes System ist betroffen.“ Theologische Erklärung (1979) des Broederkring der Niederländisch-Reformierten Kirche, RZH, 5. Belharbekenntnis (1982), RZH, 8f. Vgl. auch Unser Lied der Hoffnung (1974), RZH, 171: „Jesus Christus ist die Hoffnung der Welt Gottes. In Seinem Tod ist die Gerechtigkeit Gottes aufgerichtet.“

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den Texten aus Korea, Kanada und ganz besonders deutlich in der Erklärung von Accra: Wir glauben an Gott, der die Unterdrückten, die Schwachen und die Armen beschützt und der das Urteil über die bösen Mächte spricht. Wir glauben, dass Jesus Christus das Reich Gottes verkündet hat, um die bösen Mächte zu überwinden und Gerechtigkeit und Frieden für die mit Füßen Getretenen, die Verachteten und die Armen wiederherzustellen.343 Gott ruft seine Kirche ständig auf, seine Gerechtigkeit in der Welt zu verwirklichen, die die göttliche Gerechtigkeit widerspiegelt, wie sie in der Bibel offenbart wird.344 Wir glauben, dass Gott ein Gott der Gerechtigkeit ist. […] Wir glauben, dass der Geist uns dazu aufruft, Rechenschaft für die Hoffnung abzugeben, die durch Jesus Christus in uns ist, und zu glauben, dass Gerechtigkeit siegen und Frieden herrschen wird.345 Gott wird die Welt durch Jesus erneuern. Er wird alles Unrecht hinwegtun, die Werke von Menschenhand reinigen und ihre Verbundenheit mit Ihm selbst vervollkommnen.346

Dieses Verständnis Gottes als einem Gott, dessen „letztes Ziel in allem […] Gerechtigkeit und Liebe“347 ist, führt zu einem zentralen Schwerpunkt im Gottesverständnis einer Anzahl von Bekenntnistexten der reformierten Tradition der Gegenwart, welches sowohl die große Ausstrahlungskraft dieser Bekenntnistexte begründete als auch gleichzeitig deren Kontroversität im eigenen wie im fremden Kontext: dem Gottesverständnis nämlich, wonach Gott „auf besondere Weise der Gott der Elenden, der Armen und Benachteiligten“348 ist. Dieses offensichtlich befreiungstheologisch beeinflusste Gottesverständnis, das sich allerdings durchaus auch auf klassisch reformierte Wurzeln in Calvin und anderen 343 Erklärung koreanischer Christen (1973), RZH, 48f. 344 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 151; vgl. dort den gesamten Abschnitt unter der Überschrift „Gerechtigkeit“, der u. a. Einsatz für die Menschenrechte, Solidarität mit den Armen der Welt, gerechten gegenseitigen Umfang in der Gesellschaft und Widerstand gegen Vorurteile aller Art zählt. 345 Die gesamte Erklärung von Accra ist als Teil des „Covenanting for Justice in the Economy and the Earth“ von dem Thema Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit bestimmt; vgl. dazu Reformed World 55 (3) unter dem Titel „Reformed Faith and the Rejection of Economic Injustice“. 346 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 175. 347 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 178. 348 Dieses Zitat aus dem Belhar-Bekenntnis ist nach wie vor in südafrikanischen Kirchen wie auch im weltweiten reformierten Kontext eines der umstrittensten Aussagen des Bekenntnisses; vgl. dazu Smit, In a Special Way, und Smit, Radical Grace. Vgl. dazu auch das Bekenntnis Ich glaube an die Barmherzigkeit Gottes der Protestantisch-Evangelischen Kirche von Dschibuti von 1984: „Durch die Geburt Jesu Christi entdecke ich, dass alle Flüchtlinge meine Brüder [und Schwestern] sind und dass der Herr sie liebt. Sie zu allererst.“ Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 30.

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reformierten Reformatoren berufen kann,349 findet sich tatsächlich in vielen Bekenntnistexten wieder, nicht nur von Kirchen des globalen Südens, und bringt eine Interpretation der Heiligkeit Gottes und der damit korrespondierenden Heiligkeit seines Volkes zum Vorschein, welche sich mit Aspekten der oben skizzierten350 biblischen Heiligkeitstradition(en) trifft. Gott wandte sich denen zu, die Ungerechtigkeit leiden, und verteidigte die Ausgeschlossenen, die Armen und die Hungrigen. Der Herr bewegt sich auf die Zeit zu, in der das Recht strömt wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein unversieglicher Bach. […] Gott hat in seiner Sorge um Gerechtigkeit in der Sozialordnung niemals die Not von einzelnen vergessen.351

Immer wieder bekennen die Bekenntnistexte, dass Gottes Gerechtigkeit und der Menschen Ungerechtigkeit in Leben, Tod und Auferweckung Jesu, dem „Messias der Bedrängten und Unterdrückten“352, offenbar werden; Jesus Christus als der „Heilige Gottes“ ist auch die In-Karnation der liebenden Gerechtigkeit Gottes – dazu wird im folgenden Abschnitt noch Genaueres auszuführen sein. Auch der pneumatologische Aspekt soll an dieser Stelle bereits vorgreifend Erwähnung finden: es ist der Heilige und heiligende Geist Gottes, der die Menschen dazu befähigt, heilig zu leben – und das heißt in diesem Zusammenhang auch, konkret gegen Ungerechtigkeit zu streiten und „Gottes Willen heiliger Liebe zu erkennen und zu tun“353 und damit die Advokatsrolle Gottes widerzuspiegeln. In diesem Verständnis des Drei-Einen Gottes als gerechtem Richter und Advokaten und des Auftrages der Kirche, die Advokatsrolle Gottes und eine restorative Gerechtigkeit354 zu leben, spiegeln sich Aspekte biblischen Heiligkeitsverständnisses wieder: Die Heiligkeit Gottes und seines Volkes bezieht sich auf alle Bereiche, wird in und an Jesus Christus offenbart und erkannt, und durch den Heiligen Geist auch in den Menschen lebendig gemacht. Gleichzeitig offenbart die Heiligkeit Gottes auch die Un-Heiligkeit, die Sünde des Menschen, der Gott in seiner heiligen und gerechten Liebe nur mit Gericht begegnen kann.

349 Vgl. dazu u. a. DeGruchy, Befreiung der reformierten Theologie; siehe dazu allerdings die kritische Rezension des Werkes durch Smit, Liberating Reformed Theology, sowie Ernst, The True Worship of God. 350 Vgl. oben Abschnitt 4.1.1. 351 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche der Vereinigten Staaten, RZH, 197f. 352 Das Credo von Kappel (2008), Krieg, Werkbuch, 165. 353 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 69 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 354 Zum Verständnis von „restorative justice“ im Zusammenhang mit dem Belhar-Bekenntnis vgl. Naudé, Neither Calendar nor Clock, 202–210.

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Versöhner, Tröster und Hoffnung Der jetzt zur Sprache kommende Aspekt reformierter Bekenntnistexte der Gegenwart war bereits Gegenstand vorheriger Abschnitte: die Heiligkeit Gottes ist nicht abgehen von seiner tröstenden, sich erbarmenden Anwesenheit in der Mitte seines Volkes zu verstehen und wird so zum Trost und zur Hoffnung. Der Schöpfer, Erwähler, Bewahrer, Richter und Advokat ist auch und gerade der Versöhner und darin der Trost und die Hoffnung.355 Der Begriff der Versöhnung spielt nicht nur im Ausgangskontext vieler aktuell bekennender Kirchen eine große Rolle, sondern wird auch vielfach als zentrales theologisches Motiv der Bekenntnistexte in einer doppelten Perspektive verstanden, wie es das Bekenntnis von 1967 und die Unionsgrundlage der Uniting Church in Australia in beispielhafter Weise formulieren: Gottes versöhnendes Handeln in Jesus Christus und die Mission der Versöhnung, zu der er seine Kirche berufen hat, sind das Herz des Evangeliums zu allen Zeiten.356 Gott hat in Christus den Menschen in der Kirche den Heiligen Geist gegeben als Zeichen und Vorgeschmack dieser kommenden Versöhnung und Erneuerung, die das sichtbare Ziel für die ganze Schöpfung ist. Die Kirche ist zum Dienst auf dieses Ziel hin berufen: eine Gemeinschaft der Versöhnung zu sein.357

Gottes Gnade wird nicht allein als vergebende Gnade, sondern auch als versöhnende und transformierende Gnade verstanden,358 das Reich Gottes wird verstanden nicht als Reich der Herrschaft, sondern des Friedens, der Gerechtigkeit und der Versöhnung.359 Die Kirche wird zum „Ort der Versöhnung“360. Ein Faktor für die außerordentlich große Wirkung gerade des Belhar-Bekenntnisses in reformierten Kirchen weltweit wird u. a. auch darin begründet liegen, dass genau dieses zentrale Motiv, dieses „Dauerthema“361 der Versöhnung in ihrer doppelten 355 Nachdrücklich ist dabei mit A. Burgess, Salvation as Judgement and Grace, 59, zu betonen: „The character of divine holiness and the nature of God’s triune action are such that theology must ever hold together the unity of divine judgment and grace.“ 356 RZH, 159 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 357 A.a.O., 278. (Meine Hervorhebungen) 358 Vgl. dazu Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada: „Yet evil does not – cannot – undermine or overcome the love of God. God forgives, and calls all of us to confess our fears and failings with honesty and humility. God reconciles, and calls us to repent the part we have played in damaging our world, ourselves, and each other. God transforms, and calls us to protect the vulnerable, to pray for deliverance from evil, to work with God for the healing of the world, that all might have abundant life. We sing of grace.“ 359 Vgl. a. a. O.: „Jesus announced the coming of God’s reign – a commonwealth not of domination but of peace, justice, and reconciliation.“ 360 Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, Werkbuch, 159. 361 Vgl. dazu Matthias Krieg in seiner Einleitung zum Belhar-Bekenntnis, Werkbuch, 136: „Versöhnung ist in einer globalen, mobilen und medialen Welt ein Dauerthema: Versöhnung zwischen den Geschlechtern und Generationen, Einheimischen und Fremden, Puristen und

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Gestalt neben Einheit und Gerechtigkeit zum Thema des Bekenntnisses gemacht wurde: Wir glauben, dass Christi Versöhnungswerk in der Kirche als der Gemeinschaft der Gläubigen offenbar gemacht wird, die mit Gott und miteinander versöhnt worden sind […], dass Gott seiner Kirche die Versöhnungsbotschaft in und durch Jesus Christus anvertraut hat.362

Mit diesem Verständnis der Versöhnungsbotschaft des Evangeliums, der in Christus bereits geschehenen Versöhnung zwischen Gott und den Menschen und den Menschen bzw. der ganzen Schöpfung untereinander, wird eine weitere Gemeinsamkeit reformierten Bekennens in seiner je kontextuellen Gestalt deutlich. Während sich nämlich die neueren Bekenntnistexte der reformierten Tradition, wie bereits dargestellt, in vielerlei Aspekten unterscheiden können, so eint sie doch dieses grundlegende Gottesverständnis, das sich in den meisten Texten implizit oder gar explizit wiederfinden lässt: die Bekenntnistexte wollen auf ihre Weise und in ihrem Kontext Antwort auf die Frage nach dem Trost, d. h. nach dem Tröster der christlichen Gemeinde geben.363 Der Heilige Gott wird damit grundlegend und primär nicht als Gott in se, noch nicht einmal neutral als relationaler Gott verstanden, sondern als der Gott allen Trostes [2 Kor 1:3], der sich als Tröster vorstellt und bekannt macht [Jes 51:12; 66:13].364 Der Heilige Gott, der in den reformierten Bekenntnissen bekannt wird und der Bekennen ermöglicht, der das Zentrum reformierter Identität ist, auf den die christliche Gemeinde verweist und auf den sie hofft, wird nicht als neutraler, objektiv zu beschreibender und begreifender Gott verstanden, der erst in der theologischen Abhandlung mit Attributen zu belegen wäre, sondern dieser Heilige Gott ist reformiertem Verständnis nach von vornherein der Versöhner-Gott, der sich trotz aller Un-Heiligkeit seines Volkes in der messianischen Weissagung aus Ez 11:20 an sein Volk gebunden hat: „Sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein“. Darum geht es reformierten Bekenntnistexten, den klassischen wie den modernen, daher im Kern: sie wollen die Zugehörigkeit Gottes zu den Menschen Patchworkern, Ausbeutern und Bewahrern, Mitwelten und Mitmenschen. Wie geschieht Versöhnung, die nicht zu Vereinheitlichung und Einmütigkeit führen soll, wohl aber zu Nachhaltigkeit und Verbindlichkeit? Was vermag Versöhnung, die auf Respekt und Vertrauen beruht, auf der Solidarität einer gottgegebenen new humanity?“ 362 RZH, 7f. Das ganze Bekenntnis ist nur im Hinblick auf das Zentralmotiv der Versöhnung zu verstehen. 363 Zur Diskussion des Begriffes „Trost“ und seines Wortumfeldes (mit den Bedeutungen Treue, Vertrauen, Zuverlässigkeit, Mutzusprechung, Zuspruch, etc.) vgl. hier insbesondere Busch, Der Freiheit zugetan, 25f. Siehe auch Ernst-Habib, But why are you called a Christian?, 53–56. 364 So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die für die reformierte Tradition bedeutsame erste Frage des Heidelberger Katechismus für viele Bekenntnistexte eine entscheidende Rolle spielt, und auch wörtlich zitiert werden kann.

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nicht von der Menschen Zugehörigkeit zu Gott365 trennen, und begreifen beides als den Trost des Christenmenschen. In dieser Doppelung liegt für reformierte Bekenntnistexte der Gegenwart und Vergangenheit der Trost des Trösters begründet, und gleichzeitig ist diese Zugehörigkeit im Grunde eine Interpretation der eigenen Identität als derjenigen, die zu Gott gehören, also dem oben dargelegten Überlegungen entsprechend „heilig“ sind. Das Brief Statement of Faith der Presbyterianischen Kirche (USA) von 1991 macht diese Perspektive deutlich, wenn es mit einem Zitat aus dem Heidelberger Katechismus das Bekenntnis mit der Grundaussage: „In Leben und Tod gehören wir Gott“366 einleitend bestimmt und auf diese Weise die Heiligkeit der Kirche und der Gläubigen im Sinne des ZuGott-Gehörens betont.367 Diese Grundstimmung reformierten Bekennens, insbesondere der Gegenwart, aber auch der Vergangenheit, erwächst aus dem Verständnis, dass das Bekenntnis auch und gerade tröstliche Sprache ist, „die auf den Tröster verweist und den Trost zur Sprache bringt“368. Damit wird der Heilige Gott als der Versöhner und Tröster für die bekennenden Kirchen der reformierten Tradition in ihrem jeweiligen Kontext zur Hoffnung der Kirche und der Welt – ein Grundtenor reformierten Bekennens des 20. und 21. Jahrhunderts, der in vielerlei Variationen immer wieder das Bekennen bestimmt. Wenn das Bekenntnis Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada darum mit einem Zitat von Röm 15:13 abschließt, dann bringt es damit zum Ausdruck, wie es den Gott der Hoffnung in seiner Verbindung zu dem Volk der Hoffnung und dessen Glauben versteht: Möge der Gott der Hoffnung uns erfüllen mit Freude und Frieden durch den Glauben, so dass wir reich seien in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.369

Auch die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirchen schließen ihr Bekenntnis mit einer Doxologie ab, indem sie Gott, den Dreieinigen loben und bekennen: Er, unser König, der über uns, bei uns und in uns thront und wohnt und wirkt, um sein Reich aufzurichten, er ist unser einiger Trost im Leben und im Sterben, er ist die Freude unserer Gegenwart und die Hoffnung unsere Zukunft, er ist unser Lied, heute und in Ewigkeit. Amen.370

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So die Formulierung von Busch, a. a. O., 25.33. Krieg, Werkbuch, 150. Vgl. Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 37–40. So Herrenbrück, Reformierte Bekenntnisse, 51f: „Ein reformiertes Bekenntnis sollte, in der Art wie es Theologie treibt, tröstlich sein und trösten. […] Tröstliche Sprache, die auf den Tröster verweist und den Trost zur Sprache bringt: das ist christliches Bekenntnis. So muss ein nach Gottes Wort reformiertes Bekennen sein.“ 369 RZH, 154. 370 Weber, Lebendiges Bekenntnis, 70.

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„Hoffnung“ wird zum zentralen Thema vieler Bekenntnisse der Gegenwart und bestimmt in einem vielfach als hoffnungslos wahrgenommen Kontext der Verzweiflung371 die frohe Botschaft, die die Bekenntnisse in die jeweilige Situation hinein und gegen sie bekennen.372 Besonders deutlich wird dies in den Bekenntnissen, die bereits in ihrem Titel anzeigen, dass für sie „Hoffnung“ in ihrem Kontext zum zentralen christlichen Thema geworden ist. So beschreibt das Credo de L’Espérance der Evangelisch-Waldensischen Kirche am Rio de la Plata den eigenen Kontext der Ausbeutung, des Krieges, der Ungerechtigkeit, der Umweltzerstörung und bekennt: „Je crois en un Dieu qui voit tout cela […] et qui en pleure.“373 Dieser Situation aber werden die Zeichen der neuen Welt gegenübergestellt, die Zeichen der Neuschöpfung, der Solidarität, der Gerechtigkeit, der Möglichkeiten, die sich trotz allem auch in dem scheinbar hoffnungslosesten Kontext finden lassen. Das Bekenntnis schließt daher mit den Worten: „Je crois en un Dieu voit tout cela […] et qui rit – parce que, malgré tout, il y a l’espérance.“374 So wählte die Reformierte Kirche in Amerika das Thema Hoffnung als zentrales Stichwort für ihr Bekenntnis, und nannte es Unser Lied der Hoffnung. Sie versteht ihre Um-Welt als „eine Welt ohne Hoffnung“375, sich selbst darin aber als „ein Volk der Hoffnung“, dessen Gott „der Welt wahre Hoffnung“ ist und der „Hoffnung für zwei Zeitalter“, nämlich der zukünftigen wie der gegenwärtigen, gibt.376 Auch Bekenntnisse, die das Stichwort nicht im Titel tragen, können selbstredend durchaus die christliche Hoffnung ebenfalls als Hauptthema haben, so etwa das kurze Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche von Kanada (1968/ 1980), das bekennt:

371 Dass Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung im 20. und 21. Jahrhundert zu einer zentralen Herausforderung christlicher Kirchen und Theologie geworden sind, wird in der theologischen Diskussion immer wieder thematisiert ; vgl. dazu z. B. den Hall, Despair as Pervasive Ailment, der „the deprivation of hope as the spiritual hallmark of the present and impending global future“ (a. a. O., 83) beschreibt. Moltmann, Theologie der Hoffnung, 18, spricht zugespitzter von der „Sünde der Verzweiflung“, die von der Hoffnungslosigkeit getragen sei. 372 In diesem Sinne kann etwa Jäger-Werth seine kurze Einführung in den evangelischreformierten Glauben mit „Vertrauen statt Angst“ betiteln. 373 Dieses und die folgenden Zitate des Bekenntnisses in Mottu, Confessions, 239. 374 Hervorhebungen: M. E.-H.; vgl. dazu auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 203: „Im Angesichts des Todes seufzen wir. Aber in Hoffnung feiern wir das Leben.“ 375 Dieses und die folgenden Zitate in RZH, 171–175; hier: 171. 376 Dementsprechend gliedert sich das Bekenntnis in sieben Abschnitte, in welchen die zentralen Bekenntnisaussagen vom Thema der christlichen Hoffnung her expliziert werden: „I. Unsere Hoffnung auf das Kommen des Herrn; II. Unser Lied in einer Welt ohne Hoffnung; III. Jesus Christus, unsere einzige Hoffnung; IV. Unsere Hoffnung auf Gottes Worte; V. Unsere Hoffnung im täglichen Leben; VI. Unsere Hoffnung in der Kirche; VII. Unsere Hoffnung auf die Zukunft.“

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Wir sind nicht allein, wir leben in Gottes Welt. […] Wir vertrauen auf Gott. […] Im Leben, im Tod, im Leben jenseits des Todes ist Gott bei uns. Wir sind nicht allein. Dank sei Gott.377

Und wie dieses Bekenntnis aus Kanada, so verwenden viele andere moderne Bekenntnisse zusammen mit oder anstelle von „wir glauben“ ganz bewusst „wir vertrauen“378, damit ein Thema aufnehmend, dass auch schon zuvor eine zentrale Rolle in reformierten Bekenntnissen gespielt hatte.379 In eine ähnliche Richtung verweist die Beobachtung, dass Eschatologie in modernen Bekenntnissen nahezu durchgehend als nicht rein jenseitig verstanden wird, sondern in der Hoffnung des Glaubens auf die Gegenwart bezogen wird,380 wie das Neue Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea von 1972 und die Déclaration de Foi der Genfer Kirche von 1992 bekennen: Durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christ ist das Reich Gottes in die Geschichte eingegangen. […] Das Reich Gottes ist verborgen ‚in Gott‘ (Kol. 3,3) und kann nur im Glauben und in der Hoffnung erkannt werden; aber es ist eine neue Kraft im Leben, die die Geschichte verändert. […] Christen leben in der Gegenwart durch Glauben und Hoffnung; dadurch erfahren sie einen Teil des zukünftigen ‚neuen Himmels und der neuen Erde‘.381 Angesichts der Unsicherheiten unserer Zeit vertrauen wir auf den lebendigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Vater aller Menschen: Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Gott steht über der Geschichte und wird sie zur Vollendung in sein Reich führen. Er ist der Gott der Verheißung und der Herr des Künftigen.382

Christologische Begründungen der eschatologischen Hoffnung für Zukunft und Gegenwart ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch viele der Bekenntnistexte; das Christusgeschehen als Ganzes383 ist Begründung und Paradigma christlicher 377 RZH, 131. 378 So z. B. das Brief Statement of Faith, das ausschließlich „wir vertrauen“ verwendet; vgl. dazu Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 43–45. 379 Vgl. dazu die bereits zitierte Frage 21 des Heidelberger Katechismus et passim; aber auch Kapitel XVI. der Confessio Helvetica, das von einem „felsenfesten Vertrauen“ spricht (Freudenberg/Plasger, Reformierte Bekenntnisse, 208); und, für die Bekenntnisbildung des 20. und 21. Jahrhunderts in der reformierten Tradition wegweisend, besonders die erste These der Barmer Theologischen Erklärung. 380 Vgl. dazu auch die folgende Beobachtung der WARC-Studie Confessions and Confessing, 16: „Many statements insist powerfully upon God’s activity in the world and contemporary history and on the promise of the kingdom. Predestination and providence retreat into the background. The divine sovereignty and majesty are more commonly expressed in terms of the Lordship of Christ and eschatology in general.“ 381 RZH, 47f. 382 Krieg, Werkbuch, 158. 383 Wobei insbesondere die Auferstehung Christi als von der Angst befreiend interpretiert

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Hoffnung.384 In ihm geschieht Gottes Treue und es wird erkennbar, dass der Heilige Gott seine Versprechen hält und Hoffnung gibt, wie Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten in Kapitel X mit dem Titel „Hoffnung auf Gott“ begründet: Gott hält seine Versprechen und gibt uns Hoffnung. In Leben, Tod und Auferstehung Jesu hielt Gott sein Versprechen. Alles, worauf wir je hoffen können, war in Christus gegenwärtig. Aber das Werk Gottes in Christus ist nicht vorbei. Gott ruft uns, auf mehr zu hoffen, als was wir bereits gesehen haben. Die Hoffnung, die Gott uns gibt, ist das, was uns trägt, wenn geringere Hoffnungen versagen. In Christus gibt Gott Hoffnung auf einen neuen Himmel und auf eine neue Erde, Gewissheit seines Sieges über den Tod, Zusicherung von Gnade und Gericht jenseits des Todes. Diese Hoffnung gibt uns Mut zum jetzigen Kampf.385

Der letzte Satz dieses Zitates macht noch einmal deutlich, dass sich das Bekenntnis der Hoffnung nicht als eine Ver-Tröstung versteht, auch wenn es häufig auf diese Weise missinterpretiert wurde,386 sondern für die christliche Gemeinde direkte Konsequenzen schon hier und jetzt hat.387 Aus der Hoffnung erwächst eine Dringlichkeit mit der sich die Kirche der Welt zuwendet: Mit einer Dringlichkeit, die aus dieser Hoffnung388 erwächst, wendet sich die Kirche heutigen Aufgaben zu und strebt nach einer besseren Welt. Sie hält begrenzten Fortschritt nicht schon für Gottes Reich auf Erden, aber sie verzweifelt auch nicht angesichts

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werden kann; vgl. z. B. Ein Glaubensbekenntnis (1986) der Schweizerischen Evangelischen Synode: „Durch seine Auferstehung von den Toten macht er uns frei von unserer Angst. Darauf verlassen wir uns.“ Krieg, Werkbuch, 144. Vgl. z. B. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England; RZH, 73: „Die christliche Hoffnung gründet in Christus. Er, der Sieger über Sünde und Tod, der der Richter ist und in dem alle Dinge vollendet sein werden, ist der Grund unserer Hoffnung hier wie in der zukünftigen Welt.“ Vgl. ebenfalls das Bekenntnis Jesus ist der Einzige (1987) der Evangelischen Kirche von Kamerun; Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 261: „Mit seiner Gewalt wollte der Mensch die Liebe erzwingen. Doch Jesus Christus ist der Einzige, der schenkt, dass wir lieben.“ RZH, 202. Vgl. dazu auch Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, a. a. O., 48: „Christen leben in der Gegenwart durch Glauben und Hoffnung; dadurch erfahren sie einen Teil des zukünftigen ‚neuen Himmels und der neuen Erde‘. Mitten im Kampf haben wir Frieden, im Schatten des Todes haben wir Leben, unser Glück und unsere Dankbarkeit sind gemischt mit Tränen und Leid, unsere Hoffnung erhalten wir durch die Krise der antichristlichen Mächte hindurch. Wir glauben, dass am Ende Vergebung der Sünden, Auferstehung des Leibes und ewiges Leben den Sieg davontragen.“ Vgl. dazu RZH, 203: „Gottes Volk hat Gottes Verheißungen oft als Entschuldigungen dafür missbraucht, nichts gegen das heutige Unheil zu tun. Aber in Christus ist die neue Welt schon angebrochen, und die alte kann nicht länger geduldet werden.“ Vgl. dazu oben auch Abschnitt 3.6.1. Lebendiges Zeugnis und bezeugendes Leben. „Das Reich [Gottes] stellt den Triumpf Gottes über alles dar, was sich seinem Willen widersetzt und seine Schöpfung zerstört. Schon jetzt ist Gottes Reich als Ferment in der Welt gegenwärtig, weckt Hoffnung in Menschen und bereitet die Welt darauf vor, ihr letztes Urteil und ihre Erlösung zu empfangen.“ RZH, 169.

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von Enttäuschungen und Niederlangen. In fester Hoffnung blickt die Kirche über alle Teilerfolge hinaus auf den letzten Triumpf Gottes.389

Anders formuliert: Christliche Hoffnung ist diesem Verständnis nach aktive Hoffnung, Hoffnung in Aktion,390 und die Aufgabe, genauer: die Mission der Kirche ist es, diese Hoffnung in einem Akt der imitatio Dei zu bekennen,391 ermöglicht durch den Heiligen und heiligenden Geist, der Hoffnung und Mut zum Dienst schenkt.392 In dieser Hinwendung zur Welt versteht die Kirche ihre Botschaft als die Botschaft der Hoffnung und der Befreiung, nach der die Not der Welt schreit,393 und ihr Bekenntnis als Bekenntnis der Hoffnung, als einen „act of hope“394, gegründet allein in dem Gott der Hoffnung.395 Auf diesem Heiligen Gott ruht das Vertrauen und die Hoffnung der Kirche, nicht allein für sich selbst, sondern auch für „andere“396, die eine „gute Hoffnung für alle Menschen“397 ist, ein „Grundvertrauen, das uns trägt, wenn geringere Hoffnungen versagen“398. Diese Hoffnung bestimmt die Identität der Heiligen Gottes, die als Volk der

389 RZH, 169. 390 Vgl. dazu die Überlegungen zum Bekenntnis von 1967 unter der Überschrift „Courageous Hope in Action“ in Ernst-Habib, A Conversation with Twentieth-Century Confessions, 82f. 391 Vgl. dazu insbesondere die Überlegungen von Botman, Hope as the Coming Reign of God. Botman betont zu Recht, dass diese Art der eschatologischen Hoffnung in Kategorien der Gnade, nicht der Natur bestimmt werden muss: „It [the eschatological hope] is a gift of grace; its revelation, a mystery of grace; and ist historical appearance, a manifestation of grace.“ (a. a. O., 75). Verstanden als Nachfolge Christi wird diese „hope in action“ als Teil der Lehre von der Heiligung verstanden, denn: „insofar as this hope is understood as an action that is (a) based on the new actions of God in history, (b) rooted in the promises of God, (c) a conscious break from the frame of a natural or social causality, (d) a critical challenge to Christianity and the church in the world, and (e) a call to embodiment, it is an imitation Dei.“ (a. a. O., 76). 392 Vgl. dazu Ich glaube an die Barmherzigkeit Gottes (1984) der Protestantisch-Evangelischen Kirche von Dschibuti: „Durch seinen Geist verleiht er mir wieder die Hoffnung zu teilen und den Mut, ihm zu dienen.“ Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 30. 393 Vgl. dazu das Vorwort der Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England; RZH, 63. 394 Goroncy, Semper Reformanda, 59. 395 Vgl. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales; RZH, 108: „In Gott allein ist unser Glaube, unsere Hoffnung, unsere Liebe. In ihm haben sie Anfang, Mitte und Ende.“ 396 Vgl. dazu Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 201: „Unser Vertrauen und unsere Hoffnung für uns und andere ruhen nicht auf den Kräften und Errungenschaften dieser Welt, sondern auf der kommenden und verborgenen Gegenwart des Reiches Gottes.“ 397 RZH, 203: „Überwunden von Gottes Liebe in Christus, haben wir gute Hoffnung für alle Menschen, ohne auch die allerunwahrscheinlichsten von seinen Verheißungen auszunehmen.“ 398 RZH, 202.

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Hoffnung vorwärts hoffen und trauen,399 gestärkt durch Gottes Gabe des Abendmahls als „Symbol der Hoffnung in einer unruhevollen Zeit“400 – vereint mit Christus, ihrem Haupt, dem Heiligen Gottes.

4.2.4 Der Heilige Gottes: Jesus Christus als „the Holy One embodied“ Vieles (und Entscheidendes) über die Heiligkeit Gottes, wie sie sich in Christus manifestiert, offenbart, erkannt und bekannt wird, wurde bereits in den vorausgegangenen Abschnitten diskutiert – dem trinitarischen Verständnis des Heiligen Gottes in reformierten Bekenntnissen entsprechend und ihrer christologisch fokussierten Erkenntnisperspektive folgend ist dieses Vorgehen, welches sich nicht strikt an einer isolierten Diskussion der einzelnen Personen Gottes nacheinander orientiert, geradezu unumgänglich. Dass Jesus als der Heilige Gottes (Joh 6:69), als „jener so heilige gesegnete Messias“401 also die Identität sowohl Gottes als auch des geschaffenen, sündigen und erlösten Menschen offenbart, dass in ihm die heilige und heiligende Liebe Gottes in Gericht und Erbarmen zur Erfüllung kommt, dass sich in ihm der Heilige Eine mit den heiligen Vielen identifiziert und sie mit sich versöhnt und heiligt, wird im Folgenden vorausgesetzt und bietet die Basis für die sich anschließende Diskussion von vier christologischen Einzelthemen, die Schwerpunkte christologischen Bekennens in den Texten des 20. und 21. Jahrhunderts darstellen.402 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ergänzt die Mehrzahl der neueren reformierten Bekenntnistexte einen bereits bestehenden Bekenntniskanon klassischer Dokumente zumeist aus der Reformationszeit. Dies bedeutet für das christologische Verständnis der bekennenden Kirche, dass sie die klassischen Themen reformierter Christologie403 als gegeben voraussetzen und diese ergänzen bzw. re-interpretieren, aber auch ausdrücklich im Anschluss an reformato399 Vgl. dazu Willis, Holiness, 146: „Hope, at least in a Christian perspective, is the forward inclining of trust, the forward momentum of faith, born and nurtured, fed and discipled, enjoyed and celebrated in the loving community which every day chooses life rather than death.“ 400 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 174. Aufgenommen in Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 147. 401 So die Helvetica Posterior in Kapitel XI; vgl. Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 204. 402 Selbstredend kann es sich hierbei wiederum nur um eine Auswahl christologischer Themen handeln, die weder die ganze Breite reformierten Bekennens abzubilden anstrebt, noch vorgibt, die eine reformierte Christologie wiederzugeben. 403 Vgl. dazu etwa Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 121–150 et passim; und Toon, Art. Christology, 66–68.

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rische oder altkirchliche Bekenntnistexte wiederholen.404 Im Folgenden soll allerdings der Schwerpunkt nicht auf dieser Repetition klassischer christologischer Themen liegen, sondern auf deren Neu-Interpretation in den modernen reformierten Bekenntnistexten. Nach einer Diskussion des Heiligen Gottes als erwähltem Menschen und erwählender Gott (4.2.4.1) schließt sich daher eine christologische Diskussion der Heiligkeit Christi anhand des klassisch-reformierten Schemas des triplex munus Christi405 an, die diese Neuinterpretation aufzeigen wird. Obwohl dieses dreifache Amt in kaum einem der gegenwärtigen reformierten Bekenntnisse explizit aufgenommen worden ist,406 liegt das Verständnis des officium mediatorium Christi in seiner dreifachen Ausgestaltung als munus propheticum, sacerdotale et regium407 auch vielen modernen reformierten Bekenntnistexten zugrunde oder erschließt implizit ihre Christologie – wie im Folgenden gezeigt werden wird. Für die Frage nach der reformierten Identität bietet die folgende Diskussion dabei entscheidende Impulse, wenn wie oben bereits diskutiert, davon ausgegangen wird, dass sich menschliche Identität in ihrer Erschaffenheit wie in ihrer Gebrochenheit und Neuschöpfung, individuell wie kollektiv, in diesem Jesus von Nazareth, dem Christus, dem Heiligen Gottes, offenbart und konkretisiert. Analoges gilt dann auch für die Identität Gottes: weil „die ganze Heiligkeit Gottes jetzt Jesus von Nazareth heißt und ist“408, kann reformiertes Bekennen Christus

404 So explizit das Vorwort des Bekenntnisses von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 159: „Dieses Bekenntnis ist kein ‚Lehrsystem‘ und umfasst nicht alle traditionellen Aussagen der Theologie. Zum Beispiel werden die Trinität und die Person Christi nicht neu definiert; aber sie werden anerkannt und bestätigt als Grundlage und Strukturprinzip des christlichen Glaubens.“ 405 Vgl. dazu Freudenberg, Reformierte Theologie, 172–189 (Kap. 5 „Christi Namen tragen: Jesus Christus – Prophet, Priester und König“); sowie Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 111–120; McKim, Introducing the Reformed Faith, 94f; und Heppe/ Bizer, Dogmatik, 356–363. 406 Eine Ausnahme bilden die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1946 (Weber, Lebendiges Bekenntnis, 31–39), die das dreifache Amt Christi explizit aufnehmen und zur Strukturierung ihres Bekennens verwenden. 407 Wie es insbesondere in Calvins Genfer Katechismus (Fragen 34–45), im Heidelberger Katechismus (Fragen 31–32), aber auch im Westminster Bekenntnis (Kap. VIII) sowie den Westminster Katechismen (Fragen 23–26, bzw. 42–45) zum Ausdruck kommt; vgl. Rohls, a. a. O., 116–120; und Heppe/Bizer, Dogmatik, 355–387 („De officio Iesu Christi mediatorio“). 408 Barth, KD II/1, 542; Barth diskutierte in diesem Zusammenhang die nach Christus nicht mehr existierende räumliche Heiligkeit sog. heiliger Orte. Vgl. dazu auch A. Burgess, Salvation as Judgment and Grace, 51: „Nowhere is God’s essential, inner-divine holiness more clearly on display than in the reality of Jesus of Nazareth, in his conception, birth, life, death, resurrection and ascension.“

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nicht allein als den Heiligen Gottes, sondern als den „Holy One embodied“409, als die Inkarnation des Heiligen Einen Israels verstehen, in der sich „Gottes heilige Wendung […] zugunsten der Menschen“410 ereignet.411 In Jesus Christus identifiziert sich der Heilige Gott, „der sich jeder Identifizierung durch Menschen mit solchem, was sie sich als göttlich dachten und wünschten, entzogen hatte, […] jetzt selbst.“412 Noch genauer formuliert: die Geschichte der Heiligkeit Gottes ist die Geschichte der Gnade Gottes wie sie letztgültig und unüberbietbar in Jesus dem Christus zum Ausdruck kommt.413 Der Heilige Gottes und die erwählende Heiligkeit Die Titelüberschrift dieses Abschnittes deutet schon an, was sich in reformierten Bekenntnisschriften des 20. und 21. Jahrhunderts vielfach durchgesetzt hat: das Thema der Erwählung (bzw. Prädestination) wird auf Jesus Christus bezogen expliziert; in der Heiligkeit Christi wird die relationale Heiligkeit Gottes in der Erwählung offenbart, erkannt und bekannt. Ein für die dogmengeschichtliche Entwicklung reformierter Lehraussagen aussagekräftiges Faktum ist dabei die Beobachtung, dass in den Bekenntnissen der Gegenwart Prädestination als solche durchgehend nicht als das Zentralthema reformierter Theologie behandelt wird,414 wie es besonders auch die konfessionelle Außenwahrnehmung an reformierte Theologie herangetragen hatte.415 Tatsächlich wird das Stichwort „Prädestination“ selbst nur in einem einzigen Bekenntnis (und dort in Bezug auf Jesus Christus) 416 erwähnt. Und auch wenn Prädestination in den klassisch-re-

409 So der Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche in Kanada: „We find God made known in Jesus of Nazareth, and so we sing of God the Christ, the Holy One embodied.“ 410 Krötke, Gottes Klarheiten, 117 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 411 Mit Willis, Holiness, 25, formuliert: „Christology has to do with identifying the God whose name is Holy.“ 412 Joest, Dogmatik 1, 116. 413 A. Burgess, a. a. O., 52: „The Story of God’s holiness is […] the story of God’s grace in the integrity of God’s own orientation in action, ultimately expressed in Jesus the Christ.“ 414 Insbesondere Alexander Schweizer These, die Prädestination sei das ‚Materialprinzip‘ reformierter Theologie und die Prädestinationslehre eine (!) ihrer Zentrallehren, erwies sich nicht allein in der theologiegeschichtlichen Wahrnehmung reformierter Theologie des 19. Jahrhunderts als besonders einflussreich, sondern auch darüber hinaus bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Siehe dazu seine 2 Bände umfassende Darstellung der protestantischen Centraldogmen in ihrer Entwicklung innerhalb der reformirten Kirche; vgl. dazu auch den kurzen Überblick bei McCormack, Summe des Evangeliums, 542–551. 415 Vgl. dazu die gesamte ausführliche und anregende Studie Zeindler, Erwählung. Gottes Weg in die Welt; sowie die Diskussion bei Freudenberg, Reformierte Theologie, 190; und Ernst-Habib, Chosen by Grace. Reconsidering the Doctrine of Predestination. 416 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 39. In einem anderen Zusammenhang verwendet das Glaubensbekenntnis der Presbyterianisch-

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formierten Bekenntnistexten nicht die alles überragende Rolle innehatte, die sie in der Fremdwahrnehmung und auch in der Selbstwahrnehmung mancher reformierter Kirchen, insbesondere im presbyterianischen Zweig der reformierten Tradition, häufig innehatte und noch immer innehat, so ist doch an dieser Stelle ein deutlicher Bruch mit der Tradition zu konstatieren, der eine aussagekräftige Diskontinuität in der Thematik und Lehre reformierter Bekenntnisse über die Jahrhunderte bezeichnet.417 Dagegen wird das Thema der Erwählung sehr wohl thematisiert, jetzt jedoch insbesondere in Bezug auf Jesus Christus als den erwählten Menschen und erwählenden Gott418 und, damit inhaltlich zusammenhängend, auf die Erwählung der Kirche. Reformiertes Bekennen von Gottes erwählender Heiligkeit ist also nicht in erster Linie auf den individuellen Menschen und sein Schicksal bezogen, sondern zunächst und primär auf den erwählenden Gott, der in seiner Gnadenwahl419 sich selbst für den Menschen in seiner und trotz seiner Sünde bestimmt,420 und der eben diesen sündigen Menschen für sich

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Reformierten Kirche in Kuba von 1977, a. a. O., 117, prädestinatorische Sprache, wenn es bekennt: „Daher verkündigt die Kirche, dass der Mensch dazu ‚prädestiniert‘ ist frei zu sein.“ Vgl. dazu insbesondere die Überlegungen bei Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 33–35, der zu dem Fazit kommt (a. a. O., 34): „Es ist offensichtlich, dass die Lehre von der Prädestination in ihrer klassischen Formulierung in den reformierten Kirchen heute nicht mehr rezipiert wird.“ Im Anschluss daran gibt Vischer für diese Diskontinuität zwei Gründe an, nämlich die Schwierigkeit der Lehre selbst sowie eine Verschiebung der Fragestellung hin zur Frage nach „Gottes Heil in Christus in der Geschichte der Menschheit“, weniger nach dem, „was Gott von Ewigkeit her bestimmt hat“ (ebd.). Dieser offensichtliche Bezug auf Barths Erwählungsverständnis ist beabsichtigt; vgl. KD II/2, § 33 Die Erwählung Jesu Christi. McCormack, a. a. O., 559, fasst Barth Erwählungsverständnis im Blick auf seine Gotteslehre auch für den hier behandelten Bekenntniskontext hilfreich zusammen: „Nach Barth besteht die Urentscheidung Gottes (das ‚Dekret‘, wenn man so will) darin, dass Gott nie ohne die Menschheit Gott sein will. Anders ausgedrückt: Gott wählt sich selbst für uns; er bestimmt sich selbst zur Gnade. In dieser gänzlich gnädigen, gänzlich freien, bedingungslosen Urentscheidung Gottes zur Gnade ist in nuce alles andere beschlossen, das in der Zeit folgt: die Erwählung des ewigen Sohnes zu Fleischwerdung, Leiden und Tod am Kreuz; die Erwählung der ganzen Menschheit zur Gemeinschaft mit Gott in ihm; die Ausgießung des Geistes, die Erschaffung und Auferbauung einer Gemeinde von Gläubigen, die das Gesamt der Menschheit repräsentieren.“ Vgl. dazu Barth, KD II/2, § Die Aufgabe rechter Lehre von Gottes Gnadenwahl; Barth schreibt a. a. O., 8: „Dass Gott jene Zuwendung vollzieht, diese Bundesstiftung, seine Urentscheidung ‚in Jesus Christus‘, die der Grund und das Ziel aller seiner Werke ist, das ist Gnade.“ Vgl. dazu auch Pannenbergs Verständnis des Zusammenhangs von Erwählung und Heiligkeit Gottes, wenn er schreibt: „Aber gerade die Heiligkeit Gottes begründet über alle Gerichtserfahrung hinaus die Hoffnung auf neues und endgültiges Heil. Trotz der Sünde der Menschen hält Gott an seiner Erwählung fest. Gerade darin äußert sich seine Heiligkeit, der Unterschied seines Verhaltens von dem der Menschen: ‚Denn Gott bin ich, und nicht ein Mensch, heilig in deiner Mitte, doch nicht ein Vertilger‘ (Hos11:9).“ Systematische Theologie 1, 431f.

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selbst bestimmt, die tödlichen Konsequenzen seiner Sünde auf sich selbst nehmend.421 Gott, den wir in Jesus Christus verehren, ist vor allem ein Gott, der sich selbst in unendlicher und überfließender Großzügigkeit verschenkt. Gnade ist unsere Bezeichnung für dieses Sich-Verschenken. Die Gnade Gottes ruft unsere größte Dankbarkeit und unser tiefstes Vertrauen hervor.422 Jesus Christus, das ewige Wort, das Fleisch wurde, ist immer das eigentliche Wesen des Gnadenbundes.423 Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes, den wir als unseren Herrn anbeten, ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Nach Gottes ewigem Ratschluss wurde er Mensch; er wurde gekreuzigt und erlöste uns.424

Gottes ewiger Ratschluss bezieht sich dementsprechend also nicht primär auf die Erwählung bzw. Verwerfung einzelner Menschen, wie zum Beispiel in der Confessio Gallicana von 1559,425 sondern auf Gottes ewigen Heilsplan der Erlösung in Christus.426 In Freiheit und Liebe gibt Gott sich selbst, um der Gott der Menschen zu sein, die er in Freiheit und Liebe erschaffen hat.427 Gottes erwählende Hei-

421 Vgl. Barth, KD II/2, 101. Dagegen fasst Heppe/Bizer, Dogmatik, 121, ein traditionelles Prädestinationsverständnis wie folgt zusammen: „Objekt des prädestinierenden Dekretes Gottes ist […] der gefallene Mensch, den Gott entweder in Christus zu erlösen oder zu verwerfen beschlossen hat.“ 422 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 79. 423 Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, RZH, 209. 424 Glaubensbekenntnis (1953) der Kirche Christi in Japan, RZH, 34. Erst nach dieser Grundlegung erwähnt das Bekenntnis die individuelle Erwählung, indem es bekennt: „Wer an dieses Erlösungswerk glaubt, ist von Gott erwählt und in Christus gerechtfertigt; erhält die unverdiente Vergebung der Sünden und wird ein Kind Gottes.“ (Ebd.) 425 Vgl. Artikel 12: „Wir glauben, dass aus dieser allgemeinen Verderbnis und Verdammnis, in die alle Menschen versunken sind, Gott diejenigen entreißt, die er in seinem ewigen und unveränderlichen Ratschluss erwählt hat allein durch seine Güte und Barmherzigkeit, in unserem Herrn Jesus Christus, ohne Rücksicht auf ihre Werke, indem er die anderen in eben dieser Verderbnis und Verdammnis lässt, um an ihnen seine Gerechtigkeit zu erzeigen, wie er an den ersteren den Reichtums seines Erbarmens aufleuchten lässt.“ Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 113. 426 Vgl. z. B. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 67f.73: „Die erlösende Tat Gottes in seinem ewigen Plan ist sein Kommen in menschliches Leben und Wirken in Jesus Christus. […] Wie er vom Vater kam und unser Menschsein auf sich nahm, so ist er wieder zum Vater zurückgekehrt und ist der Mittler geworden zwischen uns Menschen und dem ewigen Sein und Ratschluss des Allerhöchsten. […] Nach seinem ewigen Ratschluss wird Gott durch die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit alle Dinge zu ihrer endgültigen Vollendung bringen.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 427 Vgl. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 76, und auch a. a. O., 88: „In Liebe hat Gott seine Menschen ins Sein gerufen, in Liebe hat er sie in Christus gerettet, in Liebe hat er ihnen sein ewiges Reich bereitet.“

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ligkeit,428 die als solche gerade die Heiligkeit des Bundesgottes ist,429 wird in Jesus von Nazareth Mensch für den gilt: „Dieser eine Mensch ist Gottes Bundestreue in Person.“430 Die relationale Heiligkeit des treuen Bundesgottes, der Schöpfer, Bewahrer und Erwähler ist431, in-karniert sich – entsprechend dem ewigen Heilsplan Gottes – im erwählten Menschen, dem Heiligen Gottes, zum Heil der Vielen. Das Bekenntnis Lebendiger Glaube bekennt dementsprechend Erwählung als „die gute Nachricht des Evangeliums“: Von Ewigkeit her und ohne jegliches Verdienst von unserer Seit ruft Gott uns zum Leben in Christus. Das ist die gute Nachricht des Evangeliums! Jesus Christus ist der Erwählte, ausersehen für unser Heil. In ihm kann Gott uns annehmen.432 Bevor die Welt erschaffen wurde, wurden wir in Christus ausersehen, Teil von Gottes Familie zu sein.433 Wir wissen, dass der Prozess der Erlösung nicht für jeden gleich ist. Glaube an die Prädestination bedeutet nicht Fatalismus; es ist vielmehr Glaube an die Tatsache, dass Gott in Christus einen Menschen durch Gnade erwählt. Das beste Beispiel der Prädestination und Gnade ist Jesus Christus selbst.434 Gott erwählt sich sein Volk in seiner Weisheit aufgrund seines ewigen Ratschlusses, der in einem dynamischen Prozess in der Geschichte umgesetzt wird, um diese Erwählten in seinem eingeborenen Sohn, Jesus Christus, zu erretten.435

Alles Handeln am Menschen entspringt Gottes „electing love“436, seiner heiligen Liebe und souveränen Gnadenwahl, Erschaffung wie Erlösung,437 und diese Liebe 428 Vgl. dazu A. Burgess, a. a. O., 56, der von der „electing holiness“ Gottes spricht. 429 Vgl. dazu oben Abschnitt 4.1.3.2. Biblische Perspektiven. 430 Zeindler, a. a. O., 126; vgl. dazu auch a. a. O., 83, als Zusammenfassung von Karl Barths Erwählungslehre als Gnadenwahl: „Gott ist Gott, indem er mit Jesus Christus einen ewigen Bund schließt. Damit ist im Grunde schon alles gesagt – zur Erwählungslehre und zur Dogmatik überhaupt. Hier, in diesem Bund liegt der Kern aller göttlichen Zuwendung, in ihm wird Gottes Beziehungshaftigkeit realisiert: Indem er diesen Bund schließt ist Gott Liebe.“ 431 Vgl. oben Abschnitt 4.2.3.1. 432 Das englische Original dieses Satzes lautet: „In him we are made acceptable to God.“ 433 RZH, 139. Vgl. dazu auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, a. a. O., 190: „Das Wort, das von Anfang an bei Gott war, wurde in Jesus Christus verkörpert. Wir halten fest, dass das, was Gott uns sagt und für uns tut, in Jesus Christus, unserem lebendigen Herrn, seinen Mittelpunkt hat.“ 434 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 39. 435 Evangelisationsbekenntnis (1986/89) der GRI, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 90. 436 Vgl. Our World Belongs to God (1983/2003) der CRCNA: „Being both divine and human, Jesus is the only mediator. He alone paid the debt of our sin; there is no other Savior. We are chosen in Christ to become like him in every way. God’s electing love sustains our hope: God’s grace is free to save sinners who offer nothing but their need for mercy.“ 437 Vgl. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 66. Siehe auch A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 151: „In souveräner Liebe schuf Gott die Welt gut […] In

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kulminiert in der Gnadenwahl Jesu Christi, des „alleinigen Retters und Mittlers“438. Durch ihn ist der Heilige Gott zu den Menschen gekommen und kommen die Menschen zu Gott439 und diese erwählende Heiligkeit beschreibt reformiertes Bekennen, indem es Jesus den Herrn und Heiland nennt.440 In diesem christologischen Doppeltitel ist bereits angelegt, was im Rahmen der Erlösungslehre weiter zu entwickeln sein wird: genauso wie die Erwählungslehre Christus als den Heiland des Volkes Gottes in den Mittelpunkt stellt, so ist die Gemeinschaft der Heiligen auf ihren Herrn bezogen – Erwählung ist immer auch Erwählung zu etwas, Erwählung in Christus und für Christus umfasst Zuspruch und Anspruch:441 In Christus wird Gottes Wort der Annahme Fleisch: Aus Gnade durch Glauben sind wir bei Gott ins Recht gesetzt, als Gottes Kinder angenommen, nicht wegen etwas, das wir getan haben, sondern dessentwegen, was Christus getan hat. In Christus wird Gottes forderndes Wort ausgelebt: Gott und den Nächsten zu lieben, wie er es tat, ist das, was Gott von uns fordert.442

Die Diskussion der Erwählungslehre reformierter Bekenntnisse der Gegenwart ist also mit diesem Abschnitt noch nicht beendet, sondern wird in Bezug auf die Erwählung der Heiligen Gottes später noch weiter zu behandeln sein. Die erwählende Heiligkeit Gottes ist immer auch auf die Heiligkeit der Erwählten Gottes zu entwickeln und erörtern, erfüllt sie sich doch in dem Heilsplan Gottes, welcher auch die Erwählung des Gottesvolkes zu antwortendem Dienst und Gehorsam einschließt. Zunächst jedoch wird der christologische Doppeltitel „Herr und Heiland“ und das Verständnis Christi als mediator in drei weiteren Schritten zu bedenken sein, die von seinem munus propheticum, über das munus sacerdotale zu seinem munus regale führen.

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ewiger Liebe wählte er sich ein Bundesvolk […] Weil er uns noch immer liebt, macht Gott uns mit Christus zu Erben des Bundes.“ So bekennt die Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche Christus als „unseren alleinigen Retter und Mittler“, Krieg, Werkbuch, 158. Vgl. dazu z. B. das Bekenntnis Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 138: „Jesus ist Heiland. Jesus ist der Mittler, durch den Gott zu uns gekommen ist, und durch den wir zu Gott kommen.“ RZH, 225. Vgl. auch a. a. O., 15, 61, 160, 183, 186, 189, 225, 229, 287, 291. Das Echo der Zweiten These der Barmer Theologischen Erklärung ist hier nicht zu überhören. Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 190.

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Der Prophet des Heiligen: das Leben und Wirken Jesu Die Bekenntnisse des gegenwärtigen und letzten Jahrhunderts spiegeln eine theologische Betonung des Lebens Jesu wieder, wie sie so sowohl in der neutestamentlichen als auch in der systematisch-theologischen Wissenschaft, und kirchlichen Frömmigkeits- und Predigtpraxis der letzten Jahrzehnte zu beobachten ist. Bekanntermaßen spielt in den klassischen Bekenntnistexten, altkirchlich wie reformatorisch, das Leben Jesu abgesehen von Geburt und Tod kaum eine Rolle,443 konnte sogar, wie etwa von Calvin in seinem Genfer Katechismus,444 als für das christliche Erlösungsverständnis irrelevant bzw. weniger relevant verstanden werden kann.445 Dagegen betont die Mehrheit der neueren 443 Der Heidelberger Katechismus bietet eine geringfügige Abweichung von diesem Befund, indem er auf Frage 36 „Was verstehst du unter Wort ‚gelitten‘?“ antwortet: „Jesus Christus hat an Leib und Seele die ganze Zeit seines Lebens auf Erden, besonders aber an dessen Ende, den Zorn Gottes über die Sünde des ganzen Menschengeschlechts getragen.“ (Hervorhebungen: M.E-H.); ähnlich auch der Westminster Larger Catechism in Frage 48). In seiner Fidei Ratio von 1530 erwähnt auch Zwingli im Rahmen seiner Diskussion der Zweinaturenlehren das Leben Christi, allerdings eher zur Illustration der vollkommenen menschlichen und göttlichen Naturen Christi, denn als separaten Bekenntnisaspekt; vgl. Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 30f. Vgl. dazu auch den Abschnitt „Satisfaktion und dreifaches Amt“ bei Rohls, a. a. O., 111–120. 444 Frage 55: „Warum gehst du nun von seiner Geburt gleich zu seinem Tode über und lässt die ganze Geschichte seines Lebens beiseite? – Weil hier nur das behandelt wird, was zum Eigentlichen unserer Erlösung gehört und deren Wesen gleichsam in sich erhält.“ (Calvin Studienausgabe 2, 33) Es bleibt jedoch für Calvins Verständnis der Bedeutung des Lebens Jesu festzuhalten, dass er in Inst. II.16.5 betont, dass Christus die Erlösung „durch den Gehorsam während seines ganzen Lebens für uns vollbracht“ hat, „dass Christus mit seinem ganzen Leben uns die Vergebung erworben hat“. Er führt jedoch weiter in der Heilsbedeutung besonders des Todes Christi aus: „Deshalb geht das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis in richtiger Reihenfolge von der Geburt Christi gleich zu seinem Tod und zu seiner Auferstehung über: denn darauf ruht in der Hauptsache unser vollkommenes Heil. Damit wird der Gehorsam, den er darüber hinaus in seinem ganzen Leben geleistet hat, gewiss nicht übergangen.“ 445 Tatsächlich findet sich in der Diskussion um die oboedentia passiva, also dem Leidensgehorsam, und der oboedentia activa, dem tätigen Gehorsam, Christi in Bezug auf die satisfaktorische Qualität dieser beiden Gehorsamsweisen durchaus unterschiedliche Verständnislinien: während etwa die Dordrechter Canones allein den Leidensgehorsam als satisfaktorisch betrachten, setzen andere Bekenntnistexte, wie etwa der Heidelberger, diesen als zur Satisfaktion gehörend voraus, und wieder andere beziehen ihn direkt in die Satisfaktion mit ein, so z. B. die Helvetica Posterior, wenn dort bekannt wird: „Durch sein Leiden und seinen Tod und alles das, was unser Herr von seiner Ankunft im Fleisch an um unsertwillen getan und erduldet hat, hat er den himmlischen Vater mit allen Gläubigen versöhnt.“ Plasger/ Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 203. Heppe/Bizer, Dogmatik, 356, fassen zusammen: „Daher ist das Verdienst Christi (neben seiner Wirksamkeit) so ausschließlich das Mittel, wodurch Christus den Erwählten das Heil bereitet hat, dass die lehrende Tätigkeit und anderes, was Christus getan hat, um die Welt zum Glauben an die Erlösung zu erwecken, nur im allgemeineren Sinne des Wortes als Grund unseres Heils bezeichnet werden kann.“ Vgl. dazu auch Rohls, a. a. O., 115f.

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Bekenntnistexte der reformierten Tradition, dass gerade auch das Leben Jesu in seiner oboedentia activa446 die rettende Gegenwart des Heiligen Gottes und seines Reiches bringt und als solche selbst eine „saving significance“447 besitzt, wenn auch, wie noch zu zeigen sein wird, Kreuz und Auferstehung zentrale Ereignisse in Bezug auf die Satisfaktion bleiben. Bereits in Jesu Leben und Werk, in seinem „Heilandsleben“448, manifestiert sich jedoch, dem Verständnis einer Reihe reformierter Bekenntnistexte der Gegenwart nach, die Herrschaft des Reiches Gottes und es bringt die Versöhnung mit sich:449 Im Leben und Werk Jesu Christi wurde Gottes Reich unter den Menschen gegenwärtig.450 In Jesus Christus versöhnte Gott die Welt mit sich selbst. Diesen heiligen, liebenden und rettenden Plan kam Christus zu offenbaren und in seiner eigenen Person zu erfüllen. Er tat dies in einem Leben des selbstlosen Gehorsams gegenüber seinem Vater und in völliger Gemeinschaft mit ihm. Seine Lehre, seine Heilungen und Hilfen, seine Teilhabe an den Bedürfnissen der Menschen, seine Weigerung, sie ihrer Sünden wegen zu verlassen, alles zeigt die Gegenwart und die Kraft des Reiches Gottes in der Welt.451 With the power of the Holy Spirit, God the Father made a new fellowship with humankind and all creatures through Jesus Christ’s three-year-long public life, crucifixion, and resurrection.452 Die versöhnende Gnade Gottes ist in Leben, Tod, Auferstehung und Herrschaft Jesu Christi siegreich gegenwärtig. […] Seine [Christi] Taten schöpferischen Mitleidens bringen Heil und freudige Hoffnung dorthin, wo nur Grund zur Verzweiflung bestand. […] Wir glauben, dass es [das Leben Jesu] auch eine Tat der Gnade war.453 Das Kommen Jesu war selbst das Kommen von Gottes verheißener Herrschaft. Durch seine Geburt, sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung bringt er die Beziehung zwischen Gott und Mensch hervor, die schon immer Gottes Absicht war.454

446 Der „Gehorsam Jesu“ bleibt weiterhin, wie schon in den reformatorischen Bekenntnistexten, ein zentrales Motiv auch in gegenwärtigen reformierten Bekenntnissen; vgl. z. B. RZH, 68. 447 Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 66; mit explizitem Verweis auf das Verständnis der satisfaktorischen Qualität des aktiven Gehorsams bei Irenäus. 448 Barth, KD IV/3, 45f: „Das von Jesus Christus gelebte Leben [ist] das Leben der Gnade, […] Heilandsleben.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch KD IV/1, 136: „Jesus Christus existiert in der Totalität seines Werkes als Versöhner.“ 449 Vgl. dazu Stroup, Why Jesus Matters, 99f. 450 Bekenntnis der Toraja-Kirche (1981), RZH, 24. 451 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68. 452 Confession for the 21st Century (2001) der Presbyterianischen Kirche in Korea; Hwang, New Confession, 131 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 453 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 81f. 454 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten,

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In ihm [Jesus Christus] wird die Frieden und Wohlergehen stiftende Herrschaft Gottes Wirklichkeit.455

Betont wird dabei in einigen Bekenntnissen, insbesondere aus dem europäischen und nordamerikanischen Kontext, dass es sich bei diesem Leben Jesu um das jüdische Leben des jüdischen Menschen Jesus von Nazareth handelt, dass in diesem Jesus die Heilsgeschichte des Heiligen Israels zur Erfüllung gebracht wird: Jesus war „eine reale historische Person, geboren in Palästina während der Herrschaft des Kaisers August, seine menschliche Natur kam aus der Wurzel der Geschichte des Bundesvolkes.“456 We sing of Jesus, a Jew, born to a woman in poverty in a time of social upheaval and political oppression.457 Aus Israel kam der Messias; in Jesus von Nazareth machte Gott die Verheißung des Heils wahr. Wir verstehen sein Kommen im Licht des Alten Testaments. Geboren aus dem Stamm Davids, lebte er als Jude unter Juden. Kind einer israelitischen Frau, erfüllte er Gottes Verheißung, dass Israel ein Licht der Völker werden sollte.458

Auch in der Erniedrigung459 des Sohnes Gottes, in Menschwerdung und Leben dieses konkreten, jüdischen Mannes aus Nazareth, offenbart sich also die Hei-

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RZH, 183. Vgl. u. a. auch die Unionsgrundlage (1971) der Uniting Church in Australia, RZH, 278. Glaubensbekenntnis der GMIT (2007), Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 96. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68. Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 137 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. auch das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in Amerika, RZH, 160: „Jesus, ein palästinensischer Jude, lebte unter seinem eigenen Volk und teilte ihre Nöte, Versuchungen, Freuden und Sorgen.“ (Vgl. dazu Dowey, Commentary, 44: „One fact, that Jesus was a Palestinian Jew, is placed where it cannot be missed. This is because ‚the Jews’ appear so often as his enemies that Christians forget or suppress the more basic fact that they were his own people.“) Ähnlich auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 183: „Jesus, der lang erwarte Heiland, kam in diese Welt als ein Kind, ein Nachkomme Davids. Empfangen vom Heiligen Geist, geboren von Maria, einer Jungfrau. Er lebte als Jude unter Juden.“ Dagegen wäre das Neue Bekenntnis (1982) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea auf eine potentiell antijudaistische Interpretation kritisch zu hinterfragen, das in einem Abschnitt über „Das Leben Jesu Christi“ formuliert: „Aber das Volk verstand ihn nicht, und die jüdischen Führer beschuldigten ihn vor dem Gericht des Pontius Pilatus, um ihn kreuzigen zu lassen.“, RZH, 42. Ein Terminus, der auch weiterhin eine Rolle in reformierten Bekenntnissen spielt, und im Allgemeinen auf Inkarnation und Leben Christi bezogen wird; vgl. zum Beispiel Lebendiger Glaube (1984) der Vereinigten Kirche von Kanada, RZH, 137: „Der ewige Sohn Gottes, geboren von Maria, der Jungfrau, erniedrigte sich selbst und wurde eins mit uns. In Christus kam Gott zu Israel und der ganzen Welt.“

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ligkeit Gottes,460 die sich in heiliger und gerechter Liebe manifestiert – die Identität des Heiligen Gottes und die Identität der Heiligen Gottes werden damit dem Zeugnis der Bekenntnissen nach nicht abgesehen von Jesu Wirken auf Erden erkannt und geglaubt. Anders formuliert: eine christologische Bestimmung von Heiligkeit bezieht sich gleichermaßen auf die Person wie auf das Leben des Sohnes Gottes und trennt nicht Jesus von Christus, humilatio von exaltatio, sondern versteht beide als Ausdruck der Heiligkeit Gottes,461 die in Christus als eine „Holiness in Humility, a holy Lowliness“462 offenbart wird. Wer und was die zweite Person des Drei-Einigen Gottes ist, das Herz ihrer Identität als Christus463, liegt in seinem ganzen Werk begründet: Was Jesus Christus ist, das ist er der Einheit seiner Person und seines Werks. […] Seine Person ist offenbar in seinem Werk. Sein Werk gründet in seiner Person.464 Unser Glaube ist begründet in der Person und im Werk von Jesus Christus, dem Diener Gottes.465

Wenn mit Goroncy weiterhin davon ausgegangen werden kann, dass Heiligkeit – Gottes wie des Menschen – zudem das Thema von Christi Verkündigung und Wirken ist,466 gewinnen eben diese verstärkt an zentraler Bedeutung. Das Wesen des Heiligen Gottes, seine Person, kann also auch nur in Zusammenhang mit seinem Wirken verstanden werden, von dem eben auch das Leben Jesu ein entscheidender Teil und mehr als ein „Komma“ ist. Reformierte Bekenntnisse der Gegenwart spiegeln diese verstärkte Bedeutung wieder, indem sie nun auch das das Leben Jesu zum Gegenstand ihres Bekennens machen und, mit starkem 460 Vgl. Webster, Holiness, 45: „God’s holiness is not simply to be associated with his transcendence, but equally with his condescension. Put another way: God’s transcendence is not different from or other than the freedom in which the holy God condescends to move towards the world and humankind. In particular, it is important to maintain that God’s holiness is inseparable from the fact that God is the covenant God.“ 461 Vgl. dazu Köber, Jesus – Der Heilige Gottes, 316: „Die Heiligkeit wird vom Menschen Jesus ausgesagt; das NT lässt nicht den geringsten Zweifel an Jesu vollem und wahrem Menschsein. […] Jesu Heiligkeit bedeutet, dass in ihm Gott selbst gegenwärtig ist; in ihm begegnet Gott, durch ihn spricht und handelt Gott, in ihm kommt Gott zu den Menschen und nimmt Anteil an ihren Freuden und Leiden, an ihrem Ergehen und Vergehen.“ 462 Sonderegger, Systematic Theology, 151. 463 Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 67: „the very heart of the identity of this one as the Christ“. 464 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche (1949), Otto Weber, Lebendiges Bekenntnis, 31. Gleichzeitig gilt es jedoch aus zu betonen, „dass wir […] über das, was Gott in Christus tut, nicht sauber reden können, wenn wir nicht zu dem entschiedenen Bekenntnis dessen gelangen, wer Christus ist.“ A. a. O., 30 (Hervorhebungen im Original). 465 Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, Werkbuch, 158. 466 Goroncy, Elusiveness, 204: „Holiness – God’s and ours – is the theme in the ministry of Jesus and so of the Scriptures.“ Vgl. dazu auch oben Abschnitt 4.1.3.2

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Bezug auf die Evangelien, aber auch auf das paulinische Werk,467 Christi handelnde Verkündigung und verkündigendes Handeln schildern, welche nicht nur zum Kreuz führen werden, sondern bereits als solche das Nähergekommensein des Reiches Gottes demonstrieren. Das Brief Statement, das Glaubensbekenntnis aus Timor und der Song of Faith bieten jeweils pointierte Zusammenfassung dieses verkündigenden Wirkens Christi, wenn sie bekennen:468 Wir vertrauen auf Jesus Christus, vollkommen Mensch, vollkommen Gott. Jesus verkündete das Reich Gottes: indem er den Armen die gute Nachricht predigte und Befreiung den Gefangenen, indem er lehrte durch Wort und Tat und die Kinder segnete, Kranke heilte und die Geknickten aufband, mit den Ausgestoßenen aß, den Sündern vergab, und allen zurief, zu bereuen und dem Evangelium zu glauben.469 Er [Jesus Christus] verkündigt(e) den Armen gute Botschaft, befreit(e) die Unterdrückten, verurteilt(e) die Unterdrücker, schenkt(e) den Blinden das Augenlicht, verkehrt(e) mit den Ausgestoßenen, schenkt(e) den Sündern Vergebung, segnet(e) die Kinder und befähigt(e) Frauen und Männer zum Zeugnis.470 Jesus announced the coming of God’s reign – a commonwealth not of domination but of peace, justice, and reconciliation. He healed the sick and fed the hungry. He forgave sins and freed those held captive by all manner of demonic powers. He crossed barriers of race, class, culture, and gender. He preached and practised unconditional love – love of God, love of neighbour, love of friend, love of enemy – and he commanded his followers to love one another as he had loved them.471

Gleichzeitig mit dem Wirken Christi in seinem Handeln wird in dieser Ausdifferenzierung der Reich-Gottes-Verkündigung Christi auch der als relational verstandene und erfahrene Charakter seiner Heiligkeit deutlich. Christus ist der Heilige Gottes nicht in se, sondern pro nobis,472 in seiner Heiligkeit mit denen 467 Vgl. dazu exemplarisch Placher/Willis-Watkins, a. a. O., 26f; dort werden die biblischen Referenzstellen zum christologischen Abschnitt des Bekenntnisses Brief Statement of Faith aufgeführt. 468 Vgl. dazu insbesondere auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 183–186. 469 Krieg, Werkbuch, 150. Im englischen Original ist der Bekenntnistext noch eindrücklicher auf das Wirken Christi bezogen, welches als Ganzes das Reich Gottes verkündigt: „Jesus proclaimed the reign of God: preaching … teaching … blessing … healing … binding up … eating … forgiving … calling.“ Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 61. Vgl. dazu die Übersetzung in Ernst, In Leben und Tod gehören wir Gott, 443. 470 Glaubensbekenntnis der GMIT (2007), Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 96. 471 Song of Faith der Vereinigten Kirche Kanadas (2006). 472 Vgl. dazu auch Barth, KD IV/1, 135, der fragt, wo es im Neuen Testament „einen Christus an sich [gibt], d. h. abstrahiert von dem, was er inmitten der Menschen Israels, seiner Jünger, der Welt, was er für diese ist? Existiert er dort anders als in diesem Verhältnis? Gewiss er als die schlechthin beherrschende Figur, schlechthin einzigartig in dieser seiner Umgebung: Er als das bestimmende, ja schöpferische Subjekt alles dessen, was in ihr Ereignis wird – aber wie und in welchem Sinn aus ihr herauszulösen und für sich zu betrachten? Wo und wie

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verbunden, denen er das Reich verkündigt: mit den Armen, den Gefangenen, den Kindern, den Kranken, den Geknickten, den Ausgestoßenen, den Sündern, mit allen, die zur Umkehr aufgerufen werden.473 In dieser relationalen Heiligkeit bleibt Christus der für Gott ausgesonderte und erwählte Mensch, während er gleichzeitig das, was Gottes heiliger und gerechter Liebe widerspricht, besiegt und überwindet – Christi Heiligkeit ist damit nicht nur die Heiligkeit in der Absonderung des Reinen vom Unreinen, sondern gerade auch heilende Heiligkeit, die als solche Heil, Heil-Sein, Heilung und Heiligung bringt und bewirkt, indem sie Sünde vergibt und Unreinheit überwindet.474 Jesu Heiligkeit, die Heiligkeit des Heilandes, ist eine Heiligkeit, die sich sozusagen die Finger schmutzig macht, um die, für die er gesandt ist, für sich und die Gemeinschaft mit ihm zu reinigen und zu heiligen. Dieses Verständnis von Heiligkeit im Leben und Wirken Jesu voraussetzend, gewinnt auch das klassische475 munus propheticum Christi an Relevanz, nachdrücklich und zentral auf sein gesamtes Wirken bezogen, welches nun in seiner Gesamtheit des Verkündigens und Handelns eine nicht mehr nur untergeordnete Rolle spielt,476 sondern „den Willen des Vaters vollständig darlegt“ und „die Seinen mit der wahren Erkenntnis des Vaters erleuchtet“477. Ein spezifischer Schwerpunkt reformierten Bekennens der Gegenwart, der im vorhergegangen Abschnitt bereits diskutiert wurde, ist dabei das Verständnis Gottes als Gott der Gerechtigkeit, der sich auf die Seite der Armen, Bedrängten und Unterdrückten stellt. Dieses Verständnis gewinnen reformierte Bekenntnisse der Gegenwart aus ihrem Verständnis des Lebens und Wirkens Christ, wie es in den Evangelien erzählt und insbesondere mithilfe prophetischer Texte der Hebräischen Bibel interpretiert wird: Jesus Christus als der „Heilige Gottes“ ist auch die In-Kar-

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anders sichtbar, hörbar, greifbar als der, der ihr Offenbarung, Gnade, Gericht, Befreiung, Aufruf, Verheißung, der schlechterdings mit ihr und für sie, diese Menschen, ist, der er ist?“ Vgl. dazu Placher/Willis-Watkins, a. a. O., 61: „These lines also identify those who were the primary recipients of Jesus’ eventful proclamation.“ Vgl. dazu Stettler, Heiligung bei Paulus, 172: „Sünde und Unreinheit können nicht mehr von der Gottesherrschaft ausschließen, da Jesus Sünden vergibt und die Unreinheit durch seine heilende Heiligkeit überwindet.“ Vgl. dazu auch Frage 29 des Heidelberger Katechismus. Vgl. dazu Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 111–120; McKim, Reformed Faith, 94f; und Heppe/Bizer, Dogmatik, 356–363. So kennt und bekennt zwar z. B. der Heidelberger Katechismus zwar das dreifache Amt Christi (Frage 31), im Laufe des Katechismus spielen jedoch das hohepriesterliche wie das königliche Amt Christ eine weitaus stärke Rolle als das prophetische; ähnlich auch im Westminster Bekenntnis und den Westminster Katechismen. Heppe/Bizer, a. a. O., 357, betont diese Unterordnung: „Im weiteren Sinne des Wortes gehört zum prophetischen Amt Christi auch die Wundertätigkeit, das heilige Leben und der Märtyrertod, wodurch derselbe seine Verkündigung bestätigte und bewährte.“ Vgl. Frage 39 und 44 des Genfer Katechismus.

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nation der liebenden Gerechtigkeit Gottes; in Christus wird Gott nicht nur als der Gerechte offenbart, erkannt und geglaubt, sondern auch als der Advokat der gerechten Liebe. Dass Gott „auf besondere Weise der Gott der Elenden, der Armen und der Benachteiligten“478 ist, erkennen die Gläubigen an Christus, der ihr Anwalt ist und sich (und seine Kirche) auf ihre Seite stellt. Die Heiligkeit Gottes, wie sie in Christus, dem Heiligen Gottes in-karniert ist, wird also auch in diesem Fall in ihrer adverso-Dimension als eine relationale Heiligkeit verstanden: als die Heiligkeit des Advokaten, der die Ungerechtigkeiten der unheiligen Welt nicht allein verurteilt, sondern sie überwindet.479 Eine Anzahl reformierter Bekenntnisse der Gegenwart bekennen, dass sich diese Heiligkeit Gottes dementsprechend in Christus manifestiert, dem Gerechten auf der Seite derer, die unter Ungerechtigkeit leiden, dem Richter all dessen, was Ungerechtigkeit schafft und perpetuiert, dem Sieger über alles Böse in Gerechtigkeit und Liebe, in dessen Auferstehung der Heilige Gott „den endgültigen Sieg seiner heiligen Liebe verkündetet“480: Er [Christus] wurde ein Freund der Armen, der Unterdrückten, der Sünder, der Ausgestoßenen und der Enttäuschten. In keiner Weise ließ er sich mit den Kräften des Bösen, der Ungerechtigkeit und der Unwahrheit ein; stattdessen widerstand er ihnen bis zum Tode. […] Sein Tod, der Höhepunkt seines Leidens, ist Ausdruck von Gottes gerechter Liebe und ein Angriff auf das kosmische Böse und die Kräfte der Sünde […] Die Auferstehung Jesu bedeutet, dass der Tod, der letzte Feind des Menschen, durch das Leben und durch den Sieg der Gerechtigkeit und Liebe besiegt ist. […] Sie stärkt die Schwachen, erhöht die Geringen, gibt den ungerecht Behandelten ihre Rechte zurück, bringt den geschlagenen Gerechten den Sieg und gewährt den Toten das Leben.481

Zu Christi prophetischem Amt gehört also seine Verkündigung des Reiches Gottes als „Messias der Bedrängten und Unterdrückten“482, wie es das Credo von Kappel im Jahr 2008 formuliert. Aber gerade auch als dieser Messias, als Advokat 478 So die umstrittene Formulierung des Belhar-Bekenntnisses,. 479 Vgl. dazu z. B. das Verständnis von „holy love“ in der Theologie von P.T. Forsyth, die Goroncy, Hallowed Be Thy Name, 51, wie folgt zusammenfasst: „Holy love, Forsyth insists, is ‚the tenderness of the Holy, which does not soothe but save. It is love which does not simply comfort, and it is holiness which does not simply doom. It is holy love, which judges, saves, forgives, cleanses the conscience, destroys the guilt, reorganizes the race, and makes a new world from the ruins of the old.‘“ 480 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 182. 481 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 41. Ähnlich auch Unser Glaubensbekenntnis (1976), RZH, 49: „Er [Gott] hat sich und er Menschen willen erniedrigt und wurde ein Freund der Armen, der Unterdrückten, der Sünder, der Ausgestoßenen und der Entfremdeten. […] Jesus Christus gab uns Hoffnung auf das neue Leben, in dem er den Sieg des Lebens über den Tod, der Gerechtigkeit über die Ungerechtigkeit und der Liebe über das Böse errungen hat.“ 482 Krieg, Werkbuch, 165.

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der gerechten und liebenden Heiligkeit, wird in Christus deutlich, wo die Menschen sündigen: Deutlich bekannt wird in den Bekenntnistexten nicht allein der Kirchen des globalen Nordens, sondern auch in den Texten aus Kirchen des Südens, die in wirtschaftlich, politisch und sozial extrem „ungerechten“ Kontexten leben und häufig selber zu den Unterdrückten gehören, dass es die eigene Kirche selbst ist, die Gottes Liebe und Gerechtigkeit in ihrem eigenen Leben in allen Bereichen nicht widerspiegelt483 und daher das Gericht Gottes verdient. In Christus erkennt die Kirche ihre Sünde. Wir bezeugen Gottes Güte und Gerechtigkeit. Gott hat uns über all unser Verdienst hinaus gesegnet. Wenn wir den Herrn vergessen und unseren Besitz anbeten, wenn wir mit den Armen nicht gerecht umgehen, wenn wir Sicherheit suchen ohne Rücksicht darauf, was andere dafür zahlen müssen, müssen wir mit Gottes Gericht über uns rechnen.484

Gottes „gerechte und liebende Herrschaft über alles“485 beinhaltet daher auch Gottes Gericht über die Kirche: „Wir verdienen Gottes Verurteilung“486 und „wir bekennen unsere Schuld“487. Wir bekennen, dass wir Sünder sind. Wir tragen nicht, so wie wir sollten, Sorge für die Welt. Wir erfüllen unseren Auftrag, Gott zu dienen, nicht. Unser Leben spiegelt Gottes Liebe nicht wieder. Unser Versagen ist Sünde, eine Auflehnung gegen Gott, der Anspruch, selbst Gott über unser Leben zu sein.488

Derselbe Christus, der der „Heiland für alle Menschen“ ist, wird daher ebenso zum „Richter über alle Menschen“489, seine Heiligkeit begegnet der menschlichen Situation in ihrer Sünde in Gericht und Versöhnung:

483 Vgl. dazu zum Beispiel das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 166f: „Weil Jesus sich mit den Bedürftigen und den Ausgebeuteten identifizierte, ist die Sache der Armen in der Welt die Sache seiner Jünger. […] Wenn eine Kirche sich der Armut nicht stellt, wenn sie in wirtschaftlichen Dingen Verantwortung meidet, nur für eine soziale Klasse offen ist oder für ihre Wohltätigkeit Dank erwartet, dann spottet sie der Versöhnung und bringt Gott keinen wohlgefälligen Gottesdienst dar.“ 484 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 182. 485 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 177. 486 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, a. a. O., 151. 487 So der wiederkehrende Bekenntnissatz im Glaubensbekenntnis (1986) der Schweizer Evangelischen Synode, Krieg, a. a. O., 44f. 488 Lebendiger Glaube (1984) der Vereinigten Kirche von Kanada, RZH, 135. 489 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 160. Das Bekenntnis warnt nachdrücklich, a. a. O., 161: „So fallen alle Menschen unter Gottes Gericht. Keiner ist von diesem Gericht stärker betroffen als der Mensch, der sich selbst für schuldlos vor Gott oder vor anderen für moralisch überlegen hält.“

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Gott begegnet der Not der Menschen durch seine eigene Tat, die einzig aus Liebe geschah. In Jesus von Nazareth, in dem seine Gnade Fleisch wurde, kam Gott selbst, um die Welt zu erlösen. Er, heilig in seiner äußersten Feindschaft gegenüber der Sünde, hat den sündigen Menschen mit Gott versöhnt.490

Das Gericht Gottes ergeht über alle – und „alle, die ihr Vertrauen auf Christus setzen, […] sehen dem göttlichen Gericht ohne Furcht entgegen, denn der Richter ist ihr Erlöser“491. Christus ist der Heilige Gottes als Richter und Versöhner; damit ist die Grundaussage auch des nun folgenden Abschnittes bereits vorgegeben. Der Hohepriester des Heiligen: Leiden und Kreuz Jesu Wenn sich die interpretative Bekenntnisexegese der vorliegenden Untersuchung nun dem Leiden und Kreuz Christi zuwendet, dann geschieht dies in der expliziten Absicht, das Verständnis der Heiligkeit Gottes, wie sie sich in Jesus Christus als dem Heiligen Gottes inkarniert hat, als eine essentiell kruziforme Heiligkeit492 zu entwickeln: wer und was Gott ist und wie er handelt in seiner Heiligkeit wird nicht abgesehen vom Kreuz offenbart, erkannt und bekannt493 – wie es auch nicht abgesehen von Christi Leben, das zum Kreuz führt, und seiner Auferweckung, die vom Kreuz kommt, offenbart, erkannt und bekannt wird. Reformierte Bekenntnisse stellen sich dem skandalon, dass in diesem spezifischen Kreuz des Jesus von Nazareth, Kreuz und Gott miteinander in Beziehung gebracht werden, dass der Heilige Gott sich gerade hier, in der tiefsten Tiefe der Erniedrigung, als heilig erweist. Es ist der gekreuzigte und auferweckte Sohn Gottes, in dem sich Gottes Heiligkeit in Gerechtigkeit und Liebe erweist: Der Opfertod des Lammes enthüllt die Hoheit der Gerechtigkeit Gottes und die Tiefe unserer Schuld. Aber auch und noch mehr wird hierin Gottes Barmherzigkeit offenbar, die seine Gerechtigkeit umschließt und so verwirklicht, dass nicht wir die Sünde tragen, sondern er in seinem Sohn, der unser Haupt ward. Denn Gott bestätigt seine Liebe gegen uns darin, dass wir, als wir noch Feinde waren, versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes und damit vor dem Zorn bewahrt wurden.494 490 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 81 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Der Heiligkeitsaspekt wird im englischen Original noch deutlicher: „Holy in his utter hostility to sin, God has reconciled to himself man who is sinful“. RWT, 122f. 491 Ebd. 492 Vgl. dazu den sehr anregenden Aufsatz von Gorman, „You Shall Be Cruciform for I Am Cruciform“. Paul’s Trinitarian Reconstruction of Holiness. 493 Vgl. dazu das erste Kapitel von Willis, Notes on the Holiness of God, unter der Überschrift „The Holiness of the Cross“. 494 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 34. Vgl. dazu den Kommentar a. a. O., 35: „Barm-

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Damit ist die relationale und erwählende Heiligkeit Gottes, wie sie in den vorhergegangen Kapitel beschrieben worden ist, gleichzeitig auch eine versöhnliche und versöhnende Heiligkeit. Der Heilige Gott, der in dem Heiligen Gottes für die Vielen an das Kreuz geht, ist der Heilige in der Mitte seines Volkes, der als Versöhner kommt – nicht als Vertilger [vgl. Hos 11]. Jesus Christus ist das fleischgewordene Wort, in dem die neue Vereinigung des heiligen und gnädigen Gottes mit dem schuldigen Menschen sich vollzieht und in dem allein und völlig die Versöhnung der Welt mit Gott geschieht.495

Diese Versöhnung Gottes mit der Welt, die in der Erwählung Jesu Christi ihren ewigen Anfang nahm, die in Leben und Wirken Jesu von Nazareth Mensch wurde, die ihren Fokus im Kreuz findet, stellt das Zentralthema vieler gegenwärtiger Bekenntnistexte dar496 – nicht zuletzt auf dem kontextuellen Hintergrund einiger bekennender Kirchen, die durch extreme Unversöhnlichkeit in verschiedensten Aspekten des Lebens der Kirche und der Welt gekennzeichnet sind. Explizit kann dies etwa das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA bekennen, die sowohl die in Christus bereits geschehene Versöhnung als auch die der Kirche aufgetragene Mission der Versöhnung zu ihrem Zentralthema macht: Gottes versöhnendes Handeln in Jesus Christus und die Mission der Versöhnung, zu der er seine Kirche berufen hat, sind das Herz des Evangeliums zu allen Zeiten. Unsere Generation hat die Versöhnung in Christus besonders nötig. Deshalb ist das Bekenntnis von 1967 auf diesem Thema aufgebaut.497

Dieses Versöhnungswerk Jesu als „entscheidende Wende im Leben der Welt“498, als „größte Krise im Leben der Menschheit“499, häufig mit einem direkten oder indirekten Zitat von 2 Kor 5:19 verbunden,500 kulminiert dem Tenor der großen

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herzigkeit und Gerechtigkeit sind keine Gegensätze. Sie sind in Gott eins. Gewiss, wir brauchen beide Worte, wenn wir stammelnd von dem reden wollen, was in Gottes heiligem Herzen lebt. Lassen wir eins von beiden weg, so haben wir es nicht mehr mit dem Vater Jesus Christi, sondern mit einem abstrakten Recht oder einer abstrakten Liebe, kurz, mit einem Götzen zu tun.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 29. Besonders deutlich selbstredend in den Bekenntnistexten, die im Umfeld der südafrikanischen Apartheidsideologie und – theologie entstanden sind; vgl. dazu RZH, 3–12. RZH, 159. Zum spezifischen Kontext des Bekenntnisses vgl. den Sammelband „Reconciliation and Liberation. The Confession of 1967“ hg. von James Smylie, und den Kommentar von Edward Dowey. Vgl. dazu auch Ernst-Habib, A Conversation with Twentieth Century Conversations, 79–84. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 145. Bekenntnis von 1967, RZH, 162. „Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre

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Mehrheit reformierter Bekenntnisse der Gegenwart nach im Jesu Sterben am Kreuz. Wohl können einige Bekenntnistexte aufgrund ihres Kontextes und ihrer fokussierten Absicht das Kreuz, bzw. Jesus Christus als den Gekreuzigten nicht explizit erwähnen,501 in der Regel jedoch steht weithin das Kreuz Christi im Mittelpunkt des Bekennens über alle Kontexte und theologischen Orientierungen hinaus. Darüber hinaus lässt sich jedoch nur schwerlich eine einheitliche Kreuzestheologie reformierter Bekenntnisse ausmachen, im Gegenteil: gerade hier scheinen die größten Unterschiede im reformierten Bekennen der Gegenwart deutlich zu werden. Die Interpretationen des Kreuzesgeschehens und allgemeiner des Versöhnungswerkes Christi reichen von klassisch reformierten Positionen in Betonung des Sühne- und Opfercharakters502 bis hin zu Erwähnungen des Kreuzes ausschließlich als Konsequenz des verkündigenden Handelns Christi. Um diese Breite der verschiedenen Kreuzestheologien wenigstens ansatzweise nachzuzeichnen, sollen hier exemplarisch einige Bekenntnistexte zur Sprache kommen, und auf ihren Beitrag zu einem Verständnis von Gottes kruziformer Heiligkeit hin befragt werden. Zunächst werden dabei gegenwärtige Interpretationen klassischer Kreuzestheologien mit ihren je eigenen Perspektiven, Schwerpunkten und Weiterentwicklungen betrachtet werden. Dazu soll als ein Exempel, das für viele andere Bekenntnistexte stehen kann, die Kreuzesinterpretation der Glaubenserklärung von 1976 der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten in einem längeren Zitat vorgestellt werden: Wir glauben, dass in Jesu Tod am Kreuz Gott ein für allemal die teure Vergebung unserer Sünden bewirkt und erwiesen hat. Jesus Christus ist der Versöhner zwischen Gott und der Welt. Er handelte zugunsten der Sünder als einer von uns, erfüllte den Gehorsam, den Gott von uns fordert, nahm Gottes Urteil über unsere Sündigkeit auf sich. In seinem einsamen Todeskampf am Kreuz fühlte Jesus sich von Gott verlassen und erlebte so sogar die Hölle für uns. Dennoch war der Sohn niemals mit des Vaters Willen mehr eins als hier. Er handelte an Gottes Stelle, veranschaulichte des Vaters Liebe, die die Einsamkeit, den Schmerz und den Tod auf sich nimmt, die Folge unserer Widerspenstigkeit sind. In Christus versöhnte Gott die Welt mit sich selbst und rechnete uns unsere Sünde nicht an. Jeder von uns erkennt am Kreuz den Heiland, der an unserer Stelle starb, so

Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ Vgl. z. B. RZH, 68.156.159.185.278. 501 Erstaunlicherweise lässt sogar das Bekenntnis von Belhar jeglichen Verweis auf das Kreuz Christi vermissen, obwohl Christi Versöhnungswerk ja eines der zentralen Themen des Bekenntnisses ist. Aber auch ein kurzer, zusammenfassender Bekenntnistext für den liturgischen Gebrauch, wie etwa das Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche von Kanada (1968/80) erwähnt weder Jesu Kreuz, noch Tod noch Auferstehung, sondern fasst sein Wirken in Inkarnation, Versöhnung und Neuschöpfung zusammen; vgl. RZH, 131. 502 Vgl. dazu den kurzen Überblick bei Fackre, Art. Atonement; und ausführlicher in Bezug auf die reformierten Bekenntnisse Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 106– 120.

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dass wir nicht länger für uns selbst leben wollen, sondern für ihn. In ihm ist unsere einzige Hoffnung auf Rettung.503

Das englische Original macht deutlicher, wie hier Jesus Christus als stellvertretender Mittler verstanden und bekannt wird, indem die Glaubenserklärung bekennt, dass Christus „acted on behalf of sinners as one of us […] He acted on behalf of God, manifesting the Father’s love“504. Kruziforme Heiligkeit kann dementsprechend auch und gerade im Kreuz den Sohn nicht vom Vater trennen, oder beide gar gegeneinander ausspielen. Christi Tod ist „Ausdruck von Gottes gerechter Liebe“505, sein erlösendes Leiden ist Gottes erlösendes Leiden und Gott wird hier nicht nur durch, sondern gerade auch in Jesus gefunden.506 Gottes Heiligkeit kann dementsprechend im Kreuz nicht allein darin erkannt werden, dass hier die Radikalität der Sünde „judged by the holiness of God“507 als den Menschen von Gott entfernende Macht und Realität ihren Tiefpunkt erreicht, sondern ebenso darin, dass Gott in Christus selbst in einem Akt des „vollkommenen Gehorsams und vollkommener Liebe“508 in die Tiefen dieser Gottentfremdung stieg, um die Welt mit Gott und nicht Gott mit der Welt zu versöhnen. Die versöhnende Heiligkeit Gottes wird damit nicht durch das Kreuz bewirkt, sondern vice versa, das Kreuzesgeschehen wird durch die versöhnende Heiligkeit Gottes im erwählten und erwählenden Jesus Christus bewirkt, dem Heiligen

503 RZH, 185. 504 RWT, 242. 505 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, RZH, 43: „Christus litt wegen unserer Sünden, und der Höhepunkt seines Leidens war die Kreuzigung. […] Sein Tod, der Höhepunkt seines Leidens, ist Ausdruck von Gottes gerechter Liebe und ein Angriff auf das kosmische Böse und die Kräfte der Sünde, die Gottes Schöpfung bedrohen und den Menschen zur Zerstörung treiben. Er bedeutet andererseits eine Befreiung von all diesen bösen Mächten, die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen und eine Tat Gottes zur Vergebung unserer Sünden und zur Gewährung der Erlösung.“ 506 Vgl. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 85: „Das erlösende Leiden Jesu trifft uns als das erlösende Leiden Gottes selbst. Alle drei, die in Jesu Sterben kulminieren, machen uns klar, dass wir Gott nicht nur durch Jesus, sondern in ihm gefunden haben.“ Vgl. dazu auch den Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada, der das gesamte Christusgeschehen wie folgt bekennt: „By becoming flesh in Jesus, God makes all things new. In Jesus’ life, teaching, and self-offering, God empowers us to live in love. In Jesus’ crucifixion, God bears the sin, grief, and suffering of the world. In Jesus’ resurrection, God overcomes death. Nothing separates us from the love of God.“ 507 So Fackre, a. a. O., 13, im Blick auf klassisch-reformierte Versöhnungslehre. 508 Vgl. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68: „In seinem Tod am Kreuz hat Christus sich im Gehorsam gegen den Willen des Vaters freiwillig mit dem sündigen Menschen gleichgestellt und sich selbst für die Sünden der Welt hingegeben. Durch diese Tat vollkommenen Gehorsams und vollkommener Liebe, indem er diesen Preis zahlte, vollbrachte er die Wiedergutmachung der Sünde, gewann den Sieg über sie und brach die Macht des Bösen in der Welt.“

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Gottes.509 Gerade hier, am Kreuz, wird die Heiligkeit Jesu zu einem zentralen Interpretationshilfe des gesamten Christusgeschehen und in diesem Sinne wird in Kreuz und Auferstehung in ganz besonderem Maße der erwählende, versöhnende und kruziforme Aspekt der Heiligkeit Gottes offenbar.510 Nur in diesem Sinne kann dann auch die wiederholte Aufnahme des „Opfermotivs“ in reformierten Bekenntnistexten511 verstanden werden, das „vollkommene Opfer“ ist das Opfer des Heiligen Gottes selbst. In einem religiös-kulturellem Kontext, wie etwa dem der Toraja-Kirche in Indonesien, in dem „Entsündung“ und Versöhnung durch Darbringung von (Tier-)Opfern möglich ist,512 gewinnt dieses Verständnis des Todes Christi als alleingenügsamen und vollkommen Opfer ein besondere Relevanz, die jedoch auch auf andere Kontexte auszustrahlen vermag, wenn dort bekannt wird: Unsere Errettung und Sicherheit jetzt und in der Zukunft hängt nicht von Opfern ab; weder von Tieropfern noch von guten Werken, von unserer Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit. Allein durch das Opfer Jesu Christi werden die Sünder vor Gott gerechtfertigt.513

Gegenüber Bekenntnistexten aus der reformierten Reformation ist jedoch der Begriff des „Opfers“ wie insgesamt Interpretationen des Kreuzes als Sühne eher in den Hintergrund getreten; andere Aspekte des Versöhnungsgeschehens werden stärker hervorgehoben. Einige Bekenntnisse rekurrieren dabei bewusst auf die metaphorische Vielfalt und Vielzahl der Deutungsversuche des Neuen Testaments bezügliches des Versöhnungsgeschehens am Kreuz und bekennen, dass auch und gerade das Kreuz zum Geheimnis Gottes gehört, das nicht vollständig ergründet werden kann und auch in der Schrift nicht vollständig ergründet wird. So vor allem und besonders nachdrücklich das Bekenntnis von 1967, welches die Vielfalt explizit in den Bekenntnistext selbst aufnimmt und auf diese Weise nicht 509 Tatsächlich findet sich aber auch in einigen modernen Bekenntnissen eine Auslegung des Kreuzesgeschehens, die sich mit den eher klassischen Kreuzestheologien trifft und eher einseitig etwa den „Zorn Gottes“ betont; vgl. z. B. das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 24: „Jesus Christus trug den Fluch des Zornes Gottes über unsere Sünden durch Seine Leiden bis hin zum Kreuzestod; Er stieg sogar hinab ins Totenreich.“ 510 Dabei ist die Warnung der Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 189, grundlegend: „Wir können nicht die Liebe des Sohnes gegen die Gerechtigkeit des Vaters setzen.“ 511 Vgl. z. B. das Glaubensbekenntnis (1954) der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), RZH, 31: „Der Sohn, der Mensch wurde für die Errettung von uns Sündern, wurde gekreuzigt und gab Sich selbst als vollkommenes Opfer für uns alle.“ Dabei können auch die z. B. für den Heidelberger Katechismus zu bedeutsamen Traditionslinien des „Blutes Christi“ wieder aufgenommen werden wie etwa in der Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), die bekennt: „Durch das Blut und das Kreuz Christi hat Gott alles mit sich selbst versöhnt.“ 512 Vgl. dazu Plaisier, De belijdenis van de Torajakerk, 6. 513 RZH, 24f.

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allein den Weg zu einer umfassenderen Deutung des Kreuzesgeschehens öffnen möchte, sondern auch daran erinnert, dass die Schrift selbst das Geheimnis Gottes nur, wie Calvin sagt, „akkommodiert“514.515 Jede Begrenzung und Einschränkung auf nur eines dieser zahlreichen und unterschiedliche Aspekte des Kreuzes- und Versöhnungsgeschehens zur Sprache bringenden Analogien, Metaphern, Bildern und Illustrationen der Schrift birgt in sich die Gefahr, auch das Kreuz und seine Deutung zu einem menschlichen Götzen umzufunktionieren.516 Dagegen betont das Bekenntnis von 1967, wörtlich zitiert im kanadischen Bekenntnis Lebendiger Glaube517: Gottes versöhnende Tat in Jesus Christus ist ein Geheimnis, das die Schrift auf verschiedene Weise beschreibt. Es wird bezeichnet als das Opfer eines Lammes, als das Leben des Hirten, das dieser für seine Schafe hingibt, als das Sühnopfer eines Priesters; dann wird es beschrieben als Freikauf eines Sklaven, als Bezahlung von Schulden, als stellvertretende Übernahme einer gesetzlichen Strafe und als Sieg über die Mächte des Bösen. Dies sind Ausdrucksweisen für eine Wahrheit, die jenseits aller unserer Theorien in der Tiefe der Liebe Gottes zum Menschen bleibt. Sie enthüllen den Ernst, den Preis und die sichere Vollendung von Gottes Versöhnungswerk.518

Kruziforme Heiligkeit wird also bestimmt auch durch dieses „Geheimnis heiliger Liebe und heiligen Leidens“519; auch in Christi Tod wird Gott nicht als ein anderer verstanden als „Holy Mystery and Wholly Love“ und aus dieser Perspektive ist das Versöhnungsgeschehen in Christus zu verstehen.

514 Zum Verständnis der „accommodatio Dei“ bei Calvin vgl. den gleichnamigen Artikel von Balserak. 515 Vgl. dazu Dowey, Commentary, 50f: „Throughout Scriptures there is always a depth beyond knowing in the disclosure of mystery. In the act of revealing himself, God makes himself known as the one who is above man’s knowledge. […] The reminder concerns traditional theories about reconciliation, built on one or more of the images lists. […] Scripture, however, offers many analogies, metaphors, images and illustrations which ‘accommodate’, as Calvin put it, divine mysteries to human understanding.“ 516 Vgl. dazu Stroup, Why Jesus Matters, 67f: „As it is often the case when Scripture uses multiple images to describe something – be it God, Jesus Christ, sin, or the church – the reason for this diversity is that the holy mystery to which the Bible witnesses is such that no single image and no single interpretation can ever be wholly adequate.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 517 RZH, 138; die deutschen Übersetzungen weichen zwar voneinander ab, die englischen Originale der beiden Bekenntnisse entsprechen sich jedoch wörtlich. 518 RZH, 160. 519 So Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales; der englische Originaltext (RWT, 123) spricht von „holy love and anguish“; die deutsche Übersetzung mit „heiliger Liebe und Angst“, RZH, 82, entspricht nicht dem Duktus des Paragraphen, in dem Gottes Liebe und Leiden, bzw. „Pein“, miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Übersetzung von „anguish“ mit Angst ist daher irreführend, wenn nicht gar falsch.

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Eine Reihe von reformierten Bekenntnissen der Gegenwart scheint jedoch in einer Art Gegenbewegung gegen allzu begrenzte Kreuzesauslegungen der Vergangenheit und unter Umständen auch aus einem Misstrauen gegenüber Leidensverherrlichungen heraus520 das Kreuz nur noch im Sinne eines geschichtlichen Datums, bzw. ausschließlich als (menschlich-sündige) Konsequenz des verkündigenden Handelns Christi zu verstehen, ohne es auf das Versöhnungsgeschehen zu beziehen. Weil Christi „witness to love was threatening“521, weil Jesus als „Messias der Bedrängten und Unterdrückten […] das Reich Gottes verkündet hat und gekreuzigt wurde deswegen, ausgeliefert wie wir der Vernichtung“,522 wird Erlösung, bzw. Versöhnung ausschließlich als das Ergebnis von Gottes rettendem Eingreifen in der Auferstehung verstanden: But death was not the last word. God raised Jesus from death, turning sorrow into joy, despair into hope. We sing of Jesus raised from the dead.523 […] am dritten Tag auferstanden, um weiterzuwirken für unsere Befreiung, bis Gott alles in allem sein wird.524

Eine weitere Auslegungslinie der Kreuzestheologie reformierter Bekenntnisse bringt dagegen zwar auch die Auferstehung/Auferweckung Christi im Zusammenhang des Bekenntnisses von der Versöhnung der Menschen mit Gott ins Gespräch, jedoch in engem Zusammenhang mit der Kreuzigung (wie auch mit Leben und Himmelfahrt), die nicht als eine rein historische Konsequenz der Reich-Gottes-Verkündigung Christi verstanden wird. Durch sein Leiden, Sterben am Kreuz und Auferstehen offenbarte er die Liebe und Gerechtigkeit Gottes. Er versöhnt uns dadurch mit Gott.525 Wir glauben, dass wir durch Tod und Auferstehung zu Gottes Kindern gemacht wurden, miteinander versöhnt wurden und zueinander gehören.526 Er hat unsere Sünden ausgelöscht durch Seinen Tod, Seine Auferstehung und Seinen Aufstieg zum Himmel.527 520 Vgl. beispielhaft dazu etwa Strahm, Kritische Anfragen an eine Kreuzestheologie. 521 Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche Kanadas. 522 Credo von Kappel (2008), Krieg, Werkbuch, 165. Vgl. dazu auch das Glaubensbekenntnis der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba von 1977, RZH, 121: „Die Kirche lehrt – um dem Evangelium treu zu sein –, dass Jesus Christus sich für die unterdrückte und ausgebeutete Klasse seiner Zeit entschied und dass diese ‚sozio-politische Entscheidung‘ ihn, objektiv gesprochen, ans Kreuz brachte.“ (Hervorhebung im Original). 523 Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche Kanadas. 524 Credo von Kappel (2008), Krieg, a. a. O., 165. 525 Glaubensbekenntnis (1985) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan, RZH, 61. 526 Entwurf eines Glaubensbekenntnisses (1983) des Bundes Schwarzer Reformierter Christen in Südafrika (ABRECSA), RZH, 11 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 527 Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, RZH, 19 (Hervorhebungen: M. E.H.).

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Betont wird hier das Mittleramt Christi nicht nur auf den „Gehorsam während seines ganzen Lebens“528 bezogen, sondern auch auf die Erhöhung Christi in Auferweckung und Himmelfahrt; damit ist der Übergang zum nächsten Abschnitt, der das königliche Amt Christi in seiner Bedeutung für die Heiligkeit Gottes untersucht, bereits angedeutet. Zunächst soll jedoch kurz ein weiterer, geradezu poimenischer Aspekt der Kreuzestheologie(n) reformierter Bekenntnisse der Gegenwart an dieser Stelle noch abschließend erwähnt werden, nämlich das Mit–Leiden Christi als Gott-mit-uns am Kreuz, in dem er „die Tiefen menschlicher Schmerzen erlitt“529, sich gar „in seinem Tod […] zur Ohnmacht bekannt“530 hat, „ausgeliefert wie wir der Vernichtung“531. Das Bekenntnis Lebendiger Glaube bekennt in diesem Zusammenhang den leidenden Gott als Gottmit-uns: Viele haben Schwierigkeiten, an einen Gott der Liebe zu glauben in einer Welt, in der so viele leiden müssen. […] Die Bibel bezeugt, dass Gott in Christus in die Tiefe des menschlichen Leidens eingedrungen ist. Wenn wir unseren Retter am Kreuz betrachten, werden wir dessen gewiss, dass Gott uns liebt. Angesichts der Pein und der Not der Welt kann uns einzig ein leidender Gott zu Hilfe kommen. Gott ist mit uns in unserer Angst.532

Wenn auch die theologische Argumentation der letzten Bekenntnissätze mindestens fragwürdig ist,533 so ist doch ihr seelsorgerlicher und gleichzeitig auch missionarischer impetus offenkundig; skandalon ist dieser Perspektive nach in einer Welt voller Leiden nicht so sehr die Predigt vom Kreuz, sondern die Predigt von Gottes Liebe angesichts der Kreuze der Welt. Gottes Heiligkeit wird in diesem liebenden Gott-mit-uns offenbart und erkannt; Christus ist in der Tat der „Mittler, durch den Gott zu uns gekommen ist, und durch den wir zu Gott kommen.“534

528 Calvin, Inst. II.16.5. 529 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, a. a. O., 150. 530 Ein Glaubensbekenntnis (1986) der Schweizerischen Evangelischen Synode, Krieg, a. a. O., 165 531 Credo von Kappel (2008), Krieg, a. a. O., 165 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 532 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 153; sprechenderweise findet sich dieser Abschnitt im Kapitel über die Mission der Kirche unter der Überschrift „Die Kirche geht aus in die Welt“. 533 So wird auch aus dem Gesamtkorpus dieses Bekenntnisses nicht deutlich, warum uns „einzig ein leidender Gott zu Hilfe kommen kann“; diese Schwierigkeit hätte vermieden werden können, wenn statt dessen die Betonung darauf gelegt worden wäre, dass uns in Christus ein leidender Gott zur Hilfe gekommen ist. 534 Aus dem gleichen Bekenntnis Lebendiger Glaube, RZH, 138 (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Die Königsherrschaft des Heiligen: Auferweckung, Herrschaft und Wiederkunft Jesu Christi Die Auferweckung Christi und sein Sitzen zur Rechten Gottes bringen bezüglich der Heiligkeit Gottes keine neue Offenbarung und Erkenntnis; sie sind Bestätigung und Verkündigung „des endgültigen Sieges seiner [Gottes] heiliger Liebe“535, die gleiche gerechte Liebe und liebende Gerechtigkeit, die die kruziforme, versöhnende und erwählende Heiligkeit Gottes ausmacht. Christus ist auch als Auferweckter, als Herrscher und König, Richter und Heiland der Heilige Gottes, dessen Heiligkeit im Wesen eine relationale ist: Dieser gekreuzigte, auferweckte und in den Himmel aufgefahrene Jesus Christus ist der Mediator und Fürsprecher der Menschen im gleichen Maße wie er ihr Herr ist. Reformierte Bekenntnistexte des 20. und 21. Jahrhunderts nehmen in diesem Zusammenhang klassisch-reformierte Themen und christologische Hoheitstitel auf,536 setzen aber auch eigene Akzente, die den bisher aufgezeigten christologischen Deutungslinien entsprechen. So wird die Rolle des auferstandenen Christus als Mediator und Fürsprecher für viele dieser Bekenntnistexte zentral; das pro nobis wird gerade an dieser Stelle zum fokussierten Interpretativ wie es etwa Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten und das Bekenntnis der Toraja-Kirche aus Indonesien bekennen: Wir sind gewiss, dass Jesus lebt. Er lebt als Gott bei uns und berührt alles menschliche Leben mit der Gegenwart Gottes. Er lebt als einer von uns bei Gott. Weil er teil hat an unserem Menschsein und uns in Liebe an sich gebunden hat, haben wir einen Fürsprecher im innersten Leben Gottes.537 Jesus Christus, der Auferstandene, fuhr auf in den Himmel, um der Mittler zu werden. […] Als Mittler ist Er unser Fürsprecher geworden; Er hat einen Platz für uns bereitet.538

Der Heilige Gottes tritt für uns ein539, weil er, der Sohn Gottes und Menschensohn, an unsere Stelle getreten ist – das ist die Basis für die Hoffnung, die den Gläubigen in der Auferstehung Christi gegeben ist, und die in den neueren Bekenntnistexten explizit betont wird:

535 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 536 Ohne jedoch die Betonung auf die Zwei-Naturenlehre Christi und etwa auch das sog. „extraCalvinisticum“ früherer Bekenntnistexte (vgl. dazu Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 121–139) explizit und betont aufzunehmen. Wie bereits erwähnt, liegt das Interesse der modernen reformierten Bekenntnisschriften eher im Werk Christi, denn in seiner davon abgelöst zu verstehenden Person begründet. 537 RZH, 186 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 538 RZH, 25. 539 Vgl. das Glaubensbekenntnis (1953) der Kirche Christi in Japan von 1953, RZH, 34.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Jesus Christus gab uns Hoffnung auf das neue Leben, indem er den Sieg des Lebens über den Tod, der Gerechtigkeit über die Ungerechtigkeit und der Liebe über das Böse errungen hat. Er sitzt zur Rechten Gottes, hat alle Macht und Gewalt über Himmel und Erde, regiert die Weltgeschichte, richtet die Welt und ist zugleich das Haupt der Kirche.540 Die Auferstehung Jesu ist Gottes Zeichen, dass er sein Schöpfungs- und Versöhnungswerk über den Tod hinaus vollenden, und das neue, in Christus begonnene Leben zur Erfüllung bringen wird.541

Nachdrücklich und in vielfältiger Form bekennen die reformierten Bekenntnisse der Gegenwart die Auferweckung Christi als den endgültigen Sieg der heiligen und gerechten Liebe Gottes,542 den Sieg gegen die Sünde, Tod und die Mächte des Bösen in der Welt543, als die Ins-Recht-Setzung des zu Unrecht Verurteilten544 und Rechtfertigung seines sündlosen Lebens545. Ein Sieg, der in Christus endgültig, ein für alle Mal, vollzogen, wenn auch noch nicht „voll und ganz offenbart“546 ist, auf dem die kontrafaktische Identität nicht allein des Heiligen Gottes, sondern auch des Heiligen Volkes Gottes beruht, wie unten noch zu erörtern sein wird.547 Dementsprechend beruht auf diesem Sieg die christliche Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit, die eine Hoffnung für zwei Zeitalter548 ist, das gegenwärti540 Unser Glaubensbekenntnis (1976) der Presbyterianischen Kirche in Korea, RZH, 49. 541 Bekenntnis von 1967 der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 163. 542 Vgl. das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 43: „Die Auferstehung Jesu bedeutet, dass der Tod, der letzte Feind des Menschen, durch das Leben und durch den Sieg der Gerechtigkeit und Liebe besiegt ist. Sie ist eine Macht, die Gottes Zukunft eröffnet und Licht in die Welt bringt.“ 543 Vgl. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 68. 544 Vgl. z. B. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 82.85. Vgl. dazu auch die Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche Australiens von 1971, RZH, 278: „Indem er Ihn zum Leben und zur Herrschaft erhöhte, bestätigte und vollendete Gott das Zeugnis, das Jesus von Ihm auf Erden abgelegt hatte.“ 545 Vgl. A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 150. 546 Vgl. dazu Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 138f: „Seine Auferstehung heißt, dass unser Glaube nicht leer ist, dass uns der endgültige Sieg über alle Mächte des Bösen, die das Leben zerstören und verunstalten, zugesichert ist, dass der Tod, der letzte Feind, überwunden ist. Die Kräfte des Bösen suchen uns nach wie vor zu überwinden. Die zerstörerischen Mächte sind nach wie vor am Werk. Kein Zweifel kann aber bestehen, dass ihnen ein Ende gesetzt ist. Wir warten darauf, dass Gottes Sieg voll und ganz offenbart werden wird.“ 547 Den Begriff der kontrafaktischen Identität in Bezug auf Christus und die Gläubigen verwendet u. a. Slenczka, Freiheitsgehalt, 60f; vgl. dazu auch Slenczka, Christologie, 230f. 548 So Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 172. Vgl. dazu auch den Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada: „The Risen Christ lives today, present to us and the source of our hope. In response to who Jesus was and to all he did and taught, to his life, death, and resurrection, and to his continuing presence with us

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ge549 und das in Christi Wiederkunft uns entgegenkommende, und sie besteht nun wiederum in einem Doppelten: zum einen in der schon angesprochenen Rolle Christi als des Mediators und Fürsprechers, als auch und gleichermaßen in Christi Rolle als Richter und König. Der auferweckte Christus ist „lebendiger Freund und Herr“550, und beides gibt Grund zu Hoffnung und Vertrauen, beides fordert die Treue der Gläubigen Christus gegenüber und beides macht sie frei: Wir erklären, dass Jesus Herr ist. Seine Auferstehung ist ein entscheidender Sieg über die Mächte, die menschliches Leben entstellen und zerstören. Seine Herrschaft ist verborgen. Die Welt scheint von Menschen und Systemen beherrscht zu sein, die sein Regiment nicht anerkennen. Aber seine Herrschaft ist wirklich. Sie fordert unsere Treue und macht uns frei von der Furcht vor allen geringeren Herren, die uns bedrohen. Wir bezeugen, dass die letzte Souveränität jetzt Jesus Christus zusteht in jedem Gebiet des Lebens. Jesus ist Herr! Er war Herr von Anbeginn an. Er wird Herr sein am Ende. Auch jetzt ist er Herr! 551

Diese heilige Herrschaft Christi, offenbart und gleichzeitig verborgen,552 bezieht sich den Bekenntnissen nach auf jeden Aspekt des menschlichen Lebens (und ist als solche Ausgangspunkt jeder theologischen Ethik), ist aber darüber hinaus auf das gesamte Universum bezogen – Christi Herrschaft erstreckt sich „über das gesamte Weltall“553, die gesamte Schöpfung. Dazu ist zweierlei anzumerken: (1) Neuere reformierte Bekenntnisse bekennen explizit die Herrschaft Christi über die gesamte Schöpfung und können diese sogar auch auf das Erlösungs- und Versöhnungswerk Christi beziehen: Gottes Versöhnungswerk in Jesus Christus umfasst das ganze menschliche Leben mit all seinen […] Aspekten. Es schließt die natürliche Umwelt ein, die durch Sünde ausge-

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through the Spirit, we celebrate him as the Word made flesh, the one in whom God and humanity are perfectly joined, the transformation of our lives, the Christ “ Für ein stark präsentisches Eschatologieverständnis vgl. z. B. das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 24.29: „So haben wir mit Christus Anteil am Sieg und an der Auferstehung, die zum neuen Leben führen, jetzt und in der Zukunft. […] Das Ende der Zeit hat mit dem Kommen Jesu Christi begonnen. Durch Seine Auferstehung werden wir zu einem neuen Leben voller Hoffnung erweckt.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 82. Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 186. Vgl. dazu auch den letzten Abschnitt „Die Vollendung“ der Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 67f. Vgl. z. B. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 83: „Die Art und Wirksamkeit seiner Kontrolle sind uns noch verschleiert, so wie sie auch verschleiert waren, als er seine Herrschaft aufrichtete. Aber wir sehen den Widerschein seiner Herrschaft überall, wo Menschen von der Gewaltherrschaft und Versklavung durch Dinge, die Gottes Plan bedrohen, frei werden. Und wir warten voll Vertrauen auf die volle Herrlichkeit seiner Herrschaft, die noch aussteht.“ Ebd.

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beutet und geplündert ist. Es ist der Wille Gottes, dass sein Plan für das menschliche Leben unter der Herrschaft Christi erfüllt und alles Böse aus seiner Schöpfung verbannt werden soll.554

Anders als die Texte früherer Jahrhunderte spiegeln sie zwar auch eine vornehmlich anthropozentrische Perspektive wider, gestehen jedoch auch der nichtmenschlichen Schöpfung einen Platz im Heilsplan Gottes zu. Besonders deutlich wird dies in jenen Bekenntnistexten, die ein Schuldbekenntnis einschließen, wie etwa in dem folgenden Zitat aus Ein Glaubensbekenntnis der Schweizer Evangelischen Synode von 1986: Wir glauben an Gott den Schöpfer. […] Wir bekennen unsere Schuld. Uns selbst haben wir zum Maß der Schöpfung gemacht und Gottes Liebe zu allem was er schuf, vergessen. Das Leben der anderen Kreatur haben wir missachtet, Lebensräume zerstört und letzte Grenzen überschritten. Wir sind dabei, die ganze Erde zu vernichten. Gott aber, der Schöpfer und Erhalter dieser Erde, zieht seine Hand nicht zurück. Gegen alle Mächte, die zerstören, bleibt er der Herr über alle Kreatur.555

Es ist jedoch festzuhalten, dass sich in der weit überwiegenden Mehrzahl der Texte trotz des Bekenntnisses zu Chrisi allumfassender Herrschaft keine christologische Fundierung des Verständnisses der Schöpfung im Sinne beispielsweise von 1 Kol 1:15–17556 oder Röm 8:19–22557 findet, und sie vorwiegend allein in Bezug auf Gott, den Schöpfer, abgehandelt wird. (2) Diese Herrschaft Christi als Herr und Freund, König und Heiland, Richter und Retter bezieht sich auf die ganze Schöpfung und die ganze Menschheit, darin stimmen die reformierten Bekenntnisse der Gegenwart überein. Allerdings differieren sie dann deutlich in ihrer Auslegung dieser Königsherrschaft Christi in Bezug auf seine Wiederkunft als Richter: Die einen bekennen Christus als den „Heiland für und Richter über alle Menschen“558, an dem sich die Trennung zwischen ewigem Leben und Tod als Trennung von Gott im Glauben, bzw.

554 Bekenntnis von 1967 der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 169. 555 Krieg, Werkbuch,144 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 556 „Er [Christus] ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.“ 557 „Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstigt.“ 558 So das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 160.

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Nichtglauben entscheidet.559 Andere Texte dagegen bleiben in Bezug auf das Ergehen der „Ungläubigen“ – bei aller auch in ihren Texten enthaltener Betonung des sola fide und sola gratiae – unbestimmter, lassen diese Frage bewusst offen: Es ist sicher, dass jeder unter das Gericht von Gottes heiliger Liebe kommen wird. […] Wir sind zuversichtlich in unserer Hoffnung, denn Gott unser Richter, ist derjenige Gott, der in unserem Heiland Jesus Christus Mensch geworden ist […] Ob jeder Mensch sich in Dankbarkeit zu Gott bekehren und leben wird, wissen wir nicht. […] [Wir lehnen] jedes Recht ab, von Grenzen zu sprechen, jenseits derer die Geduld und das Erbarmen erschöpft sein sollen.560 In Christus kommt das Gericht über alle Menschen, sowohl in dieser Welt wie auch in der zukünftigen. […] Ob Gott schließlich alle Menschen zu ewigem Leben führen wird oder ob es Menschen geben wird, die seine Gnade in Christus endgültig verworfen und damit das Urteil über sich gebracht haben, ist uns zu wissen nicht gegeben.561 In a world estranged from God, where happiness and peace are offered in many names and millions face confusing choices, we witness – with respect for followers of other ways— to the only one in whose name salvation is found: Jesus Christ. In Jesus, God reconciles the world to himself. God loves all creation; his compassion knows no bounds.562

Ihr Verständnis von der Heiligkeit Gottes, oder wie im Song of Faith formuliert: The Holy Mystery of God, erlaubt es diesen Bekenntnissen nicht, endgültige Grenzen der Versöhnung zu ziehen oder diese aufzugeben – das Gericht steht Gott zu, nicht den Menschen, und das ist Grund zur Hoffnung auch und gerade für die anderen: Überwunden von Gottes Liebe in Christus haben wir gute Hoffnung für alle Menschen, ohne auch die allerunwahrscheinlichsten von seinen Verheißungen auszunehmen. Das Gericht steht Gott zu, nicht uns. Wir sind sicher, dass Gottes Zukunft für jeden Menschen sowohl gnädig als auch gerecht sein wird.563 559 Vgl. ebd.; und auch das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 29: „Die Auferstehung umfasst die gesamte Menschheit. Jeder Gläubige wird zu einem neuen Leben in einer neuen Welt erweckt werden, jeder Ungläubige dagegen zu einem Dasein außerhalb der Gemeinschaft mit Gott in ewiger Strafe. […] Das ewige Leben in Verbindung mit Gott ist ewiges Leben, das durch keine Macht der Welt aufgehoben werden kann. Gottes Macht und treue Liebe erhält diese Verbindung, so dass jeder Gläubige nach seinem Tod mit Christus zusammen ist. Jeder Ungläubige ist dann außerhalb der Gemeinschaft mit Christus.“ 560 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 99 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 561 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 73 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 562 Our World Belongs to God (1982/2003) der CRCNA, 14f. 563 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 203. In diesem Zitat ist deutlich die Helvetica Posterior zu hören, die in Kap. X bekennt „Bene sperendum de omnibus“ (BSRK 181,40). Sie fährt fort „Et quamvis Deus norit, qui sint sui, et alicubi mentio fiat paucitatis electorum, bene sperandum est tamen des omnibus,

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Das Bekenntnis bekennt damit Gottes Heiligkeit als Gerechtigkeit und Liebe, ohne sich jedoch das endgültige Gericht Gottes anzumaßen; die Auferweckung Christi, seine Königsherrschaft und Freundschaft, sind jedoch Grund und Anlass zur Hoffnung wie zur Selbstkritik vor aller Fremdkritik: Wir leben in der Spannung zwischen Gottes Warnungen und Verheißungen. Da wir das gerechte Urteil Gottes in Christus kennen, legen wir allen Menschen ans Herz, sich mit Gott versöhnen zu lassen, und nehmen uns selbst von den Warnungen nicht aus.564

Ein weiterer Aspekt der theologischen Interpretation des Auferweckungsereignisses in einigen der reformierten Bekenntnistexte schließt an das oben geschilderte Bekenntnis zu Christus als dem „Messias der Bedrängten“ an: seine Auferweckung wird verstanden als Macht, die Gottes Zukunft eröffnet und Licht in die Welt bringt. Sie stärkt die Schwachen, erhöht die Geringen, gibt den ungerecht Behandelten ihre Rechte zurück, bringt den geschlagenen Gerechten den Sieg und gewährt den Toten das Leben.565

Die Heiligkeit dieses Jesus Christus ist die Heiligkeit auch des „Herrn der Herren“566, der auferstanden ist, „um weiterzuwirken für unsere Befreiung, bis Gott alles in allem sein wird.“567 Das geschichtliche Ereignis568 der Auferweckung Christi verändert die Geschichte der gesamten Schöpfung schon jetzt in der zuversichtlichen, aktiven Hoffnung auf Christi Wiederkunft: We place our hope in God. We sing of a life beyond life and a future good beyond imagining: a new heaven and a new earth, the end of sorrow, pain, and tears, Christ’s return and life with God, the making new of all things. We yearn for the coming of that future, even while participating in eternal life now.569 Wenn wir auf die in Jesus Christus geschehene Überwindung schauen, so verzweifeln wir nicht an dieser Erde, sondern bleiben ihr treu und werden im Blick auf alles, was Gottes Herrschaft noch widersteht, vielmehr durch den Geist getrieben, in geduldiger

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neque temere reprobis quisquam est annumerandus.“ (Zitat nicht in Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse). Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 203 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 43. RZH, 44. Credo von Kappel (2008), Krieg, a. a. O., 165. Wobei die reformierten Bekenntnisse auch der Gegenwart in ihrer Gesamtheit wenig bis kein Interesse an einer historisch-kritischen Auseinandersetzung mit der Auferweckung zeigen, sondern höchsten darauf hinweisen, „dass es keine genaue Beschreibung des Ereignisses der Auferstehung oder der Art und Weise, wie die Wirkung des Todes überwunden wurde, geben kann.“ Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 82. Vgl. dazu auch Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, a. a. O., 43: „Dieses Ereignis [die Auferweckung] ist damit ein übernatürliches Ereignis innerhalb der Geschichte.“ A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada von 2006.

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Eile, fröhlichem Seufzen und tätigem Warten nach der völligen Offenbarung der Herrlichkeit Gottes über seiner ganzen Schöpfung auszuschauen.570

Ein Aspekt der Auferweckung Christi, der nicht nur in das nächste Kapitel überführt, sondern gerade auch für das Identitätsverständnis der Heiligen Gottes von zentraler Bedeutung, ist die Aussage, dass der auferstandene Christus „allezeit bei uns [ist] bis ans Ende der Welt“571 durch die Vermittlung des Heiligen Geistes und als das einzige und lebendige Haupt der Kirche572. Wer und was die Heiligen Gottes sind, ist durch dieses ihr Haupt bestimmt, dessen Leib sie durch die Neuschaffung und Erwählung im Heiligen Geist sind. Der nun folgende Abschnitt ist damit bereits als Teil der Identitätsbeschreibung des Volkes Gottes zu lesen und zu verstehen.

4.2.5 Der Heilige und heiligende Geist Gottes: „Gott mit uns“ und „wir mit Gott“ Im Blick auf christliche Identität, auf reformierte Identität ist dieser Abschnitt der vorliegenden Bekenntnisexegese von entscheidender Bedeutung: Wer und was die Heiligen Gottes als Heilige Gottes sind, beruht auf dem Wirken des Heiligen Geistes, auf Gottes Gegenwart im Geist mit und für die Heiligen, und auf die geistgewirkte Antwort der Heiligen. Christliche Identität ist in diesem Sinne fundamental pneumatologische Identität,573 indem es der Heilige Geist ist, der die Gläubigen an Christus bindet, „durch dessen Kraft wir [zu Gott] kommen“,574 der sie durch sein Wirken heiligt und zum Volke Gottes formt und re-formiert. Gegenüber früheren Bekenntnisschriften der reformierten Tradition gewinnt das Bekenntnis zum Heiligen Geist in den neueren Texten an Bedeutung und nimmt mehr Raum ein; nicht weil neue Lehraussagen über den Heiligen Geist hinzugekommen wären, sondern weil das Wirken des Heiligen Geist explizit und häufig erkennbar kontextbezogen weiter ausgeführt wird. So können die klassischen Aussagen reformierter Bekenntnisschriften575 vorausgesetzt oder explizit 570 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländischen Reformierten Kirche von 1949, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 67. 571 Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 25. 572 Vgl. dazu RZH, 9, 26, 44, 49, 69, 193, 213, 226, 229, 239, 253, 278, 293, 297; Weber, a. a. O., 36. 573 Vgl. dazu besonders die Darstellung bei Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 11– 15. 574 Vgl. die trinitarische Formel in Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 133: „Gott ist der Vater, zu dem wir kommen. Er ist der Sohn, durch den wir kommen. Er ist der Heilige Geist, durch dessen Kraft wir kommen.“ 575 Vgl. dazu etwa Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 211–228; Zimmermann, Die pneumatologische Tradition in der reformierten Bekenntnisbildung, und Heron, Art. Holy Spirit.

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aufgenommen werden, erhalten jedoch in der Mehrzahl der Bekenntnisse deutlich höheres Gewicht, indem das Wirken des Heiligen Geistes576 eher in einem separaten Abschnitt über die dritte Person der Trinität zusammengefasst wird, denn in anderen Loci (Rechtfertigung und Heiligung, Glaube, Sakramente etc.) indirekt zum Thema wird. Aufgrund der im Folgenden nur andeutbaren Breite des Bekenntnisses zum Wirken des Heiligen Geistes beschränkt sich die Darstellung auf eine Auswahl um anzudeuten, inwiefern der Heilige Geist Grundlage, Ziel und Zentrum für die Identität der Heiligen Gottes ist: Gott ist als Heiliger Geist „Gott mit uns“577 und heiligt die Gläubigen zu Gottes Volk. Mit Goroncy kann, vorläufig zusammenfassend, darum festgehalten werden, dass „apart from the Spirit’s work, there would be no gospel, no new birth, no unity among believers, no Bible, no knowledge of the Lord Jesus, and no holiness.“578

Die Heiligkeit des Heiligen Geistes Von Beginn hat die christliche Kirche dem Geist Gottes, dem Alten579 und Neuen Testament folgend, das Attribut „heilig“ beigesellt, wobei in Schrift (und Tradition) auch weitere Bezeichnungen des Geistes zu finden sind. Wie aber ist die Heiligkeit des Heiligen Geistes zu verstehen, wo ist sie zu erkennen? Wenn an dieser Stelle die Heiligkeit des Heiligen Geistes bedacht werden soll, dann kann dies, den reformierten Bekenntnistexten folgend, weder im Gegensatz noch in Ergänzung zu dem zum Thema der Heiligkeit Gottes bisher Erarbeiteten geschehen: die Heiligkeit des Heiligen Geistes ist die Heiligkeit des Sohnes, der der Heilige Gottes ist. Die Heiligkeit des Geistes entspricht damit genau jener erwählenden, versöhnenden, relationalen, kruziformen, gerechten und liebenden Heiligkeit, die in den vorherigen Abschnitten beleuchtet wurde. Kurz gefasst: der Heilige Geist ist heilig, weil er der Geist Christi580 ist: 576 Selbstredend nimmt die gegenwärtige reformierte Bekenntnisbildung auch die klassischen Aussagen zur Person des Heiligen Geistes auf, auch wenn diese nicht im Vordergrund stehen. Vgl. dazu oben Abschnitt 4.2.2. Allerdings können auch hin und wieder traditionell bedeutsame Aussagen explizit wieder aufgenommen werden wie etwa das filioque im Neuen Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, vgl. RZH, 44. 577 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 139. 578 Goroncy, Elusiveness, 205. 579 Ps 51:13; Jes 63:10f. 580 Vgl. dazu auch Barth, KD IV/2, 360f.370: Der Heilige Geist „ist darum und darin im eminenten Sinn Heiliger Geist – heilig in einer Heiligkeit ohne alle Analogien – weil er nichts Anderes ist als die Gegenwart und Aktion Jesu Christi selber: sein eigener verlängerter Arm gewissermaßen, er selbst in der Kraft seiner Auferstehung, d. h. in der in und mit seiner Auferstehung anhebenden und von da aus weiterwirkenden Kraft seiner Offenbarung. […] Wir sagen von der Heiligkeit des Heiligen Geistes das Höchste, das Alles Umfassende, wenn wir ihn, jener neutestamentlichen Linie von oben nach unten folgend, den Geist Jesu Christi nennen.“

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Der Heilige Geist ist der Geist Jesu Christi und ist an ihn gebunden. Alles, was er uns verkündigt, nimmt er aus Christus, um uns zuzueignen, was wir in Christus haben, und um uns auf innigste mit ihm zu vereinen.581 Der Heilige Geist tut dieselben Dinge wie Christus und steht zu keiner Zeit in Gegensatz zu ihm. Das Bekenntnis, dass Jesus der Christus ist, ist das Kriterium, durch das sich das Wirken des Heiligen Geistes von dem der weltlichen Geister unterscheidet. Die Früchte des Heiligen Geistes beweisen es.582

Der auferstandene Christus ist im Heiligen Geist, seinem Geist, gegenwärtig mitten in der Welt;583 im „penetranten Immanenzwillen“584 seiner Heiligkeit. Durch seinen Heiligen Geist verbindet er die Gläubigen wirksam mit sich selbst585, wie schon Calvin in seiner vielzitierten Einleitungsbemerkung zu Buch III seiner Institutio schreibt.586 Der Heilige Geist heiligt damit die Glaubenden, macht sie heilig,587 so dass sie sich selbst als „Heilige in seiner Person“588 erkennen können; sein Werk geschieht in „dieser unwandelbaren Gnade“589, die das ganze Versöhnungswerk Gottes in Christus ausmacht. Die heiligende Gnade des Heiligen Geistes ist damit zutiefst relationale Heiligkeit, die das Volk Gottes zu dem macht, was es bereits in Christus ist: dem Volk des Heiligen; und sie ist versöhnende Heiligkeit, indem sie „das Werk der Versöhnung im Menschen vollzieht“590. Durch den Geist ist der auferstandene Christus in seiner Kirche gegenwärtig. Wir bezeugen, dass der Heilige Geist, der Herr und Geber des Lebens ist, der Erneuerer und Vollender von Gottes Volk, der Eine, der in uns wirklich werden lässt, was Gott für uns getan hat.591

581 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens (1949), Weber, a. a. O., 39. 582 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, RZH, 44. 583 Vgl. dazu das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 25: „Gott der Heilige Geist ist von Gott dem Vater und Gott dem Sohn ausgesandt, um Gottes Erlösungswerk in Jesus Christus in unserem Leben wirksam werden zu lassen. Im Heiligen Geist ist Gott gegenwärtig und wirkt mitten in der Welt.“ 584 So von Rad, Theologie des Alten Testaments 1, 219. 585 Vgl. dazu Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 86.90. 586 III.1.1.: „Der Heilige Geist ist das Band, durch das uns Christus wirksam mit sich verbindet.“ 587 Vgl. das Glaubensbekenntnis (1953) der Vereinigten Kirche Christi in Japan, RZH, 34: „Der Heilige Geist, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet wird, heiligt den Glaubenden.“ 588 So Barth in KD IV/2, 740. 589 So das Glaubensbekenntnis (1954) der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), RZH, 31. 590 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 162; das „fulfill“ des Originals ist an dieser Stelle eher mit „vollziehen“ denn mit „vollbringen“ zu übersetzen. 591 Ebd.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Als diese relationale und versöhnende Heiligkeit ist sie zugleich erwählende Heiligkeit, aussondernd und berufend, ein zentrales Thema nicht nur für jene Bekenntnisse, die aus ekklesiologischen Herausforderungen entstanden sind, wird doch hier die Identität der Kirche in ihrem Wesenskern berührt. „Geheiligt durch den Heiligen Geist“ [Röm 15:16] ist eine Umschreibung für Herkunft, Auftrag, Ziel und Einheit der Kirche; die Rede von Gottes Erwählung in Christus findet hier in der Mehrzahl der reformierten Bekenntnisschriften ihre ekklesiologische Zuspitzung: Wer an Christus glaubt, der kann und muss die erwählende Liebe Gottes preisen, denn niemand kommt zu Christus, es sei denn durch den Heiligen Geist. In der Verkündigung von Gottes Liebe als der rettenden Hand, die allen ausgestreckt ist und im Glauben ergriffen werden will, gewinnen wir den Zugang zum Mysterium der Erwählung.592 Die Kirche ist heilig. Sie ist von Gott durch den heiligen Geist berufen, sein auserwähltes Volk in dieser Welt zu sein.593 Wir glauben, dass Gott seine Gemeinde im Heiligen Geist aus allen Völkern zu einer Gemeinschaft, nämlich der Kirche sammelt, wo Christus das Haupt ist. […] Diese Gemeinschaft wird in der Wahrheit geheiligt und bestimmt für den Dienst Christi. Deshalb ist die Kirche heilig.594 Die Kirche ist heilig, weil der heilige Gott sie ins Leben gerufen hat, sie durch Christus sich selbst geheiligt hat und ihr Leben durch den Heiligen Geist erhält.595

Die Kirche, das Volk Gottes, erhält nicht nur ihr Leben durch den Heiligen Geist, sondern auch ihre Identität durch das Wirken des Heiligen Geistes; christliche (reformierte) Identität ist von Beginn an damit ex-zentrisch begründet und festgelegt. Wie sich diese ex-zentrische Identität im Heiligkeitsverständnis der Kirche in den reformierten Bekenntnisschriften darstellt, wird noch genauer darzulegen sein; im Folgenden wird einigen weiteren, ausgewählten Aspekten der pneumatologischen Aspekte der Bekenntnisse nachgegangen werden, um das Verständnis der Heiligkeit des Heiligen Geistes sowie der sekundären, verliehenen Heiligkeit des Volkes Gottes im Blick auf seine Identität weiter zu vertiefen.

592 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens (1949) der niederländischen Reformierten Kirche, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 40. 593 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 143. 594 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), RZH, 18. 595 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 63.

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Der Zeugendienst des Heiligen Geistes Wenn an früherer Stelle596 bereits darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Erkenntnis Gottes als des Schöpfer, Bewahrers und Versöhners bereits Heilsereignis und nicht allein Überwindung des noetischen Bruches ist, dann wird hier noch einmal in nachdrücklicher Weise auf das Wirken des Heiligen Geistes hinzuweisen sein, geht es hier doch um einen wesentlichen Aspekt der Heilsaneignung. Im Wirken des Heiligen Geistes gibt sich Gott als der zu erkennen, der das Volk Gottes von Ewigkeit her in Christus erwählt und mit sich versöhnt hat: Gott allein kann uns Gott zu erkennen geben. Es ist die Gnade des Heiligen Geistes, wenn Menschen, die in schuldhafter Ohnmacht dem Leben Gottes entfremdet sind, ihn wieder zu loben und ihm zu dienen lernen. Denn wie Gott uns schuf, als wir Feinde waren, und wie Christus uns versöhnte, als wir Feinde waren, so erleuchtet und heiligt uns der Geist, während wir in uns selbst verblendet und rebellisch sind.597 Der Geist fügt kein anderes Wort von Gott hinzu, führt uns aber tiefer in die Wahrheit Gottes, die in Jesus Christus ausgesprochen ist.598 Der Heilige Geist ist in die Welt gesandt und wirkt im Menschen die Erkenntnis Gottes und die Erkenntnis der Sünde, des Gerichts und der Rechtfertigung bis hin zur Vervollkommnung des Reiches Gottes.599

In Gotteserkenntnis, und damit zusammenhängend, in der Sündenerkenntnis ist der Heilige Geist der Geist der Wahrheit: Er bringt die verborgene Wahrheit ans Licht, macht Jesus Christus bei den Menschen bekannt,600 überführt die Welt der Sünde und legt für die Wahrheit Christi Zeugnis ab,601 vor allem in der Heiligen Schrift602, aber auch in den Bekenntnissen603 und sogar darüber hinaus: Gottes Geist spricht in der Welt gemäß Gottes letztgültigem Wort in Christus. Zu jeder Zeit und an jedem Ort, in alten Städten und fernen Ländern, in Technik und Wirtschaft, in Kunst und Erziehung, hat Gott sich nicht ohne Zeugen gelassen. Sein Wort fand Eingang, wo wir nicht hingelangt sind. […] Gottes Geist leitet uns in die Wahrheit, in die Wahrheit von Christi Erlösung, in die wachsende Erkenntnis allen Lebens. […] Wäh596 Vgl. oben Abschnitt 4.1.2. 597 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens (1949) der niederländischen Reformierten Kirche, Weber, a. a. O., 39 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 598 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 190. 599 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), RZH, 15; Genetiv-Verbindungen korrigiert nach Reformed Witness Today, 35. 600 Vgl. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, RZH, 44. 601 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 140; dort auch: „Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit.“ 602 Vgl. dazu die Überlegungen und Zitate des folgenden Abschnittes. 603 Vgl. z. B. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada von 1984, RZH, 140; Unionsgrundlage (1971) der sich vereinigenden Kirche in Australien, a. a. O., 281.

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rend unsere Wahrheiten sich bruchstückhaft erschließen, erwarten wir, dass der Geist sie in Christus vereinigt.604

Der Zeugendienst des Heiligen Geistes erschöpft sich dabei nicht in einem reinen Verweis auf ein außerhalb der Gläubigen geschehenes Werk der Versöhnung, sondern bewirkt gleichzeitig, was er bezeugt; das „Machtwerk des Heiligen Geistes“605 als Geist Jesu Christi besteht in seiner Selbstbezeugung, Selbstvergegenwärtigung und Selbstmitteilung: er heiligt die Gläubigen in der Wahrheit [Joh 17:17]. Zu dieser Heiligung in der Wahrheit gehört auch der Zeugendienst des Heiligen Geistes in seiner be-zeugenden wie über-zeugenden Funktion: Der ewige Gott Geist bezeugt der Welt die Erlösung. Er überzeugt und besiegelt diese Erlösung im Herzen und im Leben der Menschen. […] Der Heilige Geist überzeugt uns durch das Wort Gottes, dass wir in Jesus Christus gerechtfertigt wurden und so ein neues Geschöpf sind.606

Das letzte Zitat leitet schon in einen weiteren speziellen Aspekt des Zeugendienstes des Heiligen Geistes ein, dem an dieser Stelle nachgegangen werden soll, nämlich dem Zeugnis des Heiligen Geistes durch „das Wort Gottes“ – in dem zitierten Bekenntnis der Toraja-Kirche im Sinne der Lehre Karl Barths von der dreifachen Gestalt des einen Wortes Gottes607 verwendet.608 Mehrere Bekenntnisse der Gegenwart haben in der Tat diese Lehre Barths aufgenommen und weitergeführt,609 insgesamt jedoch differiert das jeweilige Schriftverständnis der

604 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 172f. 605 Vgl. dazu Barth, KD IV/2, 740: „Wo der Mensch Jesus in der Macht des Geistes Gottes sich selbst bezeugt, da vergegenwärtigt er sich selbst: es werden die, denen er in seiner Selbstbezeugung nahe tritt, zu solchen, die nun auch ihm nahe treten und sein dürfen. Mehr noch: Wo er in dieser seiner Macht sich selbst vergegenwärtigt, da teilt er sich selbst mit: es werden die, denen er kraft seiner Selbstvergegenwärtigung gehören will, zu solchen, die nun ihrerseits auch ihm, zu ihm gehören dürfen. Im Heiligen Geist als seiner Selbstbezeugung eröffnet, erschließt er sich ja bestimmten auf Erden, in der Zeit lebenden Menschen als der Heilige, der vor Gott und also in Wirklichkeit an ihrer Stelle steht, schenkt er ihnen die Erkenntnis, dass er der Ihrige ist: der Heilige, in welchem auch sie heilig sind – und sie die Seinigen sind: Heilige in seiner heiligen Person. Er eröffnet, erschließt, schenkt ihnen die Erkenntnis seiner Einheit mit ihnen, ihrer Einheit mit ihm. Eben in dieser Erkenntnis finden sie sich auf Erden und in der Zeit mit ihm und so auch untereinander vereinigt. So – durch solche Selbstbezeugung, Selbstvergegenwärtigung, Selbstmitteilung – begründet und belebt er – und das ist das Machtwerk seines Heiligen Geistes – die Gemeinde.“ 606 Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23.25 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 607 Vgl. Barth, KD I/1, § 4 Das Wort Gottes in dreifacher Gestalt. Zum Schriftverständnis vgl. z. B. Körtner, Schriftwerdung, und Plasger, Relative Autorität, 31–54. 608 Vgl. dazu Kapitel 2 „Das Wort Gottes“ des genannten Bekenntnisses, RZH, 23. 609 So etwa explizit und besonders sprechend die Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten; sie führt in ihrem Kapitel VI „Das Wort Gottes“ die folgenden fünf Aussagen aus: „(1) Gott macht sich durch sein Wort bekannt. (2) Jesus Christus ist das lebendige Wort Gott. (3) Die Bibel ist das geschriebene Wort Gottes. (4) Die

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verschiedenen Bekenntnistexte stark, wobei das gesamte Spektrum von Verbalinspiration bis hin zu einem liberalen Schriftverständnis, das einen Umgang mit der Bibel „in äußerst kritischer Aufmerksamkeit“610 anmahnt, von den Bekenntnistexten abgedeckt wird. Mit den folgenden Zitaten soll dieses Spektrum wenigstens andeutungsweise vorgestellt werden, immer jedoch in seinem Zusammenhang mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes, welches die Schrift erst zu einer Heiligen Schrift macht611 – das Alte wie das Neue Testament gleichermaßen612. An dieser Stelle lässt sich besonders deutlich auch eine Akzentverschiebung gegenüber den klassisch-reformierten Bekenntnistexten feststellen, indem nämlich die Heilige Schrift innerhalb des Wirkens des Heiligen Geistes betrachtet wird und nicht mehr vorrangig als eigener, in sich abgeschlossener Lehrpunkt.613 Es finden sich dabei Bekenntnisse von Kirchen, die nachdrücklich die Inspiration oder gar Unfehlbarkeit der Schrift lehren, wie etwa die Kirche von Nordindien und die Evangelisch-reformierte Kirche in Indonesien (GRII): Sie anerkennt die Heilige Schrift des Alten und neuen Testaments als das inspirierte Wort Gottes, das alles beinhaltet, was zur Erlösung nötig ist und als höchste und entscheidende Richtschnur des Glaubens gilt; sie anerkennt, dass die Kirche jederzeit bereit sein muss, sich entsprechend der Lehre dieser Schrift zu korrigieren und zu reformieren, so wie es der Heilige Geist offenbaren wird.614 Wir glauben, dass die Bibel Alten und Neuen Testamentes Gottes vollkommene Offenbarung ist, die ihren Autoren vom Heiligen Geist eingegeben wurde; deshalb ist die Bibel im Originaltext unfehlbar und irrtumslos. […] Wir glauben, dass die Bibel irrtumslos in all ihrer Lehre ist, auch was geschichtliche und wissenschaftliche Fragen betrifft.615

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Predigt vermittelt das Wort Gottes. (5) Die Sakramente bestätigen das Wort Gottes.“ RZH, 190–193. Zum Einfluss der Lehre Barths vgl. auch die folgenden Stellen: RZH, 141f, 163, 172f. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 93. Vgl. dazu das Glaubensbekenntnis (2007) der GMIT, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 97: „Wir bekennen, dass die Bibel das Wort Gottes ist durch das Wirken des Heiligen Geistes.“ Bei aller Unterschiedlichkeit des Schriftverständnisses reformierter Bekenntnisse der Gegenwart findet sich hier ein Topos, der tatsächlich in allen Dokumenten und in Aufnahme reformierter Bekenntnistradition der Vergangenheit nachdrücklich betont wird; vgl. dazu z. B. das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche RZH, 163: „Die Kirche hat die Bücher des Alten und des Neuen Testaments als prophetisches und apostolisches Zeugnis erhalten, in dem sie das Wort Gottes hört und durch das ihr Glaube und Gehorsam genährt und ausgerichtet werden.“ Vgl. dazu auch a. a. O., 15, 19, 34, 38, 64f, 93f, 133, 191, 206, 229, 239, 254, 279. Vgl. dazu WARC, Confessions and Confessing, 10. Aus der Kirchenverfassung (1965), RZH, 254. Interessanterweise fehlt die Bezeichnung „inspiriertes Wort Gottes“ in der Unionsgrundlage der Kirche von Südindien von 1941, auf dem die nordindische Kirchenverfassung aufbaut; vgl. RZH, 239. Glaubensbekenntnis (1986/89), Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 88.

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Ähnliches bekennen eine Reihe von weiteren Bekenntnissen, jedoch mit stärkerer Betonung des Zeugendienstes des Heiligen Geistes durch seine „Erleuchtung“616 und die Ex-spiration des Geistes, mithilfe derer die Inspiration der Schrift erkannt werden kann: Die Inspiration der Schrift erweist sich durch das wahrhaftige Zeugnis von Christus und durch die persönliche Verwandlung von Gläubigen. So wie sie die Verfasser bevollmächtigt hat, so wird die Inspiration Wirklichkeit im Wirken des Heiligen Geistes, der zu denen kommt, die die Schrift lesen und hören.617 Ich glaube an Gott Heiliger Geist. […] Er inspirierte und interpretiert die Heilige Schrift.618 The Spirit, active from the beginning, moved human beings to write the Word of God and opens our hearts to God’s voice.619

Der Heilige Geist ist als dieser Zeuge auch der „Lehrer, der uns Gottes Wort erklärt“620, der Übersetzer von Gottes Wort in moderne Sprachen.621 Seine Heiligkeit besteht nicht allein darin, dass er angebetet und verehrt werden will, sondern auch und ebenso darin, dass er in seiner erwählenden und versöhnenden Heiligkeit verstanden werden will. Aus diesem Grunde spricht der Heilige Geist zu den Gläubigen durch die Schrift,622 denn nur „mit Hilfe der Kraft des Heiligen Geistes können Menschen das Wort des Herrn verstehen und erfassen“623. Calvins Lehre vom testimonium Spiritus sancti internum624 und die von 616 Vgl. dazu z. B. die Glaubenserklärung (1958) der Kirche Jesu Christi in Madagaskar, RZH, 225; das Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, a. a. O., 206; Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), a. a. O., 31; Glaubensbekenntnis der Kirche Christi in Japan, a. a. O., 34. 617 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 38. Vgl. dazu auch Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, a. a. O., 64: „Diese einzigartige Autorität der Bibel ist darin begründet, dass sie der geistgewirkte Bericht und die geistgewirkte Interpretation von Gottes Akt der Selbsthingabe und Selbstentäußerung in Jesus Christus ist.“ 618 Das Bekenntnis der IPCH (1983), Hofheinz, Reformiertes Bekennen heute, 48. 619 Our World Belongs to God (1983/2003) der CRCNA, 10. 620 Glaubenserklärung (1958) der Kirche Jesu Christi in Madagaskar, RZH, 225. 621 Vgl. Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 172: „Der Geist spricht durch die Schrift. Er hat hebräische und griechische Worte inspiriert, hat Gottes Wahrheit in menschliche Sprache übertragen […]. Er spricht wahrhaftig, was die Völker wissen müssen, übersetzt Gottes Wort in moderne Sprachen, pflanzt es in die Herzen von Menschen und in ihre Kulturen.“ 622 Vgl. die Declaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, Werkbuch, 158: Der Heilige Geist „spricht zu uns durch die heilige Schrift, indem er uns befähigt, die Bibel frei und respektvoll zu lesen und sie nach bestem Wissen und Gewissen auszulegen.“ 623 Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, RZH, 19. 624 Inst. I.7.4: „Denn wie Gott selbst in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selber ist, so wird auch dies Wort nicht eher im Menschenherzen Glauben finden, als bis es vom inneren Zeugnis des Heiligen Geistes versiegelt worden ist. Denn derselbe Geist, der durch

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ihm ausgehende Bekenntnistradition625 spielen dabei in mehreren Bekenntnistexten eine direkte Rolle; so kann dann auch der Begriff des „inneren Zeugnisses“ direkt zitiert und aufgenommen werden.626 Das Wirken des Heiligen Geistes ist dabei nicht auf die Vergangenheit beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Gegenwart in Auslegung, Verkündigung und Befolgen des Wortes Gottes. Dabei kann sein Wirken in seinem Zeugnisdienst auch Gericht über den Missbrauch der Bibel durch eine Auslegung miteinschließen, die Unterdrückung, Ausgrenzung oder Hass bewirkt: Scripture is our song for the journey, the living word passed on from generation to generation to guide and inspire, that we might wrestle a holy revelation for our time and place from the human experiences and cultural assumptions of another era. God calls us to be doers of the word and not hearers only. The Spirit breathes revelatory power into scripture, bestowing upon it a unique and normative place in the life of the community. The Spirit judges us critically when we abuse scripture by interpreting it narrowmindedly, using it as a tool of oppression, exclusion, or hatred.627

Die Heiligkeit Gottes in gerechter Liebe und liebender Gerechtigkeit wird damit auch im Wirken des Heiligen Geistes offenbar, der die Auslegung und Anwendung des biblischen Zeugnisses inspiriert und hinterfragt. Im Vertrauen auf den Heiligen Geist sucht die Kirche das Wort Gottes für ihre Zeit anzuwenden,628 und ist sich dabei bewusst, dass das Gotteswort im Menschenwort der Bibel der Auslegung und Exegese bedarf, ist es doch „beeinflusst von der Sprache, den Denkformen und dem Kontext jener Zeit“629: Die Schrift ist zwar unter der Leitung des Heiligen Geistes gegeben worden, sie ist aber nichtsdestoweniger das Wort von Menschen, das durch Sprache, Gedankenwelt und literarische Ausdrucksweisen der Orte und Zeiten, in denen es geschrieben wurde, bedingt ist. Sie spiegelt die Vorstellungen von Leben, Geschichte und Kosmos wieder, die damals üblich waren. Die Kirche hat deshalb die Verpflichtung, mit literarischem und historischem Verständnis an die Schrift heranzugehen. Da Gott sein Wort in un-

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den Mund der Propheten gesprochen hat, der muss in unser Herz dringen, um uns die Gewissheit zu schenken, dass sie treulich verkündet haben, was ihnen von Gott aufgetragen war.“ Vgl. dazu Eßer, Testimonium Spiritus Sancti internum. So etwa in der Westminster Confession, BSRK 545,6–9: „ab interna operatione Spiritus Sancti, per verbum et cum verbo ipso in cordibus nostris testificantis.“ Vgl. auch Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 44–49. So verwenden die folgenden englischsprachigen Bekenntnisse in diesem Zusammenhang die Begriffe „inward witness“, bzw. „inner testimony“, mit denen das angeführte CalvinZitat in den englischen Übersetzungen wiedergegeben werden: Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 191 (deutsch: inwendiges Zeugnis); Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, a. a. O., 141 (deutsch: Zeugnis in unserem Innern). Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada (Hervorhebungen: M. E.-H.). Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 141. Ebd.

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terschiedliche kulturelle Situationen hinein gesprochen hat, vertraut die Kirche darauf, dass er durch die Bibel auch weiterhin in eine sich verändernde Welt und in jegliche Form menschlicher Kultur hinein sprechen wird.630

In diesem letzten Zitat wird im Vergleich mit den vorherigen zur Schriftinspiration besonders deutlich, wie weit das Spektrum des Schriftverständnisses in reformierten Bekenntnistexten der Gegenwart ist; Eine Glaubenserklärung der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales kann dabei gar anmahnen: Die Bibel ist nicht völlig frei von Irrtum, Verworrenheit und Widersprüchen; sie muss mit äußerst kritischer Aufmerksamkeit gelesen werden, damit die Kirche die bindende Wahrheit erkennt und sich nicht gefangen nehmen lässt von Dingen, die nicht verbindlich sind. Die Bibel ist verlässlich, nicht in dem Sinne, dass Kritik nicht zulässig wäre, sondern in dem Sinne, dass wir Gott durch ihren Bericht mit zuverlässiger Kenntnis vertrauen können. Sie zeugt getreulich von seinen wunderbaren Taten; aber sie ist weder als Ganzes noch in ihren einzelnen Teilen mit seiner Göttlichkeit identisch.631

Offensichtlich lassen sich die Schriftverständnisse der reformierten Bekenntnistexte der Gegenwart, wie übrigens auch der Vergangenheit,632 nicht einfach auf einen gemeinsamen theologischen Nenner bringen – gemeinsam ist ihnen allen jedoch, dass sie die Schrift in dem Sinne als heilige Schrift verstehen, dass sie nur durch und im Wirken des Heiligen Geistes in Abfassung, Studium, Exegese, Auslegung und Verkündigung heilig ist und heiligend wirkt.633 Und zwar heilig und heiligend nur und ausschließlich in dem Sinne, wie etwas Kreatürliches heilig sein kann, nur in abgeleiteter und sekundärer Form und nicht in ontologischer Teilhabe am Wesen des Heiligen Gottes.634 Im Kontext der Toraja-Kirche in Indonesien, indem der Bibel als Buch zum Teil magische Kräfte zugeschrieben 630 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 163; zu dem insgesamt jedoch eher widersprüchlichen und kompromissartigen Charakter des Schriftverständnisses in diesem Bekenntnis vgl. Ernst-Habib, A Conversation with Twentieth-Century Confessions, 83f. 631 RZH, 93f (Hervorhebungen: M. E.-H.). 632 Vgl. dazu Karl Barths grundlegende Überlegungen in § 2 „Das Schriftprinzip und seine Begründung“ seiner Vorlesung von 1923 Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 63–103; und Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 41–53. 633 Vgl. das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23: „Das Wort Gottes, unterstützt durch die Kraft des Heiligen Geistes führt die Menschen zur Erlösung in Jesus Christus. Das geschieht mitten im Lebenskampf durch Verkündigung und Bibelarbeit. Exegese ist der Versuch der Glaubenden, das Wort Gottes zu verstehen, so dass es auf ihre aktuelle Situation angewendet werden kann.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 634 Vgl. Goroncy, Elusiveness, 207, der im Blick auf das Schriftverständnis Forsyths schreibt: „Scripture is holy because it is set apart for, and taken up by, the Spirit to this end – to testify perfectly concerning Christ (Jn 5:39). The Bible, therefore, is not so much a document as a holy sacrament.“

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werden,635 wird dies – auf für westliche Ohren vielleicht zunächst naiv klingende Weise – deutlich, indem ihr Bekenntnis nachdrücklich betont, dass „die Bibel als ein Buch keine Kraft in sich selbst“636 hat; jedes strikte Verständnis der Schrift als verbalinspiriertem und jeglicher Kritik enthobenem Wort Gottes in schriftlicher Form berührt sich jedoch mit diesem „magischen“ Verständnis der Bibel, indem es ihr eine Art der Heiligkeit zugesteht, die nur dem Drei-Einen Gott eignet. Als Heiliger Geist, der als solcher der Geist der Freiheit ist [vgl. 2 Kor 3:17], ist er dies auch in seinem Zeugendienst, wenn er den Gläubigen ermöglicht, „durch die Ereignisse und Worte der Bibel hindurch [zu] sehen, wie Gott sich selbst in Jesus Christus uns öffnet“637 – im Vertrauen auf die Leitung des Heiligen Geistes: Im Vertrauen auf den Heiligen Geist, der unsere Augen und Herzen öffnet, bekräftigen wir unsere Freiheit, die Schrift verantwortlich zu interpretieren. Gott hat uns sein heiliges Wort durch viele unterschiedliche menschliche Schriften geben wollen. Deshalb bedienen wir uns der besten verfügbaren Methoden, um sie in ihrem historischen und kulturellen Zusammenhang und in ihren literarischen Formen zu verstehen.638

Es ist der umfassende und effektive Zeugendienst des Heiligen Geistes, der die Heilige Schrift damit nicht allein zur regula fidei, sondern auch zur regula vitae macht,639 wie viele Bekenntnistexte betonen.640 Dieses Wirken des Heiligen

635 So gibt es im Torajaland „christliche“ Wunderärzte, die die Bibel zu Heilungs- und Beschwörungsritualen benutzen; vgl. dazu Plaisier, De belijdenis van de Torajakerk, 6; und auch Kobong, Evangelium und Tongkonan, 259. 636 RZH, 23. 637 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 86. 638 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 191 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 639 So schon in der Westminster Confession, BSRK 544,8–9, deren Einfluss in vielen der presbyterianischen Tradition entstammenden Bekenntnis in diesem Zusammenhang sichtbar wird. Zum Normcharakter der Heiligen Schrift wie zur Verwendung der Bezeichnung regula bzw. Regel in den klassischen Bekenntnistexten der reformierten Tradition vgl. insbesondere die Auflistung und Diskussion bei Barth, Die Theologie der reformierten Bekenntnisschriften, 73–76. Vgl. weiter auch zum vorreformatorischen Verständnis der regula fidei Bromiley, Art. Rule of Faith. 640 Vgl. dazu RZH, 11 (höchste Autorität, die dem ganzen Leben Führung gibt), 19 (Grundlage der Lehre, Ermahnung und Lebensführung der Christen), 23 (einzige normative Verhaltensregel für das Leben der Gläubigen, sowohl privat als auch in der Gemeinschaft), 31 (die einzige Richtschnur), 34 (Richter über Glauben und Leben), 61 (Norm für unser Glauben und Leben), 141 (Richtschnur für Glauben und Leben), 191 (maßgebliche Norm von Glauben und Leben), 206 (unfehlbare Glaubensregel und Handlung [englisches Original: „infallible rule of faith and practice“], (der autoritative Wegweiser für das christliche Leben), 225 (einzige Quelle und Richtschnur ihres Glaubens und Lebens), 239 (oberste und entscheidende Richtschnur), 254 (höchste und entscheidende Richtschnur des Glaubens), 291.296 (höchste Autorität für Glauben und Verhalten des ganzen Volkes Gottes; oberste Autorität für unseren Glauben und unser Tun), RWT, 274 (supreme and decisive standard of

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Geistes im Glauben und Leben des Volkes Gottes wird Gegenstand des folgenden Abschnittes sein, eingeleitet durch ein Zitat aus A Brief Statement of Faith von 1983: Derselbe Geist, der die Propheten und Apostel begeistert hat641, leitet unseren Glauben und unser Leben in Christus durch die Schrift.642

Der Heilige Geist und die Heiligung zum Neuen Leben Im englischen Original des vorangegangenen Zitates wird schon eine Akzentverschiebung deutlich, die in den meisten neueren Bekenntnistexte zu beobachten ist: das Brief Statement spricht bewusst nicht von der Schrift als „rule of faith and life“, wie es etwa die Westminster Confession macht (und ihr folgend viele Bekenntnisse der presbyterianisch-reformierten Tradition), sondern davon, dass der Heilige Geist „rules our faith and life in Christ through Scripture“643. Diese Umformulierung ist mehr als ein Wortspiel: sie verweist darauf, dass es der Heilige Geist ist, der Glauben und Leben in Christus bestimmt, nicht die Schrift als solche. Selbstredend bleibt weiter betont, dass es keine Herrschaft des Heiligen Geistes an der Schrift vorbei geben kann, dass auch das Handeln des Geistes durch die Schrift anderen Aktivitäten des Geistes nicht nebengeordnet ist, sondern sich letztere aus ersterem ergeben.644 Wie nun genau der Heilige Geist das Leben des Volkes Gottes und der gesamten Schöpfung schafft, erneuert, regiert, bewahrt und erhält, findet in den neueren Bekenntnistexten gerade auch im Vergleich zu den Bekenntnissen der Reformation weitaus größeren Raum und weitaus differenziertere Betrachtung, wenn auch die Grundaussagen weiterhin übereinstimmen. Dass der Heilige Geist „Gott mit uns, […] Gott gegenwärtig in der Welt“645 ist, buchstabieren die einzelnen Bekenntnisse in einer Liste von Aktivitäten des Heiligen Geistes aus, die sich in vielen Einzelaspekten überschneiden, und in ihrer Gesamtheit insbesondere das neue Leben der Heiligen Gottes durch die Heiligung als Ausgangspunkt betonen. In der Erfahrung des Versöhnungswerkes Jesu „bringt der Geist den Menschen Gottes Vergebung, bewegt sie in Glauben, Buße und Gehorsam zu

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faith), Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 88 (alleinige und absolute Autorität für den Glauben). Im englischen Original: „inspired“; vgl. Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 24, und die Übersetzung in Ernst, In Leben und Tod gehören wir Gott, 444. Krieg, Werkbuch, 152. Placher/Willis-Watkins, a. a. O., 24. Vgl. a. a. O., 149f. Vgl. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 139f.

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antworten, und leitet das neue Leben in Christus ein.“646 Vergebung – Glaube – Buße – Gehorsam – neues Leben, dies sind in der Mehrzahl der Bekenntnistexte die Hauptaspekte des Wirkens des Heiligen Geistes, wenn auch in durchaus unterschiedlichen und vielfältigen Formulierungen.647 Durch das Werk der versöhnenden Heiligkeit Gottes wirkt der Heilige Geist, und diese Primäraussage reformierter und reformatorischer Bekenntnisschriften bleibt auch in den Texten der Gegenwart erhalten, den Glauben. Das sola fide der Reformationszeit wird dabei jedoch nur noch selten explizit in die Bekenntnistexte aufgenommen und erneut bekannt,648 wenngleich diese zentrale Reformationserkenntnis offensichtlich auch den soteriologischen Aussagen der modernen Bekenntnistexte zugrunde liegt. Der Geist rechtfertigt uns durch die Gnade im Glauben.649 Der Geist befähigt Menschen gläubig zu werden. Der Geist befähigte Menschen aller Rassen, Klassen und Nationen, die gute Nachricht dessen, was Gott in Christus getan hat, anzunehmen, ihre Sünden zu bereuen und der Gemeinschaft des Glaubens beizutreten. Wir bezeugen, das heute dieser selbe Heilige Geist uns bereit macht, im Glauben auf das Evangelium zu antworten […] Es ist nicht unser Glaube, sondern Gottes Gnade in Jesus Christus, die uns rechtfertigt und uns mit Gott versöhnt. Dennoch können wir nur durch den Glauben Gottes Gnade annehmen und durch sie leben.650 Der Heilige Geist macht Menschen fähig zu glauben. […] Wenn wir das Evangelium hören und darauf antworten, wenden wir uns aus freien Stücken zu Christus. Wenn wir uns zu ihm gewandt und Buße getan haben, stellen wir fest, dass es der Heilige Geist war, der uns fähig gemacht hat zu glauben.651

Einige weitere der Linien, die reformierte Bekenntnisse in diesem Zusammenhang des neuen Lebens der Gläubigen ziehen, sollen im Folgenden kurz nachgezeichnet, weil sie informative Hinweise nicht allein auf das Wirken und die Identität des Heiligen Geistes, sondern insbesondere auch wieder auf die Iden646 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 162 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 647 Zu diesen Formulierungen gehören beispielsweise die folgenden Themenkreise: Rechtfertigung, Reue und Sündenbekenntnis/Buße, Wiedergeburt, Heiligung und Wachsen in der Gnade, Bewahrung der Gläubigen, christliche Gewissheit (aus dem Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche von, RZH, 210–213, unter der Überschrift „Gottes Handeln durch den Heiligen Geist“). 648 Vgl. dazu jedoch RZH, 31, 210f, 226, 239; Weber, Lebendiges Bekenntnis, 45f, sowie die Amman Declaration, 206; deutsch: Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 40. 649 Ernst, a. a. O., 444; Krieg, Werkbuch, 152, übersetzt das englische Original („The Spirit justifies us by grace through faith“) nicht adäquat mit: „Der Geist rechtfertigt uns aus Gnade für Glauben“. 650 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 187f. 651 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 140.

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tität der Heiligen Gottes geben. Was zeichnet das neue Leben des Volkes Gottes als durch den Heiligen Geist Gottes gerechtfertigte und geheiligte Geschöpfe aus? Oder anders gefragt: worin äußert sich die (sekundäre, abgeleitete, kreatürliche) Heiligkeit der Kirche und ihrer Glieder im Wirken des Heiligen Geistes? Vier Themen spielen dabei in den Bekenntnissen der Gegenwart (wie auch der Vergangenheit) eine besondere Rolle; als erstes ist hier dabei der dankbare Gehorsam652 zu nennen. Durch den heiligen Geist empfangen Menschen die Kraft, durch die sie in Dankbarkeit auf Gottes erlösende Gnade antworten und auf den Wegen neuen Gehorsams und neuer Liebe wachsen können.653

Es ist der Geist Gottes, der „die Gabe des neuen Gehorsam gegen sein Wort“654 verleiht, der die Gläubigen heiligt, damit sie „Gottes Willen heiliger Liebe erkennen und tun“655; er „errichtet das Bild Gottes in uns, befähigt uns Christus in Wesen und Leben zu gleichen und seinen Fußstapfen mit Freuden nachzufolgen“656. Deutlich zu spüren ist hier dabei in vielen Bekenntnistexten657 der Einfluss des reformierten Verständnisses von Gottes Gesetz in seinem usus in renatis, in seiner lebenspendenden und befreienden Absicht:658 Wir glauben, dass Gott durch sein lebenspendendes Wort und seinen lebenspendenden Geist sein Volk befähigt, in einem neuen Gehorsam zu leben, der für die Menschheit und für die Welt neue Lebensmöglichkeiten eröffnet.659

Die Gläubigen empfangen „durch den Glauben an Jesus Christus […] neue Freiheit“660, die die wahre Freiheit661 ist; eine Freiheit, die nun wiederum eine 652 Ein Thema, das insbesondere durch den Einfluss des Heidelberger Katechismus zum Grundthema reformierten Bekennens weltweit und durch die Zeiten geworden ist; vgl. dazu z. B. Busch, Der Freiheit zugetan, 243–261. 653 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 83 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 654 Theologische Erklärung (1979) des Broederkrings der Niederländisch-Reformierten Kirche in Südafrika, RZH, 4. 655 Ähnlich auch Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 69; vgl. auch a. a. O., 34 (Hervorhebung: M. E.-H.). 656 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 44. 657 Vgl. beispielsweise RZH, 42.100.148. 658 Vgl. dazu Moltmann, Theologia reformata, 170: „In den reformierten Kirchen wurde das Gesetz Gottes nicht als tötendes Gesetz aufgefasst, sondern als die gültige Form des Lebens vor Gott. Sinn des Gesetzes ist es, dass es gelebt und getan wird. Darum ist der tertius usus legis, der usus in renatis das eigentliche Ziel des Gesetzes, wie der Heidelberger Katechismus zeigt. Das Leben im Gesetz ist eine Freude, keine Qual.“ 659 Belhar-Bekenntnis der Niederländisch-Reformierten Missionskirche, RZH, 8 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 660 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche von England und Wales, RZH, 100 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 661 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 148: „Die Jünger

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Freiheit für die anderen, für Kirche und die Welt ist und nicht eine Freiheit von ihnen. Dieser Aspekt wird in einem späteren Abschnitt zur Sendung der Kirche (4.3.4) noch weiter zu explizieren sein, hier soll jedoch bereits darauf hingewiesen werden, dass dem Verständnis einer Anzahl reformierter Bekenntnisse nach das Wirken des Heiligen Geistes gerade an dieser Stelle von großer Bedeutung ist. Ist es nämlich der Heilige Geist des Heiligen Gottes, der den Heiligen Gottes dabei hilft, heilig zu leben, dann heißt das in diesem Zusammenhang für viele Bekenntnisse auch, konkret gegen die Ungerechtigkeit zu streiten und „Gottes Willen heiliger Liebe zu erkennen und zu tun“662 und damit die Advokatsrolle Gottes widerzuspiegeln: Der ‚neue Mensch‘ im Geist folgt dem Beispiel Christi und wird der Freund der Schwachen und derer, die gegen die Unterdrücker und ihre unterdrückerischen bösen Strukturen kämpfen; er opfert sich für die Unterdrückten auf und organisiert Kräfte, die auch die Unterdrückten unterstützen wollen.663 Das Leben der Menschheit ist aus dem Gleichgewicht geraten. Das wird besonders deutlich an den Unterschieden der sozialen und wirtschaftlichen Positionen, die in den verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen – den traditionellen wie den modernen – rechtlich festgeschrieben sind. Die sozialen und ökonomischen Strukturen, die Ungerechtigkeit erzeugen, müssen abgebaut und durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuert werden, damit sie dem Willen Gottes entsprechen.664 Gott ist in seinem Heiligen Geist stets am Werk, um der Menschheit seine Gerechtigkeit und Macht und seine Gegenwart bekanntzumachen.665 Wir glauben, dass der Heilige Geist uns dazu auffordert, nicht nur an der Erneuerung unseres persönlichen Lebens, sondern auch an der Gestaltung einer neuen Gesellschaft und einer neuen Geschichte mitzuwirken. Er ist der Geist des Reiches Gottes, der uns gebietet, für eine soziale und politische Veränderung der Verhältnisse zu kämpfen.666

In diesem Sinne bekennt das Credo von Kappel, wie bereits mehrfach zitiert, Jesus Christus als den „Messias der Bedrängten und Armen“ und bekennt das Wirken des Heiligen Geistes auf die Gläubigen:

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Christi sind zum Gehorsam berufen. […] Gehorsam erhebt Anspruch auf den ganzen Menschen. Und doch entdecken wir, wenn wir uns ihm hingeben, dass einzig dieser Dienst wahre Freiheit bringt.“ Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 69. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 44f. Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 28. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956), RZH, 66. Unser Glaubensbekenntnis (1976) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 49. Vgl. dazu auch Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, a. a. O., 28: „Die sozialen und ökonomischen Strukturen, die Ungerechtigkeit erzeugen, müssen abgebaut und durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuert werden, damit sie dem Willen Gottes entsprechen.“

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Ich vertraue auf den heiligen Geist, der in uns lebt, uns bewegt einander zu vergeben, uns zu Mitstreitern des Auferstandenen macht, zu Schwestern und Brüdern derer, die dürsten nach der Gerechtigkeit.667

Die Heiligkeit des Heiligen Geistes, und damit die Heiligkeit des Volkes Gottes, ist also eine weltzugewandte, nicht weltabgewandte Heiligkeit; eine Heiligkeit, die die transformative Heiligkeit Gottes in seiner umfassenden Relationalität reflektiert, und dabei keinen Aspekt menschlichen, ja geschöpflichen Lebens außer Acht lässt. Damit kann dann auch das neue Leben, zu dem der Heilige Geist die Gläubigen befreit, von vielen Bekenntnissen in konkreten und viele Aspekte umfassenden Aussagen bestimmt und bekannt werden. In diesem Verständnis des heiligen Lebens insbesondere der individuellen Gläubigen in Ehe, Familie, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik wird in vielen der Texte ihre Kontextgebundenheit besonders in ihrer Stärke, aber auch in ihrer Anfälligkeit für den „Zeitgeist“ deutlich.668 Aber das Wirken des Heiligen Geistes wird konkret auch in seinen ekklesiologischen Dimension bedacht und bekannt, wobei insbesondere zwei Aspekte seines Wirkens für gegenwärtiges Bekennen von Bedeutung sind: das sind zum einen (1) das Themen der Einigkeit der Kirche, zum anderen geht es um (2) die Erneuerung der Kirche; beides auf dem weitergehenden Wirken des Heiligen Geistes beruhend. (1) Viele Bekenntnisse, insbesondere die Bekenntnisse, die aus einem konkreten Anlass in statu confessiones entstanden sind, haben in ihrem Entstehungskontext mit kirchentrennenden Faktoren, theologischen wie außertheologischen, zu kämpfen. Das sprechendste Beispiel für ein solches Bekenntnis ist das Belhar-Bekenntnis, dessen eines Hauptthema tatsächlich die Einheit der Kirche ist, und welches bekennt: Wir glauben an eine heilige, weltweite christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen. Wir glauben […], dass Einheit deshalb Gabe und Verpflichtung für die Kirche Jesu Christi ist, dass sie durch das Wirken von Gottes Geist eine bindende Kraft ist, gleichzeitig aber auch eine Realität, die ernsthaft verfolgt und angestrebt werden muss.669

Es ist der Heilige Geist, der alle Kinder Gottes eint und gleichzeitig ist Einheit eine Verpflichtung für die Kirche. Die relationale Heiligkeit Gottes ist hier explizit eine zweidimensionale, wie sich bereits bei der versöhnenden Heiligkeit Gottes zeigte: sie versöhnt und verbindet nicht allein die Heiligen Gottes mit Gott, sondern sie versöhnt und verbindet auch die Heiligen Gottes untereinander. An der Unei667 Credo von Kappel (2008), Krieg, Werkbuch,165. 668 Vgl. dazu als Beispiel die unterschiedlichen Auffassungen zu Ehe und Familie an den folgenden Stellen, RZH, 26.71.105.149f.167.173.180.218. 669 RZH, 7.

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nigkeit der Kirche wird ihre Schuld deutlich wie an Vereinigungen vorher getrennter christlicher Konfessionen das weitergehende Wirken des Geistes Christi als „einigende Kraft“670: Die Kirche ist eine, weil Christus in ihr durch den Heiligen Geist wohnt und weil die, die mit Christus vereint sind, untereinander eins sind. Äußere Trennungen vermögen zwar die innere Einheit der Kirche nicht zu zerstören, sind aber ein Zeichen dafür, dass die Kirche auf Erden ihre hohe Berufung bei weitem nicht erfüllt. Die Kirche muss darum diese Trennungen in ernster Selbstprüfung ständig von neuem zu überwinden und der unsichtbaren Einheit in Christus sichtbaren Ausdruck zu geben suchen, damit ihr Zeugnis für ihn wirksamer werden kann.671 Wo immer eine Vereinigung zustande kommt, geschieht dies nur durch das Wirken des Geistes Christi, der Wahrheit und Liebe ist.672 Wir wissen, dass derselbe Geist uns eine Einheit gibt, die wir nicht schaffen oder zerstören können. Der Geist wirkt unter uns, nicht um die Vielfalt zu beenden oder Uniformität zu erzwingen, sondern um Trennungen und Bitterkeit zu überwinden.673

(2) So wie der Geist die Kirche einigt, so erneuert er sie auch fortwährend; die communio sanctorum ist immer auch die communio peccatorum, die „geheiligte Kirche ist immer zugleich die sündige Kirche“674. Als eine solche Kirche, mit der dritten These der Barmer Theologischen Erklärung genauer bestimmt als „Kirche der begnadigten Sünder“675, bedarf auch sie stets des erneuernden und lebendigmachenden Wirkens des Heiligen Geistes: Die Kirche, die aus Sündern besteht, die aufgrund der Liebe und des Opfers Christi gerechtfertigt sind, bedarf der fortwährenden Bekehrung. Dazu braucht sie unablässig Ermahnung, Leitung und die Pflege des Heiligen Geistes, der ständig erneuert, erbaut und vereinigt.676

Ein wesentliches Moment reformierter Identität in Gegenwart und Vergangenheit, wie es bereits in einem vorhergegangen Abschnitt diskutiert wurde,677 ist hiermit direkt auf das Verständnis des Wirkens des Heiligen Geistes zurückzu670 Leuenberger Konkordie (1973), Krieg, Werkbuch,127. 671 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 69. 672 Unionsgrundlage (1941) der Kirche von Südindien, RZH, 238; vgl dazu auch weitere Dokumente aus Kirchenunionen, a. a. O., 277, 293, 297 673 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 188; vgl. dazu auch die Amman-Erklärung bei Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 38. 674 Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes, 379. 675 Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 243. 676 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984), RZH, 18. 677 Vgl. dazu oben Abschnitt 3.4.2.

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führen: die grundsätzliche Bereitschaft, sich im Hören auf das Wort durch den Heiligen Geist reformieren, d. h. erneuern und beleben, zu lassen. Die Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten bekennt dies in ihrer Glaubenserklärung emphatisch: Wir glauben, dass die Kirche kraft desselben Geistes wieder auf ihren Weg gebracht werden kann, selbst wenn sie jenseits aller Hoffnung auf Erneuerung zu sein erscheint. Wir sind dankbare Erben von Reformationen und Erweckungen. Wir bleiben den Reformatoren der Vergangenheit treu, wenn wir uns in der Gegenwart offen halten für das verändernde und erneuernde Wirken des Geistes.678

Dieses verändernde und erneuernde Wirken bezieht sich dabei, wie oben bereits erwähnt, auf das gesamte Leben der Gemeinschaft der Heiligen, nicht allein auf seine innerkirchlichen Aspekte, wie auch A Song of Faith bekennt: The church has not always lived up to its vision. It requires the Spirit to reorient it, helping it to live an emerging faith while honoring tradition, challenging it to live by grace rather than entitlement, for we are called to be a blessing to the earth.

Ein letztes Verständnis des Wirkens des Heiligen Geistes präzisiert bereits Erarbeitetes679: der Heilige Geist ist als „Comforter and Bond of Love“680 der Tröster, Begleiter und Helfer der Gemeinschaft der Heiligen, nicht allein in außerordentlichen spirituellen Erlebnissen, sondern im Alltag des Lebens.681 Dort manifestiert sich sein Wirken „manchmal im Stillen, manchmal mit Macht“: Die Gegenwart des Geistes manifestiert sich in der Liebe, in Freude, Friede, Geduld und Freundlichkeit, in Güte, Solidarität, Zärtlichkeit und Selbstbeherrschung. […] Die Gegenwart des Geistes ist überall da offenkundig, wo Menschen Ganzheit wiedergewinnen und fähig werden, in Christus zu wachsen.

Die Gemeinschaft im und mit dem Heiligen Geist ist dabei Freude im Heiligen Geist, „Teilnahme an Gottes eigner ewiger Freude“682. Das heilige Leben ist auch und gerade ein fröhliches Leben,683 das hoffnungsvoll auf Gottes Treue vertraut, weil der Heilige Geist „größer [ist] als unser Herz und unser rechnender Ver-

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RZH, 187. Vgl. oben Abschnitt 4.2.3. A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada. Vgl. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 140: „Der Heilige Geist begleitet uns auf unserer Reise des Glaubens. […] Er führt uns im Alltag des Lebens. Er ist unser Trost und unsere Hilfe.“ Dort auch die beiden folgenden Zitate. 682 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 108; dort ein ganzer Abschnitt unter der Überschrift „Freude im Heiligen Geist“. 683 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 152: „In Dankbarkeit gegenüber Gott, ermächtigt durch den Geist sind wir bestrebt, […] ein heiliges und fröhliches Leben zu leben.“

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stand“684. Im nächsten Abschnitt wird dieses Tröster-Sein des Heiligen Geistes, sein Beistand und seine Gegenwart noch einmal im Blick auf die „Heilsmittel“ konkretisiert werden, ein zentrales Thema auch für reformierte Bekenntnisse der Gegenwart. Der Heilige Geist und die Heilsmittel Obgleich das Sakramentsverständnis, und hier insbesondere das Verständnis des Abendmahls, in den reformierten Bekenntnissen des 20. und 21. Jahrhunderts im Wesentlichen keine Neuerung gegenüber dem Verständnis der Bekenntnisschriften der reformierten Reformation685 bringt und diese als grundlegend voraussetzt,686 wird diesem Thema doch großes Gewicht eingeräumt. Dabei wird der Schwerpunkt nicht so sehr auf die Frage gelegt, wie Christus im Heiligen Geist im Abendmahl gegenwärtig ist, sondern mehr darauf, wozu er gegenwärtig ist und in Wort und Sakrament handelt. Ausgehend von dem Bekenntnis, dass der Heilige Geist den Glauben in unserem Herzen durch Predigt und den Gebrauch der heiligen Sakramente wirkt,687 und dass in diesem Wirken Jesus Christus als Herr in der Gemeinschaft der Heiligen gegenwärtig ist,688 explizieren die Bekenntnisse den Heilscharakter der Heilsmittel: Die erwählende Liebe Gottes, die in Christus durch den Geist zu uns kommt, bedient sich irdischer Mittel, um den Glauben in uns zu erwecken, zu erhalten und zu stärken. Obwohl sich Gott freimächtig aller Mittel bedienen kann und an keins gebunden ist, bindet er uns an die Heilsmittel der Predigt, der Taufe und des Abendmahls, mit denen in besonderer Weise die Verheißung seiner wirkenden Gegenwart verbunden ist.689 Derselbe Geist […] gewinnt uns durch das verkündigte Wort, beansprucht uns in den Wassern der Taufe, nährt uns mit dem Brot des Lebens und dem Kelch des Heils.690

684 Ein Glaubensbekenntnis (1986) der Schweizerischen Evangelischen Synode, Krieg, Werkbuch, 145. 685 Vgl. Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 211–281; Freudenberg, Reformierte Theologie, 284–299. 686 Auch hier kann und soll es im Folgenden nicht darum gehen, eine vollständige Darstellung der Sakramentslehre, bzw. der Lehre von den Heilsmittel in den reformierten Bekenntnissen der Gegenwart zu erstellen; dies würde eine eigene Untersuchung benötigen. Es geht hier vielmehr darum, das Wirken des Heiligen Geistes in den Sakramenten als Bezeugung und Besiegelung der Heiligkeit Gottes an einigen Aspekten darzustellen. 687 Vgl. Heidelberger Katechismus Frage 65. 688 Vgl. die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 243. 689 Perspektiven und Grundlagen des Bekennens (1949) der niederländischen Reformierten Kirche, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 42 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 690 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 152.

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Heilig sind die Sakramente und die Verkündigung des Wortes nur durch das Wirken des Heiligen Geistes, der diese „irdischen Mittel zu [seinen] Werkzeugen“691 macht; heilig sind sie, indem Gottes erwählende, versöhnende, relationale und kruziforme Heiligkeit in und durch sie wirkt und sie zu Bundeszeichen692 macht. Sie sind, mit dem Heidelberger Katechismus (Frage 66) gesprochen, sichtbare heilige Wahrzeichen und Siegel; ihre Gnade „kommt nicht aus irgendeiner Kraft, die ihnen innewohnt, sondern aus dem Wirken des Heiligen Geistes“693. Stärker als die Bekenntnisse der Vergangenheit betonen viele gegenwärtige Dokumente dabei explizit den Zusammenhang von Wortverkündigung in Predigt (und auch Lehre) und den beiden Sakramenten von Taufe und Abendmahl als Gnadenmittel des Heiligen Geistes,694 und räumen damit der Predigt einen dogmatisch klareren Ort zu:695 auch die Predigt ist eines der irdischen Mittel, in denen das Wort der Verheißung und Versöhnung zu den Gläubigen kommt.696 So bekennt die Amman Declaration von 2006: We believe that Christ comes to us through the Holy Spirit in all ages in the proclamation of the Gospel and the administration of the Sacraments of Baptism and the Lord’s Supper, and that we are justified by the grace of God through faith, and not by our own works. Thus we are reconciled to God and called to communion with Him and with one another.697

Es ist das Wirken des Heiligen Geistes, der die Predigt nicht zu Gottes Wort macht, sondern der es ermöglicht, „dass in den Worten der Verkündigung Gottes Wort gehört wird“698. Wir glauben, dass die Predigt des Wortes ein Ereignis ist, in dem Gott selbst uns gegenübertritt. Wie die versammelte Gemeinde im Gebet zu Gott spricht, so erwarten wir, dass Gott in der Predigt zu uns spricht. Die Predigt kann verschiedene Formen 691 Ebd. 692 Vgl. z. B. Bekenntnis der Toraja-Kirche (1981), RZH, 26; vgl. auch a.a.0., 174. 693 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 146; vgl. auch a. a. O., 27: „Wasser, Brot und Wein in den Sakramenten haben keine Kraft durch sich selber.“ 694 Vgl. dazu allerdings Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 211–215, und die dort aufgeführten Bekenntniszitate, die das uneinheitliche Bild reformierter Bekenntnisse in Bezug auf das Verständnis von Wort und Geist widerspiegeln. 695 Vgl. Weber, Lebendiges Bekenntnis, 43. 696 Vgl. Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, RZH, 20: „Die Verkündigung des Wortes geschieht in zwei Teilen: in der Predigt, dem Ausdruck mit Worten, und in den Sakramenten, dem Ausdruck des Wortes durch sichtbare Zeichen.“ 697 Amman Declaration, 206; deutsch: Hofheinz et Al., Reformiertes Bekennen heute, 40. Vgl. auch die Formulierung der Leuenberger Konkordie, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 252: „In der Verkündigung, Taufe und Abendmahl ist Jesus Christus durch den Heiligen Geist gegenwärtig.“ 698 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 143.

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annehmen. Ist sie getreu und gehorsam, so gebraucht der Heilige Geist sie, Ungläubige zu bekehren, Gläubige zu stärken, die Kirche zu formen und zu reformieren.699

Ohne den Sakramentscharakter von Taufe und Abendmahl aufzuheben oder zu verwässern,700 können dabei die modernen Bekenntnisse die Gnadenmittel durchaus weiter definieren als viele der klassischen Texte: neben Verweisen auf die Wortverkündigung in der Predigt werden vor allem auch das Gebet701, aber auch Lehre und Lobpreis702 als Gnadenmittel verstanden. Um auf eingangs dieses Abschnittes bereits Erwähntes zurückzukommen: die Gnadenmittel werden in der Mehrzahl der gegenwärtigen Bekenntnisse nicht allein erwähnt um aufzuzeigen, wie Christus im Heiligen Geist in ihnen gegenwärtig ist, sondern vor allem auch wozu er gegenwärtig ist. In den Gnadenmitteln teilt sich der Heilige Gott entsprechend seiner Heiligkeit mit, sie sind seine Gabe an die Kirche (und die Welt) 703 in ihrem Zuspruch der Vergebung und Stärkung des Glaubens. Gleichzeitig und mit gleichem Ernst beansprucht Gott704 die Gemeinschaft der Heiligen auch in diesen Gnadenmitteln, beinhalten sie als „Ausrüstung zum Dienst“ auch eine Aufgabe: Die Ausrüstung der Kirche: Jesus Christus hat der Kirche Predigt und Lehre, Lobpreis und Gebet, sowie Taufe und Abendmahl als Mittel gegeben, ihren Dienst für Gott unter den Menschen zu erfüllen.“705

Wortverkündigung in Predigt und Sakramenten und die Gegenwart Christi im Wirken des Heiligen Geistes sind in diesem Sinne nicht Heilsmittel, die als Besitz der Kirche von ihr eifersüchtig zu hüten wären; „das Heilige den Heiligen“ (sancta sanctis) 706 kann in diesem Verständnis nur bedeuten, dass die Heiligen Gottes diese gleichzeitig heiligen und un-heiligen Gnadenmittel707 als Stärkung 699 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 192. 700 Die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl erhalten als solche besondere Bedeutung gerade in jenen Kontexten, in denen die Einheit der Kirche gefährdet oder bereits zerstört ist; vgl. dazu z. B. das Belhar-Bekenntnis, das in einem Kontext entstand, in dem sog. „weiße“ Reformierte das Abendmahl nicht zusammen mit sog. „nicht-weißen“ Reformierten einnehmen wollten. 701 So etwa in der Kirchenverfassung (1965) der Vereinigten Kirche von Sambia, RZH, 229; vgl. a. a. O., 27, 702 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 167f. 703 Vgl. dazu den folgenden Abschnitt. 704 Vgl. die erste These der Barmer Theologischen Erklärung. 705 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 167 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 706 Liturgische Ekphonese aus der orthodoxen Abendmahlsliturgie, vgl. Manole, Ekklesiologische Perspektiven, 93f. Auf diese Ekphonese antwortet die Gemeinde jedoch sofort mit „Nur einer ist heilig. Nur einer ist der Herr: Jesus Christus in der Herrlichkeit Gottes, des Vaters.“ 707 Vgl. Moore-Keish, Reformed Eucharistic Theology, 75f.

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für ihre Nachfolge Christi in ihrem gesamten Leben erhalten und um auf „the presence of the holy in the world“708 hinzuweisen: „In these sacraments the ordinary things of life – water, bread, wine – point beyond themselves to God and God’s love.”709 Heilig ist nur Einer, aber der Immanenzwille dieses Heiligen Gottes710, seine Heiligkeit als relationale, erwählende und versöhnende wird der Gemeinschaft der Heiligen an dieser Stelle, vor allen anderen, in ihrem gemeinschaftlichen Leben bezeugt und besiegelt.

Der Heilige Geist und die Welt Wenn der Heilige Geist bislang in seinem Wirken für und in der Gemeinschaft der Heiligen betrachtet wurde, dann gilt als ein letzter Aspekt seines Wirkens festzuhalten, dass eine Anzahl gegenwärtiger Bekenntnisse das Wirken des Heiligen Geist explizit auch über die Kirche hinaus bekennen.711 Die Heiligkeit des Heiligen Geistes ist die Heiligkeit Gottes, der sich in seiner Freiheit an sein Volk gebunden hat, aber sich von ihm weder „herbeizwingen noch eingrenzen“712 lässt: Wir bezeugen die Freiheit des Geistes. Der Heilige Geist wirkt in der Kirche, doch nicht nach unserem Maßstab oder unter unserer Kontrolle. Der Heilige Geist wirkt auch über die Kirche hinaus, selbst unter denen, die wir beargwöhnen oder verachten.713

Während die Bekenntnisse der Reformationszeit „die Welt“ als solche nicht zum Gegenstand ihres Bekennens nahmen, beziehen gegenwärtige Bekenntnistexte diese in ihr Bekennen von Gottes gnädigem und heiligem Handeln ausdrücklich ein.714 „Durch den Geist ist Gott gegenwärtig in der Welt“715, nicht nur in der Kirche; er ist „überall der Geber und Erneuerer des Lebens“716 und „sein Geist ist 708 709 710 711

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A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada. Ebd. So von Rad, Theologie des Alten Testaments 1, 219. Jensen, Reformed and Always Being Reformed, 14, urteilt: „The most comprehensive note amid Reformed articulations of the Spirit is its intimation of the Spirit present in all creation. […] Holy Spirit is Spirit let loose in the world, unbounded, untamed, animating all things with the gift of life.“ Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 189. Ebd. Das Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche beinhaltet gar ein ganzes Kapitel zu diesem Thema, RZH, 27–29; vgl. dazu auch den gesamten Anhang zum Heidelberger Katechismus „Die Lehre der GKJTU zu Fragen der Kultur, des religiösen Pluralismus und der Vielfalt der Kirchen, der Politik, der Wirtschaft, sowie der Wissenschaft und Technologie.“ Lebendiges Zeugnis (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 140. A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 152. Vgl. dazu auch Calvin, Inst. I.13.14.

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am Werk am Ende der Welt, bevor die Kirche dort auch nur ein Wort gesprochen hat“717. Diese gnädige Gegenwart des Heiligen Geistes ist auch nicht auf die Kirche beschränkt. Selbst da, wo seine Beziehung zu Christus nicht verstanden wird, wo seine Gegenwart nicht erkannt und seine Existenz gar geleugnet wird, ist Gott ständig im Heiligen Geist am Werk, um die Möglichkeiten menschlichen Lebens zu erweitern und Menschen aus ihrer egozentrischen Isolierung zu ihm, dem lebendigen Gott, zu bekehren.718 Gottes Geist spricht in der Welt gemäß Gottes letztgültigem Wort in Christus. Zu jeder Zeit und an jedem Ort, in alten Städten und fernen Ländern, in Technik und Wirtschaft, in Kunst und Erziehung hat Gott sich nicht ohne Zeugen gelassen. Sein Wort fand Eingang, wo wir nicht hingelangt sind.719

Die relationale Heiligkeit des Heiligen Geistes als „Quelle des Lebens“720 ist nicht mit der Erschaffung allen Lebens beendet,721 sondern setzt sich überall in Verbindung mit den Menschen besonders auch in seinem Zeugendienst, der der ganzen Welt gilt, denn „der ewige Gott Geist bezeugt der Welt die Erlösung“722. Wenn der Heilige Geist kein anderer als der Geist Christi sein kann, welcher die Welt mit Gott versöhnte, weil Gott die Welt so sehr liebte, dass er seinen eigenen Sohn gab [Joh 3:16], wenn „die Welt Gottes Arbeitsfeld“723 ist, dann kann dieser Geist in seinem Wirken nicht auf die Mauern der Kirche begrenzt und festgelegt werden, sondern muss und darf auch extra muros ecclesiae erwartet und erhofft werden.724 Selbst (oder gerade) in der Begegnung mit anderen Religionen, die zum Kontext und zur Herausforderung vieler reformierter Kirchen heute gehören, können Spuren des Wirkens des Heiligen Geistes erkannt werden –

717 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 175. 718 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 86. 719 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 172. 720 Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, Werkbuch,158. 721 Vgl. dazu das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 44: „Der Heilige Geist setzt nicht nur das Erlösungswerk Christi fort, sondern er bewahrt auch die Schöpfung durch den geschichtlichen Prozess, der zwischen Mensch und Natur stattfindet.“ 722 Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23. 723 Glaubensbekenntnis (2007) der GMIT, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 97. 724 Vgl. dazu Barth, KD IV/3, 593f: „Wir müssen – ohne darüber bestimmte Angaben verbindlicher Art machen zu können – damit rechnen, dass eben der lebendige, ganz äußerlich an den Menschen herantretende und mit ihm handelnde Herr Jesus Christus in dem den Menschen ganz innerlich ergreifenden und verändernden Werk seines Heiligen Geistes nicht an ‚Predigt und Sakrament‘ gebunden ist, sondern extra muros ecclesiae, unabhängig von dem Dienst seiner Gemeinde in der in ihm mit Gott versöhnten Welt und Menschheit auch noch ganz andere Wege ganz anderer Möglichkeiten wirksamster Berufung kennen und gehen möchte.“ Siehe dazu auch Siller, Kirche für die Welt, 112f.

336

Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

wenngleich alle Religionen, die christliche eingeschlossen, auch weiterhin unter dem Gericht Gottes stehen: Manche, denen wir begegnen, gehören anderen Religionen an und haben bereits einen Glauben. Sie beweisen durch ihre Lebensweise oft große Frömmigkeit und Ehrfurcht vor dem Leben. Wir anerkennen, dass die Wahrheit und Güte, die sie kennzeichnen, das Wirken des Heiligen Geistes Gottes sind, der der Ursprung aller Wahrheit ist.725 Der Christ findet Parallelen zwischen anderen Religionen und seiner eigenen und muss allen Religionen mit Offenheit und Achtung begegnen. Wiederholt hat sich Gott der Einsicht von Nichtchristen bedient, um die Kirche zur Erneuerung zu bringen. Aber das versöhnende Wort des Evangeliums ist Gottes Urteil über alle Formen der Religion, einschließlich der christlichen.726

Welche Auswirkungen dies auf das Selbstverständnis der Kirche und ihre Mission hat, wird unten noch weiter auszuführen sein. An dieser Stelle ist jedoch bereits festzuhalten, dass die Identität des geheiligten Volkes Gottes sich, dem Wirken des Heiligen Geistes entsprechend, nicht als eine Identität primär in Abgrenzung von und im Gegensatz zur Welt, zu anderen Religionen, Ideologie, Kulturen etc. verstehen kann und darf, da sie stets damit zu rechnen hat, dass der Heilige Geist in seiner Freiheit von und für die Welt bereits gewirkt hat, wo die Kirche (noch) nicht gesprochen hat. In diesem Sinne ist sie auch eine weltliche Identität, die offen für das gnädige Wirken des Heiligen Geistes auch außerhalb des Bekannten und Familiären bleibt, die ihre eigene Heiligkeit so versteht, dass sie in ihrer Absonderung und Erwählung zur Welt hin berufen ist: „The Spirit challenges us to celebrate the holy not only in what is familiar, but also in that which seems foreign.“727 Wer die Gemeinschaft der Heiligen Gottes ist, wie ihre Identität zu verstehen und zu beschreiben ist, wurde in den vorhergegangen Überlegungen zur Heiligkeit Gottes immer wieder thematisiert, denn die Heiligkeit Gottes ist eben nicht anders zu verstehen als die Heiligkeit des relationalen, erwählenden und versöhnenden Gottes in all ihren unterschiedlichen Aspekten. Wenn sich die interpretative Bekenntnisexegese nun explizit einigen weiteren Themen der Heiligkeit der Heiligen Gottes zuwendet, dann werden die bereits angesprochenen Linien nur weitergeführt werden – die Identität der Heiligen Gottes kann, wie oben bereits mehrfach diskutiert, nicht zusätzlich zu oder abseits von der Identität des Heiligen Gottes verstanden und bekannt werden. Im Folgenden wendet sich die vorliegende Untersuchung dabei vier zentralen Einzelaspekten dieses Identitätsverständnisses zu, die in den weltweiten Bekenntnistexten der 725 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 152 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 726 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den US, RZH, 165. 727 A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada.

Die Heiligen Gottes

337

reformierten Tradition der Gegenwart eine größere Rolle spielen. Dass dabei nicht alle in den Bekenntnistexten vorkommenden Aspekte abgehandelt werden können, ist offensichtlich. Wiederum wird es nicht darum gehen können, eine globale Ekklesiologie reformierter Bekenntnisschriften zu erarbeiten, sondern vielmehr darum, Schwerpunkte ihres Identitätsverständnisses nachzuzeichnen und für die vorliegende Untersuchung und Interpretation einer reformierten Identität weltweit nutzbar zu machen.

4.3

Die Heiligen Gottes

Wer sind die Heiligen Gottes, wie ist die communio sanctorum zu verstehen? Die reformierten Bekenntnistexte der Gegenwart geben ekklesiologischen Bekenntnissätzen einen großen Raum; auch hier gilt jedoch, dass sie das Bekennten der reformatorischen und reformierten Bekenntnisse der Vergangenheit in weiten Teilen voraussetzen und zusätzlich dazu neue Akzente setzen. In einem früheren Abschnitt der vorliegenden Untersuchung728 wurden Grundlinien reformierter Ekklesiologie bereits gezogen und in Bezug auf das Bekenntnisverständnis diskutiert; im Folgenden werden nun weitergehende ekklesiologische Identitätsaspekte untersucht und interpretiert werden. Gerade im Verständnis der Kirche, der Heiligkeit der Kirche, wirkt sich die Kontextualität reformierten Bekennens besonders deutlich aus: wie ist die Kirche vor Ort und zu dieser Zeit, also in tempore et in loco, zu verstehen, zu bekennen, zu glauben und zu leben? Reformierte Bekenntnisse der Gegenwart widmen dieser Frage viel Raum; offensichtlich ist gerade an dieser Stelle für viele Bekenntnisse der Schwerpunkt ihres Bekennens zu finden. Angesichts des eingangs beschriebenen Traditionsverlustes und der Identitätsverunsicherung weiter Teile reformierter, bzw. christlicher Kirchen nicht allein des Westens vermag dieser Befund jedoch nicht zu überraschen und stützt noch einmal seine Bedeutung für die Suche nach einer weltweiten reformierten Identität. Wenn auch an dieser Stelle dieser Frage nicht anhand einzelner Bekenntnistexte nachgegangen werden kann, so muss doch darauf verwiesen werden, dass die hier erarbeitete Bekenntnisexegese der vorliegenden Vielfalt ekklesiologischen Bekennens kaum gerecht werden kann – und es auch gar nicht anstrebt. Stattdessen sollen im Folgenden vier Einzelaspekte diskutiert werden, die – analog zu dem bereits oben diskutierten – Hinweise auf eine gemeinsame reformierte Identität geben können: die Erwählung der Heiligen Gottes (4.3.1); das Verständnis ihrer Heiligkeit (4.3.2); das Verhältnis der Gemeinschaft der Heiligen als „Mitbürger der Heiligen“, also das Thema Kirche und Israel (4.3.3); und schließlich, besonders zentral für die Bekenntnisse 728 Vgl. oben Abschnitt 3.2.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

der Gegenwart, wird der umfassende Aspekt der „Mission“ zu betrachten sein (4.3.4).

4.3.1 Die Erwählung der Gemeinschaft der Heiligen Dass die Gemeinschaft der Heiligen sich als Kirche Christi und damit als erwählt versteht und bekennt, ist ein Reflex des Verständnisses der Heiligkeit Gottes als erwählender Heiligkeit. Die Heiligkeit der heiligen Vielen ist damit keine ontologische Eigenschaft des Volkes Gottes, das darin am Anteil des Wesens Gottes hätte, sondern das Resultat des kontinuierlichen Wirkens des Heiligen Gottes an ihnen als den Erwählten, den Auserwählten Gottes, den Heiligen und Geliebten [Kol 3:12]. Sie sind heilig, weil und indem sie auserwählt sind und dieser Berufung in ihrem Leben zu entsprechen trachten. Damit gilt auch der Gegenschluss: reformierte Bekenntnisse verstehen ihre Erwählung nicht als Resultat ihrer Heiligkeit, sondern als deren Folge, als Werk des Heiligen und heiligenden Gottes: In spite of all this, we thankfully acknowledge God’s mercy in calling us, unworthy as we are, to be His people, chosen and redeemed in Christ.729 Gott erwählt uns durch seine Gnade, Er vergibt uns unsere Sünden und rechtfertigt uns durch Seine Gnade, und dies allein durch den Glauben an Christus. In dieser unwandelbaren Gnade tut der Heilige Geist sein Werk, indem er uns heiligt und uns Früchte der Gerechtigkeit bringen lässt.730

Erwählung kann nicht abgesehen von Christus verstanden und bekannt werden; Gottes Volk zu sein heißt, in Christus erwählt und erlöst zu sein durch die rechtfertigende und heiligende Gnade Gottes. In einigen der Bekenntnistexte, wenngleich längst nicht in allen,731 wird das für die reformierten Kirchen so 729 Coleraine Declaration (1988) der Presbyterianischen Kirche von Irland. 730 Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan), RZH, 31 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 731 In den folgenden Bekenntnissen wird der Bund Gottes, mehr oder weniger ausführlich und mit unterschiedlichen bundestheologischen Interpretationen, bekannt: Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England; Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada; Erklärung des Glaubens (1959) der Vereinigten Kirche Christi (USA); Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA; Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika; Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten; Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche; Kirchenverfassung (1965) der Vereinigten Kirche von Sambia; RZH, 26; 44; 67f; 132.136; 156; 162; 174, 182.192.194; 208f; 230; A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA) von 1991, Krieg, Werkbuch,151; Coleraine Declaration (1988)

Die Heiligen Gottes

339

bedeutende Interpretativ des Bundes732 an dieser Stelle wieder aufgenommen, in dem die Gemeinschaft der Heiligen das heilige Volk Gottes ist: Im Vollzug der Verwirklichung Seines Heilsplans in Jesus Christus hat Gott aufgrund Seiner Treue und Liebe einen Bund mit Seinem Volk geschlossen. Gott ruft Sein Volk durch die Vermittlung Seines Geistes und Wortes, aus der Dunkelheit herauszukommen und in Sein wunderbares Licht zu treten, aus dem Zustand des Nicht-Volk-Gottes-Seins herauszutreten und das heilige Volk Gottes zu werden.733 Wir glauben, dass Gott von Ewigkeit her einen Bund für sein auserwähltes Volk geschlossen hat, bei dem Jesus Christus das Haupt ist. […] Durch die Macht der Auferstehung Christi ruft und versammelt Gott ständig sein Volk von allen Zeiten und allen Nationen, damit es ein königliches Priestertum und heiliges Volk werde, um ihn zu verherrlichen.734

Dieses Zitat verdeutlicht zweierlei: (1) Der Heilige Gott ist und bleibt der Bundesgott in seiner gnädigen und unwandelbaren Treue in Christus,735 und diese relationale Bundesheiligkeit macht das Volk zum Eigentum des Heiligen, zu seinem Bundesvolk736 und Bundespartner737.738 (2) Die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen als Bundesvolk Gottes, nun existiert, und das ist wesentlich entscheidend für ihre Identität,739 nicht als Selbstzweck, „sondern zum Zweck von Gottes befreiender Absicht mit der ganzen Menschheit“740, sie ist „auf ein Ziel hin berufen“741. Die Erwählung der Gemeinschaft der Heiligen begegnet ihnen in

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der Presbyterianischen Kirche von Irland; Declaración de Fe (2003) der Iglesias Reformadas en Argentina; Glaubensbekenntnis (1986/89) der GRI, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 62. 88f; Für einen kurzen Überblick über die historischen Entwicklungen (und auch Fehlentwicklungen) der Bundestheologie in der reformierten Tradition und ihren Bekenntnissen vgl. u. a. Busch, Reformiert, 71–97; Heron, Gottesbund; Freudenberg, Reformierte Theologie, 162–172; und Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 102–106. Bekenntnis (1981) der Torajakirche, RZH, 26 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Glaubensbekenntnis (1986/89) der GRI, Hofheinz et al., a. a. O., 88f (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vg. dazu die WARC-Studie Confessions and Confessing, 15. Vgl. dazu RZH, 174 und 182. Vgl. dazu Our World Belongs to God (2008) der CRC: „We rejoice in the goodness of God, renounce the works of darkness, and dedicate ourselves to holy living. As covenant partners, set free for joyful obedience, we offer our hearts and lives to do God’s work in the world.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu 1 Petr 2:10: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst ‚nicht ein Volk‘ wart, nun aber ‚Gottes Volk‘ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.“ Und wird daher ausführlich im Abschnitt 4.3.3. behandelt werden. Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 90. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 139.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

einem Wort der Annahme wie der Forderung;742 ihre Erwählung ist zugleich Berufung: Obwohl wir unwürdig sind, hat Gott uns zu den Seinen gemacht durch Christus. Gott hat uns zu seinen Dienern erwählt der Welt zum Heil und uns bestimmt, seine Töchter und Söhne zu sein. Er gab uns Liebe und Leben und rief uns, ihn zu verehren und anzubeten.743 Gott hat ein Volk berufen und erwählt; Er hat Seine Kirche als eine Gemeinschaft der Gläubigen als Sein Eigentum auferbaut, zu einem Segen für alle Völker.744 Christus erwählt Seine Kirche, Sein Wort zu verkündigen und die Sakramente zu feiern, Seinen Namen anzurufen und als Seine Jünger zu leben.745

Die Erwählung zum Bundesvolk enthält eine zweifache Berufung: in der versöhnten Gemeinschaft in Ehre und Anbetung Gottes zu leben,746 und in der versöhnten Gemeinschaft der Welt zum Heil dienen, als Segen für alle Völker. Zusammenfassend und als Überleitung in die Überlegungen des folgenden Abschnittes lässt sich die Identität der Gemeinschaft der Heiligen als Identität der in Christus erwählten und zur Heiligkeit [Eph 1:4] Berufenen beschreiben; mit Calvin gar als Ziel der Erwählung „die Heiligkeit unseres Lebens“747 bezeichnen. Eberhard Busch fasst Calvins Erwählungslehre in dem folgenden Zitat zusammen und bietet in dieser Zusammenfassung hilfreiche Aspekte, die sich auch auf den vorliegenden Gedankengang zur Identität der Gemeinschaft der Heiligen übertragen lassen, und daher hier ausführlich wiedergegeben werden sollen: Erwählt- und Berufenwerden ist nicht das Ende der Wege Gottes, sondern ihr Anfang mit uns, und deren Ziel ist die Heiligkeit unseres Lebens. Gott wird nicht gehindert, ganz und gar Unwürdige, Unheilige gnädig zu erwählen und zu berufen. Aber sie sind von Gott erwählt und berufen, nicht Unheilige zu bleiben, sondern Heilige zu werden, solche, die Gottes Willen achten, den er in seinem Gesetz offenbart hat. Die Gewissheit, von Gott erwählt und berufen zu sein, stiftet kein Bewusstsein der Erwählten, mittels dessen sie sich gegen andere abgrenzen oder in dem sie sich stolz und bequem zur Ruhe

742 Vgl. Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 190. 743 A.a.O., 181 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 744 Bekenntnis der Torajakirche von 1981, RZH, 25f (Hervorhebungen: M. E.-H.). 745 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 174. 746 Vgl. dazu Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 153: „Das eigentliche Ziel des menschlichen Lebens besteht darin, Gott zu verherrlichen und sich seiner zu freuen.“ 747 Inst. III.23.12; wobei sich selbstredend Calvins Heiligkeitsverständnis anders nuanciert darstellt als in der vorliegenden Untersuchung, wenngleich gegenwärtige Heiligkeitsinterpretationen sich durchaus auf calvinische Interpretationslinien berufen können.

Die Heiligen Gottes

341

setzen können, während sie andere der ihnen gebührenden Verderbnis preisgegeben sein lassen. […] Worin aber besteht die bei uns erwartete Heiligkeit? 748

Diese letzte Frage nach der Heiligkeit der Heiligen wird das Thema des nun folgenden Abschnittes sein.

4.3.2 Die Heiligkeit der Gemeinschaft der Heiligen Schwerpunkt der Überlegungen wird hier die zentrale Bestimmung christlicher Identität sein, wie sie sich in der vorliegenden Interpretation reformierter Bekenntnistexte der Gegenwart darstellt: die Heiligkeit der Kirche, die in ihrer paradoxen749 und kontrafaktischen Identität geglaubt und bekannt wird. Die Gemeinschaft der Heiligen ist „die Gemeinschaft der sancti, d. h. der durch den Heiligen Geist geheiligten Menschen“750 und sie „darf, soll, muss“751 heilig sein und werden, weil „Gottes Heiligkeit die Heiligkeit seines Volkes fordert, erheischt und erzwingt“752. In gewisser Weise, und das macht den paradoxen und kontrafaktischen Charakter der Identität der Kirche aus, ist ihre Heiligkeit sowohl Indikativ als auch Imperativ, und verweist darin auf das Wirken des Heiligen Geistes als des Geistes Christi.753 Die Aussagen des vorangegangenen Abschnittes über das Wirken des Heiligen Geistes werden dementsprechend in den folgenden Überlegungen auf ihre Wirkung in und an der Gemeinschaft der Heiligen zu bedenken sein.

748 Busch, Gotteserkenntnis und Menschlichkeit, 84; dort auch die Belegstellen für Calvins Verständnis. 749 Manole, Ekklesiologische Perspektiven, 25. Vgl. dazu auch Williams, Open to Judgement, 136: „Humanly speaking, holiness is always like this: God’s endurance in the middle of our refusal of him, his capacity to meet every refusal with the gift of himself.“ 750 Barth, KD IV/2, 727. 751 A.a.O., 566. 752 Ebd. Barth fährt fort: „Dieses [sic!] Gottes Heiligkeit fordert, erheischt, erzwingt die Heiligkeit seines Volkes, d. h. sie erfordert, dass sein eigenes, das göttliche Gegenüber zur Welt und zu allen Menschen in der Existenzweise dieses Volkes eine menschliche, als solche gewiss inadäquate, aber in ihrer ganzen Inadäquatheit reale Entsprechung und Nachbildung finde. Sie erfordert das schon in und mit der Erwählung und Berufung dieses Volkes, schon in und mit der Tatsache, dass er sich zum Gott dieses Volkes und dieses zu seinem Volk gemacht hat. Es ist also der Imperativ: ‚Ihr sollt heilig sein!‘ nichts anderes als die imperativische Anzeige der unwiderstehlichen Dynamik des Indikativs: ‚Ich bin heilig!‘, will sagen: Ich bin und handle als der Heilige in eurer Mitte und eben damit mache ich euch heilig – worein ihr euch zu finden, wonach ihr euch zu richten habt.“ 753 Vgl. dazu Greggs, Barth, Origin, and Universal Salvation, 141: „ The holiness established in the church is a holiness from Christ as a work of the Holy Spirit, and the individual participates in this holiness as she participates in the community. […] The church requires the Holy Spirit to make it holy.“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Grundlegung der Heiligkeit der Vielen ist die geistgewirkte Heiligung durch den Heiligen Einen,754 durch ihre geistgewirkte Gemeinschaft mit dem Heiligen, nicht ein durch sie selbst erreichbarer Zustand oder Wesenszug. Die Kirche teilt nicht die Heiligkeit des Heiligen Einen; ihre Heiligkeit wird ihr mit-geteilt;755 sekundär – abgeleitet – kreatürlich, oder mit Barth gesagt, „abbildlich, limitiert, aber höchst real“756: Die eine Kirche des einen Gottes ist heilig, weil Er sie durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi erlöst und geheiligt hat und weil Christus dort bei Seinem Volke wohnt.757 Die Kirche ist heilig, weil der heilige Gott sie ins Leben gerufen hat, sie durch Christus sich selbst geheiligt hat und ihr Leben durch den Heiligen Geist erhält.758 Die Kirche ist heilig, da sie auf dem vollendeten und dem weitergehenden Werk Christi gründet und indem sie für Gottes Herrlichkeit und das Zeugnis in der Welt ausgesondert ist. Ihre Heiligkeit bleibt also darin begründet, dass Gott sie für ihre erlösende Mission heiligt, und nicht in irgendwelcher Heiligkeit ihrer Mitglieder.759 Gott fordert von der Kirche und befähigt sie, eins zu sein und heilig zu sein; das wissen wir durch den Glauben an Christus. Doch ist die Kirche, wie Christen sie kennen, in unterschiedlichem Maß uneins und unheilig. […] Die Heiligkeit der Kirche kommt aus ihrer Verbindung mit Gott. Sie ist seine Kirche, weil er sie ins Leben gerufen hat und weil sie ihm gehört und von ihm gebraucht wird.760

Die Gemeinschaft der Heiligen ist geheiligt und darum heilig – ihre Heiligkeit ist, um mit Barth zu sprechen, „ganz und gar der Reflex der Heiligkeit Jesu Christi und also nur als die Gabe seines Heiligen Geistes zu verstehen“761. Die Identität 754 Vgl. dazu Willis, Holiness, 86–110. 755 Vgl. a. a. O., 103: „Is this creaturely holiness just (!) a duplication of God’s holiness or an uninterrupted extension of God’s own holiness? Neither. Just as the creature is another than God, the creaturely holiness, communicated holiness, is another than the Holy One’s holiness – uncommunicated holiness.“ 756 Barth, KD IV/2, 567: „Diese [die Aussage des Alten Testaments] bezieht sich doch durchweg auf den Heiligen, der dem von ihm so verschiedenen Menschen als solcher, eben in jener unnahbaren Hoheit, begegnet u. zw. nicht unwirksam, sondern wirksam begegnet, der sich darin als der in sich Heilige darstellt und offenbart, dass er Unheilige durch sein Handeln mit und an ihnen heiligt, d. h. ihnen an seiner eigenen Heiligkeit abbildlichen, limitierten, aber höchst realen Anteil gibt.“ (Hervorhebungen im Original). 757 Unionsgrundlage (1981) der Vereinigten Reformierten Kirche im Vereinigten Königreich, RZH, 289. 758 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche von England, RZH, 63. 759 Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, RZH, 205 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 760 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 90f. 761 KD IV/1, 774 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl dazu auch a. a. O., 772: „Der Reflex dessen,

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343

der Kirche als die Gemeinschaft der Heiligen kann damit nur als Reflex der Identität Christi als dem Heiligen Gottes und als Gabe des Heiligen Geistes Gottes erkannt, verstanden und bezeugt werden. Der oben bereits ausführlich diskutierte intrinsische Zusammenhang der cognitio Dei et nostri762 wird an dieser Stelle wiederum offenkundig: welche passive Heiligkeit763 die Kirche besitzt, hat sie nur in und durch die Erwählung und Versöhnung in Christus erhalten,764 kann sie nur in und durch Christus erkennen, und kann sie nur in und durch Christus leben.765 Ihre Identität kann sie nur im Blick auf den Heiligen Gott bekennen und leben; die Heiligkeit der Kirche ist damit eine „conferred holiness“,766 die zugleich von dieser gelebt werden muss: Da auch wir des Herrn Bundesvolk sind, wissen wir, dass wir heilig sein sollen, wie Gott heilig ist.767

Christus ist das Haupt der Kirche, er wohnt dort bei seinem Volk und erhält es durch seinen Heiligen Geist;768 für jegliche christliche, kirchliche, reformierte Identitätsbestimmung ist dies der unaufgebbare Ansatz- und Endpunkt der Betrachtung und abgesehen von dieser reflexiven Heiligkeit der Gemeinschaft der Heiligen kann die Identität der Kirche nicht als die Identität der Kirche Christi bestimmt werden. Diese Kirche gehört Gott und sie gehört zu Gott, und ist genau darin heilig und darin Kirche:769

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der der Heilige Gottes war in Ewigkeit und sein wird in Ewigkeit, hört nicht auf, auf sie zu fallen.“ Diese Perspektive auf die Heiligkeit Christi erfordert nachdrücklich eine exegetische und theologische Beschäftigung mit dem Thema der Heiligkeit Christi, das bislang allerdings eher, wie bereits angemerkt, ein Schattendasein führt. Vgl. Abschnitt 4.1.2. Vgl. dazu Luthers bekannte Formel aus dem Galater-Kommentar von 1535: „Christiana sanctitas non est activa, sed passiva sanctitas.“ (WA 40II,103,28). Vgl. dazu Goroncy, Elusiveness, 206: „The church is holy not by its own choice but by the election of a holy God, and its redemption by a holy Christ. It is this calling that sanctifies the church and regulates it in its mission“. Vgl. Ackermann, Tamar’s Cry, 18. Vgl. Gunton, The Christian Faith, 148: „The holiness of the church is a conferred holiness, but it is also one which has to be lived out.“ Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 182. Zum „auch wir“ dieses Zitates vgl. den folgenden Abschnitt. Vgl. Goroncy, a. a. O., 205f: „The church is the communio sanctorum not because of its selfconfessed sanctity or fraternity but because it belongs to Christ, because it is creatura verbi divini and lives by that same Word, because its very existence bears witness to God’s saving and sanctifying purposes for all humanity, and because it participates in Jesus’ own hallowing mission to the world in the power of the Spirit to the glory of the Father. Thus the church is holy not by its own choice but by the election of a holy God, and its redemption by a holy Christ.“ Siehe auch Wells, God’s Holy People, 244f.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Die Kirche ist die heilige Gemeinschaft der Christen; sie ist berufen, das Eigentum Jesu Christi zu werden.770 Im Leben und Tod gehören wir Gott. Dank der Gnade unseres Herrn Jesus Christus, der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes vertrauen wir auf den einen dreieinigen Gott, den Heiligen Einen Israels, den allein wir anbeten und dem allein wir dienen.771

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, ist die Gemeinschaft der Heiligen erwählt, ausgesondert und geheiligt für ihre „Indienststellung“772 zu einem doppelten Zweck: zur Verherrlichung Gottes und für das Zeugnis in der Welt.773 Mit anderen Worten und das miteinbeziehend, was bereits oben zum reformierten Bekenntnisverständnis erarbeitet wurde: Heiligkeit ist die Gnadengabe Gottes (und nicht Besitz oder Leistung der Kirche), die im zentralen und primären Akt der Kirche, dem Bekenntnis, sichtbar wird.774 Diese bekennende Kirche ist die communio sanctorum, die in einer heiligen Gemeinschaft mit dem Heiligen lebt,775 für diese Gemeinschaft geschaffen und versöhnt.776 In diesem

770 Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, RZH, 19. 771 A Brief Statement of Faith (1971) der Presbyterianischen Kirche, Krieg, Werkbuch, 150. 772 Barth, KD IV/2, 567: Gott „heiligt sie; es bedeutet sein Heiligen eine Modifikation ihrer Situation und Verfassung; sie haben daraus die Konsequenzen zu ziehen. Es ist aber sein Heiligen, durch das er sie als sein Eigentum und ihr Tun für seinen Dienst in Anspruch nimmt und brauchbar macht, eine ‚Machtentfaltung Gottes‘ […] und als solche ganz und exklusiv seine und nicht ihre Tat. ‚Er selbst, der Gott des Friedens heilige euch!‘ ( 1. Thess. 5, 23). Er will und vollbringt wie seine eigene Zuwendung zum Menschen so auch des Menschen Umkehr zu ihm, seine Indienststellung.“ 773 Vgl. Sorge, Why the Church?, 159: „The catholic church is marked by holiness. It is set apart by God, for God’s glory, to be a powerful apostolic presence in the very world from which God sets it apart. The classic paradigm for holiness is the identity of Israel at the time of the exodus.“ 774 Webster, Holiness, 100: „Holiness is not self-achieved perfection but a pointing to the perfect reality of the holy God. […] The Church’s holiness is thus always an alien sanctity: gift, not possession; grace, not achievement. It is, moreover, visible in the primary act of the Church, which is confession – that is, acknowledgement or recognition of the sheer majesty, transcendent worth and goodness of God.“ Vgl. dazu auch Brunner, Dogmatik I, 170: „Heilig ist dann nicht mehr Gott allein, sondern heilig ist jetzt auch das von Gott in Anspruch genommene und für ihn Ausgesonderte. In diesem sekundären Sinne ist ‚heilig‘ alles, was Gott als sein Eigentum und zu seinem Dienst aussondert.“ 775 Diese heilige Gemeinschaft beruht und verweist auf Gottes Heiligkeit als „fellowship creating holiness […], a holiness which assembles and upholds a human community, set apart as the communion of saints to be the human answer to God’s holy love“; Webster, a. a. O., 25. 776 Goroncy, a. a. O., 201f: „We are saved into holiness – a holiness that is always, for humanity, ‚borrowed‘ holiness, and is sustained by God.“ Goroncy schreibt vorher: „To affirm the Christ-given and -shaped characterization of holiness is to affirm that God’s holiness is not the ‚object‘ of our curiosity so much as the ‚subject’ of our life and being. So to reflect on the self-revelation of holiness is to be ever orientated towards and engaged in holy communion – a willed relationship of the holy with the Holy – a communion which is initiated, established,

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Sinne dürfen auch Rechtfertigung und Heiligung in der einen Versöhnungstat Gottes nicht auseinandergerissen werden,777 sondern nur als zwei Aspekte des einen Handelns des Heiligen Gottes verstanden werden, die in seiner Heiligkeit zusammengehören und eins sind. Ein „Wachsen der Gnade“778, das „je länger, je mehr“ des Heidelberger Katechismus779, kann dann nur ein solches Wachstum in Heiligkeit bedeuten, welches mehr und mehr „God’s knowledge of us good creatures who are freely forgiven sinners“780 erkennt und lebt – und den versöhnenden Gott dafür preist und lobt. Zu diesem Lobpreis Gottes (und das gehört wiederum zu den auch für Außenstehende leicht erkennbaren Charakteristika reformierter Ekklesiologie) gehört unabdingbar, dass die Gemeinschaft der Heiligen ihre Heiligkeit lebt. Ihre „vocation to holiness“781 spiegelt sich in ihrem Kirche-Sein in der Welt und für die Welt wieder; sie reicht von ihrer Kirchenordnung als ordnendem Instrument ihrer Heiligkeit,782 über Gottesdienst, alle kirchlichen Aufgaben bis hin zu ihren missionarischen Diensten – in allem lebt sie als „Gemeinschaft der Versöhnung“783 und weist darin „auf die Gerechtigkeit und das Erbarmen ihres heiligen Gottes“784 hin. Dass die Gemeinschaft der Heiligen ein „königliches Priestertum

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maintained and perfected by the Holy Trinity and secured forever in Christ’s holy cross.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu besonders nachdrücklich Barth, KD IV/2, 567f: „Wir reden, indem wir […] des Menschen Heiligung für sich ins Auge fassen, nicht von einer zweiten, neben der Rechtfertigung herlaufenden oder ihr zeitlich vorangehenden oder nachfolgenden göttlichen Aktion. Das Handeln des die Welt in Jesus Christus mit sich selber versöhnenden Gottes ist ein einziges. Es verläuft in verschiedenen Momenten von verschiedener Tragweite: es vollstreckt des Menschen Rechtfertigung und seine Heiligung, indem es in Jesus Christus selbst Gottes Herablassung und des Menschen Erhöhung ist. Es vollstreckt aber beide zugleich: in und mit dem Einen sofort und gänzlich auch das Andere.“ Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland-Presbyterianischen Kirche, RZH, 211. Vgl. Frage 115. Willis, Holiness, 57. Hall, Confessing the Faith, 78. Vgl. dazu auch Artikel 25 der Confessio Gallicana von 1559, Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisse, 118. Kirchenordnungen, bzw. bestimmte Aspekt davon (wie etwa die Frauenordination), spielen weiterhin eine Rolle nicht nur in jenen reformierten Bekenntnistexten, die aufgrund von Kirchenunionen entstanden sind, auch wenn sich der Schwerpunkt im Vergleich mit den Bekenntnissen der Reformationszeit deutlich verlagert hat. Gegenwärtige reformierte Bekenntnisse führen in aller Regel keine neuen Kirchenordnungen aufgrund von neuen Entwicklungen ihres ekklesiologischen Verständnisses ein, sondern betonen oder konkretisieren bestimmte Aspekte des klassisch-reformierten Verständnisses im Blick auf ihre kontextuellen Herausforderungen. Unionsgrundlage (1971) der sich vereinigenden Kirche in Australien, RZH, 278: „Die Kirche ist zum Dienst auf dieses Ziel hin berufen: eine Gemeinschaft der Versöhnung zu sein, ein Leib, in dem die verschiedenen Gaben ihrer Glieder dazu benutzt werden, das Ganze aufzuerbauen, ein Werkzeug durch das Christus wirken und sich selbst bezeugen kann.“ Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 182.

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der Gläubigen“785 ist, beinhaltet für alle Gläubigen in ihrem ganzen Leben, dass sie „die Pflicht und das Recht [haben], die gute Nachricht vom Reich Gottes und die Botschaft von der Erlösung durch Jesus Christus verbreiten“786. Gott hat alle Gläubigen erlöst, damit sie Teil der ‚Priesterschaft‘ und des ‚Heiligen Volkes‘ Gottes werden (1. Petr. 2:9) und damit sie die Verantwortung für kirchliche Aufgaben und den Missionsauftrag der Kirche wahrnehmen, die treue Mitgliedschaft am Leibe Christi ausmacht. Die Gläubigen werden geheiligt und führen als Sünder, denen vergeben worden ist, in der Welt ein Leben im Glauben.787

In diesem Leben im Glauben in der und für die Welt erfüllt die Gemeinschaft der Heiligen, wofür sie erschaffen, versöhnt und erneuert wurde; sie spiegelt Gottes Heiligkeit der Welt gegenüber wider, ihre eigene Heiligkeit ist ihr gegeben, um andere in die heilige Gegenwart Gottes einzuladen,788 ist also im innersten eine missionarische Heiligkeit. Bevor jedoch diese missionarische Heiligkeit in einem letzten Abschnitt des vorliegenden Kapitels untersucht werden kann, muss ein bedeutender weiterer Aspekt der Heiligkeit der Kirche vorweggenommen werden: die Gemeinschaft der Heiligen ist heilig nur in dem Sinne, dass sie als Kirche Mitbürger der Heiligen, nämlich Israels, ist.

4.3.3 Die Gemeinschaft der Heiligen als Mitbürger der Heiligen: Israel und die Kirche Darum denkt daran, dass ihr, die ihr von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind, dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt. Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst ferne wart, nahe geworden durch das Blut Christi. Denn er ist unser Friede, der aus beiden ‚eines‘ gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft. […] Denn durch ihn haben wir alle beide in „einem“ Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. [Eph 2:11–19] Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist auch der ganze Teig heilig; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig. [Röm 11:16] 785 Kirchenverfassung (1965) der Kirche von Nordindien, RZH, 258. Vgl. dazu auch die Kirchenverfassung (1965) der Vereinigten Kirche von Sambia, a. a. O., 233. 786 Ebd. 787 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 46. 788 Vgl. dazu Wells, a. a. O., 243: „An outcome of the people’s new designation as holy is a missionary intention. […] God’s holy people are God’s chosen means of proclaiming the Gospel of Jesus Christ, and thus extending God’s holiness to all. […] Thus an outcome of their holiness will be the drawing in of others to God’s holy presence.“

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Nicht mehr Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung, sondern durch Christus zu Mitbürgern der Heiligen gemacht – aufgepfropfte Zweige, die wegen der Wurzel heilig werden, so beschreibt Paulus in diesen zwei Bibelstellen die Heiligkeit der hagioi, der Heiligen.789 Die Identität der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen kann daher nicht ohne Bezug auf ihre Wurzel schriftgemäß analysiert und bestimmt werden; ihre Heiligkeit kann nicht bestimmt werden, ohne dass gleichzeitig bekannt wird, dass sie Mit-Bürger der Heiligen sind, Gottes Hausgenossen als eingewanderte Fremde.790 Weiter: In dem Juden Jesus von Nazareth ist die Identität seiner Kirche nicht zu bestimmen ohne die Verheißungen des Bundesgottes, des Heiligen Israels,791 der „Bund und Treue hält ewiglich“. Wenn sich auch nicht alle reformierten Bekenntnisse der Gegenwart mit dieser Fragestellung beschäftigen (in der Hauptsache sind es Bekenntnisse aus westlichem Kontext), so gehört diese Fragestellung für die vorliegende Bekenntnisexegese doch zentral zur Bestimmung der Identität der Gemeinschaft der Heiligen hinzu, insbesondere aufgrund bisher erarbeiteten Verständnisses von Gottes Heiligkeit und, damit zusammenhängend, der Heiligkeit der Gläubigen. Zwei reformierte Bekenntnisdokumente des letzten Jahrhunderts, die französischen Thesen von Pomeyrol von 1941 und die niederländischen Grundlagen und Perspektiven des Bekennens von 1949 wenden sich dieser Frage explizit zu und bekennen, was in der Barmer Theologischen Erklärung (noch) nicht bekannt wurde,792 Gottes unerschütterliche Treue und die bleibende Erwählung Israels: Gestützt auf die Bibel, erkennt die Kirche in Israel das Volk, das Gott auserwählt hat, um der Welt einen Retter zu schenken und um mitten unter den Nationen ein dauerhafter Zeuge des Geheimnisses seiner Treue zu sein.793 Da Gottes Gnadengaben und Berufung ihn nicht gereuen können, so glauben wir, dass das Volk Israel, durch dessen Dienst Gott alle Geschlechter auf Erden hat segnen wollen, von ihm nicht verstoßen und verlassen ist. […] Gott hat für sein altes Volk noch eine Zukunft. Es bleibt das Volk der Verheißung und das Volk des Messias. Wer daran Anstoß nimmt, der nimmt Anstoß an Gottes souveränem Handeln, dem er selbst das Heil verdankt.794 789 Zum paulinischen Verständnis der Heiligen vgl. die detaillierte Studie von Bohlen, Sanctorum communio. Die Christen als „Heilige“ bei Paulus. 790 Vgl. Link, Die Bewegung der Einheit, 252. 791 Vgl. dazu oben Abschnitt 4.1.3.2. 792 Aus der inzwischen umfangreichen Literatur zum Thema vgl. z. B. Busch, Die Barmer Thesen, 24–37 (zu These 1: „Jesus Christus als das eine Wort Gottes und die Juden als das erwählte Volk Gottes“); und Bethge, Barmen und die Juden – Eine nicht geschriebene These. 793 Casalis, Die Wirkung von Barmen, 256. 794 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens (1949) der niederländischen Reformierten Kirche, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 65. Dieser Artikel 17 „Gegenwart und Zukunft

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Nicht die Heiligkeit des Volkes Israels, sondern die Heiligkeit Gottes macht es für die christliche Kirche zur schriftgemäßen Prämisse, diese bleibende Erwählung zu bekennen,795 denn der dreieinige Gott, auf den die christliche Kirche vertraut, ist der Heilige Eine Israels.796 Wenn auch das Verhältnis von Israel und Kirche in den einzelnen Bekenntnistexten, die diese Frage thematisieren, durchaus unterschiedlich bestimmt werden kann,797 so eint sie doch diese Voraussetzung des Verständnisses der Treue Gottes, auf die auch sie vertrauen. Welche Hinweise für eine reformierte Identität sich aus diesem Aspekt ergeben soll im Folgenden in vier Punkten skizziert werden: (1) Eine Identität der Gemeinschaft der Heiligen, auch und gerade als christozentrische Identität, kann nur mit Israel zusammen verstanden werden, nicht nach oder neben Israel, denn Gott kam zu den Heiligen Vielen durch das Volk Israel798, „aus Israel ging Jesus Christus, der Sohn Gottes, hervor“799. In diesem Christus erfüllt sich der Heilsplan Gottes, zu dem die Erwählung Israels gehört, und mit Christus werden die Heiden zu Miterben der Verheißung, in das Bundesvolk hineingenommen. Die Identität der Kirche als Bundesvolk ist in diesem Sinne komplementär zu verstehen, als die Identität der Hinzugekommenen und

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Israels“ spricht allerdings auch von einer zeitliche Verwerfung Israels, und dem Gericht über seinem Gesetzesbrauch zur Selbstrechtfertigung; beides kann jedoch seinem Verständnis nach die Erwählung Israels nicht auflösen. Vgl. dazu auch Calvin, Inst. II.10.9.: „Außerdem hat Gott den Vätern des Alten Bundes nicht nur verkündigen lassen, er sei ihr Gott, sondern er werde es immer bleiben!“ So A Brief Statement of Faith der Presbyterianischen Kirche (USA) von 1991, Krieg, Werkbuch, 150. Zu möglichen Missverständnissen dieses Bekenntnissatzes vgl. Placher/ Willis-Watkins, Belonging to God, 45f. Anders als die beiden bereits zitierten Bekenntnisse spricht etwa das Bekenntnis Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada von dem „neuen Bund“ in Christus und von diesem als dem „Führer der Kircher, des neuen Israel“; RZH, 133, und bekennt an späterer Stelle: „So wie Israel im Alten Testament, so wie die neue Menschheit im Neuen Testament wählte Gott auch uns“ (a. a. O., 139); benutzt also Formulierungen, die ein substitutionstheologisches Verständnis Israels wenigstens anzudeuten scheinen. Zu den Modellen des Verhältnisses von Kirche und Israel vgl. grundlegend Klappert, Israel und Kirche, 7f, der sieben Modelle auflistest, nämlich: das Substitutionsmodell, das Integrationsmodell, das Typologiemodell, das Illustrationsmodell, das Subsumtionsmodell, und schließlich die beiden letzten, eher positiv zu bewertenden Modelle: das Komplementärmodell und das biblisch begründete und für die vorliegende Interpretation maßgebliche Partizipationsmodell. Vgl. Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 171: Unser Herr „ist zu uns gekommen durch das alte Volk Israel“. Anzumerken ist hier, dass die Formulierung „altes Volk Israel“ mindestens missverständlich ist und als Substitution Israels durch die Kirche gelesen werden könnte, indem „altes Volk“ (Israel) und „neues Volk“ (Kirche) einander gegenübergestellt werden könnten, zumal an späterer Stelle im Bekenntnis von der Kirche als dem „Bundesvolk“ (a. a. O., 174) die Rede ist. So das Bekenntnis Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 132: „Gott ist zu uns gekommen. Der Herr redete zum Volk Israel und schloss mit ihm einen Bund. Aus Israel ging Jesus Christus, der Sohn Gottes hervor.“

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Aufgenommenen, als sekundäre Hinzu-Erwählung und nicht als Substitution Israels: In ewiger Liebe wählte Gott sich ein Bundesvolk, der Gott von Abraham und Sarah, um alle Familien der Erde zu segnen. Weil er ihr Schreien höre, entband Gott die Kinder Israels vom Haus der Knechtschaft. Weil er uns noch immer liebt, macht Gott uns mit Christus zu Erben des Bundes.800

Gottes ewige Liebe ist das bindende Band, Gottes ewige Liebe führt zur Erwählung des Bundesvolkes, Gottes ewige Liebe führt zur Einfügung der Kirche in das Volk, die sie zu Mit-Erben Christi des Bundes macht [vgl. Röm 8:17], zu Mit-Genossen der Verheißung [vgl. Eph 3:6] 801. (2) Gerade dann, wenn das Verhältnis von Israel und Kirche verstanden wird als das Verhältnis der Heiligen zu ihren hinzugekommenen Mitbürgern, wird deutlich, dass für viele Kirchen der reformierten Tradition auch das Schuldbekenntnis ein Teil aktuellen Bekennens sein kann – und muss. Wenn das Verständnis der Heiligkeit Gottes in seiner heiligen und treuen, in Christus wirksamen, bezeugten und offenbarten Liebe, wie sie bislang erarbeitet und beschrieben wurde, zum Ausgangs- und Endpunkt reformierter Identität gemacht wird, dann wird deutlich, wo und in welchem Maße die Gemeinschaft der Heiligen diese Heiligkeit Gottes vergessen oder verleugnet haben. Von allen vorliegenden reformierten Bekenntnissen der Gegenwart geht Eine Glaubenserklärung der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten von 1976 am detailliertesten auf diese Frage ein und bekennt in ihrem Abschnitt über „die christliche Kirche“:802 Die Nachfolger Jesu blieben zunächst innerhalb des Volkes Israel. Als sich aber Menschen aus allen Völkern ihnen anschlossen, wurden sie von der jüdischen Gemeinschaft

800 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 151. Die u. U. missverständliche Formulierung „Erben“ des Bundes bezieht sich auf Röm 8:17, und wird nicht in dem Sinne verstanden, als ob die Kirche das Volk Israel beerben und ersetzen würde. Placher/Willis-Watkins, Belonging to God, 131, schreiben in ihrem Kommentar zu dieser Stelle: „Jesus was a Jew who shared in the promises made to the descendants of Abraham. He fulfilled those promises, and he welcomes us as children of that covenant. […] The church has not ‚replaced‘ the Jewish people. Quite the contrary! The church, being made primarily of those who were once aliens and strangers to the covenants of promise, has been engrafted into the people of God.“ 801 In Eph 3,5–6 verwendet Paulus zur Beschreibung der Heidenchristen drei Komposita mit συν (Miterben, die am gleichen Leib Anteil haben und Mitteilhaber der Verheißung sind) und beschreibt so ihre Teilhabe am Gottesvolk der Verheißung; vgl. dazu Stettler, Heiligung bei Paulus, 593f. 802 Dieses Bekenntnis ist tatsächlich das Bekenntnis mit der ausführlichsten Israeltheologie mit einem ganzen Kapitel zum Thema „Gott und das Volk Israel“ mit den Unterthemen (1) Gott erwählte ein Volk zum Heil aller; (2) Gott erlöste sein Volk; (3) Gott band sein Volk an sich in seinem Bund; (4) Gott segnete und richtete sein Volk; (5) Gott hat sein Volk nicht verlassen.

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getrennt. Doch fuhren sie fort, Israels Geschichte als die ihre anzusehen und sich als Teil des Volkes Gottes zu betrachten. Wir können nie ausschließlich für uns beanspruchen, Gottes Volk zu sein, als ob wir jene ersetzt hätten, denen der Bund, das Gesetz und die Verheißungen gehören. Wir bezeugen, dass Gott sein Volk, die Juden nicht verworfen hat. Der Herr nimmt seine Verheißungen nicht zurück. Wir Christen haben oft in unserer Geschichte die Juden mit schändlichem Vorurteil und Grausamkeit abgelehnt. Gott ruft uns zu Dialog und Zusammenarbeit, die unsere wirklichen Meinungsverschiedenheiten nicht überspielen, aber in gegenseitiger Achtung und Liebe vorgehen. Wir gehören zusammen in der einen Geschichte derer, die auserwählt wurden, dem lebendigen Gott zu dienen und ihn zu verkündigen.803

Reformierte Identität kann in diesem Zusammensein mit Israel, auserwählt zum Dienst und zur Verkündigung Gottes, nur in Achtung und Liebe zum erwählten und erwählt bleibenden Volk Israel bestimmt und gelebt werden. (3) Neben der bleibenden Erwählung Israels aufgrund der Heiligkeit Gottes nehmen reformierte Bekenntnisse einen weiteren biblischen Aspekt auf, der für Bestimmung und Entwicklung einer reformierten Identität eine entscheidende Rolle spielt und bereits mehrmals thematisiert wurde: die aufgrund der heiligen Liebe Gottes geschehene Erwählung ist eine Erwählung mit universaler Bedeutung, in ihr sollen alle Völker gesegnet werden [Gen 26:4], sie ist ein Instrument der Liebe Gottes zur ganzen Menschheit: Gott drückt seine Liebe zur ganzen Menschheit durch Israel aus, das er zu seinem Bundesvolk erwählte, damit es ihm in Liebe und Treue diene. […] Aus Israel ließ Gott zur bestimmten Zeit Jesus hervorgehen. […] Er war die Erfüllung von Gottes Versprechen an Israel, der Anfang der neuen Schöpfung, der Bahnbrecher der neuen Menschheit.804 Der Welt in ihrer Auflehnung und Entfremdung verhieß Gott Segen und Wiederherstellung. Der Herr erwählte Abraham und seine Nachkommen und bestimmte sie, indem er einen Bund mit ihnen schloss, die Träger dieser Verheißung für alle Völker zu sein. […] Aus Israel kam der Messias; in Jesus von Nazareth macht Gott die Verheißung des Heils wahr. Wir verstehen sein Kommen im Licht des Alten Testaments. Geboren aus dem Stamm Davids, lebte er als Jude unter Juden. Kind einer israelitischen Frau, erfüllte er Gottes Verheißung, dass Israel ein Licht der Völker werden sollte.805

803 RZH, 194 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 804 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, RZH, 162 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 805 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 136f (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Christi Menschwerdung ist kein „vereinzeltes Ereignis, sondern der Gipfel einer langen Geschichte“806, in der Gott Israel in einem „Bund der Anbetung und des Gehorsams“807 an sich band; auch dies bereits Teil des Erlösungswerkes Gottes mit der und für die Menschheit. Versteht die Gemeinschaft der Heiligen sich als Mitbürger der Heiligen, dann versteht und bekennt sie die Heiligkeit ihrer Erwählung auch und gerade in ihrem Auftrag, Licht der Völker zu sein, Ausdruck von Gottes Liebe zur ganzen Welt – ein Aspekt reformierter Identität, der im folgenden Abschnitt ausführlich beleuchtet werden wird. Zunächst soll jedoch kurz noch auf einen weiteren Aspekt eingegangen werden, der für reformierte Identität seit der Reformation von großer Bedeutung war und in das Verständnis der Heiligkeit Gottes in seiner bleibenden Erwählung des Volkes Israel mit hineingehört: die Heiligkeit des Alten Testamentes. (4) Für reformierte Kirchen und ihre Bekenntnisse lässt sich durch die Jahrhunderte hindurch eine „hohe Wertschätzung der ganzen Bibel“808 ausmachen, keine Nachordnung oder gar Entgegensetzung der beiden Testamente etwa als „Gesetz“ und „Evangelium“809, und dieses Schriftverständnis wird in den neueren Bekenntnistexten weitergeführt und auf das Verständnis der Gemeinschaft der Heiligen als die Hinzugekommenen bezogen: das Alte Testament ist darum ebenso wie das Neue Testament heilig, weil es die Offenbarung des Heiligen Gottes bezeugt: Das Alte und das Neue Testament bezeugen Gottes mächtige Taten. Sie offenbaren des Schöpfers heilige Liebe und führen uns zu Jesus Christus.810 „The Bible tells the story of God’s mighty acts in the unfolding of covenant history. As one revelation in two testaments the Bible reveals God’s will and the sweep of God’s redeeming work.“811 Das Alte und das Neue Testament offenbaren unseren Gott. Das aus 39 Büchern bestehende Alte Testament, das unsere Kirche von den alttestamentlichen Gottesdienstgemeinschaften ererbt hat, zeugt von der Treue Gottes gegenüber Israel und von der Erfüllung Seiner Offenbarung durch den kommenden Messias. […] Das Alte und das Neue Testament sind gleicherweise das Wort Gottes. Beide bezeugen Jesus Christus auf je eigene Art und Weise und bilden zusammen eine organische Einheit, wobei das eine ohne das andere kaum verständlich ist. Beide sind auf dieselbe Weise miteinander

806 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterianischen Kirche in England, RZH, 67. 807 Ebd. 808 Freudenberg, Reformierte Theologie, 106 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 809 Vgl. zum Beispiel Busch, Reformiert, 100f. 810 Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 133. Vgl. auch a. a. O., 137. 811 Our World Belongs to God (1983/2003) der CRCNA, 11.

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verbunden, wie die christliche Kirche mit der Gemeinde und dem Glauben Israels verbunden ist.812 Die Bibel als die spezielle Offenbarung Gottes bezeugt, dass Gott nur in Jesus Christus als der rettende Vater erkannt werden kann. Die Bibel ist das Wort Gottes, das den Menschen durch Propheten und Apostel übermittelt wurde. […] Das Alte und das Neue Testament – als die Verheißungen der Erlösung und des neuen Lebens – bilden eine Einheit, die sich gegenseitig ergänzt und nicht voneinander getrennt werden kann.813

Wie die ehemaligen Fremdlinge zu Mitbürgern und Teilhabern an der Heiligkeit des Bundesvolkes werden, so werden sie auch zu Teilhabern an dem Zeugnis dieses Bundes im Alten Testament, wird ihnen dieses Zeugnis heilig. Die Bibel als „Bericht von Gottes Wort und Handeln in der Geschichte“ erzählt davon, „wie der Herr mit Israel und der Kirche auf das Reich Gottes zugegangen ist“, sie erzählt von der einen „gerechten und liebenden Herrschaft über alles“814. Pneumatologisch interpretiert: es ist der gleiche Heilige Geist Gottes, der durch die Schrift Alten und Neuen Testaments spricht815, der Propheten und Apostel be-geisterte,816 und auf dessen Wirken jedes Selbstverständnis der Kirche als der Gemeinschaft der Heiligen beruht. Anders als die Barmer Theologische Erklärung des gleichen Jahres, bekennt das Bekenntnis der Freien Reformierten Synode (1934) mit deutlichen Worten diesen typisch reformierten Akzent grundlegend und soll hier zum Abschluss des Abschnittes über Kirche und Israel zitiert werden: Die Kirche hört das ein für allemal gesprochene Wort Gottes durch die freie Gnade des Heiligen Geistes in dem doppelten, aber einheitlichen und in seinen beiden Bestandteilen sich gegenseitig bedingenden Zeugnis des Alten und des Neuen Testamentes […]. Damit ist abgelehnt die Ansicht: Die biblischen Schriften seien zu verstehen als Zeugnisse aus der Geschichte menschlicher Frömmigkeit; maßgebend für die christliche Frömmigkeit sei aber vorwiegend oder ausschließlich das Neue Testament; es könne oder müsse darum das Alte Testament zugunsten des Neuen abgewertet, zurückgedrängt oder gar ausgeschieden werden.817

812 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 38 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 813 Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche, RZH, 23 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu auch die folgenden Bekenntnisstellen, a. a. O., 15.31.34.37.64f.162f.172.191.206.225.229.239.254. 279.291. 814 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 177. 815 Vgl. Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 172. 816 Vgl. A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 152. 817 Plasger/Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften, 233f.

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4.3.4 Die Sendung der Gemeinschaft der Heiligen Mit dem folgenden Abschnitt wendet sich die Untersuchung einem der zentralsten Themen reformierter Bekenntnisse der Gegenwart zu,818 welches zudem gleichzeitig von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung einer reformierten Identität ist, nämlich der Mission der Kirche, der Frage danach, zu welchem Zweck Gott die Gemeinschaft der Heiligen heiligt, erwählt, beruft, versammelt und erhält. In diesem Abschnitt der vorliegenden interpretativen Bekenntnisexegese werden die bereits diskutierten thematischen Hauptlinien in ganz besonders sprechender Weise zusammengefügt auf das Thema der Identität der Gemeinschaft der Heiligen bezogen: (a) Die Grundsatzfrage nach der eigenen Identität kann primär dahingehend verstanden werden, dass sie nicht als Selbstzweck, sondern „for the sake of the mission of the Reformed church“819 gestellt wird. Die Gemeinschaft der Heiligen beschäftigt sich mit ihrer Identität um zu verstehen, welche Rolle sie in der missio Dei zu spielen beauftragt ist, und wie ihr Identitätsverständnis diese Berufung fördert oder hindert. (b) Das Bekenntnis an sich ist missional, es zeigt die Kirche „im Akte der Mission, in der Zuwendung zur Welt, die noch nicht zur Kirche versammelt ist“820. Mit Lukas Vischer gesagt: „Bekennende Kirchen sind immer auch missionarische Kirchen.“821 (c) Die Heiligkeit Gottes, offenbart, wirksam, erkannt und bekannt im Versöhnungswerk Christi, bezieht sich auf Gottes gesamte Schöpfung, nicht allein auf die Gemeinschaft der Heiligen. Mission wird darin vorranging nicht als Aktivität der Kirche verstanden, sondern als Attribut Gottes, denn der Heilige

818 Vgl. dazu die Beobachtung von Vischer, Neuere reformierte Glaubensbekenntnisse, 37: „Fast alle Bekenntnisse gehen verhältnismäßig ausführlich auf das Thema der Kirche ein. Die Betonung liegt dabei auf dem missionarischen Auftrag der Kirche.“ Für reformierte Bekenntnistexte der Reformationszeit stellt Vischer, Kirche, 302, lapidar fest, dass „für die Reformatoren die missionarische Sendung der Kirche kein Thema“ war. Vgl. dazu auch den Bericht der Presbyterian Church (USA) The Confessional Nature of the Church, 6: „The classical confessions show little interest in the mission of the church in the world, seeming to imply that the church’s task is exhausted in worship, preaching, and Sacraments. Barmen and the Confession of 1967 reflect the awareness of the church in our time that the church does not exist for itself but for the sake of mission.“ Vgl. dazu auch Busch, Reformed Identity, 218. 819 Fries, Confessing is Identity, 4. 820 Barth, Credo, 10. 821 Vischer, Gottes Bund, 72. Vischer fährt fort: „Sosehr das Bekenntnis zuerst der Klarheit über das Evangelium in den eigenen Reihen dient, zielt es doch immer zugleich auf die Kommunikation nach außen. ‚Ihr werde meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an die Enden der Erde.‘ Klarer als durch diese Verheißung an die Jünger am Anfang der Apostelgeschichte (1,8) könnte es nicht ausgesprochen werden, dass die Kirche den Auftrag erhalten hat, Gottes unverbrüchlichen Bund vor allen Menschen zu bezeugen.“ A. a. O., 72f (Hervorhebungen im Original).

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Gott ist ein missionarischer Gott,822 seine Mission ist Teil der heiligen und heiligenden Liebe Gottes. Das Bekenntnis und damit die Identität der Gemeinschaft der Heiligen kann daher immer nur auf diesen Bezugspunkt der Heiligkeit Gottes ausgerichtet sein, will es nicht an dem vorbei bekennen und handeln, den es anzubeten und zu dienen gerufen ist. (d) Wie kaum ein anderes theologisches Motiv hat die Missio Dei und die Mission der Kirche reformierte Theologien und Kirchen weltweit beschäftigt823 und sich in den Bekenntnistexten der unterschiedlichsten reformierten Kirchen niedergeschlagen. Bereits 1903 etwa fügte die Vereinigte Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten dem Westminster-Bekenntnis ein 35. Kapitel mit dem Titel „Of the Gospel of the Love of God and Missions” hinzu, welches Mission explizit zur Aufgabe jedes Christen und jeder Christin machte.824 Diese „grundlegend neue Perspektive“ im Verständnis der Kirche825 setzte sich, besonders auch im Anschluss an die Sechste These der Barmer Theologischen Erklärung, in weiteren Bekenntnistexten des 20. und 21. Jahrhunderts eindrücklich fort; viele der ausführlicheren Bekenntnistexte enthalten ganze Abschnitte oder gar Kapitel über die Mission der Kirche und auch die kürzeren Texte erwähnen in der Regel den sendenden Gott und die 822 So Bosch, Transforming Mission, 390: „Mission is not primarily an activity of the church, but an attribute of God. God is a missionary God.“ 823 An dieser Stelle können nur drei der einflussreichsten theologischen Strömungen der reformierten Theologie weltweit benannt werden; unzählige andere wären diesen beiden noch hinzuzufügen. Zum ersten wäre da der südafrikanische reformierte Theologe David Bosch zu nennen, der zwar den Begriff der Missio Dei nicht als erster benutzte, ihn jedoch konsequent trinitarisch füllte und damit weltweit großen Einfluss auf das missionarische Denken reformierter Theologen und Theologinnen ausübte. An zweiter Stelle sei hier die Bewegung der sog. „Missional Church“ genannt, die maßgeblich von dem nordamerikanischen reformierten Theologen Darrell Guder geprägt wurde, und die ebenfalls, nicht allein in den Vereinigten Staaten, sondern auch weit darüber hinaus, das Verständnis der Kirche als Resultat und Instrument von Gottes missionarischer Initiative prägt. Hilfreich zur aktuellen Diskussion des Begriffes Missio Dei ist die von John G. Flett vorgelegte Studie The Witness of God: The Trinity, Missio Dei, Karl Barth, and the Nature of Christian Community. Als drittes ist der häufig im Zusammenhang mit einem trinitarischen Verständnis der Missio Dei in Verbindung gebrachte deutsche reformierte Theologe Jürgen Moltmann zu nennen, der insbesondere in seinem Werk Kirche in der Kraft des Geistes die Gemeinschaft der Heiligen versteht als „aus der Bewegung Gottes kommend, die über die Kirche hinausgreift und in der Vollendung der Schöpfung in Gott zum Ziel kommt.“ (A. a. O., 24). Einen hilfreichen Überblick über das Verständnis von „Mission“ in der reformierten Tradition im Laufe der Jahrhunderte gibt Guder, Reformed theology, mission, and ecumenism. 824 Book of Confessions, 188: „Since there is no other way of salvation than that revealed in the gospel, and since in the divinely established and ordinary method of grace faith cometh by hearing the Word of God, Christ hath commissioned his Church to go into all the world and to make disciples of all nations. All believers are, therefore, under obligation to sustain the ordinance of the Christian religion where they are already established, and to contribute by their prayers, gifts, and personal efforts to the extension of the Kingdom of Christ throughout the whole earth.“ (Vgl. BSRK 943,11–18). 825 So Vischer, Kirche, 302.

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gesandte Kirche. Die aus einer evangelistischen Bewegung heraus entstandene Evangelisch-reformierte Kirche (GRII) in Indonesien, eine von zahlreichen reformierten Kirchen des Landes, verfasste im Jahr 1991 gar ein eigenes Evangelisationsbekenntnis.826 Wenn sich reformierte Kirchen also als „‚Licht der Welt‘ und ‚Salz der Erde‘“827 verstehen, dann bekennen sie, dass der Kirche mit diesem Worten Jesu „die Mission eingestiftet [wird]“828. Sie bekennen dies in dem Verständnis, dass „the risen and ascended Christ continues His ministry to the world in and through the Church“829 und dass die Gemeinschaft der Heiligen diesen Dienst Christi zusammen mit dem dreieinigen Gott weiterführt.830 Sie übernimmt nicht Gottes Mission von Gott und macht sie zu ihrer eigenen Aufgabe und ihrem eigenen Dienst, sondern sie wird von Gott in den Dienst der Mission mit erwählt, berufen und gesandt – „joining the mission of God“, wie die Christlich Reformierte Kirche von Nordamerika bekennt.831 Die Gemeinschaft der Heiligen wird darin zu einem „instrument of the loving Spirit of Christ“832, und die Heiligkeit der Gemeinschaft der Heiligen kann nicht abgesehen von ihrem Auftrag verstanden werden, für den sie erwählt und geheiligt wird: Die Kirche ist heilig, da sie auf dem vollendeten und dem weitergehenden Werk Christi gründet und indem sie für Gottes Herrlichkeit und das Zeugnis in der Welt ausgesondert ist. Ihre Heiligkeit bleibt also darin begründet, dass Gott sie für ihre erlösende Mission heiligt, und nicht in irgendwelcher Heiligkeit ihrer Mitglieder.833 Der Heilige Geist versammelt die Gläubigen und baut die Kirche, ruft missionarische Arbeit ins Leben, die Gottes Wohlwollen verkündet, und befreit Menschen.834

826 Vgl. dazu die Einleitung zum Bekenntnis von P. und C. Goßweiler in Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 85, und das Bekenntnis selbst, a. a. O., 90f. 827 Bekenntnis über die Verantwortung im Zweiten Weltkrieg (1967) der Vereinigten Kirche Christi in Japan, RZH, 32; vgl. dazu auch das Grundlegende Bekenntnis (1979) der KaroBatak-Kirche, a. a. O., 21: „Christen (die Kirche) sollen als Salz und Licht in der Gesellschaft wirken“, und das Belhar-Bekenntnis, a. a. O., 8: „Wir glauben, dass […] die Kirche dazu aufgerufen ist, das Salz der Erde und das Licht der Welt zu sein.“ 828 Sundermeier, Lutherische Identität, 57: „Der eigentliche Missionsbefehl steht nicht in Mt 28, sondern in Matthäus 5! Indem Jesus der Jüngerschar das Kirchesein zuspricht, spricht er ihr essentiell die missionarische Existenz zu. ‚Ihr seid das Salz der Erde‘, ‚Ihr seid das Licht der Welt.‘ Mit diesen Worten wird der Kirche die Mission eingestiftet.“ 829 Basis of Union (1965) des Ghana Church Union Committee, RWT, 276 (Hervorhebungen: M. E.-H.; nicht enthalten in RZH). 830 Vgl. ebd. und auch das Neue Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, RZH, 36: „so wird seine [Christi] Sendung und Seine Versöhnung fortgesetzt.“ 831 Our World Belongs to God (1983/2003) der CRCNA, 14. 832 A Song of Faith (2006) der Vereinigten Kirche von Kanada. 833 Glaubensbekenntnis (1984) der Cumberland Presbyterianischen Kirche, RZH, 213, unter der Kapitelüberschrift „Gott schafft die Kirche für die Mission“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 834 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in Korea, RZH, 44.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Wenn die Heiligkeit der Kirche daher über ihre Aussonderung für Gottes Herrlichkeit und für das Zeugnis in der Welt bestimmt wird, dann bestimmt dieses Verständnis grundlegend auch das Verhältnis von Kirche und Welt. Bei aller fundamentalen Unterschiedenheit zwischen Kirche und Welt, gerade auch in ihrer Heiligkeit, wird jedoch diese nicht bewahrt durch die Absonderung von der Welt, sondern in ihrer fundamentalen, christologisch begründeten Ausrichtung auf die Welt: Es gibt einen Unterschied zwischen der Kirche und der Welt, aber die Kirche ist nicht von der Welt getrennt (Joh. 17:11). So wie Christus in die Welt kam und sich hingab, um die Menschen zu erlösen, so sollte die Kirche mit Christus in der Welt wirken. Die Kirche bewahrt ihre Heiligkeit, indem sie für die Welt wirkt und diese verändert.835 Wir bezeugen, dass Gott sich der Welt bekannt machen will durch diese Gemeinschaft normaler Leute. […] Gott hat sein Volk nicht aus der Welt herausgenommen, sondern es in die Welt hineingesandt, um ihn dort zu verehren und allen Menschen zu dienen.836

Mit anderen Worten: die heilige Kirche ist als solche missionarische Kirche; der Heilige Geist Gottes, der in und durch diese Kirche wirkt, ist ein missionarischer Geist.837 Die eingangs zitierte, und in reformierten Bekenntnissen nicht nur der Gegenwart häufig zitierte Bibelstelle aus dem 1. Petrusbrief, die die Gemeinschaft der Heiligen als das auserwählte Geschlecht, königliche Priesterschaft und heiliges Volk versteht, kann damit – diesen Gedankengängen entsprechend – wie folgt interpretiert werden: Gott hat alle Gläubigen erlöst, damit sie Teil der ‚Priesterschaft‘ und des ‚Heiligen Volkes‘ Gottes werden (1. Petr. 2:9) und damit sie die Verantwortung für kirchliche Aufgaben und den Missionsauftrag der Kirche wahrnehmen, die treue Mitgliedschaft am Leibe Christi ausmacht. Die Gläubigen werden geheiligt und führen als Sünder, denen vergeben worden ist, in der Welt ein Leben im Glauben.838

Das Priestertum aller Gläubigen ist damit ebenfalls dezidiert missionarisch zu deuten: das ganze Leben aller Gläubigen, zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort, 835 A.a.O., 45 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 836 Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 193 (Übersetzung korrigiert nach RWT, 196). 837 „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ [Apg 1:8] Vgl. dazu auch Hendriks, Reformed Theology and Mission, 192: „Mission is not something to be linked either to ecclesiology or soteriology, but to the Trinity. As such, our identity as persons (imago Dei) and church (missio Dei) flows from the Trinity.“ 838 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche von Korea, RZH, 46. Vgl dazu auch das Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den USA, a. a. O., 164. „Mit Gott versöhnt zu sein heißt, als seine versöhnende Gemeinschaft in die Welt gesandt zu werden. […] Christus hat die Kirche zu dieser Mission berufen und ihr die Gabe des Heiligen Geistes gegeben.“

Die Heiligen Gottes

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wird von dem transformierenden Wirken des Heiligen Geistes in Anspruch genommen, um Gott in seiner heiligen Sendung an der und in der Welt zu dienen.839 Die Heiligkeit der Kirche hat also ein Ziel, sie ist nicht Selbstzweck,840 sondern wird der Anbetung Gottes und seiner Verkündigung untergeordnet; ihre Heiligkeit als Ergebnis der fortwährenden Heiligung durch Gott hat eine „missionary intention“841. Als herausgerufenes „Volk Gottes“ ist es „in die Welt gesandt für die Welt; es ist in der Welt, aber nicht von der Welt“842. Von dieser Sendung in die Welt, ihrer Pro-Existenz,843 ist ihre gesamte Gestalt und Ordnung, sind ihre Dienste und Aufgaben zu verstehen. So bekennen die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der niederländisch-reformierten Kirche von 1949 in Bezug auf das dreifache Amt Christi, das dadurch ebenfalls missionarisch gedeutet wird: Leben und Wirken der Kirche wird geordnet und geleitet durch den Dienst der Ämter, durch die Christus sein prophetisches, priesterliches und königliches Amt unter der Gemeinde ausübt. […] Mittels des Amtes will Christus dem prophetischen, priesterlichen und königlichen Dienst zurüsten, der allen ihren Gliedern aufgetragen ist. […] So sind die Gläubigen insbesondere berufen, als Missionsgemeinde den apostolischen Dienst an der Welt auszurichten, die noch nicht oder nicht mehr Gemeinde ist.844

Wenn damit, wie in den vorangegangen Zitaten deutlich, das Wesen der Kirche wie ihr Auftrag so eng mit der missio Dei verbunden sind,845 dann verwundert es 839 Vgl. dazu z. B. die Coleraine Declaration (1990) der Presbyterianischen Kirche in Irland: „It is our vision that through the power of the Holy Spirit, we will be transformed, so that we may […] be willing to adopt a simple lifestyle, no longer preoccupied with money and possessions; be glad to share our time, talents and money for the work of God; be committed to mission, not only in our own country, but in all the world; be responsive to the needs of the world Christ came to save; be present as Christ’s love, Christ’s justice, and Christ’s hope in the world’s darkness and decay; be concerned to proclaim with new confidence and joy the saving name of Jesus, both by word and action; be gifted to present Christ attractively and to apply the Word relevantly; be able to affirm our oneness with all who sincerely love the Lord Jesus.“ 840 Vgl. dazu Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 90: „Wir unterstreichen zu Beginn unserer Ausführungen [über die Kirche], dass die Kirche Gottes nicht als Selbstzweck existiert, sondern zum Zweck von Gottes befreiender Absicht mit der ganzen Menschheit.“ 841 Wells, a. a. O., 243. 842 Bekenntnis (1981) der Torajakirche, RZH, 26. Vgl. dazu auch die Grundlagen und Perspektiven des Bekennens (1949) der niederländischen Reformierten Kirche, Weber, Lebendiges Bekenntnis, 52f: „Die Gemeinde Christi ist von der Welt abgesondert und in Christus eingeleibt. Sie darf daher dieser Welt nicht gleichförmig werden. […] Zugleich aber ist die Gemeinde in die Welt ausgesandt worden. In Christus, der die Welt liebt, eingeleibt, hat sie um Christi willen die Welt lieb.“ 843 Zu diesem Ausdruck von Michael Weinrich vgl. oben Kap. 3.5.3. 844 Weber, Lebendiges Bekenntnis, 52. Vgl. dazu auch die Basis of Union (1965) des Ghana Church Union Committee, RWT, 276. 845 Vgl. dazu Stotts, Introduction, XXI: „The theological background is that the mission of the

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

nicht, dass Sendung der Kirche in ihrer Mission zum Dienst an der Welt in den reformierten Bekenntnissen der Gegenwart seit der Barmer Theologischen Erklärung846, wenigstens de facto,847 neben Verkündigung, Sakramentsverwaltung und „Kirchenzucht“848 zu einem vierten Kennzeichen der sichtbaren Kirche werden kann.849 Wir erkennen die wahre Kirche Jesu Christi, wo immer das Wirken des Geistes zu erkennen ist in Predigt und Sakramenten, im neuen Leben und ständigen Wachsen der Gläubigen, im Teilen geistlicher Gaben und materieller Güter[,] in Sendung und Dienst an der Welt.850

Ob nun als viertes Kennzeichen der wahren Kirche oder als missiologische Interpretation der ersten drei Kennzeichen851, die Sendung der Gemeinschaft der

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church is derivative from the mission of God, which is revealed in and through Jesus Christ and by the Holy Spirit. As the body of Christ the church by grace participates in that mission, proclaiming and enacting in the world the message of God’s love and justice. Mission is of the essence of the church.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu Rogers, New Introduction, X: „In the twentieth century, a new confessional mark of the church appears: to be in mission in and to the world. The Theological Declaration of Barmen evidences this shift in emphasis.“ Vgl. dazu die Beobachtung von Stotts, a. a. O., XX: „Now, without setting aside these essential characteristics, a fourth [mark] emerges – the mission of the church. A quick comparison of older and more recent confessions persuades one that mission has become ‚de facto‘ if not ‚de jure‘ one of the four marks of the faithful church.“ Vgl. dazu auch Kirkpatrick, A Mission in Progress, XXVI: „In the twentieth century there has been a fourth ‚mark of the church’ that most Reformed Christians have come to affirm, that the church is a missionary society. We have been called to faith and to life in the church not for ourselves, but to be a faithful expression of God’s mission in the world.“ Vgl. Freudenberg, Reformierte Theologie, 253–255, zum Anliegen der Kirchenzucht als geschwisterlicher Ermahnung in der Gemeinde so wie ihrem moralistischen Missbrauch in einigen Traditionen. Für viele Bekenntnisse der reformierten Tradition in Vergangenheit und Gegenwart sind die drei in Kapitel 29 der Confessio Belgica aufgeführten Kennzeichen (reine Verkündigung, rechte Sakramentsverwaltung und die sog. Kirchenzucht) maßgeblich: „Notae quibus vera Ecclesia cognoscitur, hae sunt: Si Ecclesia pura Evangelii praedicatione, si sincera Sacramentorum, ex Christi praescipto, administratione, utatur: si disciplina Ecclesiastica, ut vitia corrigantur, obtineat.“ (BSRK 244,20–23) Ein weiteres, weltweit einflussreiches Bekenntnis, das diese Dreizahl der Kennzeichen der sichtbaren Kirche aufführen, ist die Confessio Scotica in Artikel 18. Zu den notae ecclesiae in den klassischen reformierten Bekenntnisschriften, ihre Anzahl, Bedeutung und Entwicklung, vgl. insbesondere Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 207–210; und auch Freudenberg, Reformierte Theologie, 247–249. Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, RZH, 194; korrigiert nach RWT, 253 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu insbesondere den Bericht der Commission on Theology der Reformierten Kirche in Amerika von 2010 Exploring Mission as a Fourth Mark of the Church, der neben weiteren hilfreichen Überlegungen nachdrücklich darauf verweist, dass bereits die ersten drei Kennzeichen der Kirche insofern „fully and powerfully missional“ sind, da sie Gottes Mission identifizieren: „As a result of this exploration the commission has become con-

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Heiligen prägt und bestimmt ihre Identität in zentraler Weise; Identität und Aufgabe der Kirche sind intrinsisch miteinander verbunden.852 In Bezug auf die Tiefendimension der Heiligkeit Gottes und der sekundären, abgeleiteten Heiligkeit des Volkes Gottes ist an dieser Stelle besonders darauf hinzuweisen, dass auch als missionale Kirche die Gemeinschaft der Heiligen nicht zum eigentlichen Agenten der missio Dei wird, sondern von Heiligen Gott für die Teilnahme an dieser Aufgabe geheiligt wird;853 die Gläubigen sind in die Kirche gerufen, damit sie „seine [Gottes] Diener sind im Dienst an den Menschen“854; Mission ist damit zentral für ihre Identität.855 Wenigstens missverständlich ist in diesem Zusammenhang daher die Confession for the 21st Century der Presbyterian Church of Korea von 2001, wenn sie im Unterabschnitt „Our Missions“ formuliert und bekennt: We have a mission to set up the kingdom of God [on the earth] by overcoming with our apostolic faith the structural evils that exploit the nations and peoples whose national and cultural identities are threatened by the globalization of the market economy,

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vinced that the present marks of the church are already fully missional – they identify God’s mission. They define the means God uses to create, sustain, and empower the church as it receives and participates in God’s mission. The commission recognizes that identifying the three marks of the church as fully and powerfully missional invites us into new ways of understanding our historic creeds and confessions.“ Vgl. Kritzinger et al., Riding a new wave, 275: „Identity and mission are intrinsically related to each other. How a group views itself is always a view in relation to others and therefore the first step of its attitude and actions towards others.“ Vgl. dazu auch Welker, Elend und Auftrag, 189. Erklärung des Glaubens (1959) der Vereinigten Kirche Christi in den USA, RZH, 157. Vgl. dazu auch Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, a. a. O., 144: „Der Herr selbst setzt seinen Dienst in und durch die Kirche fort. Alle Christen sind berufen, am Dienste Christi teilzuhaben.“; und die Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien, a. a. O., 279: „Die sich vereinigende Kirche anerkennt, dass Christus Seiner Kirche geboten hat, das Evangelium sowohl durch das Wort als auch durch die beiden sichtbaren Handlungen der Taufe und des Abendmahls zu verkündigen. Er selbst handelt in allem und durch alles, was die Kirche im Gehorsam gegen Sein Gebot tut.“ Der Generalsekretär der Reformierten Kirche in Amerika fasst 2007 dieses Verständnis in seinen Überlegungen zur missionalen Kirche treffend und hilfreich zusammen, wenn er in seinem Bericht an die Synode schreibt: „A missional church places its commitment to participate in God’s mission in the world at the center of its life and identity. Mission places the focus on what God is doing in the world, recognizing that God’s mission is always ahead of us, already active through the Spirit in the world. It’s our task to join and, in the words of our 1997 Statement of Mission and Vision, to follow Christ in mission, in a lost and broken world so loved by God.‘ As Christ’s body, the church, we are called, gathered, formed, and sent – a cycle of growth that repeats itself continually through our lives and ministries. For the missional church, this is not an activity or a program. Rather, it’s central to the church’s identity. Moreover, this is linked to participating in the life of the Trinity. God sent Jesus. ‚For God so loved the world that he sent his only son […]‘ And Jesus sent the Spirit. […] This is what we mean by a missional church.“ Granberg-Michaelson, The Challenges to Becoming a Missional Church. Report of the General Secretary to the RCA General Synod 2007.

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science, and technology [in general] and the revolution of information technology in particular, and the numerous peoples who are being dehumanized, and the natural world and human beings that are being exploited and destroyed.856

Kennzeichnend für reformierte Bekenntnisse der Gegenwart ist nun nicht allein die Tatsache, dass Mission eine, wie gerade geschildert, zentrale Rolle im Identitätsverständnis der Kirche spielt, sondern ebenso auch das Verständnis dieser Mission. Der Begriff der Mission, der Sendung wird dabei anders gefüllt, als es die gerade im deutschsprachigen Raum immer noch herrschenden Vorurteile und Missverständnisse nahelegen. Wird hier Mission häufig eher als reine Evangelisation und Konvertierungsbestrebungen verstanden, und dadurch tatsächlich eher zu einem „Reizwort“857 denn zu einer positiv verstandenen ekklesiologischen Bestimmung ist, so betonen reformierte Bekenntnisse ein Verständnis, das Eberhard Busch im Blick auf die fünfte und sechste These der Barmer Theologischen Erklärung die „zweifache Gestalt der Sendung der Kirche in ihre Mitwelt und unter die Mitmenschen ihrer Zeit“858 nennt, nämlich der Evangeliumsverkündigung in „Wort und Tat“859, in Zeugnis, Dienst und Gemeinschaft.860 Die Mission der Kirche umschließt damit gleichermaßen Predigt, Unterweisung und

856 Hwang, New Confession, 133 (Hervorhebungen: M. E.-H.); ob es sich hierbei um ein Übersetzungsproblem handelt, konnte nicht eruiert werden. 857 So Wrogemann, Mission und Religion, 15: „Mission ist ein Reizwort, das bei den meisten Menschen unserer heutigen Gesellschaft keine positiven Assoziationen mehr hervorruft. Die Gründe dafür sind einsichtig. Neben den Erinnerungen an eine belastete geschichtliche Vergangenheit, man denke nur an die Kreuzzüge oder die spanischer Eroberung Südamerikas, ist es besonders der Kontext der modernen pluralistischen Gesellschaft, der unser Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsempfinden prägt. […] Gemeinhin steht dabei Mission unter dem Verdacht der Intoleranz, der Ignoranz und der Besserwisserei.“ 858 Busch, Die Barmer Thesen, 82. 859 Vgl. Lebendiger Glaube (1984) der Presbyterianischen Kirche von Kanada, RZH, 152: „Unsere Sendung: So wie Gott Christus zu uns sandte, sendet Christus uns in die Welt. Wir haben den Auftrag, Christus durch Wort und Tat zu verkündigen.“ (Hervorhebungen im Original). 860 Vgl. Grundlegendes Bekenntnis (1979) der Karo-Batak-Kirche, RZH, 20: „Es ist die Aufgabe der Kirche, Gott in Sonntags- und in anderen Gottesdiensten zu verehren, ebenso aber auch im Vollzug von Zeugnis (Martyria), Gemeinschaft (Koinonia) und Dienst (Diakonia).“ Vgl. dazu auch Frage 45 und Frage 54 des Anhanges zum Heidelberger Katechismus „Die Lehre der GKJTU“. Zur Trias von „Zeugnis, Dienst und Gemeinschaft“: „Seit der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 die Formel von der dreifachen Berufung der Kirche in koinonia – martyria – diakonia bzw. ‚Gemeinschaft – Zeugnis – Dienst‘ in dessen Grundordnung verankert und seitdem Gemeingut der Kirchen in aller Welt geworden (gelegentlich erweitert durch leiturgia –‚Gottesdienst‘, kerygma – ‚Verkündigung‘ u. a.). Vor allem in Indonesien wird diese Formel von Christen aller theologischen Richtungen verwandt.“ So die Anmerkung der Übersetzer zu Frage 45, a. a. O. 73. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade zwei indonesische Bekenntnistexte diese Trias aufnehmen.

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Gebet, wie den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, „um den Schalom Gottes in der Welt präsent werden zu lassen“861: GOD CALLS US TO MISSION as witnesses to Christ through both evangelism and social witness challenging the values of the world in which we live with the values of God’s kingdom and winning men and women to faith and discipleship. This mission is to be pursued amongst all the people of Ireland and the peoples of the European Community and the whole world: those with whom we feel comfortable, those from whom we feel alienated and those who are in any way distant from us in culture and faith.862 Wir sind gerufen, die Kirche zu sein: Gottes Gegenwart zu feiern, andere zu lieben und ihnen zu dienen, Gerechtigkeit zu suchen und dem Bösen zu widerstehen, Jesus zu verkündigen, den Gekreuzigten und Auferstandenen, unseren Richter und unsere Hoffnung.863 Joining the mission of God, the church is sent with the gospel of the kingdom to call everyone to know and follow Christ and to proclaim to all the assurance that in the name of Jesus there is forgiveness of sin and new life for all who repent and believe. The Spirit calls all members to embrace God’s mission in their neighborhoods and in the world: to feed the hungry, bring water to the thirsty, welcome the stranger, clothe the naked, care for the sick, and free the prisoner. We repent of leaving this work to a few, for this mission is central to our being.864

Diese zweifache Gestalt der Sendung der Kirche gehört zur „essence of the church“865, denn es ist der Heilige Geist, der Seine Kirche aussendet, um Sünder zur Buße zu rufen, die gute Nachricht zu verkündigen, dass Jesus persönlicher Heiland und Herr ist. Er sendet sie aus zum Dienst, den Armen die Gute Nachricht zu predigen, den Völkern Gerechtigkeit und Frieden den Menschen.866 Anointed and sent by the Spirit, the church is thrust into the world, ambassadors of God’s peace, announcing forgiveness and reconciliation, proclaiming the good news of grace. Going before them and with them, the Spirit convinces the world of sin and pleads the cause of Christ. Men and women, impelled by the Spirit, go next door and far away into science and art, media and marketplace – every area of life, pointing to the reign of God with what they do and say.”867

861 Glaubensbekenntnis (2007) der GMIT, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 97. 862 Mission Statement (1992) der Presbyterianischen Kirche von Irland (Hervorhebungen: M. E.-H.). 863 Ein Glaubensbekenntnis (1968/1980) der Vereinigten Kirche von Kanada, RZH, 131. 864 Our World Belongs to God: A Contemporary Testimony (2008) der CRCNA (Hervorhebungen: M. E.-H.). 865 Stotts, Introduction, XXI. 866 Unser Lied der Hoffnung (1974) der Reformierten Kirche in Amerika, RZH, 174. 867 Our World Belongs to God: A Contemporary Testimony (2008) der CRCNA, 10.

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Die Kirche ist erwählt, berufen und geheiligt, um „der ganzen Welt das Evangelium zu bringen“868, „Christus unter allen Völkern als Herrn und Retter zu bezeugen“869, ebenso wie sie berufen ist, „Dienerin der Gerechtigkeit und der Wahrheit“870 zu sein, um die Botschaft von Gottes Liebe in wahrer Liebe in Wort und Tat zu verkündigen. Die Amman Declaration etwa von 2006 kann dabei für ihren Kontext sehr genau und spezifisch auflisten, wozu sich die Kirchen berufen und verpflichtet wissen: To speak out together with a prophetic voice for social justice, and reconciliation among peoples, and to strive for the promotion of civil society, good governance and a democracy that guarantees human rights. We will network and advocate for the promulgation and preservation of the rights of minorities, women, children, the handicapped and the marginalized; and to address all other issues that threaten human life and dignity such as poverty, use of violence, militarization, environmental pollution, religious extremism, force emigration, and the like.871

Als „Gemeinschaft der Versöhnung“872 ist die Gemeinschaft der Heiligen dazu berufen, „das Heil zu verkünden, die Schranken der Ungerechtigkeit zu zerbrechen und ein Ort der Versöhnung zu sein“873 – sowohl für den Bereich der Kirche selber, als auch für die Welt, und sogar mit der Welt: In einer gebrochenen und verängstigten Welt gibt der Geist uns Mut, […] Götzendienst in Kirche und Kultur zu entlarven, die Stimme derer zu hören, die lange zum Schweigen gebracht wurden, und mit anderen für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden zu arbeiten.874 868 Kirchenverfassung (1965) der Vereinigten Kirche von Sambia, RZH, 229. 869 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch,152. 870 Unser Appell (1975) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan, RZH, 59f: „Die Kirche sollte zur Dienerin der Gerechtigkeit und der Wahrheit werden; das Ziel des Daseins der Kirche ist es, die Botschaft der Liebe Gottes zu verkündigen; deshalb muss sie sich im Geist wahrer Liebe mit den Gegebenheiten der modernen Gesellschaft befassen und durch ihren Dienst die Bedingungen der Gesellschaft zu ändern versuchen.“ 871 Amman Declaration, 207; deutsch: Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 43. Ein anderes kontextuelles Beispiel geben die Einleitungssätze der Peace Vocation der Presbyterianischen Kirche von Irland: „We, members of the Presbyterian Church in Ireland, called by God, in the grace of Jesus Christ, and the power of the Holy Spirit, to live in faith, hope and love, as children of our heavenly Father, and witnesses to God’s Kingdom, publicly acknowledge our vocation to peace, which is both the gift and mission placed on us by God.“ 872 Unionsgrundlage (1975) der sich vereinigenden Kirche Australiens, RZH, 278. 873 Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Matthias Krieg, Werkbuch,159. Vgl. dazu auch das Bekenntnis der IPCH (1983) aus Chile, Hofheinz et al., a. a. O., 49: „Unsere Mission als Kirche ist es, den Glauben unter die Menschen zu bringen, das trennende Böse zu verurteilen, die versöhnende Gnade anzukündigen.“ 874 A Brief Statement of Faith (1991) der Presbyterianischen Kirche (USA), Krieg, Werkbuch, 152 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu den Kommentar von Placher/Watkins, Belonging to God, 173f. Auch die Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, a. a. O.,

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Der für reformierte Theologie und Kirche so bedeutsame Aspekt der Bekämpfung jeglicher Form von Idolatrie875 – in Kirche und Kultur, Kirche und Welt – wird hier konkret auf die Sendung der Kirche bezogen: die rechte Gottesverehrung schließt die Entlarvung jeglichen Götzendienstes in all seinen Ausformungen mit ein.876 Der Gemeinschaft der Heiligen, als Volk des Heiligen Gottes, sucht ihre Heiligkeit also auch durch ihren politischen und gesellschaftlichen Gottesdienst auszudrücken und zu leben – weil der Heilige Gott Schöpfer, Erlöser und Bewahrer allen Lebens ist, ist die Kirche gerufen, ihre Heiligkeit als eine umfassende zu verstehen, die sich nicht auf bestimmte Aspekte menschlichen Lebens beschränkt. In ihrer advokatorisch-missionalen Identität als der Gemeinschaft der Heiligen Gottes spiegelt sie die Heiligkeit Gottes, der als liebender und gerechter Gott in seiner Heiligkeit auch und gerade Advokat derjenigen ist, die unter ungerechten Verhältnissen gleich welcher Art leiden.877 In dieser Reflexion der Heiligkeit Gottes wiederum ist die primäre Berufung des Volkes Gottes zu erkennen, in allem, was es tut, in dem Sinne „evangelikal“ zu sein, als das es die Gute Nachricht des gnädigen Gottes verkündigt,878 immer und zu allererst auf ihn, sein Reich und sein Handeln verweisend, nicht auf sich selbst.879 In diesem Sinne kann reformierte Identität mit den Bekenntnissen der

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159, benennt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit „anderen“ als Teil der Mission der Kirche: „Die Protestantinnen und Protestanten sind zusammen mit anderen der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet, dem Frieden und der Toleranz.“ Vgl. auch das Neue Bekenntnis (1972), RZH, 47: „In der Begegnung mit andern Religionen werden wir mit ihnen zusammen an der Lösung der Probleme der menschlichen Existenz arbeiten und das Wohlergehen der Menschheit fördern.“ Vgl. dazu z. B. Eire, Art. Idolatry, 190–192; Eire versteht den Kampf der reformierten Kirchen gegen Idolatrie gar als „the Reformed shibboleth in the sixteenth and seventeenth centuries, the password through which the Reformed could be identified.“ (a. a. O., 190f.). Vgl. dazu auch die Déclaration de Foi (1992) der Genfer Kirche, Krieg, Werkbuch, 159: „Wo immer dies nötig ist, brandmarken sie [die Protestantinnen und Protestanten] die Gefahren jeglichen Götzendienstes.“ Vgl. dazu Lochman, Glaubensbekenntnis, 175: „Die Gemeinschaft der Heiligen wird zur Frage nach einer solidarischen Gemeinschaft.“ Vgl Ottati, Theology, 17. Vgl. dazu Blaser, Resistenz und Konvergenz, 86: „Auf ihrem Marsch durch das Vorläufige lebt sie [die Kirche] dem Evangelium, indem sie missionarisch das Reich Gottes ankündigt, feiert und praktiziert. Menschen glauben nicht an die Kirche, sondern an das Reich Gottes. Dieses stellt keinesfalls eine gesteigerte Vision der Kirche oder einer Gesellschaft dar. Kirche ist daher immer Kirche des Reichs und deshalb dem Zeugendienst inmitten der Geschichte verpflichtet. […] Kirche wird wichtig, wenn sie in der Dynamik des Reiches Gottes lebt und sich so als missionarische Kirche erweist. In der Ausübung ihres Auftrags, in ihrer Mission, weist die Kirche zwar von sich weg auf das, was ihr Existenzrecht und Richtung verleiht, eben das Reich Gottes. Sie bindet sich aber andererseits in Freiheit an konkrete Situationen der Gesellschaft am Ort und der Weltgemeinschaft. In ihrer Mission begegnen sich die verheißene Zukunft der Geschichte und die Realgeschichte.“

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Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

Gegenwart nur dann als missionale Identität verstanden werden, wenn sie darin deiktische Identität880 ist: Der Auftrag der Kirche verlangt, dass sie in ihrem ganzen Leben und Denken über sich selbst hinausweist. Zunächst und vor allem ruft Gott die Kirche, über sich selbst hinauszuweisen auf Christus hin. […] Gott ruft die Kirche auf, von sich selbst wegzuweisen, nicht nur auf Christus, sondern auch auf Männer und Frauen hin. Für Männer und Frauen da zu sein und ihnen um Christi willen zu dienen, ist Aufgabe der Kirche. […] Gott ruft die Kirche auf, von sich selbst wegzuweisen, nicht nur auf Christus und nicht nur auf die Welt, sondern auch auf das endgültige Reich Gottes hin.881

Der Modus der Kirche ist in all ihren Lebensäußerungen ein Verweismodus, ein „pointing to the reign of God“882; die Welt und sich selber immer wieder daran erinnernd, dass ihre Heiligkeit nur der Reflex des Heiligen Gottes ist, dass nur einer wahrlich heilig ist. Damit aber hat Mission und missionarische Identität gleichzeitig einen selbstkritischen Charakter, in dem Verständnis, dass die Kirche der gerechtfertigten und geheiligten Sünder als solche auch immer wieder selbst der Mission und Evangelisation bedarf, dass sie selbst durch ihre Mission erneuert wird883 und dabei gleichzeitig auf die Gnade Gottes vertrauen kann. Douglas Ottati fasst viele der vorhergegangenen Überlegungen hilfreich zusammen, wenn er schreibt: A church that acknowledges a gracious God […] will understand itself to be on a mission and to be forthrightly evangelical, so long as it takes care to define what it means to be evangelical. Having discovered that we rely on the God of grace, it will refuse to build missions on the assumption that Christianity is superior and that all other religions must therefore be inferior and/or false. […] Instead, in response to the knowledge in Jesus Christ that God is gracious, it will witness to the God of grace, who always already stands in relation to all. It will envision all as God’s children. With gratitude to God and respect for the many persons and creatures that God creates, it will go to all nations with a ministry of care, reconciliation, and peace. It will enter into dialogues and conversations with adherents of other faiths. It will preach the gospel, and so suggest to sisters and brothers that they, too, lay hold of confidence and assurance that become available in the knowledge of a gracious God.884

In dem hier von Ottati beschriebenen Verständnis der Mission als Begegnung von Schwestern und Brüdern, und dem oben dargelegten Verständnis der Trias von 880 Zur deiktischen Identität vgl. unten Abschnitt 5.2.2. 881 Eine Glaubenserklärung (1967) der Kongregationalistischen Kirche in England und Wales, RZH, 92f. 882 Our World Belongs to God: A Contemporary Testimony (2008) der CRCNA, 10. 883 Vgl. Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea, RZH, 47: „Mission erneuert immer die ganze Kirche, die Kultur und das christliche Leben des einzelnen.“ 884 Theology for Liberal Presbyterians and Other Endangered Species, 16f,

Die Heiligen Gottes

365

Gott – Kirche – Welt entsprechend, verstehen reformierte Bekenntnisse der Gegenwart Mission in der Begegnung mit anderen Religionen, Weltvorstellungen und mit dem „Unglauben“, wie Lebendiger Glaube beispielhaft bekennt: Unsere Mission und andere Religionen. Manche, denen wir begegnen, gehören anderen Religionen an und haben bereits einen Glauben. […] Wir anerkennen, dass die Wahrheit und Güte, die sie kennzeichnen, das Wirken des Heiligen Geistes Gottes sind, der der Ursprung aller Wahrheit ist. Wir dürfen anderen nie im Geist der Anmaßung gegenüber treten und den Eindruck geben, dass wir besser seien als sie. Wir sollen, im Gegenteil, im Geist der Demut auf das Leben in Christus hinweisen – wie Bettler, die anderen Bettlern sagen, wo Nahrung zu finden ist.885

Ähnlich wie bei Karl Barth in seiner „Lichterlehre“886 ist Grundlage dieses Missionsverständnisses, das mit dem Wirken Gottes auch außerhalb der Kirche, nicht aber außerhalb von Christus, ernsthaft rechnet, Gottes relationale Heiligkeit in seiner Herrschaft über alles in Christus anerkennend. Versteht zudem die Gemeinschaft der Heiligen ihre eigene Heiligkeit nur als sekundäre, abgeleitete, 885 RZH, 152f. Vgl. dazu auch Eine Glaubenserklärung (1976) der Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, a. a. O., 194, unter der Überschrift „Die Kirche begegnet anderen Glaubensweisen“. Die konkreten Fragen und Probleme, die sich aus der Begegnung mit anderen Religionen in einem pluralistischen Kontext für die Kirche stellen können, werden ganz besonders ersichtlich im Anhang zum Heidelberger Katechismus der GKJTU, Die Lehre der GKJTU, welcher ja eine christliche Beschäftigung mit und eine Interpretation von Pluralität zentral zum Thema hat; vgl. dazu insbesondere die Fragen 18–29. 886 Vgl. dazu KD IV/3, 107f: „Dass Jesus Christus das eine Wort Gottes ist, heißt nicht, dass es nicht – in der Bibel, in der Kirche und in der Welt – auch andere, in ihrer Weise auch bemerkenswerte Worte – andere, in ihrer Weise auch helle Lichter – andere, in ihrer Weise auch reale Offenbarungen gebe. […] Und auch das folgt nicht aus unserem Satz, dass alle außerhalb des biblisch-kirchlichen Kreises gesprochenen Worte als solche wertlos oder gar als Worte unechter Prophetie nichtig und verkehrt, alle dort aufgehenden und scheinenden Lichter als solche Irrlichter, alle dort sich vollziehenden Offenbarungen als solche falsch sein müssten. Nur dass Jesus Christus das eine, einzige Wort Gottes, dass er allein Gottes Licht, Gottes Offenbarung ist, meint unser Satz. Nur in diesem Sinn grenzt er alle anderen Worte, Lichter, Offenbarungen, Prophetien und Apostolate – die der Bibel und der Kirche und die der Welt – ab gegenüber dem, was in und mit der Existenz Jesu Christi gesagt ist. […] Und wie sollte das Lautwerden solcher Worte auch außerhalb dieses Kreises ausgeschlossen sein, da doch die ganze Welt der Schöpfung und der Geschichte der Herrschaftsbereich des Gottes ist, zu dessen Rechten eben Jesus Christus sitzt: mächtig nicht nur in jenem inneren, sondern auch über diesem äußeren Bereich, frei, sich auch dort zu bezeugen und bezeugen zu lassen? Dass es in jenem inneren Bereich solche Worte gibt, das wäre ja nur zu bestreiten, wenn man die Gegenwart und Aktion Jesu Christi im Werk seiner Zeugen und im Werk der diesen Zeugen nachfolgenden Kirche bestreiten wollte. Und dass es solche Worte auch in jenem äußeren Bereich geben kann, das könnte doch nur zusammen mit der Welterhaltung und Weltregierung des Gottes, der dem Sohn Alles übergeben hat, in Abrede gestellt werden. Es gibt dort und hier solche guten, weil in Gottes Auftrag und Dienst gesprochenen menschlichen Worte: erhellend und hilfreich in dem Maß, als es ihnen als menschlichen Worten von Gott gegeben ist, erhellend und hilfreich zu sein. Wir leben davon, dass wir in der Bibel, in der Kirche und in der Welt solche guten menschlichen Worte immer wieder hören dürfen.“

366

Der Heilige Gott und die Heiligen Gottes – Heiligkeit als Tiefendimension

reflexive Heiligkeit der gerechtfertigten Sündern, dann wird auch deutlich, dass in der Begegnung der Kirche mit anderen Religionen ihr selbst der menschliche und darum fehlbare Charakter der eigenen, christlichen Religion deutlich wird:887 Die Kirche trifft bei ihrer Sendung auf die Religionen der Menschen und wird sich hierbei ihres eigenen menschlichen Charakters als Religion bewusst. […] Der Christ findet Parallelen zwischen anderen Religionen und seiner eigenen und muss allen Religionen mit Offenheit und Achtung begegnen. Wiederholt hat sich Gott der Einsicht von Nichtchristen bedient, um die Kirche zur Erneuerung zu bringen. Aber das versöhnende Wort des Evangeliums ist Gottes Urteil über alle Formen der Religion, einschließlich der christlichen.888

In gewisser Weise könnte man also davon sprechen, dass Religionskritik, im Sinne einer theologischen Kritik an der christlichen Religion, auch aus der Mission der Kirche erwächst, bzw. zu erwachsen hat, soll Gott allein die Ehre gegeben werden. Das Bekenntnis Lebendiger Glaube der Presbyterianischen Kirche von Kanada schließt sein Kapitel „Die Kirche geht aus in die Welt“ mit dem Bekenntnis ab, dass „das eigentliche Ziel des menschlichen Lebens darin besteht, Gott zu verherrlichen und sich seiner zu freuen“889, und beschreibt damit auch das eigentliche Ziel der Berufung und Sendung der Gemeinschaft der Heiligen. Die umfassende Sendung und Mission der Kirche, ihr Auftrag und ihre Berufung sind daher Teil des Lobpreises des Heiligen Gottes, sie sind wie das Bekenntnis der Kirche Teil des Lebens coram Deo, und Teil der gelebten Doxologie der Heiligen Gottes.890

887 Vgl. dazu Ernst-Habib, The Holiness of God as Reason for and Promise of a Theological Critique of Religion. 888 Bekenntnis von 1967 der Vereinigten Presbyterianischen Kirche (USA), RZH, 165. 889 RZH, 153. 890 Newbigin, The Gospel in a Pluralist Society, 127, schließt seine Überlegungen zur Logik der Mission mit einem Gedanken ab, der die Verherrlichung Gottes und die Freude in Gott miteinander in Zusammenhang bringt: „The Church’s mission began as the radioactive fallout from an explosion of joy. When it is true to its nature, it is so to the end. Mission is an acted out doxology. That is its deepest secret. Its purpose is that God may be glorified.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

5.

Reformierte Identität

Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln zum einen reformiertes Bekenntnisverständnis und zum anderen der materiale Inhalt reformierter Bekenntnisse auf ihren Beitrag zum Verständnis einer reformierten Identität der Gemeinschaft der Heiligen mithilfe der Tiefendimension der Heiligkeit hin untersucht wurden, sollen im folgenden Abschnitt in einer Art Querschnitt essentielle Determinanten einer reformierten Identität weltweit aufgezeigt werden. Es handelt sich dabei nicht, wie aus den vorangegangen Überlegungen bereits ersichtlich, um eine Aufzählung reformierter Lehren, anhand derer die eine reformierte Identität weltweit zu entwickeln wäre, als vielmehr um Determinanten, die die Identität der Gemeinschaft der Heiligen bestimmen. Zu diesem Zweck werden zwei Aspekte zu betrachten sein: (1) vor allem das in Kapitel 3 entwickelte Bekenntnisverständnis wird auf eine reformierte Hermeneutik hin zu befragen sein, welche in sich selbst das Resultat des Verständnisses von Gottes Heiligkeit und der Heiligkeit seines Volkes ist, und gleichzeitig die Identität der Gemeinschaft der Heiligen bestimmt. (2) In einem zweiten Schritt sollen fünf Charakteristika reformierter Identität dargelegt werden, welche die Matrix reformierten Selbstverständnisses aufzeigen, in gewisser Weise die Bewegung nachzeichnen, in der reformiertes Bekennen stattfindet und sich reformierte Identität(en) aktualisieren.

5.1

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik1

Bekenntnistexte sind in der reformierten Tradition, wie in jeder anderen christlichen Tradition auch, die Endprodukte kirchlicher Hermeneutik:2 sie sind aufgrund der kirchlichen Schriftauslegung formuliert und im theologischen 1 Angelehnt an den Titel eines Aufsatzes von Dowey, Confessional Documents as Reformed Hermeneutic. 2 Vgl. auch zum Folgenden a. a. O., 29.

368

Reformierte Identität

Gespräch mit der Tradition entstanden.3 Jedes Bekenntnis an sich ist daher „immer schon ein Auslegen, ein Interpretieren […] und deshalb hat die Aktivität des Bekennens mit hermeneuein zu tun“4. Gleichzeitig sind die kirchlichen Bekenntnisse jedoch nicht allein Endprodukt, sondern – recht verstanden – auch der Ausgangspunkt für zukünftige hermeneutische Arbeit der Kirche, indem sie vorgeben, wie nicht allein sie selbst als offizielle Dokumente der Kirche verstanden, bekannt und gelebt werden wollen, sondern indem sie als erster Kommentar zur Schrift auch festlegen, in welchem Rahmen und welcher Perspektive, mit welcher hermeneutischen Brille also, die Schrift in dieser Kirche als Quelle für Lehre und Leben der Kirche gelesen und ausgelegt werden soll. Bekenntnistexte stellen also nicht allein theologische Lehrsätze zur Verfügung, sondern vielmehr auch eine gemeinsame Sprache und Grammatik – „a way of speaking, feeling, and living“5 der Gemeinschaft der Heiligen. Wenn das Bekennen an sich – als Auslegung des aus der Schrift gewonnenen Glaubens der Kirche – grundsätzlich hermeneutischer Natur ist und gleichzeitig die weitere theologische Arbeit beeinflusst, dann ist offensichtlich, warum auch und gerade das Verständnis von Bekenntnistexten in der reformierten Tradition in ganz besonderem Maße eine charakteristische reformierte Hermeneutik widerspiegelt und prägt.6 Im Folgenden wird daher anhand von drei Aspekten reformierter Hermeneutik, nämlich ihrer Dialektik, Kontinuierlichkeit und ihres Gehorsamkeitscharakters, verdeutlicht, welche Bedeutung das in den vorausgegangenen Kapiteln untersuchte Bekenntnisverständnis für die besondere Ausprägung der reformierten Tradition und damit auch für die zu untersuchende reformierte Identität weltweit hat.7 Grundlegend ist dabei das Verständnis, dass diese zu entwickelnde reformierte Hermeneutik (ebenso wie die Theologie) „holy re3 „Die Bekenntnisschriften sind Produkte theologischen Denkens, das in den Dienst der Gemeinde gerufen ist und in seinen Aussagen von der Gemeinde anerkannt und zu Bekenntnisaussagen erhoben wurde.“ Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 15. 4 Bühler, Bekennen, 19 (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu auch Schellong, Bedeutung von Bekenntnissen, 64: „Die Sprachgestalt des Bekenntnisses [schließt] immer Interpretation ein […] Die im Bekenntnis implizierte Absage muss […] jeweils konkrete Gestalt haben, wenn sie nicht leere Rhetorik sein soll.“ 5 Stroup, Reformed Identity, 267: „Although the Reformed confessions use different languages […], they share a common grammar by which one learns to speak, feel, and understand the Reformed faith. In this sense the Reformed confessions are not so much a series of tenets one must believe as they are a language, a grammar, and a way of speaking, feeling, and living.“ 6 Für den Heidelberger Katechismus hat Thorsten Latzel in seiner detaillierten Untersuchung z. B. die bekenntnishermeneutische, die ökumenische, die praktisch-theologische und die kirchenordnende Relevanz des Heidelbergers herausgearbeitet; Theologische Grundzüge des Heidelberger Katechismus, 183–217. 7 So hält etwa Fuhrmann in seiner 1942 erschienenen Untersuchung „God-centered Religion”, 23, fest, dass das die reformierten Kirchen prägende wahre Erbe Calvins „not a system but a method“ sei: „the method of striving to see everything – man, Christ, faith, the world, the Bible, religion, life […] – not from a man’s point of view but from the viewpoint of God.“

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik

369

asoning“8 ist, dass sie insbesondere der Heiligung des Denkens, Redens und Bekennens dienen will. Für sie gilt (ebenso wie für die Theologie), dass in ihr und durch sie „reason is put to death and made alive by the terrifying and merciful presence of the holy God.“9; auch eine reformierte Bekenntnishermeutik ist ohne die Tiefendimension der Heiligkeit nicht voll verständlich. Im Folgenden werden nun drei Einzelaspekte dieser reformierten Hermeneutik zu diskutieren sein, die wiederum für eine reformierte Identität von entscheidender Bedeutung sind und die sich aus dem in vorherigen Kapiteln erarbeiteten Gottes- und Selbstverständnis ergeben. Anders formuliert: die drei Aspekte beschreiben, wenigstens im Ansatz, die Hermeneutik der Heiligen Gottes, die auf den Ruf und die Erwählung des Heiligen Gottes zu antworten versuchen.

5.1.1 Dialektik In nahezu jedem Abschnitt der vorangegangen Kapitel wurde dieser spezifische Aspekt reformierter Hermeneutik implizit oder explizit diskutiert, nämlich ihre spannungsvolle Zweipoligkeit, die Dialektik, in der sich Theologie und reformierte Bekenntnisse immer wieder finden und neu zu positionieren haben.10 Selbstredend kennt die reformierte Tradition gerade auch im Hinblick auf ihr Bekenntnisverständnis ein absolutes Entweder-Oder, so etwa in ihrer theozentrischen Ausrichtung und Begründung, in der es für sie keinerlei dialektische Doppelung geben kann; solus Christus und sola scriptura etwa sind auch für die reformierte Bekenntnishermeneutik die unaufgebbare Grundlage allen Bekennens. In entscheidender und charakteristischer Weise jedoch kann das reformierte Bekenntnis bei anderen Aspekten nur in diesen nicht in einer Synthese aufgehenden Gegensätzen recht verstanden werden. Dabei beruhen diese Gegensätze – oder besser: die zwei Pole, wie im Laufe der Diskussion immer wieder betont, auf grundsätzlichen theologischen, im besonderen ekklesiologischen Entscheidungen der reformierten Tradition, die ihren Einfluss unmittelbar auch auf das Bekenntnisverständnis ausgeübt haben. Eine Durchsicht des Erarbeiteten lässt folgende, für das Bekenntnisverständnis und im Zusammenhang damit, für die Hermeneutik reformierter Kirchen bedeutsame und charakteristische Spannungen erkennen: 8 Vgl. Webster, Holiness, 10–12. 9 Vgl. dazu Webster, a. a. O., 8. 10 Schon für Calvins Theologie etwa war „die Zweigestaltigkeit der theologischen Grundaussage“ ein eigentümliches Charakteristikum wie Eberhard Busch in seiner Diskussion des „reformierten Profils“ anmerkt; vgl. Busch, Die Nähe der Fernen, 597.

370

Reformierte Identität

– die Dialektik von sichtbarer und unsichtbarer Kirche, die im Bekenntnis zwar voneinander unterschieden, jedoch auch immer zusammengehalten und aufeinander bezogen werden;11 – die Dialektik des Bekennens im partikularen Kontext der jeweiligen bekennenden Kirche und der universalen Katholizität der einen Kirche Christi;12 – die Dialektik von Nähe und Distanz des zu bekennenden Glaubens zu kulturellen Voraussetzungen in Inkulturation und Transformation; – die Dialektik von Relativität und Autorität des Bekenntnisses, und damit zusammenhängend die Dialektik einer gleichzeitig dogmatischen wie offenen konfessionellen Tradition in Dankbarkeit und kritischer Mündigkeit;13 – die Dialektik von Kontinuität und Aufbruch;14 – die Dialektik von Demut und unapologetischer Gewissheit der bekennenden Kirche; – die Dialektik der Existenz der bekennenden Kirche „in der Welt, aber nicht von der Welt“. Nachdrücklich zu betonen ist hier, dass dem oben dargelegten Verständnis nach eine reformierte Hermeneutik nicht danach trachten kann, diese Spannungen in einer Synthese zusammenzuführen, indem sie etwa als drittes einen Mittelweg zwischen den beiden jeweiligen Polen beschreibt, der dann die Spannung auflösen würde. Eberhard Busch, der Gemeinsamkeiten der neueren reformierten Bekenntnisse in ihren theologischen Grundaussagen untersucht, beschreibt für diese Grundaussagen ein zweipoliges Denken, für das die chalcedonensische Formel „unvermischt und ungetrennt“ gelte.15 Gleiches ist nun nicht allein für die theologischen Grundaussagen der Bekenntnistexte festzustellen, sondern gerade 11 Es bleibt jedoch auch van’t Kruis, Comment, 162, zuzustimmen, wenn er festhält: „But exactly at this point ecclesiology in Reformed perspective gets a little bit embarrassed. Reformed ecclesiology always has difficulties in overcoming the tension between the local and catholic dimension.“ Wenn van’t Kruis aus dieser Feststellung allerdings die Schlussfolgerung zieht, „Catholicity is not an integral part of Reformed hermeneutics“ (ebd.), dann muss ihm jedoch – gerade aufgrund des aus reformierten Bekenntnissen aus Vergangenheit und Gegenwart gewonnen Befundes – deutlich widersprochen werden. 12 Worin Brinkman, Unity, 120f, etwa eine besondere Gabe der reformierten Tradition für die ökumenische Diskussion sieht. 13 Im Vereinigungsprozess zweier reformierter und einer lutherischen Kirche(n) zur Protestantischen Kirche in den Niederlande erarbeitete die Arbeitsgruppe „Kerkelijk Gesprek“ 1993 „traditionshermeneutische Regeln“, die diese Dialektik im Umgang mit den Bekenntnisschriften als „pneumatologisch fundierte Betonung eines unentbehrlichen Zwei-Wege-Verkehrs zwischen dem historischen Text der Bekenntnisschriften und unserer heutigen Lebenswelt“ („pneumatologisch onderbouwde beklemtoning van het onontbeerlijke tweerichtingsverkeer tussen de historische tekst van de belijdenisgeschriften en onze huidige leefwereld“); zitiert in Brinkman, Onwil, 61. 14 Vgl. Goroncy, Semper Reformanda, 52. 15 Busch, Die Nähe der Fernen, 598.

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik

371

auch für die spezifischen, oben geschilderten Aspekte reformierten Bekenntnisverständnisses. Ihren eigentlichen Ursprung hat diese Doppelung in zwei zu unterscheidenden, nicht aber zu trennenden Polen in dem Verständnis (a) der primären Heiligkeit Gottes und der sekundären Heiligkeit des Volkes Gottes und aller seiner Werke und Ausdrucksformen: Gottes heiligendes Wirken an der Kirche in Erwählung, Versöhnung, Sammlung und Sendung, in Verkündigung, Bekenntnis, Existenz in der Welt und für die Welt, verleiht jedem Aspekt dieses Lebens und Seins der communio sanctorum (abgeleitete, kreatürliche, als solche jedoch reale) Heiligkeit, ohne jedoch gleichzeitig ihre Existenz als communio peccatorum aufzuheben; (b) dass Christus als der Heilige Gottes „the Holy One Embodied“ ist, die InKarnation des Heiligen Gottes, und dass seine Gemeinschaft durch seinen Heiligen Geist in Heiligkeit mit ihm verbunden ist und an ihm teilhat – ohne dass sie Christi Sein und Wirken in irgendeinem Sinne okkupieren oder ersetzen würde. Eine reformierte Hermeneutik kann also nur anstreben, theologische Arbeit wie christliches Leben in Heiligkeit, in der Matrix dieser Zweipoligkeit, zu versuchen, und sich immer wieder neu an beiden Polen auszurichten. Damit sind wir bereits in der Diskussion um den zweiten Aspekt reformierter Hermeneutik angelangt, nämlich ihrer Kontinuierlichkeit.

5.1.2 Kontinuierlichkeit16 Peter Bukowski räumt diesem Aspekt reformierter Hermeneutik eine zentrale Rolle ein, wenn er ihn als den bleibenden ‚cantus firmus‘ eines reformierten Selbstverständnisses bezeichnet.17 Alle reformierte Theologie, reformiertes Bekennen sowie jede Bestimmung reformierter Identität kann diesem hermeneutischen Verständnis nach niemals einen finalen Charakter beanspruchen, auch für sie gilt der für die reformierte Christologie so bedeutsame Satz des finitum non capax infiniti18. Reformierte Theologie in all ihren Unternehmungen und Ausprägungen, gerade wenn sie als „holy reason“19 verstanden wird, hat den Heiligen Gott als ihren Ursprung, Gegenstand und ihr Ziel, und wird daher

16 Dowey, Confessional Documents, 32f, beschreibt diesen Aspekt als „the continuing hermeneutical process“. 17 Bukowski, Vorbereitende Überlegungen, 6: „Der zur Ehre Gottes und orientiert an seinem Wort sich immer neu vollziehende Prozess des ‚semper reformanda‘ ist der bleibende ‚cantus firmus‘ reformierten Selbstverständnisses.“ 18 Vgl. dazu etwa die Diskussion bei Fackre, Sovereignty, 273–276. 19 Vgl. dazu oben bei Anm. 8.

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Reformierte Identität

immer wieder und von neuem „mit dem Anfang anfangen“20 müssen, weil sie sich auf keinen Lehraussagen, die alles über Gott Auszusagende final sagen würden, ausruhen kann.21 Gleiches gilt dann selbstredend für alle Bestimmungen reformierter Identität(en), solange sie theologisch und nicht rein kirchengeschichtlich, religionssoziologisch oder -philosophisch entwickelt und definiert werden: kann Gott in seiner Heiligkeit nicht final und erschöpfend durch Theologie und Bekenntnis bestimmt werden, dann kann auch die Identität der Heiligen Gottes in ihrem Wesen und ihrem Auftrag nicht final bestimmt und festgelegt werden. Gleichzeitig gilt auch, dass die theologische Aufgabe in Bekennen und Identitätsbestimmung in der reformierten Tradition als „ongoing metanoia“ verstanden wird, als „a process of everything we know about ourselves being transformed in accordance with everything we know about God.“22 Diese Transformation kann, dem in den vorhergegangen Kapiteln Erarbeiteten entsprechend, als geistgewirkte Heiligung unseres Wissens über uns selbst und über Gott verstanden werden. Reformierte Theologie kann sich diesem hermeneutischen Verständnis entsprechend niemals als eine theologia perennis und ihre Identität nicht als identitas perennis, sondern beide immer nur als provisorischen Versuch verstehen23; und genau darin erweist sich reformierte Theologie als „realistische Theologie“24. Theologie und Identität reformierter Kirchen, welche sich als „nach Gottes Wort reformierte Kirchen“ verstehen, können nicht final konfessionalisiert oder dogmatisiert werden, werden nicht zu einem Hort stabiler Identität,25 weil sie sich auf die „reformierende Wirkung des lebendigen Gottes“26 beziehen und aus ihr leben. Gleichzeitig allerdings liegt damit gerade in

20 Ein Diktum, das besonders für die Theologie Karl Barths von großer Bedeutung war; vgl. dazu etwa das von Erler/Marquard herausgegebene Karl-Barth-Lesebuch gleichen Titels. 21 Vgl. dazu etwa Migliore, The Communion of the Triune God, 144: „It is not just the varying contexts of Christian faith and confession that require a multiformity of receptions. The multiformity of confession is required also by the richness and inexhaustibility of the object of faith and confession.“ 22 Johnson, Theology and the Church’s Mission, 66. Schröer, Glaubensbekenntnis, 115, beschreibt diese Funktion des Bekenntnisses zutreffend als Ideologiekritik. 23 So George Casalis’ Beschreibung calvinischer Theologie, welche auch die hier geschilderte reformierte Hermeneutik widerspiegelt; Casalis, Protestantisme, 69 (zitiert nach Melano, Potentielle Beiträge, 191). 24 So z. B. Welker, Reformierte Theologie heute, 323–326. 25 So Weinrich, Kirche bekennen, 40, mit Blick auf den reformierten Umgang mit der Tradition. Vgl. dazu auch Hettema/Zorgdrager, Schleiermacher, 208: „Protestant identity should not fear its appearance as a work in progress. This appearance results from her respect for freedom of interpretation. Diversity constitutes her identity.“ (Hervorhebungen: M. E.H.). 26 Moltmann, Was heißt „reformiert“?, 24: „[O]ffenbar ist es einer ‚nach Gottes Wort reformierten Kirche‘ nicht möglich und auch nicht erlaubt, ein für allemal zu konfessionalisieren und zu dogmatisieren, worin die reformierende Wirkung des lebendigen Gottes Wortes

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik

373

ihrer Bereitschaft zur kontinuierlichen Kritik und Selbstkritik secundum Verbum Dei ein zentraler Aspekt gemeinsamer Identitätsbestimmung reformierter Kirchen.27 David Jensen interpretiert dieses hermeneutische Verständnis der intrinsischen Unabgeschlossenheit reformierter Theologie, reformierten Bekennens und reformierter Identität zu Recht gerade als Stärke der reformierten Tradition, wenn er schreibt: The incompleteness and indefiniteness of Reformed Christianity is its great strength: it prevents the faith from ossifying, it stands in question any human attempt to attribute authority to anything else than the sovereign God, it points to the necessity of each generation to claim the faith for itself, it points to the church’s understanding of God’s activity at each moment in history.28

Nun geschieht dieses mit-dem-Anfang-anfangen nicht quasi auf weißem Papier, um „sozusagen mit einem Sprung über die Jahrhunderte hinweg unmittelbar […] an die Bibel anzuknüpfen“29. Das Anfangen geschieht auch in Dankbarkeit und Respekt gegenüber den Müttern und Vätern im Glauben, den Heiligen Gottes, von denen die gegenwärtige Kirche herkommt; aber eben durch diese Mütter und Väter wird reformierte Theologie auf den absoluten Anfang, nämlich auf „das eine Wort Gottes, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben“ zurückverwiesen, auf „Jesus Christus, wie er uns in der heiligen Schrift bezeugt wird“30. Die unverzichtbare Funktion des Bekenntnisses insbesondere auch für die Identitätsbildung ist es daher, „den Prozess der Kirche […] immer wieder an dem auferstandenen Christus zu orientieren. Es bewahrt ihn davor, richtungslos zu werden.“31 Gleichzeitig weist der Aspekt der Kontinuierlichkeit reformierter Hermeneutik auch selbstkritisch darauf hin, dass sich Menschen mit der Auslegung und dem Glauben der Kirche beschäftigen, die sich nicht „in einem Labor mit reinen und aseptischen Instrumenten befinden.“32 In

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31 32

besteht, offenbar enthält diese Selbstbezeichnung den Anspruch, offenzusein für den Geist und das Wort des Herren, der sich durch die Geschichte hindurch sein Volk sammelt.“ Vgl. dazu WARC, Confessions and Confessing, 17: „They are one as they remain in constant movement ready to correct themselves.“ Jensen, Reformed and always being reformed, 7. Barth, Credo, 155. Erste These der Barmer Theologischen Erklärung. Vgl. dazu auch Dowey, Confessional Documents, 32: „This subordination of churchly documents to Scripture and correction by appeal to Scripture works against overemphasis on formal authority and condemns the very process by which too much is claimed for the confession itself. More important by far than the formal approach […] are those provisions in the confessions themselves for the lively process of biblical interpretation in the preaching and teaching of the church. This process continues before, during, and after the preparation of formal documents. The same hermeneutic process that brought on the Reformation continues to modify the Reformed church throughout history.” Link, Bewegung der Einheit, 240f. Melano, a. a. O., 195.

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Reformierte Identität

der kontinuierlichen Rückbesinnung, in der Infragestellung aller theologischen Lehrsätze,33 wie auch in der kritischen Betrachtung der hermeneutischen Methode selbst wird immer wieder auf den Anfang verwiesen, um „dem Evangelium von Jesus Christus heute, hier und jetzt besser gerecht werden zu können“34. Reformierte Hermeneutik, verstanden aus der Tiefendimension der Heiligkeit, ist also, wie die Gemeinschaft der Heiligen selbst in der reformierten Tradition, der sie ja zu dienen hat, als „dynamisch“ zu verstehen; sie bezieht sich kontinuierlich zurück auf das Christusgeschehen und richtet sich nach vorne auf das kommende Reich Gottes aus.35 Sie ist „dynamisch“ zu verstehen, weil sie auf die dynamis des Heiligen Geistes vertraut, die einer eindeutigen und finalen Definition von Dogma und Ethik, sowie einer eindeutigen und finalen Definition von Identität widerspricht.36 In diesem Sinne ist sie eine Hermeneutik der und für die Pilgerschaft des Volkes Gottes; mit anderen Worten, auch eine reformierte Hermeneutik kann nie anders als coram Deo verstanden und ausgeübt werden. Die Gemeinschaft der Heiligen bleibt, auch in ihrem Bekenntnis, unterwegs auf dem Weg; ihre Identität findet sich nicht in der „‚Gefriertruhe‘ ihrer Tradition“, sondern muss „in dem Prozess, den diese Tradition angestoßen hat, neu erarbeitet werden.“37

33 Cynthia M. Campbell zählt aus diesem Grund „suspicion“ zu den vier „theological habits of the heart“ der reformierten Tradition; With All of Our Mind, 30. Vgl. auch Brinkman, Common Confession, 121f. 34 Melano, a. a. O., 194. Vgl dazu auch Smit, Confessions, 141 Anm. 10: „In the continuous testing and revising of the confessional heritage, the concern is not with mere words, expressions or grammatical formulations, or to rectify historical inaccuracies or controversial exegetical detail, but rather with the heart of what is being confessed, with the religious motives involved, with the spiritual thrust, the real decisions that were at stake at the historical moment of confession, with the deepest convictions of faith expressed in the specific confessional document.“ 35 Vgl. dazu auch Eßer, Das reformierte Zeugnis, 87: „Das dynamische Zusammenwirken von Geist und Wort Gottes immer wieder neue für christliche Predigt und Lehre zu erhoffen und zu erbitten, auch in seinen Auswirkungen auf das gesamte Leben der Gemeinde und des einzelnen in ihr, macht die Eigenständigkeit und Konzentration reformierter Theologie und reformierten Glaubens aus.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 36 Vgl. dazu die Argumentation von Witvliet, Christian Identity, 168. Ebd. mahnt der reformierte Theologe Witvliet in Blick auf alle Versuche, eine endgültige Definition christlicher Identität zu bestimmen: „Contextuality undermines every attempt to fix Christian identity once and for all. […] Doctrinal norms and ethical values are, in fact, always bound to certain times and spaces. They are never without context. Therefore they should be taken seriously as provisional, fluid proposals. When they are, so to speak, eternalized, they become dangerous instruments of power. Or, to put it otherwise, fixation of Christian identity on the level of rational discourse is a sin against the dynamic power of the Holy Spirit.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 37 Link, Johannes Calvin, 68.

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik

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5.1.3 Befreiender Gehorsam Als im Dienste der Kirche stehende Hermeneutik ist reformierte Hermeneutik, wie eben das Bekenntnis in seiner weltlichen Dimension, in ihrer Kontinuierlichkeit darauf ausgerichtet ist, dass die Welt glauben möge38 – gleiches gilt auch für die Bestimmung reformierter Identität(en). Die immer wiederkehrende Notwendigkeit neuen Bekennens und neuer Identitätsbestimmung ist nicht allein ein Hinweis auf den bereits diskutierten Aspekt der Kontinuierlichkeit, den die reformierte Hermeneutik betont, sondern auch schon ein Hinweis auf den dritten und letzten hier hervorzuhebenden Aspekt, nämlich den Gehorsamkeitscharakter. Eine aus dem Bekenntnisverständnis gewonnene reformierte Hermeneutik des Gehorsams39 ist in diesem Zusammenhang primär so zu verstehen, dass das Bekenntnis die Gemeinschaft der Heiligen wie den einzelnen Gläubigen nicht allein im Umgang mit dem Bekenntnis selbst, sondern in allen Aspekten des christlichen Lebens immer auf den einen Herrn verweist, dass es als Wegweiser des Glaubens die Gemeinschaft der Gläubigen an Christus, den Heiligen Gottes, allein binden will.40 Benjamin Myers’ pointierter Zusammenfassung ist daher zuzustimmen, wenn er schreibt: „A confessing church is simply an obedient church, a church that confesses Jesus as Lord over ist own life.‘“41 Der Reformierte Weltbund verweist in seinem Diskussionspapier Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Zeugnis (1989) in Bezug auf reformierte Bekenntnishermeneutik darauf, dass es für die reformierten Kirchen heute angemessen [sei], die klassischen reformierten Bekenntnisse in Ehren zu halten als Zeugnisse, die uns von unseren Vorfahren im Glauben überliefert sind, sie zu hören und von ihnen zu lernen, sie zu studieren und sie zu Rate zu ziehen. Aber wir sollten das mit den kritischen Augen und Ohren derjenigen tun, die wissen, dass ihre Loyalität nicht in erster Linie den Zeugnissen ihrer konfessionellen Tradition gehört, sondern dem Herrn der Kirche, Jesus Christus.42

Eine gehorsame und in diesem Sinne theo-zentrische Hermeneutik zielt darauf ab, die Stimme Christi für die Kirche hör- und verstehbar zu machen, so dass sie „nicht auf die Stimme eines Fremden“ hört und vertraut.43 Diese Theozentrik, das 38 Vgl. Hall, Confessing the Faith, 37. 39 Doweys Diskussion einer „hermeneutic of confessing obedience” (Confessional Documents, 30–32) entspricht in ihrem Verständnis als „social-ethical hermeneutic of faithful obedience“ (31) eher meiner Diskussion des Zusammenhang von Glauben und Leben im Bekenntnis (Abschnitt 3.6) als dem hier zu entfaltenden Verständnis einer gehorsamen Hermeneutik. 40 So Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, 15. 41 Myers, Indigenous Australians and the Church’s Confession, 39 (Hervorhebung im Original); Zitat aus der Unionsgrundlage, deutsch in RZH, 278. 42 Theologische Erklärung (1979), RZH, 5. In diesem Sinne etwa kann Niesel, Reformiertes Bekenntnis heute, 38f, den Glauben auch als „Gehorsam gegen Gottes Wort“ verstehen. 43 Vgl. dazu Willis, Barmen, 230: Die Kirchen sind „durch die Bekenntnisse dazu befreit, die

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Reformierte Identität

besondere Verständnis der Souveränität und Heiligkeit Gottes, gilt nun auch, und das ist entscheidend, für jegliches hermeneutische Prinzip der Kirche selber, d. h. es kann keine methodische Regel, keine Interpretationsnorm geben, die per se zu gelten habe, und die nicht immer wieder an dem in Christus offenbarten Heiligen Gott mit Blick auf die Tiefendimension der Heiligkeit zu überprüfen sei.44 Es gilt für die Kirche in jedem Bereich, und daher eben auch für ihre Hermeneutik, was die Kongregationalistische Kirche in ihrer Glaubenserklärung 1967 unter dem Abschnitt „Heiligkeit“ bekennt: Die vorfindliche Kirche ist ständig in einem Prozess, gehorsam zu werden; sie befindet sich im Prozess des Erlöstwerdens, und ihre Sensibilität gegenüber dem Wehen des Heiligen Geistes hat noch nie zum vollen Gehorsam ausgereicht.45

Die „totale Hinwendung zu dem einen Herrn“46, zu der Verkündigung und Bekenntnis auch in der Identitätsbestimmung aufrufen, schließt auch jegliche absolute Herrschaft formal-äußerlicher Kriterien aus, denn auch alle Kriterien, so auch die aus dem Bekenntnisverständnis gewonnenen, können immer nur einen vorläufigen, temporären und relativen Charakter für sich beanspruchen.47 So weist David Willis zu Recht darauf hin, dass reformierte Kirchen darauf zu achten haben, dass „die hermeneutische Methode nicht selbst zum Ersatz für die Pilgerfahrt des Glaubensgehorsams wird, während noch über die korrekte Funktion der Bekenntnisse entschieden wird.“48 Aus dieser Pilgerfahrt des Glaubensgehorsams, dem glaubenden Gehorsam und gehorsamen Glauben,49 erwächst ein weiterer Aspekt einer gehorsamen Hermeneutik: wohl dienen Bekenntnisse wie auch die Theologie der Kirche dazu, in und mit einer Identitätsbestimmung nach „außen“ hin Grenzen aufzuzeigen, zu bestimmen, was und wie innerhalb der Kirche als Gemeinschaft des trinitarischen Gottes geglaubt und gelebt werden kann und was als „häretisch“ abzulehnen ist.50 Die Identität der der Gemeinschaft der Heiligen kann aber nicht von

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einzige Stimme zu hören, die wir hören und der allein wir vertrauen und gehorchen sollen im Leben und im Sterben.“ Vgl. dazu Willis, a. a. O., 231: Alle aus den Glaubensbekenntnissen gewonnene Formulierungen und Verständnisse stellen „untergeordnete Interpretationshilfen für die Schrift dar – deren Autorität wiederum in ihrer Zeugenschaft zum lebendigen Wort Jesus Christus besteht.“ RZH, 91. Schellong, Zur Bedeutung von Bekenntnissen, 63. Vgl. dazu die Diskussion des „vicious circle“ bei Brinkman, The Will to Common Confession, 122–124. Willis, a. a. O., 232 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. dazu Schönberger, Gemeinschaft mit Christus, 369f, mit Bezug auf Bonhoeffer, Nachfolge, 11. Link, Die Bewegung der Einheit, 196, formuliert: „Grenzen hat die Gemeinschaft der Kirchen ohne Zweifel. […] Ihr Bekenntnis ist – so gesehen – der Akt, in welchem sie verbindlich

Das Bekenntnisverständnis als reformierte Hermeneutik

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diesen Grenzen her bestimmt werden, sondern muss sich primär durch ihr Zentrum, den in Jesus Christus geoffenbarten trinitarischen Gott, definieren;51 darin sich als eine Hermeneutik des Gehorsams verstehend, wird reformierte Bekenntnishermeneutik damit gleichzeitig auch und gerade zu einer befreienden Hermeneutik.52 Alle Ansprüche auf Loyalität und Gehorsam, die nicht im Evangelium von Jesus Christus gründen, können mit dieser gehorsamen Hermeneutik, wie sie exemplarisch in der 2. These der Barmer Theologischen Erklärung formuliert wurde,53 hinterfragt und widerlegt werden: „Als reformierte Lehre ist […] festzuhalten: Bindung an Gott, Autorität Gottes, Gehorsam gegenüber Gott bedeutet Befreiung; Bindung an Gott bedeutet Befreiung aus anderen Bindungen.“54 Befreiung aus anderen Bindungen heißt, der biblischen Botschaft entsprechend und als „tätiger Schriftgehorsam“55, dann auch immer wieder Umkehr und Neuanfang, und reformierte Glaubenshaltung und Identität kann dementsprechend nicht als statisches Verharren sondern nur als metanoiaBewegung hin zur Welt als Gottes Schöpfung verstanden werden.56 Darin kann dann gerade auch das Bekenntnis „als einen Lebensvollzug der Gemeinde“ als „Ausdruck ihrer Freiheit“ begriffen werden.57 Auf diesem Verständnis aufbauend hat sich reformierte Theologie in den letzten Jahren auch in einen Dialog mit neueren theologischen Ansätzen, so etwa der Befreiungstheologien58 oder auch der feministischen Theologien59, begeben

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gezogene Grenzen an-erkennt und sich dadurch im Wortsinne als Kirche definiert. […] Über diese Grenzen aber verfügt die Kirche nicht.“ Vgl. zur Diskussion um Identität, Zentrum und Grenzen etwa den Artikel von Heideman, Discipline and Identity. Moltmann, Was heißt „reformiert“?, 24, hält dazu richtig fest, dass sich „unter dem Wort die Frage nach dem Reformiertsein verwandeln [wird] in die Frage nach dem Gehorsam der Kirche und nach dem Gehorsam des Christen in der Welt von heute. Die Frage nach dem Bekenntnis ist die Frage nach dem Bekennen in Lehre und Leben heute.“ Ein Anliegen, das besonders DeGruchy, Theologie der Befreiung, 147–156, nachdrücklich vertritt, weil er der Überzeugung ist, „dass reformierte Theologie Befreiungstheologie sein kann, ohne ihre reformierte Identität zu verlieren.“ (147). „Durch ihn [Jesus Christus] widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.“ Lüthi, Reformierte Lehrpunkte, 3 (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu auch Busch, Der Freiheit zugetan, 79–91. So Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich „reformiert“?, 14 Vgl. dazu etwa Ottati, Reforming Protestantism, 2. So Link, Verbindliches Bekennen, 173, über Calvins Bekenntnisverständnis. Dies ist z. B. der Ansatz des Buches von Reist, Processive Revelation, der auf dem Hintergrund der reformierten Tradition befreiungstheologische und prozess-theologische Ansätze miteinander ins Gespräch bringt. Vgl. dazu auch die Artikel Winn, The Reformed Tradition and Liberation Theology, und Lara-Braud, Reflections on Liberation Theology from the Reformed Tradition, so wie Boesak, Black and Reformed: Contradiction or Challenge? Vgl. dazu insbesondere den von Jones/Pauw herausgegebenen Sammelband Feminist and Womanist Essays in Reformed Dogmatics, in dessen Vorwort die Herausgeberinnen schreiben (X): „We write these essays out of the conviction that Reformed traditions offer resources

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Reformierte Identität

können, wobei insbesondere der idolatrie-kritische Charakter reformierter Hermeneutik60 eine große Rolle spielte.61 Diese insbesondere aus dem Bekenntnisverständnis der reformierten Tradition gewonnene Hermeneutik liefert also, wie aufgezeigt, Hinweise nicht allein auf eine „reformierte Methode“, sondern auf bedeutende Gesichtspunkte reformierter Identität als Gemeinschaft der Heiligen und auf das Herz reformierter Frömmigkeit,62 ohne die eine Bestimmung eben dieser unvollständig wäre. Der nächste Abschnitt wendet sich nun einer genaueren Bestimmung entscheidender Determinanten einer reformierten Identität zu.

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Determinanten reformierter Identität

Nach den Ausführungen der vorangegangen Kapitel ist ersichtlich, dass in der vorliegenden Bekenntnisinterpretation der Versuch, eine Identität der Gemeinschaft der Heiligen (vorläufig) zu bestimmen, primär weder auf dem Wunsch nach Identitätsfindung in einer Zeit der Krisen und des Traditionsverlustes, noch auf der Sehnsucht nach den vermeintlich besseren, d. h. wahrhaft christlich/ reformierten Zeiten der Vergangenheit beruht. Stattdessen strebt dieser Versuch der Identitätsbestimmung vielmehr an, der Gemeinschaft der Heiligen Impulse für ihre je eigene Antwort auf die Erwählung, den Ruf und die Sendung des Heiligen Gottes geben. Zur Gemeinschaft der Heiligen Gottes gehört ihre Selbstverständnisfindung im Angesicht ihres Schöpfers, Versöhners und Bewahrers unabdingbar hinzu;63 ihr telos liegt dabei jedoch letztendlich nicht in

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to nourish feminist and womanist concerns, and that these concerns offer a way of carrying forward Reformed traditions.“ Siehe auch Van Wijk-Bos, Reformed and Feminist; Campbell, Feminist Theologies and the Reformed Tradition; sowie Ernst, Jesus ist Herr: Christologie oder Christolatrie? – Überlegungen zu einem Dialog zwischen feministischen Theologien und reformierter Tradition. In diesem Zusammenhang räumt Witvliet, a. a. O., 175, dem in der reformierten Tradition bedeutsamen Zweiten Gebot eine besondere Rolle und Funktion ein, wenn er mit dem Blick auf Bestimmungen christlicher Identität mit dem Bilderverbot eine „iconoclastic resistance“ anmahnt und Raum für das Hören auf Gottes Stimme einfordert. Dieser Dialog hat seine Spuren auch in den Bekenntnistexten des letzten Jahrhunderts hinterlassen: so kann etwa das Belhar-Bekenntnis als Ganzes als „Bindeglied zwischen reformierter Tradition und Befreiungstheologie in Südafrika“ verstanden werden (DeGruchy, Befreiung der reformierten Theologie, 207). Vgl. dazu auch das Bekenntnis der Protestantisch-Evangelischen Kirche von Dschibuti von 1984; Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 263. Smit, Confessions, 141: „This very fundamental subjection of all confessions to the true authority of God’s living Word is not merely formal, intended as lip service, or empty gesture. On the contrary, it expresses the very heart of Reformed piety – claiming to live by God’s Word alone.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Für diese theologische Bestimmung des eigenen Verständnisses gilt ebenso, was Webster,

Determinanten reformierter Identität

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einer Selbstvergewisserung, sondern in der Heiligung von Gottes Heiligem Namen.64 Die hier vorzunehmende Näherbestimmung reformierter Identität versteht sich dabei als Explikation des nun schon mehrfach erwähnten Leitmotivs der reformierten Tradition, des Soli Deo Gloria!, und verweist damit darauf, dass auch und gerade die theologische Bestimmung reformierter Identität im tiefsten zweckgebunden und als antwortende Lebensäußerung der Gemeinschaft der Heiligen wie ihre Sendung insgesamt nicht zum Selbstzweck werden kann und darf.65 Identitätsbestimmung erfolgt als das Nach-denken, Nach-beten, Nachloben und Nach-bekennen des Evangeliums von der in Christus und durch seinen Heiligen Geist den Gläubigen geschenkten neuen Identität als erwählte, versöhnte, berufene Kinder Gottes. Diese neue Identität der Heiligen Gottes ist daher bestimmt durch ihren (a) partizipatorischen Charakter, indem die Gemeinschaft der Heiligen an der Heiligkeit Gottes teilhaben, und ihre Identität zuallererst weder reformierte, noch christliche Identität ist, sondern eine Identität in Christus (5.2.1); (b) konfessorischen Charakter, indem die Gemeinschaft der Heiligen ihr Wesen, Sein und Handeln aus dem Bekenntnis Christi zu ihnen und als ihr Bekenntnis zu Christus verstehen (5.2.2); (c) ex-zentrischen, deiktischen und pneumatologischen Charakter, indem die Gemeinschaft der Heiligen ihre Identität nicht nur außerhalb von sich selber findet, sondern auch immer über sich hinaus auf das identitätsgebende Zentrum ihres Wesens und ihres Auftrages verweist; ihre Identität als geistgewirkte Gabe und Aufgabe verstehend (5.2.3); (d) missionalen Charakter, indem die Gemeinschaft der Heiligen ihre Identität in Sammlung und Sendung im Horizont der missio Dei versteht (5.2.4); (e) eschatologischen Charakter, indem die Gemeinschaft der Heiligen ihre Identität als eine Identität „zwischen den Zeiten“ weiß, auf das Christusgeschehen zurückblickend und ihrem kommenden Herren entgegengehend (5.2.5).

Holiness, 15, über die Theologie als „holy resaon“ im Allgemeinen formuliert: „When we begin to talk theologically about the holiness of God, we soon enough discover that the tables have been reversed; it is no longer we who summon God before our minds to make him a matter for clever discourse, but the opposite: the holy God shows himself and summons us before him to give account of our thinking. That summons – and not any constellation of cultural, intellectual or political conditions – is the determinative context of holy reason.“ 64 Vgl. a. a. O., 29. 65 So gilt selbstredend auch hier, was Weinrich, Justified for Covenant Fellowship, 10, anmahnt: „Not we and our religious needs stand at the centre of our theological efforts but God and God’s glory. […] ‚Soli Deo Gloria!‘ has to remain the decisive horizon of all theological considerations, whatever they are.“

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Reformierte Identität

5.2.1 Partizipatorische Identität: Identität in Christus – christliche Identität – reformierte Identität(en) Wie in den vorangegangen Kapitel bereits erarbeitet, kann und muss jeder Versuch im christlichen Kontext kollektive wie individuelle Identität zu bestimmen, mit dem „Akteur“ christlicher Identität, Jesus Christus, beginnen. Wie auch immer „reformierte Identität“ bestimmt werden soll, als Identität einer Tradition, einer Kirche, einer Person, einer Theologie, Liturgie, Ethik etc., sie wird zunächst auf ihre Basis und Matrix in Christus zu beziehen sein, soll sie nicht als ein Erscheinungsbild rein konstatierend, sondern als Wesen und Aufgabe beschreibend verstanden werden. Mit anderen Worten und weitere Überlegungen dieses Abschnittes vorausnehmend: reformierte Identität kann sich immer nur als Bestimmung der Identität der Gemeinschaft der Heiligen Gottes in Christus verstehen; basierend und bezogen auf die Identität des heiligen, dreifaltigen Gottes in Bund und Treue. Dieser Heilige Gott, der die Gemeinschaft der Heiligen heiligt, teilt mit ihnen ihre sekundäre, abgeleitete, geschenkte Heiligkeit in der unio cum Christo, ohne dass sie allerdings in einem ontologischen Sinne Anteil an der Heiligkeit Gottes bekämen, aber doch in so realer Weise, dass sie als geheiligtes Volk Gottes wirklich und wahrhaftig auch als das heilige Volk auf die Heiligkeit Gottes Antwort zu geben vermögen. Eine Vorbemerkung ist bereits an dieser Stelle einzufügen: Das Adjektiv partizipatorisch, mit dem in dem folgenden Abschnitt die Identität der Gemeinschaft der Heiligen bestimmt werden wird, wird grundsätzlich im Sinne des „participes faciat“ Calvins verstanden als geistgewirkte Einfügung in den Leib Christi und Teilhabe an ihm selbst.66 Identität in Christus Wird im Folgenden Identität als Gabe des Heiligen Gottes in seiner relationalen Heiligkeit als Bezugsgröße verstanden, dann wird zuerst und grundlegend festzuhalten sein, dass die Bezugsgröße für jegliche Identitätsbestimmung einer Gruppe wie eines Individuums im Raum der Kirche der gekreuzigte und auferstandene Christus, der Gesalbte Gottes, ist, wie schon in den paulinischen Schriften deutlich wird: So beschreibt Paulus‘ Begriff des „in Christus“-Sein „eine gegenwärtige Verbindung zum auferstandenen Christus und nicht etwa nur eine Reminiszenz an den Menschen, der die Gemeinschaft gründete“67, ist also nicht einfach retrospektiv auf die geschichtliche Abkunft, sondern auch auf gegen66 Vgl. dazu Inst. III,2,24: „Wenn wir von ihm [Christus] das Heil erwarten, so geschieht das doch nicht deshalb, weil er uns etwa in der Ferne erschiene, sondern weil er uns in seinen Leib eingefügt und damit nicht bloß aller seiner Güter und Gaben, sondern seiner selbst teilhaftig gemacht hat (‚participes faciat‘).“ 67 Heckel, Identität, 49. Vgl. dort auch zum Folgenden.

Determinanten reformierter Identität

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wärtige wie eschatologische Öffnung auf Christus hin orientiert. Identität der Gemeinschaft der Heiligen68 ist daher, theologisch verstanden, „keine substanzontologisch fassbare Größe, sondern Ereignis in Raum und Zeit“69, dessen Akteur Jesus Christus ist. Identität ereignet sich in der Wirksphäre des gekreuzigten und auferstanden Christus und wird den Christen zugesprochen;70 es ist Christi Geist, mit dem die Christen an Christus gebunden werden und durch den sie der Gnade Christi teilhaftig werden.71 Es sind daher grundsätzlich Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung Christi, sowie seine Gegenwart und sein Wirken im Heiligen Geist, die den Menschen und der Kirche letztendlich eine „abiding presence and identity“72 verleihen. Leben und Person dieses Christus, des menschgewordenen Heiligen Gottes, des wahren Abbildes Gottes, erschließen damit grundlegend „die Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen als Grundaxiom christlicher Identitätstheorie“73, wer und was die Menschen sind, kann nur durch die Beziehung zu diesem Gott, dessen Ebenbild sie sind, verstanden werden.74 Christliche Identität ist damit essentiell Relationsidentität, qualifiziert und bestimmt durch die Beziehung zu und Einheit mit einer Person, Jesus Christus,75 dem die Christen „mit Leib und Seele“76 gehören.77 Diese Identität, mit ihrer 68 Laut Heckel ist für Paulus ist das Christsein zuerst „eine Gemeinschaftsangelegenheit, erst davon abgeleitet, gleichsam abstrahiert, lässt sich das Christsein auch individualisieren“; a. a. O., 50. 69 Ebd. 70 Vgl. Heckel, a. a. O., 64: „Christsein bedeutet, in der Wirksphäre des auferstandenen Christus zu leben. Soweit hält noch Paulus den relationalen Charakter der christlichen Identität fest. Wenn wir uns als Christen definieren wollen, ohne vom auferstandenen Christus oder von Gott zu reden, werden wir den Blick für das wesentliche Moment unserer Identität verlieren. Diese Identität bekommen wir zugesprochen.“ 71 Vgl. Calvin, Inst. III.1.1. 72 Frei, The Identity of Jesus Christ, 95. 73 Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 557. 74 Vgl. dazu auch Pannenberg, Identität und Wiedergeburt, 610: „Die Identität Gottes begründet […] die Identität Jesu als des infolge seiner Botschaft Gekreuzigten mit dem Auferstandenen. Darauf wieder beruht die Identität des Christen, die Identität eines in Teilhabe an der Auferstehung Jesu Sünde und Tod überwindenden neuen Lebens.“ 75 Vgl. dazu Verboom, Why are you called a Christian?, 226: „A Christian is a human being who belongs to Christ. That is the essence of his identity. The relation between us and Christ is essential. The point in our identity is not that we have a Christian worldview or philosophy of life in the same way as other people have other ideologies or outlooks on life. Rather, the point is that our identity is qualified by the relationship and unity with a person, Jesus Christ.“ (Hervorhebungen im Original). 76 Vgl. dazu Frage 1 des Heidelberger Katechismus und Mostert, Christian Identity, 52. 77 Mit ihm sind die Christen gekreuzigt, begraben und auferstanden, durch die Taufe leben sie mit ihm [Röm 6], sind sie bereits jetzt neue Schöpfung [2 Kor 5:17], wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten [1 Pet. 1:3] mit dem Heiligen Geist getauft [Mk 1:8] und lebendig gemacht in Christus Jesus durch den Geist [Röm 8:2]. Vgl. dazu die Auslegung von Röm 6 bei H.-M. Barth, Ich lebe, 176: „Die Heilswende bleibt nicht ein Ereignis an einem fernen Horizont, sondern sie rückt dem Glaubenden

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Reformierte Identität

christologischen wie pneumatologischen Perspektive, ist nun zunächst nicht die Identität des einzelnen Christen, obgleich das abgeleitet sicher auch, sondern die kollektive Identität der Gemeinschaft der Heiligen als Leib Christi, durch den einen Geist zu einem Leib getauft und getränkt mit dem Heiligen Geist [vgl. 1 Kor 12:13] – auch wenn dies gerade in den westlichen Kirchen der Gegenwart eher unverständlich erscheinen mag.78 Es geht dabei nicht um eine „Identität, die man haben oder entwickeln kann, [sondern] um Gott, der Menschen identifiziert, und um Menschen, die darauf antworten. Dynamisch ist dieses Geschehen wechselvoll, verheißungsvoll.“79 In einer Umformulierung von Luthers bekannten Diktum80 könnte Identität in Christus demnach wie folgt beschreiben werden als: Wir sind was wir werden durch das, was Gott aus uns macht.81 Diese Identitätsbestimmung durch Christus und in Christus ist damit Kern der Guten Nachricht von der Befreiung und Erlösung des Menschen: „He [Christ] liberates us from this identity: that we create our own identity as sinners. He frees us from ourselves in the identity that we created as sinners who did not want to be owned

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buchstäblich auf den Leib. Er ist mit Christus gekreuzigt: Das ist nicht etwa ethisch aufzufassen, sondern als eine Identifikationsaussage zu verstehen. […] Jede andere Form von Identitätsbegründung würde gerade eine falsche, am wahren Selbst vorbeiführende Identität aufbauen.“ Vgl. Bradbury, Perpetually reforming, 13: „Western society is now one where fundamentally individual human beings construe themselves as autonomous, and we determine our identity for ourselves, rather than our identity being formed primarily by the social group(s) to which we belong. This poses the most massive challenge to the church. Fundamental to Christian life is to be baptized into the body of Christ, which relatives all human identities and brings us into a fundamental relationship with Christ through our relationships within the community of the church. This does not, in a world where we construe our own identities and ‚opt-in‘ to certain groups, make sense.“ Siehe dazu auch a. a. O., 205: „Intrinsic to Christian identity is the fact that one takes on one’s primary identity from a sociality which is the church, which one enters in baptism.“ So beschreibt Deeg, Leben auf der Grenze, 289f, sein Konzept der liminal verstandenen christlichen Existenz, mit dem er das Konzept der Identität ersetzen will. Was UlrichEschemann, Tradition und Identität, 101, über das „Menschwerden als Neu-Werden im Gegenüber zu Gott“ schreibt, ließe sich so auch auf die Gemeinschaft der Heiligen, partikular und universal, übertragen: „Menschen werden […] immer wieder erneuert und sie brauchen diese ständige Erneuerung ihrer Existenz. Glaube ist ein immer wieder neues Werden, und die Vergebung der Sünden ereignet sich als Befreiung, als Neu-Werden. Menschen werden zu Gotteskindern. In diesem Sinne bleiben Menschen werdende Menschen. Sie leben anfänglich. Man könnte dies als Kennzeichen der Identität des Menschen verstehen. Es ist ein Geschehen, das sich immer wieder neu ereignen will.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. Martin Luther, Disputatio de homine, These 35 (WA 39 I,1773f.): „Homo huius vitae est pura material Dei ad future suae vitam”. Vgl. dazu van der Kooi, Oepke Noordmans, 58: „Glauben heißt, Christus anzugehören, unio mystica, die durch Gottes Geist bewirkt wird, Das sagt etwas über ihre Identität aus: Man lebt als Mensch von dem, was man selbst nicht besitzt, und man leiht seine Identität von dem, was einen noch erwartet.“ (Hervorhebung im Original).

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by the Lord.“82 Diese Identität in Christus wird nicht als „fremdgesteuerte Identität“ erlebt, sondern als Gnade, die den sündigen Menschen gilt.83 Partizipatorische Identität in Christus ist also keine Identität, die sich die Kirche oder der einzelne Christ, die einzelne Christin selbst erwählt, festlegt, bestimmt oder kontrolliert,84 sie ist „imputed identity“85. Sie ist auch nicht durch die Gläubigen von sich aus zu erkennen; sie ist als von Gott geschenkte Identität in Christus86 nur von Gott her, durch Gott und mit Gott zu erkennen.87 Als solche allerdings wird die von Gott geschenkte und nur durch Gott und in Gott zu erkennende partizipatorische Identität der Gemeinschaft der Heiligen als der In– Christus-Seienden simultan auch zur Obliegenheit der Gemeinschaft, ist Gabe und Aufgabe.88 Identität in Christus ist also zusammengefasst eine partizipatorische, sich ereignende, relationale, exzentrische, ekklesiologische, geschenkte und zu lebende Identität, die in jedem Aspekt und zu jeder Zeit auf Christus bezogen ist – und entspricht damit exakt den in den vorangegangenen Kapiteln dargelegten Hauptaspekten der Heiligkeit des geheiligten Volkes Gottes.

82 Van de Beek, Christian Identity, 18. Im Umkehrschluss folgert van de Beek, a. a. O., 26: „That is precisely original sin: to think that we have our own identity and are not owned by God.“ Vgl. dazu auch Josuttis, Identität und Konversion, 123: „Die ‚Sehnsucht nach Leben‘, die sich in der Suche nach Ich–Identität manifestiert, findet ihre Erfüllung in einem Akt der Entfremdung. ‚Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir‘ (Galater 2,20).“ 83 Vgl. H.-M. Barth, a. a. O., 187. 84 Vgl. Verboom, a. a. O., 229: „Christian identity is not within the control of the Christian. It is Christ himself who grants it. […] To be a Christian is not our own choice, but much more a matter of being chosen by God in Christ.“ 85 Ebd. 86 Vgl. Sell, Reformed Identity, 17: „Our identity as Christians is God’s gift in Christ.“ 87 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geist von unserer Identität als Kinder Gottes [Röm 8:16]; Gott offenbart sich und seine Weisheit durch den Geist, den die Gläubigen empfangen [vgl. 1 Kor 2], damit sie wissen können, was ihnen von Gott geschenkt ist [vgl. 1 Kor 2:12].Vgl. dazu Theron, Devastating Grace, 49: „My identity is mystery that must be revealed. Only in meeting our Maker do we encounter our selves.“ (Hervorhebung im Original). 88 Vgl. dazu Vanhoozer, The Drama of Doctrine, 394: „One’s identity ‚in Christ‘ is both gift and task.“ Jarrett, Preaching in the Postmodern Matrix, 18. betont daher zu Recht: „Christian identity is God’s gift to humanity revealed in Jesus through the Holy Spirit. God grants the gift of faith in Jesus Christ, establishing the identity of Christians, but the formation of Christian identity requires participation by the recipients of the gift.“ Vgl. dazu auch H.-M. Barth, a. a. O., 187: „Die Identität des Glaubenden ist somit einerseits Gnade, andererseits auch eine aus dieser Gnade heraus mit Lust in Angriff genommene Aufgabe. […] Sie stellt keine in sich ruhende, ein für allemal erreichte Abgeklärtheit und Gelassenheit bereit, sondern löst eine Dynamik aus, die auf Transformation ausgerichtet ist. […] Das ich, das sich nicht mehr um sich selbst kümmern muss, ist frei, sich um andere und anderes zu kümmern.“

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Reformierte Identität

Christliche Identität Wenn der letzte Abschnitt verdeutlichen sollte, dass Bestimmungen und Annäherungen an den Begriff der reformierten Identität ihren Ausgangspunkt und ihre Matrix in dem skizzierten Verständnis des In–Christus-Seins haben, dann wird im folgenden Abschnitt darauf eingegangen werden müssen, wie in diesem Zusammenhang der Begriff der „christlichen Identität“ zu verstehen ist. Für das Neue Testament lässt sich dabei festhalten, dass dort zwar Christus das „Grundmoment christlicher Identitätsformung“89 bildet und dass die „ChristusTeilhabe“ bestimmend für kollektive wie individuelle Identität ist, dass aber das Christus-Ereignis mit Hilfe von „vielseitige[n] und durchaus widerstreitende[n] Anschauungen“90 interpretiert wird. Bereits für das Neue Testament kann also daher nicht von der einen und definitiven Form christlicher Identität gesprochen werden, sondern nur von verschiedenen Versuchen, die Identität der Christen als der In–Christus-Seienden zu verstehen, zu leben, zu konkretisieren, zu verkünden und zu bekennen. Christliche Identität hat damit etwas essentiell „Uneindeutiges, ist nicht klar definierbar und bleibt auf die eschatologische Verifizierung angewiesen“91. Dass es christliche Identität bereits im Neuen Testament nur im Plural gibt, verweist daher auf zweierlei: a) das Sein der Gläubigen in Christus, ihre Teilhabe an Christus produziert nicht aus sich selbst eine überzeitliche und der Geschichtlichkeit enthobene christliche Identität, sondern bietet den Ausgangs- und Zielpunkt kontextueller und historisch bedingter Konstruktionen christlicher Identitäten.92 b) Damit wird jeder Versuch der Bestimmung christlicher Identität als genau dies und nicht mehr verstanden: ein menschlicher und damit immer auf Rechtfertigung und Heiligung angewiesener Versuch, sich der in Gott geschenkten und offenbarten Realität anzunähern und sie zu beschreiben; jedem Versuch einer „autoritativen Monopolisierung und Imperialisierung der jeweils eigenen Identität als normativ verstandene christliche Identität wird […] jede Grundlage entzogen“93. Kann und darf es daher nicht die Aufgabe reformierter Kirchen und Theologien sein, ihre eigene Identität anders als eine grundsätzlich christliche Identität der In–Christus-Seienden zu verstehen, zu bestimmen und zu bekennen, und nicht als reformierte Speziallehre, Sondergut oder als Ergebnis vergleichender Konfessionskunde,94 so gilt doch auch gleichzeitig, dass diese Aufgabe nicht im 89 90 91 92 93

Scholz, Christliche Identität im Plural, 69; vgl. dort auch zum Folgenden. Ebd. Scholz, a. a. O., 76. Vgl. Scholz, a. a. O., 93. Scholz, a. a. O., 94. Nachdrücklich weist auch J. Kruger, Christian Identity, 119, auf die Gefahren jedes universal verstandenen Identitätskonzepts hin. 94 Vgl. dazu Ernst, We Believe the One Holy and Catholic Church…. Reformed Identity and the Unity of the Church.

Determinanten reformierter Identität

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kontextlosen, überhistorischen Raum geschieht. Sie ist immer bedingte, kontingente, vorläufige Konstruktion einer christlichen Identität dieser konkreten Gemeinschaft der Heiligen Gottes, und wenn sie auch danach strebt und streben muss, das allen christlichen Bekenntnissen Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen,95 so wird sie doch nicht die Realität des gebrochenen Leibes Christi überwinden können.96 Sie wird alle menschlichen Grenzen und Begrenzungen nicht verabsolutieren,97 sie aber gleichzeitig auch nicht ignorieren. Indem sie Jesus Christus als alleinigen Grund, Inhalt und Ziel ihres Bekenntnisses wie ihrer Identität versteht,98 stellt sie sich in eine Reihe mit allen anderen christlichen Versuchen einer Identitätsbestimmung, und versteht sich selber bescheiden nur unter dem eschatologischen Vorbehalt als eine deiktische Identität,99 die von sich selber weg verweist auf Gott. Es gilt also festzuhalten, dass reformierte Identität nicht anderes sein kann und will als christliche Identität, ein Versuch, die Identität des In–Christus-Seins der Gemeinschaft der Heiligen zu konkretisieren und diese Gemeinschaft als Teil des Leibes Christi, des Heiligen Gottes, in den Lobpreis Gottes zu führen.

Reformierte Identität Aber eben: als Teil des Leibes Christi, mit einer bestimmten Geschichte, mit bestimmten Erinnerungen an und bestimmten Interpretationen des Heilshandeln Gottes, als bestimmter Ort zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Gemeinschaft der Heiligen. In dieser bestimmten Gemeinschaft wird nun nicht etwa eine vorhandene Identität einfach tradiert, bewahrt und verteilt, sondern diese Identität ereignet sich immer wieder neu, wird geschenkt, geteilt, gefeiert, bekannt und gelebt. Reformiert zu sein ist daher keine „retrospektive Fixie95 Vgl. dazu etwa Blaser, Resistenz und Konvergenz, 81: „Ich frage mich, ob die Darstellung reformierter Identität nicht entschlossen damit beginnen müsste, das allen Bekenntnissen Gemeinsame herauszustellen.“ 96 Vgl. van der Borght, Identity and Ministry, 202: „To understand our Christian identity can only be a communal exercise [of the Christian church], but the community is broken.“ 97 Vgl. Mosher, Stranger in a Familiar Land, 278: „We are baptized into one body and one faith. It is this one body where must gain our identity. […] Attempting to define our identity based on human borders is an attempt to divide that which Christ has made whole.“ 98 So nachdrücklich Heron, Confessional Continuity, 151: „Jesus Christ, ‚the same yesterday, today and always‘ is the sole proper ground, content and goal of all Christian and therefore also of all reformed confession. To speak of reformed confession and reformed confessions is not to speak of anything other than Christian confession and Christian confessions which attempt – and that is the proper and original sense of ‚reformed‘ in this context – to make precisely that clear and to give the glory to God.“ 99 Vgl. dazu die Überlegungen von J. Kruger, a. a. O., 130f unter der Überschrift: Christian Identity from a Deictical Perspective.

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rung“100, sondern ein – nicht notwendiger, wohl aber möglicher –101 Versuch, als christliche Kirche zu leben, als von Gott und für Gott geheiligtes Volk unterwegs zu sein.102 In diesem Sinne kann dann auch der Reformierte Weltbund 1997 formulieren, dass „unser Reformiertsein […] unser Weg, die Frage nach christlicher Identität zu beantworten“103 ist. Das Christentum wird nirgendwo und von keiner Kirche oder Gemeinschaft „pur“ gelebt oder gelebt werden können, sondern immer und überall – ob eingestanden oder nicht – nur in konfessionellen Ausprägungen.104 Das Christentum hat „in sich selbst kein Wesen […], sondern [gewinnt] sein Wesen nur im Rückverweis auf Jesus Christus, auf das Evangelium von Gottes Heil für die Welt in Jesus Christus“105, daher können mit ihm die unterschiedlichen christlichen Konfessionen als „Zeugnis- und Bekenntnisgestalten des Evangeliums“106 verstanden werden, abhängig von der Selbstvergegenwärtigung des Heiligen Gottes und sich diesem Grundgeschehen gegenüber stetig selbst relativierend.107 Diese Zeugnis- und Bekenntnisgestalten des Evangeliums werden dabei nun aber nicht aufaddiert, um zur Kirche Christi 100 Rüegger, Christliche Identität, 14, beschreibt diese Vorgehensweise konfessionelle Identität zu bestimmen als „allein aus der Überlieferung der Vergangenheit abgeleitet.“ 101 Vgl. dazu Busch, Was heißt reformiert?, der zunächst festhält, dass reformierte Kirche zuallererst christliche Kirche ist, um dann festzuhalten: „dass die Reformierten wohl eine eigene Kirche bilden können, aber nicht müssen.“ Analog wäre festzuhalten, dass die Reformierten wohl eine eigene Identität bestimmen können, aber nicht müssen; mit anderen Worten: sie hören nicht auf, Christen zu sein, wenn sie aufhören (etwa in einer Kirchenunion) explizit reformierte Christen zu sein. 102 Vgl. Vroom, On being reformed, 154: „Being Reformed is a way of being Christian (as understood in the Reformed family of churches).“ Vgl. dazu auch den Aufsatz von Buchanan, The Reformed Theological Tradition. A Way of Being Christian. 103 Opocˇenský, Debrecen 1997, Anhang 15: „Bericht der Sektion I: Reformierter Glaube und die Suche nach Einheit“, 203. Deutlicher noch im Studientext zur Vorbereitung auf die 23. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes: „As Christians, our heritage derives from Jesus Christ as witnessed in the New Testament. However, those who belong to the family of Reformed Christians come from specific historical and experiential manifestations of life in Jesus Christ.“; Réamonn, Break the Chains of Injustice, 10 (Hervorhebungen: M. E.H.). 104 Vgl. dazu Busch, Christentum und Konfession, 77. 105 Schwöbel, Das Wesen des Christentums, 83. Schwöbel schreibt weiter: „Das, was das Christentum zum Christentum macht, ist nicht im Christentum gegeben als seine allen geschichtlichen Erscheinungsformen zugrundeliegende Substanz oder als sein Kern, der unter der Schale seiner geschichtlichen Erscheinungsformen verborgen ist. Was das Christentum zum Christentum macht, ist das Evangelium vom Heil Gottes für die Welt in Jesus Christ, das durch die Selbstvergegenwärtigung des dreieinigen Gottes Glauben schafft.“ Zur Diskussion des Begriffs „Wesen des Christentums“ und seiner historischen Verwendung siehe de Jong, Identities of Christian Traditions. An Alternative for Essentialism, 11–46. 106 Schwöbel, a. a. O., 84; vgl. dort auch zum Folgenden. 107 Vgl. dazu auch Fahlbusch, Art. Konfession, 1360, der auf das sog. „konfessionelle Problem“ abschließend antwortet, „dass unter den Bedingungen menschlicher Geschichte und Möglichkeiten eine variable Konkretisierung der Heilsbotschaft Jesu als unvermeidlich gelten muss und dass die konfessionelle Differenzierung legitimiert werden kann.“

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zu werden; in jeder von ihnen existiert die ganze Kirche: „‚Konfession‘ ist nicht etwa eine Teilmenge von ‚Kirche‘, sondern zusagen ihre notwendige Form. ‚Kirche‘ existiert nicht anders als in Form von ‚Konfessionen‘, und in jeder ‚Konfession‘ existiert die ganze ‚Kirche‘“108. Reformierte Identität als Identität einer bestimmten Zeugnis- und Bekenntnisgestalt des Evangeliums ist daher konkrete, gelebte, sich weiter entwickelnde christliche Identität dieser spezifischen Gemeinschaft der Heiligen, in Zuspruch und Anspruch, Gabe und Aufgabe, Verheißung und Auftrag – wesensmäßig unfertig und unabgeschlossen als „spezifische Interpretation einer gemeinsamen [christlichen] Berufung“ und als „Wächteramt der Reformierten im Dienst der Gesamtkirche“109. Reformierte Konfession und damit reformierte Identität kann damit gleichzeitig – bei allen bereits diskutierten Vorbehalten und Schuldeingeständnissen – als Wirken des Heiligen Geistes, als Heiligung (in dem oben geschilderten Sinn) durch den Geist Christi, verstanden werden, der „in irdenen Gefäßen seine Kraft entfaltet und in ihnen sichtbar wird“110. „Reformierte Identität“ ist also in der Konsequenz weder als Widerspruch oder Ergänzung zu, noch als Teilmenge von „christlicher Identität“ zu verstehen, sondern nur als Konkretisierung derselben, auf Rechtfertigung und Heiligung angewiesen bleibend und andere konfessionelle Identitäten als vollwertigen Ausdruck christlicher Identität neben sich – kritisch – anerkennend. Konfessionen im Wortsinn und im Bezug auf die Tiefendimension der Heiligkeit, ihre Differenzen und Gemeinsamkeiten verkümmern damit auch zukünftig nicht zur bloßen „Forschungsaufgabe einer theologischen Paläontologie“111, sondern sind Ausdruck 108 Ulrichs, Wilhelm Niesel, 88; Ulrichs fasst hier Niesels Kirchen- und Konfessionsverständnis zusammen. Vgl. dazu auch das Glaubensbekenntnis (1986/1989) der GRI, Hofheinz et al., Reformiertes Bekennen heute, 89: „Wir glauben eine heilige und allgemeine Kirche, welche aus allen Auserwählten Gottes aller Zeiten besteht, und von der ein Teil jetzt in der örtlichen Kirche zusammengebracht ist. Jede örtliche Kirche muss die Wesensmerkmale dieser einen heiligen und allgemeinen Kirchen zum Ausdruck bringen.“ 109 Blaser, a. a. O., 81. 110 Sundermeier, Lutherische Identität, 49; unmittelbar vor diesem Zitat schreibt Sundermeier: „Die in den Konfessionen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Interpretationen des vorgegeben Evangeliums sind […] nicht als unangenehmes, die Wahrheit verleugnendes Phänomen zu beurteilen, nicht als ‚Identitäts Folklore‘ [sic!] anzusehen, wie unlängst Gerhard Theißen meinte, sondern Wirkung des Geistes.“ 111 So Zink, Was fangen wir heute noch mit Konfessionen an?, 28: „Wir sind in unseren Konfessionen nicht mehr zu Hause, und je länger die Zeit geht, desto weniger werden wir ihrer bedürfen. Das Zeitalter der babylonischen Gefangenschaft der Kirche in den Käfigen ihrer Konfessionen ist vorüber. Es geht um das, was ihnen vorausliegt. Die tradierten Konfessionsdifferenzen aber werden künftig eine Forschungsaufgabe einer theologischen Paläontologie sein.“ Zink ist zuzustimmen, wenn er eine rein retrospektive Konfessionsbindung ablehnt und von Gottes Zukunft mit der Kirche her aktuelle Ausprägungen von Kirche versteht; welche Formen „Konfessionen“ jedoch auch künftig annehmen werden, ohne „Konfessionsdifferenzen“ wird das Christentum auch in Zukunft nicht existieren.

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gelebter Heiligkeit dieses Teils des Volkes Gottes. Reformierte Christen und Christinnen haben demnach auch keine duale Identität,112 sie sind nicht christlich und reformiert, sondern sie gehören als In–Christus-Seiende zu eben dieser konkreten Gemeinschaft der Heiligen;113 ihre konfessionelle Identität „markiert auf welche bestimmte Weise das ursprüngliche Heilsereignis mit kontingenten Erfahrungen vermittelt ist.“114 Damit allerdings wird ein bedeutsamer weiterer Punkt berührt: so wenig wie es eine überzeitliche, a-kontextuelle christliche Identität in homogener Gestalt gibt, so wenig gibt es eine überzeitliche, a-kontextuelle reformierte Identität in homogener Gestalt; auch bei der Bestimmung reformierter Identität wird nicht von einem „gleichsam ‚ortlosen‘ Begriff von Identität“115 ausgegangen werden können: Reformierte Identität bildet sich im Oszillieren zwischen aktuellen, situativ im jeweiligen Kontext wahrgenommenen Herausforderungen, traditionellen Bindungen durch Kultur, Gesellschaft, konfessionelle Prägung und den lebendigen Bezügen auf die normativ vorgeordnete Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments. Reformierte Identität entsteht in dieser spezifischen Wechselwirkung, gleichsam im spannungsreichen Wechselverhältnis von Text und Kontext, die als Begründungs- und Entdeckungszusammenhang theologischer Erkenntnisse und Einsichten fungieren.116

Auch reformierte Identität existiert nur als pluriformes Spektrum, datiert und kontextuell, und eines der größten Verständigungshindernisse in inner- wie interkonfessionellen Dialogen beruht auf eben dieser Tatsache: was als typisch reformiert in einer südkoreanischen presbyterianischen Kirche verstanden und gelebt wird, kann sich durchaus von dem unterscheiden, was eine norddeutsche reformierte Kirche darunter versteht und lebt. Dieses Phänomen des pluriformen reformierten Protestantismus ist allerdings kein Phänomen ausschließlich der Gegenwart, sondern beruht auch auf der historischen Genese reformierter Kirchen und kann nachgerade als eine „Wesensmerkmal des reformierten Protestantismus“117 bezeichnet werden. Es ließe sich daher mit einigem Recht fragen, ob der Begriffssingular „reformierte Identität“ diesem Wesensmerkmal reformierten Protestantismus tatsächlich gerecht wird, oder ob er die de facto existierenden Differenzen, Widersprüche und Unvereinbarkeiten in Lehre und Leben 112 Wie etwa Schrotenboer, Identity and committment, 119, schreibt. 113 Vgl. dazu Brian Gerrishs Überlegungen unter dem Titel „Faith and Community“ in Gerish, Saving and Secular Faith, 54f, die er mit der Bemerkung abschließt: „We are both religious and Christian only as we pitch our tent in a particular community of believers.“ 114 Fahlbusch, a. a. O., Sp. 1364. Vgl. dazu auch die Überlegungen von Alston, The Church of the Living God, 9–15, unter dem Titel: „The Identity of the Reformed Christian“. 115 So zu Recht betont von Hofheinz/Zeindler, Was heisst eigentlich ‚reformiert‘?, 11. 116 Ebd. 117 Vgl. dazu Freudenberg, Reformierte Theologie, 13.

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reformierter Kirchen weltweit überdeckt, gar ein spezifisches, kontextuelles Verständnis reformierter Identität als das einzig gültige und wahre propagiert. Es ließe sich fragen, ob, auch und gerade aus theologischen und nicht nur phänomenologischen Gründen, nicht vielmehr von reformierten Identitäten im Plural zu sprechen sei. Ist nicht schon der im Titel der vorliegenden Untersuchung verwandte Begriff der „reformierten Identität weltweit“ ein so nicht haltbares und in der konfessionellen wie ökumenischen Verständigungspraxis hinderliches Konstrukt? Die vorliegende Untersuchung hat jedoch aufzuzeigen versucht, dass es sehr wohl möglich ist, bei aller tatsächlichen Pluriformität der reformierten Tradition und auch ihrer Bekenntnisse, doch so etwas zu finden ist „wie einen Herzschlag der Reformierten, der in allen Differenzierungen pulsiert“118, der es erlaubt, in kritischer und selbst-kritischer Weise, von der reformierten Identität auch im Singular zu sprechen. Dieser Herzschlag ist, wie besonders auch in diesem Abschnitt zum Vorschein gekommen ist, insbesondere in dem durch die interpretative Bekenntnisexegese gewonnenem Verständnis der primären Heiligkeit Gottes und der sekundären Heiligkeit des Volkes Gottes zu sehen.

5.2.2 Konfessorische119 Identität120 Im Abschnitt über „Die Kirche als bekennende Kirche“ (3.2.3) wurde oben schon beschrieben, dass reformiertem Verständnis nach die Gemeinschaft der Heiligen, die Kirche Jesus Christi, aus dem Bekenntnis Jesu Christi zu ihr kommt, und dass sie in all ihren Lebensäußerungen auf das Bekenntnis zu Jesus Christus zustrebt, als Kirche selbst anstrebt, Bekenntnis zu Christus zu sein.121 Die Gemeinschaft der 118 Ebd. 119 Ich folge hier und im Folgenden Weinrich, Openness and Worldliness, 430f und Weinrich, Reformiert ja, Konfessionalismus nein!, 201f, und ziehe den Begriff „konfessorisch“ dem Begriff „konfessionell“ vor, da letzterer häufig ausschließlich als „konfessionskirchlich“ oder „konfessionalistisch“ verstanden wird, ersterer aber die aktive Existenz der Kirche im Bekenntnis und als Bekenntnis genauer beschreibt, und daher weitaus mehr und essentielleres umfasst als eine reine Bejahung des Bekennens. Es werden hier jedoch zur Diskussion auch Argumente herangezogen, die selbst den Begriff „konfessionell“ (bzw. confessional im Englischen) benutzen, wenn ihre Bedeutung dem entspricht, was ich hier unter „konfessorisch“ verstehe. 120 Wie im Folgenden zu sehen sein wird, ist der hier diskutierte Begriff der „konfessorischen Identität“ jedoch nicht mit seiner Verwendung vor allem im interreligiösen Dialog gleichzusetzen, der in der Hauptsache auf eine individualisierte Prägung konfessioneller Aussagen abhebt; vgl. dazu z. B. Kuhlmann, Konfessorische Identität als Gestalt religiöser Differenz, 137. 121 Das gilt selbstredend auch für die einzelne Christin, den einzelnen Christen, wie etwa Frage 32 des Heidelberger Katechismus verdeutlicht: „Warum aber wirst Du ein Christ genannt? – Weil ich durch den Glauben ein Glied Christi bin und dadurch an seiner Salbung Anteil habe, damit auch ich seinen Namen bekenne“.

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Heiligen hat kein Bekenntnis, sondern lebt ihr Bekenntnis;122 ihre Natur und ihre Existenz sind somit wesentlich und unabdingbar konfessorisch.123 Bei aller Betonung der Kirche als Empfängerin des erwählenden Zuspruches und Heilshandelns Gottes gilt immer auch: „Es reicht nicht, sich angesprochen zu wissen, den Zuspruch zu hören, sondern es muss auch geantwortet werden, es gilt auch den Anspruch zu vergegenwärtigen. […] Diese Antwort ist das Bekenntnis, ohne das die Kirche zu einer stummen und leblosen Kirche wird.“124 Kirche als Gemeinschaft der Heiligen unterscheidet sich also von allen anderen Gemeinschaften „by ist being addressed by and its making public of this Word who is gospel.“125 Die Heiligkeit der Kirche ist damit kein Schatz der Kirche, nicht ihr Besitztum, keine Auszeichnung ihrer Glieder, sondern die Beauftragung zur in Wort und Tat bekennenden Heiligkeit, vor Gott und aller Welt. Reformierte Kirchen verstehen diese ekklesiologische Bestimmung als grundlegendes Merkmal ihrer Identität, als das worauf sie sich beziehen und wodurch sie erkannt werden: „Was heißt das aber anderes, als dass die reformierte Tradition vor allem daraus erkannt werden kann, wie die reformierten Kirchen das Evangelium heute bekennen. […] Ihre Identität wird durch den Akt des Bekennens selbst bestimmt.“126 Die Gemeinschaft der Heiligen erhält ihre Identität nicht durch ihr Bekennen; ihr Bekennen selbst ist ihre Identität.127 Dieses Verständnis der Identität der Heiligen in ihrem Bekennen und Bekenntnis bringt Michael Weinrich in seinen Überlegungen zu reformierter Identität zugespitzt auf den

122 Vgl. Weber, Dogmatik 1,, 39: „Die Gemeinde ‚hat‘ nicht – gleichsam akzidentell – ein Bekenntnis, sondern sie bekennt, ja sie ‚ist‘ in ihrem Bekenntnis, was sie ist.“ Wethmar, Confessionality and Identity, 137 formuliert diesen Sachverhalt wie folgt: „Confessionality reflects the manner in which the church exists.” 123 Die Presbyterian Church (USA) verabschiedete auf ihrer 198. General Assembly (1986) ein sehr hilfreiches Dokument mit dem Titel „The Confessional Nature of the Church“, in dem viele der hier behandelten Aspekte angesprochen werden. 124 Weinrich, Reformiert ja, Konfessionalismus nein!, 198 (Hervorhebungen im Original). 125 Goroncy, Semper Reformanda, 50 (Hervorhebungen im Original). 126 Vischer, Auftrag, 19 (Hervorhebung im Original). Vischer fährt fort: „Die Frage ist also wie die reformierten Kirchen die Herrschaft Christi über die Kirche und die Welt durch ihr Leben und ihr Zeugnis heute bezeugen.“ Vgl. dazu auch Muller, Confessing the Reformed Faith, o.S.: „Our Reformed identity depends on our willingness to declare our confessions and in doing so to confess the faith.“ 127 Fries, Confessing is Identity, 5, formuliert prägnant in seinen Reflektionen über den vierjährigen Identitätsbestimmungsprozess der Reformed Church in America: „Confessing does not lead to identity; confessing is identity!“ Vgl. auch a. a. O., 6: „Our forebears in the Reformed tradition knew that confessing confers identity. To be a Reformed Christian has, from the beginning, meant confessing! […] I stress the action of ‚confessing the confessions,‘ for these statements were not static, quasi-legal documents intended to test orthodoxy but were vehicles for expressing a full-bodied and robust faith.” (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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Punkt, wenn er schreibt: „One may say: Reformed identity consists in being a confessing church.“128 Identitätsfindung darf allerdings in diesem Kontext nicht als konfessionalistische Bestimmung missverstanden werden; weil die Identität der Kirche exzentrisch in Jesus Christus begründet liegt,129 „kann [es] sich nicht darum handeln, die Identität der reformierten Kirchen im Unterschied oder gar im Gegensatz zu anderen Kirchen zu bestimmen. […] Die Frage ist vielmehr, wie wir als die reformierten Kirchen, die wir sind, unsere Identität in Christus erfassen, bewähren und zum Ausdruck bringen.“130 Daraus folgt, dass reformierte Identität nicht vorschnell durch die Definition etwa einer spezifisch reformierten Lehre bestimmt werden kann, sondern dass „auf die Bewegung hingewiesen wird, in der sich die reformierte Tradition ständig befindet“131; auf ihr kontinuierliches Bekennen zu jeder Zeit und an jedem Ort.132 In diesem fortwährenden Prozess bekennt die Gemeinschaft der Heiligen als communio viatorum133 die Königsherrschaft Christi und gibt Gott allein die Ehre; ihre konfessorische Existenz ist eine Auslegung des Soli Deo Gloria in Wort und Tat, während sie gleichzeitig Gott um die Heiligung aller ihrer Unternehmungen bittet. Im Umkehrschluss gilt, 128 Weinrich, Reformed Identity, 157. Vgl. dazu auch Weinrich, Kirche bekennen, 38: „Die Existenz als bekennende Kirche rangiert über ihrem Selbstbewusstsein als Bekenntniskirche, d. h. ihr konfessorisches Ereignis – ihre bekennende Lebendigkeit – steht über der konfessionellen Identität.“ 129 Siehe dazu den folgenden Abschnitt. 130 Vischer, Reformierte Identität in Europa, 330. Zusammenfassend beschreibt Weinrich, Reformiert ja, Konfessionalismus nein!, 20, die hier aufgeführten Aspekte einer „konfessorischen Kirche“ und damit auch einer konfessorischen Identität, wenn er diese wie folgt definiert: Sie ist „eine Kirche, die für ihr besonderes Zeugnis auf dem Weg ist; die sich immer wieder neu um die Klarheit ihres Grundes und ihres Zieles sorgt; eine Kirche, die sich nicht einfach in einer Definition fassen lässt, sondern die nur existenziell beschrieben werden kann; – die immer wieder neu versucht, aus dem Hören des biblischen Zeugnisses zu ihrer eigenen Antwort zu finden; – die nicht stumm an den Ereignissen ihrer Zeit vorbeigeht, sondern sich eben in ihnen als lebendig erweist, indem sie unsere unerlöste Wirklichkeit in das Licht von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi stellt. […] Konfessorische Kirche ist die Kirche der Königsherrschaft Jesu Christi.“ Kurz darauf präzisiert Weinrich, a.a.o., 202: „Für diese […] Kirche können wir auch sagen: die reformierte Kirche, denn dieses Verständnis von Kirche kommt aus der reformierten Tradition.“ 131 Vischer, Auftrag, 19. Vischer verweist an dieser Stelle auch nachdrücklich und zu Recht auf einen möglichen Missbrauch des Verweisens auf die „Bewegung“: „Heißt das nicht, sich der bedrängenden Frage [nach einer reformierten Identität] entziehen? Die berühmte, an sich richtige reformierte Formel ‚ecclesia reformata semper reformanda‘ wird ja oft auf diese Weise missbraucht. Sie wird von reformierten Christen dann angerufen, wenn sie keine Antwort haben; sie ersetzt als Prinzip die Reformen, die in den eigenen Reihen vorzunehmen wären. Es wäre darum gut, ein Moratorium in der Benützung der Formel auszurufen, bis größere Klarheit darüber erreicht ist, was die reformierten Kirchen in Tat und Wahrheit heute zu sagen haben.“ 132 So auch Buchanan, The Reformed Tradition, 46. 133 Siehe oben Abschnitt 3.2.

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dass eine Kirche, die diese Bewegung aufgibt, die ihre Identität nicht aus der wesenhaft und kontinuierlich konfessorischen Existenz heraus versteht und lebt, sondern retrospektiv eine tradierte, konfessionalistische Identität, einen Bekenntnis-„Stand“ etwa, zu bewahren und zu beschützen sucht, dem Auftrag der Gemeinschaft der Heiligen dem hier erarbeiteten reformiertem Verständnis nach nicht gerecht wird.134 Das Gegenteil kann zutreffen, gerade auch in Bekenntnissen, die aus Kirchenunionen erwachsen; in diesen (und anderen) Fällen kann aktuelles Bekennen als gehorsamer Akt der Selbst-Enteignung gar ein Risiko für tradierte, institutionelle Identitätsbestimmungen darstellen: Christ’s call interrupts the church’s existence, disturbs its institutional forms, shatters its denominational identity. […] Confession is thus an act of self-dispossesion. In obedience to Christ, the churches show that they are willing to be divested even of their own hard-won identity.135

Calvin hatte in seinen Epistolae Duae von 1537 geschrieben, dass „vera pietas veram confessionem parit“136; eine Aussage, die in reformierter Theologie gerne und häufig wiederaufgenommen wurde. Der konfessorischen Existenz des Volkes Gottes wird damit eine weitere grundlegende Eigenschaft zugewiesen: Leben und Glauben der Kirche finden stets im Modus des Bekennens statt; pietas und Orthodoxie sind nicht voneinander zu trennen, sondern gerade im und durch das Bekenntnis miteinander verbunden und bestimmen die Identität der Gemeinschaft der Heiligen.137 Anders formuliert: konfessorische Identität spiegelt sich nicht allein in Bekenntnisdokumenten wider, sondern kommt aus der Frömmigkeit der Kirche und bestimmt die Frömmigkeit der Kirche. Bekennen ist damit nichts, was der Kirche von außen aufgezwungen werden würde; im Gegenteil, der Charakter des christlichen Glaubens kann nur in seiner spontan assertorischen Dimension recht verstanden werden.138 Dieser konfessorische Charakter christlichen Glaubens, christlicher Theologie aus reformierter Per-

134 Vgl. dazu Weinrich, Openness and Worldliness, 433. Link, Reformierte Identität, 348, kann in diesem Zusammenhang gar die Bereitschaft zum aktuellen Bekennen als raison-dêtre reformierter Kirchen bezeichnen und zieht daraus ebenfalls die Konsequenz, dass Identität nur auf dem Wege, also in der Be-weg-ung, zu gewinnen sei (a. a. O., 350). 135 Myers, Indigenous Australians and the Church’s confession, 40 (Hervorhebungen: M. E.H.). 136 Calvin-Studienausgabe, Bd. 1.2, 280 (281: „Echte Frömmigkeit führt zu echtem Bekennen.“). Kurz vorher hatte Calvin in seiner Auseinandersetzung mit den sog. Nikodemiten in Bezug auf Christi Anordnung in Lk 9:26 festgehalten: „Ut si vera cordis pietate eius amplexi sunt doctrinam, eam ipsam cordis pietatem externa professione declarent.“ („Wer daher seine Worte mit wahrer, von Herzen kommender Liebe annimmt, muss diese Liebe auch durch ein äußerliches Bekenntnis öffentlich zu erkennen geben.“) 137 Vgl. dazu Willis, Barmen, 237. 138 Vgl. Bühler, Bekennen, 20f.

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spektive139 und der Kirche liegt begründet in der Natur Gottes und in der Natur der Gemeinschaft der Heiligen, in ihrer Reflexion der Heiligkeit des Heiligen Gottes, indem sie zum Bilde Gottes erschaffen und durch den Heiligen Geist geheilt, geheiligt und wiedergeboren wurden.140 Indem nun aber reformierte Identität nur in ihrer konfessorischen Dimension verständlich und beschreibbar ist, wird gleichzeitig ein zweiter Aspekt dieser Identität deutlich: das Bekenntnis verweist immer von sich und der bekennenden Kirche weg, hin zu dem zu Bekennenden, auf den Heiligen Gott, auf das unvereinnahmbare Zentrum, das außerhalb ihrer Selbst liegt, mit dem sie aber durch das Band der Heiligkeit verbunden ist.

5.2.3 Ex-zentrische, deiktische und pneumatologische Identität Immer wieder wurde in der bisherigen Diskussion des Bekenntnisverständnisses in der reformierten Tradition der theozentrische Charakter von Kirche und damit zusammenhängend der theozentrische Charakter des Bekenntnisses sowie reformierter Hermeneutik in ihrer Kontinuierlichkeit und ihrem Gehorsam betont. Dieser Theozentrik nun entspricht spiegelbildlich das Verständnis einer dreifach ex-zentrischen Identität der Gemeinschaft der Heiligen: sie bekennen ihre Grundlegung, wie ihre Erhaltung und eschatologische Erfüllung als in Gott und nicht in sich selbst verwurzelt und begründet.141 Die Betonung der Heiligkeit und Souveränität Gottes führt zu einer Identität, die auf das Vertrauen in eben diesen heiligen und souveränen Gott und sein Handeln in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beruht.142 Nur in diesem ex-zentrischen143 Vertrauensver139 Zum konfessorischen Charakter reformierter Theologie vgl. insbesondere Moltmann, Theologia reformata, 159; Gerrish, Saving and Secular Faith, 60, und Dempsey Douglass, What is „Reformed Theology“?, 7. 140 Vgl. Migliore, The Communion of the Triune God, 143: „Just as the triune God is eternally communicative rather than solitary and silent, so human beings created in the image of God are meant for communication and fellowship. There can be no genuine fellowship where truth is ignored or withheld from others. Hence, from a Reformed perspective, to be a Christian is to be ‚a confessing Christian in a confessing community‘.“ Migliore zitiert hier Barth, KD IV/1, 779. 141 So schon die Frage 54 des Heidelberger Katechismus: „Was glaubst Du von der ‚heiligen allgemeinen christlichen Kirche‘? – Ich glaube, dass der Sohn Gottes aus dem ganzen Menschengeschlecht sich eine auserwählte Gemeinde zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort in Einigkeit des wahren Glaubens von Anbeginn der Welt bis ans Ende versammelt, schützt und erhält und dass auch ich ein lebendiges Glied dieser Gemeinde bin und ewig bleiben werde.“ 142 Vgl. dazu etwa Buchanan, a. a. O., 47. Pannenberg sieht, mit Luther, in diesem exzentrischem Vertrauensverhältnis das Wesen des christlichen Glaubens: „Die christliche Identität hat eine exzentrische Struktur: Der Christ ist ‚extra se in Christo‘. Damit ist nur gesagt, was schon im Begriff des Glaubens liegt: Glaube als Vertrauen bedeutet, ‚sich zu verlassen‘ auf

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hältnis, das extra nos begründet ist und das in die Verehrung Gottes führt, kann die Kirche wie der einzelne Christ, die einzelne Christin, reformiertem Verständnis nach leben und bekennen.144 Das Verständnis der Ex-zentrizität der Kirche als einem Aspekt des extra nos der Rechtfertigungslehre bewahrt in diesem Zusammenhang auch vor einer möglichen Fehldeutung des Begriffes: zwar ist die Gemeinschaft der Heiligen nicht in sich selbst begründet,145 wird nicht durch ihr Tun erhalten und erreicht auch eschatologische Erfüllung nicht durch eigene Anstrengungen, alles wird ihr von außerhalb ihrer selbst aus Gnade geschenkt – aber, und das ist bedeutsam, dieses „außerhalb ihrer selbst“ ist doch gerade in ihrem (wahrem) Zentrum lokalisiert, in Jesus Christus, ihrem Haupt und Herrn, dem Heiligen Gottes, mit dem sie durch das Band der Heiligkeit verbunden sind. Reformierte Identität verstanden als ex-zentrische, sich in Christus verortende Identität bezieht sich dabei auf das ganze in der Schrift bezeugte Christusgeschehen und seinen „Nutzen für uns“146, nicht allein – wie oftmals verkürzt und dadurch verfälscht – allein auf Christi Lehren und Vorbild.147 Es gilt damit also für reformierte (als christliche) 148 Identität jenes Referenzkriterium, das Christoph Schwöbel in seinen Überlegungen zur „referenti-

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das, worauf wir vertrauen.“; Pannenberg, Identität und Wiedergeburt, 610. Durch dieses vertrauensvolle „extra se“ des Glaubens, so Pannenberg, Anthropologie, 68, „machen wir unser Dasein abhängig von dem, worauf wir uns verlassen.“ Der Begriff wird hier in Anlehnung an Barths Verständnis der christlichen Existenz als exzentrisch gebraucht; vgl. dazu insbesondere die Diskussion bei Johnson, The Mystery of God, 176–183, der unter der Überschrift „Ec-centric Existence and the Centrality of Hope“ Barths Verständnis erläutert. So schließen Ott/Otte/Balser ihre Systematische Theologie „Die Antwort des Glaubens“ mit den folgenden Sätzen ab: „Der Mensch existiert gewissermaßen ‚exzentrisch‘, er erkennt sich (mitsamt seiner Welt) als das Wesen, welches das Zentrum seiner Wirklichkeit nicht in sich selbst, sondern gleichsam außerhalb seiner selbst hat. Theologisches Denken holt sich also selber, seinen ersten Grund, nämlich die Gotteserfahrung im Glauben, wieder ein mit dem Satz […]: Soli Deo Gloria! Gott allein die Ehre!“ (a. a. O., 519). In diesem Sinne betont Cornick, Letting God be God, 153: „The Church is not defined in terms of doctrine or structure, but of the activity of God in Word and sacraments.“ So der Heidelberger Katechismus, der in den Fragen 36, 43, 45, 49 und 51 ganz konkret nach dem Nutzen der einzelnen, vom Apostolikum umschriebenen Aspekte des Christusgeschehens für die Gläubigen fragt. Gerrish, der die Souveränität der Gnade als Schwerpunkt reformierter Theologie gerade angesichts eines in Nordamerika vorherrschenden „homespun Pelagianism“ betont, hält fest: „Other symptoms of Pelagianism, broadly conceived, appear wherever the church […] seeks to rally the resources within us rather than pointing us to the resources outside us, or misconstrues the resources – as though they lay only in Christ’s teaching and example, not in his victory over sin and death and his power to heal our sickness.” Sovereign Grace, 56 (Hervorhebungen: M. E.-H.). Ähnlich formuliert etwa Bayer, Zugesagte Gegenwart, 162 im Blick auf Luthers Christologie: „In Christus geschieht eine radikale Sprach- und Denkveränderung […]: ‚Mensch‘ heißt nun nicht mehr autark-selbständiges, unvertretbares Individuum, sondern auf extra nos angewiesenes, exzentrisch-kommunikativ konstituiertes Wesen.“

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ellen Identität des Christentums“149 im religiösen Pluralismus beschrieben hat: „Das Wesen des Christentums besteht darin, dass das Christentum in sich selbst kein Wesen hat, sondern nur im Verweis auf Jesus Christus.“150 In der unio cum Christo, in der sich die Gemeinschaft der Heiligen wiederfindet, findet sie ihre Identität, indem sie auf den verweist, der sich bereits mit ihr identifiziert hat.151 Ein ex-zentrisches Verständnis christlicher Identität will also verdeutlichen, dass eine solche Identitätsbestimmung zwar immer menschliches Konstrukt ist, gleichzeitig aber auch nachzuzeichnen versucht, was Identität als Gottes Gabe und Aufgabe in Christus bedeutet. Damit verweist ein solches ex-zentrisches Verständnis christlicher Identität auf die epistemologische Relevanz der Rechtfertigungslehre, indem es daran erinnert, dass kein menschliches Konstrukt, wie es ja auch die theologische Bestimmung reformierter Identität darstellt, die Wahrheit in sich birgt, sondern nur auf Christus als die Wahrheit Gottes verweist,152 unter dessen Richterspruch auch und gerade das Selbstverständnis der Gemeinschaft der Heiligen steht.153 Der Begriff ex-zentrisch weist dabei nicht auf eine Trennung zwischen dem Heiligen Gott und seinem Volk hin, sondern verweist vielmehr auf ihre essentielle, in Christus gegebene Zusammengehörigkeit in Heiligkeit. Konfessorische und ex-zentrische Identität der Kirche sind hier miteinander verbunden, denn die Kirche ist umso mehr bekennende Kirche, wie sie sich ausdrücklich und merklich ausrichtet auf den, der das Zentrum des christlichen Glaubens ist, nicht weil das gewisse Leute in ihr als für sie wichtig ausgesucht hätten, sondern weil das ihnen von Gott zur Mitte des Glaubens gemacht worden ist.154

In diesem Sinne kann damit von der christlichen Identität als einer deiktischen Identität155 gesprochen werden, die immer über sich und alle ihre Lebensäußerung hinaus auf das außerhalb ihrer selbst liegende Zentrum im Heiligen Gott verweist. Wenn Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis, Selbstverständnis und Gottesverständnis für die Gemeinschaft der Heiligen nicht voneinander zu trennen sind, dann kann ihre Identität nicht ohne diesen exzentrischen und deiktischen Aspekt verstanden und bekannt werden. Darin besteht ja gerade ihre 149 Schwöbel, a. a. O., 83 (Hervorhebung: M:E.-H.). 150 A.a.O., 82f. Vgl. auch Schwöbels Zusammenfassung seines Interpretationsvorschlages a. a. O., 83f. 151 Vgl. Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 23: „Christliche Identität lässt sich nur als Akt der Identifizierung mit dem gekreuzigten Christus verstehen, weil und sofern einen die Verkündigung erreicht hat, dass in ihm Gott sich mit den Gottlosen und Gottverlassenen identifiziert hat, zu denen man selbst gehört.“ 152 Vgl. dazu Torrance, The Distinctive Character of the Reformed tradition, 14. 153 Vgl. dazu Kap. 4.4.2. 154 Busch, Credo, 35 (Hervorhebung im Original). 155 Vgl. dazu J. Kruger, a. a. O., 130f.

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Heiligkeit, dass sie auf den Heiligen Einen verweist, denn „holiness is not selfachieved perfection but a pointing to the perfect reality of the holy God“156 – und dazu wurden sie vom Heiligen Geist geheilt und geheiligt, gesalbt und gesandt.157 Das gesamte Leben der Gemeinschaft der Heiligen wird auf diese Weise, so wie das Bekenntnis als eine seiner Ausdrucksformen, zum Lobpreis und zur Verkündigung des Heiligen Gottes, erhält einen „extrospective, God-ward character, in recognition of its empowerment by the grace of God in Christ“158. Gemeinschaft der Heiligen, Bekenntnis und Identität einigt ihr gemeinsamer Wesenszug im Verhältnis zum Heiligen Gott und seiner Offenbarung; alle drei verstehen sich als selbst als „Bekennend-nicht-das-Bekannte, als Zeigend-nicht-das-Gezeigte.“159 Ex-zentrische und deiktische Identität ist also im Prinzip als absolutes Ernstnehmen des Soli Deo Gloria zu verstehen, als Vertrauen auf diesen reformierten Grundsatz in allen Bereichen christlicher Existenz. Gleichzeitig wird damit betont, dass diese ex-zentrische und deiktische Identität kein allein der reformierten Tradition inhärentes Charakteristikum ist, erwächst sie doch aus dem Bekenntnis zu Jesus Christus als der Priorität aller Prioritäten160, und kann als solche nie einer einzigen Tradition inhärent werden. Christliche Existenz und Identität ist dementsprechend „not self-centered but God-centered“161, mit der weitreichenden Konsequenz, dass alle anderen Zentren von dem einen göttlichen Zentrum als „ever disturbing center“162 her in Frage gestellt und relativiert werden müssen. Mit Hilfe der theologischen Begrifflichkeit des vorangegangenen Kapitels und der dort vorgenommenen interpretativen Bekenntnisexegese formuliert: es ist die Heiligkeit Gottes in seiner Gnade163, die das Zentrum christlicher Identität bildet, die dieses Zentrum zur nicht usurpierbaren Quelle und gleichzeitig stetigen Infragestellung aller menschlichen Identitätskonstruktionen macht. Weil Gott der Heilige Gott ist, ist die Identität der Heiligen Gottes außerhalb ihrer selbst verankert, während sie gleichzeitig durch die heilende und heiligende Liebe bestimmt, geformt, gerichtet und er156 Webster, Holiness, 100. Vgl. ebd: „The Church’s holiness is thus always an alien sanctity: gift, not possession; grace, not achievement. It is, moreover, visible in the primary act of the Church, which is confession – that is, acknowledgement or recognition of the sheer majesty, transcendent worth and goodness of God.“ 157 Vgl. Our World Belongs to God (2008) der CRC in Nordamerika, 10: „Anointed and sent by the Spirit, the church is thrust into the world […] pointing to the reign of God with what they do and say.“ 158 Tanner, Jesus, Humanity and the Trinity, 61. 159 Reichel, Theologie als Bekenntnis, 266. 160 Vischer, Ecumenical Commitment, 266: „Jesus Christ as the priority of all priorities.“ 161 So die Formulierung von Johnson, The Mystery of God, 176. 162 Migliore, Spirit, 355. 163 Vgl. ebd.: „The spirit of Reformed faith has its ever disturbing center in the awesome holiness and grace of God incarnate in Jesus Christ the servant Lord and active by his Spirit in the renewals of all thing.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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neuert ist. Zusammenfassend gesagt: die Identität der Gemeinschaft der Heiligen kann weder in Begründung noch in Ausrichtung eine „ekklesiozentrische“ Identität sein, weil die Gemeinschaft der Heiligen eben „von Hause aus eine ‚exzentrische Gemeinschaft‘ [ist] oder sie ist keine wahre Kirche.“164. Auch die im vorhergehenden Abschnitt diskutierte „kontinuierliche Hermeneutik“ der reformierten Tradition liegt in dem hier geschilderten Sinne im ex-zentrischen Charakter reformierter Identität begründet. Sie ermöglicht und erfordert sogar ein kritisches Fragen gegenüber den Inhalten der eigenen theologischen Identität, und zwar insbesondere dann, wenn der ex-zentrische Aspekt aller Theologie und aller theologischen Identität verloren zu gehen droht, „immer dann und immer dort, wo theologische Tradition gegen den Grund theologischer Identität, nämlich der Selbigkeit Gottes, immun zu machen droht.“165 Reformierte Theologien verstehen so ihren Auftrag darin, jede – auch und gerade die eigene – Annektierung oder Anpassung, Sakralisierung oder Säkularisierung dieses extra nos ihrer Begründung und ihres telos kritisch aufzuzeigen und ihnen zu wehren.166 Diese von Gott je neu geschenkte Re-Zentralisierung kann in ihrer konfessorischen und ex-zentrischen Bestimmung dann gerade auch mit Bezug auf die Suche nach der eigenen, individuellen wie kollektiven Identität als Befreiung erfahren werden.167 Gleichzeitig ist aber auch nachdrücklich zu betonen, dass diese exzentrische Identität der Gemeinschaft der Heiligen, begründet in und ausgerichtet auf Christus, den Heiligen Gottes, nicht zu einer Entfremdung von sich selber führt. Das Identitätszentrum und –telos liegt zwar außerhalb der Gemeinschaft und des einzelnen Gläubigen, durch das Wirken des Heiligen Geistes jedoch werden Gemeinschaft wie auch die Einzelnen 164 Lochman, Glaubensbekenntnis, 168. 165 Ebd. (Hervorhebungen: M:E.-H.) . 166 So Kraus, Systematische Theologie, 114. Welker, Reformierte Theologie heute, 323, zeigt in seiner Beschreibung des theologischen Realismus der reformierten Theologie das Zentrum und den Horizont dieser so verstandenen ex-zentrischen Identität auf, wenn er schreibt: „Nicht ein Prinzip, nicht eine Denkfigur, nicht eine Lehre, nicht einmal ein Gottesgedanke oder ein Glaubenssatz, sondern Gott selbst, Gottes sich selbst zur Geltung bringende Wirklichkeit – das ist der Anfang und das Ende, das Zentrum und der Horizont, von dem her die reformierte Theologie und die nach Gottes Wort reformierten Kirchen immer erneut ihre Orientierung, ihre Weisung und ihre Befreiung empfangen.“ Für den Kontext afrikanischer Christinnen formuliert die reformierte, ghanaische Theologin Frimpong, The Quest for African Christian Women’s Identity, 441, diesen exzentrischen, und damit kritischen und befreienden Charakter christlicher Identität in Christus: „African Christian women find their identity in Christ, who they have recognized and experienced as the eternal Word of God, liberator, and the hope of the whole world – African culture inclusive.“ 167 Vgl. dazu Witvliet, Christian Identity, 179: Christliche Identität „is not to be found somewhere in the depth of their [the Christians’] soul, but outside themselves, hidden in Christ. They are set free by their faith not to worry too much about their own identity.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.).

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an dieses Zentrum in Christus angebunden und partizipieren an ihm. In dieser Partizipation, in Rechtfertigung und Heiligung, werden Gemeinschaft wie Einzelne durch den Heiligen Geist dem Bilde Christi gleich neugeschaffen, durch den vom Geist gewirkten Glauben in Christus verankert, gewinnen ihre eigentliche Identität, die auch die Selbstannahme ermöglicht.168 Die Gemeinschaft der Heiligen wird durch den Heiligen Geist, was sie bereits vor und bei Gott ist; ihre wirkliche und eigentliche Identität ist dabei „keine statische, sondern eine dynamische Wirklichkeit, die in der Dynamik des Wirkens des Geistes Christi verwurzelt ist.“169 Ebenso sind auch der konfessorische und deiktische Charakter der Identität der Heiligen nicht abgesehen vom Wirken des Heiligen Geistes zu verstehen; in dieser Zentralität des Wirkens des Heiligen Geistes in Bezug auf die Identität des Volkes Gottes könnte tatsächlich mit Berechtigung von (reformierter) Identität als einem pneumatologischen Konzept gesprochen werden,170 von der reformierten Tradition als einer Tradition des Heiligen Geistes.171

5.2.4 Missionale Identität172 Dass die Sendung der Gemeinschaft der Heiligen zu ihrem Wesen gehört, wurde bereits in einem vorangegangenen Kapitel ausführlich erarbeitet, und wird bei den folgenden Überlegungen vorausgesetzt. Der in diesem Abschnitt verwandte Begriff der missionalen Identität umfasst nun zweierlei: zum einen verweist er zurück auf den Heiligen Gott und seine Erwählung und Berufung der Gemeinschaft der Heiligen, die für diese das Grundmoment ihrer Selbstverständnisses darstellt.173 Zum anderen wird selbst der Versuch, die eigenen Identität als Antwort auf Gottes Erwählung und Berufung zu bestimmen, unter missionalen Vorzeichen verstanden: Die Beschäftigung mit der eigenen Identität als Gemeinschaft der Heiligen, als diese oder jene reformierte Kirche vor Ort, als Ge168 169 170 171

Vgl. dazu Sundermeier, a. a. O., 47. Van der Kooi, Oepke Noordmans, 49. Vgl. a. a. O., 50. So Jensen in seinem Beitrag „Reformed and Always Being Reformed. A Tradition of the Spirit?“ 172 „Missionale Identität“ wird im Folgenden analog zum im englischsprachigen Bereich verwandten Begriff „missional identity“ verwandt; vgl. dazu grundlegend Guder/Barrett (Hg.), Missional Church. 173 Vgl. dazu z. B. Hardmeier, Kirche ist Mission, 16: „Mission ist […] nichts anderes als die Identität der Kirche selbst. Kirche ist Mission. Ihr Einsatz für gerechte Verhältnisse in der Welt, ihre dienende Zuwendung zu bedürftigen Menschen in ihrem Umfeld, das Gebet für die eigene Stadt oder das Dorf, die Verkündigung des Evangeliums auf verständliche Weise – all das ist ihre Mission. […] Dieses umfassende Missionsverständnis hat neue Begriffe und Konzepte hervorgebracht. Der Begriff ‚missionale Kirche‘ wird zur Umschreibung eines solchen ganzheitlichen Missionsverständnisses verwendet.“

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meinschaft reformierter Kirchen regional und global, ja, selbst die Beschäftigung mit dem Proprium reformierter (kirchlicher wie akademischer) Theologie an sich ist nicht Selbstzweck, sondern in die Teilhabe der Kirche an der missio Dei einzuordnen. Mit anderen Worten: die Bestimmung einer eigenen kirchlichen Identität hat Gottes Ziel und Heilsplan mit der Welt als seiner geliebten Schöpfung zu dienen, nicht der Sicherung und Bewahrung vermeintlicher Schätze der Kirche. Wenn die Heiligkeit Gottes in ihrem Zentrum eine missionale Heiligkeit in der Einheit von Gottes Liebe ist,174 in welcher der Vater den Sohn sendet, in welcher der Heilige Geist von beiden gesandt wird,175 dann kann die Reflexion dieser Heiligkeit Gottes in der Gemeinschaft der Heiligen gleichfalls nur eine missionale Heiligkeit sein. Die Kirche hat damit nicht eine Mission, sondern ist in allen ihren Lebensäußerungen Mission.176 Diese missionale Identität der Gemeinschaft der Heiligen ist dabei eine umfassende, holistische Identität in einem vierfachen Sinne: (a) wie bereits erwähnt umfasst sie alle Lebensäußerungen der Kirche in Zeugnis, Gemeinschaft und Dienst; (b) sie umfasst alle Lebensbereiche der Menschen, die gesamte Menschheit und die von Gott geliebte Schöpfung;177 (c) sie radikalisiert das Konzept des Priestertums aller Gläubigen, indem sie es zu Aufgabe jeder einzelnen Christin, jedes einzelnen Christen macht, sich als Teil dieser Mission der Kirche zu verstehen und zu leben;178 und (d) sie versteht sich als katholisch in dem Sinne, als dass es ihr ausschließlich um Gottes Mission für die und in der Welt geht, nicht um eine Form von Parochialismus und Konfessionalismus.179 Der Sektionsbericht Reformed Identity, Theology and Commu174 Vgl. dazu die Überlegungen von Langford in seinem Beitrag Holiness and Mission. 175 Vgl. dazu unter anderem auch die Texte der 6. Vollversammlung der GEKE von 2006 Gemeinschaft gestalten. Evangelisches Profil in Europa, hg. von Hüffmeier/Friedrich, 24f, die sich mit einer missionalen Identität der Kirchen in Europa beschäftigen: „Gottes Liebe zu uns Menschen bringt ihn selbst in Bewegung: Der Vater sendet den Sohn, Vater und Sohn senden den Geist. Die Kirche Jesu Christi entsteht und lebt dadurch, dass der Heilige Geist, wo und wann Gott will, in denen, die das Evangelium von Jesus Christus hören, immer neu den Glauben wirkt. Sie entspricht ihrem Wesen, indem sie Gottes Liebe den Menschen in ihrem jeweiligen Kontexten und in ihren konkreten Lebenssituationen glaubwürdig ausrichtet.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Vgl. auch a. a. O., 24f, 38, und besonders 40f unter dem Stichwort „Die GEKE als missionale Kirchengemeinschaft“. 176 Vgl. Anderson, Crisis, 8f; und auch Leith, Evangelism, 13: „In classical Reformed theology, evangelism was not an identifiable, discrete activity of the church. It was the total life of the church. Today certain particular activities may be called evangelism for the sake of convenience, but for Reformed theology and ecclesiology any such activity must be integral to the whole life of the church.“ 177 Vgl. dazu His Holiness Aram I, Missio Dei, 21. 178 Vgl. Anderson, a. a. O., 10: „Missional thinking also encourage disciples to see their ministry not in terms of service to the church, but in terms of being sent into the world. One’s work life, family life, recreational life, and community life all become the forms of discipleship and redefine the meaning and boundaries of ‚church‘.“ 179 Vgl. dazu His Holiness Aram I, a. a. O., 20.

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nion der Vereinigungsversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in Grand Rapids von 2010 nimmt Aspekte dieses holistischen Verständnisses der missionalen Identität der Gemeinschaft der Heiligen auf, wenn er missionale Identität explizit auf reformierte Identität bezieht und festhält: The Section agreed that the churches’ response to God’s mission is, and must continue to be, at the heart of WCRC. The missional identity and engagement of the churches and of our communion is the raison d’être (reason for being) of WCRC, is essential to its Reformed identity, and therefore, must be reflected in its structures, use of resources and programmatic actions. […] To own our Reformed identity is to express appreciation for God’s gift of grace. At the same time, it evokes a commitment to strive tirelessly by God’s grace to become more and more the communion that God calls us to be. Embracing God’s sovereign love, manifested in the call of Christ, we are compelled to express spiritual and social solidarity with those who suffer injustice and brokenness in this world (Am 5.24; Mic 6.8). The gracious sovereignty of God reminds us that God lovingly claims this whole world as God’s own. That recognition energizes our carrying out of our calling in God’s mission (Mat 28.18–20). It encourages us to develop our intellect and skills in all areas of life to be a light in a dark world (Mat 5.16).180

Indem die missionale Identität der Gemeinschaft sich auf den gekommenen und kommenden Christus bezieht, versteht sie sich simultan als eine Identität zwischen den Zeiten, verbindet das Zeugnis des Christusgeschehens mit der eschatologischen Hoffnung auf die Wiederkehr Christi, und ist damit in sich selber unabdingbar eschatologische Identität, wie der letzte Abschnitt zu den Determinanten einer reformierten Identität im Folgenden ausführen wird.

5.2.5 Eschatologische Identität Die Identität der Gemeinschaft der Heiligen ist und bleibt bis zur Wiederkehr Christi eschatologische Identität, denn ihre Erfüllung steht noch aus, sie ist eine Identität in Hoffnung [vgl. Röm 8:23f], eine Identität des „Schon und NochNicht“, des Werdens und Sich-Erfüllens, bleibt Rätsel und Verheißung, kurz: sie ist die Identität des wandernden Gottesvolkes.181 Es ist das „Mehr“ der christlichen Identität, das sich weder in Gegenwart noch Vergangenheit erschöpft,182 das

180 Nyomi, Grand Rapids 2010, 164.130 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 181 Vgl. dazu Link, Reformierte Identität, 345: „Nur wenn sie [die reformierte Kirche] sich in der Gemeinschaft der anderen Kirchen als ein selbst gehendes, ‚wanderndes‘ Gottesvolk versteht, hat sie die Chance, die Frage nach der eigenen Identität zu beantworten.“ 182 Vgl. dazu Weinrich, Openness and Worldliness, 433: „The church does not consist simply in being a church, and therefore the preservation of tradition and identity cannot be its decisive perspectives to reform. Rather, it belongs to its confessional existence to confess continually more than it is, and than it can ever present. It is not to itself that it has to witness

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den eschatologischen Charakter reformierter Identität ausmacht: Obwohl sie weiß, dass sie jetzt nur wie durch einen Spiegel ein dunkles Bild sieht, dass sie nur stückweise erkennt [1 Kor 13:21], wagt die Kirche doch Bekenntnis im ex-zentrisch begründeten Vertrauen auf den Heiligen Gott, der sie bereits erkannt hat.183 Reformierte Identität muss so immer auch Verheißung, Mysterium, Rätsel und Stückwerk bleiben;184 sie hofft auf das Reich Gottes, in dem sie von Angesicht zu Angesicht erkennen wird, und gleichzeitig verweist sie kontinuierlich auf das Angesicht dessen, in dem das Reich Gottes bereits nahe gekommen ist. Bekenntnis und bekennende Kirche können ohne diesen adventisch-eschatologischen Aspekt in ihrer Existenz, ihrem Auftrag und ihrer Identität nicht recht verstanden werden.185 Die Identität der Gemeinschaft der Heiligen in ihrem bekennenden Sein und Wesen findet statt nicht in sukzessiver Ableitung eines Geschehens in der Vergangenheit, sondern im „eschatologically founded space between the gospel expressed in Scripture and the summary confessions of it [the gospel] which are essayed from time to time.“186 Dabei ist die eschatologische Identität der Kirche jedoch nicht etwa mit einer rein zukünftigen Jenseitigkeit zu verwechseln, denn eschaton und hic et nunc sind zwar getrennt, aber doch in Christus verbunden.187 Um in die Zukunft schauen zu können, schaut die Kirche also zuerst immer zurück, auf den schon gekommenen, gegenwärtigen und wiederkehrenden Christus, den Heiligen Gottes, der die Gemeinschaft der Heiligen in ein Verhältnis zur Zukunft setzt und ihnen diese eröffnet.188 Kirche als communio sanctorum et viatorum, als „Interims-Institu-

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in the ‚world‘ but to the reconciliation and the coming of the kingdom of God in word and deed.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). Vgl. dazu Barth, Credo, 12: „Sinn, Wesen und Aufgabe des Credo und der Dogmatik gründen in Bedingungen, die, wenn Gott alles in allen sein wird, zweifellos nicht mehr gelten werden.“ Vgl. Witvliet, a. a. O., 179: „Our identity, including our Christian identity, remains a promise and a mystery, even a riddle, for we only know in part […] As strangers and sojourners, Christians live between remembrance and expectation.“ Wie Weber, Dogmatik 1, 39, eindrücklich schon für das Bekenntnisverständnis im Neuen Testament betont: „Das Bekenntnis erscheint im Neuen Testament unter eschatologischem Aspekt: es ist die der ‚letzten Stunde‘ entsprechende, sie antizipierende Verhaltensweise: die Gemeinde tut, was einst ‚alle Zungen‘ tun sollen (Phil. 2,11), sie ist im Bekennen gleichsam der Vortrupp ‚aller Kreatur‘ (Apk. 5,13) und die Nachsprecherin der Engel (Apk. 5,8ff.). Sie wirft sich im Bekenntnis gleichsam nach vorn – auf den hin, der da ist, der da war und der da kommt (Apk. 1,8). Sie gibt sich im Bekenntnis selber auf.“ Gunton, Confessions, 227. Vgl. Hettema/Zorgdrager, Schleiermacher, 208: „In a truly Protestant view, the identity of the church is open towards the future. No canon, tradition, Christology, and theological formula establish this identity and its limits. The community of faith is a dynamic community, because her prototype, Christ, always extends her.” Vgl. Busch, Der Freiheit zugetan, 236. Vgl. dazu auch Migliore, Spirit, 355: „Grateful for the mighty acts of God in the past, the spirit of Reformed faith is nevertheless predominantly

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tion“189, lebt „zwischen den Zeiten“; ihre Identität ist auf das geschichtliche Wort Gottes als Ursprung wie auf das eschatologische Reich Gottes als Erwartungsziel bezogen,190 und bleibt daher eine „pointing, dynamic identity“191, ist also gerade auch als eschatologische Identität eine deiktische Identität. Reformierte Kirche lebt damit in einem eschatologisch ausgerichteten Zeugnismodus, wie Jason Goroncy festhält: „To regard semper reformanda as a description of the church’s perpetual posture during theis time between the times is to regard it as a mode of witness (signa) to God’s eschatological promise.“192 Eine entscheidende Frage für das Selbstverständnis der Gemeinschaft der Heiligen ist damit die Frage nach ihrem Verhältnis zum kommenden Reich Gottes.193 Wie für die Erkenntnis Gottes und das christliche Leben, so gilt auch für die Identität der Gemeinschaft der Heiligen, dass sie diese eher im Gebet als Gabe Gottes erwartet, denn als Habe der Kirche vorausgesetzt wird;194 auch sie ist „ever a gift, never a given“195. Eschatologische Identität führt zu einer Haltung der Gemeinschaft der Heiligen, die im Vertrauen auf Rechtfertigung und Heiligung getrost eine bekennende Existenz wagt, die aber gleichzeitig in realistischer und selbstkritischer Nüchternheit um das „Noch-Nicht“ aller Aspekte ihrer Existenz diesseits des Reiches Gottes weiß;196 auch gerade für die reformierte Identität gilt

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forward-looking, and is characterized by a restless and creative hope in God for the transformation of all things in correspondence with the purposes of God disclosed in Jesus Christ.“ Vgl. Schwöbel, Die Kirche als kultureller Raum, 371–381 (Die Kirche als Interims-Institution); der pointiert formuliert: „Die Kirche ist endlich. Sie hat durch sich selbst und für sich selbst keine eschatologische Endgültigkeit. Darum hat sein keine Anspruch auf letztgültige Autorität und Macht.“ Vgl. dazu auch die Diskussion zur „prinzipielle[n] Relativität der verfassten Kirche“ und ihrem Bekenntnisverständnis bei Weinrich, Kirche bekennen, 37–39. Vgl. Moltmann, Theologia reformata, 162. Vgl. dazu auch die Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien von 1971; RZH, 278: „Die Kirche lebt zwischen der Zeit von Christi Tod und Auferstehung und der letzten Vollendung aller Dinge, die Er bringen wird; sie ist ein wanderndes Volk, immer auf dem Weg zu einem verheißenen Ziel; hier hat sie keine bleibende Stadt, sondern sie sucht nach der zukünftigen.“ J. Kruger, a. a. O., 130. Vgl. dazu etwa auch Theron, Devastating Grace, 47: „Our true identity is, and remains, an eschatological reality.“ Goroncy, Semper Reformanda, 49 (Hervorhebungen im Original). Vgl. Lochman, a. a. O., 169. Dantine, Der heilige und der unheilige Geist, 249, schreibt der Kirche in diesem Zusammenhang den Anspruch zu, „als Vorwegnahme der zukünftigen Gestalt der Menschheit zu gelten“, während sie „gleichzeitig ihr Selbstverständnis an dieser ihrer Funktion orientieren“ muss. Vgl. etwa Johnson, a. a. O., 178. Case-Winters, Ecclesia Reformata, Semper Reformanda, XXXI. Auf diesem Hintergrund schreibt Wethmar, Confessionality and Identity, 149: „Confessional identity in the Reformed tradition remains a dynamic reality.“ (Hervorhebung: M. E.-H.). Vgl. dazu Migliore, The Communion of the Triune God, 145: „Because the God of the gospel is always more than we can grasp or exhaustively comprehend, communion in faith

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daher nachdrücklich das „semper reformanda“, indem sie sich faktisch eher als „prae“-formiert, als proleptischen Vorgriff auf das Reich Gottes versteht und hinterfragt.197 Reformierte Identität in eschatologischer Perspektive kann nicht als abgeschlossen und rückwärtsgewandt verstanden und gelebt werden, sondern nur als in der und durch die Gegenwart des Heiligen Gottes unablässig herausgefordert, verändert, wiedererrichtet, geschenkt198 und eben darin erweist sich die Heiligkeit des Volkes Gottes.199 Mit diesem Selbstverständnis erwartet die bekennende Kirche aber auch, dass ihr menschliches und fehlbares Werk schon jetzt von Gott für seine Mission in Anspruch genommen wird, dass „der, der uns berufen hat, auch treu ist und sich unseres Zeugnisses bei der Zubereitung seines Reiches sehr wohl zu bedienen weiß“200. Die eschatologische Identität der Kirche ist so immer unmittelbar auf das Reich Gottes bezogen, das für die Kirche als jenseitige und zugleich diesseitige Größe keine Illusion ist, sondern „die Form, in der Gott unter Indienstnahme von Menschen in diese Wirklichkeit hineinregiert“201. Es ist der Heilige Geist, der diese eschatologische Identität zu einer mit Hoffnung erfüllten Identität macht, eine Hoffnung, die sich auf Christi Erlösungswerk gründet und für Kirche und Welt gilt.202

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must be open and self-critical. It knows that all confessional statements and theologies this side of the promised reign of God are semper reformanda.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu Ernst-Habib, Subversiv kirchlich, 280. Damit gilt für reformierte Identität was Webster, Holiness, 5, für Theologie als „heilige Theologie“ festhält: „The intensity of […] theology is not the internally-directed energy of an achieved, separated world of ideas, but that of a way of thinking which might be called eschatological – always, that is, emerging from its own dissolution and reconstitution by the presence of the holy God.“ Kraus, Systematische Theologie, 499, beschreibt in diesem Zusammenhang das Wesen der Kirche als das des wandernden, heiligen Gottesvolkes des Neuen Bundes in seiner eschatologischen Ausrichtung: „Konstituiert und bewegt durch das kommende Reich Gottes, kann die Gemeinde nur von ihrem Kyrios Weisung und Aufgabe empfangen – hörend und betend, vertrauend und folgend. So erweist sich die ekklesía als das heilige Volk, das Gottes Eigentum, Avantgarde seines Reiches der Freiheit ist.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). Reformierter Weltbund, Ihr sollt meine Zeugen sein, 60: „Unser Zeugnis ist nicht von einer menschlichen Zeitdiagnose oder Situationsanalyse abhängig, sondern leitet seine Zuversicht und seinen verantwortlichen Realismus von dem uns von Gott selbst erteilten Auftrag ab, sein Wohlwollen und seine Sorge für die Erde und ihre Bewohner zu bezeugen, in der Erkenntnis, dass der, der uns berufen hat, auch treu ist und sich unserer Zeugnisses bei der Zubereitung seines Reiches sehr wohl zu bedienen weiß.“ (Hervorhebungen im Original). Welker, Elend und Auftrag, 189. Vgl. dazu Greggs, Barth, Origines, and Universal Salvation, 142: „The Spirit enables the Christian to live a life marked by hope in the future fulfilment of Christ’s work of salvation. However, while this hope is a particularly Christian attribute for members of the church, it is still – by its very nature as hope – an aspect of Christian identity which is simultaneously inward-looking in terms of the church and outward looking in terms of the world. Hope is directed at the future coming of Christ in the consummation and fulfilment of the revelation of His will for all humanity.“ (Hervorhebung im Original).

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Damit wird erneut deutlich, dass reformierte Identität gerade auch in ihrem konfessorischen und eschatologischen Dimensionen ex-zentrisch begründet liegt;203 so verstanden kann dann auch die Frage nach der reformierten Identität nicht zu einem konfessionellen Rückzug, einer ekklesiozentrischen Selbst-findung204 oder einer ausschließlich retrospektiv geprägten Identitätsbestimmung205 führen.206 Stattdessen ist die reformierte Haltung eine „Umkehr nach vorne“207, welche die reformierte Identität entscheidend geprägt hat und immer wieder aus ihr erwächst. Reformierte Identität findet sich nicht im Haben und Fest-Halten, was gar als das Ende der reformierten Tradition gedeutet werden könnte,208 sondern in der betenden, bußfertigen und freudigen Erwartungshaltung,209 in der die Kirche dem kommenden Herrn entgegengeht.210 Reformierte Identität ist die Identität der Gemeinschaft der Heiligen, the most vulnerable of all communities, roaming through the world with no place of its own, suspended over the abyss of nonbeing, upheld solely by a Word that calls it

203 Wie Haarbeck Was ist reformiert?, 21 zu Recht festhält: „Die Identität der Reformierten liegt nicht im Vorfindlichen, sie liegt im Zuspruch und im Anspruch des einen Gottes, der immer neu die Gemeinsamkeit in Glauben, Hoffen und Lieben ermöglicht.“ 204 Weinrich, The Openness and Worldliness, 432, betont die Gefahren, die bei einer (mißverstandenen) Suche nach konfessioneller Identität drohen können: „The discovery of confessional identity can […] be descibed as an attempt at retreat. The question of ‚Where did we come from?‘ takes precedence over the question of ‚Where are we going?‘“ 205 Daher gilt es auch, bei der Bestimmung reformierter Identität und Theologie, ihrer Aufgaben und Anliegen genau auf die Wortwahl zu achten. Wenn z. B. Leith, Reformed Imperative, 11–21, für die Situation reformatorischer Kirchen eine „period of crisis“ (21) feststellt und gleichzeitig mit Begriffen wie „re-covery of this great tradition“, „re-vival of theological preaching“ (15) oder „re-newal of the church“ (21, Hervorhebungen: M. E.-H.) eine Erneuerung reformierter Kirchen einfordert, so scheint sich – gegen die Intentionen des Autors – diese Erneuerung durch eine Art reformierte Repristinationstheologie zu vollziehen. 206 Mit Haarbeck, a. a. O., 22, gesprochen: „In reformierten Gemeinden kann es nicht eigentlich um die Frage gehen: Sind wir ‚noch‘ reformiert? Die vordringliche Frage lautet: Sind wir schon reformiert? Sind wir schon das, was wir durch Gottes Geist als Vorboten und Vorzeichen des kommenden Reiches sein können?“ (Hervorhebungen: M:E.-H.). Vgl. dazu auch Gordon, Who are we called to be?, 140: „How do we ensure that our clarifications of a Reformed identity will not become a calcification of who we are at the expense of what God might be calling us to become?“ 207 So Teil eines Vortragstitels von Gottfried Locher: Reformiert, reformiert! Plädoyer für eine Umkehr nach vorne. 208 Vgl. Weinrich, Reformed Identity, 154. 209 Vgl. Eßer, Das reformierte Zeugnis, 87, der die „selbstkritische Frage auch an reformierte Christen“ stellt: „haben wir diese betende Erwartungshaltung noch?“ 210 In seinen Überlegungen zum eschatologischen Charakter christlicher Identität beschreibt der römisch-katholische [!] Theologe Jeanrond, Belonging or Identity, 118, eine ähnliche Haltung: „Christian belonging is always dynamic; it is open to God’s transformative action. This eschatological nature of Christian faith frees Christians from all forms of narrow definitions of identity and forms of cosy or neurotic belonging to their tradition.“

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continually into being. It is a church whose identity lies outside itself, whose institutional continuity is not a possession but an eschatological promise: ‚here the Church does not have a continuing city but seeks one to come‘.211

Reformierte Identität steht wie ihr Bekenntnis immer im Advent,212 wartet auf die Wiederkunft des Heiligen Gottes, ihres Hauptes und Herrn, ihres Bruders und Freundes, ihres Richters und Versöhners, an dem sie als Gemeinschaft der Heiligen schon jetzt im Heiligen Geist Anteil hat, den sie beständig verkündet, als ihr eigenes Zentrum versteht, auf ihn verweist, an seiner Sendung teilhat, während sie gleichzeitig dem Heiligen Gott allein die Ehre gibt: Soli Deo Gloria!

211 Myers, Indigenous Australians and the Church’s Confession, 40; das Zitat stammt aus der Unionsgrundlage der sich vereinigenden Kirche in Australien von 1971, deutsch in RZH, 278. 212 Vgl. Krieg, Werkbuch, 10. Im Vorwort zu KD III/4, ix, beschreibt Barth diese eschatologische Erwartungshaltung im Blick auf Relevanz und Autorität des Bekenntnisses mit eindrücklichen Worten: „‚Konfessionen‘! [i. e. Bekenntnisse] sind dazu da, dass man (nicht nur einmal, sondern immer aufs Neue) durch sie hindurch gehe, nicht aber dazu, dass man zu ihnen zurückkehre, sich in ihnen häuslich niederlasse, um dann von ihnen aus und gebunden an sie weiter zu denken. Es tat der Kirche nie gut, sich eigenwillig auf einen Mann – ob er nun Thomas […] oder Luther oder Calvin hieß – und in seiner Schule auf eine Gestalt ihrer Lehre festzulegen. Und es tat ihr überhaupt nie gut, prinzipiell rückwärts statt vorwärts zu blicken: als ob sie der ‚konsequenten Eschatologie‘ eben doch recht geben wollte, als ob sie eben doch nicht an den kommenden Herrn glaubte!“ (Hervorhebungen im Original).

6.

Ausblick: Reformiertes Zeugnis und reformierte Identität als Beitrag zur ökumenischen Diskussion

Durchgängig wurde an zentralen Stellen der vorliegenden Untersuchung bereits auf die ökumenische Grundlegung und Ausrichtung nicht allein von reformierter Ekklesiologie, Theologie und Bekenntnis verwiesen, sondern auch von reformierter Identität, wie sie hier als Identität der Gemeinschaft der Heiligen Gottes entwickelt wurde. Die Grundfrage, ob in reformierten Bekenntnissen der Gegenwart „konfessionelle Identität und ökumenische Integrität in einem konstruktiv-kreativen oder in einem destruktiv-blockierenden Verhältnis zueinander stehen“1, konnte fast ausnahmslos zugunsten eines konstruktiv-kreativen Verhältnisses beantwortet werden. Wie die einzelnen Abschnitte immer wieder gezeigt haben, ist reformierte Identität weder in Vergangenheit noch in Gegenwart ohne diesen zutiefst ökumenischen Charakter voll verständlich.2 Selbstredend gibt und gab es zwar zu allen Zeiten und in allen Kontexten auch Ausnahmen, die diesem ökumenisch ausgerichteten Verständnis reformierter Identität widersprechen würden. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die in den reformierten Reformationen gelegten und in den darauffolgenden Jahrhunderten weiterentwickelten und modifizierten Grundannahmen in ihrer Theozentrik, insbesondere im Verständnis der Heiligkeit Gottes und der Heiligkeit seines Volkes, den ökumenischen Charakter reformierter Identität und reformierten Zeugnisses in großen Teilen der reformierten Tradition nach wie vor nachhaltig beeinflussen. Reformierte Identität ist damit gleichzeitig immer auch ökumenische Identität. In diesem Sinne kann die hier entwickelte reformierte Identität als eine konfessionelle Identität verstanden werden, die nicht nur ein „positives Verhältnis zur eigenen Tradition“3 entwickelt, sondern die zudem noch „ökumenisch verständigungsorientiert“ gestaltet werden kann, also keine „konfessio1 H.-G. Link, Bekennen und Bekenntnis, 23 (Hervorhebungen: M. E.-H.). 2 Hofheinz, Einleitung, 15, bringt dies mit Blick auf Michael Weinrichs Konfessionsverständnis auf die einprägsame Formel „ökumenisch, weil reformiert!“ 3 Nitsche, Binnendifferenzierung und Ökumene, 76; dort auch die folgenden Zitate.

408

Ausblick

nalisierende Identitätsbildung“ darstellt, welche Differenzen „abgrenzend und letztlich anti-ökumenisch“ ins Zentrum rücken würde. In Kontexten des konfessionellen wie religiösen Pluralismus, der Traditionsvergessenheit wie auch der Herausforderungen durch unterschiedlichste Arten christlichen Fundamentalismus4 und Exklusivismus5 wird damit einem drohenden oder schon bestehenden Identitätsverlust reformierter Kirchen nicht allein und nicht vorrangig begegnet durch eine retrospektive Identitätsfixierung und Abgrenzung gegenüber anderen Konfessionen. Gerade jene retrospektiven Perspektiven, die sich vorranging mit der Lösung von ökumenischen, durch Fragestellungen der Vergangenheit definierten Problemen beschäftigen,6 oder welche die reformierte Tradition der Vergangenheit verklären oder gar romantisieren, sind weder dazu geeignet, die Identitätsfragen der Gegenwart zu beantworten, noch den Auftrag und das Wesen der Kirche in der Gegenwart erkennen zu helfen.7 Anders als eine ausschließlich rückwärtsgewandte Identitätsbildung kann die hier entwickelte Identität als Gemeinschaft der Heiligen Gottes reformierte Kirchen und Gemeinden dabei unterstützen, zu „Schulen der Identität“8 zu werden, in denen das Verhältnis von Partikularität und Universalität, von Pluralismus und eigener Identität in dialektischer Spannung eingeübt und so den Ängsten einer sich auflösenden eigenen Identität entgegen gehalten werden kann. In diesen sich als Identitätsschulen verstehenden Kirchen und Gemeinden, die nicht in Abgrenzung gegen die „Anderen“, sondern für das Gespräch mit den „Anderen“ ihre erkennbare konfessionelle Identitäten entwickeln, könnten dann „dialogwürdige“9 und die dialogische Kommunikation und Verständigung ermöglichende Identitäten entwickelt werden.10 Diese so verstandenen konfessionellen Identitäten trügen dann ihren ökumenischen Charakter gerade auch wegen der in der vorliegenden Untersuchung beschriebenen materialen Füllung des Identitätsverständnisses: konfessionelle Identitäten umfassen oder beinhalten diesem Verständnis nach nicht das ursprüngliche und universale Heilsgeschehen und 4 Vgl. dazu insbesondere Schwöbel, Religionskrieg?, 53–57; Abschnitt 3: „Vertauschte Fundamente: Die Bedrohung der Religion durch den Fundamentalismus und die Aufgabe einer religiösen Therapie des Fundamentalismus“. 5 Vgl. Schwöbel, Partikularität, Universalität und die Religionen, 133–139. 6 Vgl. dazu Rüegger, Christliche Identitäten, 14. 7 Vgl. Niesel, Was heißt reformiert?, 43, der sich nachdrücklich gegen ein „romantisches Reformiertentum“ wehrt, welches sich „in der Kultivierung mancher Formen gefällt.“ 8 So Schwöbel, Religiöser Pluralismus, 21–23; Abschnitt 2.2.: „Die christliche Gemeinde als Schule der Identität“. 9 Moltmann, Erfahrungen, 31: „Dialogwürdig ist nur, wer einen festen Standpunkt in der eigenen Religion gewonnen hat und mit dem entsprechenden Selbstverständnis in den Dialog eintritt.“ Gleiches gilt offensichtlich auch für das konfessionelle Selbstverständnis im ökumenischen Gespräch. 10 Vgl. dazu auch Wüthrich, Bekenntnisbildung, 43: „Nur wer seinen eigenen Standpunkt kennt, wird differenzsensibel und ökumenisch dialogfähig.“

Reformiertes Zeugnis und reformierte Identität

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beanspruchen dies auch nicht, sondern markieren nur auf welche Weise es „mit kontingenten Erfahrungen“11 vermittelt und gelebt wird; zugestehend dass andere christliche Traditionen dieses Heilsgeschehen mit ihren jeweiligen kontingenten Erfahrungen ebenfalls vermitteln und leben. Gerade auch das in der vorliegenden Untersuchung dargestellte „typisch reformierte Bekenntnisverständnis“ könnte sich dabei als hilfreich erweisen, da es „die Vielfalt der auftretenden Bekenntnisse [und dann auch konfessioneller Identitäten; M. E.-H.] nicht als Unfall und Konkurrenz verurteilen muss, sondern sie als partikulare und vorläufige Ausdrucksformen verschiedener de facto existierender Gemeinschaften würdigen und anerkennen kann.“12 Ansatzweise ist diese Würdigung bereits im Abschlussdokument des lutherisch-reformierten Dialogs mit dem Titel „Communion: On Being the Church“, geschehen, wenn dort unter der Überschrift Confessing Christ together LWF und WCRC gemeinsam ihre versöhnte und daher legitime Verschiedenheit gerade in bezug auf ihre jeweiligen Bekenntnisse zum Ausdruck gebracht wird: Lutherans and Reformed are united in their rootedness in Holy Scripture as interpreted by the creeds of the Old Church. They are also united in their joint heritage of corresponding confessional acts from the time of the Reformation to our present time. Lutherans and Reformed share a common heritage of confessional writings existing in a dogmatically reconciled, hence legitimate, diversity. They share an understanding of confessional writing which is contextual by nature. They are therefore united, not divided, by such legitimate diversity of confessional writings. United in a common heritage of confessional acts and confessional writings, Lutherans and Reformed are united in confessing the gospel of Jesus Christ.13

An dieser Stelle gewinnt der oben entwickelte deiktische bzw. referentielle Charakter reformierter Identität große Bedeutung: indem Kirchen und Gläubige in der reformierten Tradition in ihrem Bekennen wie in allen anderen Lebensäußerungen auf den einen Herrn von Welt und Kirche verweisen (und nicht etwa auf sich selbst in Gegenwart oder Vergangenheit), können sie sich grundsätzlich in Solidarität und Einheit mit allen anderen Konfessionen verstehen, deren primäre Loyalität ebenfalls Christus gilt.14 In der Konzentration auf das gemeinsame Zentrum aller christlichen Konfessionen, auf „Jesus Christus als die

11 12 13 14

Fahlbusch, Art. Konfession, 1364. Reichel, Theologie als Bekenntnis, 278. LWF/WCRC, Communion, 44. Vgl. Alston, The Church of the Living God, 14: „To be a Reformed Christian is to confess primary loyalty to Christ and unity with all other who do the same. To identify ourselves, therefore, is to affirm the priority of our ecumenical commitment to all purely sectarian loyalties. Reformed churches, since the very beginning of the movement, have sought the wider Christian union as a witness to the Lordship of Jesus Christ.“

410

Ausblick

Mitte echter Gemeinschaft“15 werden tatsächlich existierende und kirchentrennende Differenzen und Widersprüche nicht eingeebnet oder geleugnet, sie verlieren aber gegenüber der Verkündigung des Evangeliums von Gottes heiliger und heiligender Liebe an absoluter Bedeutung.16 Identitätsfindung geschieht in diesem Verständnis nicht allein durch Abgrenzung, nicht allein im Verweis auf das kirchentrennende, sondern auch und gerade durch den Bezug auf das gemeinsame Zentrum.17 In diesem Bezug auf das gemeinsame Zentrum kann es Kirchen der reformierten Tradition dann in all ihren Lebensvollzügen primär nicht um das Bewahren ihr je spezifischen Tradition und Identität gehen, sondern vielmehr um das Bewähren; nicht so sehr um die Tradition als vielmehr um das Tradieren.18 Die Besinnung auf die eigene Tradition, die eigene konfessionelle Identität ist damit ein Teil des Auftrages der Kirche in seiner Zweckgebundenheit für das gemeinsame ökumenische Gespräch und Bemühungen um die sichtbare Einheit der einen Kirche Christi. In diesem Gespräch verhalten sich reformierte Kirchen in einer Art kritischen Solidarität ihrer eigenen Kirche und Tradition gegenüber: sie sind bereit zur Übernahme ihrer Schuld auch in den „sündhaften Konsequenzen der Kirchentrennung: Selbstbezogenheit, gegenseitige Konkurrenz, Feindseligkeit, ja sogar Verfolgung“19. Als Teil der Gemeinschaft der Heiligen, die zur Einheit um der Welt willen aufgerufen sind, verstehen sie ihre eigene Existenz als bedauerliche Tatsache,20 während sie gleichzeitig selbstbewusst in ihrer Konfession mit anderen um die Wahrheit des Evangeliums Christi ringen,21 und

15 Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 19. 16 Vgl. dazu Beintker, Reformierte Dogmatik, 170: „Indem die reformierte Theologie das Evangelische als das Anliegen der einen, ganzen Kirche Jesu Christi zur Geltung zur bringen sucht, verknüpfen sich konfessionelles Profil und zugleich ökumenischer Horizont der reformierten Dogmatik.“ 17 Vgl. dazu J. Kruger, Christian Identity, 131: „From where we are in time and space, from our context, we point to someone. This act binds us together with people all over the world who are pointing to that same God, even though the differences in context are also there. It is this pointing that pulls the sameness and difference into proportion. It is in pointing, following, and gravitating that we find our identity.“ (Hervorhebungen: M. E.-H.). 18 Vgl. Weinrich, Kirche bekennen, 40. Mit dem Motto „Mit der Tradition zum Aufbruch“ fasst Hofheinz dieses Verständnis in seinem gleichlautenden Artikel treffend zusammen. 19 Reformierter Weltbund, Ihr werdet meine Zeugen sein, 12. 20 Vgl. McEnhill, Reformed Tradition, 10. 21 Busch, Christentum und Konfession, 82f: „Es kann aber auch so sein, dass die Annäherung der Konfessionen auf einer Geistes-Schwachheit gegenüber der Frage nach der Wahrheit des Evangeliums Christi beruht. Das wäre eine tief bedenkliche Sache. Dann hätte man sich auf den guten Grund der eigenen Konfession neu zu besinnen, nicht aus dickköpfiger Rechthaberei, sondern um der recht verstandenen Wahrheit des Evangeliums Christi willen. […] Mit geistlichen Waffen, in Liebe, in Gestalt eines Dialogs – lieb nicht auf Kosten der Wahrheit, sondern nur in Liebe zur Wahrheit.“

Reformiertes Zeugnis und reformierte Identität

411

nicht um das Recht der eigenen Konfession und konfessionellen Identität.22 Reformierte Identität versteht sich in diesem Sinne als transversale ökumenische Identität, beheimatet in der eigenen Tradition23 aber auch angewiesen auf „das Lebenszeugnis der Anderen und seine positive Bedeutung für die eigene Klärung“24. Reformierte Identität als konfessionelle Identität meint damit, wie gesagt, immer simultan auch ökumenische Identität; das eine ist – aus reformierter Perspektive – nicht von dem anderen zu trennen.25 Selbstbehauptung26 und Selbstrelativierung27 stehen in einer dialektischen Spannung, die nicht einseitig aufgelöst werden kann, wenn es den reformierten Kirchen um die Wahrheit des einen Evangeliums Christi geht und nicht um starren Eigensinn oder gleichgültige Scheintoleranz.28 Mit ihrer Besinnung auf reformierte Identität(en) ziehen sich reformierte Kirchen eben nicht in ein „konfessionelles Ghetto“29 zurück, betreiben sie keine theologische Paläontologie30 oder „Identitätsfolklore“31. Sie verleugnen nicht die Wahrheit des einen Evangeliums, sondern verstehen sich in ihrer Interpretation dieses Evangeliums als eine „Zeugnis- und Bekenntnisgestalt des Evangeliums“32, die auf ihr eigenes Fundament verweist, welches sie mit anderen teilt.33 Indem sie diese ihre eigene Gestalt in Zeugnis und Bekenntnis als „Erzählgemeinschaft“34, gegründet und geleitet durch das Wirken des des Hei-

22 Busch, a. a. O., 92: „So streite man in seiner Konfession nicht für das Recht seiner ‚Konfession‘, sondern für das Recht der Kirche Jesu Christi.“ (Hervorhebungen im Original). Vgl. dazu auch Wyatt, The United Church and Reformed Identity, 18. „If inter-faith dialogue is ultimately strengthened by a strong sense of particular identity among the participants, then confessional awareness, together with its revision and enrichment, need not be seen as a block to Christian ecumenical dialogue, but actually as a pre-requisite for it.“ 23 Vgl. dazu Hailer, Bekenntnishermeneutik, 133f. 24 Nitsche, Binnendifferenzierung, 121. 25 Vgl. dazu Hofheinz/Zeindler, Was heißt eigentlich ‚reformiert‘?, 19: „Reformierterseits meint konfessionelle Identität immer auch ökumenische Identität. Es gibt keine konfessionelle neben einer ökumenischen Identität.“ 26 Vgl. dazu auch die Diskussion bei Zorn, The Form of the Church, 133f. 27 Zur Selbstrelativierung der Kirche bei Barth vgl. Weinrich, Karl Barth, 45. 28 Vgl. dazu Lienemann, Willem Adolf Visser‘t Hooft, 144: „Ohne klare und scharfe Profile sind […] kein Streit, keine Identitäten und keine gegenseitige Anerkennung möglich. Es bleibt nur die Scheintoleranz der Gleichgültigkeit, nicht die schmerzhafte Toleranz der intensiven Auseinandersetzung im Streit um die Wahrheit.“ 29 So Link, Reformierte Identität, 346. 30 So der Vorwurf von Zink, Was fangen wir heute noch mit Konfessionen an?, 26. 31 So Gerd Theißen, zitiert bei Sundermeier, Lutherische Identität, 49 (ohne Quellenangabe). 32 Vgl. Schwöbel, Das Wesen des Christentums in der Vielfalt seiner Konfessionen, 84. 33 Vgl. dazu Gerrish, Saving and Secular Faith, 57: Die Reformierten „belong to the one Church only by belonging to one of the churches, the reason that they have their particular, as well as common, confession is that they have their particular histories, which lead them to speak in different ways about the one foundation.“ 34 Reichel, Theologie als Bekenntnis, 269.

412

Ausblick

ligen Geistes, verstehen,35 versuchen sie der gesamten Christenheit zu Dienst zu stehen,36 als „truth-seeking community“ sogar der ganzen Welt.37 In der Ökumene und mit der Ökumene, nicht gegen sie oder in Abgrenzung von ihr, versuchen reformierte Kirchen als konkrete Gemeinschaften der Heiligen Gottes in ihrem Kontext und mit ihrer Geschichte als Teil der ökumenischen „Suchgemeinschaft“38, als Teil des wandernden Gottesvolkes, offen zu bleiben nicht allein für die ökumenische Weite und Tiefe der Christenheit, sondern insbesondere auch für den „wahrhaft ökumenischen Horizont des Wortes Gottes“39. Da sie sich und ihre Identität nicht selbst-referentiell bestimmen und verankern, sondern auf das außerhalb ihrer selbst liegende Zentrum im Heiligen Gott verweisen, der Schöpfer, Bewahrer und Erhalter, Erlöser, Richter und Advokat, Tröster, Beistand und Hoffnung der gesamten Schöpfung ist, kann ihre Identität nicht anders als essentiell ökumenisch verstanden und entwickelt werden, kann sie dabei auch nie zu einem mehr als vorläufigen Abschluss finden, der sich stetig neu selbst 35 Vgl. dazu Sundermeier, a. a. O., 49, der Konfessionen versteht als „Wirkung des Geistes, der immer nur in irdenen Gefäßen seine Kraft entfaltet und in ihnen sichtbar wird.“ Vgl. auch a. a. O., 52: „Die Einsicht, dass jede Konfession nur eine Form der möglichen Lebensgestaltung christlichen Glaubens ist, sollte Anlass genug sein, den eigenen Stil umso deutlicher und konsequenter in die ökumenische Bewegung einzubringen, damit sie die Vielfalt geistlicher Gestaltungen präsentieren kann und dadurch wieder so lebendig und plural wird wie am ersten Tage der Ausgießung des Heiligen Geistes.“ Für lutherische Kirchen kommt Sundermeier, a. a. O., 65, zu einem Fazit, das sich ebenso auch auf reformierte Kirchen übertragen ließe: „Je deutlicher die lutherische Kirche sich in ihrem Lebens –und Glaubensstil ihrer Identität gewiss ist und dies in das ökumenische Gespräch einbringt, umso größer und wertvoller wird ihr Beitrag zum Reichtum der universalen Kirche sein. Darum gilt: Werde, was Du bist!“ 36 Vgl. Haarbeck, Was heißt reformiert?, 10: Das Thema der Reformierten „sind Zeugnis und Dienst, die wir im Namen Christi der Welt schulden. […] Wichtiger als das konfessionelle Sonderfeuer erscheint den Reformierten die Flamme der Liebe, die sie mit der weltweiten Ökumene verbindet. […] Reformierte Tradition bewährt sich darin, dass sie der gesamten Christenheit zu Diensten steht.“ Vgl. dazu auch die Warnung von Vischer, Ecumenical Commitment, 262: „The failure to consciously examine the specific Reformed heritage, also makes it impossible to bring all its resources to bear on the encounter with other churches.“ 37 Vgl. dazu Alston/Welker, Introduction, XI. 38 Enns/Hohmann/Link-Wieczorek, Christliche Identität im Traditionsabbruch, 342, übertragen die Funktion dieser Suchgemeinschaft auf die Ökumene als Ganzes und fordern, die identitätstragende Funktion der Konfession durch „das Verständnis von Ökumene als einer Such-Gemeinschaft von Gläubigen und Kirchen auf dem Weg zur Erkenntnis der Wahrheit Gottes“ abzulösen. (Hervorhebungen im Original) Sie begründen diese Forderung damit, dass „Traditionsabbruch, Entkonfessionalisierung und innere Pluralisierung der Kirche […] nach einem neuen Modell christlicher Identitätsbildung [rufen], damit Glaube und Bekenntnis nicht als statische Positionsbewahrung missverstanden wird.“ Dagegen wird in der hier vorliegenden Interpretation reformierter Identität davon ausgegangen, dass diese weder das Missverständnis einer statischen Positionsbewahrung fördert, noch dass eine interkonfessionelle, überkontextuelle und auch übergeschichtliche Identitätsbildung überhaupt möglich und erstrebenswert sei. 39 Moltmann, Was heißt reformiert?, 27.

Reformiertes Zeugnis und reformierte Identität

413

kritisch zu hinterfragen und dabei auf die Anfragen von außerhalb und innerhalb zu hören hat. All dies jedoch nicht in ängstlicher Sorge um Bewahrung und Verteidigung des eigenen Erbes, sondern in Vertrauen und Hoffnung auf den Heiligen Gott; mit den Worten der sich vereinigenden Kirche Australiens bekräftigend und bekennend, dass sie zum Volke Gottes auf dem Weg zu dem verheißenen Ziel gehör[en]. Sie bet[en] zu Gott, Er möge durch die Gabe des Heiligen Geistes die Irrtümer in ihrem Leben immerfort berichtigen, sie zu größerer Einheit mit anderen Kirchen bringen, und ihren Gottesdienst, ihr Zeugnis und ihren Dienst gebrauchen zu Seiner ewigen Herrlichkeit durch den Herrn Jesus Christus.40

40 Unionsgrundlage von 1971, RZH, 285.

Anhang

Reformierte Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts in chronologischer Reihenfolge mit Quellenangabe Trotz sorgfältigster Recherche kann diese Aufzählung reformierter Bekenntnisse keine Vollständigkeit beanspruchen, sondern nur den aktuellen Stand der Forschung widergeben. Da es, auch in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, weltweit keine Stelle gibt, die aktuelle Bekenntnisschriften der etwa 775 reformierten Kirchen sammelt, ist es nahezu unmöglich, eine vollständige Liste aller Bekenntnisschriften reformierter Kirchen zu erhalten. Die folgende Liste enthält daher alle Bekenntnisse reformierter Kirchen, die sich bis zum heutigen Tag ermitteln ließen; dabei jeweils durchaus unterschiedliche Bekenntnisautorität und -verbindlichkeit in ihrer Kirche beanspruchend.

Abkürzungen Mottu: RB:

Henry Mottu (Hg.), Confessions des foi réformées contemporaines Georg Plasger und Matthias Freudenberg, Reformierte Bekenntnisschriften. Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart RBH: Marco Hofheinz et al. (Hg), Reformiertes Bekennen Heute. Bekenntnistexte der Gegenwart von Belhar bis Kappel RWT: Lukas Vischer, Reformed Witness Today. A Collection of Confessions and Statements of Faith issued by Reformed Churches RZH: Lukas Vischer, Reformiertes Zeugnis heute. Eine Sammlung neuerer Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition Werkbuch: Matthias Krieg (Hg.), Reformierte Bekenntnisse. Ein Werkbuch

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Anhang

1930er Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen (1934) 1 Barmer Theologische Erklärung (1934) 2 La Déclaration de Foi (1938) der Église Réformée de France3 Die Thesen von Pomeyrol (1941) der Église Réformée de France4

1940er Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der Niederländischen Reformierten Kirche (Hervormde Kerk) von 19495

1950er Glaubensbekenntnis (1953) der Kirche Christi in Japan6 Glaubensbekenntnis (1954) der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan) 7 Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1956) der Presbyterian Church of England8

1960er Scheme of Church Union in Ceylon (1963) des Negotiating Committee for Church Union in Sri Lanka9 Basis of Union (1965) des Ghana Church Union Committee10 Bekenntnis über die Verantwortung im Zweiten Weltkrieg (1967) der Vereinigten Kirche Christi in Japan (Kyodan) 11 Eine Glaubenserklärung und Glaubensbekenntnis (1967) der Congregational Church in England and Wales12 Bekenntnis von 1967 der United Presbyterian Church in the USA13 Ein Glaubensbekenntnis (1968/1980) der United Church of Canada14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

RB, 232–238. RB, 242–245. Mottu, 57f. Casalis, Die Wirkung von Barmen in den französischen Kirchen, 255f. Weber, Lebendiges Bekenntnis. Die „Grundlagen und Perspektiven des Bekennens“ der Generalsynode der Niederländisch Reformierten Kirche von 1949. RZH, 34. RZH, 31f. RZH, 63–74. RWT, 380–402. RWT, 272–288. RZH, 32. RZH, 74–109. RZH, 157–169. RZH 131.

Reformierte Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts

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1970er Öffentliche Erklärung über unser nationales Schicksal (1971) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan15 Unionsgrundlage (1971) der Uniting Church in Australia16 Plan for Union (1971) der Joint Commission on Church Union in New Zealand17 Neues Bekenntnis (1972) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea18 Erklärung koreanischer Christen (1973) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea19 Leuenberger Konkordie (1973) 20 A Declaration of Faith for the Church in South Africa (1973/1986/1993/1994) der Presbyterian Church in Southern Africa21 Unser Lied der Hoffnung der Reformed Church in America (1974) 22 Unser Appell (1975) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan23 Unser Glaubensbekenntnis (1976) der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea24 Eine Glaubenserklärung der Presbyterian Church in the US (1976) 25 Eine Menschenrechtserklärung (1977) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan26 Glaubensbekenntnis (1977) der Presbyterianisch-Reformierten Kirche in Kuba27 Theologische Erklärung (1979) des Broederkrings der Niederländisch-Reformierten Kirche (Südafrika) 28 Grundlegendes Bekenntnis (1979/2005/2015) der Karo-Batak-Kirche (Indonesien) 29

1980er Bekenntnis (1981) der Toraja-Kirche (Indonesien) 30 Unionsgrundlage (1981) der United Reformed Church in the United Kingdom31 Glaubensbekenntnis („Belhar-Bekenntnis“ 1982) der Niederländisch-Reformierten Missionskirche (Südafrika) 32 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

RZH, 55f. RZH, 277–285. RZH, 421–448. RZH, 36–48. RZH, 48f. RB, 249–258. RWT, 27f. RZH, 171–175. RZH, 56–60. RZH, 49–52. RZH,177–204. RZH, 60f. RZH, 111–129. RZH, 4f. RZH, 19–22, eine Synopse der Revisionen findet sich unter http://www.reformiert-info.de/ 14531-0-0-14.html. 30 RZH, 22–29. 31 RZH, 289–297. 32 RZH, 7–9.

418

Anhang

Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche. Eine Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes (1982) 33 Liturgisches Bekenntnis und Entwurf eines Glaubensbekenntnisses (1983) des Bundes Schwarzer Reformierter Christen in Südafrika (ABRECSA) 34 Das Bekenntnis der IPCH (1983) der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche in Chile35 Our World belongs to God. A Contemporary Testimony of Faith (1983/2008) der Christian Reformed Church/North America36 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien (1984) der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien37 Lebendiger Glaube. Eine Erklärung des christlichen Glaubens (1984) der Presbyterian Church in Canada38 „Ich glaube an die Barmherzigkeit Gottes“ (1984) der Église Protestante Évangélique de Djibouti39 Glaubensbekenntnis (1985) der Presbyterianischen Kirche in Taiwan40 Glaubensbekenntnis (1986) der Schweizerischen Evangelischen Synode41 Glaubensbekenntnis (1986) der Presbyterian Church of Korea (PCK) 42 Glaubensbekenntnis (1986/1989) der Evangelisch-reformierten Kirche in Indonesien (GRII) 43 „Jesus ist der Einzige“ (1987) der Église Évangélique du Cameroun44

1990er Coleraine Declaration (1990) der Presbyterian Church in Ireland45 Brief Statement of Faith der Presbyterian Church (USA) von 199146 Evangelisationsbekenntnis (1991) der Evangelisch-reformierten Kirche in Indonesien (GRII) Déclaration de foi (1992) der Église Nationale Protestante de Genève47

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

RBH, 99–106. RZH, 10–12. RBH, 45–49; Mottu, 240–242. CRCNA, Our World belongs to God. RZH, 14–18. RZH, 132–154. RBH, 26–30. RZH, 61 und RBH, 83. Mottu, 115f; deutsch: Werkbuch, 144f; RBH 107–110. Kein Beleg ermittelbar; zitiert in: Suk, Bekenntnis und kirchliche Identität in Südkorea, 245. RBH, 84–90. RBH, 31–34; Mottu, 261. http://www.presbyterianireland.org/About-Us/Statements/Coleraine-Declaration. Placher/Willis-Watkins, Belonging to God. A Commentary on A Brief Statement of Faith; deutsch: Ernst, „In Leben und Tod gehören wir Gott…“, 443–445; Werkbuch, 150–152 und RBH, 50–57. 47 Mottu, 122f; deutsch: Werkbuch, 158f; RBH 111–113.

Reformierte Bekenntnisse des 20. und 21. Jahrhunderts

419

Mission Statement (1992) der Presbyterian Church in Ireland48 Peace Vocation (1994) der Presbyterian Church in Ireland49 Lehrsätze (1994) der Javanischen Christlichen Kirche50 Le Credo de L’Espérance (1997) der Evangelischen Waldenserkirche am La Plata51 Confession de Foi (1997) der Evangelischen Kirche Maòhi (früher: Evangelische Kirche von Französisch-Polynesien) 52 Erklärung von Debrecen (1997) der 23. Generalversammlung des Reformierten Bundes53 Study Catechism (1998) der Presbyterian Church (USA) 54

2000er Das Glaubensbekenntnis der Presbyterian Church of Korea (PCK) für das 21. Jahrhundert (2001) 55 Declaración de Fe (2003) der Iglesias Reformadas en Argentina56 Bekenntnis von Accra (2004) der 24. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes in Accra, Ghana57 A Catechism for Today (2004) der Presbyterian Church of Canada58 Die Amman-Erklärung (2006) des Fellowship of Middle East Evangelical Churches59 A Song of Faith (2006/7) der United Church of Canada60 Das Glaubensbekenntnis (2007) der Christlichen Evangelischen Kirche auf Timor (GMIT) 61 Anhang zum Heidelberger Katechismus. Die Lehre der GKJTU zu Fragen der Kultur, des religiösen Pluralismus und der Vielfalt der Kirchen, der Politik, der Wirtschaft, sowie der Wissenschaft und Technologie (2008) der Christlichen Kirche aus Nordmitteljava62 Das Credo von Kappel (2008) einer interkantonalen Initiativgruppe (Schweiz) 63 Gemeinsame Bekenntnisschrift (2010) des Council of Presbyterian Churches in Korea (CPCK) 64 48 http://www.presbyterianireland.org/about-us/statements/mission-statement; deutsch RBH, 116–119. 49 http://www.presbyterianireland.org/About-Us/Statements/Peace-Vocation; deutsch RBH 120–124. 50 Kein Beleg ermittelbar; zitiert in: Synode der GKJTU, Fortsetzung folgt. 51 Mottu, 238f. 52 Mottu, 315. 53 Opocenský, Debrecen 1997, 273f; RBH 130–135. 54 https://www.pcusa.org/resource/study-catechism-full-version-biblical-references. 55 Hwang, New Confession, 129–133 (englische Übersetzung). 56 RBH, 58–63. 57 http://wcrc.ch/de/bekenntnis-von-accra; RBH, 136–149. 58 http://presbyterian.ca/resources-od. 59 RBH, 35–43; englisch: Reformed World 56 (2006), 204–208. 60 http://www.united-church.ca/beliefs/statements/songfaith; deutsch: RBH, 64–77. 61 RBH, 92–97. 62 Synode der GKJTU, Fortsetzung folgt. 63 Werkbuch, 165; RBH 125–128. 64 Kein Beleg ermittelbar; zitiert in: Suk, Bekenntnis und kirchliche Identität in Südkorea, 2456.

420

Anhang

Déclaration de foi (Entwurf 2016, Verabschiedung voraussichtlich Mai 2017) der Église Protestante Unie de France65

65 https://www.eglise-protestante-unie.fr/prod/file/epudf/upload/nation/synode/nouvelle_de claration_foi.pdf.

Abkürzungen und Literatur

Abkürzungen Die Abkürzungen biblischer Bücher – soweit sie nicht Teil von Zitaten sind – entsprechen dem Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien, Stuttgart 2. Aufl. 1981. Alle weiteren Abkürzungen, auch im Literaturverzeichnis, richten sich nach IATG2 (Siegfried Schwertner (1994), Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 2. Aufl. Berlin/New York). In IATG2 nicht erwähnte oder abweichende Abkürzungen werden folgendermaßen aufgeschlüsselt: BSRK Calvin, Studienausgabe CRCNA CO

GEKE GMIT GKSA GRII Inst.

IRTI KD

Müller, E.F. Karl, Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche Waltrop 1903/1999 Calvin-Studienausgabe, Gesamtausgabe in 10 Teilbd., hg. von E. Busch, M. Freudenberg et al., Neukirchen-Vluyn Christian Reformed Church in North America Calvin, Johannes (1863ff), Ioannis Calvini opera quae supersunt omnia, hg. von Wilhelm Baum, Eduard Cunitz und Eduard Reuss, 59 Bde, Braunschweig u. a. Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa Gereja Masehi Injili di Timor, Christliche Evangelische Kirche auf Timor Gereformeerde Kerk van Suide Afrika Gereja Reformed Injili Indonesia, Evangelisch-reformierte Kirche in Indonesien Calvin, Johannes; Freudenberg, Matthias (2008): Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae Religionis, Neukirchen-Vluyn International Reformed Theological Institute Barth, Karl (1932–1967), Kirchliche Dogmatik Bd. I/1–IV/4, Zürich

422 LWF LWB NGK NGKA NGSK ÖRK OS PC (USA) RCA RW RWT

RZH

URCSA WA WARC WCRC WGRK

Abkürzungen und Literatur

Lutheran World Federation Lutherischer Weltbund Nederduitse Gereformeerde Kerk (Südafrika) Nederduitse Gereformeerde Kerk in Afrika Nederduitse Gereformeerde Sendingskerk (Südafrika) Ökumenischer Rat der Kirchen Calvin, Johannes (1926ff), Opera selecta, hg. von Petrus Barth und Wilhelm Niesel, 5 Bde, München Presbyterian Church (USA) Reformed Church in America Reformed World Vischer, Lukas, Reformed Witness Today. A Collection of Confessions and Statements of Faith Issued by Reformed Churches. Bern 1982 Vischer, Lukas (Hg.), Reformiertes Zeugnis heute. Eine Sammlung neuerer Bekenntnistexte aus der reformierten Tradition. Neukirchen-Vluyn 1988 Uniting Reformed Church in South Africa Luther, Martin, Werke. Kritische Gesamtausgabe („Weimarer Ausgabe“), Weimar 1883ff World Alliance of Reformed Churches World Communion of Reformed Churches Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen

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Personenregister

Aben, Tersur A. 131, 425 Ackermann, Denise M. 343, 425 Allolio-Näcke, Lars 42, 60, 425 Alston, Wallace M., 37f, 54f, 75, 101, 167, 388, 409, 412, 425 Anderson, Scott D. 399, 425 Antwi, Daniel J. 425 Assmann, Aleida 425 Augusti, Johann Christian Wilhelm 83, 422 Baliff, Edmée 28, 453 Balke, Willem 425 Balser, Peter 174, 394, 446 Balserak, Jon 304, 426 Bam, Gustav 154, 173, 202, 426 Banda, Lameck 41, 426 Barth, Hans-Martin 28, 224, 426 Barth, Hermann 426 Barth, Karl 12–14, 43, 66f, 69, 79, 80, 82–87, 98, 105, 109f, 112, 116–120, 124, 126, 128, 131, 133–138, 145, 148, 150–152, 155– 158, 164f, 167, 169, 172f, 179–187, 198f, 205, 210, 221f, 226, 234, 237f, 242f, 246, 248, 252–255, 264, 270, 285, 287–289, 292, 295, 314f, 318f, 322f, 335, 341f, 344f, 353f, 365, 372, 393f, 401, 405, 411, 421, 426 Barton, Stephen C. 426 Baur, Jörg 19, 28, 426 Bauswein Jean-Jacques 18, 22, 32, 48f, 171, 426 Bauckham, Richard 229, 426 Bavinck, Herman 249, 426 Bayer, Oswald 394, 426

Beck, Friedrich Adolf 83, 422 Beeke, Joel R. 427 Beintker, Michael 13, 128, 160, 410, 427 Benesˇ, Ladislav 427 Berkhof, Hendrikus 145, 427 Berkouwer, Gerrit C. 427 Bertram, Robert W. 19, 427 Bethge, Eberhard 347, 427 Beyers Naudé, Christiaan Frederick 41 Bieber, Marianus 19, 427 Bienert, Maren 110, 437 Bierma, Lyle D. 427 Birmlé, André 216–218, 427 Bizer, Ernst 236, 261, 285, 288, 291, 293, 427 Blancy, Alain 174, 198, 427 Blaser, Klauspeter 43, 46, 363, 385, 387, 427 Blei, Karel 25, 43, 114f, 119f, 123, 130, 427 Bloesch, Donald G. 34, 428 Böckel, Ernst Gottfried Adolf 83, 422 Boesak, Allan 34, 311, 377, 428 Bohlen, Maren 347, 428 Bonhoeffer, Dietrich 52, 376, 428 Bosch, David J. 354, 428 Botha, Johan 116, 129, 148, 187, 428 Botman, H. Russel 283, 428 Bradbury, John P. 118, 130, 382, 428 Brandmüller, Walter 19, 428 Brandt, Edwin 19, 428 Brinkman, Martien E. 16, 18, 39, 134, 137– 139, 144, 155, 165, 170, 173, 186, 195, 370, 374, 376, 428 Bromiley, Geoffrey William 323, 428 Brower, Kent E. 428 Brown, James D. 162, 428

462 Brown, Margrethe B. 428 Brown, Robert M. 162, 428 Brueggemann, Walter 227f, 230, 429 Brunner, Emil 240, 344, 429 Buchanan, John 158, 204, 386, 391, 393, 429 Bühler, Pierre 29, 129, 137, 140, 151, 172, 177, 183, 197, 210, 368, 392, 429 Buitendag, Johan 120, 429 Bukowski, Peter 15, 46f, 51f, 371, 429 Bullinger, Heinrich 80, 119, 124, 146, 193, 429 Bülow, Vicco von 14, 429 Burgess, Andrew 258, 262, 277, 285f, 289, 429 Burgess, John P. 82, 429 Busch, Eberhard 15, 18, 21, 33, 36, 42, 52, 72f, 82, 84–87, 99, 103, 117, 127f, 130– 134, 138, 145, 151–154, 169–172, 176– 178, 189, 192, 195, 198, 200, 208, 248f, 278f, 326, 339–341, 347, 351, 353, 360, 369f, 377, 386, 388, 395, 401, 410f, 421, 429f Bush, Michael D. 130, 430 Calixt, Georg 214, 430 Calvin, Johannes 64f, 76, 79f, 86, 98, 102, 104, 114, 118, 120, 123, 130f, 146f, 158, 166, 174, 186f, 195f, 208, 210, 218–220, 236, 244, 246, 275, 285, 291, 304, 306, 315, 320, 334, 340f, 348, 368f, 374, 377, 380f, 392, 405, 421f, 430 Campbell, Cynthia 34, 194, 197, 374, 378, 430 Campi, Emidio 73, 82, 172, 430 Casalis, Georges 347, 372, 416, 430 Case-Winters, Anna 133, 159, 188, 402, 430 Chun, Kyung Yun 101, 430 Chung, Meehyun 41, 431 Clements, Keith W. 44, 431 Cloete, G. Daan 124, 139, 159, 168, 183, 431 Cochrane, Arthur C. 83, 116, 423 Collet, Giardano 135, 431 Come, Arnold B. 142, 431 Cornick, David 394, 431 Cottin, Jérôme 423

Personenregister

Cressey, Martin H. 135, 431 Danäus, Lambertus 214, 431 Dantine, Wilhelm 402, 431 Deeg, Alexander 11, 42f, 44, 46, 58f, 61–63, 96, 108, 221–224, 382, 425, 431 DeGruchy, John 16, 31, 84, 121, 123, 171, 187, 208, 210f, 215, 249, 276, 377f, 431 Dennison, James T. 83, 423 Douglass, Jane D. 93, 127, 195, 393, 431f Dowey, Edward 35, 127f, 167, 191, 210, 212, 242, 251, 293, 300, 304, 367, 371, 373, 375, 432 Duchrow, Ulrich 25f, 432 Durand, Johannes J.F. 149, 183, 432 Dziewas, Ralf 432 Ebeling, Gerhard 175, 198, 432 Ebrard, August 83, 423 Eliade, Mircea 232, 237 Enns, Fernando 28, 412, 432 Ernst(-Habib), Margit 23, 89, 103, 106, 114, 145, 160, 183, 201, 264, 267, 276, 278, 283, 286, 295, 300, 322, 324f, 366, 378, 384, 403, 418, 432f Eßer, Hans Helmut 166, 209, 321, 374, 433 Fackre, Gabriel 301f, 371, 433 Fahlbusch, Erwin 386, 388, 409, 433 Faulenbach, Heiner 47, 49, 77–83, 87, 433 Feenstra, Ronald J. 73, 433 Fergusson, David 166, 433 Fischer, Johannes 117, 125, 150f, 153, 199, 433 Fischer, Ulrich 433 Flett, John G. 354, 434 Forsyth, Peter Taylor 297, 322 Frei, Hans W. 381, 434 Freudenberg, Matthias 12, 47, 77, 79, 81, 83f, 87, 116, 118, 120, 124, 135, 140, 146, 149, 157, 164, 169, 174, 181, 193, 202, 205, 210, 216, 248, 266, 281, 284–286, 288, 291, 312, 329, 331f, 339, 345, 351f, 358, 388, 415, 421, 430, 434 Frettlöh, Magdalene L. 226, 228, 434

Personenregister

Fries, Paul R. 30, 57, 71, 74, 106f, 163, 353, 390, 434 Frimpong, Akua 397, 434 Fromm, Douglas W. 163, 434 Fubara-Manuel, Benebo F. 32, 67, 434 Fuhrmann, Paul T. 368, 434 Gajardo, Joel 142, 434 Gassmann, Günther 163, 434 Gerdes, Uta 205, 434 Gerrish, Brian A. 35f, 44, 71f, 97, 99, 101, 106, 117, 136, 138, 141, 155, 162, 171f, 182, 189, 208, 212, 388, 393f, 411, 434 Gockel, Matthias 35, 458 Goeters, J. F. Gerhard 78, 434 Gordon, J. Dorcas 20, 43, 404, 435 Gorman, Michael J. 229, 299, 435 Goroncy, Jason 41, 118, 227, 235, 237–239, 254, 262, 283, 294, 297, 314, 322, 343f, 370, 390, 402, 435 Goßweiler, Christian, 355 Goßweiler, Pebri 355 Graf, Friedrich Wilhelm 52, 435 Granberg-Michaelson, Wesley 359, 435 Grandjean, Michel 92, 435 Greggs, Tom 341, 403, 437 Greinacher, Norbert 435 Grob, Rudolf 14, 435 Grünwaldt, Klaus 19, 230, 435 Guder, Darrell L. 354, 398, 435 Gunsalus Gonzales, Catherine 254, 435 Gunton, Colin E. 229, 231, 343, 401, 435 Guthrie, Shirley C. 150, 181, 205, 435 Haarbeck, Ako 15, 16, 131f, 195, 201, 213, 404, 412, 435 Hahn, Udo 19, 435f Hailer, Martin 100, 163, 221, 411, 435 Hall, Douglas J. 126, 128, 130, 141, 183, 199, 207, 209, 280, 345, 375, 436 Halter, Didier 423 Hambrick-Stowe, Charles E. 438 Hardmeier, Roland 398, 436 Härle, Wilfried 242, 436 Harrison, Beverly Wildung 142, 436

463 Hauschildt, Friedrich 436 Heckel, Theo K. 44, 222, 380f, 436 Heideman, Eugene P. 87, 101, 103, 127, 178f, 191, 242, 377, 436 Hendriks, Hans J. 356, 436 Heppe, Heinrich 236, 261, 285, 288, 291, 296, 428 Herms, Eilert 436 Heron, Alasdair I. 15, 45, 117, 138, 193, 313, 339, 385, 436 Herrenbrück, Walter 128, 153, 169, 279, 436 Hesselink, I. John 73, 114, 169, 208, 436 Hettema, Theo 372, 401, 436 Heuser, Stefan 11, 58f, 61, 96, 107, 220, 222, 223, 224, 425, 432 Hirzel, Martin Ernst 125, 437 His Holiness Aram I 399f, 437 Hoffmann, Gottfried 437 Hofheinz, Marco 11, 14f, 21, 40, 86, 110, 145, 164, 194, 200, 264, 269, 274f, 282f, 289, 293, 295, 319f, 324f, 329, 332, 335, 339, 355, 361f, 377f, 387f, 407, 410f, 415, 423, 437 Honecker, Martin 209, 437 Horn, Nico 148, 437 Hromádka, Joseph L. 130 Hüffmeier, Wilhelm 399, 437 Hultsch, Erich 438 Hwang, Jae-Buhm 142, 266, 271, 274, 292, 360, 419, 438 Jacobs, Paul 87, 110, 116f, 122f, 128, 137, 166, 171, 185f, 368, 375, 423, 438 Jäger-Beux, Milena 235, 438 Jäger-Werth, Hans Ulrich 280, 438 Japinga, Lynn 43, 438 Jarrett, William Ray 383, 438 Jeanrond, Werner G. 404, 438 Jensen, David H. 17, 41, 55, 67–69, 75, 100, 161f, 313, 334, 373, 398, 438 Jochum-Bortfeld, Carsten 110, 437 Joest, Wilfried 240, 257, 273, 286, 438 Johnson, Daniel L. 438 Johnson, William Stacy 114, 159, 204, 208, 372, 394, 396, 402, 438

464 Jones, Serene 377 Jong, Wybren de 386, 438 Josuttis, Manfred 63, 383, 438 Jüngel, Eberhard 438 Karl V. 149 Karner, Peter 15, 439 Karrer, Andreas 33, 439 Karrer, Martin 233, 439 Kattenbusch, Ferdinand 52, 439 Kehm, George H. 439 Keller, Catherine 61, 439 Kim, Grace Ji-Sun 41 Kinder, Ernst 214, 439 Kinnamon, Michael 22, 439 Kirkpatrick, Clifton 28, 53, 358, 439 Kißkalt, Michael 432 Klän, Werner 19, 439 Klappert, Bertold 348, 439 Klein, Nikolaus 439 Kleßmann, Michael, 439 Kluge, Friedrich 221, 439 Köber, Berthold W. 232, 235, 294, 439 Kobong, Theodorus 121, 133, 323, 439 Koffeman, Leo J. 23, 439 Kolfhaus, Wilhelm 13, 439 Koopman, Nico N. 439 Körtner, Ulrich H. 15, 221, 318, 439 Kraemer, Hendrik 45, 439 Kraus, Hans Joachim 151, 262, 397, 403, 440 Kreck, Walter 164, 189, 440 Krieg, Matthias 29, 86, 93, 100, 125, 147, 162, 182, 185, 192, 259, 263–269, 276f, 279, 281f, 282, 289f, 294f, 297f, 305f, 308, 310, 312, 320, 324f, 328–331, 334f, 338, 344, 348, 352, 362f, 405, 415, 423, 440 Kritzinger, Klippies 359, 440 Kromminga, John H. 100, 198, 440 Krötke, Wolf 225f, 236, 249, 252, 260, 286, 440 Kruger, Jaco 223, 384f, 395, 402, 410, 440 Kruger, Paul 440 Kuhlmann, Helga 389, 440 Kuhn, Thomas K. 440 Kumazawa, Yoshinobu 130, 430

Personenregister

Kummer, Joachim 213, 440 Kunz, Ralph 39, 117, 120, 148, 193, 440 Lakeland, Paul 28, 440 Lanczkowski, Günter 96 Langford, Michael D. 399, 440 Lara-Braud, Jorge 34, 377, 437 Latzel, Thorsten 99, 150, 368, 441 Laurentius, Gaspar 81, 422 Leith, John H. 34, 48, 70f, 73, 77, 79, 82, 98, 101, 104, 117, 128, 144, 146, 153, 159, 176, 192, 202f, 249, 399, 404, 441 Lessing, Eckhard 83, 441 Levine, Baruch A. 228, 441 Lewis, Alan E. 170, 204, 441 Lienemann, Wolfgang 101, 176, 411, 441 Lienemann-Perrin, Christine 20, 23, 67, 170, 203, 441 Link, Christian 15f, 36, 44f, 84, 89, 104f, 115, 120, 122f, 125, 128, 131f, 139, 170, 212, 223, 245, 250, 347, 373f, 376f, 392, 400, 411, 441 Link, Hans-Georg 85, 89, 212, 407, 442 Link-Wieczorek, Ulrike 412, 442 Locher, Gottfried Wilhelm 63, 197, 404, 442 Lochman, Jan Milicˇ 114, 121, 363, 397, 402, 442 Lucke, Harmut 423 Lübbe, Hermann 42, 442 Luibl, Hans Jürgen 29, 429, 440, 442 Luther, Martin 62f, 107, 209, 343, 382, 393f, 405 Lüthi, Kurt 377, 442 Mahlmann, Theodor 130, 442 Manole, Nicolae 333, 341, 442 Marquard, Odo 58, 443 Marquardt, Friedrich-Wilhelm 226, 228, 443 Martin, Clarice J. 264, 443 Martin, Friedrich 399, 437 Mateus, Odair Pedroso 18, 424, 443 Mauser, Ulrich 142, 443 McCormack, Bruce L. 172, 190, 243, 286f, 443

465

Personenregister

McEnhill, Peter 19, 23, 28, 36f, 73, 119, 134, 173, 410, 443 McKim, Donald K. 34f, 200, 204, 207, 285, 296, 443 Mehlhausen, Joachim 434 Melanchthon, Philipp 115 Melano, Beatriz 372–374, 443 Meß, Jakob 83, 422 Meyer zu Hörste-Bührer, Raphaela 86, 423 Migliore, Daniel L. 74f, 114, 138f, 142, 157, 174, 201, 220, 372, 393, 396, 401f, 444 Mino, Koichi 33, 444 Modras, Ronald 96, 100, 135, 444 Möller, Christian 59f, 444 Moltmann, Jürgen 14, 63f, 117f, 138, 170, 194, 207f, 234, 280, 326, 329, 354, 372, 377, 393, 395, 402, 408, 412, 437, 444 Moor, Robert de 28, 444 Moore-Keish, Martha L. 333, 444 Moser, Félix 423 Mosher, Annette 385, 444 Mostert, Christiaan 381, 444 Mottu, Henry 21, 86, 89, 129, 177, 188, 270, 280, 415–419, 423, 444 Mudge, Lewis S. 71, 155, 444 Muller, Richard A. 107, 156, 180, 390, 444 Müller, E.F.Karl 83, 421, 423 Müller, Wolfgang W. 241, 444 Myers, Benjamin 129, 159, 375, 392, 405, 445 Naudé, Piet 46, 85, 102, 116, 129, 148f, 163, 186f, 276, 428, 445 Nausner, Michael 61, 439 Neumann, Sabine 197, 208, 445 Neuser, Wilhelm N. 244f, 445 Neval, Daniel 38, 130, 445 Newbigin, Lesslie 41, 366, 445 Newlands, George 170, 445 Nichol, Frank 197, 445 Nicolaisen, Carsten 116, 445 Niebuhr, Reinhold 41, 139 Niemeyer, Hermann Agathon 83, 422 Niemöller, Jan 148, 445 Niesel, Wilhelm 13f, 87, 165, 169, 375, 387, 408, 422f, 445f

Niethammer, Lutz 43, 60, 446 Niles, Daniel Thambyrajah 199, 446 Nimmo, Paul T. 446 Nitsche, Bernhard 11, 407, 411 Nyomi, Setri 24, 98, 173, 219, 400, 424f, 446 Opitz, Peter 44, 52, 446 Opocˇenský, Milan 20, 26, 50, 65, 69, 191, 386, 419, 424, 446 Osmer, Richard 90, 446 Osterhaven, M. Eugene 73f, 174, 446 Ott, Heinrich 174, 394, 446 Otte, Klaus 174, 394, 446 Ottati, Douglas F. 69, 166, 187, 190, 198, 363f, 377, 446 Otto, Rudolf 232, 237, 262, 446 Ozankom, Claude 446 Pannenberg, Wolfhart 163, 223, 241, 253, 287, 381, 393f, 447 Park, Seong-Won 26f, 41, 424, 447 Pauw Platinga, Amy 119, 131f, 184, 377, 447 Perret, Edmond 19, 132, 424 Phiri, Isabel Apawo 31, 447 Pillay, Jerry 42, 447 Pitsch, Jochen 15, 447 Placher, William C. 65, 92, 147, 180, 184, 190f, 194, 200f, 212, 236, 242, 264, 279, 281, 292, 294–296, 324, 348f, 362, 418, 447 Plaisier, Bastiaan 133, 303, 323, 447 Plasger, Georg 12, 13, 77, 79, 81, 83, 85, 87, 111f, 116, 119f, 124, 127, 135, 146, 149– 152, 157, 164, 169, 172, 174, 181, 189, 193, 202, 205, 210, 216, 248, 281, 284, 290, 312, 318, 329, 331f, 345, 352, 415 Plüss, David 241, 447 Pörksen, Uwe 59, 61, 447 Pradervand, Marcel 18, 447 Proksch, Otto 231f, 448 Quervain, Alfred de 18, 448 Quigley, Lynn 448

466 Rad, Gerhard von 227f, 231, 272, 315, 334, 448 Raedel, Christoph 19, 448 Raiser, Konrad 88f, 91, 93, 135, 139, 167, 182, 212, 448 Réamonn, Páraic 19f, 25, 386, 424 Reese, Hans-Jörg 81, 448 Reichel, Hanna 13, 97, 105, 117f, 139, 150, 173, 211, 248, 396, 409, 411, 448 Reist, Benajmin A. 377, 448 Rendtorff, Trutz 214, 448 Reuss, András 62, 448 Ricoeur, Paul 448 Ringgren, Helmer 228, 448 Ritschl, Albrecht 110, 448 Rivera, Mayra 61, 439 Robinson, Phil J. 101, 448 Robson, James E. 448 Rogers, Jack B. 68, 78, 92, 124, 167, 211, 358, 448f Rogers, John 31, 449 Rohls, Jan 77f, 80, 84, 87, 115–117, 141, 161, 163, 165f, 169, 185f, 225, 247, 257, 274, 284f, 291, 296, 301, 307, 313, 321f, 331f, 339, 358, 449 Ross, John S. 31, 449 Rüegger, Heinz 28, 38, 89, 91f, 106, 131, 165, 177, 186, 189, 192, 386, 408, 449 Runia, Klaas 146, 449 Russell, Letty M. 41, 114, 433, 449 Sallmann, Martin 188, 449 Salvard, Jean-François 81, 422 Sasse, Hermann 13 Saxer, Ernst 15, 80, 167, 449 Schaff, Philip 79, 83, 423 Schellong, Dieter 154, 156, 179f, 182, 187f, 376, 449 Schillebeeckx, Edward 241, 449 Schleiermacher, Friedrich D.E. 202, 246, 449 Schlink, Edmund 103, 105, 150, 176, 449 Schmidt, Eckart David 225, 450 Schneider-Flume, Gunda 43, 61, 450 Scholz, Stefan 44, 384, 450

Personenregister

Schönberger, Dennis 236, 376, 450 Schreiner, Martin 450 Schröer, Henning 153, 177, 372, 450 Schrotenboer, Paul G. 388, 450 Schröter, Jens 450 Schwarz, Hans 96f, 98, 100–102, 104, 450 Schweitzer, Friedrich 450 Schweizer, Alexander 82, 286, 450 Schwöbel, Christoph 77, 106, 221f, 386, 394f, 402, 408, 411, 448 Sebastian, Johann J. 33, 451 Seebass, Horst 230, 451 Seebold, Elmar 221, 439 Seils, Martin 126, 131, 167, 451 Seitz, Christopher R. 229, 451 Selderhuis, Herman J. 246, 451 Sell, Alan P.F. 18, 20, 154, 170, 383, 451 Shinn, Roger Lincoln 93, 141, 195, 209, 451 Siller, Annelore 335, 451 Sleith, Allen 73, 451 Slenczka, Notger 308, 451 Small, Joseph D. 68, 70, 73, 111, 131, 143, 154f, 162, 169, 173, 190, 193, 248, 251, 451 Smit, Dirk(ie) J. 17f, 25, 31, 39, 46, 64, 78, 96f, 99–102, 107, 110, 121, 124, 137, 139, 154, 156, 159, 168, 177, 181, 182f, 186, 211, 214, 275f, 374, 378, 451f Smit, Laura 256, 452 Smylie, James H. 300, 452 Sonderegger, Katherine 294, 452 Song, Choan-Seng 450 Sorge, Sheldon W. 118, 234, 344, 452 Spindler, Marc 198 Spykman, Gordon J. 139, 452 Steck, Karl Gerhard 214f, 452 Steininger, Thomas R. 19, 452 Stephan, Hans-Ulrich 452 Stettler, Hanna 227–232, 234, 296, 349, 453 Stewart, Kenneth J. 68, 453 Stobbe, Heinz-Günther 11, 16, 59, 60, 453 Stock, Konrad 143, 453 Stockmeier, Peter 227, 230, 453 Stollberg, Dietrich 453 Stolz, Jörg 28, 453

Personenregister

Stotts, Jack L. 21, 92f, 107, 114, 127, 161, 195, 220, 357f, 361, 453 Strahm, Doris 305, 453 Straub, Jürgen 453 Strauss, Sybrand A. 134, 142, 154, 453 Stroup, George W. 66, 68f, 71f, 93, 108, 133, 174f, 178, 247, 292, 304, 368, 453 Suk, Won-sik 142, 418f, 453 Sundermeier, Theo 63, 222, 224, 226f, 355, 387, 398, 411f, 453 Tanner, Kathryn 157, 396, 453 Tegwende Kinda, Léonard 24, 454 Theißen, Gerd 411 Theron, Flip 383, 402, 454 Thompson, David Michael 154, 454 Tillich, Paul 237, 241, 454 Toon, Peter 284, 454 Torrance, Thomas F. 395, 436, 454 Track, Joachim 96, 107, 132, 454 Tracy, David 158, 454 Trón, Carola R. 25, 454 Tshaka, Rothney S. 454 Tutu, Desmond 215, 454 Ulrich-Eschemann, Karin 382, 454 Ulrichs, Hans-Georg 17, 387, 436, 454 Van de Beek, Abraham 383, 454 van den Belt, Henk 23, 102, 454 van den End, Theodor 32, 34, 137, 454 van der Borght, Eduardus A.J.G. 39, 107, 171, 196, 385, 454 van der Kooi, Akke 72, 106, 382, 398, 455 van der Veen-Schenkeveld, Marja 455 van der Watt, Jan Gabriël 455 van Dyk, Leanne 97, 100, 102, 176, 455 van Houten, Richard L. 84, 455 van Oorschot, Frederike 86, 423 van Ruler, Albert A. 96, 177, 449 van Wijk-Bos, Johanna W.H. 228, 230, 378, 455 Vanhoozer, Kevin J. 383, 455 van’t Spijker, Willem 28, 30, 455 van’t Kruis, Jacobus M. 370, 455

467 Verboom, Willem 381, 383, 455 Vischer, Lukas 14–16, 18f, 21f, 32f, 36, 48f, 52, 71, 77, 82, 84f, 87, 89–91, 94, 106, 108, 126, 133, 162, 167, 170–172, 177, 179, 186, 192, 194f, 201, 225, 248, 269, 287, 353f, 390f, 396, 412, 415, 422f, 426, 455 Visser, Douwe 20, 24, 27, 70, 456 Visser’t Hooft, Willem Adolph 207, 213f, 456 Vogel, Helga 19, 456 Vorländer, Herwart 12, 456 Vreugdenhil, L. Mies 177, 456 Vroom, Hendrik M. 16, 19, 386, 456 Waap, Thorsten 60f, 222, 381, 456 Waldmüller, Bernhard 59f, 456 Weber, Otto 21, 123, 131, 138, 175, 193, 204, 206, 210, 225, 236, 252, 269, 273, 279, 285, 294, 299f, 309, 312, 315–317, 325, 331f, 347, 357, 390, 401, 416, 429, 456 Webster, John B. 12, 99, 101, 103, 229, 235– 237, 239f, 252, 258, 260, 272f, 294, 344, 369, 378, 396, 403, 456 Weerda, Jan R. 130, 457 Weinrich, Michael 13, 15, 42, 46, 65, 84, 105f, 111, 115, 119f, 126, 130, 136, 139, 141, 158, 161, 170, 176, 179, 188, 191, 198–200, 202f, 252, 357, 372, 389–392, 400, 402, 404, 407, 410f, 457 Welker, Michael 15, 19, 35, 37f, 54f, 144, 167, 224, 359, 372, 397, 403, 412, 457 Wells, David F. 235, 457 Wells, Jo Bailey 229–231, 343, 346, 357, 457 Wells, Paul 145, 457 Wengst, Klaus 233, 262, 458 Wenz, Gunther 163, 458 Wesley, John 190, 236 Westermann, Claus 228, 458 Wethmar, Conrad J. 42, 44, 106f, 116, 390, 402, 458 Wiley, Charles 208, 458 Wilkinson, John 97, 176, 194, 458 Williams, Daniel Day 93, 141, 195, 209, 451 Williams, Rowan 341, 458

468 Willis(-Watkins), David 35, 65, 92, 147, 159, 178, 180, 184, 190–194, 200f, 212, 214, 229, 232–239, 242, 248f, 252, 262, 264, 279, 281, 284, 286, 292, 294–296, 299, 324, 345, 348f, 375f, 392, 418, 458 Wilmore, Gayraus S. 142, 458 Wilson, Henry S. 18, 20, 424 Winn, Albert Curry 34, 377, 458 Wire, Antoinette 458 Wirsching, Johannes 105f, 458 Wishart, George 164 Witte, Markus 232 Witvliet, Theo 61, 63, 374, 378, 397, 401, 458 Wrogemann, Henning 360, 458 Wüthrich, Matthias D. 92, 98, 128, 408, 458 Wyatt, Peter 16, 195, 411, 458

Personenregister

Za Bik, Edmund 137, 459 Zademach, Wieland 130, 459 Zarnow, Christopher 61, 459 Zeindler, Matthias 11, 15, 40, 86, 188, 233, 286, 289, 377, 388, 411, 459 Zimmerli, Walther 459 Zimmermann, Gunter 313, 459 Zink, Jörg 62, 387, 411, 459 Zorgdrager, Heleen 27, 372, 401, 436, 459 Zorn, Jean-François 411, 459 Züchner, Christian 15, 29, 459 Zwingli, Huldrych 78, 86, 149, 192, 202, 246, 291

Sachregister

Abendmahl 284, 331–333 Accra-Bekenntnis, -Erklärung s. Bekenntnis von Accra Alte Kirche/altkirchlich 33, 51, 77, 91, 93, 102, 148, 152, 247, 258, 285, 291 Amman-Erklärung des Fellowship of Middle East Evangelical Churches (2006) 95, 125, 145, 325, 329, 332, 362 Anhang zum Heidelberger Katechismus. Die Lehre der GKJTU der Christlichen Kirche aus Nordmitteljava (2008) 32, 90, 334, 360, 365 Apartheid 25, 31, 121, 148, 215, 274 Apostolikum 29, 192, 208, 291, 394 Athanasium 29 Barmer Theologischer Erklärung (1934) 21, 26, 46, 49, 64, 84–86, 90–92, 100, 102, 116, 120f, 124, 125, 141, 148, 161, 182, 204f, 238, 242, 259, 281, 290, 329, 331, 333, 347, 352–354, 358, 360, 373, 377 Basis of Union des Ghana Church Union Committee (1965) 95, 155, 198, 201, 355, 357 Bekenntnis – als Kommentar zur Heiligen Schrift 155, 166, 210, 368 – als Schuldbekenntnis 89, 91, 182, 310, 349 – coram Deo 174–179 – coram ecclesiae 179–197 – coram mundi 197–207 – der Sünde 179, 182f

– Entwicklung 17, 49, 53, 57, 76, 77–89, 103, 163, 185, 217 – eschatologischer Charakter – Funktionen 50, 53, 57, 77, 95–104, 106, 156, 176f, 198f, 203, 212, 373, 376 – Hermeneutik 68, 110, 112f, 155, 163, 216f, 243, 375, 377 – Kontext(ualität)/in tempore et in loco 82, 88f, 91, 94–96, 102, 134–144, 148, 150, 168, 190, 202, 240, 260, 266, 278f, 301, 328, 337, 370 – Partikularität 80f, 135, 138f, 144f, 148, 153, 179, 192 – Pluralität/Pluriformität 69, 76–81, 89, 135, 138, 145, 240, 389 – relative Autorität 150–173 – Theozentrik 114–118, 144f, 158, 177, 179, 193, 209, 220, 256, 393 – Tradition 51, 78, 81f, 88f, 132, 135, 185, 191, 249, 319, 321 – Verständnis 13, 50, 53, 77, 85, 95, 108, 109–218, 240f, 344, 367–378, 393, 409 – s. auch Kirchenordnungen und Bekenntnis; status confessionis Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen (1934) 201, 205, 352 Bekenntnis der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche in Chile/IPCH (1983) 94, 200, 362 Bekenntnis der Toraja-Kirche/Indonesien (1981) 90, 121, 123, 133, 144, 178, 185, 204, 206f, 210, 247, 250, 253–255, 258, 260, 268–270, 273, 292, 303, 307, 309,

470 311, 313, 315, 318, 322f, 327, 332, 334f, 338–340, 352, 357 Bekenntnis über die Verantwortung im Zweiten Weltkrieg der Vereinigten Kirche Christi in Japan/ Kyodan (1967) 92, 182, 355 Bekenntnis von 1967 der United Presbyterian Church in the USA 13, 23, 43, 46, 90, 122, 124, 129, 140–143, 155, 161, 166, 178, 184, 191, 203, 212, 242, 247, 250, 253, 256, 258f, 261, 268, 271, 277, 283, 285, 293, 298, 300, 303f, 308, 310, 315, 319, 322, 325, 333, 336, 338, 350, 353, 356, 366 Bekenntnis von Accra der 24. Generalversammlung des Reformierten Weltbundes (2004) 17, 26f, 88, 98, 275, 297, 302, 304, 308, 310, 327, 361, 362 Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche. Eine Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes (1982) 159, 202, 209 Bekenntnis/Bekennen Belhar-Bekenntnis der NiederländischReformierten Missionskirche (1982) 30f, 49, 88, 91, 100–102, 119, 121–124, 138, 139, 148f, 159, 163, 168f, 182, 184, 186f, 211, 215, 242, 263, 274–277, 297, 301, 326, 328, 333, 355, 378 Berner Synodus (1532) 151, 169 Berner Thesen (1528) 79 Bibel s. Heilige Schrift Böse, das/böse Mächte 232, 261, 269, 272, 275 Brief Statement of Faith der Presbyterian Church/USA (1991) 65, 92–94, 127, 147, 180, 184, 190–195, 200f, 212, 248, 259, 264, 266–268, 279, 281, 289, 295, 298, 306, 308, 324, 330, 331f, 334, 338f, 344, 348f, 352, 362 Bund 221, 228f, 233, 258, 271f, 288f, 338f, 346f, 349, 380 – Bundesgott 289, 339, 350 – mit Israel 228f, 233, 247, 348–352 – Bundesvolk 229, 233, 247, 272, 293, 339f, 343, 348–351

Sachregister

Buße 153, 159, 182, 238, 261, 324f, 361 Calvinismus 67, 74, 79 Catechism for Today der Presbyterian Church of Canada (2004) 90 Coleraine Declaration der Presbyterian Church in Ireland (1990) 90, 182, 338, 357 Confessio Belgica (1561) 30, 79, 140, 184, 358 Confessio Gallicana (1559) 79, 181, 251, 288, 345 Confessio Helvetica Posterior (1561) 49, 79f, 119, 124, 140, 146, 164, 193, 281, 284, 291, 311 Confessio Scotica (1560) 79, 115, 118, 157, 164, 169, 259, 358 Confession de Foi der Schweizerischen Evangelischen Synode (1986) s. Glaubensbekenntnis der Schweizerischen Evangelischen Synode (1986) Confession de Foi der Evangelischen Kirche Maòhi (1997) 94 Confession de Foy (1559) s. Confessio Gallicana Confession of 1967 s. Bekenntnis von 1967 Credo de L’Espérance der Evangelischen Waldenserkirche am La Plata (1997) Credo von Kappel einer interkantonalen Initiativgruppe/Schweiz (2008) 263, 276, 297, 305f, 312, 327f Dankbarkeit 152, 154, 186, 189, 288, 311, 326, 370, 373 Declaración de Fe der Iglesias Reformadas en Argentina (2003) Déclaration de foi der Église Nationale Protestante de Genève (1992) 86, 92–94, 147, 162, 185, 265, 269, 277, 281, 290, 294, 320, 335, 362f Déclaration de foi der Église Protestante Unie de France (2017) 420 Diakonia/Diakonie 50, 360 Dialektik 54, 134, 138, 169–171, 173, 204, 368–371

Sachregister

Dordrechter Canones (1618–19) 30, 67, 79, 291 Doxologie 93, 97f, 108, 174–179, 262f, 264, 279, 366 Drei Formeln der Einheit 30, 79, 102, 148, 185 Ecclesia reformata, semper reformanda secundum verbum Dei 41, 111, 113, 115, 130, 133, 155, 157, 371, 391, 402f Ekklesiologie 109, 114, 120, 122, 130f, 134, 136f, 144, 149, 179f, 195, 220, 337, 345, 407 Erkenntnis – cognitio Dei et nostri 220, 244–246, 343 – Gottes 98, 132f, 141, 151, 174, 179, 207f, 244–257, 259, 267, 296, 307, 317, 395, 402 – des Menschen/Selbsterkenntnis 244, 256, 395 Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterian Church of England (1956) 90, 123, 140, 142f, 147, 152, 161, 201, 225, 251, 253, 255f, 263, 271, 276, 282f, 288f, 292f, 297f, 302, 307–309, 311, 316, 320, 326f, 329, 338, 342, 351 Erklärung des gemeinsamen Verständnisses des christlichen Glaubens in Indonesien der Gemeinschaft der Kirchen in Indonesien (1984) 203, 206, 225, 263, 267f, 303, 316f, 329 Erklärung koreanischer Christen der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (1973) 92, 275 Erklärung von Accra s. Bekenntnis von Accra Erklärung von Debrecen (1997) 20, 65 Erwählung 114–118, 130, 200, 221–223, 225f, 229–231, 234, 237, 252, 260f, 266, 268–272, 277, 285–291, 296, 300, 302f, 307, 313f, 316, 320, 331f, 334, 336f, 338– 341, 343f, 347, 349–351, 353, 355, 369, 371, 378, 398 – bleibende E. Israels 347–351 – der Gemeinschaft der Heiligen 338–341, 344, 379, 383, 387, 398 – s. auch Gnadenwahl, Prädestination

471 Eschatologie 33, 54, 61, 157, 159, 231, 269, 281, 283, 309, 379, 381, 393f, 400 – s. auch Bekenntnis, eschatologischer Charakter; Identität, eschatologische Ethik 80, 143, 205, 209, 309, 380 – und Bekenntnis 210f – und Dogmatik 214, 374 Ethos, reformierter 19, 34, 70–72, 75, 108, 197 Evangelisation 33, 355, 360, 364 Evangelisationsbekenntnis der Evangelisch-reformierten Kirche in Indonesien/GRII (1991) 94, 289, 355 Evangelium 22, 69, 82, 84, 90, 94, 99, 128f, 134f, 140, 142, 153, 167f, 184, 214, 217, 274, 277f, 289, 325, 336, 360, 362, 366, 379, 390, 410 – für die Armen 25, 275f, 295–298, 361 – und Gesetz 351 – und Kontext 139 – von Jesus Christus 45, 143, 374, 377, 410f – Wahrheit 129, 170, 250, 410f – s. auch Kirche, als Zeugnis- und Bekenntnisgestalt des E.s Exodus 221, 230, 344 Extra-Calvinisticum 165, 307 Filioque 314 Frauenordination 193, 345 Freiheit 82, 91, 132, 140, 153, 155, 161, 168, 170, 172, 177, 189–191, 206, 323, 326f, 362, 377 – s. auch Gott, Freiheit; Heiliger Geist, Freiheit Frieden 72, 83, 124, 160, 195, 257, 274f, 277, 279, 282, 293, 330, 344, 345, 361–363 Frömmigkeit 30, 147, 248, 291, 336, 352, 378, 392 Gehorsam 14, 37, 54, 117, 121, 126, 128f, 140, 150, 152, 154f, 159–161, 179, 190, 195, 204, 209, 211, 215, 271, 290, 292, 301f, 324–327, 333, 351, 368, 375–378, 392f

472 Genfer Katechismus (1542/1545) 79f, 98, 102, 146, 174, 186, 202, 210, 218, 285, 291, 296 Gerechtigkeit 26, 91, 182, 205, 227, 275, 277f, 280, 297, 308, 328, 361, 362 – Christus als 233 – s. auch Gott, Gerechtigkeit; Ungerechtigkeit Gericht s. Gott, Gericht Gebet 98, 176–178, 262, 332f, 361, 402 Gebot(e) 114, 129, 152, 175, 205, 210, 233, 272, 378 Gesetz 72, 82, 211, 273, 304, 326, 340, 348 – usus in renatis/tertius usus legis 326 Glaube 26, 62, 89, 91, 94, 96, 99, 116–118, 121, 123, 127, 129, 134f, 138, 140, 152, 158, 161f, 176, 185, 191, 195, 200, 250, 265, 270, 279, 289, 294, 314, 316, 325, 336, 342, 368, 373, 375, 395 – allein durch G./sola fide 290, 311, 325, 338 – als Gabe des Heiligen Geistes 331, 333, 393 – Einheit 145–148, 186, 195 – Israels G. 228, 230, 239, 352 – und Bekenntnis 22, 50, 76, 80, 87f, 101, 104f, 149, 153, 165, 180, 186, 192, 197, 199, 240 – und Freiheit 153, 155, 189f, 326 – und Gehorsam 121, 155, 376 – und Identität 61–64, 96, 104, 106, 244 – und Leben 51, 53, 93, 99, 101, 110, 122, 153, 165, 201, 204, 207–215, 323f, 326, 346, 356, 392 – und Unglaube 130, 183, 310f, 365 – wahrer 115, 120, 148, 156, 182, 185 – s. auch Heilige Schrift als Glaubensregel Glaubensbekenntnis s. Bekenntnis Glaubensbekenntnis der Christlichen Evangelischen Kirche auf Timor/GMIT (2007) 94, 251, 265, 293, 295, 319, 335, 361 Glaubensbekenntnis der Evangelisch-reformierten Kirche in Indonesien/GRII (1986/1989) 319

Sachregister

Glaubensbekenntnis der Kirche Christi in Japan (1953) 85, 92, 94f, 153, 182, 255, 288, 303, 307, 315, 320, 338, 355, 416 Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche von Korea (PCK) für das 21. Jahrhundert (2001) 142, 266, 271, 274, 292, 360 Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (1985) 94, 134, 201, 251, 261, 269, 305 Glaubensbekenntnis der PresbyterianischReformierten Kirche in Kuba (1977) 90, 92, 143, 162, 165, 184, 192, 215, 255, 268, 286f, 305 Glaubensbekenntnis der Schweizerischen Evangelischen Synode (1986) 93, 182, 263, 267, 282, 298, 306, 310, 331 Glaubensbekenntnis der United Church of Canada (1968/1980) 93, 263, 280, 301, 361 Glaubensbekenntnis der Vereinigten Kirche Christi in Japan/Kyodan (1954) 95, 303, 315, 320, 338 Glaubenserklärung der Presbyterian Church in the US (1976) 90, 118, 121, 124, 127, 130f, 158, 165, 168, 184, 200, 206, 246f, 250, 255f, 258, 262, 268f, 271f, 275f, 280, 282f, 289f, 292f, 295, 298, 301, 303, 307, 309, 311f, 317f, 321, 323, 325, 329f, 333f, 338, 340, 343, 345, 349, 352, 356, 358, 365 Glaubenserklärung und Glaubensbekenntnis der Congregational Church in England and Wales (1967) 90, 93, 118, 122, 127, 154, 176, 179, 187, 192, 194, 207, 246, 250–256, 265, 267f, 283, 288, 292, 299, 302, 304, 309, 311f, 315, 319, 322f, 326, 330, 335, 339, 342, 357, 364, 376 Gnade 233, 252, 259, 301 – sola gratia 311 – und Glaube 62, 325 – s. auch Gott, Gnade Gnadenmittel 115, 332f, 347 – s. auch Heilsmittel Gnadenwahl 287, 289f, 338

473

Sachregister

– s. auch Erwählung, Prädestination Gott – Advokat 260, 272–277, 297, 327, 363, 412 – Barmherzigkeit/Erbarmen 177, 204, 229, 231, 233, 254, 261, 272, 277, 284, 299, 311, 345 – Bewahrer und Erhalter der ganzen Schöpfung 115, 175, 253, 258, 260, 266– 271, 277, 289, 310, 317, 324, 335, 361, 363, 378, 412 – Dreieinigkeit 257–260 – Eigenschaften/Attribute 158, 225f, 236, 238f, 247, 249, 252, 257f, 262, 278, 314, 353 – Freiheit 132, 248–250, 253, 271, 288, 323f – Heilige Israels 221, 228, 237, 239, 259, 262, 286, 293, 344, 347f – „Holy Mystery“ 246–257, 264f, 304, 311 – Gerechtigkeit 231, 251, 254, 261f, 268, 272–277, 296–299, 305, 307, 312, 321, 327, 345 – Gericht 159, 231, 233, 237, 261f, 274, 276, 282, 284, 287, 293, 296, 298f, 311f, 317, 321, 336, 348 – Gnade 233, 252, 259, 261, 265, 277, 282, 286, 288–292, 299, 311, 315, 317, 326, 332, 338, 344, 352, 364, 381, 383, 394, 396 – Heiligkeit 53, 114, 120, 158, 167, 219, 221, 224–240, 244, 246–337 – erwählende 286–290, 300, 303, 307, 314, 316, 320, 332, 334, 336, 338 – kruziforme 299, 301–304, 307, 314, 332 – missionale 399 – relationale 229, 234, 247, 249, 270f, 286, 289, 296f, 300, 307, 314–316, 328, 332, 334, 336, 339, 365, 380 – transformative 328 – versöhnende 300, 302f, 307, 314–316, 320, 328, 332, 334, 336 – Identität 33, 74, 219–226, 238f, 244f, 256, 270, 284f, 294, 308, 314, 325, 336, 343, 380

– Liebe 120, 132, 175, 177, 231, 234, 246, 249, 251, 253, 255, 258–283, 288, 297– 312, 329f, 339, 344, 351, 362, 399 – gerechte 251, 276, 294, 296f, 302, 307f, 321 – heiligende 260–284, 354, 396, 410 – heilige 247, 253–257, 260–284, 289, 294, 296f, 304, 307f, 311, 326f, 350f, 354, 396, 410 – souveräne 250, 253, 266, 271 – Mutter 264 – providentia Dei 160f, 268 – Richter 98, 231, 260f, 272–277, 311, 412 – Schöpfer 67, 98, 106f, 174–176, 223, 239, 245, 253, 255, 257f, 260f, 264–272, 277, 281, 289, 310, 317, 351, 363, 378, 412 – Selbigkeit 220–224, 229, 238, 241, 397 – Souveränität/souveräne Liebe 114, 158, 229, 234, 248–253, 262, 266f, 271, 289, 309, 347, 376, 393 – Treue 221, 223, 229, 250, 253f, 266f, 282, 330, 339, 347–351, 380 – Tröster 259f, 277–284, 412 – Vater 119, 221, 223, 232, 234f, 246f, 250f, 257–266, 270, 281, 288, 291f, 296, 300– 303, 313, 315, 346, 348, 352, 399 – Wahrheit 194, 199, 251, 317, 336, 365, 395 – Zorn 228, 261, 273, 291, 299, 303 – s. auch Bund, Bundesgott; Offenbarung, Gottes in Jesus Christus; Reich Gottes Gottesdienst/gottesdienstlich 50, 71, 88f, 93, 98, 106, 146, 160, 173, 176, 208, 214, 241, 298, 345, 351, 360, 363, 413 Grundlagen und Perspektiven des Bekennens der Niederländischen Reformierten Kirche (1949) 175, 204, 210, 252, 269, 273, 279, 285, 294, 299f, 309, 313, 315– 317, 347, 357 Grundlegendes Bekenntnis der KaroBatak-Kirche/Indonesien (1979/2005/ 2015) 90, 160, 206, 209, 254, 305, 320, 332, 344, 355, 360 Häresie 96, 101, 120f, 156f, 177, 182 – ethische 213–215

474 Heilige Schrift 40, 66, 106, 131, 138, 145, 152, 156, 167, 170, 173, 190, 205, 221, 223, 238, 250, 263, 312f, 314, 373, 394 – als Glaubens- und Lebensregel/regula fidei et vitae 164f, 209f, 323f, 368 – Altes und Neues Testament 99, 166f, 244, 314, 319, 351f, 388 – Auslegung der 100, 155, 166, 214, 217, 242, 323, 367f – Schriftautorität 99, 132, 164–168, 209 – Schriftgehorsam 14, 377 – Schriftprinzip 111f, 167, 169, 322 – Schriftverständnis 111, 164, 166–169, 217, 318f, 322, 351 – Schriftwahrheit 111, 129, 151, 154f, 173 – sola scriptura 155, 165, 369 – und Bekenntnis 38, 69, 99, 110f, 139, 155, 157–159, 165–169, 210, 368 – Unfehlbarkeit 319, 323 – Verbalinspiration 319f, 322f – Wahrheit 111, 129, 151, 154f, 170, 173, 250, 410f – Zeugnis des Heiligen Geistes/testimonium Spiritus Sancti internum 166, 251, 254, 317, 319–321, 352 – s. auch Heiliger Geist und Heilige Schrift; Offenbarung, bezeugt in der Heiligen Schrift; Wort Gottes, Heilige Schrift Heiliger Geist 14, 74f, 133, 149, 221, 234f, 239, 244, 259, 263, 275, 279, 312, 313– 336, 341, 343, 379, 405, 411f, 413 – Advokat 327f, 362 – Freiheit 326, 334, 336 – Früchte 206, 209, 315 – Geist Christi 152, 232, 234, 239, 314f, 335, 341, 381, 387, 398 – Geist der Wahrheit 317 – Geber, Herr und Erneuerer des Lebens 260, 268, 315f, 335 – Gott mit uns 251, 313–336 – Heiligkeit 234, 236, 239, 314–316, 328, 342f

Sachregister

– Heiligung 234–237, 252, 261, 276, 283, 315–318, 324–331, 338, 341f, 372, 387, 393, 396 – Kraft/dynamis 60, 129, 152, 155, 190, 209, 212, 238, 244, 258, 313, 320, 374 – Offenheit für 142, 145, 161, 167, 189f, 376 – Tröster 234, 330f – und Bekenntnis 116, 144, 150, 152f, 161f, 317 – und Buße/Umkehr 153, 252, 317, 324f, 329 – und Glaube 153, 324f – und Heilige Schrift 166f, 190, 205, 209, 317–324, 352 – und Heilsmittel 331–334 – und Identität 379, 381, 382, 387, 393– 398, 403 – und Kirche 115f, 119, 121–123, 126, 131, 133, 205f, 234f, 250f, 262f, 277, 313, 316, 328–330, 335, 342 – und Mission/Sendung 355f, 357, 358, 361, 396, 399 – und Welt 144, 206, 317, 324, 330, 334–338 – Zeugendienst 66, 116, 152, 167, 251, 317– 324 – s. auch Heilige Schrift, Zeugnis des Heiligen Geistes Heiligung 230, 233, 237, 252, 296, 318, 324– 331, 342, 357, 369, 372, 379, 387, 391 – s. auch Heiliger Geist, Heiligung; Rechtfertigung und Heiligung Heilsgeschichte 269, 274, 293 Heilsplan 268f, 271, 288–290, 310, 339, 348, 399 Heidelberger Katechismus (1563) 29f, 32, 49, 64f, 79f, 90, 96, 99, 103, 115, 119, 151, 160, 184, 189, 223, 253, 259, 265, 269, 278f, 281, 291, 295f, 303, 326, 331, 332, 334, 345, 368, 381, 389, 393f Heilsmittel 123, 321–333 – s. auch Sakrament(e) Helvetica Posterior (1561) s. Confessio Helvetica Posterior Helvetische Konsensusformel (1675) 78, 81

Sachregister

Hermeneutik, reformierte 54, 69f, 72, 173, 367–378, 393, 397 – s. auch Bekenntnishermeneutik Hoffnung 103, 119, 202, 206, 260f, 267, 275, 279–284, 292, 302, 307–312, 330, 346, 361, 400, 403, 412f Hugenottenbekenntnis (1559) s. Confessio Gallicana „Ich glaube an die Barmherzigkeit Gottes“ der Église Protestante Évangélique de Djibouti (1984) 94, 275, 283, 378 Identität – advokatorische 363 – christliche 38f, 43, 59, 63f, 97, 220, 226, 244f, 313, 341, 379f, 384–388, 395f – der Kirche 36, 39, 44, 96, 107, 118, 126, 182, 223, 226, 234, 236, 244, 256, 316, 341, 343, 347f, 391, 395, 403 – deiktische 364, 379, 385, 393–398, 402, 408f – eschatologische 400–406 – exzentrische 316, 393–398 – in Christus 245, 379–383, 391 – kirchliche 64, 141, 399 – konfessionelle 40, 62, 97, 387f, 407f, 410f – konfessorische 389–393, 404 – Kontext(ualität) 27f, 40, 57, 384f, 388f – kontrafaktische 308, 341 – missionale 363f, 398–400 – ökumenische 40, 407, 411 – partizipatorische 379–389 – pneumatologische 313, 393–398 – s. auch Glaube und Identität; Gott, Identität Idolatrie/-kritik 61, 100, 168, 173, 248, 304, 362f, 378 Inkulturation 134f, 139, 370 Israel 227–230, 233, 237, 239, 247, 250, 263, 270, 293 – bleibende Erwählung 347–352 – und die Kirche 337, 346–353 – s. auch Bund mit Israel; Bundesvolk; Gott, Heilige Israels

475 Jesus Christus – Auferweckung/Auferstehung 133, 188, 232, 251, 254, 276, 281f, 292, 297, 299, 305–313, 339, 342, 381 – Bruder 251, 261, 405 – dreifaches Amt/triplex munus Christi 285, 291–299, 357 – Erlöser 209, 223, 239, 245, 268, 299, 363, 412 – Erhöhung 254, 306 – Erniedrigung 254, 293, 299 – Freund 232, 297, 309f, 312, 327, 405 – Haupt 73, 126, 161, 179, 211, 284, 299, 308, 313, 316, 339, 343, 394, 405 – Heiland 176, 258, 290, 292, 296, 298, 301, 307, 310f, 361 – Heiliger Gottes 167, 231f, 237, 239, 261, 284–314, 371 – Herr 14, 65, 91, 117, 123, 133, 139, 176, 179, 196, 201, 204f, 209, 211f, 233, 258f, 265, 288, 290, 292, 307, 309f, 312, 331, 344, 352, 361f, 375f, 379, 391, 404f, 409, 413 – Hohepriester 262, 299–306 – Inkarnation/Menschwerdung 44, 61, 103, 204, 254, 276, 286, 293, 351, 381 – Jude 293, 347f, 350 – König 132, 205, 279, 306–313, 357, 391 – Königsherrschaft Christi 132, 307–313, 391 – Kreuz 63f, 212, 232, 234, 250f, 253, 288, 292, 295, 299–307, 361, 380, 381 – Leben 254–256, 276, 281f, 291–300, 304– 307, 381 – Leiden/Leidensgehorsam 160, 212, 246, 251, 255, 261, 287, 292, 297, 299–306 – Messias 116, 231f, 276, 284, 293, 297, 305, 312, 327, 347, 350f – Mittler/mediator 271, 285, 290, 302, 306f, 309 – Prophet 285, 290–299, 357 – Richter 297–299, 307, 309f, 361, 405 – Sohn Gottes 115, 119, 232, 234, 250f, 253f, 258–260, 263–265, 281, 288f, 293f, 299, 301f, 307, 314, 335, 348, 399

476 – Verkündigung 294–297, 301, 305, 307 – Versöhnungswerk 44–46, 75, 114, 117f, 203, 215, 252, 258, 277f, 292, 298–309, 312, 315, 318, 324f, 335, 343, 345, 353, 371, 405 – Wahrheit 80, 146, 196, 199, 222, 317, 329, 395 – Wiederkunft 232, 307, 309f, 312, 400f, 405 – s. auch Evangelium von Jesus Christus; Gott, Offenbarung; Identität in Christus; Wort Gottes, Jesus Christus als; „Jesus ist der Einzige“ der Église Évangélique du Cameroun (1987) 94, 282 Katechese/Katechetik 29, 50, 93, 99, 176, 178 Katechismus(-men) 78, 80, 90, 99, 146, 213 – s. auch Anhang zum Heidelberger Katechismus, Catechism for Today, Genfer Katechismus, Heidelberger Katechismus, Westminster Catechism, Study Catechism Kirche – als Mutter der Gläubigen 36, 120 – als bekennende Kirche 126–130 – Apostolizität 131, 136, 141 – Berufung 45, 69, 88, 119, 246, 329, 338, 340, 347, 353, 363, 366, 387, 398 – Einheit 110, 122–125, 131, 136, 145f, 170f, 181, 185, 195, 262, 278, 316, 328f, 410, 413 – Erwählung 338–341 – Heiligkeit 121, 131, 136, 230–233, 240, 316, 341–346 – Katholizität 53, 109, 131, 134, 136, 146, 192, 370 – Kennzeichen 36, 162, 358 – Leib Christi 102, 119, 124, 133, 144, 346, 356, 380, 382, 385 – Mission/Sendung 91, 101, 115, 121f, 199–201, 211f, 277, 283, 300, 306, 336, 338, 342, 345f, 353–366, 399f – Partikularität 123, 134, 179, 183, 192, 231 – Priestertum aller Gläubigen 99, 356, 399

Sachregister

– sichtbare und unsichtbare/ecclesia visibile et invisibile 118–126, 202f, 370 – Spaltungen 23, 102, 121f, 124, 139, 170– 173, 183, 195 – Theozentrik 114–118, 144, 158, 179, 183, 220, 256, 375, 393 – Unionen/Vereinigungen 17, 22f, 83, 89, 94f, 144, 183, 329, 392 – wanderndes Gottesvolk/communio viatorum 53, 114–134, 391, 401f – s. auch Bund, Bundesvolk; Leben, kirchliches Kirchenordnung(en) 50, 66, 71f, 122, 212, 345 – und Bekenntnis 78, 121, 345 Kirchenzucht 358 Konfessionalismus/konfessionalistisch 12, 14, 16, 69, 132, 171f, 391f Konfessionskunde 52, 62, 384 Konkordienbuch (1580) 49, 81, 163f Konkordienformel (1577) 49, 162–164, 168 Kontext(ualität) 13, 24, 27, 32f, 38, 41, 44, 123, 132, 210f, 240, 244, 275, 278f, 287, 298, 313, 321, 335, 388, 412 – s. auch Bekenntnis, Kontextualität; Identität, Kontextualität Kreuzestheologie 301, 303–306 – s. auch Heiligkeit, kruziforme Kultur 67, 123, 129, 135, 139, 205, 266, 303, 322f, 336, 362f, 370, 388 Leben 38, 44, 51, 96, 105, 113, 121f, 144, 174f, 188, 201, 206, 210, 223, 227, 232, 252, 258–260, 266f, 274, 279, 281, 309, 312, 317f, 321, 327f, 330, 335f, 340, 344, 346, 356, 363, 371, 392 – bezeugendes/bekennendes 25, 51, 101, 212 – christliches 71f, 74, 98, 153, 156, 175, 207, 210, 220, 281, 289, 371, 375, 402 – ewiges 115, 133, 257, 281, 310f – kirchliches 127, 131, 133, 136, 160f, 166, 176, 183, 198, 209, 212, 214, 233, 272, 300, 316, 324, 330, 334, 338, 364, 368, 388, 396, 413 – neues 251, 308, 324–331, 352, 358

Sachregister

– s. auch Glaube und Leben Lebendiger Glaube. Eine Erklärung des christlichen Glaubens der Presbyterian Church in Canada (1984) 90, 149, 153, 167f, 199, 210, 245, 251, 253, 255, 257, 261, 266f, 269, 272–275, 279, 284, 289f, 293, 298, 300, 304, 306, 308, 313f, 316f, 321, 324–326, 330, 332, 336, 338–340, 348, 350f, 359f, 365f Leuenberger Konkordie (1973) 95, 216f, 329, 332 Liturgie 52, 88f, 93, 97f, 135, 176, 178, 301, 333, 380 Liturgisches Bekenntnis und Entwurf eines Glaubensbekenntnisses des Bundes Schwarzer Reformierter Christen in Südafrika (1983) 91, 254, 305 Lobpreis 93, 97, 108, 176–179, 248, 333, 345, 366, 385, 396 – s. auch Doxologie Martyria/Martyrium/Märtyrer*innen 91, 192, 204, 296, 360 Menschenrechtserklärung der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (1977) 92 Migration 48, 94f, 148 missio Dei 101, 353–359, 379, 399 Mission 19, 31–34, 48–50, 59, 63, 90, 94f, 121f, 131, 136f, 148, 185, 199–200, 211f, 266, 268, 306, 357–365, 400 – der Kirche 91, 101f, 115, 121, 200, 204, 212, 277, 283, 300, 306, 336, 338, 342– 346, 353–361, 366 – s. auch Gott, missionarischer; Heiligkeit, missionarische; Identität, missionale/missionarische, missio Dei Mission Statement der Presbyterian Church in Ireland (1992) 93, 361 Neues Bekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (1972) 90, 123f, 153, 206, 250, 254f, 266, 268, 270f, 274, 286, 289, 297, 302, 312, 315, 317, 320, 326f, 338, 346, 352, 355f, 364 Nicaeno-Constantinopolitanum 29

477 Öffentliche Erklärung über unser nationales Schicksal der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (1971) 92 Offenbarung 116, 132, 138, 151, 158f, 162, 179, 183, 240, 246–258, 266, 270, 307, 313, 396 – bezeugt in der Heiligen Schrift 165, 238, 242, 251, 254, 319, 351f – Gottes in Jesus Christus 14, 43, 75, 105, 143, 161, 206f, 223, 238, 242, 246–257, 261, 263 Ökologie 25f, 142, 267, 271 Ökonomie 11, 135, 215, 327 Ökumene 15–17, 28, 31, 45, 51, 54, 62, 76, 86, 88, 123, 125, 134, 137, 144–149, 177, 180, 184, 186, 191–197, 389, 407–413 Orthodoxie 65, 174, 379, 391, 396, 405 Our World Belongs to God. A Contemporary Testimony of Faith (CRCNA 1983/2008) 30, 65, 272, 289, 311, 320, 339, 351, 355, 361, 364, 396 Peace Vocation der Presbyterian Church in Ireland (1994) 92, 362 Plan for Union der Joint Commission on Church Union in New Zealand (1971) 95, 255, 260 Pluralisierung 28, 105, 412 Pneumatologie 74f, 116, 161, 238, 261, 276, 316, 352, 382 Postmoderne 28, 61, 158 Prädestination 33, 189, 269, 286–289 – s. auch Erwählung; Gnadenwahl Predigt 29, 138, 291, 295, 306, 331–333, 358, 360f Processus confessionis 17, 26, 88 Profil, reformiertes 35f, 51f, 72f, 196 Rechtfertigung 303, 308, 317f, 325, 329, 338, 394f – und Heiligung 62, 118, 179, 254, 314, 318, 325f, 338, 345, 364, 366, 384, 387, 398, 402 Reformation/Reformationszeit 22, 29, 32, 36, 44, 48, 57, 76, 78, 104, 111, 113, 123, 139, 147–149, 152, 157, 163, 165, 185,

478 188, 190, 196, 214, 216–218, 225, 284, 303, 324f, 330f, 334, 351, 407, 409 Reformierter Weltbund 12, 17–27, 36, 38f, 45, 48, 55, 65, 67, 69–71, 83, 88, 122, 152, 160, 170, 175, 177, 185, 191, 201, 212f, 219, 224, 249, 375, 386, 403, 410 – s. auch Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen Reich Gottes 132f, 206, 221, 275, 277, 281, 292, 295, 297, 305, 317, 327, 346, 352, 364, 374, 401–403 Religion(en) 11, 38, 129, 146, 206f, 241, 335f, 364–366 Sakrament(e) 314, 319, 331–335, 340, 358 – s. auch Abendmahl; Heilsmittel; Taufe Savoy-Declaration (1658) 82 Scheme of Church Union in Ceylon des Negotiating Committee for Church Union in Sri Lanka (1963) 95 Schöpfung 25, 211, 221, 232, 237, 240, 250, 253f, 258, 261, 266–271, 277f, 308–313, 324, 335, 353f, 361, 365, 377, 399, 412 – Bedrohung der 25, 232, 273, 282, 302 – neue 26, 277, 280, 285, 301, 350, 381 – s. auch Gott, Bewahrer und Erhalter Schottisches Bekenntnis (1560) s. Confessio Scotica soli Deo gloria 65, 174, 379, 391, 396, 405 Solidarität 91, 193, 275, 278, 280, 330, 409f Song of Faith der United Church of Canada (2006/7) 90, 156, 162, 177, 199, 237, 247– 249, 253, 255, 259, 264f, 273, 277, 286, 293, 295, 302, 305, 308, 311f, 321, 330, 334, 336, 355 status confessionis 25f, 89–91, 100, 121, 124, 156, 168, 181, 274, 328 Study Catechism der Presbyterian Church/ USA (1998) 90, 192, 199, 210 Sünde/Sünder*innen 46, 123, 153, 157, 179, 182, 200, 202, 209, 214, 232, 250, 254, 268, 270–276, 280, 282, 284, 287f, 291f, 295– 299, 301–305, 308f, 317, 325 – strukturelle Sünde 272–274 Sündenbekenntnis s. Bekenntnis, Sünde

Sachregister

Taufe 146, 195, 234, 241–333 Theologia crucis s. Kreuzestheologie Theologie(n) – befreiungstheologische 34, 275, 377f – „black theology“ 34 – feministische 34, 377f – postkoloniale 561 – Prozesstheologie 34 – reformierte 12, 15, 17, 34–37, 39f, 43, 85f, 104f, 134, 137, 174, 189, 286, 354, 363, 371–373, 377, 397, 410 Theologische Erklärung des Broederkrings der Niederländisch-Reformierten Kirche/Südafrika (1979) 91, 269, 274, 326 Theozentrik 138, 174, 179, 196f, 257, 369, 407 – s. auch Bekenntnis, Theozentrik; Kirche, Theozentrik The Scots Confession (1560) s. Confessio Scotica Thesen von Pomeyrol der Église Réformée de France (1941) 92, 205, 347 TULIP 32, 67f Umkehr 153, 160, 182, 238, 296, 344, 377, 404 Ungerechtigkeit 25f, 201, 274, 276, 280, 297, 308, 327, 362 Unglaube s. Glaube und Unglaube unio cum Christo 380, 395 Unionsgrundlage der United Reformed Church in the United Kingdom (1981) 95, 130f, 161, 165, 183, 187, 192, 342 Unionsgrundlage der Uniting Church in Australia (1971) 95, 123, 129f, 133, 136, 152, 155, 190, 212, 277, 293, 308, 317, 345, 359, 362, 402, 405, 413 Unser Appell der Presbyterianischen Kirche in Taiwan (1975) 92, 195, 200, 362 Unser Glaubensbekenntnis der Presbyterianischen Kirche in der Republik Korea (1976) 92, 201, 208, 297, 308, 327 Unser Lied der Hoffnung der Reformed Church in America (1974) 90, 93, 178, 191, 202, 206, 253, 256, 263, 274f, 280,

Sachregister

284, 308, 318, 320, 335, 338, 340, 348, 352, 361 Vergebung 199, 282, 288, 291, 295, 301f, 324f, 333, 382 Verkündigung 22, 50, 63, 87, 94, 112, 133, 200, 221, 235, 241, 266, 294f, 316, 321f, 332f, 340, 350, 357–363, 371, 376, 396, 410 – in Wort und Tat 46, 152, 212, 295, 360, 362 – s. auch Jesus Christus, Verkündigung Versöhnung 142, 149, 215, 260f, 268, 277f, 292, 298, 300, 303, 305, 311, 318, 332, 343, 345, 362, 371 – s. auch Jesus Christus, Versöhnungswerk Wahrheit 52, 91, 111, 124, 138, 142, 158, 161, 188, 199, 205, 208, 214, 233, 254, 262, 304, 316–318, 322, 362 – christliche Wahrheit 135 – Glaubenswahrheit 142 – s. auch Gott, Wahrheit; Jesus Christus, Wahrheit; Schrift, Wahrheit der

479 Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen 12, 17, 23–27, 36, 39, 48f, 52, 66, 70, 196, 219, 363, 400, 415; s. auch Reformierter Weltbund Werk(e) 118, 158, 213, 215, 275, 303, 403 Westminster Confession (1646) 32f, 49, 79, 82, 140, 142, 155, 157f, 184, 247, 252, 257, 285, 296, 321, 323f Westminster Katechismen 79, 82, 175, 208, 291, 296 Wiedergeburt 234, 238, 325, 381 Wort Gottes 14, 37, 41, 112, 133, 168, 191, 209, 250, 253, 318, 352 – und Heilige Schrift 112, 209, 318f, 321, 323, 351f – Jesus Christus als Wort Gottes 250f, 255, 318, 373 Zeitgeist 60, 142f, 328 Zweifel 202 Zweites Helvetisches Bekenntnis (1561) s. Confessio Helvetica Posterior Zwinglis Thesen (1523) 78