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German Pages 155 Year 2008
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 19
Rechtsschutzinstrumente des Bieters bei feindlichen Übernahmen Von
David S. Barst
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
DAVID S. BARST
Rechtsschutzinstrumente des Bieters bei feindlichen Übernahmen
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 19
Rechtsschutzinstrumente des Bieters bei feindlichen Übernahmen Von
David S. Barst
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-12915-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
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Vorwort Diese Untersuchung hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg im Wintersemester 2007/2008 als Dissertation vorgelegen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Uwe Blaurock, der mir bei der Erstellung dieser Arbeit und in den Jahren meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl stets wohlwollende Unterstützung zukommen ließ. Sehr dankbar bin ich auch Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, der nicht nur die Mühen der Zweitkorrektur auf sich genommen hat und zudem wertvolle konzeptionelle Anregungen in der Anfangsphase der Arbeit gab, sondern auch ihre Aufnahme in die von ihm mit herausgegebene Reihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ befürwortet hat. Den Mitherausgebern Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler und Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer danke ich für ihre Zustimmung hierzu. Meinen Freunden Dr. Eike Bicker, Carl-Philipp Eberlein, Sebastian Glaser, Daniel Halmer und Alexander Täumer danke ich für ihre vielfältige Unterstützung und die kritische Auseinandersetzung mit den Thesen dieser Arbeit. Ein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern und meiner Tante Christina, die nicht nur meine Ausbildung ermöglicht, sondern mich auch in allen Lebenslagen unterstützt und inspiriert haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. Frankfurt am Main, im Juli 2008
David Barst
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erster Teil Die Notwendigkeit eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes
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§ 1 Grundlagenprobleme bei feindlichen Übernahmen und der Regelungsansatz des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 § 2 Die Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzes
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Zweiter Teil Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
48
§ 3 Rechtsschutz bei Geltung des „klassischen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 WpÜG (opt-out) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 § 4 Rechtsschutz bei Geltung des „strengen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 a WpÜG (opt-in) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 5 Rechtsschutz des Bieters zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen 117 Dritter Teil Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischer Beteiligung der übrigen Organe § 6 Rechtsschutz bei Beteiligung des Aufsichtsrats
126
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
§ 7 Rechtsschutz bei Beteiligung der Hauptversammlung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Literaturverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Erster Teil Die Notwendigkeit eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes § 1 Grundlagenprobleme bei feindlichen Übernahmen und der Regelungsansatz des WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darstellung der veränderten Interessenlage als agency problems . . . . . . . . . II. Die Modifikation der allgemeinen Organbefugnisse des AktG durch § 33 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Binnenorganisation in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regelung des § 33 I S. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmetatbestände gemäß § 33 I S. 2, II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informations- und Werbemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Suche nach alternativen Käufern (white knight defense) . . . . . . . . . . c) Sonstige Maßnahmen mit Verhinderungseignung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit gem. § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit bei Zustimmung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . d) Ausnutzung von Vorratsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Die Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aktienrechtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 33 WpÜG als Kompetenzregelung zwischen Vorstand und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 33 WpÜG als kapitalmarktrechtliche Organpflichtenregelung . . . . . . . III. Ablehnung des Rückgriffs auf das AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veränderte Interessenlage der Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Fehlen eines Systems der checks and balances . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitgliedschaft als falscher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ablehnung einer Qualifizierung des § 33 I S. 1 WpÜG als negative Kompetenzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhaltliche Defizite des aktienrechtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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16 16 19 20 22 24 24 25 26 26 28 32 34 34 36 36 39 40 41 41 42 44 45 46
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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
§ 3 Rechtsschutz bei Geltung des „klassischen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 WpÜG (opt-out) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung eines kapitalmarktrechtlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das kapitalmarktrechtliche Interesse von Aktionären und Bieter . . . . . . 2. Umfang des sich hieraus ergebenden Rechtsschutzbedarfs . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutzinstrumente bei Verstößen gegen das Verhinderungsverbot gemäß § 33 I S. 1 WpÜG („Ob“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Qualifizierung von § 33 I S. 1 WpÜG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Situationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erarbeitung eines methodischen Fundaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die erste Selektionsaufgabe: § 33 I WpÜG als subjektivrechtlich durchsetzungsbedürftige Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben und Befugnisse der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Europarechtliche Pflicht zur Schaffung sekundärer subjektiver Rechte? d) Grundrechtsverletzung durch Ausschluss subjektiver Rechte? . . . . . e) Abwägung zugunsten sekundärer subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . 5. Die zweite Selektionsaufgabe: Der durchsetzungsbefugte Personenkreis a) Aussagen der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Ansatz von Schnorbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Erkenntnisse von Schmidt-Preuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fruchtbarmachung für die zweite Selektionsaufgabe . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Inhalt der subjektiven Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung anhand der jeweiligen Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückgriff auf höherrangiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuordnung des § 33 I WpÜG zum öffentlich- oder zivilrechtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parallelbetrachtung des (Kartell-)Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . e) Zweigleisiger Drittschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gesetzliche Formenwahl im WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Korrektur wegen Überlegenheit der Wirtschaftsaufsicht? . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Exkurs: Alternative Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Rechtspraktische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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48 48 48 49 50 50 55 57 60 62 64 67 68 72 76 76 77 78 80 82 83 83 84 84 86 87 88 90 92 93 95
Inhaltsverzeichnis III. Rechtsschutz gegen pflichtwidrige Ermessensentscheidungen des Vorstands („Wie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten der Organe der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Modifizierung der business judgment rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung eines autonomen Gesellschaftsinteresses? . . . . . . . . c) Inhaltliche Bestimmung des Aktionärsinteresses . . . . . . . . . . . . . . d) Europarechtliche Einwirkung durch die Übernahmerichtlinie . . . . 2. Rechtsschutz des Bieters bei Verstoß gegen die (europarechtlich) modifizierte Organpflichtenregelung gemäß § 3 III WpÜG . . . . . . . . . . . . . a) Aktienrechtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualifizierung von § 3 III WpÜG als Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . aa) § 3 III WpÜG als sekundäres subjektives Recht . . . . . . . . . . . . bb) Der durchsetzungsbefugte Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhalt der subjektiven Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Rechtsschutz bei Geltung des „strengen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 a WpÜG (opt-in) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organbefugnisse unter Geltung des § 33a WpÜG (opt-in) . . . . . . . . . . . . 1. Systematik und Inhalt des § 33a WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reziprozitätsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Motive für und formelle Anforderungen an einen opt-in . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutz des Bieters bei Verstößen gegen § 33a II WpÜG . . . . . . . . . 1. Aktienrechtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Rechtsschutz des Bieters zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Befugnis des Vorstands zur Informationsweitergabe an (konkurrierende) Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruch auf informationelle Gleichstellung mit konkurrierenden Bietern 1. Der aktuelle Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Ansatz basierend auf dem City Code . . . . . . b) Begründungsversuche aus § 22 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begründungsversuche aus § 33 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Postulat eines „übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgerungen für das Rechtsschutzprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 99 99 100 102 103 104 108 108 109 109 110 110 112 112 112 113 113 114 114 116 117 117 118 119 120 120 121 122 122 123 124
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Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischer Beteiligung der übrigen Organe
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§ 6 Rechtsschutz bei Beteiligung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Ein- und Pflichtenbindung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Rechtsschutz des Bieters gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . 127 § 7 Rechtsschutz bei Beteiligung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arten der möglichen Hauptversammlungsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorratsbeschluss gemäß § 33 II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ad hoc-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermächtigungsbeschluss gemäß § 33a II S. 2 Nr. 1 WpÜG . . . . . . . . . II. Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorratsbeschluss gemäß § 33 II WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermächtigungsbeschluss gemäß § 33 a II Nr. 1 WpÜG und Ad hoc-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129 129 129 131 132 133 133 135
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Einleitung Die internationalen Finanzmärkte sind seit geraumer Zeit einem anhaltenden und tief greifenden Strukturwandel unterworfen. Ein seit einigen Jahren zu beobachtendes Phänomen dieser Entwicklung ist die steigende Anzahl und Bedeutung von Unternehmensübernahmen mittels öffentlicher Übernahmeangebote. Weil sich das Kaufangebot des Bieters in diesem Fall direkt an die Aktionäre der Zielgesellschaft richtet, kann es zu Unternehmensübernahmen kommen, die ohne Zustimmung bzw. gegen den Willen des Managements der Zielgesellschaft erfolgen. Diese Situation wird als „feindliche Übernahme“ bezeichnet und ist seit der medienwirksamen „Schlacht“ um die Übernahme der Mannesmann AG durch die britische Vodafone AirTouch plc im Winter 1999/2000 auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots an die Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft kommt es zu einer Vielzahl von übernahmespezifischen Interessenkonflikten, die den Gesetzgeber veranlasst haben, einen praktikablen Rechtsrahmen zu schaffen, dessen Kern das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) bildet. 1 Interessant sind die einzelnen Fragestellungen auch vor dem Hintergrund der nach langen Jahren des Wartens endlich verabschiedeten EU-Übernahmerichtlinie 2004, die seit Sommer 2006 vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt ist, und die ein Optionsmodell mit unterschiedlichen Befugnissen der Organe der Zielgesellschaft vorsieht. 2 Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Stellung des Bieters im Anwendungsbereich des WpÜG, mithin nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots an die Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft (post-bid). Sie erfolgt unter der weiteren Prämisse, dass die Leitungsorgane der Zielgesellschaft der Offerte des Bieters feindlich gesonnen sind. In dieser Situation ist der Bieter einerseits mit dem Problem konfrontiert, dass die Organe der Zielgesellschaft einem Anreiz zur (rechtswidrigen) Abwehr seines Übernahmeangebots unterliegen, um ihre Organstellung zu sichern. Die Untersuchung beginnt daher mit der Frage, ob und gegebenenfalls wie der Bieter gegen rechtswidrige Abwehrmaßnahmen vorgehen kann. Andererseits kann es zu einer Bieterkonkurrenz um die Zielgesellschaft kommen. Hier stehen die einzel1 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. 12. 2001 (BGBl. I 2001, 3822 ff.). 2 Vgl. Richtlinie 2004/25/EG vom 21. April 2004, ABl. EG Nr. L 142/12 (30. April 2004) und das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8. Juli 2006, BGBl. Teil I 2006 Nr. 31 S. 1426 ff.
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Einleitung
nen Bieter vor dem Problem einer Informationsasymmetrie, wenn und soweit der Vorstand der Zielgesellschaft sie in unterschiedlichem Maße mit Unternehmensdaten versorgt. Die Arbeit behandelt daher auch die Frage, ob ein Anspruch auf informationelle Gleichbehandlung mit konkurrierenden Bietern besteht und wie dieser gegebenenfalls durchzusetzen wäre. Die Rechtsschutzmöglichkeiten der Aktionäre der Zielgesellschaft werden inzident mitbehandelt, zumal der Bieter regelmäßig bereits vor Abgabe eines Übernahmeangebots Aktien an der Zielgesellschaft halten wird. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen dies nicht der Fall ist; hier vermag die Bieter-Perspektive zu klären, ob ihm auch jenseits einer Aktionärsstellung Rechtsschutz gewährt werden kann. Die Untersuchung der erstgenannten Frage ist vor allem nach der strafrechtlichen Aufarbeitung der Mannesmann-Übernahme von praktischer und wissenschaftlicher Relevanz. Dort hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich die Unzulässigkeit der bis dato praktizierten „kompensationslosen Anerkennungsprämien“ festgestellt, so dass der Vorstand der Zielgesellschaft nunmehr nicht mehr durch finanzielle Zuwendungen, die in seinem Anstellungsvertrag mit der Zielgesellschaft nicht begründet sind, zur Kooperation „überzeugt“ werden kann. 3 Es ist daher zu erwarten, dass sich die konfligierenden Interessen des Managements der Zielgesellschaft und des Bieters vermehrt in gerichtlichen Verfahren entladen werden. Dies wird bestätigt durch einen Blick in die benachbarten Niederlande, wo der Übernahmestreit um die ABN Amro-Bank zu bizarren Rechtsstreitigkeiten führte: So untersagten Handelsrichter in Amsterdam der Führung von ABN Amro den Verkauf der US-Tochter LaSalle an die Bank of America, weil diese Entscheidung in Ansehung des Übernahmeangebots von den Aktionären zu treffen sei, bevor der Verkauf später durch das Oberste Gericht der Niederlande wieder erlaubt wurde. 4 Auch die Frage der informationellen Gleichbehandlung bei Bieterkonkurrenz hat in der jüngeren Zeit praktische Relevanz erhalten, so etwa im Zusammenhang mit dem Bieterstreit der Merck KG und Bayer AG um die Übernahme der Schering AG im Frühjahr 2006. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt in dem Ineinandergreifen von Aktienrecht und Kapitalmarktrecht. Letzteres prägt auch die Untersuchungsstruktur. So wird zunächst das aktienrechtliche Rechtsschutzprogramm der h.M. einer kritischen Analyse unterzogen, wobei sich sodann die Notwendigkeit eines originär kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes ergibt (Erster Teil). Im Anschluss wird ein Rechtsschutzmodell auf der Basis des WpÜG bei Verstößen gegen das Verhinderungsverbot des § 33 (a) WpÜG entwickelt, wobei der Schwerpunkt darin besteht, eine geeignete rechtstechnische Anknüpfung zu finden. Dies führt zur Einbeziehung der BaFin als Aufsichtsbehörde und somit zur Klärung des Verhältnisses 3 BGHSt 50, 331 ff.; vgl. auch die Urteilsbesprechungen von Kort, AG 2006, S. 106 ff. und Fleischer, DB 2006, S. 542 ff. 4 Vgl. hierzu die umfangreiche Berichterstattung im Handelsblatt v. 13. 07. 2007.
Einleitung
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zwischen subjektiven Rechten des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts (§§ 3 und 4 des Zweiten Teils). Anschließend wird der Problematik der informationellen Bietergleichbehandlung nachgegangen (§ 5), bevor im Dritten Teil der Arbeit die Rechtsschutzmöglichkeiten bei übernahmespezifischer Beteiligung der übrigen Organe der Aktiengesellschaft beleuchtet werden. Die Arbeit entfernt sich mit der Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzprogramms weitgehend von den gängigen Ansichten in der Literatur. Ihre Zielsetzung ist es, die Defizite des status quo aufzuzeigen und eine Anknüpfung für einen kapitalmarktrechtlichen Weg zu finden.
Erster Teil
Die Notwendigkeit eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes § 1 Grundlagenprobleme bei feindlichen Übernahmen und der Regelungsansatz des WpÜG Die Bekanntgabe der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots führt zu einem Aufeinandertreffen verschiedener Interessen der beteiligten Personen. Steht das Management der Zielgesellschaft dem Übernahmeangebot ablehnend gegenüber, so ergibt sich ein übernahmespezifisches Interessengeflecht, das erheblich von der pre-bid Interessenlage abweicht. Es lässt sich am besten untersuchen, indem man die einzelnen relevanten Rechtsverhältnisse zunächst isoliert betrachtet und dann in ein Gesamtbild einordnet. Methodisch hilfreich ist hierbei die ökonomische principal-agent-theory, welche die einzelnen Interessenkonflikte als sog. agency problems sichtbar werden lässt.
I. Darstellung der veränderten Interessenlage als agency problems Das agency-Verhältnis
Allgemein formuliert besteht ein agency-Verhältnis immer dort, wo ein principal einen agent zur Wahrnehmung seiner Geschäfte bzw. Interessen einsetzt und hierzu auch autonome Entscheidungsbefugnisse delegiert. 1 Konflikte entstehen hierbei zum einen aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung und zum anderen wegen des Anreizes zu opportunistischer 2 Verfolgung von Eigeninteressen der Beteiligten. Regelmäßig hat der agent einen Informationsvorsprung, weil er sein eigenes Verhalten und dessen Folgen besser beurteilen kann. Diese Informationsasymmetrie erlaubt es dem agent, seine eigenen Zwecke 1
Jensen / Meckling, Journal of Financial Economics 3 (1976), 305 (308). Dieser Begriff wird im Folgenden als Übersetzung von „opportunism“ gebraucht; vgl. zur genauen Bedeutung die Ausführungen bei Hansmann / Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S. 21 in Fn. 2. 2
§ 1 Probleme bei feindlichen Übernahmen und Regelungsansatz des WpÜG
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zuungunsten des principals durchzusetzen („moral hazard“). Es ist in der ökonomischen Lehre weitgehend anerkannt, dass es unmöglich ist, eine volle Kongruenz zwischen den Interessen des principal und dem Anreiz des agent herzustellen. Die Verluste des principal aufgrund dieser Divergenz werden „residual loss“ genannt. Letztere und die monitoring costs bilden den größten Teil der sog. agency costs. 3 Auf dieser Grundlage wird deutlich, dass agency-Verhältnisse auch jenseits der klassischen juristischen Treuhand- und Stellvertretungssituationen, mitunter sogar ohne vertragliche Beziehung der Parteien, entstehen können. 4 Die übernahmespezifischen agency-Konflikte sollen im Folgenden dargestellt werden, bevor die Reaktion des WpÜG auf die Interessenkollisionen untersucht wird. Die gewöhnlichen agency problems
Die aus der Fremdorganschaft in der Kapital- bzw. Publikumsgesellschaft folgende Trennung von Eigentum und Kontrolle führt zu zwei grundlegenden agency problems im Innenverhältnis der Gesellschaft. 5 Das erste betrifft die Aktionäre als principal und das Management der Gesellschaft, das als agent zur Geschäftsführung anstelle der Eigentümer eingesetzt ist. Das zweite agency problem entsteht zwischen den Mehrheits- und Minderheitsaktionären der Gesellschaft. 6 Diese Interessenkonflikte verändern und intensivieren sich nach Bekanntwerden eines feindlichen Übernahmeangebots. Das erste übernahmespezifische agency problem
Zum einen entsteht ein übernahmespezifisch gesteigertes agency problem zwischen Aktionären der Zielgesellschaft und deren Vorstand, weil Letzterer im Falle einer feindlichen Übernahme eine erheblich stärkere Tendenz zur opportunistischen Verfolgung seiner Eigeninteressen entwickelt. Dies beruht auf der Tatsache, dass übernahmewillige Bieter in der Regel den gegenwärtigen Unternehmenswert (gemessen am Aktienkurs) mit dem Wertsteigerungspotenzial bei Verfolgung einer optimierten Geschäftsführung vergleichen. Überschreitet das Wertsteigerungspotenzial abzüglich einer an die Aktionäre zu zahlenden Übernahmeprämie eine kritische Größe, wird eine Kontrollübernahme für Außenstehende profitabel. 7 Das Management der Zielgesellschaft wird bei Erfolg des feindlichen Übernahmeangebots somit vom Verlust seiner Stellung ausgehen müssen. Es wird daher geneigt sein, dem opportunistischen Anreiz zur Abwehr des an die Aktionäre der 3 Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen bei Jensen / Meckling, Journal of Financial Economics 3 (1976), 305 (308) m.w. N. 4 Dies., a.a.O., S. 309. 5 Ein drittes agency problem im Außenverhältnis der Gesellschaft gegenüber Gläubigern, Arbeitnehmern und sonstigen stakeholders soll hier unbeachtet bleiben. 6 Hansmann / Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S. 21 ff. 7 Easterbrook / Fischel, Economic Structure, S. 173.
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Zielgesellschaft gerichteten Übernahmeangebots zu erliegen. 8 Sowohl Vorstand, als auch Aufsichtsrat vermögen ihre Stellung daher allein durch eine Abwehr der Übernahmeofferte abzusichern. Es besteht deswegen der erhebliche Anreiz zur pflichtwidrigen Abwehr jedweder Übernahmeofferte, auch wenn sie im Gesellschaftsinteresse liegen mag. Zwar drohen dem Aufsichtsrat keine so gravierenden pekuniären Einschnitte infolge seiner Ablösung wie dem Vorstand, jedoch ist das Risiko der Ablösung im Falle eines Kontrollwechsels bei den Anteilsvertretern noch höher, weil ihre Auswechslung der erste Schritt zur Abberufung des Vorstands ist. Die Arbeitnehmervertreter werden ohnehin dazu tendieren, die feindliche Übernahme im Interesse der Belegschaft abzuwehren, weil mit einem Kontrollwechsel gemeinhin Rationalisierungsmaßnahmen und damit ein Personalabbau verbunden wird. 9 Befindet sich die Mehrheit der Aktien pre-bid in Streubesitz, so führt die erfolgreiche Übernahme zu einem Kontrollwechsel weg von den Leitungsorganen, hin zum neuen Mehrheits- oder Alleinaktionär der Zielgesellschaft. 10 Die Beteiligten an der Kapitalmarkttransaktion (Bieter und Streubesitzaktionäre) sind mithin nicht identisch mit den Beteiligten des Kontrollwechsels (Bieter und Leitungsorgan der Zielgesellschaft). Vorstand und Aufsichtsrat haben mit anderen Worten einen Anreiz zur Beeinflussung der (fremden) Kapitalmarkttransaktion, um den eigenen Kontrollverlust abzuwenden. Verstärkt wird der Anreiz zur Vornahme opportunistischer Abwehrmaßnahmen zudem dadurch, dass die Organe ihr Eigeninteresse leicht als Gemeinwohlinteresse kaschieren können. 11 Hierdurch droht den verkaufswilligen Aktionären eine Beeinträchtigung ihrer Desinvestitionsentscheidung und damit der Realisierung der Übernahmeprämie. Die Aktionäre der Zielgesellschaft sollten jedoch selbst entscheiden können, worin ihres Erachtens die größtmögliche Steigerung der Rendite ihrer Kapitalanlage liegt. 12 Es geht konkret um die Erhaltung der folgenden Handlungsoptionen:
8 Dieses Eigeninteresse hatte auch der Gesetzgeber bei Schaffung des § 33 WpÜG vor Augen, vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 57: „Hinzu tritt der Konflikt, in dem Vorstand und Aufsichtsrat im Hinblick auf eigene Interessen stehen, nicht auf Grund einer Übernahme Einfluss und ggf. ihre eigene Position zu verlieren“; Grundmann, NZG 2005, 122 (124) spricht von „massiven Interessenkonflikten“. 9 Für Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 211 erscheint daher eine „wirkungsvolle Überwachung (...) im Interesse der Gesellschaft (...) illusorisch“. 10 Davies / Hopt, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S. 160; die Besonderheiten des deutschen AktG betreffend die Organisationsverfassung und die Abberufung von Vorstandsmitgliedern sollen hier unberücksichtigt bleiben, weil sich ein Mehrheitsaktionär jedenfalls über den Umweg einer Auswechslung der Anteilsvertreter im Aufsichtsrat Leitungsmacht verschaffen kann. 11 Grundmann, NZG 2005, 122 (124); vgl. auch unten S. 102. 12 Dies ergibt sich zwingend aus Art. 3 Abs. 1 lit. c der EU-Übernahmerichtlinie, vgl. hierzu eingehend unten S. 104 ff.
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1. Verkauf der Anteile zu einem um eine Kontrollprämie erhöhten Preis, 2. Tausch der Anteile in potenziell ertragreichere Anteile des Bieters oder 3. Halten der Anteile aufgrund der Einschätzung, dass das höhere Renditepotential in der eigenständigen Zielgesellschaft liegt. Das zweite übernahmespezifische agency problem
Ein weiteres übernahmespezifisches agency problem entsteht zwischen Aktionären der Zielgesellschaft und dem Bieter. Naturgemäß haben Käufer und Verkäufer gegenläufige Preisinteressen; problematisch ist jedoch, dass der Bieter als agent den Preis unter Ausnutzung der Koordinierungs- und Informationsdefizite der Streubesitz-Minderheitsaktionäre festlegen und sich insbesondere deren Befürchtung, nach der Übernahme als Minderheitsaktionär dem Bieter als neuem Mehrheitsaktionär ausgeliefert zu sein, zu Nutze machen kann. Die StreubesitzAktionäre befinden sich in einem prisoner’s dilemma, weil sie sich schlecht untereinander koordinieren können und daher keine Informationen über die Annahmebereitschaft der übrigen Angebotsadressaten haben. 13 Sie werden daher eher zur Annahme des Angebots tendieren, um nicht als verbleibende Minderheit der Kontrollmehrheit des Bieters nach erfolgreicher Übernahme ausgesetzt zu sein. Anders als beim klassischen Unternehmenskauf ist hier der Verkäufer (Aktionär der Zielgesellschaft) der informationsunterlegene Transaktionspartner. 14 Die Aufgabe des Kapitalmarktrechts ist es, auf diese übernahmespezifischen Probleme angemessen zu reagieren. Hierbei ergibt sich die Schwierigkeit, einerseits dem Vorstand eine aktive Rolle zu belassen, um die Fortführung des Tagesgeschäfts sicherzustellen und das prisoner’s dilemma der Angebotsadressaten abzumildern. Andererseits muss sichergestellt werden, dass der Vorstand daran gehindert wird, den Erfolg des Übernahmeangebots aus Eigennutz zu verhindern. Der Gesetzgeber schuf § 33 WpÜG als übernahmerechtliche Sonderregelung, um den beiden agency problems zu begegnen.
II. Die Modifikation der allgemeinen Organbefugnisse des AktG durch § 33 WpÜG Im Folgenden soll die Reaktion des WpÜG auf die übernahmespezifischen agency problems untersucht werden. Um die Modifikationen zu erkennen, wird zunächst die allgemeine Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft skizziert.
13 Zum prisoner’s dilemma vgl. Myerson, Game Theory, S. 244 ff. („Games with Communication“) und Poundstone, Prisoner’s Dilemma, S. 10 ff. 14 Assmann / Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 76.
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1. Die Binnenorganisation in der Aktiengesellschaft Ausgangspunkt für die Untersuchung der Organbefugnisse ist die dreigliedrige Struktur des AktG 1965, das Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung als Leitungs-, Kontroll- und Kollektiventscheidungsorgan der Aktiengesellschaft vorsieht. Das AktG regelt nicht nur die Binnenstruktur der Aktiengesellschaft, sondern auch die Abgrenzung der Organkompetenzen untereinander. Komplettiert wird diese Abgrenzung durch das Prinzip der Satzungsstrenge gemäß § 23 V AktG, wonach die Regelungen über die Zusammensetzung der Organe, deren innere Organisation und deren Zuständigkeitsbereiche nicht disponibel sind. Die aktienrechtlichen Leitungskompetenzen sind zuvörderst dem Vorstand zugewiesen. Er leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung, wobei ihm nach den Grundsätzen der business judgment rule 15 ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zusteht, der nur sehr eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Der Vorstand ist zur Geschäftsführung berufen (§§ 76, 77 AktG) und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 78 AktG). Neben der allgemeinen Leitungsfunktion hat der Vorstand noch Bericht an den Aufsichtsrat zu erstatten (§ 90 AktG), die Handelsbücher zu führen (§ 91 AktG) und die Hauptversammlungsbeschlüsse auszuführen (§ 83 II AktG). Der Vorstand kann nach seinem Ermessen die Hauptversammlung über einzelne Fragen der Geschäftsführung entscheiden lassen (§ 119 II AktG), ist aber grundsätzlich weder an Weisungen des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung oder einzelner (Groß-) Aktionäre gebunden. Nach der gesetzlichen Konzeption ist der Vorstand für alle Maßnahmen zuständig, die nicht ausdrücklich der Hauptversammlung bzw. dem Aufsichtsrat zugewiesen sind. 16 Im aktienrechtlichen Organisationsgefüge ist die Hauptversammlung der Ort, an dem die Aktionäre ihre Verwaltungsrechte ausüben (§ 118 I AktG). Die Entscheidungskompetenzen ergeben sich vor allem aus § 119 AktG sowie einzelnen Normen des AktG 17 und des UmwG. 18 Es obliegt der Hauptversammlung, Gegenstand und Grenzen der Gesellschaftstätigkeit festzulegen, 19 anderweitige Grundlagen- bzw. (Kapital-)Strukturentscheidungen, sowie regelmäßig wiederkehrende Entscheidungen (z. B. Bestellung und Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder, Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns, vgl. § 119 I 15
Vgl. §§ 76, 93 I S. 2 AktG und eingehend unten S. 27 ff. Dies gilt jedenfalls vorbehaltlich von „ungeschriebenen“ Hauptversammlungskompetenzen, vgl. hierzu unten S. 36 ff. und eingehend Wagner, Kompetenzen der Hauptversammlung, S. 23 ff. 17 Z. B. §§ 179 I, 179a I, 293 I und II, 319 I, 327a I AktG. 18 Z. B. § 13 I und 193 I UmwG. 19 Vgl. §§ 119 I Nr. 5, 23 III Nr. 2 AktG und grundlegend Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 268 ff. 16
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Nr. 5, 6 und 8 AktG) zu treffen. Daneben treten konzern- und umwandlungsrechtliche 20 Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung, deren Besonderheit in dem Erfordernis einer qualifizierten Abstimmungsmehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals liegt. Das Enumerationsprinzip des AktG führt dazu, dass es der Hauptversammlung verwehrt ist, dem Vorstand unmittelbar Handlungsanweisungen zu erteilen. Sie kann lediglich indirekt über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (Anteilseignervertreter) auf das Leitungsorgan Einfluss nehmen. 21 Der Aufsichtsrat ist das obligatorische Kontrollorgan der Aktiengesellschaft (§§ 30, 95 ff. AktG). Er hat den Vorstand zu bestellen, dessen Geschäftsführung zu überwachen und die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern zu vertreten (§§ 84, 111 und 112 AktG). Maßnahmen der Geschäftsführung selbst können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden, allerdings kann die Satzung festlegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen (§ 111 IV AktG). Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Aufsichtsrat kann zudem gem. § 90 III AktG jederzeit einen Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen. Diese Berichtspflicht des Vorstands dient dem Informationsfluss im Unternehmen und veranschaulicht die Gewaltenverzahnung in der Aktiengesellschaft. 22 Der Aufsichtsrat unterliegt im Rahmen seiner Überwachungsfunktion keinen Weisungen der Hauptversammlung, sondern hat lediglich allgemeine Sorgfaltspflichten zu beachten, deren Verletzung zu einer Haftung gemäß § 116 iVm § 93 AktG führen kann. Die im AktG angelegte Binnenorganisation gibt nach allem keine hierarchische Organisationsverfassung vor, sondern tariert die Kompetenzen der einzelnen Organe in einem System der checks and balances gegenseitig aus. 23 Daraus ergibt sich, dass die Hauptversammlung zwar als Grundsatzorgan in vielen bedeutsamen Angelegenheiten zur Beschlussfassung aufgerufen ist, ihr aber keine Allzuständigkeit im Sinne eines obersten Gesellschaftsorgans zukommt. 24 Die Binnenstruktur der Aktiengesellschaft weicht damit von derjenigen der GmbH deutlich ab; in Letzterer haben die Gesellschafter die Möglichkeit, die Geschäftsführung mit 20
Vgl. z. B. §§ 291 ff., 319 ff. AktG und §§ 2 ff., 60 ff., 123 ff. und 141 ff. UmwG. Vgl. hierzu unten S. 41 ff. 22 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 868; Drinkuth, in: Veil et al., Übernahmerecht, S. 62 ff. 23 Hüffer, AktG 7. Aufl., § 118 Rn. 4; Riedel, in: Beck’sches Mandats-Hdb. Vorstand, § 5 Rn. 2. 24 Priester, ZHR 163 (1999), 187 (196); Hüffer, a.a.O.; Zöllner, in: Kölner Komm AktG, § 119 Rn. 2; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 837 und auch BVerfG ZIP 1999, 1798 (1799). 21
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bis in Details gehenden Weisungen zu bestimmen, mithin die Geschäftsführer „zum reinen Exekutivorgan zu degradieren“. 25 Auch der Bundesgerichtshof hat vor diesem gesetzlichen Hintergrund klargestellt, dass die Hauptversammlung ihrer ganzen Struktur nach ungeeignet sei, um an der Leitung einer Aktiengesellschaft mitzuwirken und dass die fein austarierte gesetzliche Kompetenzverteilung zu wahren sei. 26 Damit ist deutlich geworden, dass die Aktionäre das Organkompetenzgefüge im Rahmen des going concern einer Aktiengesellschaft nicht durch gesetzesinakzessorische Mitwirkungskompetenzen stören dürfen, es sei denn besondere Schutzbedürfnisse oder andere zwingende Gründe führen zur Unerlässlichkeit einer im AktG nicht vorgesehenen Beteiligung der übrigen Organe. Diese können entweder durch die Rechtsprechung herausgebildet werden 27 oder aufgrund spezialgesetzlicher Regelung entstehen. In die letztere Kategorie fällt § 33 I und II WpÜG. 2. Die Regelung des § 33 I S. 1 WpÜG § 33 I S. 1 WpÜG verbietet dem Vorstand der Zielgesellschaft die Vornahme von Geschäftsführungsmaßnahmen, durch die der Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte. Die Verhinderungseignung ist allein objektiv zu bestimmen, ein subjektives Merkmal in Gestalt einer Vereitelungsabsicht ist nach allgemeiner Ansicht nicht erforderlich. 28 Wenngleich über die dogmatische Qualifizierung des Verhinderungsverbots in der Literatur Uneinigkeit herrscht, schreibt die gängige Kommentarliteratur ihm jedenfalls die Wirkung zu, dass den Aktionären als Adressaten des Übernahmeangebots die Möglichkeit der sachgerechten Prüfung und privatautonomen Annahme des Angebots nicht genommen werden soll. 29 Auch nach gemeinschaftskonformer Umsetzung der Übernahmerichtlinie 30 bleibt § 33 WpÜG als Ausnutzung der mitgliedsstaatlichen opt-out-Möglichkeit auf der Grundlage des Art. 12 I der Übernahmerichtlinie erhalten. Der deutsche Gesetzgeber macht somit die europäische Ausnahme zur nationalen Regel. Es 25
So Lutter / Leinekugel, ZIP 1998, 225 (231). BGHZ 159, 30 (43 f.). 27 Vgl. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. „ungeschriebenen“ Hauptversammlungskompetenzen unten S. 36 ff. und Wagner, Kompetenzen der Hauptversammlung, S. 23 ff. 28 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 83; Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 19; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (3); Krause, NJW 2002, 705 (712); Glade / Haak / Hellich, Der Konzern 2004, 515 (517). 29 Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, § 33 WpÜG Rn. 45; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 145. 30 Vgl. hierzu das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8. Juli 2006, BGBl. Teil I 2006 Nr. 31 S. 1426 ff. 26
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sind daher (vorbehaltlich eines opt-in der Zielgesellschaft, dazu sogleich 31) auch weiterhin sämtliche post-bid-Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft am Maßstab des Verhinderungsverbots und seiner Ausnahmen zu messen. Eine Vereitelungseignung haftet vor allem Informations- und Werbemaßnahmen, der Suche nach alternativen Käufern sowie Maßnahmen zur Verminderung der Attraktivität der Zielgesellschaft an. Es soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, sämtliche (zumeist aus den USA stammenden) Abwehrmaßnahmen unter ihren teilweise dramatisch klingenden Originalbezeichnungen detailliert darzustellen und ihre Zulässigkeit zu überprüfen. Bei einem Großteil dieser Maßnahmen dürfte denn auch der Verstoß gegen aktienrechtliche Grundsätze evident sein. 32 Die Untersuchung soll sich vielmehr auf die kapitalmarktrechtliche Pflichtenregelung bei der Vornahme von Abwehrmaßnahmen beschränken, bevor die Rechtsfolgen einer Überschreitung durch die Organe der Zielgesellschaft behandelt werden. Dies basiert auf der Erkenntnis, dass die Zulässigkeitsbeurteilung einer Abwehrmaßnahme zweistufig zu erfolgen hat: So ist sie einerseits an allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu messen, wobei besondere Bedeutung dem aktienrechtlichen Schädigungsverbot und dem Gleichbehandlungsgebot zukommt. In einem davon zu trennenden Schritt ist andererseits zu untersuchen, ob die Vornahme der Maßnahme in kapitalmarktrechtlicher (genauer: in übernahmerechtlicher) Hinsicht gerade in der Situation der feindlichen Übernahme pflichtgemäß war. 33 Die gedankliche Reihenfolge dieser zweistufigen Prüfung ist letztlich wohl Geschmackssache. Man könnte argumentieren, die kapitalmarktrechtliche Zulässigkeit sei unerheblich, wenn die Abwehrmaßnahme bereits aktienrechtswidrig ausgestaltet werde. Andererseits scheint es plausibler, zunächst zu prüfen, welche Befugnisse den Organen der Zielgesellschaft in Ansehung der speziellen Übernahmesituation überhaupt zukommen, und dann erst die aktienrechtliche Zulässigkeit in den Blick zu nehmen. Die Arbeit soll sich jedenfalls auf die Untersuchung der kapitalmarktrechtlichen Regelung des WpÜG und der Übernahmerichtlinie konzentrieren, um eine solide Basis für die Untersuchung des Rechtsschutzes
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Zum „strengen“ Verhinderungsverbot des § 33a WpÜG vgl. unten S. 112 ff. Eine detaillierte Darstellung findet sich etwa bei Weisner, Verteidigungsmaßnahmen, S. 12 ff.; Hens, Vorstandspflichten, S. 60 ff.; Harrer / Grabowski, DStR 1992, 1326 (1327 ff.); Schanz, NZG 2000, 337 (340 ff.); Klein, NJW 1997, 2085 (2086 ff.); Weimar / Breuer, BB 1991, 2309 (2312 ff.) und Steinhauer, Neutralitätspflicht, S. 113 ff.; zu aktienrechtlich (un-)zulässiger Prophylaxe vgl. Krause, AG 2002, 133 (137 ff.). 33 Für einen solchen zweistufigen Test auch Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG 1. Aufl., § 33 Rn. 10. Die Annahme eines solchen Neben- oder Nacheinanders von allgemeinen organisationsverfassungsrechtlichen Regeln des AktG und kapitalmarktrechtlichem Verhinderungsverbot wirkt sich auf die Streitfrage aus, ob § 33 I WpÜG eine gesellschafts- oder kapitalmarktrechtliche Regelung (oder beides) darstellt. Wegen der möglichen Implikationen auf den Rechtsschutz soll diese Problematik später behandelt werden (vgl. S. 39 ff.). 32
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im Fall ihrer Überschreitung – also bei unzulässigen Abwehrmaßnahmen – zu schaffen. 3. Ausnahmetatbestände gemäß § 33 I S. 2, II WpÜG In § 33 WpÜG werden neben dem Verhinderungsverbot auch diverse Ausnahmetatbestände geregelt. Gemäß § 33 I S. 2 WpÜG ist es dem Vorstand erlaubt, Handlungen vorzunehmen, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einer Gesellschaft, die nicht Ziel eines Übernahmeangebots ist, vorgenommen hätte (Var. 1). Ausdrücklich gestattet ist dem Vorstand auch die Suche nach einem alternativen Bieter (Var. 2). Darüber hinaus darf er abwehrgeeignete Handlungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (Var. 3), bzw. auf der Grundlage einer Vorratsermächtigung durch die Hauptversammlung (§ 33 II WpÜG) vornehmen. Im Folgenden soll die Zulässigkeit von abwehrgeeigneten Handlungen des Vorstands im Lichte der einzelnen Ausnahmetatbestände kurz dargestellt werden, um die Reichweite des Verhinderungsverbots des § 33 I S. 1 WpÜG zu bestimmen. a) Informations- und Werbemaßnahmen In den letzen Jahren ist es üblich geworden, dass Übernahmekämpfe öffentlich als Wettstreit um das bessere Konzept zur Steigerung des shareholder value ausgetragen werden. Es wenden sich hierbei Bieter und Vorstand der Zielgesellschaft mit ihrer Meinung über das Entwicklungspotential der Zielgesellschaft bei Annahme bzw. Ablehnung des Übernahmeangebots an die Aktionäre, um für ihre jeweilige Position zu werben. Eine solche Informations- und Werbekampagne der Zielgesellschaft wird nicht nur geeignet, sondern gezielt darauf gerichtet sein, den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. 34 Eine allein am Wortlaut des § 33 I S. 1 WpÜG orientierte Auslegung käme daher zu dem Ergebnis, dass dem Vorstand der Zielgesellschaft auch jegliche auf Argumente gestützte Überzeugungsarbeit gegenüber den Angebotsadressaten 35 untersagt sei, weil hierdurch der „Erfolg des Übernahmeangebots verhindert werden könnte“. Bei Hinzunahme einer systematischen und teleologischen Betrachtungsweise wird man dieses Ergebnis hingegen kaum aufrechterhalten können. So ergibt sich aus § 27 WpÜG, dass der Vorstand sogar verpflichtet ist, eine begründete Stellungnahme zum Übernahmeangebot abzugeben. Darüber hinaus lässt sich § 28 WpÜG im Umkehrschluss entnehmen, dass zumindest angemessene Werbemaßnahmen rechtlich zulässig sind, zumal sie 34 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 122; Kort, FS Lutter, S. 1439. 35 In Betracht kommen Informations- und Werbemaßnahmen gegenüber institutionellen Investoren (road shows), sowie an sämtliche Aktionäre gerichtete allgemeine Werbekampagnen.
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auch in der Praxis als Wettstreit um das bessere Konzept zur Steigerung des shareholder value ausgetragen werden. Der Vorstand ist daher aufgrund seiner Pflicht zur Stellungnahme berechtigt, in verhältnismäßiger Weise für seine Position zu werben und hierbei auch Gesellschaftsmittel einzusetzen. 36 b) Suche nach alternativen Käufern (white knight defense) Die Suche nach einem konkurrierenden Bieter ist gem. § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG eine ausdrücklich erlaubte Handlung des Vorstands der Zielgesellschaft. Die Bieterkonkurrenz bewirkt eine effektive Verringerung des agency problems zwischen Aktionären der Zielgesellschaft und dem Bieter, weil sie eine erhöhte Informationsdichte und attraktivere Angebotsbedingungen erwarten lässt. 37 Das daneben bestehende agency problem zwischen Aktionären und Vorstand der Zielgesellschaft wird hingegen gar nicht betroffen, weil die Existenz zusätzlicher Bieter die Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten in keiner Weise einschränkt. Letztlich forciert der Vorstand die Übernahme der Zielgesellschaft – nur durch einen anderen Bieter und zu attraktiveren Bedingungen. 38 § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG führt bei diesem Verständnis eher zu einer Erweiterung des Handlungsspielraums der Aktionäre und wird deswegen überwiegend nicht als originäre Ausnahme vom Verhinderungsverbot, sondern lediglich klarstellend verstanden. 39 Nach anderer Ansicht fällt die Suche nach einem weiteren Bieter zwar tatbestandlich unter das Verhinderungsverbot, weil die Annahme des ursprünglichen Angebots vereitelt werde; die Ausnahme in § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG wird dann damit begründet, dass die Suche nach einem konkurrierenden Angebot dem Zweck des Verhinderungsverbots nicht widerspreche. 40 Die Neutralitätspflicht des Vorstands geht jedenfalls nicht so weit, dass sie auch zur Neutralität gegenüber dem Bieter ver36
Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 122; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 63; Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 28 Rn. 7; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 121. Herleiten ließe sich dieses Ergebnis auch aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, wonach dem Vorstand spiegelbildlich jedenfalls all jene Maßnahmen erlaubt sein müssen, die üblicherweise auch vom Bieter unternommen werden, um die Aktionäre zur Annahme des Angebots zu motivieren, so Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 12. 37 Der Gesetzgeber hatte vor allem die attraktiveren Angebotsbedingungen vor Augen, vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 38 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 151. 39 Vgl. bereits vor Geltung des WpÜG: Hopt, ZGR 1993, 534 (557); speziell auf das WpÜG bezogen auch Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 151; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 73; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (3 f.), die wegen des rein klarstellenden Charakters die Platzierung zwischen den echten Ausnahmetatbeständen des § 33 I S. 2 Var. 1 und 3 „gesetzessystematisch alles andere als eine Meisterleistung“ nennen. 40 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 74; Oechsler NZG 2001, 817 (822); Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 53.
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pflichtet. Selbst Vertreter einer strikten Neutralitätspflicht beziehen diese nur auf die ungehinderte Desinvestitionsentscheidung der Aktionäre. 41 So unproblematisch die Frage nach dem grundsätzlichen „Ob“ der white knight defense bejaht werden kann, so schwierig sind Fragen bei der Beurteilung der praktischen Durchführung, des „Wie“. Unklar ist vor allem, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Vorstand den white knight mit Informationen über die Verhältnisse der Zielgesellschaft versorgen darf und ob konkurrierenden Bietern hierdurch Gleichbehandlungsansprüche erwachsen. Die Untersuchung dieser Problempunkte soll die Grundlage für die Frage nach der Durchsetzung informationeller Bietergleichbehandlung in § 5 des folgenden Teils der Arbeit bilden. 42 c) Sonstige Maßnahmen mit Verhinderungseignung aa) Zulässigkeit gem. § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG Nach § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG sind Geschäftsführungsmaßnahmen auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung zulässig, wenn sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer hypothetischen (nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen) Gesellschaft vorgenommen hätte. Nach der Gesetzesbegründung soll hierdurch eine Anknüpfung an die existierenden aktienrechtlichen Standards (§§ 93 I S. 1, 317 II AktG) vorgenommen werden, wobei vor allem die Fortführung des Tagesgeschäfts und die Weiterverfolgung bereits eingeschlagener Unternehmensstrategien erfasst werden sollen. 43 Nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum erfasst die Vorschrift daher in den Grenzen der bestehenden Unternehmensstrategie auch die Vornahme außergewöhnlicher Geschäfte, 44 wobei überwiegend strenge Anforderungen an die Konkretisierung und Dokumentation der Unternehmensstrategie gestellt werden. 45 Die Verweisung auf aktienrechtliche Standards wird dahingehend verstanden, dass geprüft werden muss, ob der Geschäftsleiter der hypothetischen Gesellschaft die Maßnahme nach seinem unternehmerischen Ermessen hätte vornehmen dürfen. 46 41 Zu Recht ist daher in der Literatur darauf hingewiesen worden, dass der Inhalt des § 33 I S. 1 WpÜG besser als „Verhinderungsverbot“ denn als „Neutralitätsgebot“ zu bezeichnen ist, vgl. Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (249); Möller / Pötzsch, ZIP 2001, 1256 (1259); auch der City Code of Takeovers and Mergers spricht in Rule 21 von „Restriction on Frustrating Action“, vgl. hierzu Hopt, Hostile Takeovers, S. 397 ff. 42 Vgl. unten S. 117 ff. 43 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 58. 44 Zu denken ist insbesondere an bedeutende Veränderungen des Aktiv- oder Passivbestandes (zumeist durch Kauf oder Verkauf von Beteiligungen oder sonstigen Vermögensgegenständen). 45 Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 15; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 148; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (7); Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 136.
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Die nunmehr in § 93 I S. 2 AktG normierte business judgment rule räumt dabei dem Vorstand einen weiten, gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum bei seinen unternehmerischen Entscheidungen ein. Wenn und soweit die Entscheidung sorgfältig vorbereitet war und sich der Vorstand nicht in einem Interessenskonflikt befunden hat, sind seine unternehmerischen Entscheidungen nur daraufhin überprüfbar, ob er die Grenzen verantwortungsvoller Unternehmensführung deutlich überschritten hat oder unvertretbare Risiken eingegangen ist. 47 Problematisch ist jedoch, dass es im Zuge eines Kontrollwechsels in der Hauptversammlung in aller Regel auch zu einer Änderung der personellen Zusammensetzung des Leitungsorgans der AG kommen wird. Wie im bisherigen 48 und weiteren 49 Verlauf der Untersuchung gezeigt wird, unterliegt der Vorstand einem massiven opportunistischen Anreiz zur Abwehr des Übernahmeangebots. Er könnte dazu neigen, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, die außerhalb des Gesellschaftsinteresses liegen, um sich persönliche Vorteile aus der Sicherung seiner Anstellung zu verschaffen. In wieweit auf diese veränderte Situation durch eine Modifikation des Ermessensspielraums zu reagieren ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Vertreten wird hierzu eine Einschränkung des durch die business judgment rule eröffneten Handlungsspielraums des Vorstands durch Verschiebung des Gesellschaftsinteresses hin zum shareholder value-Ansatz: Abwehrmaßnahmen wären danach nur zulässig, wenn ein qualifiziertes Gesellschaftsinteresse die Veräußerungsinteressen der Aktionäre überwiegt, was wohl nur in außergewöhnlichen Konstellationen denkbar ist. 50 Überzeugender ist es, keine inhaltliche Veränderung der business judgment rule vorzunehmen, weil § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG gerade den Geschäftsleiter einer nicht von einer Übernahme bedrohten AG zum relevanten Maßstab erhebt. In diesem hypothetischen Vergleichsfall existiert der übernahmespezifische Interessenskonflikt nicht, sondern der Vorstand wird seine Tätigkeit am Gesellschaftsinteresse ausrichten. Dem opportunistischen Eigeninteresse der handelnden Organe ist daher nicht durch eine Modifizierung des aktienrechtlichen Pflichtenprogramms zu begegnen, sondern durch die Auferlegung einer zusätzlichen originär kapi46 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 67; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 133; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (6); Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 137. 47 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 147; Müller, in: Bad Homburger Handbuch WpÜG, S. 194; allgemein zum Maßstab der business judgment rule: BGHZ 135, 244 (253 f.) – ARAG / Garmenbeck. 48 Vgl. oben S. 17. 49 Eingehend hierzu unten S. 41 ff. 50 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 161; Ekkenga / Hofschroer, DStR 2002, 724 (732 f.); Krause, BB 2002, 1053 (1058); Cahn, ZHR 163 (1999), 554 (591).
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talmarktrechtlichen Bedingung: Der Vorstand muss dartun, dass die betroffene Geschäftsführungshandlung nicht durch das feindliche Übernahmeangebot motiviert ist, sondern auch unabhängig davon erfolgt wäre (Kausalitätserfordernis). Eine solche Darlegungs- und Beweislast ergibt sich bereits aus Wortlaut und Regelungstechnik der Gesetzes. So normiert § 33 I S. 1 WpÜG zunächst das Verhinderungsverbot und stellt dieses unter den Vorbehalt des Eingreifens bestimmter Ausnahmetatbestände, was sich aus der Formulierung „Dies gilt nicht (...)“ zu Beginn des § 33 I S. 2 WpÜG klar ergibt. An den Entlastungsbeweis des Vorstands sind hohe Anforderungen zu stellen: Je mehr die zu beurteilende Maßnahme den Anschein erweckt, in erster Linie gegen das Übernahmeangebot gerichtet zu sein, desto überzeugender muss der Vorstand darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Maßnahme nicht kausal auf das Übernahmeangebot zurückzuführen ist, sondern auch bei ausschließlicher Inbezugnahme des Eigeninteresses der Zielgesellschaft unter Außerachtlassung des Übernahmeangebots sachlich gerechtfertigt ist. Dieses Kausalitätserfordernis stellt somit die kapitalmarktrechtlich geprägte Stufe der oben beschriebenen zweistufigen Zulässigkeitsprüfung von Abwehrmaßnahmen dar und berücksichtigt den opportunistischen Anreiz des Vorstands bei Maßnahmen gemäß § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG abschließend. Die Stufe der aktienrechtlichen Zulässigkeitsprüfung hat deshalb am Maßstab der unveränderten business judgment rule zu erfolgen. 51 bb) Zulässigkeit bei Zustimmung des Aufsichtsrats Allgemeines
Gemäß § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG sind dem Vorstand Geschäftsführungsmaßnahmen mit Abwehreignung, die er gerade in Ansehung des feindlichen Übernahmeangebots vornehmen möchte, nur erlaubt, wenn sie mit Einwilligung des Aufsichtsrats erfolgen. Im Ergebnis ist die Regelung des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG daher mit einem aktienrechtlichen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gemäß § 111 IV S. 2 AktG vergleichbar. Die Beteiligung des Aufsichtsrats gemäß § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG wurde vom Gesetzgeber als Erweiterung der vom Verhinderungsverbot eingeschränkten isolierten Vorstandsbefugnisse ausgestaltet. Einzige Grenze ist bei systematischer Auslegung des Gesetzes die aktienrechtliche Zuständigkeitskompetenz der Hauptversammlung (vgl. § 33 II WpÜG). Der Gesetzgeber ging hinsichtlich der Abwehrbefugnisse offensichtlich von einem Stufenverhältnis zwischen Vorstand (niedrigste Stufe), Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam (mittlere Stufe) und Hauptversammlung (oberste Stufe) aus, denn nur dann kommt § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG ein eigener Anwendungsbereich gegenüber § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG zu. 51
Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 138; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 69.
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Berücksichtigung des opportunistischen Anreizes der Organe
Problematisch ist allerdings, dass der Aufsichtsrat im Falle eines feindlichen Übernahmeangebots einem ähnlich starken Anreiz zu opportunistischem Handeln unterliegt wie der Vorstand. Die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat werden im Falle eines Wechsels des Aktionärskreises mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Vertreter des neuen Aktionärs ersetzt. Auch im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat wird so die Stimmenmehrheit ihren (zumindest mit hohem gesellschaftlichem Ansehen verbundenen) Posten verlieren. Den Arbeitnehmervertretern droht zwar nicht die Abberufung, sie werden aber einer feindlichen Übernahme ohnehin ablehnend gegenüber stehen, weil damit gemeinhin Nachteile für die Belegschaft verbunden werden. Angesichts dieses bei Vorstand und Aufsichtsrat weitgehend gleichlaufenden Eigeninteresses an der Abwehr der Übernahme ist ein erweiterter rechtlich ungebundener Entscheidungsspielraum alleine aufgrund des gemeinsamen Handelns der beiden Organe nur schwer zu erklären, zumal sich das Verwaltungshandeln im Fall der Var. 3 des § 33 I S. 2 WpÜG unstreitig nicht an einer bereits pre-bid eingeschlagenen Unternehmensstrategie ausrichten muss. Es stellt sich daher die Frage, wie das typischerweise mit einer feindlichen Übernahmesituation einhergehende Eigeninteresse der beteiligten Organe zu berücksichtigen ist. Das Gesetz enthält hierzu keine Vorgabe, zumal die Gesetzesbegründung sich zu § 33 I S. 2 Var. 3 äußerst knapp verhält. 52 Die Anwendung des bei § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG entwickelten kapitalmarktrechtlichen Kausalitätstests scheitert, weil Vorstand und Aufsichtsrat in Var. 3 des § 33 I S. 2 WpÜG Abwehrmaßnahmen gezielt als Reaktion gegen das Übernahmeangebot einsetzen dürfen. Um § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG nicht gänzlich leer laufen zu lassen, ist davon auszugehen, dass der Aufsichtsrat und auch der Vorstand bei gemeinsam veranlassten Abwehrmaßnahmen einem strikten Verhinderungsverbot nicht unterliegen. 53 Dennoch könnte man argumentieren, sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat seien durch eine daneben bestehende Neutralitätspflicht gebunden, wenn und soweit sie über Abwehrmaßnahmen gemäß § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG befinden. Eine solche allgemeine Neutralitätspflicht wäre zu unterscheiden vom strengen Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG, das nur den Vorstand und diesen auch nur in der Situation des § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG betrifft. 54 Ihre Wirkung bestünde darin, dass die Organe bei ihrer Entscheidung „gebunden“ sind. Es wäre dann nicht möglich, 52
In Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 58 heißt es lapidar: „Die Änderung in Absatz 1 (also die Einfügung des S. 2 Var. 3) ermöglicht dem Vorstand einer Zielgesellschaft, innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz Abwehrmaßnahmen auch dann durchzuführen, wenn der Aufsichtsrat diesen Maßnahmen zuvor zugestimmt hat.“ (Erläuterung in Klammer durch den Verf.). 53 Die h.M. geht zumindest für den Aufsichtsrat davon aus, dass er dem strikten Verhinderungsverbot nicht unterworfen ist, weil er den Vorstand ansonsten nicht vom Verhinderungsverbot suspendieren könnte, vgl. nur Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 184 und Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178 m.w. N.
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Abwehrmaßnahmen aufgrund einer unternehmerischen Abwägung vorzunehmen, innerhalb derer das Veräußerungsinteresse der Aktionäre überwunden werden könnte. „Allgemeine Neutralitätspflicht“ neben dem Verhinderungsverbot?
Entscheidende Frage ist daher, ob die Organe der Zielgesellschaft über das (hier unstreitig nicht eingreifende) strenge Verhinderungsverbot hinaus einer – gleichsam darunter liegenden – allgemeinen Neutralitätspflicht unterworfen sind. Eine solche wäre materiell wohl nichts anderes als die bereits vor Geltung des WpÜG diskutierte aktienrechtliche Neutralitätspflicht. Damals wurde von einer überwiegenden Ansicht im Schrifttum vertreten, dass Vorstand und Aufsichtsrat 55 der Zielgesellschaft im Falle eines feindlichen Übernahmeangebots einem Verhinderungsverbot unterliegen. 56 Wenn § 33 I S. 1 WpÜG nun ausdrücklich nur den Vorstand erwähnt, so ist dies auf das strenge Verhinderungsverbot bezogen und auf die (erst im späteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte) Schaffung der Ausnahme in § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG zurückzuführen. Die Annahme einer aktienrechtlichen Neutralitätspflicht befürwortet Liebscher, wenn er für „weitreichende“ Abwehrmaßnahmen – obwohl gemäß § 33 I S. 2 WpÜG erlaubt – eine ausdrückliche Hauptversammlungsermächtigung fordert. 57 Ob nach Inkrafttreten der Regelung des § 33 WpÜG noch Raum für einen Rückgriff auf die überkommene aktienrechtliche Neutralitätspflicht besteht, ist jedoch fraglich. Zweifel entstehen bereits angesichts der weit reichenden Ausnahmen in § 33 I S. 2 WpÜG, die inhaltlich deutlich über die aktienrechtlich anerkannten Ausnahmen hinausreichen und die Neutralitätspflicht so stark einschränken, dass die Ausnahme eher zur Regel wird. 58 Zudem ist jedenfalls nach der Regierungsbegründung davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die bereits vor Inkrafttreten des WpÜG diskutierte Neutralitätspflicht anerkannt hat und nunmehr in § 33 I S. 1 WpÜG kodifiziert sieht. 59 Damit sind aber auch die vom Gesetzgeber normier54 So könnte man die Ausführungen von Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178, sowie Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11) verstehen. 55 Hopt, ZGR 1993, 534 (565); vgl. auch die Nachweise bei Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178. 56 Hefermehl / Spindler, in: Münch Komm AktG, § 76 Rn. 28; von Nussbaum, Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 91 f.; Merkt, ZHR 165, (2001), 224 (234); MaierReimer, ZHR 165 (2001), 258 (259 ff.); Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (2); Hopt, ZGR 1993, 534 (536); ders., ZHR 161 (1997), 368 (391); ders., in: FS Lutter, S. 1361 (1375) m.w. N. (Fn. 59); ders., in: Großkomm AktG, § 93 Rn. 122 ff.; Krause, AG 2000, 217 (218), Krieger, ZHR 163 (1999), 343 (358 f.); Altmeppen, ZIP 2001, 1073 (1077); Mülbert, IStR 1999, 83, 87 ff., der darauf hinweist, dass auch der Aufsichtsrat zur Neutralität verpflichtet sei. 57 Liebscher, ZGR 2005, 1 (30). 58 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 51.
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ten Ausnahmen anzuerkennen, so dass für eine weitergehende Neutralitätspflicht, gleich ob aktienrechtlich oder kapitalmarktrechtlich, kein Raum mehr verbleibt. 60 Differenzierung zwischen „Ob“ und „Wie“
Die Problematik der organschaftlichen Pflichtenbindung wird aufgelöst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Verhinderungsverbot und damit auch der Ausnahmetatbestand des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG nur die Frage des kapitalmarktrechtlichen „Ob“ regelt. Sie behandelt somit die Frage, ob sich die Organe der Zielgesellschaft jeglicher Maßnahmen, durch die das Angebot des Bieters vereitelt werden könnte, überhaupt zu enthalten haben oder diese grundsätzlich gerade in Ansehung des Übernahmeangebots vornehmen dürfen. 61 Nicht betroffen ist hingegen die Problematik des dabei zu beachtenden Pflichtenprogramms, das „Wie“. Es geht damit um das Verhältnis zwischen dem Verhinderungsverbot nebst Ausnahmen gemäß § 33 I S. 1, 2 WpÜG und dem allgemeinen Grundsatz des § 3 III WpÜG, wonach die Organe im Interesse der Zielgesellschaft zu handeln haben. Das Problem ist auch nicht spezifisch auf das WpÜG reduziert, sondern wurde schon im Rahmen der Entstehung der Übernahmerichtlinie thematisiert. Es wurde hierzu in der Literatur dargelegt, dass diese beiden Vorschriften unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Situationen betreffen: Die Neutralitätspflicht enthält ein generelles Verbot bestimmter Handlungen und § 3 III WpÜG eine positive Pflichtenregelung für den Fall, dass Abwehrmaßnahmen vorgenommen werden dürfen. 62 Inhaltlich nicht wesentlich anders formuliert Versteegen, 63 dass § 33 I WpÜG insoweit „lex specialis“ bilde und damit Vorrang vor § 3 III WpÜG habe. Dies bedeutet letztlich nur, dass selbst im Gesellschaftsinteresse liegende Abwehrmaßnahmen nicht unter Verstoß gegen § 33 I WpÜG durchgeführt werden dürfen. Dies versteht sich nach dem hier vertretenen Modell von selbst, denn die 59
In Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 57 wird darauf verwiesen, dass „nach im Schrifttum verbreiteter Auffassung das der Regelung (des § 33 I S. 1 WpÜG) zugrunde liegende Verbot erfolgsverhindernder Maßnahmen durch Vorstand und Aufsichtsrat bereits nach geltendem Recht besteht“ (Erläuterung in Klammer durch den Verf.). 60 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 53; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 76 Rn. 15 d; Krause, AG 2002, 133 (136); Brandi, in: Thaeter / Brandi, Öffentliche Übernahmen, S. 179 (Rn. 78); Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 64 m.w. N, sowie Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 7. 61 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (232). 62 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (242) bezogen auf die strukturell vergleichbaren Vorschriften des Gemeinsamen Standpunkts zum Entwurf einer Übernahmerichtlinie aus dem Jahre 1997. Nach Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 3 Rn. 19 verhält es sich dagegen so, dass § 33 I S. 1 WpÜG zunächst eine Ausnahme zur in § 3 III WpÜG formulierten Organpflicht darstelle und die in § 33 I S. 2 WpÜG enthaltenen Regelungen lediglich Beschränkungen in der Reichweite dieser Ausnahmen darstellen. Dies vermischt jedoch die Grenzen zwischen „Ob“ und „Wie“ und führt zu dogmatischer Unsicherheit, die sich durch eine klare Trennung zwischen Verhinderungsverbot und Pflichtenmaßstab vermeiden lässt. 63 Versteegen, in: Kölner Komm WpÜG, § 3 Rn. 37.
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Frage des „Wie“ ist irrelevant, wenn und soweit bereits das „Ob“ verneint wird. In diese klare Trennung fügt sich auch die Ausnahme in § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG ein. Schließlich wird dort lediglich geregelt, dass Vorstand und Aufsichtsrat zusammen auch in Ansehung der feindlichen Übernahme Abwehrmaßnahmen ergreifen dürfen. Welcher Pflicht sie hierbei unterworfen sind, ergibt sich daraus nicht, vor allem nicht, ob § 33 I S. 1, 2 WpÜG insoweit als lex specialis eine abschließende Regelung darstellt. Auswirkungen auf den Rechtsschutz
Die Differenzierung zwischen „Ob“ und „Wie“ auf der Befugnisebene wirkt sich auch auf das Rechtsschutzprogramm des Bieters aus. Hier ist zu unterscheiden zwischen den folgenden Situationen: 1. Das Leitungsorgan der Zielgesellschaft verstößt gegen § 33 I S. 1 WpÜG, weil Geschäftsführungsmaßnahmen gerade in Ansehung des Übernahmeangebots vorgenommen werden (Erlaubnistatbestand des § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG greift nicht ein) und weder der Aufsichtsrat (Ausnahme gemäß § 33 I S. 2 Var. 2) mitgewirkt hat, noch ein Vorratsbeschluss existiert (§ 33 II WpÜG). 2. Die Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands ist zwar von einem in § 33 WpÜG enthaltenen Ausnahmetatbestand gedeckt, liegt jedoch nicht im Interesse „der Gesellschaft“ im Sinne des § 3 III WpÜG. Konkret wird dies bedeuten, dass der Vorstand sein opportunistisches Eigeninteresse verfolgt und sein Handeln nicht an den Interessen der shareholder bzw. stakeholder ausrichtet. 64 Beide Varianten werden im weiteren Verlauf der Arbeit gesondert behandelt. Begonnen werden soll im folgenden Teil 65 zunächst mit Situation 1; hier wird der Schwerpunkt in der Erarbeitung der methodischen Grundlagen liegen. Sodann 66 wird versucht, Situation 2 stringent einzubinden, so dass ein umfassendes Rechtsschutzsystem erkennbar wird. d) Ausnutzung von Vorratsbeschlüssen Der Vorstand hat darüber hinaus gemäß § 33 II WpÜG die Möglichkeit, Abwehrmaßnahmen aufgrund von Vorratsbeschlüssen der Hauptversammlung durchzuführen. Auch hierzu bedarf er gemäß § 33 II S. 4 WpÜG der Zustimmung des Aufsichtsrats. Die Regelung des § 33 II WpÜG konnte jedoch nicht zuletzt wegen der Einführung des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG kaum praktische Bedeutung erlangen. Es wird für den Vorstand in der Regel geeigneter sein, Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats ohne vorherige Beteiligung der Hauptversammlung 64 65 66
Vgl. hierzu die Darstellung auf S. 102 ff. Vgl. unten S. 50 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 99 ff.
§ 1 Probleme bei feindlichen Übernahmen und Regelungsansatz des WpÜG
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durchzuführen. Die Aufnahme eines Vorratsbeschlussvorschlags auf die Tagesordnung der Hauptversammlung würde zudem Spekulationen des Kapitalmarkts, es handle sich bei der AG um einen Übernahmekandidaten, eher verstärken. 67 Unattraktiv sind Vorratsbeschlüsse überdies wegen der zeitlichen Begrenzung auf 18 Monate (§ 33 II S. 2 WpÜG), die es in der Praxis erforderlich machen wird, jede ordentliche Hauptversammlung damit zu befassen. 68 Die inhaltlichen Anforderungen und Rechtsschutzimplikationen werden im 3. Teil dieser Arbeit eingehend untersucht. 69
67 Vgl. Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 42, die daher annehmen, ein Vorratsbeschluss werde „überwiegend als Zeichen der Schwäche gedeutet werden“ und ähnlich wie in Goethes Zauberlehrling von 1797 gerade erst die „bösen Geister“ wecken, vor denen er schützen möchte. 68 Gemeinhin werden damit auch Beeinträchtigungen des Aktienkurses verbunden, vgl. Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (12) m.w. N. in Fn. 83. 69 Unten auf den S. 129 ff.
§ 2 Die Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzes I. Einführung Die Rechtsfolgen und der Rechtsschutz bei unzulässigen Handlungen der Organe der Zielgesellschaft sind vom Gesetzgeber bei Erlass des WpÜG nicht gesondert geregelt worden. Die h.M. will deswegen auf die allgemeinen aktienrechtlichen Regeln und Klagerechte zurückgreifen, wenn und soweit die Kapitalmarktteilnehmer auch Aktionäre der Zielgesellschaft sind (Doppelstellung). Mangels entsprechender kapitalmarktrechtlicher Regelung wird insoweit Rückgriff auf die Stellung als Verbandsmitglied und das überkommene Rechtsschutzprogramm des Aktienrechts genommen. Die einschlägige Kommentarliteratur widmet sich der Frage eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes hingegen nur vereinzelt und dann auch nur als Ergänzung zum aktienrechtlichen Rechtsschutz. Die Kommentierungen konzentrieren sich fast ausnahmslos auf die Darstellung der in Bezug genommenen aktienrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten. 1 Auf aktienrechtlicher Grundlage entstehen Unterlassungsansprüche der Aktionäre (Mitgliedschaftsklage), wenn die Geschäftsführungsmaßnahme einen Eingriff in die durch die Mitgliedschaft verkörperten Rechte darstellt. Aktienrechtlicher Individualrechtsschutz besteht daher unstreitig dann, wenn der Vorstand Maßnahmen, die gemäß der allgemeinen aktienrechtlichen Kompetenzordnung in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, ohne ihre Beteiligung vornimmt. 2 Das selbe gilt, wenn man das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG als negative Kompetenznorm (governance strategy) 3 versteht, welche die aktienrechtliche Kompetenzverteilung solchermaßen zur Hauptversammlung hin verlagert, dass jede von § 33 I S. 2 bzw. II WpÜG nicht erfasste Abwehrmaßnahme automatisch in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fiele (All- und Auffangzuständigkeit). Eine solche Erweiterung beträfe Maßnahmen, die bei Hinwegdenken des Übernah1 Vgl. statt aller Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 305 ff.; eine Ausnahme stellt insoweit lediglich Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 37 ff. dar, der sich auch kapitalmarktrechtlichen Rechtsbehelfen widmet. 2 Denkbar sind vor allem der Erwerb eigener Aktien unter Verletzung der §§ 71 ff. AktG, die bezugsrechtsfreie Ausgabe neuer Aktien ohne sachliche Rechtfertigung oder (je nach Standpunkt in der aktienrechtlichen „Holzmüller“-Diskussion) die Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände. 3 Vgl. zu der Unterscheidung zwischen governance und regulatory strategy eingehend Hansmann / Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S. 23.
§ 2 Die Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzes
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meangebots in die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands fallen würden, nun aber unter Geltung des Verhinderungsverbots eines Erlaubnistatbestands gemäß § 33 I S. 2 bzw. II WpÜG bedürfen, der nicht erfüllt ist. Handelt der Vorstand dennoch, so könnte dies auch lediglich als aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtenverstoß verstanden werden, wenn man § 33 I WpÜG als bloße Regelung des organschaftlichen Pflichtenprogramms (regulatory strategy) qualifizieren wollte. Weil aktienrechtliche Unterlassungsansprüche nur bei Verletzung von Hauptversammlungskompetenzen entstehen, kommt es je nach dogmatischem Verständnis des § 33 I WpÜG zu einem mehr oder minder großen aktienrechtlichen Rechtsschutzprogramm des Einzelaktionärs. Es ist in der Literatur umstritten, welche Wirkung § 33 I WpÜG insoweit zuzuschreiben ist. Diese Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass Wortlaut und Systematik des § 33 I S. 1 und 2 WpÜG im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erheblichen Wandlungen unterworfen waren. 4 Nach der wohl h.M. belässt § 33 I WpÜG die Abwehrmaßnahmen in der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands und konkretisiert lediglich die allgemeine Pflichtenregelung der §§ 76 I und 93 I AktG. 5 Wollte man § 33 I WpÜG dagegen als negative Kompetenznorm verstehen, 6 so hätte dies gleichsam die Wirkung einer Herabsetzung der nach Holzmüller / Gelatine-Grundsätzen bestehenden Eingriffsschwelle der Hauptversammlungskompetenzen. Im Folgenden soll der aktienrechtliche Rechtsschutz differenziert nach der jeweiligen dogmatischen Qualifizierung des § 33 I WpÜG kurz skizziert werden, um eine Grundlage für die inhaltliche Überprüfung zu schaffen.
4 Die Regelung im Diskussions- und Referentenentwurf war ursprünglich als Pflichtenregelung konzipiert, hiervon hat sich der Regierungsentwurf gelöst, in dem er die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen unter den generellen Vorbehalt der Ermächtigung durch die Hauptversammlung gestellt hat („bedürfen Handlungen des Vorstands und des Aufsichtsrats (...) der Ermächtigung der Hauptversammlung“) und damit § 33 I WpÜG als Kompetenznorm qualifizierte, vgl. hierzu Möller / Pötzsch, ZIP 2001, 1256 (1259). Der Wortlaut des letztlich Gesetz gewordenen § 33 I S. 1 WpÜG fällt wieder zurück auf eine verbotsnormähnliche Terminologie („darf keine Handlungen vornehmen“). 5 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 87; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 59; Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 18; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 44; im Ergebnis auch Cahn, ZHR 167 (2003) 262 (283); Ekkenga, FS Kümpel, S. 95 (99); ders., in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 6. 6 So Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 77 und Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (4).
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II. Aktienrechtlicher Rechtsschutz 1. § 33 WpÜG als Kompetenzregelung zwischen Vorstand und Hauptversammlung Das AktG sieht die Mitgliedschaftsklage lediglich in Form der Beschlussmängelklage vor. Gegenstand einer solchen Anfechtungsklage gemäß § 243 I AktG kann nur ein Hauptversammlungsbeschluss sein, so dass die Klage ausscheidet, wenn die Gesellschaftsorgane die Mitwirkungskompetenzen der Hauptversammlung pflichtwidrig missachten. Der Bundesgerichtshof hat diese Schutzlücke des AktG in der bekannten Holzmüller-Entscheidung geschlossen und eine (ungeschriebene) Einzelklagebefugnis des Aktionärs für den Fall anerkannt, dass der Vorstand die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung missachtet und hierdurch die mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Aktionärs verletzt. 7 Die Klagebefugnis des Aktionärs beruht auf der materiell-rechtlichen Prämisse, dass die Gesellschaft seine Mitgliedschaftsrechte zu achten hat und insbesondere das Recht auf Teilhabe am Willensbildungsprozess des Verbandes nicht gesetzes- oder satzungswidrig verkürzen darf. 8 Das Bestehen einer solchen Klagebefugnis wird im Schrifttum von dem Streit über die dogmatische Herleitung der materiell-rechtlichen (ungeschriebenen) Hauptversammlungskompetenzen getrennt und nahezu einhellig anerkannt. 9 Die Klagebefugnis ist dabei nicht an eine bestimmte Mindestbeteiligungshöhe gebunden. 10 Richtiger Klagegegner ist nach überwiegender Ansicht die Gesellschaft und nicht der Vorstand, weil eine Verhaltenszurechnung gemäß § 31 BGB stattfindet. 11 7 BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller; vgl. auch BGH, NJW 1994, 51 (53); BGHZ 106, 54 (64); OLG Köln, ZIP 1993, 110 (113); OLG München, BB 1993, 2040 (2041 f.); anders noch RG, JW 1927, 1677 (1678) und RGZ 142, 223 (227). Auch in jüngeren Entscheidungen, in denen der BGH die Kompetenzen des Vorstands gegenüber der Hauptversammlung eher gestärkt hat, wurde eine Einzelklagebefugnis bei Eingriff in die (verbleibende) Hauptversammlungskompetenz stets hervorgehoben, vgl. BGHZ 125, 239 ff. – Deutsche Bank, BGHZ 136, 133 (140) – Siemens / Nold, sowie zuletzt BGHZ 159, 30 ff. – Gelatine. 8 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 649; Seiler / Singhof, Der Konzern 2003, 313 (315); Habersack, DStR 1998, 533 (535); Emmerich / Habersack, Konzernrecht, S. 102 f.; Hüffer, FS Ulmer, S. 279, 293 (301). 9 Adolff, ZHR 169 (2005), 310 (314); Bayer, NJW 2000, 2609 (2610 ff.); Habersack, Mitgliedschaft, S. 311 f.; ders., in: DStR, 1998, 533 (535); Hüffer, AktG 7. Aufl., § 119 Rn. 18; ders., in: FS Ulmer, S. 279 (298); Kort, in: GK AktG, vor § 76 Rn. 65 f.; Lutter, in: Lutter / Winter, UmwG, Einl. Rn. 49; Lennerz, in: Münch AnwaltsHdb. AktR, § 41 Rn. 1; Kubis, in: Münch Komm AktG, § 119, Rn. 98; Semler, in: Münch Hdb. AG, § 34 Rn. 46; Rehbinder, ZGR 1983, 92 (103 ff.); gegen ein Klagerecht des Publikumsaktionärs: Mertens, AG 1990, 49 (53). 10 Hopt, Gesellschaftsrecht, Rn. 1231; Kubis, in: Münch Komm AktG, § 119 Rn. 98; Schlitt, in: Semler / Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 88; Seiler / Singhof, Der Konzern 2003, 313 (315); kritisch Krieger, ZHR 163 (1999), 343 (356), der sich für ein Quorum entspr. § 122 II AktG ausspricht.
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Als konkretes Rechtsschutzziel ist je nach Fortschreiten der abwehrgeeigneten Maßnahme zwischen Unterlassungs-, Restitutions- und Feststellungsklage zu unterscheiden. Häufig wird wegen der zeitnah drohenden Realisierung nur das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes zielführend sein. Das Gericht kann der Gesellschaft dann mittels einstweiliger Verfügung zumindest vorläufig untersagen, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen ohne die vorherige Zustimmung der Hauptversammlung durchzuführen. Als Verfügungsanspruch (§§ 920, 936 ZPO) kommen die Abwehrrechte des Aktionärs gegen Übergriffe auf die aktienrechtliche Kompetenzordnung (actio negatoria) in Betracht. Dies ist zu unterscheiden von der nicht einschlägigen Situation, in der Verbandsrechte der Aktiengesellschaft im Rahmen der actio pro socio durch die Aktionäre geltend gemacht werden („Aktionärsklage“). 12 Die Abwehransprüche beruhen auf dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre. 13 Streng dogmatisch betrachtet muss in zwei Schritten zunächst die Verletzung der Kompetenzordnung und dann die daraus folgende Verletzung der Mitgliedschaftsrechte geprüft werden. 14 Wegen der Herleitung aus der Verbandsmitgliedschaft unterliegt die Geltendmachung der Abwehransprüche der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem Rücksichtnahmegebot. 15 Der Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) wird darin liegen, dass der Aktionär regelmäßig vor vollendete und zumeist irreversible Tatsachen gestellt sein würde, weil sich vollzogene Geschäftsführungsmaßnahmen nur in den seltensten Fällen rückabwickeln lassen, zumal sie aufgrund der unbeschränkten Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis wirksam sein werden. 16 Riskant ist der Antrag 11 Wiesner, in: Münch Hdb. AG, § 23 Rn. 24 f.; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 306 m.w. N. in Fn. 7; Seiler / Singhof, Der Konzern 2003, 313 (315); Hopt, Gesellschaftsrecht, Rn. 1232; Lennerz, in: Münch AnwaltsHdb. AktG, § 41 Rn. 13; für den Vorstand als richtiger Klagegegner: Sünner, AG 1983, 169 (170); vgl. ferner BGHZ 83, 122 (134) – Holzmüller, BGHZ 110, 323 (327) – Schärenkreuzer und die Klarstellung in BGHZ 136, 133 (141) – Siemens / Nold: „gegen die Gesellschaft zu richten“. 12 Der Begriff der Aktionärsklage wird oft in einem doppelten Sinn verwendet, wenn neben der Organhaftungsklage in gesetzlicher Prozessstandschaft (hierzu grundlegend: Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239 ff.) auch noch die Abwehrklage gegen Kompetenzverletzungen der Hauptversammlung (vgl. zur Abgrenzung BGHZ 83, 122 (133) – Holzmüller) und sogar Anfechtungsklagen hierunter gefasst werden (so Krieger, ZHR 163 (1999), 343 ff.). In dieser Arbeit wird die actio negatoria jedoch ausgenommen und als „Mitgliedschaftsklage“ bezeichnet. 13 BGHZ 83, 122 (134) – Holzmüller; Bayer, NJW 2000, 2609 (2611); Emmerich / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, vor § 311 Rn. 54; Habersack, Mitgliedschaft, S. 305 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 645 ff.; Schlitt, in: Semler / Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 88; Seiler / Singhof, Der Konzern 2003, 313 (316); Mülbert, in: GK AktG, vor §§ 118 – 147 Rn. 212; Markwardt, WM 2004, 211 (213). 14 Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357 (360). 15 BGHZ 83, 122 (135) – Holzmüller; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 649; Bayer, NJW 2000, 2609 (2611); Emmerich / Habersack, Konzernrecht, S. 103.
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1. Teil: Die Notwendigkeit eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hingegen wegen der im Falle einer nachträglichen Kassation drohenden verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht (vgl. §§ 717 II, 945 ZPO). 17 Im Hauptsacheverfahren kommt nach Durchführung der Maßnahme eine Klage auf Rückabwicklung zur Wiederherstellung des status quo ante in Betracht. Ist eine Restitution objektiv unmöglich, entfällt der Beseitigungsanspruch des Aktionärs. Es verbleibt dann als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch in Geld (§ 251 BGB) die Erhebung einer vom Bundesgerichtshof in der HolzmüllerEntscheidung für diesen Fall anerkannten Feststellungsklage mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der durchgeführten Maßnahme festzustellen. Für den Vorstand besteht dabei stets die Möglichkeit, die Kompetenzverletzung im Nachhinein durch Einholung eines Hauptversammlungsbeschlusses zu heilen. 18 Wegen der Ableitung der Klagebefugnis aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis zur Gesellschaft wird der Bieter nur erfasst, wenn und soweit er bereits an der Zielgesellschaft beteiligt ist. 19 Auch wenn der Bieter in der gängigen Praxis bereits vor Abgabe des Übernahmeangebots eine Minderheitsbeteiligung an der Zielgesellschaft halten dürfte, sind Fälle denkbar, in denen dies nicht zutrifft. Basierend auf den o. g. Prämissen müsste der Bieter daher zumindest eine Aktie auf dem Kapitalmarkt erwerben, um sich gegen unzulässige Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft wehren zu können. Angesichts der zunehmenden Abneigung der Gerichte gegenüber querulatorischen Klagen von Minderheitsaktionären gegen (formell) fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse könnte der Bieter hierbei dem Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ausgesetzt sein. Dies jedenfalls dann, wenn sich aus Beteiligungshöhe und -zeitpunkt ergibt, dass der Aktienerwerb allein durch die Erlangung der Klagebefugnis motiviert war und nicht als Grundlage für die nachfolgende Übernahmetransaktion dient. 20 Leichter auszuräumen ist hingegen der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens: Zwar könnte 16
Schlitt / Seiler, ZHR 166 (2002), 544 (561), Markwardt, WM 2004, 211 (217); vgl. zum Ganzen auch Lennerz, in: Münch Anwaltshdb. AktR, § 41 Rn. 59 ff. 17 Cahn, ZHR 164 (2000) 113 (118); Lennerz, in: Münch Anwaltshdb. AktR, § 41 Rn. 59 erwähnt die Möglichkeit einer Umgehung dieses Risikos durch Gründung einer nur mit dem Mindeststammkapital ausgestatteten GmbH, welche als Antragstellerin fungiert. Dieser Vorschlag dürfte aber mit der Gefahr eines Haftungsdurchgriffs wegen Missbrauchs der juristischen Person behaftet sein. 18 Bayer, NJW 2000, 2609 (2612); Emmerich / Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, vor § 311 Rn. 51; Habersack, Mitgliedschaft, S. 331; Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493 (514); ders., Konzernleitungspflicht, S. 468. 19 Zur Möglichkeit einer vorwirkenden Treuepflicht vgl. unten S. 93 ff. 20 Eine solche Einschätzung wird seit der Änderung des AktG durch das UMAG (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005) noch verstärkt. Danach fehlt dem Aktionär die Klagebefugnis für eine Beschlussmängelklage, wenn er die Aktien nicht bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung erworben hat (§ 245 Nr. 1 AktG). Auch für die Aktionärsklagen und
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die Gesellschaft argumentieren, der Bieter könne durch die Abwehrmaßnahme ohne Beteiligung der Hauptversammlung keine Rechtsverletzung in seinen mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten erleiden, weil er selbst bei Beschlussfassung der Hauptversammlung wegen seines unternehmerischen Sonderinteresses kein Stimmrecht gehabt hätte. Ein solcher Stimmrechtsausschluss ist aber ersichtlich nicht gegeben, weil keiner der gesetzlichen Stimmrechtsausschlusstatbestände des § 136 I AktG passt und die Annahme von ungeschriebenen Erweiterungen seit jeher nur äußerst restriktiv zugelassen wird. Bei genauer Qualifizierung des Eigeninteresses wird denn auch deutlich, dass keine der als ratio legis des § 136 I AktG 21 angeführten materialen Erwägungen involviert ist. Der Bieter stimmt nämlich weder als Richter in eigener Sache über Ersatzansprüche gegen sich selbst ab, noch geht es um ein Rechtsgeschäft zwischen ihm und der Gesellschaft oder eine sonstige mit dem Rechtsgedanken des § 181 BGB erfassbare Situation. Das Übernahmeangebot richtet sich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Mitgesellschafter, und das Eigeninteresse des Bieters ist lediglich darauf gerichtet, die Gesellschaft an der Beeinträchtigung des dieser Transaktion innewohnenden Äquivalenzinteresses zu hindern. 2. § 33 WpÜG als kapitalmarktrechtliche Organpflichtenregelung Versteht man das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG als besondere Regelung des organschaftlichen Pflichtenprogramms, so führen Abwehrmaßnahmen, die nicht von den Ausnahmen in § 33 I S. 2 bzw. II WpÜG getragen werden, zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Vorstand und gegebenenfalls auch gegen den Aufsichtsrat (§§ 93 II S. 1, 116 AktG). Erforderlich ist aber stets ein eigener Schaden der Gesellschaft. Dieser wird durch eine Saldierung des aktuellen Gesellschaftsvermögens mit dem hypothetischen Vermögen im Falle pflichtgemäßen Verhaltens des Vorstands ermittelt, wobei unbeachtlich ist, ob die feindliche Übernahme durchgeführt wurde oder nicht. 22 Der Schaden der Zielgesellschaft könnte allenfalls in den Kosten unzulässiger Abwehrmaßnahmen liegen oder aus einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht des Vorstands folgen (etwa bei Veräußerung eines für den Bieter wichtigen Unternehmensteils unter dem Marktwert). Der hierin liegende Vermögensschaden der Aktionäre ist lediglich ein nicht ersatzfähiger Reflexschaden, der durch den Ausgleich in das Gesellschaftsvermögen entfällt. Die Durchsetzung dieser das damit verbundene Klagezulassungsverfahren gilt, dass die Aktien vor dem Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverstöße erworben sein müssen, vgl. § 148 I S. 1 Nr. 1 AktG. 21 Vgl. hierzu (statt aller) Hüffer, AktG 7. Aufl., § 136 Rn. 3 und eingehend zur dogmatischen Fundierung Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 66 f. 22 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 310, Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 243.
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Schadensersatzansprüche obliegt dem Aufsichtsrat (§ 112 AktG). Wenn die Abwehrmaßnahme mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen wurde (§ 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG), wird es in aller Regel der Bestellung eines besonderen Vertreters gemäß § 147 II AktG bedürfen, um die Interessen der Gesellschaft an der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche sachgerecht wahrzunehmen. Alternativ können die Aktionäre auch ein Klagezulassungsverfahren anstrengen, um die Befugnis zu erlangen, die Ersatzansprüche der Gesellschaft als Prozessstandschafter im eigenen Namen geltend zu machen (§ 148 I S. 1 AktG). Das AktG kennt hingegen keinen unmittelbaren Anspruch des Einzelaktionärs auf Einhaltung des aktienrechtlichen Pflichtenprogramms gegen die Gesellschaft oder ihre Organe. Dies wäre insofern relevant, als die Einzelaktionäre einen Schaden auch jenseits der Schädigung des Gesellschaftsvermögens erleiden können. 23 Eine solche Leistungsklage würde jedoch unter aktienrechtlichen Prämissen die rechtliche Unabhängigkeit der Leitungs- bzw. Kontrollorgane unterlaufen, 24 zumal auch die Hauptversammlung den Leitungsorganen keine inhaltlichen Weisungen erteilen kann. 25 Dem Aktionär steht damit kein Rechtsschutz gegen Gesetzesoder Satzungsverstöße der Verwaltung zu. 26 Ein solches Ersatzaufsichtsrecht 27 einzelner Aktionäre widerspräche der eindeutigen aktienrechtlichen Kompetenzverteilung, welche die Kontrollrechte ausschließlich dem Aufsichtsrat zuweist (§ 111 AktG). Abwehrrechte der Hauptversammlung können mithin erst dann entstehen, wenn zugleich ihre in der Mitgliedschaft verkörperten Kontrollrechte verletzt sind.
III. Ablehnung des Rückgriffs auf das AktG Den spezifisch kapitalmarktrechtlichen agency problems in den Verhältnissen Aktionäre / Vorstand bzw. innerhalb der Gruppe der Aktionäre nach der Abgabe eines feindlichen Übernahmeangebots kann aus mehreren Gründen nicht mehr durch Rückgriff auf allgemeine aktienrechtliche Instrumente begegnet werden.
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Hierzu sogleich S. 45 ff. Lennerz, Münch Anwaltshdb. AktR, § 42 Rn. 8; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 31. 25 Vgl. oben S. 22 ff. 26 Knobbe-Keuk, FS Ballerstedt, S. 239 (251); Lutter, JZ 2000, 837 (841); Markwardt, WM 2004, 211 (213); Schiessl, AG 1999, 442 (449); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 649 f.; zur gegenteiligen früheren Rspr. vgl. die Nachweise bei Mülbert, GK AktG, vor § 118 – 147 Rn. 220, dort Fn. 404. 27 Vgl. dazu Habersack, Mitgliedschaft, S. 306 ff.; Krieger, ZHR 163 (1999), 343 (354) und Timm, AG 1980, 172 (185). 24
§ 2 Die Ablehnung des aktienrechtlichen Rechtsschutzes
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1. Veränderte Interessenlage der Leitungsorgane Die aktienrechtliche Kompetenzverteilung und der Rechtsschutz basieren auf der Prämisse, dass Vorstand und Aufsichtsrat weitgehend frei von opportunistischen Eigeninteressen sein und daher ihren unternehmerischen Ermessensspielraum ausschließlich am Gesellschaftsinteresse ausrichten werden. Der Vorstand ist im Rahmen des going concern geneigt, sich hieran zu orientieren, weil er dadurch die dauerhafte Sicherung seiner Anstellung bewirkt. Nur aufgrund dieses Anreizes sind die geringen Einflussmöglichkeiten der Einzelaktionäre zu rechtfertigen. Um eine effiziente und flexible Geschäftsführung zu gewährleisten, schafft das AktG denn auch erhebliche Hürden, um Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder abzuberufen. 28 Letztlich basiert das aktienrechtliche Modell auf der Prämisse, dass es ausreicht, wenn die Aktionäre über ihre Verwaltungsrechte in der Hauptversammlung Einfluss auf die Geschicke der AG nehmen und im Übrigen die auf das Gesellschaftsinteresse ausgerichteten Organe Leitungsmacht ausüben. Nur dadurch sind die auf die Durchsetzung der Mitwirkungsbefugnisse in der Hauptversammlung beschränkten Klagerechte der Einzelaktionäre zu erklären. 29 Im Verlauf der Untersuchung hat sich jedoch gezeigt, dass es im Rahmen eines feindlichen Übernahmeangebots sowohl beim Vorstand, als auch beim Aufsichtsrat zu einem gleichgerichteten Anreiz zu opportunistischer Interessensverfolgung kommt. 30 2. Das Fehlen eines Systems der checks and balances Wie gesehen 31 geht das AktG davon aus, dass die beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat in einem Verhältnis der checks and balances zueinander stehen. Darauf basierend sind auch die Durchsetzungsbefugnisse betreffend Ansprüche der Gesellschaft bei Organpflichtverletzungen dem Aufsichtsrat und Vorstand wechsel28 Das AktG sieht hierzu folgende Kombination vor: Der Aufsichtsrat wählt den Vorstand, beide können lange Amtszeiten erhalten, für eine Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist in der Regel eine 3/4 Mehrheit in der Hauptversammlung nötig und für die Abberufung des Vorstands durch den Aufsichtsrat zudem ein wichtiger Grund, §§ 84 III, 102, 103 I AktG. 29 Vgl. bereits die Allgemeine Begründung der Aktienrechtsnovelle 1884 zu den Bedenken gegen die Ausübung von Individualrechten außerhalb der Hauptversammlung: „Sie lähmt die Energie und eine verantwortliche Tätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat (...) und nimmt den Aktionären das Interesse, ihren Einfluß durch Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, auf welche sie eigentlich angewiesen sind, zu gewinnen. Nur soweit solche Gefahr ausgeschlossen erscheint, kann und soll den Aktionären durch Individualrechte die Möglichkeit gegeben werden, (...) ihr eigenes Recht zu schützen.“ (Abgedruckt in: Schubert / Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 466). 30 Vgl. hierzu oben S. 17 ff. 31 Vgl. oben S. 21 f.
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seitig zugewiesen (§§ 112, 78 I AktG). Weil der Anreiz zur Verfolgung von Eigeninteressen bei beiden Organen jedoch gleichgerichtet auf die – aus Aktionärs- und Gesellschaftssicht u.U. nachteilige – Abwehr des Übernahmeangebots gerichtet ist, versagt dieser aktienrechtliche Kontrollmechanismus. Eine Erklärung hierfür findet sich in der Erkenntnis, dass das Kompetenz- und Rechtsschutzsystem des AktG 1965 den im Rahmen einer feindlichen Übernahme bestehenden kongruenten Anreiz von Vorstand und Aufsichtsrat zu gleichermaßen opportunistischem Handeln nicht gekannt hat, weil das Phänomen der feindlichen Übernahme damals gar nicht existierte. Der Rückgriff auf das Rechtsschutzsystem des AktG ist schon deshalb untauglich. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Umfang der zulässigen Ausnahmen vom Verhinderungsverbot aus § 33 I S. 2 Var. 1, 3 oder § 33a II S. 2 WpÜG ergibt. Zwar sehen Letztere keine Aufsichtsratsbefugnisse vor, die Nichtbeteiligung des Aufsichtsrats bedeutet jedoch nicht die Gewährleistung von effektiver Kontrolle des Vorstands, weil der Aufsichtsrat auch jenseits aktiver Mitwirkungsrechte einen opportunistischen Anreiz an der Verhinderung der feindlichen Übernahme aufweist und daher die Ausübung seiner Kontrollfunktion nicht mehr gewährleistet ist. 3. Mitgliedschaft als falscher Anknüpfungspunkt Bei der (feindlichen) Übernahme von Gesellschaftsanteilen geht es im Kern um die Ordnung eines Verfahrens, das den Wechsel der Mitgliedschaft in der Zielgesellschaft und die damit zusammenhängenden Handlungs- und Marktchancen der beteiligten Kapitalmarktteilnehmer betrifft. 32 Geht es aber um den Schutz der Interessen der am Kapitalmarkt teilnehmenden Bieter und verkaufswilligen Aktionäre, so ist ein kapitalmarktrechtliches Rechtsschutzsystem zu entwickeln, welches primär die Kapitalmarkttransaktion zwischen Bieter und Adressaten der Offerte in den Blick nimmt und die Beteiligung des Vorstands dogmatisch einbindet. 33 Das Eingreifen des Kapitalmarktrechts muss sich an der effizienten Minderung der im Falle eines feindlichen Übernahmeangebots bestehenden spezifischen agency problems orientieren. Dies entspricht auch Sinn und Zweck des § 33 WpÜG. Die Regelung will den beiden agency problems begegnen, welche im Falle eines feindlichen Übernahmeangebots für die Aktionäre der Zielgesellschaft einerseits im Verhältnis zu ihrem Vorstand und andererseits im Verhältnis zu dem Bieter (prisoner’s dilemma) entstehen. Der Rückgriff auf die aktienrechtliche Mitgliedsstellung der Angebotsadressaten und gegebenenfalls des Bieters bezieht 32 Vgl. hierzu (freilich in einem anderen Zusammenhang) schon Assmann / Bozenhardt, Übernahmeangebote als Regelungsproblem, S. 74. 33 Beispiele für solche Spezialregeln des Kapitalmarktrechts jenseits des AktG: Pflichtangebot an alle Aktionäre, sowie Einheitlichkeit der Gegenleistung – vgl. hierzu Davies / Hopt, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S. 178: „sharing of both the premium and the exit opportunity“.
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sich auf das erstgenannte agency problem zwischen Aktionären und Vorstand. Dieses Problem betrifft den Konflikt zwischen den opportunistischen Interessen des Vorstands und den Vermögensinteressen der Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger. Den Angebotsadressaten soll ihre Desinvestitionsentscheidung nicht vom eigennützig agierenden Vorstand genommen werden. Der Bezug zur Verbandsmitgliedschaft könnte nur so lauten, dass es auch zu den mitgliedschaftlichen Rechten gehört, die Mitgliedschaft zu beenden und an einen Nachfolger weiterzugeben. Man müsste sich dabei entscheiden, ob dies dem Schutz der Mitgliedschaft als primäres subjektives Recht mit absolutem Zuweisungsgehalt oder den aus der Mitgliedschaft als Dauerrechtsbeziehung folgenden Treue- und Schutzpflichten zuzuordnen sein soll. 34 Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass beides nicht recht passt: So geht es nicht um einen Eingriff in die (u.U. deliktisch geschützte) Mitgliedschaft als absolutes Recht, insbesondere nicht um die Einschränkung der Verfügungsbefugnis über dieses Recht. Zwar könnte man den Schutz einer solchen Fungibilität durchaus in den Schutzbereich der Mitgliedschaft als subjektives Recht einbeziehen, dies gilt jedoch nur, soweit es um die freie Veräußerbarkeit an sich geht, so etwa im Fall der Vinkulierung von Namensaktien oder (mit Einschränkungen) des Delistings. 35 Eine unzulässige Angebotsabwehr durch den Vorstand der Zielgesellschaft nimmt den Aktionären hingegen nicht die jederzeitige Möglichkeit zur Realisierung des Anteilswerts. Es bleibt ihnen vielmehr unbenommen, die Aktien an der Börse frei oder gezielt an den Bieter zu verkaufen. Übersteigt der – im Verlauf eines Übernahmekampfes in der Regel ansteigende – Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft den Angebotspreis, so wird den Aktionären ohnehin kein Schaden entstehen. 36 Bleibt der Aktienkurs hinter dem Angebotspreis zurück, könnte eine Schädigung daher nur darin liegen, dass der Bieter durch die unzulässigen Abwehrmaßnahmen das Interesse an dem Aktienerwerb und die Aktionäre ihre spezifische Verkaufsmöglichkeit an diesen verlieren. Der Schutz der Veräußerungsentscheidung lässt sich auch nicht auf der Grundlage von Treuepflichten aus dem mitgliedschaftlichen Dauerrechtsverhältnis überzeugend begründen. Dies zeigt sich, wenn man bedenkt, dass die solchermaßen geschützten Mitgliedschaftsrechte nach der gesetzlichen Ausgangslage des AktG zuvörderst Vermögensrechte und nicht Herrschaftsrechte sind. Das zeigt sich etwa an § 255 II AktG, wonach Aktionäre mit einem Anteil von weniger als 1/4 des Grundkapitals zwar weitere Verkürzungen ihrer (quotalen) Herrschaftsmacht hinzunehmen haben, nicht aber Beeinträchtigungen des Werts ihrer Beteiligung. 37 34 Zur Doppelfunktion der Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis und subjektives Recht vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 549 f. 35 Vgl. hierzu BGHZ 153, 47 ff. – Macrotron und die Anmerkungen bei Liebscher, ZGR 2005, 1 (12). 36 Im Falle eines Aktientauschs entgeht dem Angebotsadressaten jedoch zu erwartende post-merger-Wertsteigerung.
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1. Teil: Die Notwendigkeit eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes
Zur Gänze offensichtlich wird die Untauglichkeit des Rückgriffs auf die Mitgliedschaft, wenn die Interessenlage in der Person des Bieter-Aktionärs genauer betrachtet wird. Ihm soll nämlich gerade nicht die autonome Verkaufsentscheidung hinsichtlich seiner Aktien erhalten bleiben, sondern er will Aktien hinzu erwerben. Dies betrifft allein seine Stellung als zukünftiger Kapitalanleger bzw. potentieller Aktionär, dem das mit seinem Übernahmeangebot einhergehende Äquivalenzinteresse erhalten bleiben soll. Der Schutz dieser kapitalmarktbezogenen Rechtsposition lässt sich nicht überzeugend unter Rückgriff auf seine bestehende aktienrechtliche Verbandsmitgliedschaft begründen. 38 Aus diesem Grund ist auch der Versuch verfehlt, Bieter ohne Beteiligung an der Zielgesellschaft über die Konstruktion vorwirkender mitgliedschaftlicher Treuepflichten in den aktienrechtlich klagebefugten Personenkreis einzubeziehen. Ungeachtet der dogmatischen Fragwürdigkeit einer solchen Konstruktion ist es angesichts der Untauglichkeit des aktienrechtlichen Rechtsschutzsystems nicht sinnvoll, dieses auch noch auf solche Bieter zu übertragen, die noch keine Beteiligung an der Zielgesellschaft halten. Dies wäre ohnehin nur dann Gewinn bringend, wenn man § 33 I WpÜG als negative Kompetenznorm verstehen wollte, um den damit verbundenen erweiterten Rechtsschutz auch dem nicht an der Gesellschaft beteiligten Bieter zukommen zu lassen. 4. Ablehnung einer Qualifizierung des § 33 I S. 1 WpÜG als negative Kompetenzregelung Auch die Bemühungen, erweiterten Rechtsschutz nach Holzmüller-Grundsätzen durch Qualifizierung des § 33 I S. 1 WpÜG als Kompetenznorm zugunsten der Hauptversammlung zu erlangen, sind nicht überzeugend. Hiergegen spricht bereits der letztlich Gesetz gewordene Wortlaut des § 33 I S. 1 WpÜG, der eine verbotsnormähnliche Terminologie aufweist („darf keine Handlungen vornehmen“), sowie die Entstehungsgeschichte. 39 Zudem betont der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen „Holzmüller“ und „Gelatine“ ausdrücklich, dass es bei der Anerkennung von Unterlassungsansprüchen des Einzelaktionärs nicht um die Schaffung eines Ersatzaufsichtsrechts gehe, sondern um den effektiven Schutz der Mitgliedschaft. Wie oben dargetan, kann diese aber zum Schutz der beteiligten Kapitalmarktinteressen nicht schlüssig herangezogen werden. Davon ungeachtet ist 37 Zu diesem gesetzlichen Überwiegen der Stellung als Kapitalanleger vgl. grundlegend Mülbert, Aktiengesellschaft und Kapitalmarkt, S. 312 ff. Zunächst unberücksichtigt bleiben sollen die von der Rechtsprechung entwickelten verschäften Anforderungen an die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses, die dem Aktionär über seine Anlegerinteressen hinaus anteilige Herrschaftsmacht sichern möchten. 38 Anders Liebscher, ZGR 2005, 1 (30), der nicht auf eine individuelle Betroffenheit des einzelnen Aktionärs, sondern auf eine typisierende Betrachtung abstellt. 39 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 35 in Fn. 4.
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die schwerfällige Hauptversammlung kein geeignetes Entscheidungsorgan in der hektischen Situation einer feindlichen Übernahme. Eine Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung vermag überdies keine erweiterte Rechtsschutzposition des Bieters als reiner Kapitalmarktteilnehmer zu erklären und würde seinen Rechtsschutz von der Zufälligkeit abhängig machen, ob er bereits Anteile an der Zielgesellschaft hält oder nicht. Dieses Ergebnis erhärtet sich, wenn man sich den Grund der nur eingeschränkten Individualrechtsbehelfe der Aktionäre vergegenwärtigt: Wie gesehen, 40 wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Aktionäre ihre Mitwirkungskompetenzen in der Hauptversammlung und nicht in privatrechtlichen Gerichtsverfahren ausüben. Diese Erwägung greift jedoch im Falle der Abwehr eines feindlichen Übernahmeangebots nicht ein. In diesem Fall ist nämlich nicht mehr die verbandsinterne Willensbildung involviert, sondern die individuelle Entscheidung über die Annahme des an die Einzelaktionäre gerichteten Übernahmeangebots und damit zusammenhängend die Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses. Nach allem drängt sich der Verdacht auf, dass die Verfechter eines kompetenzzuweisenden Charakters des § 33 I WpÜG vor allem das defizitäre und als unpassend empfundene Rechtsschutzprogramm der Aktionärsklage erweitern wollen. Hat man dies jedoch erkannt, ist es methodisch nicht sinnvoll, ein kapitalmarktrechtliches Interesse durch Rekurs auf die (unter Umständen noch nicht bestehende) Verbandsmitgliedschaft schützen zu wollen. 5. Inhaltliche Defizite des aktienrechtlichen Rechtsschutzes Der Rückgriff auf das Aktienrecht ist darüber hinaus nicht geeignet, den individuellen übernahmespezifischen Schaden der Einzelaktionäre auszugleichen. Sowohl im Fall der Mitgliedschafts- als auch bei der Aktionärsklage wird in der Regel ein sogenannter „Reflexschaden“ gegeben sein. Der Schaden der Aktionäre liegt dann nur in der Wertminderung ihrer Aktien wegen einer pflichtwidrigen Verringerung des Gesellschaftsvermögens. Nach der gängigen aktienrechtlichen Praxis kann der Aktionär in diesem Fall nur Schadensersatzzahlung in das Gesellschaftsvermögen und nicht in das eigene Vermögen fordern, so dass der mittelbare Entwertungsschaden der Aktionäre auch wieder mittelbar ausgeglichen wird. 41 Im Falle eines Übernahmekampfs wird den Aktionären hingegen regelmäßig ein individueller Schaden dadurch entstehen, dass sie durch eine Abwehrmaßnahme des Vorstands daran gehindert werden, das Übernahmeangebot des Bieters anzunehmen. Ein solcher Hinderungsgrund kann darin liegen, dass der Bieter die Vornahme von Abwehrmaßnahmen zur auflösenden Bedingung seines Angebots 40
Vgl. oben S. 41 ff. Ständige Rspr. seit BGHZ 65, 15 (18 f.); vgl. hierzu auch Hüffer, AktG 7. Aufl., § 93 Rn. 19 mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen. 41
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erhoben hat 42 oder dass das Angebot wegen Nichterreichens einer im Angebot enthaltenen Annahmequote unwirksam wird. Der Schaden liegt dann in der Differenz zwischen der vom Bieter angebotenen Gegenleistung und dem Marktwert der Aktien. 43 Wie gesehen ist der Schaden der Gesellschaft anders gelagert und erschöpft sich regelmäßig in den Aufwendungen für die unzulässigen Abwehrmaßnahmen oder daraus resultierenden Schädigungen des Gesellschaftsvermögens. Man könnte geneigt sein, den Rückgriff auf den inhaltlich unzureichenden Rechtsschutz des AktG gleichsam als sekundäre Säule zur Eindämmung feindlicher Übernahmen neben dem ohnehin großzügigen Abwehrspielraum des § 33 I S. 2 WpÜG zu sehen. Aus übernahmekritischer Perspektive wäre ein unzureichender Rechtsschutz zu begrüßen, weil dann die weit gestreckten Abwehrbefugnisse auch noch ohne die Gefahr rechtlicher Konsequenzen überschritten werden könnten. Zwar deutet die Regierungsbegründung zum WpÜG auf eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Neutralität hin, wenn es heißt, man wolle „Leitlinien für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren schaffen, ohne Unternehmensübernahmen zu fördern oder zu verhindern“. 44 Diese Stellungnahme bezog sich jedoch auf eine Fassung des WpÜG, in der ein strengeres Verhinderungsverbot vorgesehen war (der Ausnahmetatbestand des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG war noch nicht enthalten) und das Verhinderungsverbot überdies als Kompetenzregelung mit den damit verbundenen erweiterten aktienrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten formuliert war. Letztlich kann die Frage, ob der Gesetzgeber den unzureichenden und unpassenden Rechtsschutz bei den nachfolgenden Gesetzesmodifizierungen möglicherweise willentlich hingenommen hat, unter Geltung der Übernahmerichtlinie und des novellierten WpÜG unbeantwortet bleiben. Nunmehr ist nämlich den Gesellschaften gemäß Art. 12 II der Übernahmerichtlinie die Adaption eines strikten Verhinderungsverbots ihrer Organe zu gewährleisten. Wenn der Gesetzgeber dies durch Schaffung des § 33 a WpÜG umsetzen will, so ist damit auch jegliche übernahmefeindliche Grundhaltung abzulegen. 6. Ergebnis Auf aktienrechtlicher Grundlage bestehen keine Rechtsschutzmöglichkeiten, welche den übernahmespezifischen agency problems auch nur im Ansatz begegnen könnten. Man kann das bestehende Rechtsschutzbedürfnis auch nicht durch 42 Eine solche Bedingung wird in aller Regel in der Angebotsunterlage enthalten sein, weil der Bieter ansonsten auch im Falle von destruktiven, den Unternehmenswert mindernden Abwehrmaßnahmen an sein Angebot gebunden bliebe (arg e §§ 14 I S. 1, II S. 1, 17, 18, 21 WpÜG), weil ein Rücktritt das Interesse der verkaufsbereiten Aktionäre unterlaufen würde. 43 Vgl. hierzu Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 211 und eingehend unten S. 99. 44 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 28.
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ungeschriebene Erweiterungen der im AktG 1965 vorgesehenen Rechtsschutzinstrumente stillen, wobei vor allem der Rückgriff auf die bestehende Mitgliedschaft und die Qualifizierung des Verhinderungsverbots als Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung einer kritischen Betrachtung nicht standzuhalten vermag. Ein Ausweg liegt in der bereits beschriebenen Doppelstellung des Bieters als Verbandsmitglied und Kapitalmarktteilnehmer. Erweist sich der Rückgriff auf die aktienrechtliche Mitgliedschaft als untauglich, ist auf die kapitalmarktrechtliche Ebene zurückzugreifen. Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, ein kapitalmarktrechtliches Rechtsschutzgefüge zu entwickeln. Dabei wird stets die Perspektive des Bieters beibehalten und nacheinander untersucht, ob sich Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands, des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung überzeugend entwickeln lassen.
Zweiter Teil
Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands § 3 Rechtsschutz bei Geltung des „klassischen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 WpÜG (opt-out) I. Entwicklung eines kapitalmarktrechtlichen Ansatzes Methodisch soll zunächst auf der Basis der oben dargestellten agency problems der übernahmespezifische Rechtsschutzbedarf ermittelt werden (funktionale Analyse). Sodann werden die rechtstechnischen Grundlagen subjektiver Rechte und deren Durchsetzbarkeit dargestellt, bevor unterschiedliche Rechtsschutzinstrumente auf ihre Eignung zur Deckung des ermittelten Rechtsschutzbedarfs untersucht werden. Den Kern bildet hierbei die Frage, ob § 33 WpÜG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB qualifiziert werden kann. 1. Das kapitalmarktrechtliche Interesse von Aktionären und Bieter Bei richtiger Betrachtungsweise ist der Bieter nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Angebots in das erste agency problem zwischen Aktionären und Vorstand trotz seiner Aktionärsstellung nicht mehr involviert. Er hat allein ein Interesse daran, dass den Adressaten seines Angebots eine privatautonome Verkaufsentscheidung verbleibt. Dieses Interesse ist aber rein kapitalmarktrechtlicher Natur. Es betrifft das Verhältnis zwischen den Transaktionsteilnehmern Bieter und Angebotsadressaten. Das legt nahe, es dem zweiten agency problem zwischen Aktionären und Bieter zuzuordnen. Nach dem Regelungsmodell des § 33 WpÜG soll die Abkehr von der strikten Neutralitätspflicht des Vorstands diesem zweiten agency problem entgegenwirken, indem die Position der Aktionäre durch die Mitwirkung des Vorstands gestärkt wird. Die Rolle des Vorstands könnte man als trustee relationship zu Abmilderung eines fremden agency problems bezeichnen. Bei einer solchen Betrachtungsweise liegt es
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aber nahe, sämtlichen Beteiligten des agency problems einen originär kapitalmarktrechtlichen Rechtsbehelf an die Hand zu geben um sicherzustellen, dass der Vorstand als trustee nur zu dem gesetzlich vorgesehenen Zweck und nicht aus Eigeninteresse eingreift. Die Rechtsposition des Bieters kann dann aber nicht davon abhängen, ob er bereits eine Minderheitsbeteiligung innehat oder nicht. Inhaltlich ist eine wichtige Präzisierung geboten: Der kapitalmarktrechtliche Rechtsschutz kann nur eingreifen, wenn ein Verstoß gegen spezifisch kapitalmarktrechtliche Regelungen gegeben ist. Dies ist entweder dann der Fall, wenn gegen das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG verstoßen wurde, weil kein Ausnahmetatbestand eingreift, oder ein kapitalmarktrechtliches Interesse der beteiligten Transaktionsteilnehmer vom Vorstand übergangen wurde. Die Einschränkung ist erforderlich, weil oben bereits mehrfach auf das Nebeneinander von Aktien- und Kapitalmarktrecht hingewiesen wurde. Man könnte daher argumentieren, dass aktienrechtswidrig ausgeführte Geschäftsführungsmaßnahmen zugleich einen Verstoß gegen das Verhinderungsverbot darstellten, weil sie nicht durch eine Ausnahme in § 33 I S. 2 WpÜG gerechtfertigt seien. Eine solche Argumentation ginge aber ersichtlich zu weit. Der kapitalmarktrechtliche Verstoß kann nur darin liegen, dass der Vorstand eine Maßnahme mit Abwehreignung vornimmt, die durch das Übernahmeangebot motiviert ist und nicht von einem Erlaubnistatbestand gedeckt ist. Rechtsschutz kann auf dieser Basis nur entstehen, wenn entweder bereits die Entscheidung über das „Ob“ der Maßnahme gegen das Verhinderungsverbot verstößt oder wenn bei ihrer Umsetzung – dem „Wie“ – spezifisch übernahmerechtliche Regelungen missachtet werden, nicht hingegen, wenn das „Wie“ nur aktienrechtswidrig (etwa unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot oder das Schädigungsverbot) durchgeführt wird. Gelingt dem Vorstand nämlich im Fall des § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG der Kausalitätsentlastungsbeweis oder in Var. 3 der Nachweis, dass seine Entscheidung nicht aus opportunistischen Interessen motiviert war, so ist eine Ausweitung des aktienrechtlichen Rechtsschutzsystems unter Rückgriff auf kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutz nicht geboten, weil der Verstoß eben gerade nicht kausal auf die feindliche Übernahme zurückzuführen ist. 2. Umfang des sich hieraus ergebenden Rechtsschutzbedarfs Auch bei der Frage des Umfangs des Rechtsschutzbedarfs ist der oben dargestellten Unterscheidung zwischen der Regelung des Verhinderungsverbots nebst Ausnahmetatbeständen (§ 33 I S. 1, 2 WpÜG) und der Ermessensregelung des Vorstands (§ 3 III WpÜG) Rechnung zu tragen. Rechtsschutzbedarf kann zum einen entstehen, wenn der Vorstand gegen das „Ob“, mithin die Befugnis, in Ansehung des Übernahmeangebots überhaupt tätig zu werden (§ 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG), verstößt oder ohne wirksame Zustimmung des Aufsichtsrats eine unter § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG subsumierbare Abwehrmaßnahme ergreift.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Daneben sind Fälle denkbar, in denen § 33 I S. 1, 2 WpÜG dem Vorstand zwar grundsätzlich ein Tätigwerden erlaubt, er sich aber dann bei der nachfolgenden Ermessensentscheidung (des „Wie“) nicht pflichtgemäß an den vorrangigen Aktionärsinteressen orientiert, sondern seine eigenen opportunistischen Interessen unter dem Deckmantel des Gesellschaftsinteresses verwirklicht. Beiden Fällen kann mit dem selben Rechtsschutzumfang begegnet werden, nämlich – je nach Zeitpunkt – vorbeugenden Unterlassungsansprüchen, die gegebenenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt werden können und sodann Restitutionsbzw. Schadensersatzansprüchen nach Vollzug der Maßnahme. Bezüglich der rechtstechnischen Herleitung des Rechtsschutzes ist zwischen den beiden Fällen zu differenzieren.
II. Rechtsschutzinstrumente bei Verstößen gegen das Verhinderungsverbot gemäß § 33 I S. 1 WpÜG („Ob“) Nimmt der Vorstand der Zielgesellschaft abwehrgeeignete Maßnahmen vor, ohne dass einer der Ausnahmetatbestände des § 33 I S. 2 Var. 1 und 3 WpÜG eingreift, so verletzt er hierdurch das Interesse der Aktionäre an einer freien Verkaufsentscheidung und spiegelbildlich das Interesse des Bieters an der Erhaltung dieser Entscheidungsfreiheit. Zu fragen ist, ob dieses Interesse rechtlich schützenswert ist und – wenn ja – wie ein solcher Schutz rechtsdogmatisch fundiert werden kann. 1. Qualifizierung von § 33 I S. 1 WpÜG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB In Ansehung eines Verstoßes gegen das kapitalmarktrechtliche Verhinderungsverbot und der Untauglichkeit des aktienrechtlichen Rechtsschutzes liegt es nahe, eine kapitalmarktrechtliche Anknüpfung des Rechtsschutzes vorzunehmen. Dies ist letztlich die konsequente Fortführung der oben dargestellten Doppelstellung des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger. Weil das WpÜG keine ausdrückliche Regelung hierzu enthält, ist zu untersuchen, ob das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG als Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB qualifiziert werden kann. Dann ließen sich nämlich Restitutions-, Schadensersatz- und (unter analoger Hinzunahme des § 1004 BGB) auch quasi-negatorische Ansprüche herleiten. Anknüpfen könnte man hierbei an die oben dargestellte Erkenntnis, wonach § 33 I WpÜG als spezielle Regelung der aktienrechtlichen Organpflichten den spezifischen agency problems im Falle eines feindlichen Übernahmeangebots begegnet. Genauer könnte man formulieren, dass der Vorstand im Fall des § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG als neutraler Treuhänder die Gesellschaft so weiterzuführen
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hat, als gäbe es kein Übernahmeangebot und Maßnahmen, die auf das Übernahmeangebot bezogen sind, nur unter Mitwirkung des Aufsichtsrats vornehmen darf (§ 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG). Damit enthält § 33 I S. 1 WpÜG eine kapitalmarktspezifische Verkehrspflichtenregelung, die nicht auf einer Sonderrechtsbeziehung basiert. Es soll in dieser Arbeit nicht problematisiert werden, ob Verkehrspflichten in § 823 I oder II BGB zu verorten sind. 1 Jedenfalls im Falle einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung und reinen Vermögensschäden ist eine Anknüpfung an § 823 II BGB geboten, weil Vermögensschäden ohne primäre Schutzgutsverletzung nach der gesetzlichen Systematik aus § 823 I BGB gerade ausgeklammert sind. 2 Bei der weiteren Untersuchung wird die Einsicht zu Grunde gelegt, dass sich eine Einteilung der relevanten Rechtsnormen in die Kategorien „Schutzgesetze“ und „Nicht-Schutzgesetze“ nicht sinnvoll vornehmen lässt. Die entscheidende Frage geht vielmehr dahin, ob eine Norm im konkreten Einzelfall die Betroffenen in ihren individuellen Interessen vor der verwirklichten oder drohenden Gefahr in der Weise schützt, dass sie selbst den Schutz verwirklichen können sollen. Es ist daher immer auch der sachliche und vor allem der persönliche Schutzbereich der gesetzlichen Regelung in den Blick zu nehmen. 3 Methodisch ist zu beachten, dass § 33 WpÜG als kapitalmarktrechtliche Regelung einer Querschnittsmaterie aus mehreren Rechtsbereichen entstammt, die Wirtschaftsverwaltungsrecht, Gesellschaftsrecht und Privatrecht vereint. § 33 WpÜG regelt einerseits die Rechtsbeziehungen der beteiligten Kapitalmarktteilnehmer, fungiert aber andererseits auch als Anknüpfungspunkt für öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten, die mit Verwaltungszwang und Bußgeldern durchgesetzt werden können. Dieser Doppelstellung der kapitalmarktrechtlichen Verhaltenspflichten ist bei der Gesetzesauslegung dadurch Rechnung zu tragen, dass es zu einer Überlagerung der zivil- und öffentlichrechtlichen Auslegungsgrundsätzen kommt. 4 Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass bei der Konkretisierung der verwaltungs(straf)rechtlichen Sanktionierung zwar die anerkannten methodologischen Einschränkungen (Analogieverbot, Wortlautgrenze etc.) gelten, ansonsten aber die Auslegung der zivilrechtlichen Verhaltenspflichten nach den Regeln des allgemeinen Bürgerlichen Rechts erfolgt. Damit kommen bei der Klärung des Schutzgesetzcharakters die anerkannten zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze 1
Ausführlich hierzu im Zusammenhang mit der Zuweisung von Informationsverantwortlichkeiten: Assmann, Prospekthaftung, S. 258 ff. 2 Hager, in: Staudinger Komm BGB, § 823 Rn. G 4. 3 Mertens, in: Münch Komm BGB, § 823 Rn. 163; Schmiedel, Deliktsobligationen, S. 119; in der Grundtendenz auch K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 361, der aber die Schutzgesetzfrage als „Vorprüfung“ darauf, ob die betreffende Norm überhaupt für die Anknüpfung von Rechtsfolgen i. S. d. § 823 II BGB geeignet ist, beibehalten möchte. 4 Kalss, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 20 Rn. 34.
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zur Anwendung. Dass eine Doppelqualifikation als Schutzgesetz und öffentlichrechtliche Verhaltensnorm nicht ausgeschlossen ist, zeigt sich in anderen Bereichen der Rechtsordnung, so etwa § 5 ArzneimittelG, 5 § 5 Nr. 1, 2 BImschG, 6 etliche Normen der StVO 7 und auch speziell im Wirtschaftsrecht, z. B. bei § 13 KreditwesenG 8 oder den Offenlegungspflichten für Emittenten nach dem BörsenG. 9 Die Frage, welche Normen als Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB fungieren, lässt sich zumeist nur mit Schwierigkeiten beantworten. Zwar sind mehrfach monografische Versuche unternommen worden, durchgängige Regeln zur Schutzgesetzbestimmung zu entwickeln. Sie reichen von sieben unterschiedlichen Kriterien 10 bis hin zu acht Regeln. 11 Es vermochte sich jedoch kein allgemeingültiges Regelwerk durchzusetzen, welches mehr Rechtssicherheit gegenüber der „eher tastend sich entwickelnden“ 12 Rechtsprechung verspricht. Auch die Erkenntnis, dass die Schutzgesetzqualität anhand von verschiedenen Schutzzwecküberlegungen durch Auslegung ermittelt werden muss, hilft nur mäßig weiter. Die Auswertung der Kommentarliteratur und Rechtsprechung zu § 823 II BGB ergibt, dass im Wesentlichen fünf Tatbestandsmerkmale zur Bejahung des Schutzgesetzcharakters erfüllt sein müssen. Diese werden im Folgenden kurz abstrakt skizziert und sodann auf ihre Aussagekraft in der konkreten Übernahmesituation untersucht. Gesetzliche Basis
Ausgangspunkt muss zunächst ein Gesetz im materiellen Sinn sein. Das Vorhandensein einer gesetzlichen Anknüpfung bewirkt eine erhebliche Erleichterung für die Bejahung drittschützender Verkehrspflichten. Vor Inkrafttreten des WpÜG hätte man sich allenfalls auf richterrechtliche Fortbildung der deliktischen Verkehrspflichten oder eine Ausweitung der c.i.c. beziehen können. 13 Bei dem haftete 5
BGH NJW 1991, 2351 ff. OVG Münster, DB 1976, 2199 ff. 7 Z. B. §§ 1, 13 III Nr. 3, 14 II, 15 –17 und 37 II Nr. 1; zu detaillierten Rechtsprechungsnachweisen vgl. Wagner, in: Münch Komm BGB, § 823 Rn. 360 und Sprau, in: Palandt, § 823 Rn. 61 ff. 8 BGH WM 1970, 633 (636). 9 Vgl. §§ 39 ff. BörsenG. 10 Knöpfle, NJW 1967, 697 (700). 11 Schmiedel, Deliktsobligationen, S. 161 ff. 12 Hager, in: Staudinger Komm BGB, § 823, Rn. G 16. 13 Vgl. die Bemerkung von Assmann / Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 75 aus dem Jahre 1990, wonach „der richterlichen Rechtsfortbildung (...) mangels absehbarer und erwartbarer gesetzgeberischer Initiative die Hauptlast der Entwicklung marktbezogener Verhaltenspflichten (...) obliegen dürfte.“ Wegen der „weit verbreiteten Vorbehalte“ gegen die Qualifizierung richterlicher Verkehrspflichten als Schutzgesetze wird ein Ansatz über die Ausdehnung der c.i.c. verfolgt, vgl. hierzu auch dort Fn. 400. 6
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jedoch der Makel der fehlenden gesetzgeberischen Fundierung an. Nunmehr ist mit dem Vorhandensein des WpÜG als Parlamentsgesetz eine (zumindest in formeller Hinsicht) sichere Anknüpfungsgrundlage vorhanden. Individualschützender Charakter
Das nächste Kriterium zur Bestimmung der Schutzgesetzeigenschaft ist die Frage, ob dem Gesetz individualschützender Charakter zukommt. Dabei soll nicht vertieft werden, ob das Gesetz hierbei gezielt und ausschließlich dem Individualschutz „dienen“ muss 14 oder ob es ausreicht, dass die Norm „zumindest auch“ dem einzelnen zu dienen bestimmt ist, 15 selbst wenn sie sogar in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit im Auge haben mag. 16 Fest steht jedenfalls, dass all jene Normen ausscheiden, die ausschließlich die Allgemeinheit absichern sollen, wie etwa Staatsschutzdelikte oder Straftatbestände gegen Verfassungsorgane. In diesen Fällen ist zwar auch eine individuelle Betroffenheit nicht auszuschließen, sie ist aber lediglich Reflexwirkung des Gesetzes, die eine zivilrechtliche Haftung nicht begründen kann. Die genannten Beispiele zeigen indes, dass man den individualschützenden Charakter einer Vorschrift nur in seltenen Fällen verneinen können wird und der praktische Wert dieses Kriteriums somit gering ist. 17 Rechtsmacht zur Durchsetzung
Die Rechtsprechung hat es zu einem weiteren Kriterium erhoben, dass der individuelle Interessenbereich nicht nur durch öffentlich-rechtliche Maßnahmen etwa einer Behörde geschützt werden soll, sondern dass dem Einzelnen selbst „die Rechtsmacht“ in die Hand gegeben ist, diesen Bereich unmittelbar gegen den Störer zu schützen. 18 Noch enger fordert der Bundesgerichtshof vereinzelt, die fragliche Norm müsse eine Grundlage für die Befugnis des Vermögensträgers bieten, den Geltungsanspruch gegen den Verletzer mit Hilfe eines Schadensersatzanspruchs selbst durchzusetzen. 19 In diesem Zusammenhang sollen auch die
14 Vgl. beispielsweise BGHZ 28, 259 (365); BGHZ 39, 366 (368) und BGH NJW 1991, 418 (419). 15 Zu diesem Maßstab vgl. BGHZ 105, 121 (124); BGHZ 116, 7 (13); BGHZ 122, 1 (4 f.); BGHZ 125, 366 (374). 16 Solchermaßen großzügiger BGHZ 100, 13 (15): „(...) reicht es aus, dass der Individualschutz eines der gesetzgeberischen Anliegen der Norm ist, selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen“. Diesem Maßstab folgend auch BGH NJW 1992, 241 (242). 17 Canaris, FS Larenz (80. Geb.), S. 46; vgl. auch Larenz / Canaris, Schuldrecht BT II/2, § 77 II2b). 18 BGHZ 40, 306 (307). 19 BGHZ 100, 13 (19) zu § 267 StGB; BGHZ 106, 204 (206); vgl. auch BGH NJW 1991, 418 (419).
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Auswirkungen der Bejahung der Schutzgesetzeigenschaft auf das haftungsrechtliche Gesamtsystem Relevanz besitzen. Ratio legis und Schutzbereich
Weiter wird gefordert, die Eigenschaft als Schutzgesetz müsse mit dem vom Gesetzgeber intendierten Zweck des Gesetzes vereinbar sein. Abschließend muss geprüft werden, ob der betroffene Personenkreis in den sachlichen und persönlichen Schutzbereich der fraglichen Norm fällt. Subsumtion und Würdigung der Ergebnisse
Bei der Subsumtion der oben genannten Kriterien sind wiederum mehrere Prämissen vorab zu beachten: Es ist nicht zu verkennen, dass der Bestimmung des Rechtsschutzumfangs ein rechtspolitisches Moment innewohnt. Auch hier werden Verfechter einer Förderung von feindlichen Übernahmen eher zur Bejahung der Schutzgesetzeigenschaft des § 33 I S. 1 WpÜG gelangen als solche, die feindlichen Übernahmen kritisch gegenüber stehen. Demgemäß ist auch der richterliche Entscheidungsspielraum bei der Qualifizierung von Einzelnormen als Schutzgesetze nicht zu leugnen. Es wäre in dieser Arbeit nicht allzu schwer, die in der Literatur vertretenen vagen Einzelkriterien zur Schutzgesetzbestimmung im Sinne eines bestimmten Ergebnisses auszulegen und zu subsumieren. So handelt es sich bei § 33 I S. 1 WpÜG um ein Gesetz im formellen Sinn, man wird nicht leugnen können, dass kapitalmarktrechtliche Regelungen dazu dienen, die Voraussetzungen eines funktionsfähigen und effizienten Kapitalmarkts zu schaffen und der hiermit verbundene Institutionenschutz kein isolierter Selbstzweck, sondern stets (zumindest auch) die individuellen Anlegerinteressen beinhaltet. Letztere lassen sich dann nicht nur institutionell vom einzelnen Anleger abstrahiert, sondern (zumindest auch) auf den einzelnen individuellen Investor bezogen, begründen. 20 Sodann wird man auch belegen können, dass die Einräumung von Drittschutz dem Zweck des Gesetzes entspricht, denn mit § 33 I WpÜG wurden marktfunktionsbezogene Verhaltenspflichten geschaffen. Das Verhinderungsverbot soll gewährleisten, dass der Wechsel der Mitgliedschaft in der Zielgesellschaft als Kapitalmarkttransaktion effizient und geordnet gestaltet wird. Auch wenn Wortlaut und Gesetzesmaterialien keinen ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen im Hinblick auf die Schutzgesetzeigenschaft des § 33 I WpÜG erkennen lassen, könnte man dieses Hindernis unter Rückgriff auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers überwinden. 21 Was die Frage des sachlichen Schutzbereichs anbelangt, wird man wiederum argumentieren können, die opportunistische Vereitelung des Angebots durch die 20
Vgl. hierzu Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, S. 18 und 383 f. Larenz, Methodenlehre, S. 301 ff.(grundlegend zur objektiven Theorie der immanenten Gesetzesdeutung) und S. 410 ff. (zum gesetzgeberischen Willen als Grenze der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung). 21
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Organe der Zielgesellschaft sei ein Risiko, dem das Verhinderungsverbot in § 33 I S. 1 WpÜG gerade begegnen will. Auch den persönlichen Schutzbereich, mithin die Problematik, welcher Personenkreis ein „rechtserhebliches Betroffensein“ 22 vorbringen kann, das es legitimiert, den Schutz selbst verwirklichen zu können, ließe sich angesichts der Individualisierbarkeit der Beteiligten an der Kapitalmarkttransaktion in den Personen „Bieter“ und „Aktionäre der Zielgesellschaft“ begründen. Letzteres wird vom Schrifttum zwar uneinheitlich beantwortet, im Verhältnis zu den Aktionären der Zielgesellschaft jedoch vereinzelt bejaht. 23 Die einschlägigen Kommentierungen beschränken sich aber zumeist auf die schlichte Feststellung oder Ablehnung der Einbeziehung in den Schutzbereich, ohne hierfür eine Begründung zu geben. Auch wenn es zur Zielsetzung dieser Abhandlung gehört, eine rechtstechnisch plausible Anknüpfung von kapitalmarktrechtlichem Schutz aufzuzeigen, ist die schlichte Subsumtion unter die zu § 823 II BGB entwickelten Kriterien zu wenig aussagekräftig und zu leicht angreifbar. Deswegen ist es erforderlich, weitere Anhaltspunkte mit einzubeziehen, indem das Blickfeld erweitert wird. 2. Situationsanalyse Eine Situationsanalyse soll dazu dienen, Erkenntnisse aus vergleichbaren Regelungsgebieten zu gewinnen. Hierbei sind folgende Feststellungen erheblich: 1. Das Kapitalmarktrecht und insbesondere die Haltung gegenüber feindlichen Übernahmen ist ein wirtschafts- und rechtspolitisch geprägtes Umfeld. 2. Das WpÜG enthält keine eindeutigen gesetzlichen Anhaltspunkte für das Bestehen subjektiver Klagerechte. 3. Die Diskussion um subjektiven Drittschutz im WpÜG ist noch nicht konsolidiert, die oftmals herangezogene Gegenüberstellung von Institutionen- und Individualschutz gibt keine weiterführenden Abgrenzungskriterien her. 4. Ein absolut geschütztes Rechtsgut auf ungehinderte Marktteilnahme der Kapitalanleger lässt sich nicht begründen; vielmehr hat die Bestimmung und Abgrenzung subjektiv-rechtlicher Positionen erst anhand einer konkreten Ein-
22
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 356. Gegen Schutzgesetzqualität zugunsten des Aktionärs: Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 240, 246; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 312 („bloßer Rechtsreflex der Aktionäre“); Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 33 Rn. 88; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 46; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (16); Beckmann et al., Übernahmerecht, S. 131; für Schutzgesetzqualität hingegen: Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 210 („Schutz der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Aktionärs“); Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 37 und Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 160. 23
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zelfallbetrachtung in Ansehung der jeweiligen Ge- und Verbote des WpÜG zu erfolgen. 5. Das WpÜG sieht eine staatliche Wirtschaftsaufsicht in Gestalt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 24 mit umfangreichen öffentlichrechtlichen Untersuchungs- und Eingriffsbefugnissen vor; neben der Frage der Fundierung subjektiven zivilrechtlichen Drittschutzes gesellt sich daher das problematische Verhältnis zu subjektiven öffentlichen Rechten. 6. § 33 WpÜG hat als kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichtenregelung eine Doppelstellung, welche zivilrechtliche Konfliktschlichtung und Anknüpfung für öffentlich-rechtliche, d. h. aufsichtsrechtliche Sanktionen beinhaltet. So existiert mit § 60 I Nr. 8 WpÜG ein Ordnungswidrigkeitstatbestand, mit dessen Hilfe eine Verletzung des § 33 I S. 1 WpÜG sanktioniert werden kann. 7. Die Übernahmerichtlinie überlässt die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftsaufsicht und des Rechtsschutzes den Mitgliedstaaten. Diese Erkenntnisse lassen deutliche Parallelen zum Wettbewerbs- und vor allem zum Kartellrecht sichtbar werden. Auch dort hängt die Gesetzesauslegung von wirtschafts- und rechtspolitischen Wertungen ab, was sich vor allem bei (Dritt-) Rechtsschutzfragen manifestiert, weil weder UWG noch GWB eindeutige gesetzliche Aussagen hierüber enthalten. In beiden Bereichen lassen sich unterschiedliche Auslegungsergebnisse entweder auf Institutionenschutz (etwa Schutz des „unverfälschten Wettbewerbs“) oder auf eine Betonung des Individualschutzes (so z. B. Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher oder „sonstigen Marktteilnehmer“) 25 stützen, ohne konkrete Abgrenzungskriterien für die Zuordnung der einzelnen Normen vorzugeben. Auch im UWG und GWB gibt es kein absolut geschütztes Recht auf ungehinderte Marktteilnahme, sondern die individuellen Rechtspositionen ergeben sich erst in Ansehung der konkreten Rechte- und Pflichtenbeziehung vor dem Hintergrund eines Ge- oder Verbots des Gesetzes. Zudem existiert im Kartellrecht eine staatliche Aufsichtsbehörde mit umfangreichen Aufgaben und Befugnissen. 26 Damit ergibt sich auch für die Normen des Kartellrechts eine Doppelstellung als Anknüpfung für bußgeldbewehrte öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten 27 und Abgrenzung der bürgerlich-rechtlichen Freiheitssphären. Auch dem Gesetzgeber des WpÜG ist die Sachnähe zum Kartellrecht nicht verborgen geblieben, so dass er sich bei der Regelung des Verwaltungsverfahrens stark 24
Die BaFin ist eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) vom 22. 04. 2002 errichtet wurde (BGBl. I S. 1310). Gemäß § 2 FinDAG untersteht sie der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. 25 Vgl. § 1 S. 1 und 2 UWG. 26 Vgl. die Regelungen zu den Kartellbehörden in §§ 32 ff. und 48 ff. GWB. 27 Die §§ 81 ff. GWB regeln das Bußgeldverfahren in Kartellverfahren fast deckungsgleich wie die §§ 60 ff. WpÜG.
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an den Normen des GWB orientiert hat und dies auch in der Gesetzesbegründung offen aussprach. 28 Es liegt daher nahe, die akademische Diskussion im Wettbewerbs- und Kartellrecht und deren Ergebnisse aufzunehmen und deren Übertragbarkeit auf das Kapitalmarktrecht mit seinen Besonderheiten zu überprüfen. Es wird auch deutlich, dass eine Diskussion um Rechtsschutzinstrumente nicht isoliert bei § 823 II BGB stehen bleiben kann, sondern dass die Funktionsbestimmung der objektiven Wirtschaftsaufsicht und der subjektive öffentlich-rechtliche Schutz mit einzubeziehen ist. 3. Erarbeitung eines methodischen Fundaments Hat man diese erweiterte Aufgabenstellung erkannt, so wird vor allem das Bedürfnis nach einer methodischen Fundierung der Rechtsschutzuntersuchung deutlich. Hier hilft die gefundene Parallele zum Kartellrecht, denn dort untersuchte K. Schmidt das Zusammenspiel von privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Drittschutz in seinem grundlegenden Werk „Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht“. 29 Ergiebig für die vorliegende Aufgabenstellung ist bereits die Methode, die K. Schmidt angesichts der rechtspolitischen Prägung des Wirtschaftsrechts anwendet. Er stützt sich zunächst auf eine funktionale Betrachtungsweise, um den Rechtsschutzbedarf zu analysieren und geht dann über zur Untersuchung konkreter Regelungen im Hinblick auf ihren praktischen Nutzen bei der Verwirklichung der Gesetzeszwecke einschließlich des Rechtsschutzes. In den Worten K. Schmidts geht es um „die Aufbereitung des rechtstechnischen Apparats“. 30 Eine solche rechtstechnische Analyse respektiert die für das Wirtschaftsrecht charakteristischen rechtspolitischen Wertungen. Gleichzeitig erlaubt eine Betrachtung des rechtstechnischen Systems, die Grundfiguren des privaten und öffentlichen Rechts zu identifizieren und ihre Nutzbarmachung im Dienste der Bedürfnisse des Kapitalmarktrechts zu untersuchen. Auf diese Weise kann man ein der Effektivität und Rechtssicherheit dienendes rechtstechnisches Gefüge sichtbar machen, bestehende Mängel aufdecken und eine fundiertere rechtstechnische Anknüpfung vornehmen. Nachdem der Umfang des Rechtsschutzbedarfs bereits ermittelt wurde, 31 folgt im weiteren Verlauf die Untersuchung der Geeignetheit von verschiedenen Regelungen und Rechtsinstituten zur Herbeiführung der funktionalen Ziele. Für die 28 Vgl. die Aussage in Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 65: „(...) dass das Verfahren nach diesem Gesetz eine Sachnähe zum Verfahren (...) nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufweist“. 29 Habilitationsschrift an der Universität Bonn, 1977. 30 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 5. 31 Vgl. oben S. 49 ff.
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Situation der feindlichen Übernahme ist unbestrittenes Ziel des WpÜG die Erhaltung der Desinvestitionsentscheidung der Kapitalanleger. Die Aktionäre sollen nach der Intention des Gesetzgebers die Möglichkeit haben, an Kursbewegungen und an einer Kontrollprämie durch den Bieter in gleichem Maße zu partizipieren. 32 Spiegelbildlich soll das Äquivalenzinteresse des an sein Angebot gebundenen Bieters erhalten bleiben. 33 Ein Mittel hierzu ist die Freihaltung der Geschäftsführungsmaßnahmen der Zielgesellschaft vor dem Einfluss des opportunistischen Anreizes ihrer Organe. Nimmt man die denkbaren Instrumente zur Durchsetzung dieses gesetzgeberischen Anliegens in den Blick, so zeigt sich, dass man zum einen danach differenzieren muss, ob die BaFin nur objektivrechtlich gebunden ist, oder ob auch subjektive öffentliche Rechte ein Tätigwerden einfordern können. Zum anderen sind die zivilrechtlichen subjektiven Rechte gegenüberzustellen. Hierbei ergibt sich ein Stufenverhältnis, welches ausgehend von der Aktionärsklage der h.M. über die Mitgliedschaftsklage bis hin zur subjektivrechtlichen Ausgestaltung des § 33 WpÜG stetig ansteigt, weil bei letzterem Modell auch der Bieter eingebunden sein könnte. Dieses Stufenverhältnis wird in Abbildung 1 veranschaulicht. Es zeigt sich hierbei auch der Klärungsbedarf hinsichtlich des Verhältnisses von öffentlich- und zivilrechtlichem Drittschutz.
BaFin subjektivrechtl.
BaFin objektivrechtl.
AktG Aktionärsklage
BaFin objektivrechtl. AktG Mitgliedschaftsklage
BaFin objektivrechtl.
BaFin subjektivrechtl.
WpÜG sekundär subjektiv
WpÜG sekundär subjektiv AktG Aktionärsklage
Abbildung 1: Stufenverhältnis der Rechtsschutzinstrumente
Neben der praktizierten rechtstechnischen Methode ist die kartellrechtliche Untersuchung K. Schmidts auch wegen ihrer Erkenntnisse zur möglichen inhaltli32 33
Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 80. Hierzu eingehend unten S. 71.
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chen Ausgestaltung subjektiver Rechte erhellend. Danach ist es bei der Analyse jedweder Rechtsschutzfrage geboten, zwischen dem Gegenstand des Schutzes und dem Mittel zur Schutzverwirklichung zu differenzieren. Gegenstand kann einerseits ein primäres subjektives Recht sein. „Primär“ bedeutet in diesem Zusammenhang „absolut geschützt“ gegenüber jeder Art der Beeinträchtigung, so dass vom Erfolgsunrecht auf die Unzulässigkeit der Beeinträchtigung geschlossen wird. Beispiele solchermaßen geschützter Rechtspositionen sind die in § 823 I BGB aufgezählten Rechtsgüter. Der Grund für den Rechtsschutz liegt hier in der individuellen Betroffenheit in einem absolut zugewiesenen Schutzgut. Andererseits kann der Gegenstand des Schutzes aber auch nur in der objektiven Rechtsordnung, d. h. in der Einhaltung der objektivrechtlichen Ge- und Verbote liegen. Es geht dann nicht mehr um Individual-, sondern um Institutionenschutz, und die Rechtsdurchsetzungskompetenz begründet sich nicht auf einer individuellen Rechtsgutsverkürzung, sondern auf einer besonderen Sachnähe. Als Mittel zur Verwirklichung der Schutzgegenstände dient zum einen die objektivrechtliche Wirtschaftsaufsicht in Gestalt BaFin. Die entscheidende Frage in dieser Arbeit soll sein, ob darüber hinaus auch subjektive Drittrechte zur Durchsetzung der kapitalmarktrechtlichen Ge- und Verbote bestehen. K. Schmidt benutzt für solche Rechtsdurchsetzungsmittel den Begriff „sekundäres subjektives Drittrecht“. 34 Nach seinem dogmatischen Verständnis ist das sekundäre subjektive Recht ein „Mittel der Durchsetzung und Sanktionierung“, wobei ein primäres subjektives Recht nicht notwendig sein Korrelat sein muss, sondern allenfalls ein möglicher Gegenstand der Durchsetzungskompetenz sein kann. 35 Daneben gibt es noch die rechtstechnische Möglichkeit, sekundäre subjektive Drittrechte ausschließlich als Mittel zur Durchsetzung der objektiven Rechtsordnung einzusetzen. So verstanden ist die in der Literatur entwickelte Funktionentrennung zwischen Rechtsschutz und Institutionenschutz 36 nur bei der Bestimmung des Gegenstands des sekundären subjektiven Drittrechts relevant. Das sekundäre subjektive Recht selbst ist bei diesem Verständnis eine Rechtsfigur, die dabei hilft, Drittschutzfragen mit unverstelltem Blick zu analysieren. Sie ist aber nicht geeignet, Antworten auf die Frage nach dem primären Schutzgegenstand zu geben, weil die Rechtsmacht des Einzelnen in Gestalt des sekundären subjektiven Rechts nicht nur ausschließlich um seiner selbst willen (Rechtsschutz), sondern (auch) zur effektiven Durchsetzung von Belangen des Allgemeininteresses (Institutionenschutz) eingeräumt sein kann. Diese eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Figur schadet jedoch bei der hier interessierenden Untersuchung nicht: Wie im Rahmen der Situationsanalyse bereits angedeutet, können die verschiedenen kapitalmarktrechtlichen Interessen 34
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 315 ff. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 314 betont, dass sekundäre subjektive Rechte nicht „sekundär“ im Hinblick auf ihre Anknüpfung an „primäre“ subjektive Rechts sind, sondern wegen ihrer dienenden Rolle in Anlehnung an objektivrechtliche Pflichten. 36 Raiser, summum ius, S. 148, 159; vgl. auch Löwisch, Deliktsschutz, S. 126 ff. 35
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der Transaktionsteilnehmer nicht als vom Erfolgsunrecht her definierte Schutzpositionen begründet werden. Ein absolut zugewiesenes und abgegrenztes Rechtsgut auf ungehinderte Marktteilnahme existiert nicht. Vielmehr ist stets in Ansehung der konkreten Ge- oder Verbotsnorm eine Abgrenzung der jeweiligen schutzwürdigen Interessen erforderlich. Nur auf diese Weise lassen sich in der konkreten Situation aus den konfligierenden Interessen der Transaktionsteilnehmer anhand der Regelungen des WpÜG individuelle Rechtspositionen herleiten. Die Schwierigkeit, im Kapitalmarktrecht „primäre“, d. h. absolut geschützte subjektive Rechte einzelner Marktbeteiligter auszumachen, bringt nach herkömmlichem Verständnis erhebliche Hindernisse für subjektiven Drittschutz mit sich. Diese lassen sich nur beheben, wenn die Unabhängigkeit des subjektiven Drittschutzes von absolut zugewiesenen Rechtskreisen anerkannt wird. Es stellt sich bei der näheren Untersuchung des Kapitalmarktrechts damit eine doppelte Selektionsaufgabe: Zum einen ist unklar, welche objektiv-rechtlichen Ge- und Verbote mittels sekundärer subjektiver Rechte durchgesetzt werden sollen. Zum anderen ist zu klären, welcher Personenkreis durchsetzungsbefugt sein soll. Die erste Selektionsaufgabe ist in diesem Abschnitt auf Verstöße gegen das Verhinderungsverbot in der feindlichen Übernahmesituation beschränkt, so dass zunächst nur die Regelung des § 33 I WpÜG untersucht wird. Hierbei ist zu klären, ob das Verhinderungsverbot auch mittels sekundärer subjektiver Rechte durchgesetzt werden soll, oder ob die Existenz der objektivrechtlichen Wirtschaftsaufsicht und des defizitären aktienrechtlichen Schutzes ausreicht. Erst wenn das Bedürfnis nach Rechtsdurchsetzung mittels sekundärer subjektiver Rechte begründet worden ist, stellt sich die zweite Frage nach dem solchermaßen durchsetzungsbefugten Personenkreis. Nach Bewältigung der doppelten Selektionsaufgabe ist sodann nach dem Verhältnis von privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Drittschutz zu fragen. Es geht, in den Worten K. Schmidts, um die „Verpflichtungsintensität“ 37 der drittschützenden Norm: Soll sie unmittelbare und unbedingte Ansprüche der beteiligten Transaktionsteilnehmer untereinander begründen oder beschränkt sich ihre Wirkung darauf, Anknüpfungspunkt für ein subjektives öffentliches Recht auf ermessensfehlerfreies Tätigwerden der staatlichen Wirtschaftsaufsicht darzustellen? 4. Die erste Selektionsaufgabe: § 33 I WpÜG als subjektivrechtlich durchsetzungsbedürftige Regelung Die erste Selektionsaufgabe muss klären, ob Verstöße gegen das Verhinderungsverbot des § 33 I WpÜG nur objektivrechtlich durch die BaFin geahndet oder unterbunden werden können, oder ob eine subjektivrechtliche Durchsetzbar37
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 428 f.
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keit erforderlich ist. Diese Fragestellung ergibt sich daraus, dass zwar prinzipiell jedes Ge- oder Verbot des WpÜG behördlich, d. h. durch die BaFin, nicht aber auch zwingend subjektivrechtlich durchsetzbar ist. Das Vorhandensein einer von Amts wegen auszuübenden Wertpapieraufsicht in Verwaltungs- (§§ 4 I, 40 WpÜG) und Ordnungswidrigkeitsangelegenheiten (§ 60 I WpÜG) zeigt, dass Drittschutz jedenfalls nicht denklogisch mit der Gewährung subjektiver Drittrechte zusammenhängen muss. Oben wurde bereits dargelegt, dass Ausgangspunkt bei der hierdurch begründeten Selektionsaufgabe nicht ein absolut geschütztes subjektivrechtliches Schutzgut auf ungehinderte Kapitalmarktteilnahme sein kann, sondern vielmehr eine Anknüpfung an die objektivrechtlich pflichtenbegründenden Norm zu erfolgen hat. Andererseits kann auf die Frage, welche objektivrechtlichen Normen zugleich sekundäre subjektive Rechte zu ihrer Durchsetzung begründen, allein durch Auslegung der Regelung keine fundierte Antwort gefunden werden. Für das Kartellrecht hat K. Schmidt erkannt, dass der Gesetzgeber nur in den seltensten Fällen sekundäre subjektive Rechte ausdrücklich zuteilt oder in den Materialien ablehnt, er das Selektionsproblem mithin meist überhaupt nicht zu klären versucht. 38 Aus dieser Erkenntnis kann man für die hier interessierende konkrete Sachfrage, ob das Verhinderungsverbot des § 33 I WpÜG nur mittels objektivrechtlicher Wertpapieraufsicht, oder auch mittels sekundärer subjektiver Drittrechte durch die Transaktionsteilnehmer durchgesetzt werden soll, zwei Folgerungen ziehen: Erstens, dass ein starres Verbleiben in der Kategorie der Gesetzesinterpretation zu einer vom Gesetzgeber oftmals so nicht beabsichtigten (weil bei der Gesetzesschaffung überhaupt nicht thematisierten) Drittschutzverkürzung führen wird. Und zweitens, dass in Fällen, in denen der Gesetzgeber selbst die Entscheidung für Drittschutz nicht getroffen hat, nicht ohne Einzelfallwertungen und Einbeziehung von Effizienzkriterien auszukommen ist. Letzteres betont auch K. Schmidt, wenn er feststellt, dass die herrschende Schutzzwecktheorie das „unvermeidliche spekulative Moment bei der Abgrenzung subjektiver Drittrechte verdeckt und die Möglichkeit der Drittschutzausdehnung unterschätzt wird“. 39 Hierdurch wird auch bestätigt, was bereits oben im Rahmen der Diskussion um § 823 II BGB deutlich wurde, nämlich die Untauglichkeit jedweder subsumtionsfähiger Formeln bei der Schutzgesetzbestimmung. Treffend ist daher, wenn K. Schmidt zur Bestimmung subjektiven Drittschutzes das Schlagwort des „rechtserheblichen Betroffenseins“ formuliert, gleichzeitig aber die Gefahr einer weiteren Tautologie erkennt und zur inhaltlichen Ausfüllung im Rahmen seiner rechtstechnischen Untersuchungsmethode eine „ordnende Fallvergleichung“ auf der Grundlage des „bestehenden rechtspolitischen Konzepts“ erhebt. 40 In diese Richtung geht auch Scholz mit der 38
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 438. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 439 die Kritik von Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 91 aufnehmend, wonach die Schutzzwecklehre sich in „scheinjuristischer Spekulation (...) anstelle von juristischer Deduktion“ erschöpfe. 40 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 440. 39
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Überlegung, dass sich die Entscheidung für oder gegen ein subjektives Drittrecht „nicht mehr am bloßen gesetzgeberischen Willen, sondern am objektiven Gesetzesinhalt als dessen funktioneller Objektivierung“ auszurichten hat und dass „sekundär auf den über der Gesetzgebung stehenden Verfassungsrechtskreis zurückzugreifen ist“. 41 Nimmt man dies und vor allem den letztgenannten Bezug zu zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben auf, so zeigt sich für das methodische Vorgehen, dass zunächst der bestehende (aktienrechtliche) Rechtsschutz und das Instrumentarium der objektiven Wertpapieraufsicht auf ihre jeweilige Effektivität hin überprüft werden muss. Auf der Grundlage der dabei gefundenen Ergebnisse wird gefragt, ob zwingende europa- oder verfassungsrechtliche Gründe die Gewährung sekundärer subjektiver Drittrechte als Durchsetzungsintrument des Verhinderungsverbots verlangen. Ergänzend ist auf Effizienz- und Rechtssicherheitskriterien einzugehen. Innerhalb dieses Rahmens geht es letztlich darum, durch rechtstechnische Analyse das geeignetste Instrumentarium zur effektiven Rechtsdurchsetzung zu ermitteln, wobei zunächst nur untersucht werden soll, ob überhaupt sekundär subjektive Rechte erforderlich sind. Erst in einem zweiten Schritt wird dann innerhalb der subjektiv-rechtlichen Instrumentarien eine Entscheidung zwischen subjektiv-zivilrechtlichem und subjektiv-öffentlichrechtlichem Schutz getroffen. Bereits im 1. Teil wurde dargelegt, dass der aktienrechtlich begründete Schutz der h.M. zur effektiven Rechtsdurchsetzung untauglich ist. 42 Der Bieter ist auf dieser Grundlage nur einbezogen, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe Aktien an der Zielgesellschaft hält. Aber selbst den Aktionären steht auf der Grundlage der h.M. weder ein eigener Unterlassungsanspruch, noch ein Anspruch auf Ersatz des aus der Angebotsvereitelung resultierenden Individualschadens gegen den rechtswidrig handelnden Vorstand bzw. die Zielgesellschaft zu. Man könnte dieses Ergebnis hinnehmen und damit legitimieren, dass seit Anfang 2002 die Abteilung „Wertpapieraufsicht“ der BaFin das Verfahren bei Übernahmen von in Deutschland ansässigen börsennotierten Unternehmen überwacht und damit zumindest objektiv-rechtlich ein Instrument zur Sicherstellung der Einhaltung des Verhinderungsverbots bereitsteht. Zur weiteren Klärung soll zunächst der Handlungsrahmen der BaFin dargestellt und dann analysiert werden, ob dieses zur effektiven Rechtsdurchsetzung ausreicht. a) Aufgaben und Befugnisse der BaFin Leitet das Geschäftsführungsorgan der Zielgesellschaft verhinderungsgeeignete Abwehrmaßnahmen ein, die nicht von einem Ausnahmetatbestand des § 33 I S. 2 WpÜG erfasst werden, so steht der Wertpapieraufsicht folgendes Instrumentarium 41 42
Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 125; ders., WiR 1972, 35 (55). Vgl. oben S. 40 ff.
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zur Verfügung: Sie kann zunächst zur Erforschung des Sachverhalts von ihren Ermittlungsbefugnissen gemäß § 40 II WpÜG Gebrauch machen. Dies erlaubt es ihr, Auskünfte und Unterlagen von der Zielgesellschaft zu verlangen, die sie „zur Überwachung der Pflichten (...) nach § 33 benötigt“. Weitergehende Befugnisse, wie sie der BaFin etwa nach § 4 IV S. 1 WpHG oder den Kartellbehörden (§ 48 I GWB) nach § 59 I und III GWB eingeräumt sind, vor allem das Recht zur Durchsuchung von Geschäftsräumen der Beteiligten, sieht das WpÜG nicht vor. 43 Die Vorschrift betrifft auch nur das Verwaltungsverfahren, welches die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts durch die BaFin zum Gegenstand hat. Auf Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 60 WpÜG findet die Norm keine Anwendung, wenngleich es der BaFin unbenommen bleibt, auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren ermittelten Erkenntnisse ein Ordnungswidrigkeitsverfahren zu betreiben. 44 Neben diesen Ermittlungsbefugnissen weist § 4 I S. 1 WpÜG der BaFin die Aufgabe zu, bei Angebotsverfahren auf die Erreichung der Ziele des Gesetzes und des hierfür vorgesehenen Verfahrens hinzuwirken. In § 4 I S. 2 WpÜG wird die allgemeine Aufgabenzuweisung im Sinne einer Missstandsaufsicht konkretisiert. Der Begriff des „Missstands“ wird im Gesetz nicht definiert, es wird aber nach allgemeiner Ansicht auf die zu § 4 WpHG entwickelten Kriterien zurückgegriffen, wonach ein Missstand in einem Regelverstoß liegt, welcher die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Wertpapieren beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Kapitalmarkt bewirken kann. 45 Satz 2 weist der BaFin die Aufgabe zu, solchen Missständen „entgegenzuwirken“, was repressive und präventive Maßnahmen gleichermaßen erfasst. 46 § 4 I S. 3 WpÜG räumt der BaFin schließlich eine allgemeine Anordnungskompetenz in Form einer Generalermächtigung ein. Hierdurch erhält die BaFin die nötige Befugnisnorm, um gegen Missstände i. S. d. § 4 I S. 2 WpÜG mittels entsprechender Anordnungen einschreiten zu können. Solchermaßen in Betracht kommen Akte des schlichten Verwaltungshandelns, Bekanntmachungen, Mitteilungen, Schreiben und Richtlinien ebenso wie der Erlass von Verwaltungsakten und (mit Einschränkungen) von Rechtsverordnungen. 47 Zum Erlass eines Verwaltungsakts (§ 35 VwVfG) wird die BaFin vor allem greifen, wenn es um die effektive Beseitigung von Missständen in einem Einzelfall, d. h. im Zusammenhang mit einem konkreten 43
Anders noch der weitergehende und eng an das WpHG angelehnten RefE zu § 40 V WpÜG, dessen Befugnisumfang aber im weiteren Gesetzgebungsverfahren deutlich reduziert wurde. 44 Assmann, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 40 Rn. 5. 45 Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 5; Oechsler, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 4 Rn. 4; Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 16; zum Missstandsbegriff im WpHG vgl. Dreyling, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 4 Rn. 8. 46 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 52. 47 Assmann, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 4 Rn. 17.
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Angebot, geht. Gemäß § 4 I S. 3 WpÜG „kann“ die BaFin Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. Es steht ihr mithin ein gesetzlicher Ermessensspielraum zu, den sie gemäß § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck des Gesetzes und innerhalb der gesetzlichen Ermessensgrenzen auszuüben hat. Die BaFin ist also im Rahmen der „inneren“ Ermessensschranken des § 40 VwVfG der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts sowie den in § 3 WpÜG normierten Grundsätzen verpflichtet. Gemäß den Grundsätzen des verwaltungsrechtlichen Opportunitätsprinzips steht ihr bei der Ermessensentscheidung sowohl ein Entschließungsermessen als auch ein Auswahlermessen zu. 48 Sie hat also zunächst zu entscheiden, ob überhaupt und gegebenenfalls wann eine Maßnahme ergriffen werden soll und sodann, welche konkrete Maßnahme gegen welchen Adressaten geboten ist. Ermessensfehler können darin liegen, dass die BaFin ihren Ermessensspielraum verkennt (Ermessensnichtgebrauch), eine andere als die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen anordnet (Ermessensüberschreitung), oder sich nicht ausschließlich vom Zweck des WpÜG leiten lässt (Ermessensfehlgebrauch). 49 Ebenfalls innerhalb des Opportunitätsprinzips steht es der BaFin offen, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten und einen Bußgeldbescheid zu erlassen. § 60 I Nr. 8 WpÜG ermächtigt die BaFin ausdrücklich dazu, Verstöße gegen das Verhinderungsverbot mit einem Bußgeld zu sanktionieren. b) Das Opportunitätsprinzip Die Existenz des Opportunitätsprinzips und die damit verbundene Möglichkeit von Ermessensfehlern lässt es zweifelhaft erscheinen, ob die objektiv-rechtliche Wertpapieraufsicht eine effektive Rechtsdurchsetzung hinreichend zu gewährleisten vermag. Man könnte diese Frage dahingestellt sein lassen und sich auf den Standpunkt stellen, allein die Existenz des § 33 WpÜG und das bei Verstößen drohende Bußgeld gemäß § 60 I Nr. 8 WpÜG reichten aus, um generalpräventiv verhaltenssteuernd zu wirken. Eine solche Argumentation beachtet aber nicht hinreichend, dass sich gerade bei der Bestimmung der Reichweite der Ausnahmen vom Verhinderungsverbot schwierige Abgrenzungs- und Konkretisierungsfragen ergeben. Vor allem die genaue Festlegung der dem hypothetischen Geschäftsführer gemäß § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG noch erlaubten Geschäftsführungsmaßnahmen fällt im Einzelfall nicht leicht. Die Leitungsorgane der Zielgesellschaft werden stets behaupten, ihre (übernahmespezifischen) Handlungen seien noch von § 33 I S. 2 WpÜG gedeckt. Es bedarf hier mithin einer Überprüfung des vom opportunistischen Anreiz geprägten Geschäftsleitungsorgans der Zielgesellschaft gefundenen Auslegungsergebnisses. Eine solche Kontrolle kann entweder im Verwaltungsver48 Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 22; allgemein zur Ermessensausgestaltung vgl. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 45. 49 Wolf / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 45 ff.
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fahren und / oder durch die Gerichte erfolgen. Die bloße Existenz der objektiven Ge- und Verbote des WpÜG wirkt daher auch in Ansehung der Strafdrohung des § 60 I WpÜG nicht hinreichend verhaltenssteuernd auf die Organe der Zielgesellschaft. Wenn in der kartellrechtlichen Diskussion dagegen argumentiert wird, die wettbewerbsrechtlichen Regelungen wirkten per se als Verhaltenssteuerung und hieraus gefolgert wird, die Bedeutung von Verwaltungszwang und Sanktionen der Wirtschaftsaufsicht sei „allgemein gering“, 50 so bezieht sich dies richtigerweise nur auf die Nichtbefolgung von kartellbehördlichen Verfügungen, also „erst kraft Verfahrens begründete Verbote“. 51 Bei den mit den Ge- und Verboten des WpÜG vergleichbaren ipso iure geltenden Verboten wird hingegen auch im Kartellrecht erkannt, dass sich ihre generalpräventive Wirkung aufgrund von Konkretisierungsbedürftigkeit und Subsumtionserfordernis in engen Grenzen hält. 52 Es stellt sich mithin hier wie dort die Aufgabe der Konkretisierung und Durchsetzung der einschlägigen Ge- und Verbotsnormen. Für das WpÜG ergibt sich noch das weitere Problem, dass die Bußgeldhöhe – anders als im Kartellrecht – 53 nicht mehrerlösbezogen, sondern in § 60 III WpÜG als Obergrenze EUR 1.000.000,pro Verstoß bestimmt ist. Im Hinblick auf die mitunter deutlich darüber liegenden Jahresgehälter der Vorstandsmitglieder börsennotierter Unternehmen könnte für diese der Versuch lohnender erscheinen, ihre Position durch unzulässige Abwehrmaßnahmen zu sichern und das Risiko eines Bußgeldes in Kauf zu nehmen. Denzel verneint deswegen die Abschreckungseignung der Bußgeldtatbestände. 54 Es wurde bereits angedeutet, dass Zweifel bestehen, ob eine rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung der Regelungen über die Wertpapieraufsicht zur effektiven Rechtsdurchsetzung ausreicht. Das Opportunitätsprinzip erlaubt es der BaFin, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchen Sachverhalten sie ermitteln (vgl. § 22 VwVfG) bzw. einschreiten (vgl. § 40 VwVfG) will. Bezogen auf (drohende) Verstöße gegen das Verhinderungsverbot bedeutet dies, dass die von der rechtswidrigen Abwehrmaßnahme betroffenen Transaktionsteilnehmer lediglich die Möglichkeit hätten, die BaFin mit Beanstandungen, Anzeigen, Anregungen oder Hinweisen auf den (drohenden) Verstoß aufmerksam zu machen und um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens 50
Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 217 ff. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 298, der als Beleg die im Kartellrecht populäre Missbrauchsverfügung anführt, der in der Praxis de facto bereits Rechtsdurchsetzungsfunktion zukommt. 52 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 299. 53 Vgl. zur Regelung des § 81 II GWB statt aller Dannecker / Biermann, in: Immenga / Mestmäcker, § 81 GWB Rn. 318 ff. 54 Denzel, Neutralitätspflicht, S. 224 meint, die Summe von EUR 1.000.000,- sei „sicherlich nur ein Bruchteil des zu erwartenden Jahresgehaltes und daher eine nicht ausreichend abschreckende Summe“. Sie spricht sich neben einem „deutlich höher“ anzusiedelnden Bußgeld vor allem für eine daneben liegende ex tunc-Nichtigkeit der getroffenen Abwehrmaßnahme aus. 51
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und / oder ein behördliches Einschreiten zu ersuchen. 55 Die Kapitalanleger wären darauf angewiesen, dass die BaFin im Rahmen ihrer Opportunitätserwägungen den Sachverhalt als ermittlungs- und verfolgungswürdig anerkennt. Tut sie dies aus Gründen der Ressourcenschonung oder aufgrund fehlerhafter Einschätzung der Sach- bzw. Rechtslage nicht, stünde ihnen weder eine Beschwerde (§ 48 III WpÜG) noch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes offen, weil diese Rechtsschutzmöglichkeiten eine Verpflichtungsbefugnis dergestalt voraussetzen, dass der Beschwerdeführer bzw. Antragsteller ein eigenes subjektiv-öffentliches Recht auf Tätigwerden der Verwaltungsbehörde vorbringen kann (§ 42 II VwGO), sei es auch nur als Recht auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung. Es bliebe nur eine formlose Eingabe bei der übergeordneten Rechts- und Fachaufsichtsbehörde, die aber auch keinen Anspruch auf Tätigwerden der Aufsichtsbehörde begründen kann. Selbst wenn die BaFin sich zum Einschreiten entschließt, ist noch nicht die Vornahme effektiver Maßnahmen gewährleistet, weil die BaFin auch hierüber im Rahmen ihres Auswahlermessens befinden kann. Man kann also nicht davon ausgehen, dass die BaFin gleichsam als neutraler und spezialisierter Treuhänder („trustee“) im alleinigen Interesse der Kapitalmarktteilnehmer agiert. Es geht bei ihren Opportunitätserwägungen zum einen um die Wahrung der Interessen der Adressaten bestimmter Ermittlungs- und Eingriffsmaßnahmen, und zum anderen um die eigene Ressourcenverteilung. Selbst wenn die Zahl der feindlichen Übernahmen eines deutschen börsennotierten Unternehmens in der Regel überschaubar bleiben wird, kann die BaFin sich mit Rücksicht auf ihre Mittelverteilung auf bestimmte Transaktionen beschränken und andere außer Acht lassen. Es ist aber auch denkbar, dass die BaFin angesichts der Komplexität solcher Transaktionen und der Geschäftsführungsprozesse in einer börsennotierten Gesellschaft auch innerhalb eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens überlastet wird und infolgedessen keine angemessenen Maßnahmen ergreifen kann. Eine Parallelbetrachtung anderer Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts zeigt, dass die Figur des Opportunitätsprinzips zwar eine angemessene Ressourcenverwaltung der Verwaltung ermöglicht, dass es aber in bestimmten Situationen des rechtserheblichen Betroffenseins erforderlich wird, die Entscheidungskompetenz der Verwaltungsbehörde mittels Ausnutzung eines sekundären subjektiven Rechts auf die Gerichte zu verlagern und ein bestimmtes Verwaltungshandeln zu erzwingen. Generalisierend kann man hiervon immer dann ausgehen, wenn ein bestimmter individualisierter oder zumindest individualisierbarer Personenkreis durch den zugrunde liegenden Sachverhalt in qualifizierter Weise betroffen ist.
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Assmann, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 4 Rn. 39.
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c) Europarechtliche Pflicht zur Schaffung sekundärer subjektiver Rechte? Jegliche Effizienz- und Rechtssicherheitseerwägung erübrigten sich, wenn die Einräumung sekundärer subjektiver Rechte neben der objektivrechtlichen Wertpapieraufsicht und dem aktienrechtlichen Schutz zwingend europarechtlich oder von Verfassungs wegen geboten wäre. Hinsichtlich europarechtlicher Vorgaben ist die Übernahmerichtlinie auf einschlägige Regelungen zu untersuchen. Hierbei ergibt sich, dass Art. 4 I der Übernahmerichtlinie zunächst die Schaffung einer „Aufsichtsstelle“ vorschreibt, welche den Angebotsvorgang „unparteiisch und unabhängig von allen Parteien des Angebots“ 56 überwacht. Gemäß Art. 4 V der Übernahmerichtlinie ist die Aufsichtsstelle hierzu mit allen zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Befugnissen auszustatten. Weiter verlangt Art. 17 der Übernahmerichtlinie die Festlegung von „Sanktionen“, die bei einem Verstoß gegen mitgliedsstaatliche Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie zu verhängen sind. Die Sanktionen müssen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Wie bereits in der Situationsanalyse dargetan stellt die Übernahmerichtlinie aber in Art. 4 VI klar, dass „die Befugnis der Mitgliedstaaten festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können“ unberührt bleibt. 57 Den Pflichten aus Art. 4 I und V der Übernahmerichtlinie ist die Bundesrepublik Deutschland bereits mit Schaffung der §§ 4 I und 40 I bis IV WpÜG nachgekommen. Auch die bei Verstößen erforderlichen Sanktionen wurden im Abschnitt 8 des WpÜG mit den §§ 59 und 60 festgelegt. Zwar könnte man an dieser Stelle die Kritik von Denzel 58 an der mangelhaften Abschreckungswirkung der Bußgeldtatbestände aufnehmen und hierdurch zu der Folgerung gelangen, die Einführung sekundärer subjektiver Rechte zur Durchsetzung von Unterlassungsund Schadensersatzansprüchen sei europarechtlich geboten, um den Leitungsorganen hinreichende Sanktionsmöglichkeiten entgegenzuhalten. Eine solche Auslegung stößt aber an die Grenze des Art. 4 VI der Übernahmerichtlinie. Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass die Schaffung und inhaltliche Ausgestaltung von subjektiven Rechten der Kapitalmarktteilnehmer allein den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Dies lässt erkennen, dass der Richtliniengeber die Problematik erkannt hat und sich einer europarechtlichen Vorgabe enthalten wollte. Man wird daher aus der Sanktionspflicht des Art. 17 der Übernahmerichtlinie keine zwingenden Vorgaben für die Schaffung sekundärer subjektiver Rechte herleiten können. Selbst wenn § 60 III WpÜG wegen der zu geringen Abschreckungswirkung den 56 Sinn und Unterschied der beiden eher tautologisch anmutenden Merkmale „unparteiisch“ und „unabhängig von allen Parteien“ soll hier nicht vertieft werden. 57 Vgl. hierzu auch Pohlmann, ZGR 2007, 1 (5). 58 Vgl. oben S. 65.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Vorgaben der Übernahmerichtlinie nicht entsprechen sollte, folgt hieraus nur die Verpflichtung zur Erhöhung der maximalen Bußgeldgrenze. Die Systematik der Art. 4 und 17 zeigt hingegen, dass die Übernahmerichtlinie zwischen staatlicher Sanktion und Rechtsschutz der Parteien des Angebots differenziert. d) Grundrechtsverletzung durch Ausschluss subjektiver Rechte? Bisheriger Meinungsstand
Zur Frage, ob das Grundgesetz die Ausgestaltung sekundärer subjektiver Rechte im WpÜG verlangt, existieren diverse Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung. Diese betreffen zwar nur einen speziellen Ausschnitt der hier interessierenden allgemeinen Fragestellung nach dem grundsätzlichen „Ob“ der Gewährung sekundär subjektiver Rechte, nämlich die Diskussion um das Bestehen subjektiver öffentlicher Rechte im Rahmen des WpÜG. Auch wird diese spezielle Fragestellung in der hier vorgenommenen Untersuchungsstruktur erst an späterer Stelle, nämlich bei der Frage nach dem Verhältnis zwischen subjektiv öffentlich- und subjektiv zivilrechtlichem Schutz, mithin bei der Klärung des „Wie“ eines möglichen subjektiven Rechtsschutzes erfolgen. Die in der speziellen Argumentation um das Bestehen subjektiver öffentlicher Rechte vorgebrachten Argumente lassen sich aber bereits hier für die allgemeinere Frage nach dem Bestehen sekundärer subjektiver Rechte per se fruchtbar machen. So gilt es mittlerweile als gesichert, dass sich subjektive Rechte zum einen aus dem einfachen Recht ergeben können, welches gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung durch Grundrechte beeinflusst wird (norminterne Wirkung). 59 Methodisch basiert die verfassungskonforme Auslegung des einfachen Gesetzesrechts auf der Prämisse, dass der Gesetzgeber im Zweifel seine verfassungsrechtlichen Vorgaben einhalten will. 60 Sie stößt allerdings dort an ihre Grenzen, wo der Wortlaut oder der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers entgegenstehen. 61 In diesem Fall kann sich das subjektive Recht auch unmittelbar aus den Grundrechten ergeben (normexterne Wirkung). 62 Die Entscheidung, wann ein solcher Schutz unmittelbar aus dem Grundgesetz geboten ist, bringt erhebliche Unsicherheit über die maßgeblichen Kriterien mit sich. 63
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Möller, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 48 Rn. 25; Schnorbus, ZHR 166 (2002), 73 (81). 60 Voßkuhle, AöR 125 (2000), 177 (182 f.). 61 St. Rspr., vgl. nur BVerfGE 93, 37 (81) und 95, 64 (93); allgemein hierzu vgl. oben S. 54 in Fn. 16. 62 Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 121 ff.; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Rn. 58 ff. 63 Schnorbus, ZHR 166 (2002), 73 (82): „kann nach wie vor nicht als gesichert gelten“, vgl. auch Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 118 ff.
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Differenzierte Betrachtung
Bei der näheren Behandlung des Problemkreises ist zunächst weiter zu differenzieren nach der Situation, in der das Bestehen subjektiver Rechte zu klären ist. Denkbar sind zum einen Fallgestaltungen, in denen sich ein Drittbetroffener mittelbar von einer Maßnahme der BaFin negativ betroffen fühlt. Hier ist im Rahmen von Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes zu klären, ob die BaFin die nötige Ermächtigungsgrundlage für ihr Verwaltungshandeln aufwies und die Drittinteressen mittelbar Betroffener hinreichend beachtet hat. Die Abgrenzungsproblematik ergibt sich mithin bei der Frage des „rechtserheblichen Betroffenseins“ im Gegensatz zu einer nur reflexartigen Belastung. Bejaht man die nötige Schwelle des Betroffenseins, so stellt sich die Frage, inwieweit der Ausschluss subjektiven Rechtsschutzes durch das einfache Gesetzesrecht verfassungskonform ist. Eine Parallelbetrachtung des für diesen Problemkreis exemplarischen öffentlichen Baurechts ergibt, dass bei mittelbarer Drittbetroffenheit eine Grundrechtsverletzung nur in Betracht kommt, wenn es sich um einen nachhaltigen, schweren und unerträglichen Eingriff handelt. 64 Mindestschutz von Grundrechtspositionen
Für die in dieser Arbeit zu untersuchende Fragestellung interessiert aber nicht die mittelbare Drittbetroffenheit bei Maßnahmen der BaFin, sondern die Konstellation, in der die BaFin trotz Verstößen gegen Regelungen des WpÜG untätig bleibt. Die zu klärende Problematik betrifft mithin nicht die Folgen der Eingriffsverwaltung, sondern die des grundrechtlich gewährten Mindeststandards und dessen mögliche Verletzung durch den Ausschluss subjektiver Rechte. Es ist mittlerweile anerkannt, dass der Staat selbst dann verfassungswidrig handelt, wenn er den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestschutz von Grundrechtspositionen auch gegenüber Beeinträchtigungen durch private Dritte nicht hinreichend gewährleistet. 65 Aus dieser objektiven Schutzpflicht folgt die Verpflichtung des Staates, einerseits durch die rechtssetzenden Organe, andererseits durch die Gerichte die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen und Interessen der am Rechtsverkehr beteiligten einander in der Weise zuzuordnen, dass ihnen allen im Wege der praktischen Konkordanz Rechnung getragen wird. 66 Bei diesem Verständnis fügt sich auch das verfassungsrechtlich verbürgte Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) nahtlos ein. Denn die allgemein vertretene Feststellung, Art. 19 IV GG begründe keine subjektiven Rechte, sondern „setze diese voraus“ 67 lässt sich nur dann halten, wenn man gleichzeitig eine objektive Schutzpflicht des Staates auf Schaffung 64
BVerwG, ZfBR 1992, 79 (80 ff.); Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, § 31 Rn. 83. Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 70; ausführlich hierzu Koch, Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, S. 304 ff. m.w. N. 66 Schulte-Fielitz, in: Dreier, Kommentar zum GG, Vorb. Rn. 139 ff. u. Art. 2 Rn. 54; von Münch, in: von Münch / Kunig, Grundgesetzkommentar, Vorb. Art. 1 –19 Rn. 47. 65
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von Mindeststandards zum Schutz der Grundrechtsverwirklichung anerkennt. Das BVerfG prägte für dieses Phänomen den Begriff des „Untermaßverbots“ als Gegenstück zum schon länger anerkannten „Übermaßverbot“ bei der Begrenzung der Eingriffsbefugnisse nach oben. 68 Mit der Bejahung eines solchen objektiven Mindeststandards einher geht die Gewährung sekundärer subjektiver Rechte zu ihrer Durchsetzung. Der objektive Schutzauftrag des Staates wäre weitgehend wirkungslos, wenn man den geschützten Individuen nicht die Möglichkeit gewährte, diesen Schutz auch gerichtlich durchzusetzen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber nur aus wichtigem Grund und gebunden an das Verhältnismäßigkeitsprinzip die Subjektivierung solcher Bestimmungen ausschließen kann. 69 Umgekehrt wird man dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zubilligen müssen, in welchen Fällen er sekundäre subjektive Rechte begründen möchte. Seine Aufgabe ist es, effiziente Marktstrukturen zu schaffen, in denen die Beteiligten ihre wirtschafltichen Interessen verwirklichen können. Hierzu gehört aber auch die Verhinderung von übermäßigen subjektiven Klagerechten, die allzu leicht zu einer Lähmung des Kapitalmarkts führen könnten. Der Gesetzgeber wird daher zwischen verschiedenen Interessen unterschiedlicher Intensität differenzieren dürfen und eine Auswahl treffen können, welche Interessen subjektivrechtlich durchgesetzt werden sollen. So verstanden dient die Einrichtung der objektivrechtlichen Wirtschaftsaufsicht gleichsam als Kompensation für den Ausschluss einzelner Marktteilnehmer von subjektivem Rechtsschutz. Dies erklärt auch, warum das Bußgeld- und Verwaltungsverfahren, sowie der Verwaltungszwang gerade unabhängig von subjektiven Drittrechten und Individualschäden sind. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Entscheidend ist nach alldem, ob der Gesetzgeber bei der subjektivrechtlichen Ausgestaltung der Regelungen des WpÜG die sich aus den grundrechtlichen Schutzpflichten ergebenden Mindestanforderungen eingehalten hat. Die Kommentierungen zum WpÜG behandeln diese Fragestellung nur vereinzelt und mit uneinheitlichem Ergebnis. Stets ist die Betrachtungsweise verengt auf die Diskussion um das Bestehen subjektiv öffentlicher Rechte und die Auseinandersetzung mit der Regelung des § 4 II WpÜG, wonach die BaFin ihre Aufgaben ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Übersehen wird hierbei, dass der Gesetzgeber zwar von Verfassungs wegen zur Schaffung von sekundären subjektiven Rechten verpflichtet sein kann, dass er diese verfassungsrechtliche Mindestforderung an 67 Krüger / Sachs, in: Sachs, Kommentar zum GG, Art. 19 Rn. 137; Krebs, in: von Münch / Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 19 Rn. 58; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Kommentar zum GG, Art. 19 IV Rn. 32; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum GG, Art. 19 Rn. 23. 68 BVerfGE 88, 203 (254 ff.). 69 Ramsauer, AöR 111 (1986), 501 ff.; in diese Richtung auch Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 71.
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Individualrechtsschutz aber auf unterschiedliche Weise erfüllen kann. Neben der Gewährung subjektiv öffentlicher Rechte kann er dies auch durch die Schaffung subjektiv zivilrechtlichen Schutzes tun. Überdies kann er unter Umständen unter mehreren durchsetzungsbefugten Personen auswählen. Hieraus ergibt sich, dass aus einer Schutzpflicht des Grundgesetzes keineswegs zwingend subjektive öffentliche Rechte folgen müssen, wie dies in der Literatur oft vertreten wird. 70 Es gehört nicht zum Gegenstand dieser Untersuchung zu klären, in welchen der denkbaren Angebotssituationen und gegebenenfalls gegenüber wem das WpÜG nach den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen subjektiven Drittschutz zu gewähren hat. Stets soll vielmehr die konkrete Betrachtung des abwehrgeneigten Vorstands einer übernahmebedrohten Zielgesellschaft beibehalten werden und hierbei der Fokus auf einer effektiven Verminderung der dabei auftretenden agency problems liegen. Danach verdichtet sich die Problemstellung auf die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 33 WpÜG von Verfassungs wegen verpflichtet war, den betroffenen Kapitalanlegern eine subjektivrechtliche Position einzuräumen, oder ob er sie auf das Bestehen der BaFin und des Aktienrechts mit all den bekannten Unzulänglichkeiten verweisen konnte. Nach der oben skizzierten Rechtsprechung setzt die unmittelbare Herleitung subjektiver Rechte aus dem Grundgesetz eine schwerwiegende und substantielle Betroffenheit in grundrechtlich geschützten Rechtsgütern voraus. Nur dann ist die Grenze des gesetzgeberischen Freiraums, die Betroffenen auf objektivrechtliche Instrumente zu verweisen, überschritten. 71 Betrachtet man den hierbei potentiell schutzbedürftigen Personenkreis, nämlich die Transaktionsteilnehmer „Bieter“ und „Aktionäre der Zielgesellschaft“, so wird deutlich, dass eine Angebotsvereitelung durch die Leitungsorgane der Zielgesellschaft in keiner der beiden Gruppen zu einer existenzgefährdenden Schädigung führen wird. Es wurde bereits oben 72 dargestellt, dass den Aktionären lediglich eine besonders gute Verkaufsmöglichkeit unter Einschluss des „premiums“ zur Kontrollerlangung entgeht, es ihnen aber auch weiterhin frei steht, ihre Aktien am Markt zu verkaufen. Ein vereiteltes Übernahmeangebot allein führt auch nicht zu einem krassen Kursverfall oder sonstigen Handelshemmnissen, welche die Fungibilität der Aktien einschränken könnten. Wenn und soweit der Vorstand bei seinen Abwehrmaßnahmen das Gesellschaftsvermögen schädigt, besteht zudem die Möglichkeit eines Schadensausgleichs durch Bestellung eines Sondervertreters gemäß § 147 II AktG oder in Form der Aktionärsklage gemäß § 148 I AktG. Auch der Bieter wird durch die vereitelte Übernahme keine existenzgefährdende Einbuße erlangen. Ihm entgeht unter Umständen ein geldwertes Synergie- oder Wachstumspotential, oder er kann nur noch Aktien einer im Wert geminderten Gesellschaft kaufen. Stets wird sich 70 71 72
Vgl. z. B. Giesberts, in: Kölner Komm WpÜG, § 4 Rn. 74 und 76. Vgl. hierzu auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (89). Vgl. oben S. 45.
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die Schädigung aber im Äquivalenzinteresse bewegen, mithin in dem erst durch das Übernahmeangebot entstandenen wirtschaftlichen Interesse des Bieters. Abwehrmaßnahmen sind dagegen nicht geeignet, Integritätsschäden an bestehenden Vermögensgütern des Bieters hervorzurufen. Festhalten lässt sich daher, dass die Transaktionsteilnehmer ihre Kapitalmarktinteressen zwar nicht optimal verwirklichen können, sie aber durch rechtswidrige Abwehrmaßnahmen nicht vor existenzbedrohende Gefahren gestellt werden. Selbst wenn man für das Übernahmerecht eine grundrechtlich begründete Schutzpflicht bejahte, wäre der damit verbundene grundrechtliche Auftrag jedoch nur darauf gerichtet, dass überhaupt Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechtsposition getroffen werden und dass diese Schutzvorkehrungen nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. 73 Selbst unter Berücksichtigung der Defizite des Schutzes durch die Wertpapieraufsicht und des untauglichen aktienrechtlichen Schutzes wird es dem Gesetzgeber nach diesem Maßstab trotz seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten erlaubt sein, auf die Einräumung von sekundären subjektiven Rechten zu verzichten, wenn und weil die Kapitalanleger gerade nicht vor einer Existenzgefährdung geschützt werden müssen. Man wird deswegen nicht argumentieren können, die dem Gesetzgeber zustehende Selektionsaufgabe hinsichtlich des „Ob“ subjektivrechtlichen Schutzes sei bereits von Verfassungs wegen zwingend determiniert. 74 e) Abwägung zugunsten sekundärer subjektiver Rechte Gleichwohl ist deutlich geworden, dass die Kapitalmarktteilnehmer ihre Vermögensinteressen nicht optimal verwirklichen können, wenn die Leitungsorgane der Zielgesellschaft rechtswidrige Abwehrmaßnahmen einleiten. Die Kombination aus dem starken opportunistischen Anreiz hierzu, der fehlenden Kontrolle durch den ebenfalls von Eigeninteressen getriebenen Aufsichtsrat einerseits und der schwachen aktienrechtlichen Position der Kapitalanleger, sowie der durch das Opportunitätsprinzip lückenhaften Wertpapieraufsicht andererseits lassen eine Rechtsdurchsetzung mittels sekundärer subjektiver Rechte erforderlich erscheinen. Dies gilt vor allem angesichts des Anspruchs des WpÜG, Rahmenbedingungen für ein „faires und geordnetes“ Verfahren zu schaffen, das den unterschiedlichen Interessen der an einem Übernahmeverfahren beteiligten Parteien Rechnung trägt und besonders „die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen stärken“ soll. 75
73 St. Rspr. des BVerfG, vgl. hierzu BVerfGE 77, 170 (215); 88, 203 (254); 92, 26 (46) und 97, 169 (175 f.). 74 So auch (zur spezielleren Frage des Bestehens subjektiver öffentlicher Rechte) Bauer, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 4 Rn. 43 und (im Ergebnis zutreffend) OLG Frankfurt, ZIP 2003, 2206 (2208). 75 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 28.
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Effizienzgründe
Auch eine ökonomische Betrachtung zeigt, dass die subjektivrechtliche Durchsetzbarkeit der übernahmespezifisch modifizierten Organbefugnisse geboten ist. So führen die beiden übernahmespezifischen 76 agency problems zu einer Erhöhung der Transaktionskosten aufgrund der opportunistischen Anreizwirkung auf die Organe der Zielgesellschaft. Ökonomisch besonders schädlich ist hierbei, dass die Vereitelung nicht nur eine wohlfahrtsneutrale Umverteilung zwischen den Aktionären und Leitungsorganen der Zielgesellschaft bewirkt, sondern zu negativen Externalitäten führt. Der potentielle Verlust der Angebotsadressaten (Übernahmeprämie multipliziert mit der Anzahl der betroffenen Aktien) wird nämlich in der Regel um ein Vielfaches höher ausfallen als der Gewinn des Vorstands durch die Sicherung seiner Position (Gesamtbezüge abzüglich einer eventuell zu zahlenden Abfindung bei vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses). Auch Effizienzgründe sprechen daher klar für die Rechtsdurchsetzung mittels sekundärer subjektiver Rechte. Drohende Popularklagen als Gegenargument?
Das einzige Argument dagegen könnte die drohende Lähmung der kapitalmarktund gesellschaftsrechtlichen Aktivitäten durch Popularklagen sein. In der konkreten Situation einer feindlichen Übernahme und (potentiell) rechtswidriger Abwehrmaßnahmen ist jedoch lediglich das Interesse an einer weitgehend ungestörten Fortführung des Tagesgeschäfts und der Geschäftsstrategien der Zielgesellschaft bedroht. In der Tat könnten von der Rechtsordnung prinzipiell unerwünschte 77 Popularklagen diese Aktivitäten hemmen, indem sie in jeder Geschäftsführungsmaßnahme eine rechtswidrige Abwehrmaßnahme erblicken. Die Zulassung von Popularklagen verstieße gegen den allgemeinen Grundsatz in § 3 IV WpÜG, wonach das Verfahren „rasch durchzuführen“ ist und die Zielgesellschaft nicht „über einen angemessenen Zeitraum hinaus in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden“ darf. Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch die Gefahr von unbegründeten Popularklagen als überschaubar. Zunächst wird es in der Regel bereits an einer Motivation zum gerichtlichen Vorgehen fehlen, wenn nicht auch die eigene Interessensphäre betroffen ist, so dass allenfalls eine zumindest im Ansatz engere „Interessenklage“ droht. 78 Zudem könnten sie die aktive Geschäftsführung ohnehin nur bei zeitnaher gerichtlicher Aktivität behindern, mithin noch 76
Vgl. hierzu allgemein S. 16 ff. und vor allem S. 80 ff. Sehr deutlich Bettermann, GS Imboden, S. 37 und 40: „Popularklage eröffnet Wichtigtuern und Weltverbesserern die Gerichtstore und gefährdet die Rechtssicherheit“. 78 In diesem (engeren) Sinn wird im Folgenden der Begriff „Popularklage“ weiter verwendet. Allgemein zum Verhältnis von Popular- und Interessenklagen: Skouris, Verletztenklagen, S. 11 ff.; zur Parallelproblematik im Kartellrecht: Dormann, Drittklagen, S. 75. 77
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in der Geltungsfrist des Übernahmeangebots. Geeignet hierzu ist dann aber nur die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs und dies auch nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Schadensersatzansprüche dürften hingegen erst nach Scheitern des Übernahmeangebots Relevanz erlangen, weil erst dann der behauptete Schaden entstanden sein kann. Wird eine Unterlassungsklage im ordentlichen Verfahren geltend gemacht, und verfolgt der Vorstand seine umstittenen Geschäftsführungsmahmen weiter, so tritt nach deren Beendigung Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ein, so dass hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nur noch die Kostenlast zu entscheiden wäre und auch insofern keine Behinderung des going concern droht. Die Gefahr eine Schwemme von (unbegründeten) Unterlassungsbegehren im einstweiligen Rechtsschutz bei Bejahung sekundärer subjektiver Rechte lässt sich hingegen effektiv verhindern. Dienen kann hierbei zum einen eine genaue Eingrenzung des durchsetzungsbefugten Personenkreises, mithin die Bestimmung, wer hinreichend indivduell, also „rechtserheblich“ betroffen ist. Dieser Frage soll im weiteren Verlauf der Arbeit nachgegangen werden. Zum anderen lässt sich gerade die Gefahr einer übermäßigen Geltendmachung von vermeintlichen Ansprüchen im einstweiligen Rechtsschutz durch Instrumente wie die drohende Schadensersatzpflicht des § 945 ZPO eindämmen. 79 Danach läuft der Antragsteller Gefahr, verschuldensunabhängig auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen zu werden, welcher dem Antragsgegner infolge des Erlasses einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung entstanden ist. Bei einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung ist der Antragsteller daher für denjenigen Schaden haftbar, der dem Gegner durch die Beschränkung seiner Handlungsfreiheit, mithin durch die Nichtvornahme von schadensabwendenden oder der Gewinnerzielung dienenden Handlungen entstanden ist. 80 Die Verfügung ist dann ungerechtfertigt, wenn sie im Rechtsmittelverfahren aufgehoben oder durch eine gegenteilige Hauptsacheentscheidung gegenstandslos wird. Zudem können Festellungen hierzu in einem separaten Schadensersatzprozess getroffen werden. Die Schadensersatzdrohung schützt damit vor ungerechtfertigten Verfügungsbegehren, welche infolge der geringeren Darlegungs- und Beweishürden im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eher durchzudringen vermögen als im Hauptsacheverfahren. Anhaltspunkte aus dem aktienrechtlichen Neutralitätsgebot?
Zu fragen ist, ob die Rechtslage vor Erlass des WpÜG für die Anerkennung sekundärer subjektiver Rechte auf Unterlassung rechtswidriger Abwehrmaßnahmen 79 Wegen der Verweisung auf § 945 ZPO in § 123 VwGO gilt dies für den einstweiligen Rechtsschutz im Verfahren der ZPO und der VwGO zumindest in rechtstechnischer Hinsicht gleichermaßen, vgl. hierzu eingehend S. 74 ff. 80 Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 945 Rn. 14.
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spricht. Damals war bereits auf aktienrechtlicher Grundlage ein Neutralitätsgebot des Vorstands der Zielgesellschaft weitgehend anerkannt, zumal auch der Gesetzgeber nach eigenen Angaben dieses bei Schaffung des WpÜG lediglich kodifizieren wollte. 81 Auf aktienrechtlicher Grundlage war die genaue Ausgestaltung und rechtsdogmatische Verankerung der Neutralitätspflicht des Vorstands aber in weiten Teilen unscharf oder umstritten. So war ungeklärt, ob sie als Kompetenzbegrenzung des Vorstands die Entscheidung über die Ablehnung oder Annahme von Übernahmeangeboten der Hauptversammlung zuweisen soll, oder ob es bei einer Pflichtenkonkretisierung des allgemeinen Maßstabs gemäß § 93 I AktG sein Bewenden haben soll. Wenn nun der Gesetzgeber nach einigem Hin- und Her im Gesetzgebungsverfahren die Formulierung einer Organpflichtenregelung übernimmt, so hat dies automatisch die bereits oben dargestellten Auswirkungen auf den Rechtsschutzumfang. 82 Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die genaue Formulierung des § 33 I S. 1 WpÜG auch die bei Verstößen drohenden Rechtsfolgen regeln wollte. Bei der Festsetzung des Wortlauts ging es ihm eher um die systematische Einbindung des nachträglich aufgenommenen Ausnahmetatbestands in § 33 I S. 2 Var. 3 und der in § 33 II WpÜG enthaltenen Vorratsbeschlüsse. Es zeigt sich damit auch im Fall des § 33 I WpÜG das von K. Schmidt beschriebene Phänomen, dass bei der Gesetzesschaffung die Folgen für subjektiven Rechtsschutz nicht bedacht bzw. nicht erkennbar berücksichtigt und geregelt wurden. Auch hier würde mithin ein starres Festhalten am Wortlaut des Gesetzes und dem Schweigen der Gesetzesmaterialen zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Rechtsschutzverkürzung führen. 83 Röh hat deswegen Recht, wenn er eine strikt „semantische Interpretation“ des § 33 I WpÜG ablehnt, nur seine Folgerung, § 33 I S. 1 WpÜG regele entgegen dem Wortlaut die Organkompetenzverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung 84 ist aus den oben 85 dargestellten Gründen nicht überzeugend. Dem Erfordernis nach sekundären subjektiven Rechten ist auf kapitalmarktrechtlichem Wege nachzukommen und nicht auf der Grundlage von aktienrechtlichen Mitgliedschaftskompetenzen.
81
Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 57; vgl. hierzu auch oben S. 30. Zu diesem Zusammenhang vgl. Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (245 f.), sowie oben S. 35 f. 83 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 434 stellt fest, dass der Gesetzgeber die Drittschutzfragen in den meisten Fällen nicht regeln wollte und erkennt die Gefahr von ungewollter und „bedenklicher Drittschutzschmälerung“ durch „interpretatorisches Abstellen auf vom Gesetzgeber ausdrücklich oder erkennbar eingeräumte Drittrechte“. 84 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 77. 85 Vgl. oben S. 44. 82
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5. Die zweite Selektionsaufgabe: Der durchsetzungsbefugte Personenkreis Die mit der Anerkennung sekundärer subjektiver Rechte stets einhergehende Gefahr von Popularklagen wird zusätzlich gemildert durch eine genaue Umgrenzung des aktivlegitimierten Personenkreises. In einer zweiten Selektionsaufgabe ist mithin zu klären, wer das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG mittels sekundärer subjektiver Rechte durchsetzen können soll. Zur Klärung beitragen könnte zunächst ein Rekurs auf Stellungnahmen in der Literatur zu diesem Abgrenzungsproblem und sodann eine vergleichende Betrachtung mit dem Kartellrecht. Bei der Beantwortung der Selektionsaufgabe muss stets die Eignung zur effektiven Minderung der kapitalmarktrechtlichen agency problems und die drohende Gefahr von Popularklagen bei zu weiter Grenzziehung beachtet werden. a) Aussagen der Literatur Sämtliche Stellungnahmen in der Literatur beziehen sich mit verengtem Blickwinkel entweder auf die Frage, welchen Personen subjektiv zivilrechtliche Ansprüche zustehen sollen, oder auf die Problematik der Selektion hinsichtlich subjektiv öffentlichrechtlicher Ansprüche. Was die erste Gruppe des zivilrechtlichen Schutzes anbelangt, so geht es konkret um die Frage der Schutzgesetzeigenschaft des § 33 I S. 1 WpÜG im Hinblick auf § 823 II BGB. Hierzu wird nur vereinzelt in der Literatur vertreten, dass § 33 I S. 1 WpÜG gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft als Schutzgesetz fungiere. 86 Noch seltener wird auch der Bieter in den klagebefugten Personenkreis einbezogen. 87 Stets wird das Selektionsergeb86
Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 210 („Schutz der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Aktionärs“); Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 37 und Hirte in Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 160. Gegen Schutzgesetzqualität zugunsten des Aktionärs jedoch: Schlitt in Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 240, 246; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 312 („bloßer Rechtsreflex der Aktionäre“); Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, § 33 WpÜG Rn. 88; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, 1. Aufl. § 33 WpÜG Rn. 46; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (16). 87 Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 13 und 37 („lässt sich die Schutzbetroffenheit des Bieters nicht schlechthin leugnen“, daher komme eine „Außenhaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber (...) dem Bieter in Betracht“); Liebscher, ZGR 2005, 1 (31) („ist der Bieter unabhängig von einer etwaigen Aktionärseigenschaft klagebefugt“); unentschlossen insoweit Hirte in Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 160 („vielleicht auch zugunsten möglicher Aktionäre“) und zudem an den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 60 I Nr. 8 WpÜG anknüpfend. Gegen Schutz des Bieters: Schlitt in Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 249; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 8, 307, 321; Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, § 33 WpÜG Rn. 92; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, 1. Aufl. § 33 WpÜG Rn. 46; nunmehr auch Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 215.
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nis nicht näher begründet, sondern lediglich eine Zuordnung zu den Kategorien „rechterhebliche“ oder „reflexhafte“ Betroffenheit vorgenommen. Tendenziell scheinen sich die (ohnehin sehr zurückhaltenden) Stellungnahmen in der Literatur jedenfalls mit einer Einbeziehung des Bieters schwer zu tun, so beispielsweise Röh, der – ohne nähere Begründung für diese Selektionsentscheidung – zwar die Aktionäre der Zielgesellschaft, nicht aber den Bieter mit subjektiven Rechten ausgestattet wissen möchte. 88 Auch hinsichtlich der Bejahung subjektiver öffentlicher Rechte sind den Stellungnahmen in der Literatur keine erhellenden materiellen Selektionskriterien hinsichtlich des Personenkreises zu entnehmen. In der Regel wird auf eine im Einzelfall vorzunehmende Abwägungsentscheidung verwiesen, die jedoch in den allermeisten Fällen zu § 33 WpÜG unterbleibt. b) Der Ansatz von Schnorbus Einzig Schnorbus hat versucht, materielle Kriterien für die Selektionsaufgabe zu formulieren. Nach seinem (stets auf subjektiv öffentliche Rechte beschränkten) Blickwinkel soll es zunächst für eine Anfechtungsbeschwerde (§ 48 II WpÜG) ausreichen, wenn nach dem Schlichtungsprogramm des WpÜG, das ein Gesetz zur Entscheidung multipolarer Konflikte sei, der Schutzzweck der Norm dem Dritten die Rechtsmacht zur Reaktion verleihen wolle. 89 Diese etwas tautologisch anmutende Umschreibung des „rechtserheblichen Betroffenseins“ füllt Schnorbus nun mit einem konkretisierenden Element, wobei er zunächst feststellt, dass durch den „konfliktschlichtenden Interessensausgleich des WpÜG“ den Beteiligten sowohl Rechte, als auch Pflichten übertragen werden. Sein Grundgedanke ist nun, dass jedem Transaktionsteilnehmer, der im WpÜG mit Pflichten belastet wird, im Gegenzug auch Ansprüche gegen die übrigen Beteiligten auf Einhaltung ihres eigenen Pflichtenprogramms zukommen müssen. 90 Bei Zugrundelegen dieser Prämissen müsste man bei der Anfechtungsbeschwerde sowohl der Zielgesellschaft, als auch dem Bieter Drittanfechtungsrechte zubilligen, weil beide durch das WpÜG Rechte erlangen und mit Pflichten belastet werden. Die Aktionäre der Zielgesellschaft hingegen wären nicht geschützt, weil sie durch das WpÜG keinerlei rechtlichen Pflichten auferlegt bekommen, sondern nur Vorteile erhalten. Schnorbus weicht von seinem Konzept aber in zweierlei Hinsicht ab, wenn er 88
Vgl. hierzu die Nachweise in den letzten beiden Fn. Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (106). 90 Schnorbus, a.a.O (S. 108 f.). Dies erinnert an die Figur der bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft im öffentlichen Baurecht, wonach den durch Festsetzungen eines Bebauungsplans in ihrer Baufreiheit belasteten Grundstückseigentümern Ansprüche gegen die im Plangebiet liegenden Nachbarn auf Planein- und damit Gebietstyperhaltung zukommt; vgl. hierzu BVerwGE 44, 244 ff.; 94, 151 ff.; 101, 346 ff. und ZfBR 2000, 423 ff. (st. Rspr.), sowie Brohm, Öfftl. BauR, S. 362; ders., Rechtsschutz, S. 96 ff.; Stollmann, Öfftl. BauR, S. 28 und Reidt, in: Gelzer / Bracher / Reidt, BauplanungsR, S. 628 f. (Rn. 1821). 89
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einerseits den Aktionären der Zielgesellschaft Drittanfechtungsrechte aufgrund ihres „strukturellen Ungleichgewichts“ gegenüber dem Bieter zubilligt und andererseits den Bieter bei Verfügungen der BaFin im Rahmen des § 33 WpÜG von jeglicher Drittanfechtungsmöglichkeit ausnimmt, weil es sich bei § 33 WpÜG in erster Linie um eine „gesellschaftsrechtliche Regelung der Binnenorganisation“ handle, die nur „mittelbar“ kapitalmarktrechtliche Funktion erfülle. 91 Eine kritische Würdigung dieses Ergebnisses soll hier unterbleiben, weil die Situation der Anfechtungsbeschwerde sich in der hier interessierenden Konstellation unzulässiger Abwehrmaßnahmen kaum stellen wird. Bezogen auf subjektiv öffentliche Rechte relevant wird allein die Verpflichtungsbeschwerde sein. Hierzu kann Schnorbus mit seiner Untersuchung keinen erhellenden Beitrag leisten, weil er die Prämisse akzeptiert, dass § 4 II WpÜG die Existenz jeglicher subjektiv öffentlicher Rechte präkludiert und demgemäß kein Drittbetroffener jemals einen „Anspruch“ auf Vornahme einer bestimmten Verfügung (§ 48 III WpÜG) dartun kann. Hier zeigt sich die Schwäche der isolierten Untersuchung von zivil- und öffentlichrechtlichen subjektiven Rechten. Wenn Schnorbus feststellt, dass Dritte nach dem WpÜG „niemals subjektive Rechte haben können“, so bezieht sich dies nur auf subjektiv öffentliche Rechte. Auf dieser Grundlage käme man zu dem Ergebnis, dass Dritte zwar Ausnahmegenehmigungen etc. anfechten können, gegen unzulässige Abwehrmaßnahmen und gesetzeswidriges Nichteinschreiten der BaFin jedoch keine Handhabe hätten. Hier wird deutlich, dass die Stellungnahmen in der Literatur zum WpÜG isoliert nicht geeignet sind, weiterführende Anhaltspunkte für die Selektionsentscheidung hinsichtlich des mit sekundären subjektiven Rechten ausgestatteten Personenkreises zu geben. c) Die Erkenntnisse von Schmidt-Preuß Fruchtbar gemacht werden kann jedoch das Kriterium des Konfliktschlichtungsprogramms bei multipolaren Rechtsverhältnissen, welches auch Schnorbus aufgegriffen hat. Es geht zurück auf die grundlegende Arbeit von Schmidt-Preuß zu subjektiven öffentlichen Rechten in multipolaren Rechtsverhältnissen. 92 Dieser stellt zunächst fest, dass die bipolare Staat-Bürger-Relation für die Erfassung multipolarer Konfliktlagen, in denen sich kollidierende Privatinteressen gegenüberstehen, nicht konzipiert sei. Maßgeblich für dieses Horizontalverhältnis sei daher das normative Konfliktschlichtungsprogramm, das die kollidierenden Privatinteressen zum Ausgleich bringt. Schmidt-Preuß erkennt damit die grundlegende Prärogative des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu normativen Konfliktschlichtung an und benennt demgemäß als Voraussetzung für das Bestehen subjektiv öffentlicher Rechte im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis eine 91
Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (110). Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 6, 20 ff.; vgl. auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (106), der in Fn. 140 auf die Untersuchung von Schmidt-Preuß Bezug nimmt. 92
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Ordnungsnorm, welche „kollidierende Privatinteressen in ihrer Gegensätzlichkeit und Verflochtenheit wertet, begrenzt, untereinander gewichtet und derart in ein normatives Konfliktschlichtungsprogramm einordnet, dass die Verwirklichung der Interessen des einen Privaten notwendig auf Kosten des anderen geht“. 93 Von einer solchen objektiven Rechtszuweisung („Dürfen“) differenziert er die Frage der Anspruchsrichtung, mithin die Frage, wer materielles Pflichtsubjekt ist, von dem die Sicherstellung der Einhaltung des Dürfens verlangt werden kann. Diese zweite Frage ist inhaltlich nichts anderes als die von K. Schmidt 94 herausgebildete Figur des sekundären subjektiven Rechts, denn auch hier geht es darum, von wem der aus einer Norm Berechtigte die Einhaltung derselben verlagen kann. Im Fall des subjektiven öffentlichen Rechts besteht zwischen den privaten Parteien zwar ein Rechtsverhältnis, das ihnen Rechte und Pflichten zuweist, jegliche sekundäre subjektive Rechte richten sich aber stets gegen den Staat als materielles Pflichtsubjekt. Im Horizontalverhältnis wird den privaten Konfliktgegnern Art und Maß des gegensätzlichen freien Dürfens zugewiesen, während das Vertikalverhältnis das Bestehen sekundärer subjektiver Rechte, mithin das rechtliche Können (verstanden als Anspruch auf Durchsetzung der objektiven Rechtslage) bestimmt. 95 Bei der Anerkennung einer subjektiven zivilrechtlichen Durchsetzungsbefugnis fallen Dürfen und Können hingegen zusammen. Zwar soll die genaue Zuordnung des sekundären subjektiven Rechts zum öffentlichen Recht oder Zivilrecht erst später erfolgen, die Erkenntnisse von Schmidt-Preuß können aber bereits hier für die zweite Selektionsaufgabe herangezogen werden. § 33 WpÜG ist nämlich eine Ordnungsnorm, 96 welche die konfligierenden Interessen Privater zum Ausgleich bringt und somit ein bestimmtes Konfliktschlichtungsprogramm enthält. Es ist daher möglich, die verschiedenen Interessen der Beteiligten zu identifizieren und zu untersuchen, inwieweit der Gesetzgeber ihnen in § 33 WpÜG Geltung verschafft hat bzw. sie hat zurücktreten lassen. Hierdurch lässt sich sodann der von der rechtlichen Schicksalsgemeinschaft betroffene Personenkreis genau bestimmen und damit die Selektion hinsichtlich der Zuweisung sekundärer subjektiver Rechte vornehmen. Die Legitimation sekundärer subjektiver Rechte in multipolaren Konfliktlagen ergibt sich nämlich aus dem Prinzip der gleichen Freiheit der privaten Konfliktgegner. 97 Müssen sie sich die Einordnung ihrer kollidierenden 93 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 248 und 630; ähnlich auch Breuer, DVBl. 1983, 431 (437) bezogen auf nachbarliche Interessenskonflikte, sowie Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen, S. 125, der die Güterabwägung als „Herzstück der Subjektivierungsdogmatik“ erkennt. 94 Vgl. hierzu oben S. 58 ff. 95 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 130 f., in Abkehr von der klassischen, auf Jellinek, System, S. 51 ff. zurückgehenden bipolaren Dogmatik des Dürfens und Könnens, wonach „in der Beziehung des Individuums zum Staat (...) kein Moment enthalten (sei), welches unmittelbar ein Verhältnis zu anderen subjizierten Persönlichkeiten hervorrufen könnte“, die Kategorie des Dürfens vielmehr stets dem Zivilrecht zugewiesen sei. 96 Zu diesem Begriff vgl. Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 213 ff.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Privatinteressen in die normative Ausgleichsordnung gefallen lassen („Opferlage“, rechtliche Schicksalsgemeinschaft), wäre es mit der Ausrichtung des Grundgesetzes auf die Gewährung gleichwertiger Freiheitssphären unvereinbar, ihnen die Rechtsmacht zur Sicherstellung einer normgemäßen Konfliktschlichtung vorzuenthalten. Danach hat die Einordnung kollidierender Privatinteressen in eine gesetzliche Ausgleichsordnung aufgrund des Prinzips der gleichen Freiheit aller Konfliktgegner subjektiv-rechtliche Konsequenzen. Sie müssen in diesem Fall nämlich befähigt sein, eine ordnungsnormwidrige überschießende Aufopferung ihrer eigenen Interessen zu verhindern. 98 d) Fruchtbarmachung für die zweite Selektionsaufgabe Anwendung auf § 33 WpÜG als Einzelnorm
Zwar hat sich dieser „Brückenschlag“ vom WpÜG zur Drittklagedogmatik im Verwaltungsprozessrecht auch bereits Schnorbus aufgedrängt, 99 er hatte aber stets den konfliktschlichtenden Interessenausgleich des WpÜG als Gesamtheit im Blick. Die Anwendung der von Schmidt-Preuß entwickelten Prinzipien konnte deswegen nicht zu überzeugenden Ergebnissen führen, weil dieser bei der Ermittlung des Konfliktschlichtungsprogramms stets von einer einzigen Ordnungsnorm ausgeht und nicht von dem gesamten Regelungsgefüge eines Gesetzes. So sind auch eventuell zu berücksichtigende Gegenrechte stets solche, die ausdrücklich durch die Norm rezipiert bzw. inkorporiert werden, nicht hingegen solche, die an anderer Stelle des Gesetzes zu einer völlig anderen Thematik vorgesehen sind. 100 Bei der Bestimmung der einzelnen konfligierenden Interessen ist daher § 33 I WpÜG isoliert zu analysieren. Hilfreich ist auch hier das bereits oben beschriebene Kriterium der agency problems, welches die jeweiligen Interessenkonflikte sichtbar werden lässt. Die übernahmespezifischen agency problems
Um den opportunistischen Anreiz des Leitungsorgans an der Erhaltung seines Einflusses und letztlich seiner Stellung auszuschalten enthält § 33 I S. 1 WpÜG das Verhinderungsverbot. Der principal wird also dadurch geschützt, dass man ihm die ungehinderte Entscheidung über die Annahme des Übernahmeangebots zuweist. Andererseits kann das Leitungsorgan der Zielgesesellschaft während der 97 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 425 ff.; zum Verhältnis von Art. 2 I und 3 I GG vgl. Dürig, Kommentar zum GG, Art. 3 Rn. 137. 98 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 427 f.; vgl. auch Brohm, FS Menger, S. 235 (241 f.), der es „nur konsequent“ findet, „im Hinblick auf eine rechtliche Schicksalsgemeinschaft auch im Wirtschaftsrecht eine drittschützende Wirkung anzuerkennen“. 99 Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (106). 100 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 168.
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Übernahmephase nicht zu völliger Passivität verpflichtet werden, weil jedenfalls die Fortführung des Tagesgeschäfts gewährleistet sein muss. Zudem führt die Einbindung des Leitungsorgans zu einer effektiven Minderung des zweiten agency problems zwischen den Aktionären der Zielgesellschaft und dem Bieter. Das Leitungsorgan kann das Informationsdefizit der Aktionäre lindern und sie vor nachteiligen Angeboten warnen, ferner suboptimale Angebotsbedingungen durch Einbeziehung eines white knight verbessern. Die Ausgestaltung des Umfangs der Leitungsorgankompetenzen wirkt sich daher „antiproportional“ auf die jeweiligen agency problems aus: Verpflichtet man das Leitungsorgan zu strikter Neutralität, so vermindert sich zwar das agency problem mit den Aktionären der Zielgesellschaft, gleichzeitig erhöhen sich für diese aber die Gefahren im agency problem mit dem Bieter. Die Konfliktschlichtungsaufgabe des Gesetzgebers
Dieses Zusammenspiel veranschaulicht, welche Konfliktschlichtungsaufgabe der Gesetzgeber in § 33 I WpÜG zu bewältigen hatte. Wie bereits oben dargetan, hat er sich zwar grundsätzlich für ein strenges Verhinderungsverbot in § 33 I S. 1 WpÜG entschieden, den Organen der Zielgesellschaft jedoch mit § 33 I S. 1 Var. 1 und Var. 3 WpÜG weitgehende Ausnahmetatbestände eingeräumt. So zeigt § 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG, dass weder die Aktionäre, noch der Bieter einen Anspruch darauf haben, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen ab Angebotsabgabe „einfriert“, sondern dass sie mit einer Fortführung der Geschäfte rechnen müssen, auch wenn es hierdurch zu Veränderungen des Unternehmenswerts und damit des Äquivalenzverhältnisses ihrer Transaktion kommen mag. Andererseits hat der Gesetzgeber versucht, durch die Einschaltung des Aufsichtsrats das agency problem zwischen Vorstand und den Aktionären der Zielgesellschaft zu verringern, sich mithin für ein trusteeship 101 entschieden. Der Bieter muss es gemäß § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG zudem hinnehmen, dass der Vorstand die Stellung der Aktionäre durch die Suche nach konkurrierenden Bietern weiter verbessert, mithin das agency problem zwischen Aktionären und Bieter mindert. Vergegenwärtigt man sich nun noch einmal die von Schmidt-Preuß entwickelte multipolare Konfliktschlichtungsdefinition, wonach eine Ordnungsnorm kollidierende Privatinteressen in ihrer Gegensätzlichkeit und Verflochtenheit werten und in ein normatives Konfliktschlichtungsprogramm einordnen muss 102 so besteht kein Zweifel daran, dass der Gesetzgeber mit § 33 I S. 1 und 2 WpÜG eine multipolare Konfliktschlichtungsformel zwischen Aktionären der Zielgesellschaft, deren Leitungsorganen und dem Bieter geschaffen hat. Nach dieser Erkenntnis fügt sich auch die nach Erlass der Übernahmerichtlinie in das Gesetz aufgenommene Regelung des § 33a 101 So Davies / Hopt, in: Kraakman et. al., Anatomy of Corporate Law, S. 169, die aber auch die fragwürdige Effektivität dieser Lösung erkennen: „depends heavily on the ability of the supervisory board to play a genuinely independent role“. 102 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 630.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
WpÜG nahtlos ein. Hierdurch stellt der Gesetzgeber schlichtweg im Rahmen des Optionsmodells ein alternatives Konfliktschlichtungsprogramm bereit. Dort sind zwar die selben Interessenträger beteiligt, die Konfliktlage wird aber anders aufgelöst, weil dem Vorstand weniger Geschäftsführungsmaßnahmen erlaubt sind und überdies der Aufsichtsrat keine erweiterten Befugnisse schaffen kann. Parallelbetrachtung des Kartellrechts
Was abschließend eine Parallelbetrachtung der kartellrechtlichen Diskussion anbelangt, so ist festzustellen, dass der Gesetzgeber mit § 48 WpÜG zwar die Regelung der Kartellbeschwerde für das WpÜG übernehmen wollte, sich jedoch die Rechtsschutzproblematik im Kartell- und Kapitalmarktrecht sehr unterschiedlich stellt. So ist im GWB – etwa bei der Zusammenschlusskontrolle – stets die Anfechtungsbeschwerde der Rechtsbehelf der ersten Wahl, weil die Kartellbehörde im Hauptprüfverfahren durch Verfügung entscheidet, ob sie den angemeldeten Zusammenschluss untersagt oder freigibt (§ 40 II S. 1 GWB). Für etwaige Drittbetroffene existiert damit stets eine Verfügung als tauglicher Anfechtungsgegenstand. In kapitalmarktrechtlichen Übernahmesituationen muss die BaFin jedoch nicht zwingend eine Verfügung erlassen. Mangels Anfechtungsgegenstands müssten sich die Transaktionsteilnehmer daher gegen rechtswidriges Verhalten der Organe der Zielgesellschaft stets mit einer Verpflichtungsbeschwerde an die BaFin wenden. Man kann daher nicht die Maßstäbe der kartellrechtlichen Verpflichtungsbeschwerde unmodifiziert auf das WpÜG übertragen, weil diesem Rechtsbehelf jeweils eine gänzlich unterschiedliche Funktion und Bedeutung zukommt. 103 Zudem ist im Kartellrecht eine Umgrenzung des betroffenen Personenkreises nicht so klar möglich wie bei einer Kapitalmarkttransaktion. In letzterer gibt es nämlich nicht die im Kartellrecht übliche unüberschaubare Vielzahl der „Markteilnehmer“, die von rechtswidrigem Verhalten in ihren Markt- und Absatzchancen beeinträchtigt sein könnten (noch undeutlicher ist der Kreis der Betroffenen bei wettbewerbswidrigem Verhalten). Die beteiligten Personen lassen sich bei einem Übernahmeverfahren vielmehr leicht identifizieren. So ist der Bieter gemäß § 11 I, II S. 1 Nr. 1 WpÜG zu einer klaren Identifizierung verpflichtet und die Adressaten der Offerte lassen sich in Gestalt des Aktionärskreises klar bestimmen und bei Namensaktien durch Hinzunahme des Aktionärsregisters sogar namentlich identifizieren. e) Zwischenergebnis Sowohl die Aktionäre der Zielgesellschaft, als auch der Bieter müssen mit sekundären subjektiven Rechten ausgestatten sein, um die Einhaltung des gesetzlichen 103 Die Frage, ob die Rezipierung des Systems der Kartellbeschwerde im WpÜG angesichts dieses Systemunterschieds überzeugend war, soll hier nicht weiter untersucht werden.
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Konfliktschlichtungsprogramms gegenüber den übrigen Beteiligten durchsetzen zu können. Wegen der kapitalmarktrechtlichen Anknüpfung kommt es nicht zu der unlogischen Situation, in der die h.M. den Bieter nur als klagebefugt ansieht, wenn er bereits Aktien an der Zielgesellschaft hält, obwohl es ihm nicht um die Ausübung mitgliedschaftlicher Befugnisse geht, sondern um den (Zu-)Erwerb von Anteilen. Konkret bedeutet dies, dass der Bieter zwar die Beschränkungen seiner Position durch die Ausnahmetatbestände des § 33 I S. 2 WpÜG hinzunehmen hat, er aber als Kompensation durchsetzen kann, dass der Vorstand ohne Aufsichtsratsbeteiligung keine Maßnahmen mit Abwehreignung außerhalb des erlaubten Geschäftsgangs (§ 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG) durchführt bzw. den Rahmen des § 33a WpÜG einhält. 6. Inhalt der subjektiven Rechtsstellung Nachdem die zweifache Selektionsaufgabe ergeben hat, dass § 33 I WpÜG effektiv nur mittels sekundärer subjektiver Rechte durchgesetzt werden kann und hierfür die Aktionäre der Zielgesellschaft und der Bieter berufen sind, stellt sich als abschließendes Problem die Klärung des Verhältnisses von subjektiv zivil- und öffentlichrechtlichem Schutz. Diese Frage betrifft nicht mehr das „rechtserhebliche Betroffensein“ im Rahmen der Selektion, sondern den Inhalt der zugewiesenen subjektivrechtlichen Stellung. a) Abgrenzung anhand der jeweiligen Definitionen Bei dem Versuch einer Abgrenzung durch vergleichende Betrachtung der Definitionen zum subjektiven öffentlichen Recht und dem zivilrechtlichen Schutzgesetz zeigt sich, dass die Definitionen im Kern identisch sind und daher eine Subsumtion des § 33 WpÜG unter die jeweiligen Formeln nicht zur Abgrenzung dienen kann. Nach der gängigen Schutznormtheorie richtet sich die Festlegung subjektiver öffentlicher Drittrechte danach, ob eine Rechtspflicht der Verwaltung besteht, die auch dem Schutz der Interessen einzelner zu dienen bestimmt ist. 104 Ergänzt man dies noch um die Ausführungen Bühlers, 105 der fragt, ob ein Gesetz „zugunsten bestimmter Personen oder Personenkreise“ erlassen ist, so wird die Parallelität zur Schutzgesetzdefinition im Rahmen des § 823 II BGB evident. 106 104
So die gängige Definition der Schutznormtheorie, vgl. nur Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 127 ff. und zu Kritikpunkten Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 186 ff., sowie Huber, Konkurrenzschutz, S. 100 ff. Für die vorliegende Untersuchung nicht weiterführend wäre eine dogmatische Aufarbeitung der Schutznormtheorie und abweichender Ansätze, die v. a. in der kartellrechtlichen Literatur von Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 123 ff. bzw. 165, Müller-Laube, Rechtsschutz, S. 14 ff., sowie K. Schmidt, Gerichtsschutz, S. 49 f. vorgeschlagen werden. 105 Bühler, Rechte, S. 21.
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Die im Kern gleichlautenden Definitionen führen daher nach Anwendung auf § 33 I WpÜG nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Letztlich ist ihr jeweiliger Aussagegehalt auf die Erkenntnis beschränkt, dass es gesetzliche Pflichten gibt, die subjektivrechtlich durchsetzbar sind, und solche, die es nicht sind. b) Rückgriff auf höherrangiges Recht Auch aus einer möglichen verfassungsrechtlichen oder europarechtlichen Einwirkung lässt sich keine klare inhaltliche Zuordnung der subjektiven Rechte zum öffentlich- oder zivilrechtlichen Bereich vornehmen. Bereits oben wurde erkannt, dass der Gesetzgeber seinen aus dem Untermaßverbot der Verfassung und der Übernahmerichtlinie folgenden Mindeststandards mit Schaffung des objektivrechtlichen § 33 I WpÜG und der Wertpapieraufsicht hinreichend nachgekommen ist. 107 Selbst wenn man dies anders sehen wollte, muss man aber anerkennen, dass hieraus jedenfalls nicht zwingend die Einräumung subjektiv öffentlicher Rechte folgt, sondern dass der Gesetzgeber seinen Verfassungsauftrag auch durch die Gewährung von subjektivrechtlich ausgestaltetem zivilrechtlichem Schutz erfüllen kann. Soweit keine eindeutige Anknüpfungsgrundlage im Gesetz besteht, wären daher die Gerichte berufen, die inhaltliche Zuordnung des Rechtsschutzes vorzunehmen. c) Zuordnung des § 33 I WpÜG zum öffentlich- oder zivilrechtlichen Bereich Die Untersuchung der grundlegenden Arbeiten zum subjektiven öffentlichen Recht, wie auch zur Schutzgesetzproblematik hat ergeben, dass es für die Bestimmung sekundärer subjektiver Rechte maßgeblich auf die gesetzliche Regelung ankommt, welche die kollidierenden Privatinteressen zum Ausgleich bringt. Dies hat Schmidt-Preuß mit der Figur des normativen multipolaren Konflikschlichtungsprogramms 108 für das Verwaltungsrecht herausgestellt, und auch K. Schmidt hat die Abhängigkeit des subjektiven Rechts im Zivilrecht von der „objektivrechtlich verpflichtenden Norm“ 109 zum Ausdruck gebracht, was auch erklärt, warum nicht eine absolut geschützte „primäre“ Rechtsposition, sondern ein sekundäres subjektives Recht bei § 823 II BGB der richtige Anknüpfungspunkt ist. Die inhaltliche Kategorisierung des Rechtsschutzes erhellen könnte deswegen die dogmatische Zuordnung des § 33 I WpÜG zum öffentlich- oder zivilrechtlichen Bereich. Diese Problemstellung scheint jedoch bereits deshalb schwierig zu sein, weil es sich bei 106 Siehe oben S. 52 f. und zu dieser Übereinstimmung auch K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 433. 107 Vgl. oben S. 71. 108 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 6. 109 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 433 f.
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§ 33 WpÜG um eine hinsichtlich Regelungsgegenstand und -zweck recht unklare Norm handelt, die überdies im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erheblichen Wandlungen unterworfen war und daher keine klare dogmatische Struktur mehr erkennen lässt. 110 Die Gesetzesmaterialien tragen nicht zu einer eindeutigen Zuordnung bei, wenn es einerseits heißt, das in § 33 WpÜG niedergelegte Verbot erfolgsverhindernder Maßnahmen sei bereits geltendes „Gesellschaftsrecht“, im gleichen Absatz aber als von § 33 I WpÜG Begünstigte einerseits die „Adressaten des Übernahmeangebots“, andererseits aber auch die „Aktionäre“ genannt werden, so dass keine klare Zuordnung zum Kapitalmarkt- oder Gesellschaftsrecht erfolgt. 111 Auch in der Literatur zeichnet sich kein eindeutiges Meinungsbild zu dieser Frage ab. So wird einerseits vertreten, dass es sich um eine gesellschaftsrechtliche Spezialvorschrift handele, die sich mit der verbandsinternen Ordnung von Organpflichten und -kompetenzen in der speziellen Übernahmesituation befasse. 112 Andererseits soll es § 33 WpÜG aber auch um die Bestimmung von Verhaltensstandards der Zielgesellschaft am Kapitalmarkt gehen, so dass die Norm als genuin kapitalmarktrechtliche Regelung dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. 113 Für die kapitalmarktrechtliche Einordnung spricht zunächst, dass § 33 WpÜG unbestritten dem Funktionenschutz dient, denn die Regelung schützt das Vertrauen der Anleger, als Adressaten eines Übernahmeangebots privatautonom über dessen Annahme oder Ablehnung entscheiden zu können (vgl. auch § 3 II WpÜG). Gegen die Annahme einer solchen kapitalmarktrechtlichen Regelung spricht freilich, dass sich das Verhinderungsverbot des § 33 I WpÜG ausschließlich an den Vorstand der Zielgesellschaft und nicht an diese selbst richtet. Andererseits wäre es zumindest verwunderlich, wenn der Gesetzgeber mit Schaffung der BaFin und ihrer Überwachungs-, sowie Bußgeldtatbestände die Einhaltung der verbandsinternen Kompetenz- und Pflichtenordnung der Zielgesellschaft zum öffentlichen Interesse (vgl. § 4 II WpÜG) erklärt hätte. 114 Daher kommt eine überwiegende Strömung in der Literatur 115 zu dem überzeugenden Schluss, dass § 33 I WpÜG neben seinem gesellschaftsrechtlichen Kern auch eine kapitalmarktrechtliche Aus110 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 12 führen dieses Phänomen auf „die Verschiebung der politischen Gewichte“ zurück, so dass § 33 nicht mehr „an einer einheitlichen Grundidee ausgerichtet“ werden könne. 111 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 57. 112 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn.; ferner auch (freilich eher zur eigenen Ergebniskorrektur) Schnorbus, ZHR 166 (2002), 72 (110). 113 Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 2; ambivalent insoweit Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 3, der § 33 WpÜG zwar eine Ergänzung des „allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichtenkanons“ beimisst, die Norm aber gleichzeitig als in ein „öffentlich-rechtliches Gewand gekleidet“ sieht. 114 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 51 qualifizieren den Bezug zu § 4 II WpÜG als „eine für kapitalmarktrechtliche Normen typische Konstruktion“.
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sage trifft. Dies spiegelt sich ebenfalls in der hiervon zwar zu trennenden, aber doch gleichlaufenden Frage wieder, ob die Adressaten des Übernahmeangebots durch unzulässige Abwehrmaßnahmen als Gesellschafter oder als Kapitalanleger betroffen sind, und führt gleichzeitig dazu, dass die Betrachtung der gesetzlichen Anknüpfungsnorm bei der Bestimmung der Rechtsnatur der hieraus folgenden subjektiven Rechte nicht weiterführt. d) Parallelbetrachtung des (Kartell-)Verwaltungsrechts Auch eine (erneute) Parallelbetrachtung vergleichbarer Rechtsgebiete vermag keine Zuordnungskriterien hervorzubringen. Es hat sich gezeigt, dass die Verwaltungsbehörde bei der kapitalmarktrechtlichen Übernahmesituation nicht zwingend durch Erlass einer obligatorischen Verfügung mitwirkt. Anders als im öffentlichen Baurecht mit der Baugenehmigung gemäß § 58 LBO BW und im Recht der Fusionskontrolle existiert daher kein Verwaltungsakt zur Einzelfallregelung, der ein tauglicher Gegenstand für präventiven Rechtsschutz sein könnte. Die Wertpapieraufsicht der BaFin spielt (jedenfalls in der hier interessierenden Konstellation) keine primäre Rolle, sondern fungiert in weiten Teilen nur als Missbrauchsaufsicht. Es existiert gerade kein präventives Übernahmeverbot mit Befreiungsvorbehalt, sondern ein freier Kapitalmarkt, der nur ein Einschreiten bei rechtswidrigem Verhalten der Marktteilnehmer erfordert. Schmidt-Preuß beschreibt diese Situation dergestalt, dass der Staat nicht die normative Rechtszuweisung durch konkret-individuelle Verwaltungsentscheidung umsetzen, sondern nur noch die Einhaltung des gesetzgeberischen Konfliktschlichtungsprogramms sicherstellen muss. 116 Die Situation ähnelt insoweit eher der Rechtslage bei Eingreifen des sog. Kenntnisgabeverfahrens im Baurecht, in dem keine Baugenehmigung erforderlich ist, sondern die Aufsichtsbehörde nur informiert werden muss und sodann bei Missständen eingreifen kann, §§ 49 I, 51 I LBO BW In der verwaltungsrechtlichen Literatur finden sich vermehrt Stimmen, die das Entfallen des mit Drittanfechtungsklage und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80 f. VwGO verbundenen präventiven Drittschutzes durch Einräumung einer erleichterten Klagebefugnis im Rahmen der Verpflichtungsklage gegen die Baurechtsbehörde zur Vornahme repressiver Aufsichtsmittel ausgleichen wollen. 117 Diese Frage kann hier aber ungeklärt bleiben, weil das Defizit an präventivem Drittschutz gegebenenfalls durch Zivilrechtsschutz ausgeglichen werden kann. 115 Schneider, AG 2002, 125 (127); Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 7, ebenso Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 51 und (bei diesem Verständnis) wohl auch Hirte in Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 3. 116 Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 134. 117 Vgl. (zum Antrag des Nachbarn auf Erlass einer auf § 47 I LBO BW zu stützenden Untersagungsanordnung) Schlotterbeck, in: Schlotterbeck / v. Arnim / Hager, LBO BW, § 59 Rn. 31, sowie Dürr, BauR B.-W., S. 154 (Rn. 309).
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e) Zweigleisiger Drittschutz? Die Doppelstellung des sowohl dem öffentlichen Recht als auch dem Zivilrecht zuzuordnenden § 33 I WpÜG und die inhaltlichen Parallelen bei Schutznormtheorie und Schutzgesetzdefinition könnten für ein Nebeneinander der beiden Rechtsschutzinstrumente sprechen. Umgekehrt formuliert stellt sich die Frage, ob nicht der durch § 33 I WpÜG subjektivrechtlich Geschützte zwischen privat- und öffentlichrechtlichem Drittschutz die Wahl haben sollte. Zwar wäre gerichtlicher Schutz aufgrund der Sonderzuweisung in § 48 IV WpÜG in jedem Fall in der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängig zu machen. Die beiden Rechtsschutzinstrumente unterscheiden sich aber bei der sachlichen Zuständigkeit, weil sich aus § 48 IV WpÜG ergibt, dass für sämtliche Verpflichtungsbegehren, die auf subjektive öffentliche Rechte gestützt werden, das OLG Frankfurt sachlich zuständig ist, während § 66 I WpÜG für „bürgerliche“ Streitigkeiten eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts, in dessen Bezirk die Zielgesellschaft ihren Sitz hat, begründet. Zudem besteht ein Unterschied in der Person des Verpflichtungsadressaten, mithin des Beklagten oder Antragsgegners. Wird ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht, so wären die rechtswidrig handelnden Organmitglieder und / oder die Zielgesellschaft 118 zu verklagen, während ein Verpflichtungsbegehren auf Einschreiten stets gegenüber der BaFin (vgl. § 52 WpÜG als Ausnahme vom Rechtsträgerprinzip) zu erheben wäre. Zur Beantwortung der Frage, ob nicht ein Nebeneinander von öffentlich- und zivilrechtlichem Drittschutz anzunehmen ist, könnte man zunächst die kartellrechtliche Parallelproblematik betrachten. Dort lehnte der Bundesgerichtshof bereits früh einen Gleichlauf von öffentlichrechtlichem und zivilrechtlichem Drittschutz mit der Begründung ab, ein subjektives öffentliches Recht sei nur anzuerkennen, wo Bedarf nach öffentlichrechtlichem Drittschutz bestehe und dies sei nicht der Fall, wenn der Betroffene gegen die Verletzung des GWB zivilrechtlich vorgehen könne. 119 Eine solche Argumentationslinie entspricht auch der Sichtweise des BVerwG zu den unterschiedlichsten Materien des Verwaltungsrechts, so etwa im Versicherungsaufsichts-, Wohnungsbindungs- oder auch Personenbeförderungsrecht, wo stets festgestellt wird, dass es einen „zweigleisigen Rechtsschutz“ zu vermeiden gelte und der Drittkläger seine Rechte vor den Zivilgerichten verfolgen könne. 120 Ungeachtet der inhaltlichen Beurteilung dieses Standpunkts vermag er jedenfalls methodisch einer kritischen Untersuchung nicht standzuhalten. So wurde bereits oben gezeigt, dass sich die Existenz subjektiver öffentlicher Rechte stets aus dem normativen Konflikschlichtungsprogramm der jeweiligen Ordnungsnorm 118 119 120
r. Sp.
Zu dieser Abgrenzungsproblematik vgl. unten S. 96. BGHZ 46, 168 (188) – Bauindustrie und BGH NJW 1968, 1723 (1724) – Fahrlehrer. Vgl. z. B. BVerwGE 72, 226 (231); 75, 147 (154 f.) und BVerwG DÖV 1980, 416
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ergeben muss. Es kann daher nicht darauf ankommen, ob der Kläger im Zivilrechtsweg bereits „angemessen“ geschützt ist. 121 Schmidt-Preuß betont demgemäß, dass die Existenz eines subjektiven öffentlichen Rechts nicht davon abhängen könne, ob das zuständige Verwaltungsgericht parallelen Zivilrechtsschutz für ausreichend hält. 122 Auch andere Stimmen in der Literatur weisen darauf hin, dass die Prämisse des BVerwG eines „verdoppelten“ Rechtsschutzes nicht zutreffe, weil es bereits an einer Identität der Streitgegestände fehle. 123 Festzuhalten ist nach allem, dass Bestand und Reichweite subjektiver öffentlicher Rechte unabhängig sind von den Möglichkeiten zivilrechtlicher Rechtsverfolgung. f) Gesetzliche Formenwahl im WpÜG Entscheidend gegen die Annahme zweigleisigen Rechtsschutzes spricht die Existenz des § 4 II WpÜG. Diese Norm fügt sich in die dogmatischen Prämissen dieser Arbeit als Regelung einer gesetzlichen Formenwahl zwischen subjektiv öffentlich- und zivilrechtlichem Rechtsschutz ein. Die Aussage von § 4 II WpÜG, wonach aus Existenz und Kompetenzen der BaFin keine subjektiven öffentlichen Rechte erwachsen sollen, ist als gesetzgeberischer Wille ernst zu nehmen 124 und nach den oben dargestellten Erkenntnissen dahingehend zu verstehen, dass eben kein öffentlich-, sondern allenfalls zivilrechtlicher Drittschutz besteht. Die Zuordnung von privatrechtlichem und öffentlichrechtlichem Drittschutz als Ausdruck einer gesetzlichen Formenwahl hat K. Schmidt bereits zum Kartelldeliktsrecht vorgenommen. 125 Während dieser insoweit Hinweise zugunsten des öffentlichrechtlichen Schutzes aus der Existenz von Bußgeld, Verbotsverfügung und Verwaltungszwang ziehen wollte, 126 steht für das Kapitalmarktrecht mit § 4 II WpÜG eine eindeutige und ausdrückliche Formenwahl des Gesetzgebers zur Verfügung. Die Kernaussage lautet daher bei diesem Verständnis: Es gibt keinen subjektiv öffentlichen Schutz unter (klageweise erzwungener) Einbeziehung der BaFin. Wenn und soweit das Erfordernis sekundärer subjektiver Rechte in der Übernahmesituation anerkannt wird, 127 folgt daraus, dass der subjektive Drittschutz auf dem Privatrechtsweg unmittelbar zwischen den jeweiligen Kapitalmarktteilnehmern geltend zu machen ist. Bei diesem Verständnis ist § 4 II WpÜG Ausdruck der 121
So aber BVerwGE 72, 226 (230). Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 121. 123 Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 96; Bartlsperger, DVBl. 1969, 265 (267); SchmidtPreuß, Privatinteressen, S. 122 m.w. N. in Fn. 191. 124 Zumal der Wille der Gesetzgebers auch nicht durch Einwirkungen höherrangigen Rechts überlagert wird, vgl. oben S. 67 ff. 125 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 598 f. „Korrelate der vom Gesetz gewählten Rechtstechnik“. 126 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 604. 127 Vgl. oben S. 72. 122
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Subsidiarität des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, wie er auch im Polizei- und Ordnungsrecht exisitert, so etwa in § 2 II PolG BW, wonach die Polizei nicht einzuschreiten hat, wenn der zu Schützende mit Unterstützung der Zivilgerichte für Abhilfe sorgen kann. Abzulehnen ist die in der Literatur vereinzelt geäußerte Vorstellung, bereits die Regelung des § 4 II WpÜG schließe die Existenz von zivilrechtlichen Schutzgesetzen im WpÜG aus, weil es ein Wertungswiderspruch wäre, die Verletzung ein und derselben Norm nach Öffentlichem Recht und Privatrecht unterschiedlich zu beurteilen. 128 Zwar scheint eine solche Argumentation wegen der bereits oben gezeigten Ähnlichkeit zwischen der Schutznormtheorie und den Maßstäben zur Bestimmung der Schutzgesetzqualität nicht abwegig. Sie verkennt aber zum einen, dass die Schutznormtheorie bei der Ablehnung des subjektiv öffentlichen Drittschutzes wegen des pauschalen Ausschlusses durch den Gesetzgeber in § 4 II WpÜG gar nicht zur Anwendung kommt und daher auch keine negative Aussage über einzelne Normen trifft. Zum anderen übersieht eine solche Argumentation die unterschiedliche Zielrichtung von Privatrecht und öffentlichem Recht. Der Ausschluss subjektiv öffentlicher Rechte ist in aller Regel und so auch in § 4 II WpÜG darauf gerichtet, Amtshaftungsansprüche gegen Verwaltungsträger, sowie verfahrensbehindernde Klagen Dritter auszuschließen. 129 Es mag daher zwar konsequent sein, das Merkmal der „Drittgerichtetheit“ der Amtspflicht bei § 839 BGB inhaltsgleich mit der Klagebefugnis gemäß § 42 II VwGO auszugestalten, weil die öffentliche Hand ansonsten gemäß Art. 34 GG doch in die Haftung geriete. Darin zeigt sich aber auch der entscheidende Unterschied zu § 823 II BGB, weil die sich dort ergebende Haftung stets nur zu Ansprüchen zwischen Privatpersonen führt. 130 Dass auch der Gesetzgeber eine zwingende Konnexität zwischen subjektiv zivil- und öffentlichem Drittschutz ablehnt, zeigt sich beispielhaft an der Regelung des § 15 VI WpHG zur Ad hoc-Publizität. Obwohl die BaFin auch in diesem Bereich ausdrücklich nur im öffentlichen Interesse tätig wird, 131 hat der Gesetzgeber die fehlende Schutzgesetzqualität des § 15 WpHG ausdrücklich klargestellt und seinen Willen hierzu mehrfach kundgetan. 132 Diese Klarstellung wäre im Hinblick auf § 823 II BGB überflüssig gewesen, wenn mit dem Ausschluss einer öffentlich-rechtlichen Drittschutzwirkung bereits feststünde, dass der Norm auch die Eigenschaft als Schutzgesetz fehlt. Der Ausschluss subjektiv öffentlicher 128
So Berding, Der Konzern 2004, S. 771 (777); Oechsler, in: Ehricke / Ekkenga / Oechseler, WpÜG, § 4 Rn. 9; Schnorbus, WM 2003, 657 (663). 129 Vgl. hierzu die Ausführungen bei Simon, Rechtsschutz bei § 35 WpÜG, S. 249 f. 130 Zu diesem Zusammenhang Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht. S. 118 ff. 131 Vgl. § 4 II WpHG a.F. bzw. nunmehr § 4 IV FinDAG. 132 Vgl. die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz (Bericht des Finanzausschusses), BT-Drucks. 12/7918, S. 102 und in den Gesetzesmaterialien zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 87.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Rechte in § 4 II WpÜG ist deshalb richtigerweise als gesetzliche Formenwahl und nicht als Ausschluss jeglicher (sekundärer) subjektiver Rechte zu verstehen. 133 g) Korrektur wegen Überlegenheit der Wirtschaftsaufsicht? Zu erwägen wäre allenfalls, die gesetzliche Formenwahl wegen einer Überlegenheit des öffentlichrechtlichen Drittschutzes zu korrigieren. Aufschluss hierüber kann nur eine inhaltliche Analyse des jeweiligen Rechtsschutzinstruments geben. Ein deutlicher Vorteil des Rechtsschutzes unter Einbeziehung der BaFin ist die erleichterte Sachverhaltsaufklärung und Informationsbeschaffung unter Benutzung ihrer umfangreichen Ermittlungs- und Informationserhebungskompetenzen. 134 Letztere scheint als neutrale Zwischeninstanz zur Entlastung der Gerichte beizutragen und nimmt den beteiligten Transaktionsteilnehmern in erheblichem Maße die Darlegungs- und Beweislast ab. Dieses Argument muss indessen in mehrfacher Hinsicht relativiert werden. So können die Transaktionsteilnehmer nur dann von den Ermittlungsbefugnissen der BaFin profitieren, wenn diese freiwillig zur Informationserhebung bereit ist. Verweigert die BaFin unter Berufung auf ihren Ermessensspielraum (u.U. rechtswidrig) die Aufnahme von Ermittlungen, so wären die Kapitalanleger darauf angewiesen, die BaFin mit gerichtlicher Hilfe zum Tätigwerden zu zwingen. 135 Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass ein subjektives öffentliches Recht lediglich die Vornahme von konkreten Eingriffsmaßnahmen zum Inhalt haben kann, nicht aber dem vorausgehend schon die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erzwungen werden kann. 136 An dieser vorgelagerten Aufsichtstätigkeit kann sich der zu schützende Dritte damit nur im Wege der formlosen Anregung beteiligen. Die sekundären 133
So im Ergebnis auch Ihrig, ZHR 167 (2003), 315 (338); Mülbert / Schneider, WM 2003, 2301 (2308); Seibt, in: Henze / Hoffmann-Becking, S. 337 (351), ders. in ZIP 2003, 1865 (1868) und Simon, Rechtsschutz bei § 35 WpÜG, S. 250 f. 134 Vgl. hierzu die Darstellung auf S. 62. 135 Dies war in der Vergangenheit durchweg zum Scheitern verurteilt. So hat nicht nur die BaFin sämtliche an sie gerichteten Akteneinsichtsbegehren, Hinzuziehungsansprüche, sowie Widerspruchs- und Antragsbefugnisse verneint, sondern wurde in ihrer Ansicht auch vom Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des OLG Frankfurt (soweit Rechtsmittel eingelegt wurden) bestätigt; vgl. nur die Fälle „Berliner Effektengesellschaft“ (Akteneinsicht), OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 1194 ff.; „Pro Sieben“ (Hinzuziehung), OLG Frankfurt, ZIP 2003, 1297 ff.; „Wella AG“ (Verpflichtungsbegehren), OLG Frankfurt, ZIP 2003, 1251 ff. und BVerfG DB 2004, 1305 ff., sowie „MobilCom“ (Widerspruchsbefugnis – kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der BaFin eingelegt), vgl. hierzu FAZ v. 03. 08. 2002, S. 10 und die Stellungnahme der BaFin, abgedr. bei Seibt, in: Henze / Hoffmann-Becking, S. 345. 136 Für das Kartellrecht so auch K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 608: „Der praktische Vorzug dieser Autorität, die schon die ermittelnde Tätigkeit der Kartellbehörde genießt, und die effektive Vorverlagerung des Drittschutzes aber lassen sich nicht in ein subjektives öffentliches Recht transponieren.“
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subjektiven Drittrechte nach privatem und öffentlichen Recht sind damit hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gleichwertig, weil der Antragsteller stets die (abgemilderte) Darlegungslast des einstweiligen Rechtsschutzes 137 trägt. Beide Instrumente räumen dem rechtserheblich Betroffenen die Befugnis ein, gesetzliche Verbote in seinem Interesse durchzusetzen. Rechtstechnisch wurde bereits oben die praktische Dominanz dieser Verbotsdurchsetzung mit Hilfe des einstweiligen Rechtsschutzes dargetan, sei es der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch mittels einstweiliger Verfügung oder das öffentlichrechtliche Verpflichtungsbegehren mit Hilfe einer einstweiligen Verpflichtungsanordnung gegenüber der BaFin gemäß § 123 I VwGO. Das praktische Bedürfnis nach raschem gerichtlichen Rechtsschutz und die daraus folgende Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzes bringen verschiedene Folgerungen für das öffentlichrechtliche Rechtsschutzinstrument mit sich. So sind zunächst Zweifel an der praktischen Überlegenheit des öffentlichrechtlichen Schutzintruments angebracht, weil der Rechtssuchende hier auf eine Durchsetzung gleichsam „übers Eck“ angewiesen ist, denn er muss zunächst im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine gerichtliche Anordnung an die BaFin erwirken, welche diese zum Erlass einer Verfügung zwingt. Erst in einem zweiten Schritt wird die BaFin dann im Verhältnis zur Zielgesellschaft aktiv, indem sie die erzwungene Verfügung erlässt und gegebenenfalls vollstreckt. Die hiermit verbundene Impraktikabilität und die Gefahr der Rechtsvereitelung infolge unaufhaltsamen Zeitablaufs sind evident. Hält der Adressat die Verfügung der Wertpapieraufsicht für rechtswidrig, so kommt es zudem zu einem weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Man kann also nicht behaupten, die Einschaltung der BaFin führe zu einer Entlastung der Gerichte, zumal hierdurch stets das OLG Frankfurt berufen wäre und nicht ein Landgericht mit erwartungsgemäß höherer personeller Kapazität. Die Rechtsdurchsetzung im Dreiecksverhältnis hat aber auch eine weitere Folge, die erhebliche Unterschiede der beiden Rechtsschutzsysteme mit sich bringt. Wie gesehen ist der effektive Schutz vor Popularklagen wichtiger Bestandteil bei der Bestimmung des Umfangs sekundärer subjektiver Rechte. Dieser Schutz lässt sich einerseits durch die präzise Bestimmung des aktivlegitimierten Personenkreises erzielen und andererseits durch die verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht des § 945 ZPO, wobei vor allem letzteres eine Lähmung des Tagesgeschäfts der Zielgesellschaft verhindern soll. Zwar könnte man meinen, insoweit ergäben sich keine Unterschiede zwischen dem öffentlich- und zivilrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz, weil § 123 III VwGO auch für den Fall der einstweiligen Anordnung auf § 945 ZPO verweist und daher das Schadensersatzrisiko des Antragstellers in das verwaltungsgerichtliche Verfahren aufnimmt. Es ist aber auch hier wieder die Besonderheit der öffentlichrechtlichen Durchsetzung im Dreieck 137
Glaubhaftmachung, vgl. zu diesem Maßstab unten S. 98.
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zu beachten. § 945 ZPO ist zugeschnitten auf das Zweipersonenverhältnis im Zivilprozess. Der zum Schadensersatz berechtigte „Gegner“ ist der Antragsgegner der einstweiligen Verfügung. In der verwaltungsgerichtlichen Dreipersonenkonstellationen ist Antragsgegner insoweit stets die Behörde. Dieser entsteht durch die Anordnung jedoch in aller Regel kein Schaden, zumal sie bei gerichtlichen Verpflichtungsanordnungen mangels Verschuldens keinen Amtshaftungsansprüchen des Verfügungsadressaten ausgesetzt sein wird. 138 Die oben 139 dargestellte Regulierungswirkung des § 945 ZPO hinsichtlich drohender Popularklagen läuft daher bei einstweiligen Anordnungen nach § 123 VwGO in aller Regel leer. Es entspricht überdies der ganz herrschenden Ansicht in der verwaltungsrechtlichen Literatur, dass der eindeutige Wortlaut der Norm keine Rechtsgrundlage für einen Ersatzanspruch von beteiligten oder zu beteiligenden Dritten begründet. 140 Auch die Rechtsprechung geht streng formal davon aus, dass schadensersatzberechtigt nach § 945 ZPO ausschließlich der Antragsgegner, also die Behörde sein kann, weil selbst in Fällen der Drittbeteiligung die einstweilige Anordnung nicht gegen die beigeladenen Mitberwerber, Nachbarn o.ä. gerichtet ist, sondern ausschließlich die Behörde verpflichtet wird. 141 Schließlich wird eine analoge Anwendung des § 945 ZPO abgelehnt, weil es ansonsten zu Wertungswidersprüchen im Verhältnis zu § 80a VwGO kommen würde, der selbst in den typischen Fällen der Drittbetroffenheit keine Schadensersatzansprüche der Beigeladenen vorsieht. Der Bundesgerichtshof betont zudem, dass eine Ausdehnung des Bereichs möglicher „Gegner“ über den Gesetzeswortlaut hinaus zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führte, weil es für den nach § 945 ZPO schadensersatzpflichtig werdenden Antragsteller nicht mehr möglich wäre, den Kreis potentieller (weil später beigelandenen) Anspruchsteller zu überschauen und sein Risiko abzuschätzen. 142
7. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Die Ausführungen zur ersten Selektionsaufgabe haben ergeben, dass § 33 I WpÜG eine subjektivrechtlich durchsetzungsbedürftige Norm ist. Danach wurde die Folgefrage des durchsetzungsbefugten Personenkreises untersucht, wobei sich 138 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 85, sowie Redecker / von Oertzen, VwGO, § 123 Rn. 35, die daher auch feststellen, der Schadensersatzanpruch sei „im Verwaltungsprozess ohne nennenswerte Bedeutung“. 139 Vgl. oben S. 74 ff. 140 Kopp / Schenke, VwGO, § 123 Rn. 44; Kröninger / Wahrendorf, in: NomosKommentar VwGO, § 123 Rn. 56; Funke-Kaiser, in: Bader / Kaiser / Kuntze et.al., VwGO, § 123 Rn. 78; Redecker / von Oertzen, VwGO, § 123 Rn. 35; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 85. 141 BGH NJW 1981, 349 (350). 142 BGH NJW 1981, 349 (350): „Dadurch könnte er (der Antragsteller) in seiner Rechtsverfolgung unangemessen behindert werden.“ (Anm. in Klammern durch den Verf.).
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vor allem die methodischen Grundlagen aus der Arbeit von Schmidt-Preuß als hilfreich erwiesen haben. Die Analyse des § 33 I WpÜG als normatives Konfliktschlichtungsprogramm hat die Einbeziehung des Bieters in den klagebefugten Personenkreis fundieren können. Das Risiko von Popularklagen lässt sich daneben auch durch Instrumente wie etwa § 945 ZPO begrenzen. Die dritte und abschließende Frage nach dem genauen Inhalt der subjektiven Rechtsstellung, bzw. genauer: deren Zuordnung zum öffentlichen oder zivilrechtlichen Bereich konnte durch Einbeziehung des § 4 II WpÜG als gesetzliche Formenwahl in Richtung des Zivilrechts beantwortet werden. Auch ist deutlich geworden, dass das sekundäre subjektive Recht des Bieters im zivilrechtlichen Gewand auszugestalten ist. Diese Grundlagen dienen als ungleich stabileres Fundament bei der Beantwortung der Schutzgesetzeigenschaft des § 33 I WpÜG als „sieben Kriterien“, „acht Regeln“ oder die entsprechende Heranziehung von Aussagen der Rechtsprechung zur Schutzgesetzqualifikation von allerlei anderen Normen. Verletzt der Vorstand der Zielgesellschaft das Verhinderungsverbot gemäß § 33 I S. 1 WpÜG, mithin die Regelung des „Ob“ seiner Handlungsbefugnisse in Ansehung des Übernahmeangebots, so kann der Bieter auf der Basis der §§ 823 II, 1004 (analog) BGB iVm § 33 I S. 1 WpÜG reagieren. Die genaue rechtspraktische Ausgestaltung soll im Folgenden 143 (nach einem Exkurs zu alternativen Anspruchsgrundlagen) erörtert werden. 8. Exkurs: Alternative Anspruchsgrundlagen Verhaltenspflichten aus mitgliedschaftlicher und vorauswirkender Treuepflicht
Als Alternative zu der subjektiv-rechtlichen Ausgestaltung von kapitalmarktspezifischen Verhaltenspflichten im Rahmen von deliktsrechtlich relevanten Schutzgesetzen verbleibt die Möglichkeit der Entwicklung von Verhaltensanforderungen, die „auf die Begründung der Mitgliedschaft“ bezogen sind. 144 Historisch fundiert wird der letztgenannte Weg über das seit jeher bestehende institutionelle Schwanken des Rechtsinstituts der c.i.c. zwischen Quasidelikts- und Quasivertragsrecht, wobei der historische Ausgangspunkt mit der Vorstellung der werdenden Vertrags dem Quasivertragsrecht näher steht. 145 Die über die üblichen vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflichten hinausgehenden spezifisch kapitalmarktrechtlichen Verhaltenspflichten lassen sich aber mit der quasivertraglichen Vorstellung der c.i.c. nur schwer vereinbaren. Gerade der nicht oder nur gering beteiligte Bieter lässt sich nur mittels inter omnes geltenden kapitalmarktrechtlichen Pflich143
Vgl. unten S. 95 ff. Vgl. hierzu Assmann / Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 74 ff. 145 Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, S. 377 und (zur Vorstellung des „werdenden Vertrags“) S. 230 ff. Zur Theorie quasi-vertraglicher Verpflichtung vgl. v. a. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 97 ff. 144
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ten in eine dogmatische Rechte- und Pflichtenbindung einbinden. Dann liegt es aber auf der Hand, eine deliktische Anknüpfung auf der Grundlage des § 33 WpÜG als Schutzgesetz vorzunehmen. Ein wenig überzeugender Umweg wäre allenfalls die Konstruktion sog. vormitgliedschaftlicher Treubindungen. Derartige Treuepflichten orientieren sich nicht an der derzeitigen (Noch-)Nichtbeteiligung oder (als mitgliedschaftliche) an der derzeitigen (noch) geringen Beteiligung, sondern an dem angestrebten künftigen Mitgliedschaftsstatus. 146 Mit der Normierung des WpÜG ist ein solcher Umweg auch nicht mehr erforderlich. Es besteht nun nicht mehr die Schwierigkeit, die zwar originär deliktsrechtlichen aber ungeschriebenen kapitalmarktrechtlichen Pflichten subjektivrechtlich umzusetzen. Mit der Möglichkeit der Schutzgesetzbejahung besteht eine deutlich fundiertere Anknüpfungsmöglichkeit als es die Einbeziehung in vormitgliedschaftliche Verkehrspflichten je erlaubt hätte, zumal es in diesem Fall zumeist an einer Rechtsgutsverletzung gemäß § 823 I BGB fehlen würde. Der Schutz des primären Vermögens kann nunmehr deliktsrechtlich über § 823 II BGB iVm § 33 I WpÜG erfolgen, ohne dass es eines quasivertraglichen Ausflugs in den Anwendungsbereich der c.i.c. bedarf. Letztlich ist die Konstruktion sog. vormitgliedschaftlicher Treuepflichten ähnlich wie die Annahme deliktischer Verkehrspflichten nicht mehr als ein (rechtspolitisch umstrittenes) Postulat ohne gesetzliche Anknüpfung. Im Rahmen der c.i.c. ist hierbei umso mehr Zurückhaltung geboten, weil diese auch den Ersatz primärer Vermögensschäden erfasst, mithin deutlich weitergehende Rechtsfolgen enthält als die Annahme deliktischer Verkehrspflichten bei mittelbaren Verletzungshandlungen im Rahmen des § 823 I BGB. Einbeziehung des Bieters in eine zivilrechtliche Sonderrechtsbeziehung
Eine weitere theoretische Möglichkeit ist die Einbindung des Bieters in eine Sonderrechtsbeziehung zum Vorstand. Hierbei sind zwei Varianten denkbar: 1. Anknüpfung auf der Grundlage des Anstellungsvertrags zwischen Vorstand und Gesellschaft; hier müsste eine Erweiterung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter erfolgen. Selbst wenn man die tatbestandliche Unschärfe dieser Lösung vernachlässigen wollte, ließen sich aber allenfalls die Aktionäre der Zielgesellschaft als Angebotsadressaten erfassen. Eine Einbeziehung sämtlicher (zunächst unbekannter) Teilnehmer einer Kapitalmarkttransaktion, deren Gegenstand Aktien der Gesellschaft sind, erscheint kühn, zumal der Bieter unabhängig von seiner Mitgliedschaftsstellung erfasst werden müsste. 2. Anknüpfung an die Sonderrechtsbeziehung zwischen Bieter und Angebotsadressaten (zumindest Vertragsanbahnung i. S. d. § 311 II BGB). Man könnte dann in einem zweiten Schritt auch hinsichtlich der Rolle des Vorstands als trus146
Eingehend Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, S. 378.
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tee zumindest eine gesetzliche Sonderrechtsbeziehung aufgrund § 33 WpÜG konstruieren und die Ergebnisse fundieren durch Rückgriff auf ähnliche zivilrechtliche Regelungen, z. B. § 179 oder § 677 BGB, die im Rahmen eines gesetzlichen (vertragsähnlichen) Schuldverhältnisses Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 II BGB statuieren. Problematisch ist jedoch, dass sich solche sekundären Schutzpflichten nur auf das Integritätsinteresse beziehen werden, hier jedoch – wie gesehen – das Äquivalenzinteresse des Bieters betroffen sein wird. Beide Lösungsansätze können daher nicht überzeugend begründet werden und würden letztlich zu ähnlichen gesetzesinakzessorischen Postulaten führen wir die Konstruktion über (vorwirkende) Treuepflichten oder deliktische Verkehrspflichten im Rahmen des § 823 I BGB. 9. Rechtspraktische Ausgestaltung Zuständigkeit
Die Untersuchung zum Inhalt des sekundären subjektiven Rechts ergab eine zivilrechtlich begründete Durchsetzungsbefugnis des Bieters. Jegliche Streitigkeiten über die Zulässigkeit von abwehrgeeigneten Vorstandshandlungen sind daher dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. 147 Damit ergibt sich die sachliche Zuständigkeit gemäß § 66 I S. 1 WpÜG, wonach „ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes“ die Landgerichte ausschließlich zuständig sind. § 66 I S. 3 WpÜG eröffnet zudem die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts, in dessen Bezirk die Zielgesellschaft ihren Sitz hat. Gemäß § 66 II WpÜG sind die Rechtsstreitigkeiten stets Handelssachen im Sinne der §§ 93 bis 114 GVG. § 937 ZPO erstreckt diese Zuständigkeitsregelung auch auf das einstweilige Verfügungsverfahren, weil für den Erlass der Verfügung grundsätzlich das Gericht der Hauptsache zuständig ist. Aktivlegitimation
Die Frage der Aktivlegitimation lässt sich eindeutig durch Rückgriff auf die zweite Selektionsaufgabe beantworten. Danach sind sowohl Bieter, als auch die Aktionäre der Zielgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Angebotsadressaten mit sekundären subjektiven Rechten zur Durchsetzung des § 33 I WpÜG ausgestattet. 148 Aus der Aktivlegitimation als Sachbefugnis ergibt sich die Prozessführungsbefugnis von Bieter und Angebotsadressaten. 149 147 Das WpÜG kennt noch weitere unmittelbare zivilrechtliche Ansprüche, so etwa § 12 Abs. 1 (Haftung des Bieters für fehlerhafte Angebotsunterlagen), § 13 Abs. 2 (Haftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Finanzierungsbestätigung), sowie § 38 (Verpflichtung des Bieters zu Zinszahlung im Fall eines unterlassenen Pflichtangebots). 148 Vgl. oben S. 76 ff.
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Passivlegitimation
Schwieriger zu klären ist die Frage nach der Passivlegitimation. In Betracht kommt die Zielgesellschaft und / oder der Vorstand (bzw. genauer: die einzelnen Vorstandsmitglieder). Für die mitgliedschaftlichen Klagerechte der Aktionäre gilt (nach ganz h.M.) stets eine Zurechnung und damit Passivlegitimation der Gesellschaft. 150 Fraglich ist, ob der Gesellschaft auch Verstöße gegen § 33 I WpÜG, mithin rechtswidrige Abwehrhandlungen des Vorstands zugerechnet werden können. Dies könnte man anzweifeln, weil § 33 I S. 1 WpÜG ausdrücklich ein Verbot an den Vorstand ausspricht („darf der Vorstand keine Handlungen vornehmen“). Zudem handelt es sich um ein Verbot, das auch zugunsten des Bieters wirkt, mithin einen außerhalb des eigentlichen gesellschaftlichen Binnenbereichs stehenden Dritten schützt. Andererseits wurde oben dargelegt, dass es sich bei § 33 I S. 1 WpÜG letztlich um eine übernahmespezifische Organpflichtenregelung handelt, mithin um eine lex specialis-Regelung zu § 93 AktG. Zudem werden auf gleicher Stufe neben dem Bieter auch die Aktionäre der Zielgesellschaft als Angebotsadressaten geschützt und der Bieter wendet sich gegen eine Geschäftsführungsmaßnahme der Zielgesellschaft. Es ist daher überzeugend, die allgemeine aktienrechtliche Zurechnung des Vorstandshandelns zur Gesellschaft auch in diesem Fall zu bejahen. 151 Zu beachten ist jedoch, dass durch die Zurechnung zur Gesellschaft nach § 31 BGB die persönliche Verantwortung der Organperson, die einen deliktisch geschützten Haftungstatbestand verwirklicht hat, nicht entfällt. 152 Der Bieter hat daher die Wahl, ob er nur den Vorstand, die Gesellschaft oder beide verklagt bzw. als Antragsgegner benennt. Wenn Röh meint, der Anspruch richte sich gemäß § 31 BGB nur gegen die Zielgesellschaft, so ist dies darauf zurückzuführen, dass er den Unterlassungsanspruch aus einem Eingriff in die Kompetenzen der Hauptversammlung herleitet. In diesem Fall ist die Beschränkung der Passivlegitimation auf die Gesellschaft dogmatisch nachvollziehbar, weil das Mitgliedschaftsverhältnis, das die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs bildet, nicht deliktisch, sondern nur verbandsinnenrechtlich geschützt ist. 153 Seine Ausführungen basieren aber auf der als verfehlt erkannten Qualifizierung des § 33 I WpÜG als Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung. 154 Aktivlegitimiert wäre der Bieter bei diesem Verständnis ohnehin nur als bestehender Aktionär der Zielgesellschaft. 149
Vgl. Hartmann, in: Baumbach et al., ZPO, Grdz. § 50 Rn. 21 ff. Vgl. oben S. 36; zur Zurechnung gem. § 31 BGB vgl. Weick, in: Staudinger Komm, BGB, § 31 Rn. 6 ff.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 5 ff. und Reuter, in: Münch Komm BGB, Bd. 1, Hbd. 1, § 31 Rn. 30 ff. 151 So auch Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 214, der auf die Parallelproblematik bei der Verletzung der Stellungnahmepflicht nach § 27 WpÜG hinweist. 152 Weick, in: Staudinger Komm, BGB, § 31 Rn. 49; Hefermehl / Spindler, in: Münch Komm AktG Bd. 3, § 93 Rn. 165 und BGH GRUR 1959, 428 (429). 153 Vgl. die Ausführungen von Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 77 und 197. 154 Vgl. hierzu die Ausführungen oben auf S. 44 ff. 150
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Vergegenwärtigen muss man sich indes die Auswirkungen der doppelten Passivlegitimation auf das Schadensersatzrisiko der jeweiligen Antragsteller gemäß § 945 ZPO. 155 Der Schutz vor missbräuchlichen Anträgen im einstweiligen Verfügungsverfahren durch diese Norm wirkt in unterschiedlicher Weise, je nach dem, gegen welche Antragsgegner die einstweilige Verfügung gerichtet ist. Belastet der Bieter die Gesellschaft mit einer unbegründeten Verfügung, so kann ihm der Schaden auferlegt werden, der durch die Nichtvornahme von Geschäftsführungsmaßnahmen infolge der einstweiligen Verfügung entstanden ist. Wird die Verfügung hingegen an den Vorstand gerichtet, so dürfte die drohende Schadensersatzhöhe gemäß § 945 ZPO geringer sein, weil dem Vorstand nur selten ein eigener Schaden entstanden sein wird. Er wird sich jedenfalls nicht gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen, wenn er Geschäftsführungsmaßnahmen unterlässt, die von der einstweiligen Verfügung erfasst sind und es hierdurch zu einer Schädigung der Gesellschaft kommt. Als eigener Schaden des Vorstands kommen aber entgangene Bonuszahlungen o.ä. in Betracht, wenn die einstweilige Verfügung eine profitable Geschäftschance der Gesellschaft vereitelt hat und der Anstellungsvertrag eine Erfolgsbeteiligung des Vorstands vorsieht. Der Bieter hat mithin die Wahl, ob er die einstweilige Verfügung nur gegen den Vorstand, die Gesellschaft oder gegen beide richtet. Die Hinzunahme der Gesellschaft dürfte den Vorteil haben, dass die rechtswidrige Abwehrmaßnahme nicht unter Umgehung der an bestimmte Vorstandsmitglieder gerichteten Verfügung durch andere (evtl. neu eingesetzte) Vorstandsmitglieder umgesetzt werden kann. Rechtsschutzform
Die Wahl der Rechtsschutzform richtet sich grundsätzlich nach dem Begehren des Rechtsschutzsuchenden. Hier ist zu differenzieren zwischen der ex ante- und ex post Rechtsdurchsetzung. Erfährt der Bieter im Vorfeld der Implementierung von einer geplanten abwehrgeeigneten Maßnahme des Vorstands, so wird der unaufhaltsame Zeitablauf und die angesichts der hektischen Situation des feindlichen Übernahmeangebots wahrscheinlich rasche Durchführung der Maßnahme in der Regel eine Rechtsdurchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren erforderlich machen. Der Antragsteller muss hierbei einerseits einen Antragsgrund vorbringen, mithin die besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft machen, §§ 936, 917 f. ZPO. Hierbei wird die Irreversibilität der geplanten Maßnahme des Vorstands eine wichtige Rolle spielen. Andererseits hat der Antragsteller das Bestehen eines Verfügungsanspruchs glaubhaft zu machen. Dieser ergibt sich nach den vorstehenden Ergebnissen aus § 1004 BGB (analog). Voraussetzung für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch ist die unmittelbar drohende Gefahr eines widerrechtlichen Eingriffs in ein durch § 823 I BGB geschütztes absolutes Rechtsgut oder einen Schutzgesetz155
Vgl. hierzu eingehend oben S. 74 ff.
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tatbestand im Sinne des § 823 II BGB. 156 Verschulden oder ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit sind nicht erforderlich. 157 Der Bieter muss daher eine ernstliche, auf Tatsachen gründende Besorgnis glaubhaft machen, dass der Vorstand in naher Zukunft gegen das Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG verstoßen wird. 158 Rechtspraktisch von entscheidender Bedeutung ist dabei die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Soweit der Antragsteller dabei vorzubringen hat, dass ein Verstoß gegen § 33 I S. 1 WpÜG droht, so ist der entscheidende Baustein der Beweislast bei § 33 I WpÜG dem Vorstand und damit (auch) der Gesellschaft als Antragsgegner zugewiesen. Der Bieter hat nämlich nur glaubhaft zu machen, dass der Tatbestand des Verhinderungsverbots gemäß § 33 I S. 1 WpÜG einschlägig ist. Es obliegt dann der Gesellschaft darzulegen, auf welcher Grundlage ein Ausnahmetatbestand eingreift, der die geplante Maßnahme auch in Ansehung des Übernahmeangebots noch erlaubt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Regelungstechnik des § 33 I S. 1 und S. 2 WpÜG („dies gilt nicht ...“). Begehrt der Bieter Schadensersatz in der ex post-Situation (also nach Fehlschlagen des Übernahmeangebots), so wird ihm die Beweisführung hinsichtlich der haftungsbegündenden Kausalität der unzulässigen Abwehrmaßnahme für das Fehlschlagen seines Übernahmeangebots sehr schwer fallen. 159 Der Bieter müsste nachweisen, dass sein Übernahmeangebot bei Hinwegdenken der unzulässigen Abwehrmaßnahme erfolgreich gewesen wäre. Scheitert das Angebot an einer vom Bieter selbst gewählten auflösenden Bedingung, so muss er dennoch nachweisen, dass die Aktionäre sein Angebot bei Hinwegdenken des Bedingungseintritts mit der erforderlichen Mehrheit angenommen hätten. Schwierig ist dies deshalb, weil ein Misserfolg des Angebots wegen Nichterreichens der vom Bieter zur Bedingung gemachten Beteiligungshöhe auch auf anderen Gründen (etwa der Unattraktivität des Angebots im Allgemeinen) beruhen kann. Jedenfalls wenn die Aktien sich mehrheitlich in Streubesitz befanden, wird es unmöglich sein, sämtliche (nicht namentlich bekannten) Angebotsadressaten als Zeugen über ihre hypothetische Verkaufsentscheidung zu befragen. Nur ausnahmsweise wird Beweis durch die Vernehmung von Großaktionären erhoben werden können. Darüber hinaus ergeben sich weitergehende Schwierigkeiten bei der Darlegung der haftungsausfüllenden Kausalität, mithin des konkret entstandenen Schadens, wobei dem Bieter hier § 287 ZPO eine Darlegungserleichterung verschaffen dürfte. 156
Medicus, in: Münch Komm, BGB, § 1004, Rn. 6; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004,
Rn. 4. 157 BGHZ 110, 313 (315 ff.); Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 13 und Sprau, in: Palandt, BGB, Einf. vor § 823, Rn. 19. 158 Zum Glaubhaftmachungsmaßstab im einstweiligen Verfügungsverfahren vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Vor § 916, Rn. 6 und allgemein Geimer / Greger, in: Zöller, ZPO, § 294 Rn. 1 ff., sowie Hartmann, in: Baumbach et al., ZPO, § 294 Rn. 3 ff. 159 Vgl. Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider (Hrsg.), § 33 WpÜG, Rn. 319.
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Begehren Aktionäre der Zielgesellschaft Schadensersatz wegen unzulässiger Abwehrmaßnahmen, so sind grundsätzlich nur Schäden ersatzfähig, die über den Schaden der Gesellschaft hinausgehen und daher nicht durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen auszugleichen sind (Doppelschaden). So belasten etwa die Kosten der Abwehrmaßnahmen das Gesellschaftsvermögen und stellen demgemäß einen nicht ersatzfähigen Reflexschaden der Aktionäre dar. 160Auch ein nach dem Scheitern eines Übernahmeversuchs eintretender Kursverlust ist nur dann erstattungsfähig, wenn der Aktionär gerade durch die Abwehrmaßnahme daran gehindert wurde, das Angebot des Bieters anzunehmen (z. B. weil das Angebot wegen Nichterreichens der zur Bedingung gemachten Annahmequote unwirksam wird). Der konkrete Schaden liegt in diesem Fall in der Differenz zwischen der vom Bieter angebotenen Gegenleistung (inklusive der üblichen Übernahmeprämie) und dem Verkehrswert der Aktien nach dem Scheitern des Übernahmeversuchs. 161 Abzustellen ist auf die Wertrelation zum Zeitpunkt der hypothetischen Realisierung des Veräußerungsgewinns, also auf den Tag, an dem der Kauf- bzw. Tauschvertrag zwischen Bieter und Aktionär gemäß den Bedingungen der Angebotsunterlage wirksam geworden wäre.
III. Rechtsschutz gegen pflichtwidrige Ermessensentscheidungen des Vorstands („Wie“) Wie oben 162 dargetan, bedeutet das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands gemäß § 33 I S. 2, II WpÜG und damit die Suspendierung des Verhinderungsverbots nicht, dass die Leitungsorgane bei Ausnutzung der Ausnahme keinerlei Pflichtenbindung unterliegen. Vor allem § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG (Vorstandshandlungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats) bietet den beteiligten Organen eine verlockende Plattform, um ihre gleichlaufenden Eigeninteressen an der Übernahmefrustration zu verwirklichen. Weil der Vorstand im Falle des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG gerade als Reaktion auf das Übernahmeangebots tätig werden darf, stellt sich die Frage, ob sein Entscheidungsspielraum angesichts der opportunistischen Interessenlage eingeschränkt oder jedenfalls einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden muss. 1. Pflichten der Organe der Zielgesellschaft Nach § 3 III WpÜG müssen die Organe der Zielgesellschaft während eines Angebotsverfahrens „im Interesse der Zielgesellschaft handeln“. Da sich dies 160 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider (Hrsg.), § 33 WpÜG, Rn. 320; Schlitt in Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 241. 161 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 211. 162 Vgl. hierzu S. 32 ff.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
ohnehin aus §§ 93, 116 AktG ergibt, ist Abs. 3 insoweit wohl nur als Klarstellung gedacht. 163 Deshalb gilt grundsätzlich, dass beiden Organen bei der Entscheidung über Abwehrmaßnahmen der weite Ermessensspielraum der business judgment rule (§ 93 I S. 2 AktG) eröffnet ist. Es ist jedoch für Vorstand und Aufsichtsrat gleichermaßen zu fragen, ob dies auch in der feindlichen Übernahmesituation gelten kann. a) Modifizierung der business judgment rule Welche Folgen die übernahmespezifischen Eigeninteressen der Organe der Zielgesellschaft auf deren Ermessensspielraum haben, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Es werden – soweit ersichtlich – vier Ansichten vertreten: − Eine strenge Ansicht lehnt wegen des evidenten Interessenkonflikts die Eröffnung eines richterlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraums im Sinne der business judgment rule zur Gänze ab und unterwirft die Handlungen der Verwaltung einer vollen richterlichen Zweckmäßigkeitskontrolle. 164 − Die (wenig vertretene) Gegenansicht will demgegenüber die Grundsätze der business judgment rule uneingeschränkt zulassen. 165 − Eine vermittelnde Meinung befürwortet zwar grundsätzlich eine Einschränkung der business judgment rule, lehnt aber eine generelle Verengung des Entscheidungsspielraums aufgrund einer typisierenden Betrachtung ab, und verlangt vielmehr den konkreten Nachweis eines Interessenskonflikts im Einzelfall. 166 − Die vorherrschende Strömung basiert auf der Prämisse, dass es einer Einschränkung der business judgment rule bedürfe und hierbei schon der typischerweise bestehende Interessenkonflikt ausreiche. Der Ermessensspielraum der Verwaltungsorgane wird danach insoweit modifiziert, als das eigentlich außerhalb der formalen Gesellschaftssphäre liegende Desinvestitionsinteresse der Aktionäre bei der Abwägung berücksichtigt werden muss. Um über dieses spezifische Aktionärsinteresse hinwegzugehen, wird ein „qualifiziertes“ Unternehmensinteresse an der Abwehr des Übernahmeversuchs verlangt. 167 163
So auch die Regierungsbegründung, vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 35. Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 58 f.; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 83; ders. ZGR 2002, 637 (642). 165 Grunewald, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 Rn. 72; von Nussbaum, Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 203. 166 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11), die als Beispiel für das Fehlen eines Eigeninteresses die baldige Zurruhesetzung von Organmitgliedern anführen. 167 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 160 f.; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 185; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178; im Hinblick auf das Erfordernis eines „qualifizierten“ Unternehmensinteresses auch Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11). 164
§ 3 Rechtsschutz bei Geltung des „klassischen“ Verhinderungsverbots
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Angesichts des offensichtlichen Eigeninteresses der beteiligten Verwaltungsorgane ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass die allgemeinen aktienrechtlichen Ermessensspielräume nicht unmodifiziert Anwendung finden können. Weil die beteiligten Organmitglieder typischerweise einem Interessenkonflikt ausgesetzt sind, ist hierbei eine generelle Einschränkung der business judgment rule überzeugender, zumal auch Rechtssicherheitsaspekte gegen eine konkrete Einzelfallbetrachtung sprechen. Rechtstechnischer Ausgangspunkt für die Bestimmung des Ermessensspielraums ist § 3 III WpÜG. 168 Die Norm verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat dazu, sämtliche post-bid-Maßnahmen am Interesse der Zielgesellschaft auszurichten. Das Gesellschaftsinteresse 169 bestimmt sich grundsätzlich nach aktienrechtlichen Maßstäben, denn der Gesetzgeber bezweckte mit § 3 III WpÜG lediglich eine Verzahnung von Kapitalmarkt- und Aktienrecht durch die Klarstellung, dass „die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichten (...) nicht suspendiert“ werden. 170 Das Gesellschaftsinteresse stellt nach überwiegender Auffassung eine Zusammenfassung der Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der sonstigen Gemeinwohlinteressen dar. 171 Anders als in angloamerikanischen Ländern üblich kann das Gesellschaftsinteresse somit nicht per se mit dem Aktionärsinteresse gleichgesetzt werden. 172 Wegen der unterschiedlichen Interessenlage innerhalb der Gruppe der Aktionäre wäre eine solche einheitli168
Versteegen, in: Kölner Komm WpÜG, § 3 Rn. 36. Terminologisch ist zwischen einem „Gesellschafts-“ und einem „Unternehmensinteresse“ zu unterscheiden. Die verschiedenen Begriffe sind unklar und werden in der wissenschaftlichen Diskussion bzw. von der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise in Fn. 3 bei Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 3 Rn. 31) meist nicht differenziert verwendet. Zwar mag es sein, dass die Interessen der Gesellschaft als juristischer Person und die Interessen des von dieser Rechtsperson getragenen Unternehmens nicht notwendig deckungsgleich sind. Eine Subjektsqualität des Unternehmens lässt sich jedoch nicht schlüssig herleiten, so dass von der Gesellschaft zu trennende Eigeninteressen des Unternehmens nicht begründbar sind. Wenn in der juristischen Literatur und in dieser Arbeit von einem „Unternehmensinteresse“ gesprochen wird, dann ist i. d. R. das Interesse des Unternehmensträgers gemeint und nicht ein dem „Unternehmen an sich“ verpflichtetes Verständnis. Entgegen der Kritik von Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 144 ff. ist der Begriff der Bindung an das „Unternehmensinteresse“ dennoch sinnvoll einsetzbar, nämlich als sprachliche Abkürzung dafür, dass die Leitungsorgane die in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen sachgerecht wahrzunehmen haben. 170 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 35. Wie Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 3 Rn. 31 richtig herausstellen, hat der Gesetzgeber daher mit § 3 III WpÜG weder einen neuen Verhaltensmaßstab eingeführt (so aber von Nußbaum, Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 189 u. 269, der eine Suspendierung der Interessen der Allgemeinheit erkennen will), noch inhaltlich Stellung bezüglich der aktienrechtlichen Unternehmensinteressen und ihrer Gewichtung untereinander genommen. Die Regierungsbegründung führt auf S. 35 lediglich aus, dass „die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und die Interessen der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen“ seien. 171 Vgl. statt aller Schüpppen, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 3 Rn. 16, sowie ausführlich Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 139 ff. 169
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
che Bevorzugung auch nur unter Zugrundelegung ihres gemeinsamen Nenners möglich. Diese Schnittstelle wird gemeinhin mit dem Begriff shareholder value bezeichnet, der eine „begriffliche Entkoppelung zwischen der kapitalmarktbezogenen Bewertung von Aktien und den individuellen Zeitpräferenzen einzelner Investoren“ 173 vornimmt. b) Anerkennung eines autonomen Gesellschaftsinteresses? Die Frage, ob über die Interessen der share- und stakeholder hinaus ein autonomes Gesellschaftsinteresse in Gestalt eines Rentabilitäts- und Bestandsinteresses anerkennenswert ist, soll hier nicht vertieft werden. Allgemein stellt sich die Gefahr, die juristische Person infolge ideologischer Vorstellungen zu überhöhen und vom Willen und den Interessen ihrer Verbandsmitglieder abzukoppeln. 174 Im kapitalmarktspezifischen Zusammenhang ist die Anerkennung eines originären Gesellschaftsinteresses eine Möglichkeit, den Ermessensspielraum des Vorstands bei der Abwehr feindlicher Übernahmeversuche entsprechend großzügig auszugestalten. Die Berücksichtigung eines autonomen Gesellschaftsinteresses räumt den handelnden Organen nämlich eine weite Definitionsmacht und damit die Möglichkeit ein, ihr Eigeninteresse an der Abwehr des Übernahmeangebots unter Berufung auf ein rechtlich kaum zu fassendes Gesellschaftsinteresse zu kaschieren. 175 Zu einer Anerkennung des Gesellschaftsinteresses werden daher vor allem jene neigen, die Übernahmen als wirtschaftlich schädlich oder ineffizient ansehen. Wer Übernahmen hingegen gesamtwirtschaftliche Vorteile zuspricht, wird umgekehrt kein autonomes Gesellschaftsinteresse und daher eine entsprechend enge Pflichtenbindung des Vorstands annehmen wollen. 176 Vermittelnd könnte man ein Bestandsinteresse der Gesellschaft zwar annehmen, es aber auf die zum aktienrechtlichen Neutralitätsgebot anerkannten Ausnahmen beschränken. 177 Nicht erfasst wäre dann aber jedenfalls die Gefahr einer Zerschlagung oder Liquidation der Zielgesellschaft, weil solche Maßnahmen i. d. R. in die Zuständigkeit der Haupt172 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 3 Rn. 32 („streng zu unterscheiden“); Schüppen, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 3 Rn. 16; a. A. Wackerbarth, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 3 Rn. 20 f. („sole owner standard“) und Mülbert, IStR 1999, 83 (84) (Gesellschaftsinteresse als „überindividuell aggregierte Anteilseignerinteressen“). 173 Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 142 m.w. N. 174 Mitunter wird dies auch als „ideologisch angelegter“ Versuch zur Legitimierung der Machtansprüche der herrschenden Verwaltung bezeichnet, so Mestmäcker, Konzerngewalt, S. 14; ähnlich Großmann, Unternehmensziele, S. 87 ff. 175 Oechsler, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 3 Rn. 22. 176 Zu diesem Zusammenhang vgl. Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (225). 177 Stets genannt wurde die Übernahme durch eine mafiöse Organisation, die Gefahr erheblicher, mit der Übernahme zusammenhängender Gesetzesverstöße bzw. dauerhaft rechtswidrigem Verhalten des Bieters oder eine rechtswidrige Finanzierung.
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versammlung fielen. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung scheint sich in neuerer Zeit hinsichtlich des Anerkennens eines Eigeninteresses der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären und Organen entgegen früherer Bekundungen 178 eher zurückzuhalten. 179 c) Inhaltliche Bestimmung des Aktionärsinteresses Eine genauere Betrachtung verlangt hingegen die inhaltliche Bestimmung des zu beachtenden Aktionärsinteresses. Gemeinhin wird dieses lediglich dahin gehend verstanden, dass der Vorstand die wirtschaftlichen Auswirkungen der drohenden Übernahme auf die Zielgesellschaft zu beurteilen und im Interesse der Aktionäre die „gewinnträchtigste Entscheidung“ zu treffen habe. 180 Hieran ist richtig, vor allem auf die Stellung des Aktionärs als Kapitalmarktteilnehmer und -anleger abzustellen, weil dies der Realität in deutschen Publikumsgesellschaften entspricht. In der spezifisch kapitalmarktrechtlichen Situation der feindlichen Übernahme muss jedoch ein entscheidendes Interesse besonders betont werden: Das Interesse der Aktionäre, über das Angebot frei entscheiden zu können. Genau diese Möglichkeit nimmt die Verwaltung der Zielgesellschaft ihren Aktionären, wenn sie unter Berufung auf vermeintliche Eigeninteressen der Gesellschaft das Übernahmeangebot vereitelt. Das privatautonome Veräußerungsinteresse ist im WpÜG zwar nicht in explizit in § 3 III, dafür aber in § 3 II genannt, wenn es dort heißt, die Aktionäre müssten „in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden (...) können“. Es wäre daher vertretbar, die Bindung des Vorstands an das Desinvestitionsinteresse der Aktionäre aus einer „Gesamtschau“ der allgemeinen Grundsätze des § 3 WpÜG herzuleiten. Dem könnte indes entgegengebracht werden, der Gesetzgeber habe in § 3 II WpÜG lediglich den Informationsanspruch der
178 BGH NJW 1978, 540 (541) – Kali und Salz gestand dem Vorstand noch die Ausgestaltung eines Bezugsrechtsausschlusses bzw. einer Stimmrechtsbeschränkung zu, weil er verhindern dürfe, dass gewisse Aktionäre die AG unter ihren Einfluss bringen und sie „vernichten“ oder dass eine „Überfremdung vom In- oder Ausland“ drohe, vor der die AG „abzuschirmen“ sei. 179 Das Eigeninteresse der Gesellschaft wird nur noch im Außenverhältnis als Gläubigerschutzinstrument eingesetzt, vgl. BGHZ 149, 10 ff. – Bremer Vulkan; BGHZ 151, 181 ff. – KBV; ZIP 2005, S. 117 ff. – Autovertragshändler und zuletzt BGH Urt. v. 16. 07. 2007 – II ZR 3/04 – Trihotel. Angesichts der besonderen Interessenlage bei Übernahmeangeboten erscheint es ohnehin problematisch, die von der Rechtsprechung in anders gelagerten Sachverhaltsgestaltungen unternommenen Konkretisierungsversuche auf übernahmerechtliche Situationen zu übertragen. Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 3 Rn. 34 kritisieren dies zurecht als „methodisch fragwürdig“. Gleichwohl bedient sich v. a. Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 149 f. dieser Methode, um das von ihm favorisierte autonome Gesellschaftsinteresse zu fundieren. 180 Hens, Vorstandspflichten bei feindlichen Übernahmen, S. 142 m.w. N. in Fn. 157.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Aktionäre als allgemeinen Grundsatz formulieren und keine Pflicht des Vorstands niederlegen wollen, weil diese gerade in § 3 III WpÜG enthalten sei. d) Europarechtliche Einwirkung durch die Übernahmerichtlinie Überraschend ist, dass die Beachtlichkeit des ungehinderten Desinvestitionsinteresses ausdrücklich in Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie genannt ist. Dort wird neben der wortgleich auch in § 3 III WpÜG enthaltenen Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse unmissverständlich festgestellt: „Das Leitungsorgan (...) darf den Inhabern von Wertpapieren nicht die Möglichkeit vorenthalten, das Angebot selbst zu beurteilen.“ 181
Obwohl der Wortlaut des § 3 III WpÜG dahinter zurückbleibt, sieht das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 182 insoweit keine Ergänzung vor. Angesichts der Aussage des Gesetzgebers, die Umsetzung der Richtlinie erfolge „Eins-zuEins“, 183 könnte man argumentieren, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, den Entscheidungsspielraum der Aktionäre in § 3 III WpÜG bereits mit der Bindung der Organe an das „Gesellschaftsinteresse“ hinreichend zu gewährleisten. Hierfür könnte die Regierungsbegründung zu § 33 WpÜG sprechen, die nahelegt, dass das Aktionärsinteresse an einer freien Entscheidung über die Annahme des Angebots auch unabhängig von der Übernahmerichtlinie bereits bei Schaffung des WpÜG als zusätzlicher Parameter in den von der Verwaltung nach Maßgabe der business judgment rule zu leistenden Abwägungsprozess aufgenommen worden sei. Dort 184 heißt es nämlich: „Durch die (...) Regelung soll den Adressaten eines Übernahmeangebots (...) ermöglicht werden, in Kenntnis der Sachlage selbst über ein Übernahmeangebot zu entscheiden. Diese Entscheidungsfreiheit würde eingeschränkt, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat der Zielgesellschaft ohne weiteres durch eigenständige Entscheidungen den Erfolg des Übernahmeangebots verhindern könnten“. 181 Die Kritik von Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (241), die in dem allgemeinen Grundsatz genannten Interessen hätten lediglich eine „Alibifunktion“, bezog sich auf die Regelung des Art. 5 I lit. c des Gemeinsamen Standpunkts von 1997, die in der Tat eher einem „Sammelsurium“ unterschiedlicher Zielvorstellungen glich. Angesichts des nunmehr gestrafften Inhalts des Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie, die nur noch das Interesse der gesamten Gesellschaft und das Desinvestitionsinteresse der Aktionäre nennt, wird man dies wohl so nicht mehr aufrecht erhalten können. Damit hat sich Merkts Prognose, der Vorschlag von 1997 werde den Weg in die Endfassung der Richtlinie „gewiss nicht überleben“, bewahrheitet. 182 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ÜbernahmerichtlinieUmsetzungsgesetz) vom 8. Juli 2006, BGBl. Teil I 2006 Nr. 31 S. 1426 ff. 183 Entwurf einer Begründung zum RefE des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 19. 12. 2005, S. 1; vgl. hierzu auch Meyer, WM 2006, 1135 (1136). 184 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 57.
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Diese Argumentation ist aber insoweit angreifbar, als die Regierungsbegründung zeitlich vor der Schaffung des Ausnahmetatbestands der Aufsichtsratsbeteiligung gem. § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG durch den Finanzausschuss des Bundestages geschrieben wurde und daher nicht die Endfassung des Gesetzes rezipiert. Man wird realistischerweise davon ausgehen müssen, dass dem Gesetzgeber die Diskrepanz zwischen Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie und § 3 III WpÜG schlichtweg verborgen geblieben ist. Zu fragen ist, wie eine ungeschriebene europarechtskonforme Berücksichtigung 185 des Veräußerungsinteresses in § 3 WpÜG ermöglicht wird. Man könnte zunächst argumentieren, Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie entfalte unmittelbare Wirkung, so dass sich insoweit eine direkte Pflichtenbindung der Organe ergibt. Zwar wirken Richtlinien aufgrund ihres „zweistufigen“ Charakters grundsätzlich nur mittelbare gegenüber einzelnen Bürgern. Sie richten sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten, die zur Umsetzung ins nationale Recht verpflichtet sind. Der EuGH hat jedoch früh klargestellt, dass Richtlinien zugunsten einzelner unmittelbare Wirkung entfalten können: Hierzu muss die Umsetzungsfrist verstrichen sein, die Richtlinie nicht oder nicht richtig umgesetzt sein sowie unbedingte und hinreichend genaue Vorschriften enthalten („self executing“). 186 Um nicht die Unterschiede zur Regelungsform der Verordnung einzuebnen und die Zweistufigkeit der Richtlinie zu betonen, gilt die unmittelbare Wirkung jedoch nur dann, wenn dem Anspruchsteller andernfalls praktisch jede Möglichkeit genommen wird, seinen auf die Richtlinie gestützten Anspruch geltend zu machen. 187 Zudem darf sich durch die unmittelbare Anwendung der Richtlinie keine „Quasi-Belastung“ einzelner ergeben. 188 Die Anwendung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien in Privatrechtsverhältnissen ist daher problematisch, weil keine einseitige Begünstigung gegenüber dem Staat durchgesetzt werden soll, sondern die Begünstigung eines Privatrechtssubjekts zugleich die Einschränkung der Rechtsstellung eines anderen herbeiführt. Die Frage, ob trotz dieser restriktiven Grundhaltung eine unmittelbare Geltung der Übernahmerichtlinie bejaht werden kann, bedarf keiner abschließenden Klärung, wenn und soweit auch eine richtlinienkonforme Auslegung des WpÜG möglich und ausreichend ist. Der Rückgriff auf ein europarechtskonform verstandenes WpÜG wäre nämlich methodisch und sys185 Weniger überzeugend ist es, die Hinzunahme des Desinvestitionsinteresses im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG begründen zu wollen, so aber Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 161. 186 St. Rspr.: vgl. EuGH Rs. 41/74 – van Duyn, Slg. 1974, 1337 Rn. 12; Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629 Rn. 18 ff.; weitere Einzelheiten und Nachweise bei Hatje, in: Schwarze EU Kommentar, Art. 10 Rn. 29 und Schroeder, in: Streinz EUV / EGV Kommentar, Art. 249 Rn. 127. 187 EuGH Rs. C-388/91 – Steenhorst-Neerings, Slg. 1993, I-5475 Rn. 19 ff. und nochmals klarstellend EuGH Rs. C-231/96 – Edis, NVwZ 1999, 129 (130). 188 Vgl. ausführlich Rörig, Direktwirkung von Richtlinien im Privatrechtsverhältnis, passim, und Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 152 ff.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
tematisch ein „milderes“ Mittel gegenüber der unmittelbaren Anwendung der Übernahmerichtlinie. Die Rechtsfigur der richtlinienkonformen Auslegung gehört mittlerweile zur ständigen und gefestigten Rechtsprechung des EuGH. 189 Für letzteren richten sich die mitgliedsstaatliche Verpflichtung aus Art. 249 III EGV, die in einer Richtlinie vorgegebenen Ziele zu erreichen, und die sich aus Art. 10 EGV ergebende Obliegenheit, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung dieser Verpflichtung zu treffen, an alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und damit auch an die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit. 190 Die mitgliedstaatlichen Gerichte haben somit das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen. Es kommt hierbei weder darauf an, ob das auszulegende Recht vor oder nach der Richtlinie, noch ob es speziell zur Richtlinienumsetzung erlassen wurde, 191 so dass es keine Rolle spielt, dass § 3 WpÜG zeitlich bereits vor der Übernahmerichtlinie in Kraft getreten ist. 192 In Deutschland wird die richtlinienkonforme Auslegung auf dieser Basis nach einem Grundsatzurteil des BVerfG 193 auch von BAG, BGH, BVerwG und BFH praktiziert. 194 Auch im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung kann sich eine „quasibelastende“ Wirkung gegenüber Einzelnen ergeben. So könnte die Auslegung des § 3 III WpÜG im Lichte des Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie nicht nur einem Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft und / oder des Bieters auf Erhaltung der privatautonomen Möglichkeit der Angebotsannahme führen, 195 sondern bedeutet spiegelbildlich auch eine rechtliche Belastung und ggf. Haftungsgrundlage für die Organe der Zielgesellschaft. Auf der Grundlage einer unmittelbar geltenden Richtlinie wäre dies wegen mangelnder demokratischer Legitimierung nicht zulässig. Unmittelbare Wirkung und richtlinienkonforme Auslegung sind insoweit 189
EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 – von Colson / Land Nordrhein-Westfalen; Rs. 79/ 83, Slg. 1984, 1921 – Harz / Deutsche Tradax; in jüngerer Zeit auch Slg. 2004, I-8835, Rn. 110 (113) – Pfeiffer. 190 Vgl. hierzu Leible / Domröse, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, § 9 Rn. 42, sowie Ruffert, in: Calliess / Ruffert EUV / EGV Kommentar, Art. 249 Rn. 115 m.w. N. in Fn. 402 und 403. 191 Ruffert, in: Calliess / Ruffert EUV / EGV Kommentar, Art. 249 Rn. 115; von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV Kommentar, Band I, Art. 10 Rn. 57; vgl. ferner EuGH Rs. 31/87, Slg. 1988, 4635, Rn. 39 – Beentjes und Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1921 Rn. 26. 192 Zumal das WpÜG ohnehin in weiten Teilen der Umsetzung der lange diskutierten Übernahmerichtlinie vorgreifen sollte. 193 BVerfGE 75, 223 ff. 194 Vgl. die detaillierten (Rspr.-)Nachweise bei Ruffert, in: Calliess / Ruffert EUV / EGV Kommentar, Art. 249 Rn. 116 in Fn. 411, sowie die ausführliche Analyse der höchstricherlichen Rechtsprechung bei Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 77 ff.; im Überblick auch Schnorbus, AcP 201 (2001), 860 (871 ff.) und Streinz, Europarecht, S. 160 ff. 195 Vgl. hierzu eingehend unten S. 108 ff.
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jedoch methodisch strikt zu trennen; die unmittelbare Wirkung ist keine Voraussetzung für die als konkretisierender Umsetzungsakt verstandene richtlinienkonforme Auslegung. 196 Es ist vielmehr so, dass die richtlinienkonforme Auslegung ihre Bedeutung gerade dann entfaltet, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung nicht gegeben sind. Verpflichtungen Privater entstehen bei der richtlinienkonformen Auslegung nicht unmittelbar aufgrund Gemeinschaftsrechts, sondern auf der Basis mitgliedstaatlichen, europarechtskonform ausgelegten Rechts. Daher ist auch eine (für die Organe der Zielgesellschaft unter Umständen belastende) Pflichtenbindung aufgrund richtlinienkonformer Auslegung grundsätzlich zulässig. In rechtstechnischer Hinsicht hat der EuGH klargestellt, dass die richtlinienkonforme Auslegung „unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den (...) das nationale Recht einräumt“ durchzuführen ist. 197 Besonders bei der Klärung unbestimmter Rechtsbegriffe bildet eine absolute Auslegungsgrenze erst der eindeutige Wortlaut der auszulegenden Norm. In der Praxis finden sich unter dem Stichwort richtlinienkonformer Auslegung gleichwohl durchaus Beispiele für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung, so etwa die Gewährung von Schadensersatzansprüchen auf dem Umweg über deliktische Generalklauseln, obwohl die einschlägige Spezialregelung den ersatzfähigen Schaden ausdrücklich begrenzt hatte. 198 Die Diskrepanz zwischen § 3 III WpÜG und Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie ist damit im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des WpÜG aufzulösen. Unter Wahrung der absoluten Wortlautgrenze sollte das Desinvestitionsinteresse innerhalb des Gesellschaftsinteresses, bzw. genauer, im Rahmen des vom Vorstand zu beachtenden Aktionärsinteresses angesiedelt werden. Zwar deutet die Formulierung der Übernahmerichtlinie darauf hin, dass diese von einem Nebeneinander des Gesellschafts- und Aktionärsinteresses ausgeht („und“). Dies ist insoweit nachvollziehbar, als das Veräußerungsinteresse der Aktionäre nicht mehr originär im Binnenbereich der Gesellschaft angesiedelt ist. Für das vom Vorstand im Rahmen der business judgment rule zu beachtende Abwägungskriterien spielt es indes keine Rolle, ob das besondere Desinvestitionsinteresse der Angebotsadresaten neben dem Gesellschaft- oder als besondere Ausprägung des shareholder value-Interesses innerhalb des Gesellschaftsinteresses zu wahren ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff „Interesse der Gesellschaft“ ist daher in § 3 III WpÜG aufgrund europarechtlicher Einwirkung anders zu verstehen als in § 93 AktG. Konkret bedeutet dies, dass die Organe der Zielgesellschaft verpflichtet sind, das Interesse der Angebotsadressaten an der privatautonomen Entscheidung über die Annahme des Angebots als vorrangiges Aktionärsinteresse 196
Ruffert, in: Calliess / Ruffert EUV / EGV Kommentar, Art. 249 Rn. 120. EuGH, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1921 Rn. 28. 198 Vgl. BGH, NJW 1990, 65 (66) als Folge von EuGH, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1921 Rn. 26 (28) und Götz, NJW 1992, 1854 ff.; methodisch ähnlich auch ArbG Hamm, DB 1984, 2700 (2701). 197
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zu berücksichtigen. Nicht in den Abwägungsvorgang aufzunehmen sind hingegen Eigeninteressen des Vorstands oder des Aufsichtsrats an der Bewahrung ihrer durch das Übernahmeangebot gefährdeten Position. 199 Es ist pflichtwidrig, wenn sich die handelnden Organe von opportunistischen Interessen bei der Abwägung für und gegen eine unternehmerische Entscheidung leiten lassen. Entsprechend der Beweislastregelung in § 93 II S. 2 AktG wird man daher von den Verwaltungsorganen den Nachweis eines „qualifizierten Unternehmensinteresses“ verlangen können, wenn sie sich über das oben beschriebene Aktionärsinteresse hinwegsetzen und Maßnahmen mit Vereitelungseignung in Ausnutzung der Ausnahme des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG ergreifen wollen. 200 Der Kritik von Grunewald 201 am Begriff des „qualifizierten“ Unternehmensinteresses („was sollte das sein?“) ist folgendes zu entgegnen: Die zwingende Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten bedeutet eine inhaltlich Einschränkung des von der business judgment rule eröffneten Ermessensspielraums. Der Vorstand kann daher nicht mehr alle divergierenden Einzelinteressen, die unter dem Begriff des Unternehmensinteresses zusammengefasst sind, autonom gewichten und beliebig zurücktreten lassen. Zwar ist es ihm unbenommen, Abwehrmaßnahmen einzuleiten, welche das Angebot und damit die Desinvestitionsentscheidung der Aktionäre frustrieren können. Dies gilt aber nur dann, wenn er im Rahmen seiner Ermessenserwägungen aufgrund konkreter Tatsachen zu dem Ergebnis kommt, dass ein anderweitiges Interesse das Aktionärsinteresse überwiegt. Diese Entscheidung ist sodann einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen, wobei der Vorstand darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. § 93 II S. 2 AktG). Der Begriff des „qualifizierten“ Unternehmensinteresses ist bei diesem Verständnis eine sinnvolle Zusammenfassung dieser Zusammenhänge. 2. Rechtsschutz des Bieters bei Verstoß gegen die (europarechtlich) modifizierte Organpflichtenregelung gemäß § 3 III WpÜG a) Aktienrechtlicher Rechtsschutz Es wurde bereits oben 202 dargelegt, dass das AktG den Angebotsadressaten in ihrer Stellung als Aktionäre der Zielgesellschaft keine Möglichkeit der Inhaltskontrolle von Geschäftsführungsmaßnahmen einräumt, sondern Aufsichts- und 199 Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 26; Hopt, ZGR 1993, 534 (541), Versteegen, in: Kölner Komm WpÜG, § 3 Rn. 34. 200 Im Ergebnis so auch Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11); Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 160 f.; Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 185; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178. 201 Grunewald, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 Rn. 91 und Fn. 198. 202 Vgl. S. 40 ff.
§ 3 Rechtsschutz bei Geltung des „klassischen“ Verhinderungsverbots
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Kontrollbefugnisse allein dem Aufsichtsrat zuweist. Auch Rechtsschutz wegen pflichtwidriger Verkürzung der mitgliedschaftlichen Verwaltungs- und Vermögensrechte kommt nicht in Betracht, weil der Vorstand die Aktionäre lediglich in der optimalen Verkaufsmöglichkeit ihrer Aktien, mithin in einer „marktlichen“ Schutzposition beeinträchtigt. 203 Es bedarf somit der angemessenen Berücksichtigung eines kapitalmarktrechtlichen Interesses in einer aktienrechtlichen Ermessensentscheidung. Auch im Falle des Verstoßes gegen das zulässige „Wie“, mithin die Pflichtenbindung der Organe der Zielgesellschaft ist kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz heranzuziehen. b) Qualifizierung von § 3 III WpÜG als Schutzgesetz Die Analyse eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes wird erleichtert durch den Rückgriff auf die im vorderen Teil dieser Arbeit 204 zu Verstößen gegen das „Ob“ entwickelten Grundlagen. Danach ist zunächst zu fragen, ob § 3 III WpÜG überhaupt Gegenstand eines sekundären subjektiven Rechts sein soll. In einer zweiten Selektionsaufgabe wird dann der durchsetzungsbefugte Personenkreis ermittelt, bevor abschließend der genaue Inhalt der subjektiven Rechtsstellung festgestellt wird. aa) § 3 III WpÜG als sekundäres subjektives Recht Die ausführliche Untersuchung der subjektiven Durchsetzbarkeit des § 33 I WpÜG zum „Ob“ der zulässigen Organbefugnisse prägt auch die Klärung, ob § 3 III WpÜG rechtstechnische Grundlage eines sekundären subjektiven Rechts betreffend das „Wie“ sein kann. Die dort vorgebrachten Argumente zugunsten einer subjektivrechtlichen Durchsetzbarkeit des § 33 I WpÜG besitzen auch hier Gültigkeit. Letztlich ist § 3 III WpÜG ein anschauliches Beispiel für das von K. Schmidt beschriebene Phänomen, wonach bei der Gesetzesschaffung die Folgen der konkreten Gesetzesausgestaltung für den subjektiven Rechtsschutz zumeist nicht bedacht werden. 205 Die Durchsetzung der in der Übernahmerichtlinie ausdrücklich gewährleisteten Entscheidungsfreiheit der Aktionäre bezüglich der Annahme des Angebots hat wegen der Ungeeignetheit des aktienrechtlichen Rechtsschutzes auf kapitalmarktrechtlicher Grundlage zu erfolgen. Der bei richtlinienkonformer Auslegung des § 3 III WpÜG gebotene Schutz der Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten gebietet nach allem die Qualifizierung des § 3 III WpÜG als subjektivrechtlich durchsetzbare Rechtsnorm.
203 204 205
Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 11. Oben auf den S. 50 ff. Vgl. hierzu ausführlich oben S. 75 ff.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
bb) Der durchsetzungsbefugte Personenkreis Auch hinsichtlich der Frage des durchsetzungsbefugten Personenkreises kann auf die grundlegenden Erwägungen zu § 33 I WpÜG zurückgegriffen werden. Sie führten zu dem Ergebnis, dass sowohl die Aktionäre der Zielgesellschaft, als auch der Bieter mit sekundären subjektiven Rechten ausgestatten sein müssen, um die Einhaltung des Konfliktschlichtungsprogramms des § 33 WpÜG sicherzustellen. Die Einbeziehung des Bieters gründete auf der Überlegung, dass er zwar eine Beschränkungen seiner Position durch die Ausnahmetatbestände des § 33 I S. 2 WpÜG hinnehmen muss, aber als Ausgleich Anspruch darauf hat, sicherzustellen, dass der Vorstand ohne Aufsichtsratsbeteiligung keine Maßnahmen mit Abwehreignung außerhalb des erlaubten Geschäftsgangs (§ 33 I S. 2 Var. 1 WpÜG) durchführt bzw. den Rahmen des § 33a WpÜG einhält. Auch die oben hergeleitete Modifizierung der business judgment rule durch § 3 III WpÜG stellt ein Konfliktschlichtungsprogramm zur Auflösung eines multipolaren Interessenwiderspruchs dar. Wie gezeigt geht es darum, den Aktionären die Entscheidung über die Reaktion auf das Übernahmeangebot zu erhalten, was eine Einschränkung des aktienrechtlichen Ermessensspielraums des Vorstands zur Folge hat. Dies belastet den Vorstand und kommt Bieter und Aktionären zu Gute. Andererseits werden Aktionäre und der Bieter dadurch belastet, dass dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Vornahme von Handlungen erlaubt wird, die als Reaktion auf das Übernahmeangebot erfolgen. Dies macht erneut deutlich, dass § 3 III WpÜG eine spezifische Funktion als Ergänzungsnorm für den Ausnahmetatbestand des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG zukommt. Weil die Konfliktschlichtung des Gesetzgebers sowohl Bieter als auch Aktionäre der Zielgesellschaft involviert, ist es geboten, beiden die subjektivrechtliche Durchsetzung des § 3 III WpÜG zu erlauben. So erklärt sich auch mit Selbstverständlichkeit die Einbeziehung des Bieters in den durchsetzungsbefugten Personenkreis, was bei einer oberflächlichen Betrachtung nicht der Fall gewesen wäre, weil Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie nur den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Aktionäre erwähnt. Ein solches auf den Wortlaut und nicht die zugrunde liegende Konfliktschlichtung bezogenes Verständnis hätte aber mit der Schwierigkeit zu kämpfen, inwieweit der Bieter zumindest in seiner Stellung als Aktionär einbezogen wäre. Sowohl die Aktionäre der Zielgesellschaft, als auch der Bieter haben somit die Befugnis, eine unternehmerische Ermessensentscheidung, die der Vorstand unter Ausnutzung eines Ausnahmetatbestands von § 33 I S. 1 WpÜG vornimmt, anzugreifen. Sie sind in anderen Worten mit dem sekundären subjektiven Recht ausgestattet, die Bindung des Vorstands an das Desinvestitionsinteresse der Angebotsadressaten durchzusetzen. cc) Inhalt der subjektiven Rechtsstellung Der Inhalt des sekundären subjektiven Rechts ergibt sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen zum „Ob“ der Vorstandsbefugnisse gemäß § 33 I WpÜG. 206
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Dort wurde dargelegt, dass der Gesetzgeber mit § 4 II WpÜG eine gesetzliche Formenwahl getroffen hat, was zum Ausschluss subjektiv öffentlicher Rechte führt. Auch wurde dargelegt, dass diese Formenwahl keiner Korrektur wegen effektiver Überlegenheit des öffentlich-rechtlichen Drittschutzes bedarf. Der Bieter und die Aktionäre der Zielgesellschaft können sich daher entsprechend dem oben Gesagten wegen eines (drohenden) Verstoßes gegen § 3 III WpÜG an die Zivilgerichtsbarkeit wenden, und zwar sowohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als auch im Hauptsacheverfahren. Rechtstechnisch fungiert § 3 III WpÜG in richtlinienkonformer Auslegung gemäß Art. 3 I lit. c der Übernahmerichtlinie als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB, der i. V. m § 1004 BGB (analog) auch einen Unterlassungsanspruch bildet.
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Vgl. oben S. 83 ff.
§ 4 Rechtsschutz bei Geltung des „strengen“ Verhinderungsverbots gemäß § 33 a WpÜG (opt-in) I. Organbefugnisse unter Geltung des § 33a WpÜG (opt-in) 1. Systematik und Inhalt des § 33a WpÜG Nach Art. 12 II der Übernahmerichtlinie ist deutschen Gesellschaften die Möglichkeit einzuräumen, sich für ein Rechtsregime nach europäischem Vorbild zu entscheiden. § 33a WpÜG erlaubt es daher, dieses europäische Alternativmodell en bloc zu übernehmen, anstatt einzelne Modifikationen isoliert anzunehmen. § 33a WpÜG rezipiert dabei vollumfänglich 1 die Regelungen des Art. 9 II und III der Übernahmerichtlinie. 2 Danach darf das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan 3 ohne vorherige und zu diesem Zweck erteilte Ermächtigung der Hauptversammlung keine post-bid erfolgenden Geschäftsführungsmaßnahmen mit Vereitelungseignung ergreifen. Gemäß § 33 a II S. 2 WpÜG sind nunmehr – neben der weiterhin erlaubten Suche nach einem konkurrierenden Bieter – lediglich die Fortführung des Tagesgeschäfts und die Weiterverfolgung bereits pre-bid begonnener Unternehmensstrategien zulässig. Aus der Negativformulierung lässt sich wiederum eine Beweislastumkehr zulasten des Vorstands entnehmen. Es wird mithin vermutet, dass eine Maßnahme mit Verhinderungseignung aus opportunistischem Eigeninteresse vorgenommen wurde, wenn sich die handelnden Organe nicht entlasten, indem sie gemäß § 33a II S. 2 Nr. 2 und 3 WpÜG darlegen, dass sich die Maßnahme innerhalb des 1 Zu vereinzelter Kritik wegen angeblich nicht richtlinienkonformer Umsetzung vgl. Simon, Der Konzern 2006, 12 (13), sowie Kiem, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 a Rn. 47 m.w. N. 2 Diese Regelungstechnik verdient schon im Hinblick auf die Reziprozitätsregelung Zustimmung, weil hierdurch ein level playing field mit opt-in Regelungen anderer EUStaaten geschaffen wird, vgl. hierzu Krause, BB 2004, 113 (114 f.); Holzborn / Peschke, BKR 2007, 101 (104); Maul, NZG 2005, 151 (152 f.) und v. Kann / Just, DStR 2006, 328 (330). 3 Im Zusammenhang mit dem Verhinderungsverbot in Art. 9 II Übernahmerichtlinie bezeichnen die Begriffe „Leitungsorgan“ den Vorstand und „Verwaltungsorgan“ den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, vgl. Art. 9 VI Übernahmerichtlinie.
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normalen Geschäftsgangs bewegt hat oder Teil einer bereits pre-bid beschlossenen Geschäftsstrategie war. Dem Vorstand ist daher eine sorgfältige Dokumentation zu empfehlen. 4 Damit statuiert § 33a WpÜG ein strenges Verhinderungsverbot und schränkt die Geschäftsführungsmaßnahmen der Organe im Falle einer feindlichen Übernahme stärker ein als § 33 I WpÜG. 2. Die Reziprozitätsregelung Auf der Basis des Art. 12 III Übernahmerichtlinie sieht das Optionsmodell neben einer Durchbrechungsregelung 5 auch eine Regelung zur Gewährleistung der Gegenseitigkeit vor (Reziprozitätsprinzip). Danach kann sich eine Gesellschaft von der individuellen Unterwerfung unter das strenge Verhinderungsverbot des § 33a WpÜG befreien, wenn der Bieter selbst das strenge Vereitelungsverbot nicht anwendet. Der Gesetzgeber hat eine solche Regelung nunmehr in dem neu geschaffenen § 33 c WpÜG verankert. Auf dieser Basis könnten sich mittelbzw. langfristig zwei Gruppen von Akteuren auf dem Kapitalmarkt ergeben: Gesellschaften mit wenig Übernahmeinteresse, die ihren Organen weitgehende Verteidigungsmöglichkeiten zubilligen (opt-out) und Gesellschaften, die sowohl aktiv, als auch passiv aufgeschlossen gegenüber Übernahmetransaktionen sind. 6 3. Motive für und formelle Anforderungen an einen opt-in Die denkbaren Gründe für eine Verschärfungsentscheidung der Hauptversammlung sind vielgestaltig. Regelmäßig wird wohl eine gesteigerte Attraktivität der Zielgesellschaft am Kapitalmarkt bezweckt. Die Aktionäre spekulieren in diesem Fall auf die üblicherweise gezahlte Übernahmeprämie und möchten mit einer für Übernahmen möglichst barrierefreien Zielgesellschaft die Wahrscheinlichkeit eines Übernahmeangebots erhöhen. Die erhöhte Übernahmewahrscheinlichkeit und die erwartete Übernahmeprämie zusammen dürften zudem eine aktienkurssteigernde Wirkung entfalten. 7 Daneben verbessert sich nach einem opt-in auch die Position der Zielgesellschaft bei der Abgabe eines eigenen Übernahmeangebots gegenüber einer anderen Zielgesellschaft, die sich ebenfalls für ein opt-in entschieden hat. Letztere vermag sich dann nämlich nicht mehr auf den Gegenseitigkeitsvorbehalt gemäß § 33 c WpÜG zu berufen und das strenge Verhinderungsverbot suspendieren. 4 Weder aus § 33, noch aus § 33a WpÜG folgt indessen eine Pflicht zur Dokumentation, vgl. Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 149; gegen eine reine Obliegenheit zur Dokumentation: Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (7). 5 Ausführlich hierzu vgl. Harbarth, ZGR 2007, 37 (40 ff.) 6 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 35 nimmt hierfür die Kategorisierung in kapitalmarktorientiert („A-Klasse“) und nicht-kapitalmarktorientiert („B-Klasse“) auf. 7 Kiem, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 a Rn. 8.
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§ 33a I WpÜG verlangt eine Offenlegung der Anwendung des Alternativmodells in der Satzung. Die Entscheidung für einen opt-in ist daher ausschließlich als satzungsändernder Beschluss der Hauptversammlung zu fassen, dem mindestens die Mehrheit der Stimmen (§ 133 I AktG) und 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals (§ 179 II S. 1 AktG) zugrunde liegen, soweit nicht die Satzung andere Erfordernisse aufstellt.
II. Rechtsschutz des Bieters bei Verstößen gegen § 33a II WpÜG Zu fragen ist, wie sich das Rechtsschutzprogramm verändert, wenn sich die Zielgesellschaft durch Satzungsbeschluss dem strengen europäisch geprägten Verhinderungsverbot unterworfen hat. Wie oben gezeigt, ist dem Vorstand in der Übernahmesituation dann nur noch die Fortführung des üblichen Tagesgeschäfts und bereits pre-bid eingeschlagener Unternehmensstrategien erlaubt. Abwehrgeeignete Handlungen als Reaktion auf ein Übernahmeangebot sind ihm auch mit Zustimmung des Aufsichtsrats verwehrt. 1. Aktienrechtlicher Rechtsschutz Wenn und soweit der Bieter bereits bei der Veröffentlichung seines Übernahmeangebots Aktien an der Zielgesellschaft hält, könnte er sich gegen unzulässige Abwehrmaßnahmen zunächst nach aktienrechtlichen Grundsätzen wehren. Für die Existenz aktienrechtlich begründeten Rechtsschutzes ist entscheidend, ob es sich bei dem strengen Verhinderungsverbot gemäß § 33 a WpÜG um die Begründung einer Organpflicht oder um eine Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung handelt. Diese Frage wurde oben 8 bereits zu § 33 I S. 1 WpÜG erörtert und zugunsten einer Organpflichtenregelung entschieden. Problematisch erscheint indes, ob die dort vorgebrachten Argumente auch bei der Beurteilung des § 33 a WpÜG herangezogen werden können. Während § 33 I S. 1 und 2 WpÜG die Entscheidungskompetenz über Abwehrmaßnahmen hauptsächlich dem Vorstand und Aufsichtsrat zuweist, scheint sie im Fall des § 33 a WpÜG eher zugunsten der Hauptversammlung verlagert. Aus diesem Grund ist Kiem in einer der wenigen zu § 33 a WpÜG existierenden Stellungnahmen der Ansicht, es handle sich bei § 33 a WpÜG um eine Kompetenznorm. 9 Er meint ferner, das Regelungskonzept gleiche insoweit dem ursprünglichen Regierungsentwurf zu § 33 WpÜG, bevor dieser im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens kategorial modifiziert wurde. 10 8
Vgl. S. 44 ff. Kiem, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 a Rn. 65; im Ergebnis so auch Steinmeyer, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 a Rn. 16. 10 Die genaue Entwicklung wurde oben bereits auf S. 35 ff. nachvollzogen. 9
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Für dieses ursprüngliche Regelungskonzept, nach dem die Entscheidung über Abwehrmaßnahmen der Hauptversammlung vorbehalten war, wurde gemeinhin angenommen, es handle sich um eine Kompetenznorm zugunsten der Hauptversammlung. Auf der Grundlage dieser Ansicht stünden dem Bieter-Aktionär die nach den allgemeinen aktienrechtlichen Holzmüller / Gelatine-Grundsätzen entwickelten Unterlassungsansprüche gegen eine Nichtbeachtung der Hauptversammlungszuständigkeit zu. 11 Sonach könnten die Aktionäre der Zielgesellschaft im Wege der Aktionärsklage die Unterlassung von abwehrgeeigneten Maßnahmen durchsetzen, wenn und weil sie der Vorstand nur mit ihrer Ermächtigung durchführen darf. 12 Konkret betrifft dies Maßnahmen mit objektiver Verhinderungseignung, welche nicht im gewöhnlichen Geschäftsgang erfolgen und die auch keine vor der Angebotsveröffentlichung getroffene Entscheidungen umsetzen sollen. Zu fragen ist aber, ob die Qualifizierung des § 33 a WpÜG als Kompetenzzuweisungsnorm überzeugend begründet werden kann. Hiergegen spricht bereits entscheidend der Wortlaut des § 33 a II WpÜG, wonach: „Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft keine Handlungen vornehmen (...) dürfen, (...) durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte".
Die Terminologie und Regelungstechnik ist insoweit mit derjenigen des § 33 I S. 1 WpÜG völlig identisch, denn dessen Wortlaut ist: „darf der Vorstand keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte“.
Der einzige Unterschied zwischen § 33 I und § 33 a II WpÜG ist, dass im erstgenannten Fall der Aufsichtsrat nicht an das strikte Verhinderungsverbot gebunden ist und den Vorstand insoweit suspendieren kann. Wie oben gezeigt steht diese Befugnis jedoch unter dem Vorbehalt eines „qualifizierten“ Unternehmensinteresses, hinter dem das Aktionärsinteresse an einer privatautonomen Entscheidung über die Annahme des Angebots zurückzutreten hat. Die Unterschiede zwischen dem „klassischen“ und dem „strengen“ Verhinderungsverbot sind daher geringer als zunächst vermutet. Angesichts des beinahe identischen Wortlauts und derselben Regelungstechnik des Gesetzgebers ist es daher nicht gerechtfertigt, im einen Fall von einer Organpflichtenregelung und im anderen von einer Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung auszugehen. Wenn Kiem sich auf die ursprüngliche Ausgestaltung des § 33 WpÜG im Regierungsentwurf stützt, so trägt dies schon deshalb nicht, weil es dort hieß: „(...) bedürfen Handlungen des Vorstands und des Aufsichtsrats, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte, der Ermächtigung der Hauptversammlung“.
11 12
Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung auf S. 34 ff. Kiem, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 a Rn. 65 m.w. N.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
Dies hat mit dem Wortlaut des § 33 a II WpÜG nichts gemein. Somit ist auch § 33 a II WpÜG als kapitalmarktrechtliche Organpflichtenregelung zu qualifizieren und aktienrechtlich begründeter Rechtsschutz auf der Grundlage der Mitgliedschaftsklage kommt nicht in Betracht. 2. Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz Überzeugender und in sich konsistent mit den bisherigen Ergebnissen dieser Arbeit ist es, § 33 a II WpÜG als Grundlage eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzsystems zu qualifizieren. Erneut soll Bezug genommen werden auf die von Schmidt-Preuß entwickelte multipolare Konfliktschlichtungsdefinition. 13 Oben wurde herausgearbeitet, dass der Gesetzgeber mit § 33 I S. 1 und 2 WpÜG eine multipolare Konfliktschlichtungsformel zwischen Aktionären der Zielgesellschaft, deren Leitungsorganen und dem Bieter geschaffen hat. Bei Zugrundelegen dieser Erkenntnisse fügt sich auch die nach Erlass der Übernahmerichtlinie in das Gesetz aufgenommene Regelung des § 33 a II WpÜG nahtlos ein. Hierduch stellt der Gesetzgeber schlichtweg im Rahmen des Optionsmodells („opt-in“) ein alternatives Konfliktschlichtungsprogramm bereit. Dort sind zwar dieselben Interessenträger beteiligt, die Konfliktlage wird aber anders aufgelöst, weil dem Vorstand weniger Geschäftsführungsmaßnahmen erlaubt sind und überdies der Aufsichtsrat keine erweiterten Befugnisse schaffen kann. Es gilt nach allem dasselbe Rechtsschutzsystem wie bei Verstößen gegen das „Ob“ im Rahmen des § 33 I S. 1 WpÜG. 14 Weil im Falle des § 33 a II WpÜG sowohl Vorstand, als auch Aufsichtsrat an des strenge Verhinderungsverbot gebunden sind, dürfen sie keine Geschäftsführungsmaßnahmen einleiten, die eine Reaktion auf das Übernahmeangebot darstellen. Somit stellt sich auch nicht die Frage nach einer rechtlichen Durchdringung ihres Ermessensspielraums, des „Wie“ und § 3 III WpÜG wird nicht relevant.
13 14
Schmidt-Preuß, Privatinteressen, S. 630. Vgl. die Zusammenfassung auf S. 92 ff.
§ 5 Rechtsschutz des Bieters zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen § 33 I S. 2 Var. 2 und § 33a II Nr. 4 WpÜG erlauben dem Vorstand ausdrücklich die Suche nach einem konkurrierenden Bieter als Reaktion auf ein Übernahmeangebot. Im Rahmen dieser Suche kann es erforderlich sein, dem Gesprächspartner Informationen über das Unternehmen zu geben, die vertraulich oder jedenfalls nicht öffentlich zugänglich sind. Es wird im folgenden zunächst untersucht, ob eine solche Informationsweitergabe zum Zwecke einer due diligence zulässig ist, bevor dann 1 erörtert wird, ob der ursprüngliche Bieter bzw. weitere konkurrierende Übernahmeinteressenten in einem solchen Fall die Herausgabe der an den white knight zur Verfügung gestellten Informationen verlangen können.
I. Befugnis des Vorstands zur Informationsweitergabe an (konkurrierende) Bieter Ausgangspunkt für die Klärung dieser Frage ist die Tatsache, dass der Vorstand zwar gemäß § 93 I S. 3 AktG über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren hat, diese Verschwiegenheitspflicht jedoch nicht absolut gilt. So kann der Vorstand nach einer Interessenabwägung im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens (§ 93 I S. 2 AktG) entscheiden, ob er einem Erwerbsinteressenten Einblick in Unternehmensinterna mittels einer due diligence gewährt oder nicht. 2 Umstritten ist, welche Gewichtung dem Geheimhaltungsinteresse hierbei neben den für eine Weitergabe sprechenden Interessen einzuräumen ist. Lutter will zwar die Weitergabe solcher Informationen nur dann aktienrechtlich erlaubt wissen, wenn ein „ungewöhnliches und überragendes“ unternehmerisches Interesse der Gesellschaft im Sinne einer „einmaligen und unwiederbringlichen Chance“ die Offenlegung gebietet. 3 Mangels sachlicher Gründe für eine derartige Einschränkung des unternehmerischen Ermessens des Vorstands hat sich diese enge Auffassung jedoch weder in der wissenschaftlichen Diskussion noch in der Praxis durchgesetzt. 4 Letztlich wird aber auch auf Grundlage dieser Mindermeinung die Weitergabe oftmals erlaubt sein, weil die 1
Zum Gleichbehandlungsanspruch des Erstbieters vgl. S. 118 ff. Roschmann / Frey, AG 1996, 449; Mertens, AG 1997, 541; Schroeder, DB 1997, 2161; Stoffels, ZHR 165 (2001) 362 (373 ff.). 3 Lutter, ZIP 1997, 613 (617); in diese Richtung auch Ziemons, AG 1999, 492 (495). 2
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Suche nach einem white knight in Ansehung der feindlichen Übernahmesituation durchaus eine „einmalige und unwiederbringliche Chance“ sein kann. 5 Auch insiderrechtliche Hindernisse (§ 14 I Nr. 2 WpHG) vermögen angesichts des klaren Wortlauts des § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG nicht durchzuschlagen. 6 Eine Beschränkung der Ausnahmetatbestände des § 33 I S. 2 WpÜG auf die Phase nach Abgabe des feindlichen Übernahmeangebots (post-bid) ist angesichts der dann mit maximal 14 Wochen 7 sehr kurz bemessenen Zeitspanne zur Suche eines Alternativbieters nicht überzeugend. 8 Um der Ausnahmeregelung des § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG einen praktischen Anwendungsbereich zu belassen, ist es daher geboten, ihr auch in der pre-bid-Phase einen Vorrang gegenüber insiderrechtlichen Beschränkungen zuzuerkennen. Die Grenze der zulässigen Suche nach konkurrierenden Bietern wird erst dann überschritten, wenn potentielle Interessenten nicht nur mit Informationen, sondern unter Einsatz von finanziellen Mitteln der Zielgesellschaft zur Abgabe eines Alternativangebots „überzeugt“ werden sollen. Derartige Rechtsgeschäfte, sei es in Gestalt von Vorschüssen, Darlehen oder Sicherheiten für den Aktienerwerb, wären gemäß § 71a I S. 1 AktG nichtig.
II. Anspruch auf informationelle Gleichstellung mit konkurrierenden Bietern Wie gesehen ist es dem Vorstand der Zielgesellschaft im Rahmen der white knight defense erlaubt, ernsthaften Übernahmeinteressenten interne Informationen über die Zielgesellschaft zum Zwecke einer due diligence zu gewähren. Entscheidet 4 Hüffer, AktG 7. Aufl., § 93 Rn. 8; von Bülow, in: Kölner Komm WpÜG, § 35, Rn. 174; Oechsler, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 10 Rn. 32; Roschmann / Frey, AG 1996, 449 (452); Müller, NJW 2000, 3452 (3454); Körber, NZG 2002, 263 (269); Rittmeister, NZG 2004, 1032 (1033 f.); Winter / Harbarth, in: Hommelhoff et al., Corp. Governance, S. 481; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274 (279), die allesamt das Geheimhaltungsinteresse nur als einen von mehreren gleichberechtigten Gesichtspunkten in der grundsätzlich offenen Abwägung ansehen. Weitere Abwägungsgesichtspunkte sind u. a. die Risiken und Chancen der Veräußerung der Gesellschaft und die wirtschaftlichen Gefahren bzw. Vorteile einer Informationsherausgabe. 5 So auch Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (5). 6 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 157, Hopt, ZGR 2002, 333 (357); Assmann, ZGR 2002, 697 (706 ff.); fraglich ist überdies, ob die Informationsweitergabe im Rahmen einer due diligence überhaupt unter den Tatbestand der „unbefugten“ Mitteilung von Insiderinformationen fällt – dies verneint u. a. die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden v. 15. 07. 2005, S. 31 f. 7 Die Angebotsunterlage muss grundsätzlich innerhalb einer Frist von 4 Wochen vorliegen (§ 14 I S. 1 WpÜG) und die Frist für die Annahme beträgt höchstens 10 Wochen (§ 16 I S. 1 WpÜG). 8 Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 157; a. A. Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 15 mit der Begründung, § 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG beziehe sich nur auf die post-bid-Phase und sei einer Analogie nicht zugängig.
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sich der Vorstand für diesen Weg, so stellt sich die Frage, ob dem ursprünglichen Erstbieter und gegebenenfalls auch weiteren Interessenten ein Anspruch auf informationelle Gleichbehandlung zusteht und wie dieser gerichtlich durchgesetzt werden kann. Das WpÜG regelt zwar in § 22 ausführlich die Sondersituation konkurrierender Angebote und sieht hierbei u. a. veränderte Annahmefristen und Rücktrittsrechte der Aktionäre vor; keine Erwähnung findet jedoch eine eventuelle Bietergleichbehandlung. Die fehlende gesetzliche Regelung hindert einen gewichtigen Teil der übernahmerechtlichen Literatur zwar nicht daran, das Bestehen eines solchen Gleichbehandlungsanspruchs zu bejahen. 9 Dies hat jedoch zur Folge, dass unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen und dogmatische Begründungsansätze vertreten werden. 1. Der aktuelle Meinungsstand in der Literatur Im Schrifttum wird argumentiert, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei als ungeschriebene Erweiterung aus § 22 WpÜG herzuleiten, weil nur bei Bietergleichbehandlung die nach § 22 WpÜG erwünschten konkurrierenden Angebote im Interesse der Aktionäre „wirklich, d. h. ohne Verzerrung durch due diligence und Insiderinformationen konkurrieren können“. 10 Andere wollen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus dem Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG herleiten, weil die Verweigerung des Informationszugangs gegenüber dem Erstbieter eine unzulässige Abwehrmaßnahme darstelle. 11 Schließlich wird pauschal – auch unter Verweis auf den Gleichbehandlungsanspruch in Rule 20.2 des englischen City Code on takeovers and mergers – ein ungeschriebener „kapitalmarktrechtlicher“ Gleichbehandlungsgrundsatz 12 oder die auf Aktionäre der Zielgesellschaft bezogene Gleichbehandlungspflicht nach § 3 I WpÜG 13 als Begründung angeführt. 9
Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 159; Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 145; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 77; Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 54; Fleischer, ZIP 2002, 651 (653); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 (269); Hirte, ZGR 2002, 623 (640); ablehnend aber Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 170 und § 22 Rn. 94 ff., Hemeling, ZHR 169 (2005), 274 (290) sowie Assmann, ZGR 2002, 697 (708). 10 Hopt, ZGR 2002, 333 (358); ähnlich Fleischer, ZIP 2002, 651 (654); Lipuscek, Konkurrenzangebote, S. 43; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 159; Marsch-Barner, in: Bad Homburger Hdb. zum Übernahmerecht, E Rn. 48. 11 Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 145, sowie Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 77. 12 Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 54; Hirte, ZGR 2002, 623 (640). 13 Schwennicke, in: Geibel / Süßmann, § 3 WpÜG Rn. 14, ohne sich genau festzulegen, ob hiervon nur konkurrierende Bieter erfasst sind, die bereits eine Beteiligung an der Zielgesellschaft halten.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
2. Stellungnahme Es sollte die Frage, ob die informationelle Gleichstellung sämtlicher Übernahmeinteressenten rechtspolitisch wünschenswert ist, getrennt werden von der Problematik einer genauen rechtstechnischen Anknüpfung. Zu Ersterem ist zu sagen, dass die Anerkennung eines kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsanspruchs auf ökonomischer Ebene überzeugend begründet werden kann. Ein Gleichbehandlungsanspruch der Bieter erzeugt positive Effekte auf Aktionärsebene. Die Befugnis des Vorstands zur white knight defense führt nämlich zur Verminderung des auf Informationsdefiziten und gegenläufigen Preisinteressen beruhenden agency problems zwischen Bieter und den Aktionären der Zielgesellschaft. Es geht dem Gesetzgeber um die Förderung eines Wettstreits von konkurrierenden Bietern, um attraktivere Angebotsbedingungen zu erzeugen. 14 Hierbei dienlich ist die informationelle Gleichbehandlung des Erstbieters, weil dieser sodann die Möglichkeit hätte, auf ein konkurrierendes Angebot, welches der white knight auf der Grundlage eines Informationsvorspungs abgegeben hat, zu reagieren. Lassen sich aus den Zusatzinformationen verbesserte Synergienutzungen oder eine sonstige Wertsteigerung der Zielgesellschaft prognostizieren, so kann der Erstbieter sein Übernahmeangebot nämlich unter Berücksichtigung der neuen Informationslage entsprechend anpassen. Auch wenn eine informationelle Gleichstellung aller Übernahmeinteressenten damit im Grundsatz wünschenswert ist, ergeben sich Regelungsprobleme sowohl auf der Tatbestands-, als auch auf der Rechtsfolgenseite. So ist beispielsweise unklar, inwieweit der Vorstand zwischen verschiedenen Bietern differenzieren kann und etwa einen direkten Wettbewerber anders behandeln dürfte als einen übernahmeinteressierten Finanzinvestor. Was die Rechtsfolgenseite anbelangt ist problematisch, ob ein vollständig kongruent verlaufender Informationsfluss verlangt werden können soll, oder nur eine eingeschränkte Gleichbehandlung, etwa beschränkt auf das Stellen konkreter Fragen. Eine rechtstechnische Anknüpfung ist daran zu messen, inwieweit sie Antworten auf diese Problembereiche geben kann. Dies soll im Folgenden untersucht werden. a) Rechtsvergleichender Ansatz basierend auf dem City Code Rule 20.2 des englischen City Code on takeovers and mergers, 15 der bei der Schaffung des WpÜG in vielerlei Hinsicht als Vorbild fungierte, 16 enthält einen 14
Pötzsch, Übernahmerecht, S. 40. Der City Code wurde im Zuge der Implementierung der EU-Übernahmerichtlinie in den Companies Act 2006 integriert (vgl. dort „Part 28: Takeovers etc.“). 16 Rechtsvergleichende Aktivitäten in diese Richtung lassen sich schon der Gesetzesbegründung entnehmen, wenn diese die Schaffung „international wettbewerbsfähiger 15
§ 5 Rechtsschutz zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen
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Anspruch auf „equality of information“ eines jeden „bona fide potential offeror“. Zum Schutz vor Ausforschung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch nicht absolut, sondern nur begrenzt eingeräumt. 17 Die Bezugnahme auf den City Code löst damit zwar die Frage nach dem genauen Inhalt des Gleichbehandlungsanspruchs, ist jedoch methodisch höchst angreifbar. Es mag richtig sein, dass der City Code in vielerlei Hinsicht ein Vorbild des WpÜG war, dieser Vorbildcharakter spricht aber umgekehrt eher dafür, dass der Gesetzgeber des WpÜG trotz Kenntnis der ausführlichen Regelung in Rule 20.2 bewusst einen solchen Gleichbehandlungsgrundsatz der Bieter nicht in das Gesetz aufnehmen wollte, um der bei Gesetzesschaffung noch andauernden aktien- und insiderrechtlichen Diskussion um die Zulässigkeit einer due diligence in Übernahmesituationen nicht vorzugreifen. 18 Hierfür spricht zudem, dass auch der vor Inkraftreten des WpÜG geltende Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission in Art. 2 II ausdrücklich eine Regelung zur informationellen Gleichbehandlung vorsah, indem es hieß: „Ist ein öffentliches Angebot erfolgt, so ist der Vorstand der Zielgesellschaft nach pflichtgemäßem Ermessen und im Interesse der Wertpapierinhaber verpflichtet, anderen Personen, die ihrerseits ein ernsthaftes Interesse an der Übernahme der Zielgesellschaft glaubhaft gemacht haben, die gleichen Informationen wie dem ursprünglichen Bieter zur Verfügung zu stellen.“ 19
Es wäre dem Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, diese Regelung in das WpÜG zu übernehmen, zumal er die Sondersituation konkurrierender Gebote gesehen und unter Rückgriff auf den Übernahmekodex in § 22 WpÜG geregelt hat. Dass er es nicht getan hat, spricht daher dafür, dass er sich insoweit einer Regelung (vorerst) enthalten wollte und damit gegen die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke. b) Begründungsversuche aus § 22 WpÜG Wenn ein Teil des Schrifttums aus besagtem § 22 WpÜG einen Gleichbehandlungsgrundsatz zugunsten der Bieter herleiten möchte, weil nur dann die „nach § 22 WpÜG erwünschten konkurrierenden Angebote (...) wirklich (...) konkurrieren können“, 20 so ist auf der Grundlage der Ausführungen zur EntstehungsRegelungen“ zum Ziel erklärt, vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 27. Auch eine Veröffentlichung der zuständigen Referenten im Bundesministerium der Finanzen lässt diesen Schluss zu, vgl. nur Pötzsch / Möller, WM-Sonderbeilage 2/2000, S. 17, 24 und 29. 17 So können die konkurrierenden Bieter gemäß Note 1 zu Rule 20.2 City Code insbesondere nicht „Eins-zu-Eins“ die Herausgabe der dem white knight zugänglich gemachten Informationen verlangen, sondern sind auf das Stellen spezifischer Fragen beschränkt, vgl. hierzu Button, Guide to the City Code, S. 472 ff. 18 Krause in Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 22 WpÜG, Rn. 97 hält dies für „ganz offensichtlich“. 19 Wortlaut abgedruckt bei Hirte, WpÜG, S. 317.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
geschichte des Gesetzes der Gegenschluss überzeugender. § 22 WpÜG enthält ausführliche Regelungen zu einzelnen ausgewählten Fragen des konkurrierenden Übernahmeangebots, ohne auf andere einzugehen. Die Norm setzt auch keine Gleichbehandlung aller Bieter oder eine volle Synchronisation aller Aspekte konkurrierender Angebote voraus. § 22 WpÜG will allein die Entscheidungsfreiheit der Angebotsadressaten bei konkurrierenden Angeboten durch eine automatische Verlängerung der Annahmefrist des ursprünglichen Angebots und ein Rücktrittsrecht sichern, ohne eine Optimierung der jeweiligen Angebote untereinander zu regeln. 21 c) Begründungsversuche aus § 33 WpÜG Die Herleitung des Interesses an Bieterkonkurrenz aus dem Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG ist schon deshalb problematisch, weil sich hieraus keine aktiven Handlungspflichten des Vorstands ergeben. Oben wurde dargelegt, dass das Verhinderungsverbot nur regelt, ob der Vorstand in Ansehung der Übernahme überhaupt handeln darf; eine Pflicht zum Tätigwerden oder eine Bestimmung des dabei zu beachtenden Pflichtenprogramms lässt sich dagegen nicht ableiten. Zudem müsste der Vorstand sich von einer solchen aus § 33 I S. 1 WpÜG folgenden Pflicht dann auch konsequenterweise mit Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG suspendieren können. Im Rahmen des hierbei gemäß § 3 III WpÜG zu beachtenden Gesellschaftsinteresses hätte er aber dann wieder das Aktionärsinteresse an Bieterkonkurrenz zu beachten. Angesichts dieser zirkulären Tendenz kommt dem Umweg über Verhinderungsverbot und Ausnahmetatbestand kein Eigenwert zu. d) Das Postulat eines „übernahmerechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes“ Wenn und soweit ein Gleichbehandlungsanspruch aus der „konkurrenzfördernden Grundhaltung des WpÜG“ 22 oder aus dem Interesse der Aktionäre an optimaler Bieterkonkurrenz auf der Grundlage einer Gesamtanalogie der §§ 16 I, 11 II, 22 III und 33 I S. 2 Var. 2 WpÜG 23 hergeleitet werden soll, vermag dieser etwas „diffuse“ Ansatz ebenfalls nicht zu überzeugen. Als modernes Gesetz enthält das WpÜG in § 3 eine ausdrückliche Normierung betreffend „Allgemeine Grundsätze“. Dort wird die Gleichbehandlung der Inhaber von Wertpapieren 20
Vgl. die Nachweise oben auf S. 119 in Fn. 10. So auch Hemeling, ZHR 169 (2005), 275 (290). 22 Fleischer, ZIP 2002, 651 (653); Zitat auch bei Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 145. 23 So Fleischer, a.a.O. 21
§ 5 Rechtsschutz zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen
123
derselben Gattung vorgeschrieben (§ 3 I WpÜG), ferner dass die Aktionäre über genügend Zeit und Informationen verfügen müssen, um über das Angebot entscheiden zu können (§ 3 II WpÜG) und dass die Organe der Zielgesellschaft im Interesse derselben zu handeln haben. Ein Grundsatz, dass alle Bieter gleich zu behandeln sind, findet sich dort nicht. Die Annahme einer Gesamtanalogie aus allerlei Vorschriften des WpÜG mag rechtstechnisch als „last resort“ fungieren, gibt aber keine konkreten Antworten auf die ungeklärten Fragen auf Tatbestandsund Rechtsfolgenseite eines Gleichbehandlungsanspruchs. 3. Zwischenergebnis Ein Gleichbehandlungsanspruch ist zwar grundsätzlich wünschenswert, erfordert jedoch eine klare gesetzliche Ausgestaltung sowohl auf Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite. Im Rahmen ihres gesetzgeberischen Gestaltungsrahmens obliegt der Legislative die Klärung, inwieweit ein kapitalmarktrechtliches Gleichbehandlungsgebot die allgemeine aktienrechtliche Ermessensentscheidung des Vorstands beeinflusst, denn jedenfalls jenseits einer konkreten Übernahmesituation steht es im unternehmerischen Ermessen des Vorstands der Zielgesellschaft, ob er Unternehmensinterna im Rahmen einer due diligence preisgibt. 24 Ohne eine solche gesetzliche Regelung ist der Vorstand gemäß § 3 III WpÜG nur den Interessen der Zielgesellschaft verpflichtet. Ein außerhalb der Gesellschaft und ihrer Aktionäre liegendes Bieterinteresse lässt sich deswegen nicht schlüssig begründen. Ohne gesetzliche Fundierung wird man lediglich vertreten können, dass das allgemeine Aktionärsinteresse insoweit modifiziert wird, als ein übernahmespezifisches Interesse der Aktionäre an einem optimalen Konkurrenzkampf der Bieter, der daraus resultierenden Entscheidungsvielfalt und den verbesserten Angebotsbedingungen hinzutritt. Die Förderung von Bieterkonkurrenz durch den Vorstand der Zielgesellschaft liegt damit im Interesse ihrer Aktionäre. Das vom Vorstand bei seiner Ermessensentscheidung zu beachtende Aktionärsinteresse an optimalen Angebotsbedingungen determiniert gleichsam spiegelbildlich den informationellen Gleichbehandlungsanspruch der Bieter. Das Problem liegt darin, dass kein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für dieses spezifische Aktionärsinteresse besteht, an das 24 Vgl. die ausführliche Darstellung auf S. 117 ff. Nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum besteht daher auch der dort favorisierte Informationsanspruch nicht grenzenlos, sondern unterliegt – wie die ursprüngliche Informationsweitergabe an den white knight – den allgemeinen aktienrechtlichen und ggf. insiderrechtlichen Bindungen. Auch die Lit. geht damit davon aus, dass der Gleichbehandlungsanspruch dort seine Grenze findet, wo eine Informationsverschaffung nicht mit dem vom Vorstand im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens wahrzunehmenden Gesellschaftsinteresse an einem Schutz vor Ausforschung durch einen feindlichen Bieter vereinbar wäre, vgl. Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 145; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 77, Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 159.
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2. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischen Handlungen des Vorstands
kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz anknüpfen könnte. Ohne eine solche rechtstechnische Grundlage kann aber das übernahmespezifische Aktionärsinteresse an Bieterkonkurrenz nicht isoliert durchgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr lediglich um einen Abwägungsfaktor im Interessengemenge der business judgment rule, so dass die allgemeinen aktienrechtlichen Regeln bezüglich der richterlichen Kontrolle von Vorstandshandeln eingreifen. Wie oben mehrfach dargelegt bietet sich aber auf dieser Grundlage keine erfolgversprechende Klagemöglichkeit der Aktionäre oder Bieter. Damit wird aber auch der Unterschied zum Rechtsschutz bei Verstößen gegen die Ermessensentscheidung hinsichtlich des „Wie“ von Abwehrmaßnahmen im Fall des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG deutlich. Dort findet eine europarechtlich gebotene übernahmespezifische Modifikation des Aktionärsinteresses dahingehend statt, dass eine Verkaufsentscheidung der Aktionäre gewährleistet sein muss. Will der Vorstand darüber hinweggehen, muss er ein „qualifiziertes“ Gesellschaftsinteresse nachweisen, welches seine Ermessensentscheidung trägt. Die Modifizierung des im Rahmen der business judgment rule beachtlichen Aktionärsinteresses ergibt sich in diesem Fall jedoch aus einer ausdrücklichen gesetzlichen Anknüpfung in Art. 3 I der Übernahmerechtlinie, die auf das WpÜG einwirkt. Nur auf dieser Grundlage ist eine rechtliche und damit auch gerichtliche Durchdringung des Ermessensspielraums der business judgment rule möglich. Die Herleitung eines ungeschriebenen Interesses der Angebotsadressaten an optimaler Bieterkonkurrenz ist demgegenüber zu vage und würde letztlich dazu führen, dass die Gerichte eine eigene Ermessensentscheidung anstelle des Vorstands der Zielgesellschaft treffen würden. Dass die Rechtsprechung diesbezüglich seit jeher erhebliche Vorbehalte hat, ist nicht nur aus vielen Rechtsbereichen des bürgerlichen und öffentlichen Rechts bekannt, sondern ergibt sich letztlich aus dem Gewaltenteilungsprinzip gemäß Art. 20 III GG. 4. Folgerungen für das Rechtsschutzprogramm Zwar ist ein kapitalmarktrechtliches Aktionärsinteresse an der optimalen Förderung von Bieterkonkurrenz anzuerkennen, das jedoch weder die Aktionäre, noch der Bieter in Gestalt eines informationellen Gleichstellungsanspruchs durchsetzen können. Es handelt sich um eine unternehmerische Ermessensentscheidung des Vorstands, für die das AktG eine Inhaltskontrolle durch die Aktionäre oder die Hauptversammlung nicht vorsieht, sondern die Aufsichts- und Kontrollbefugnisse allein dem Aufsichtsrat zuweist. Auch auf der Grundlage der „Holzmüller“bzw. „Gelatine“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Rechtsschutz der Aktionäre nur bei rechtswidriger Verkürzung der mitgliedschaftlichen Verwaltungsund Vermögensrechte anerkannt. Ein solcher Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht ist jedoch bei der Verletzung des Aktionärsinteresses an optimaler Bieterkonkurrenz nicht gegeben. Der Vorstand beeinträchtigt die Aktionäre vielmehr in
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der optimalen Verkaufsmöglichkeit ihrer Aktien, mithin in einer „marktlichen“ Schutzposition. 25 Dies zeigt, dass die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger betroffen sind. Verletzt wird gerade ein übernahmespezifisches Interesse, welches zudem nur als Folge der vom Vorstand eingeschlagenen white knight defense entsteht. Die Frage nach einem angemessenen Rechtsschutzumfang und dessen dogmatischer Verankerung ist so schwierig zu beantworten, weil es um die angemessene Berücksichtigung eines kapitalmarktrechtlichen Interesses in einer aktienrechtlichen Ermessensentscheidung geht und der Gesetzgeber sich einer Regelung enthalten hat. In den Worten Schmidt-Preuß’ könnte man formulieren, dass der Gesetzgeber die widerstreitenden Interessen der beteiligten Privatrechtssubjekte gerade nicht im Rahmen eines normativen Konfliktschlichtungsprogramms untereinander gewichtet und einer Regelung zugeführt hat. Weil Letzteres die Grundlage eines jeden Rechtsschutzes der Beteiligten ist, 26 ergibt sich aus den Prämissen dieser Arbeit mit Selbstverständlichkeit, dass weder Aktionäre noch konkurrierende Bieter insoweit kapitalmarktrechtliche Ansprüche gerichtlich durchsetzen können.
25 26
Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 11. Vgl. hierzu eingehend oben S. 78 ff.
Dritter Teil
Kapitalmarktrechtlicher Rechtsschutz des Bieters bei übernahmespezifischer Beteiligung der übrigen Organe § 6 Rechtsschutz bei Beteiligung des Aufsichtsrats I. Ein- und Pflichtenbindung des Aufsichtsrats Im Rahmen der Untersuchung der Rolle des Aufsichtsrats sollen zum einen die übernahmespezifischen Situationen herausgearbeitet werden, in denen der Aufsichtsrat beteiligt ist und zum anderen geklärt werden, ob der Aufsichtsrat hierbei als Kontroll- oder originäres Verwaltungsorgan agiert. Letztgenannte Frage wird Auswirkungen auf das anwendbare Rechtsschutzsystem mit sich bringen. Die übernahmespezifische Beteiligung des Aufsichtsrats wird aus der Sicht des Bieters in drei Situationen relevant. So ist der Aufsichtsrat im Rahmen des Ausnahmetatbestands des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG eingebunden, wenn und weil er den Abwehrmaßnahmen des Vorstands zustimmen muss. Die gleiche Zustimmung des Aufsichtsrats ist vorgesehen, wenn der Vorstand einen Vorratsbeschluss ausnutzen möchte, § 33 II S. 4 WpÜG. Schließlich ist zu fragen, welche Rolle der Aufsichtsrat bei der Vornahme von Abwehrmaßnahmen unter Geltung des § 33a II WpÜG einnimmt. Unternimmt der Vorstand Abwehrmaßnahmen, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats erlaubt sind (§§ 33 I S. 2 Var. 3 und II S. 4 WpÜG), so unterliegt der Aufsichtsrat nicht dem Verhinderungsverbot gemäß § 33 I S. 1 WpÜG, weil er den Vorstand ansonsten hiervon durch seine Zustimmung nicht befreien könnte. Der Aufsichtsrat handelt insoweit jedoch nicht als Kontroll-, sondern als originäres Leitungsorgan, das an der Geschäftsführung gleichberechtigt mitwirkt. 1 Es sind deswegen für diese unternehmerischen Entscheidungen die selben Ermessensspielräume und -grenzen für Vorstand und Aufsichtsrat anzuwenden. 2 Dies ergibt 1 Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11); Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178, Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 183. 2 Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 21; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (11); Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 178.
§ 6 Rechtsschutz bei Beteiligung des Aufsichtsrats
127
sich schon daraus, dass § 116 AktG zur Bestimmung des Pflichtenprogramms des Aufsichtsrats auf den für den Vorstand geltenden aktienrechtlichen Sorgfaltsmaßstab des § 93 I AktG verweist und § 3 III WpÜG beide Organe der Zielgesellschaft auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet. Somit ist auch der Aufsichtsrat an die Beachtung des Verkaufsinteresses der Angebotsadressaten gebunden, das sich durch die Einwirkung des Art. 3 I der EU-Übernahmerichtlinie auf § 3 III WpÜG ergibt. Dass der Aufsichtsrat als Verwaltungsorgan agiert, ist dem AktG insoweit nicht fremd, denn es sieht dies noch in einer Vielzahl von anderen (nicht übernahmespezifischen) Situationen vor, so etwa im Rahmen der §§ 84, 87, 89 oder 112 AktG.
II. Rechtsschutz des Bieters gegenüber dem Aufsichtsrat Bei der Behandlung der Rechtsschutzproblematik ist danach zu differenzieren, ob der Aufsichtsrat als Kontrollorgan oder als Verwaltungsorgan tätig wird. Im ersten Fall gelten die allgemeinen aktienrechtlichen Regeln der §§ 147 ff., 93 II, 116 AktG zur aufsichtsrechtlichen Innenhaftung. Frühere Defizite bei der Durchsetzung des innergesellschaftlichen Schadensersatzanspruchs gegen den Aufsichtsrat 3 wurden durch die Neufassung der §§ 147 und 148 AktG zumindest abgemildert. 4 Die Aktionäre können über die Hauptversammlung nunmehr besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen einschalten oder (nach erfolgreichem Klagezulassungsverfahren) selbst tätig werden. Gestaltet der Aufsichtsrat die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft hingegen durch Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen mit, so entscheidet er grundsätzlich nach eigenem unternehmerischem Ermessen entsprechend der business judgment rule. 5 Wie oben dargetan, weisen im Fall einer feindlichen Übernahme zumindest die Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat eine Tendenz zu opportunistischem Handeln auf. Der Aufsichtsrat muss daher eine Einschränkung seines Ermessensspielraums hinnehmen. 6 Er vermag über das Interesse der Aktionäre an einer ungehinderten Desinvestitionsentscheidung mithin nur hinweggehen, wenn er ein qualifiziertes Gesellschaftsinteresse darlegen kann. Überschreitet der Aufsichtsrat diese Ermessensgrenzen, so steht dem Bieter derselbe Rechtsschutz zur Verfügung wie gegen pflichtwidrige Ermessensentscheidungen des Vorstands (Verletzung der Regeln bezüglich des „Wie“). Es gilt damit das oben 7 Gesagte entsprechend. Bei unzulässigen Abwehrmaßnahmen, 3
Gemäß § 78 I AktG ist hierzu grundsätzlich der Vorstand berufen. Zum UMAG vgl. oben S. 38 und zu den Durchsetzungsmöglichkeiten der Aktionäre eingehend Zieglmeier, ZGR 2007, 144 (145). 5 Hoffmann-Becking, in: Münch Hdb. AG, § 33 Rn. 60. 6 Vgl. hierzu eingehend oben S. 100 ff. 4
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3. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischer Beteiligung übriger Organe
die sich auf einen vermeintlich erfüllten Ausnahmetatbestand gemäß § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG stützen, hat der Bieter damit die Wahl, ob er gegen die Gesellschaft, den Vorstand und zusätzlich gegen den Aufsichtsrat vorgeht. Weil der Aufsichtsrat einer geplanten Abwehrmaßnahme der Gesellschaft nur einmalig zustimmen muss, im anschließenden Implementierungsprozess jedoch weitgehend passiv bleiben wird, ist eine Einbeziehung des Aufsichtsrats als Antragsgegner einer einstweiligen Verfügung wohl von geringem Zusatznutzen. Andererseits wird sie das Schadensersatzrisiko des Antragstellers gemäß § 945 ZPO nicht wesentlich erhöhen, weil dem Aufsichtsrat noch seltener als dem Vorstand ein eigener Schaden dadurch entstehen wird, dass er in unberechtigter Weise an der Abwehr eines Übernahmeangebots gehindert wird.
7
S. 108 ff.
§ 7 Rechtsschutz bei Beteiligung der Hauptversammlung I. Arten der möglichen Hauptversammlungsbeteiligung Die Beteiligung der Hauptversammlung zur Regelung der Abwehrbefugnisse des Vorstands hat in der Praxis bislang wenig Bedeutung erlangt. Ausschlaggebend hierfür wird zum einen die (trotz Erleichterungen in § 16 IV WpÜG) zeitliche und rechtliche Unflexibilität in der hektischen Phase eines Übernahmeangebots sein. Zudem dürfte das Zustandekommen der erforderlichen Beschlussmehrheit im Vorfeld oft unsicher zu prognostizieren sein. Angesichts der – zumeist – attraktiven Verkaufschance und des auf deren Vereitelung gerichteten Beschlussvorschlags sind eine höhere Präsenz und niedrigere Beschlussquoten in der Hauptversammlung zu erwarten. Überdies dürfte die ohnehin stets bestehende Gefahr der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen in der Übernahmesituation deutlich ansteigen. Angesichts dieser nur geringen Praxisrelevanz sollen die denkbaren Beschlussvarianten im Folgenden nur knapp dargestellt werden, bevor dann die Rechtsschutzmöglichkeiten behandelt werden. 1. Vorratsbeschluss gemäß § 33 II WpÜG Die Hauptversammlung kann den Vorstand gemäß § 33 II WpÜG zur Durchführung von Abwehrmaßnahmen ermächtigen, ohne dass ein konkretes Übernahmeangebot abgegeben wurde. Die Ermächtigung im Voraus hat für den Vorstand den Vorteil, dass sie nicht mehr in der „heißen“ Phase eines Übernahmekampfs angefochten werden kann. Für die Aktionäre hat die Ermächtigung im Voraus den Nachteil, dass sie sich selbst ihrer privatautonomen Verkaufsentscheidung begeben, ohne im Zeitpunkt der Beschlussfassung den Bieter oder der Inhalt seines Angebots zu kennen (Anschauungsdefizit). 1 Wegen dieser weitreichenden Folgen und dem Anreiz zu eigennützigem Handeln des Vorstands sieht § 33 II WpÜG besondere Tatbestandsvoraussetzungen vor: Die Abwehrmaßnahmen müssen im Vorratsbeschluss „der Art nach“ bestimmt werden (§ 33 II S. 1 WpÜG), die Ermächtigungsdauer ist auf höchstens 18 Monate ab Beschlussfassung begrenzt (§ 33 II S. 2 WpÜG), schärferen Mehrheitserfordernissen unterstellt (mindestens
1 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 202; Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG, 1. Aufl. § 33 Rn. 30 und auch Begr. RegE, BTDrucks. 14/7034, S. 58.
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3. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischer Beteiligung übriger Organe
3/4 des vertretenen Grundkapitals, § 33 II S. 3 WpÜG) und schließlich unter einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats gestellt (§ 33 II S. 4 WpÜG).
Nach dem Wortlaut des § 33 II S. 1 WpÜG ist davon auszugehen, dass die Hauptversammlung den Vorstand zu Abwehrmaßnahmen ermächtigen kann, die in ihre originäre Zuständigkeit fallen. Man könnte die Norm deshalb dahin auslegen, dass die Hauptversammlung sämtliche gesetzlichen und ungeschriebenen Kompetenzen im Voraus an den Vorstand übertragen kann. 2 Ein solches Verständnis bedeutet eine erhebliche Erweiterung der gesellschaftsrechtlich sehr eingeschränkten Delegationsbefugnis (wegen des Prinzips der formellen Satzungsstrenge gemäß § 23 V AktG, § 1 III UmwG ist gesellschaftsrechtlich eine ausdrückliche gesetzliche Einzelfallermächtigung erforderlich). 3 Eine solche Interpretation des § 33 II WpÜG ist jedoch wegen des oben beschriebenen Anschauungsdefizits erheblichen rechtspolitischen Zweifeln ausgesetzt, zumal der opportunistische Anreiz des Vorstands eine neutrale Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre nicht gewährleistet. Überzeugender dürfte es daher nach der wohl herrschenden Gegenauffassung sein, nur solche Kompetenzen der Hauptversammlung unter § 33 II WpÜG zu fassen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften an die Verwaltung delegiert werden dürfen. 4 Hierfür spricht auch, dass ansonsten ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung Vorratsermächtigungen zur Durchführung einer Umwandlung, Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens oder gar zur Liquidation der Gesellschaft zulässig wären, was ersichtlich zu weit geht, zumal auch weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung 5 oder die Systematik 6 des Gesetzes ein solches Verständnis nahe legen. Der Vorstand kann damit zur 2 Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG 2. Aufl., § 33 Rn. 36 f.; Schneider, AG 2002, 125 (131); in der 2. Auflage nunmehr kritischer: Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 167. 3 Vgl. z. B. §§ 71 I Nr. 8 (Erwerb eigener Aktien), 202 II, 204 I S. 2 (Genehmigtes Kapital), 221 II (Wandelschuldverschreibungen), 58 II AktG (Verwendung Jahresüberschuss). 4 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 206; Röh, in: Frankfurter Komm WpÜG, § 33 Rn. 167; Schlitt, in: Münch Komm AktG Bd. 9/1 (WpÜG), § 33 Rn. 205; Ekkenga, in: Ehricke / Ekkenga / Oechsler, WpÜG, § 33 Rn. 76; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 96. 5 In Begr. RegE BT-Drucks. 14/7477, S. 53 heißt es hierzu lediglich: „Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, verbleiben weiterhin in deren Zuständigkeit. Derartige Maßnahmen kann der Vorstand daher nur dann durchführen, wenn er hierzu von der Hauptversammlung ermächtigt wurde“. Dies lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 33 II WpÜG beabsichtigt hat, die aktienrechtlichen Delegationsgrenzen zu ändern; so aber Steinmeyer / Häger, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG 2. Aufl., § 33 Rn. 37. 6 Bei engerem Verständnis der Delegationsmöglichkeit kommt § 33 II WpÜG neben § 33 I S. 1, 3 WpÜG zwar eine geringere, aber durchaus noch eine eigenständige Bedeutung zu, weil der Vorstand ohne Vorausermächtigung selbst mit Zustimmung des Aufsichtsrats nur Maßnahmen vornehmen darf, die außerhalb der Zuständigkeit der Hauptversammlung liegen.
§ 7 Rechtsschutz bei Beteiligung der Hauptversammlung
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Vornahme einer in die Kompetenz der Hauptversammlung fallenden und aktienrechtlich delegierbaren Maßnahme im Voraus ermächtigt werden, wenn sie „der Art nach“ bestimmt ist. Er entscheidet dann unter Mitwirkung des Aufsichtsrats nach pflichtgemäßem Ermessen i. S. d. § 93 I S. 2 AktG darüber, ob und gegebenenfalls wie er die Vorausermächtigung in der konkreten Übernahmesituation ausnutzen möchte. Er ist gemäß § 3 III WpÜG an das Gesellschaftsinteresse gebunden, erfährt aber keine Einschränkung seines Ermessensspielraums durch die Berücksichtigung der Veräußerungsentscheidung der Aktionäre. Zwar wurde ein solches übernahmespezifisches Aktionärsinteresse oben aus der europarechtlichen Einwirkung des Art. 3 I der Übernahmerichtlinie begründet. Beschließt die Hauptversammlung jedoch eine Vorratsermächtigung zur Übernahmeabwehr, so hat sich die Aktionärsmehrheit ihrer Desinvestitionsentscheidung im Vorfeld entledigt. Eine engere Pflicht wird man nur bejahen können, wenn die Hauptversammlung konkrete Vorgaben auch zur Ausübung der Vorausermächtigung getroffen hat. In Umsetzung der Übernahmerichtlinie bestimmt § 289 IV Nr. 8 HGB eine Pflicht zur Offenlegung bestehender Übernahmehindernisse im Lagebericht. Einem potentiellen Bieter wird auf diese Weise ermöglicht, Übernahmehindernisse in seine Planung einzubeziehen. 2. Ad hoc-Beschluss Die Ermächtigung des Vorstands zu Abwehrmaßnahmen während der Laufzeit eines Übernahmeangebots („Ad hoc-Zustimmung“) ist im WpÜG nicht eigens geregelt. Die Zulässigkeit eines derartigen Hauptversammlungsbeschlusses wird jedoch einhellig anerkannt 7 und im WpÜG auch in § 16 III und IV vorausgesetzt. Ein Bedürfnis hierzu besteht zum einen, weil Vorstand und Aufsichtsrat – wie oben gezeigt – im Fall des § 33 I S. 2 Var. 3 WpÜG einer übernahmespezifischen Pflichtenbindung hinsichtlich des „Wie“ gemäß § 3 III WpÜG iVm Art. 3 I der Übernahmerichtlinie unterworfen sind. 8 Zum anderen ist ein Ad hoc-Beschluss selbst bei Vorliegen eines „qualifizierten“ Unternehmensinteresses dann erforderlich, wenn Vorstand und Aufsichtsrat Maßnahmen einleiten möchten, für die nach den aktienrechtlichen Vorschriften die Hauptversammlung zuständig ist. 9 Daneben kann der Vorstand auch aus „politischen“ Gründen oder um seine mögliche persönliche Haftung auszuschließen, nur mit Zustimmung der Aktionäre handeln wollen. Für die Ad hoc-Hauptversammlung gelten die allgemeinen Regeln des Aktienrechts, die jedoch in § 16 IV WpÜG Erleichterungen bezüglich Einberu7 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 58; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 89; Krause, NJW 2002, 705 (713); Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 188; Pötzsch, Übernahmerecht, S. 42 ff.; Marsch-Barner, in: Bad Homburger Handbuch Übernahmerecht, E 52; Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (13). 8 Vgl. hierzu eingehend oben S. 99 ff. 9 Vgl. die Darstellung zur zweistufigen Prüfung auf S. 23 ff.
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3. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischer Beteiligung übriger Organe
fung und Abhaltung erfahren, wenn die Hauptversammlung „im Zusammenhang mit dem Angebot nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage“ einberufen wird. Anders als die Vorratsermächtigung des § 33 II WpÜG ist die Ad hoc-Ermächtigung nicht auf Maßnahmen beschränkt, die in die originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, sondern kann auch allgemeine Geschäftsführungsmaßnahmen vom Verhinderungsverbot suspendieren. Die Ermächtigung muss die Abwehrmaßnahme konkret definieren und wird grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen, § 133 I AktG. Wenn und soweit der Bieter bereits Aktien an der Zielgesellschaft erworben hat, ist er nach ganz hM bei der Abstimmung der Ad hoc-Hauptversammlung stimmberechtigt. 10 3. Ermächtigungsbeschluss gemäß § 33a II S. 2 Nr. 1 WpÜG Auch unter Geltung des „strengen“ Verhinderungsverbots des § 33a WpÜG sind Handlungen, zu denen die Hauptversammlung den Vorstand oder Aufsichtsrat nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots ermächtigt hat, vom Verhinderungsverbot ausgenommen. Eine solche Ermächtigung unterscheidet sich von der Ermächtigungsentscheidung der Hauptversammlung gemäß § 33 II WpÜG in vielerlei Hinsicht, weil sie zwingend erst nach Angebotsabgabe erfolgen kann und auch anders als § 33 II WpÜG den Ermächtigungsgegenstand nicht auf Maßnahmen beschränkt, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen. Schließlich bestehen andere Mehrheitserfordernisse, weil der Ermächtigungsbeschluss in § 33a II Nr. 1 WpÜG mit einfacher Mehrheit getroffen werden kann. 11 Damit ist die Regelung zwar nicht mit § 33 II WpÜG, jedoch mit den Anforderungen an einen Ad hoc-Ermächtigungsbeschluss unter Geltung des § 33 I WpÜG kongruent. Auch für die Durchführung der Abwehrhauptversammlung und hinsichtlich der möglichen Beschlussgegenstände gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer Ad hoc-Hauptversammlung einer Zielgesellschaft, die nicht für das europäische Verhinderungsverbot optiert hat. 12 Aufgrund dieser Kongruenz gilt für beide Ermächtigungsbeschlüsse auch dasselbe Rechtsschutzprogramm, so dass sie im folgenden Kapitel zusammen dargestellt werden.
10 Vgl. statt aller Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 197 und oben S. 38. 11 Kiem, in: Kölner Komm WpÜG, § 33a Rn. 40. 12 Vgl. Begr. RegE ÜR-UG, BT-Drucks. 16/1003, S. 19 ff. und Steinmeyer, in: Steinmeyer / Häger, WpÜG 2. Aufl., § 33a Rn. 10.
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II. Rechtsschutzmöglichkeiten 1. Vorratsbeschluss gemäß § 33 II WpÜG Erfüllt der Vorausermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung die in § 33 II WpÜG genannten Anforderungen, so ist er kraft Gesetzes gerechtfertigt. Eine darüber hinaus gehende Inhaltskontrolle ist nicht zulässig. 13 Diese Tatsache ist letztlich Folge des oben 14 beschriebenen dreistufigen Befugnisanstiegs, wonach der Spielraum für Abwehrmaßnahmen in § 33 I S. 2 und II WpÜG von der niedrigsten Stufe (Vorstand alleine), über die mittlere (Vorstand und Aufsichtsrat zusammen) ansteigt zur höchsten Stufe (Handeln aufgrund Ermächtigung der Hauptversammlung). Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Vorausbeschluss gemäß § 33 II WpÜG nicht erfüllt wurden, ist nach Fehlerfolge zu differenzieren. Führt die Verletzung des § 33 II WpÜG oder sonstiger aktienrechtlicher Regeln zur Nichtigkeit des Vorratsbeschlusses, so kann er den Vorstand nicht vom Verhinderungsverbot des § 33 I S. 1 WpÜG befreien. Eventuell getroffene Abwehrhandlungen sind in diesem Fall (soweit sie nicht anderweitig gerechtfertigt werden können) rechtswidrig. Der Rechtsschutz entspricht dann den oben 15 dargestellten Grundsätzen bei Überschreiten des „Ob“ der Handlungsbefugnisse des Vorstands. Gegenstand eines etwaigen Rechtsschutzgesuchs ist in diesem Fall die Abwehrmaßnahme selbst; die Nichtigkeit der Vorausermächtigung wird vom Gericht inzident geprüft. Führt die Fehlerhaftigkeit hingegen lediglich zur Anfechtbarkeit des Vorratsbeschlusses, muss zunächst Anfechtungsklage gegen den per se wirksamen Vorratsbeschluss erhoben werden, wobei die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze zur Anwendung kommen. 16 Der Bundestag ist im Gesetzgebungsverfahren einem Vorschlag des Bundesrats, Ermächtigungsbeschlüsse mit einem stärkeren Bestandsschutz zu versehen, nicht gefolgt. 17 Welche Rechtsfolge die im einzelnen denkbaren Beschlussmängel mit sich bringen, soll hier nicht im einzelnen dargestellt werden. 18 Eine Anfechtung kann aber jedenfalls nicht darauf gestützt werden, dass mit „eigensüchtigen Machenschaften“ 19 des Vorstands unter Preis13 Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 222; v. Nußbaum, Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 158 ff. m.w. N. 14 Vgl. oben S. 28 ff. 15 Vgl. oben S. 50 ff. 16 Vgl. hierzu die Darstellung oben S. 36 ff. 17 Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034, S. 85 als Reaktion auf den Vorschlag des Bundesrates, an die Stelle einer „wirtschaftlich unsinnigen Rückabwicklung“ andere Ausgleichsmöglichkeiten treten zu lassen. Winter / Harbarth, ZIP 2002, 1 (13) und Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 140 weisen zu Recht darauf hin, dass es sich hierbei um ein allgemeines Problem des Aktienrechts handle, so dass allenfalls eine allgemeine Regelung im AktG erfolgen könnte.
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3. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischer Beteiligung übriger Organe
gabe der Aktionärsinteressen zu rechnen sei. Der Gesetzgeber hat dieses Risiko gesehen und hingenommen. 20 Durch die Vorausermächtigung hat die qualifizierte Aktionärsmehrheit auf ihre Entscheidungsmöglichkeit in Ansehung des Angebots verzichtet und sich gleichsam bereits im Vorfeld gegen die Annahme entschieden, indem sie die Entscheidung hierüber an den Vorstand delegiert hat. In der agencyTerminologie könne man formulieren, dass sich das agency problem nun nicht mehr zwischen Aktionären der Zielgesellschaft, sondern innerhalb der Gruppe der Aktionäre als Minderheitenschutzproblem stellt. Es gilt hier aber der allgemeine aktienrechtliche Grundsatz, dass die Minderheit eine Mehrheitsentscheidung zu respektieren hat, wenn und weil sie formell und materiell 21 rechtmäßig ergangen ist. Der Gesetzgeber hat den Aktionären letztlich die Möglichkeit gegeben, ihre individuellen kapitalmarktbezogenen Desinvestitionsentscheidungen im Wege der aktienrechtlichen Willensbildung vorzunehmen. Es mag methodisch nicht besonders glücklich gelöst sein, die kapitalmarktliche Individualentscheidung den gesellschaftsrechtlichen Mehrheitsprinzipien zu unterwerfen, dies beruht aber letztlich auf der schon mehrfach beschriebenen Doppelstellung der Aktionäre als Kapitalanleger und Verbandsmitglieder, die der Gesetzgeber inhaltlich ausgestalten kann. Liegt die Rechtswidrigkeit des Vorstandshandeln darin, dass er den Ermächtigungsbeschluss unrichtig umsetzt, mithin nicht mehr erfasste Abwehrmaßnahmen einleitet, so richtet sich der Rechtsschutz nach den allgemeinen Regeln bei Verstoß gegen das „Ob“ der übernahmespezifischen Organpflichtenregelung. Der Vorstand handelt dann nämlich gerade außerhalb der Ermächtigung der Hauptversammlung, so dass er sich nur auf die Ausnahmetatbestände des § 33 I S. 2 WpÜG stützen kann. Interessanterweise bejaht auch Hirte eine solche Rechtsschutzmöglichkeit, obwohl er die Schutzgesetzeigenschaft des § 33 WpÜG gegenüber dem Bieter verneint und auch bezogen auf die Ordnungswidrigkeitennorm des § 60 I Nr. 8 WpÜG nicht eindeutig bejahen will. 22 Er argumentiert, eine (vorbeugende) Un18 Rechtsschutzsuchende sollten sich diesbezüglich an die umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu den §§ 241 ff. AktG halten, vgl. nur statt aller Hüffer, AktG 7. Aufl., § 241 Rn. 8 ff. 19 So die Formulierung bei Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 233. 20 Grunewald, in: Baums / Thoma, WpÜG, § 33 Rn. 89; so auch Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 233. 21 Hier sind auch evtl. zwischen den Aktionären bestehende Treuepflichten zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BGH seit der „Linotype“-Entscheidung in BGHZ 103, 184 ff. und den vielfältigen bestätigenden Urteilen, vgl. BGH NJW 1992, 3167 (3171 li. Sp.), BGHZ 127, 107 (111) und BGHZ 129, 136 (142) – Girmes wird man aber davon ausgehen dürfen, dass in einer börsennotierten AG als kapitalistisch geprägter Publikumsgesellschaft jenseits einer Stimmrechtsbündelung o.ä. nur sehr begrenzt Treuepflichten innerhalb der Gruppe der Aktionäre anzuerkennen sind. Diese Frage des allgemeinen Aktienrechts soll hier nicht vertieft werden.
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terlassungsklage müsse an die Stelle der gegen Vorstandsentscheidungen nicht vorgesehenen Anfechtungsklage treten, weil den Aktionären die Ausübung der von der Hauptversammlung delegierten Rechtsmacht gerichtlich überprüfbar sein müsse. 23 Hirte bejaht eine Klagebefugnis auch künftiger Aktionäre, so dass auch der Bieter in den Kreis der Klagebefugten einbezogen wird. Wenngleich dieser Ansatz im Ergebnis richtig ist, bleibt methodisch unklar, wieso gerade im Fall des § 33 II WpÜG ein Klagerecht des Bieters und der (übrigen) Aktionäre der Zielgesellschaft zugelassen werden sollen, bei einem Fall des § 33 I S. 2 hingegen nicht. In beiden Fällen überschreitet der Vorstand den ihm eröffneten Abwehrrahmen. Der Unterschied ist lediglich, dass im ersteren Fall die Hauptversammlung den Vorstand vorher zu Abwehrmaßnahmen ermutigt bzw. jedenfalls ermächtigt hat. Es kann aber keinen Unterschied machen, auf welcher der drei vorgenannten Stufen der Vorstand rechtswidrige Abwehrmaßnahmen ergreift. 2. Ermächtigungsbeschluss gemäß § 33 a II Nr. 1 WpÜG und Ad hoc-Beschluss Auch die von der Hauptversammlung während der Geltung eines Übernahmeangebots getroffenen Beschlüsse können nach den allgemeinen aktienrechtlichen Regeln angefochten werden. Es darf hierbei vermutet werden, dass vor allem die Verfahrensbeschleunigung gemäß § 16 IV WpÜG und die Verpflichtung des Vorstands zur Berichterstattung über die beabsichtigten Maßnahmen, sowie die generelle Hektik eines Übernahmekampfs die Anfechtungsanfälligkeit solcher Beschlüsse erhöhen wird. Auch der Bieter ist anfechtungsberechtigt, wenn er bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung Aktien an der Zielgesellschaft erworben hatte und gegen den Beschluss form- und fristgerecht Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, § 245 Nr. 1 AktG. Soweit der Hauptversammlungsbeschluss für nichtig erklärt wird, entfaltet dieses Urteil Rechtswirkungen gegenüber allen Aktionären, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, § 248 I S. 1 AktG. Der Vorstand wird daher, wenn Widerspruch zur Niederschrift erklärt worden ist, während des Übernahmekampfes noch nicht sicher wissen, ob die rechtliche Grundlage der im Ermächtigungsbeschluss genannten Abwehrmaßnahme(n) Bestand haben wird oder nicht. 24 Wie bei Vorratsbeschlüssen gilt auch hier, dass nicht nur der Hauptversammlungsbeschluss, sondern auch die Umsetzungshandlungen des Vorstands Gegenstand eines Rechtsschutzgesuchs sein können. Hierbei gilt wie oben, dass eine 22 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG, § 33 Rn. 148 und unentschlossen bezüglich der Schutzgesetzeigenschaft des § 60 I Nr. 8 WpÜG in Rn. 159 „vielleicht auch zugunsten möglicher Aktionäre“. 23 Ders., a.a.O. Rn. 145. 24 Krause, NJW 2002, 713 (714 f.); Krause / Pötzsch, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 33 Rn. 198.
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3. Teil: Rechtsschutz bei übernahmespezifischer Beteiligung übriger Organe
nicht von der Ermächtigung gedeckte Abwehrmaßnahme rechtswidrig ist und damit gegen das „Ob“ der Vorstandspflichtenregelung verstößt, soweit nicht ein anderer Ausnahmetatbestand des § 33 I S. 2 WpÜG eingreift. In diesem Fall gilt dann das oben 25 dargestellte Rechtsschutzsystem.
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Vgl. oben S. 50 ff.
Schlussbetrachtung Der Weg zu einem kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutz schien steinig und schwer. Weil sich der Gesetzgeber bei Schaffung des WpÜG einer klaren Regelung enthalten hat, stellte sich die schwierige Selektionsaufgabe, welche Normen Anknüpfungspunkt für subjektive Rechte sein konnten und sollten. Mangels methodischer Grundlage war es kaum überraschend, dass sich die Wissenschaft und Praxis auf die Eigenschaft des Kapitalanlegers als Aktionär besann und Rückgriff auf das gefestigte aktienrechtliche Rechtsschutzregime nahm. Es wurde im ersten Teil der Untersuchung gezeigt, dass dieser Weg nicht geeignet ist, auf den opportunistischen Anreiz der Organe der Zielgesellschaft angemessen zu reagieren. Ausgehend von der herrschenden Kommentarliteratur, welche die Anwendbarkeit der business judgment rule in der feindlichen Übernahmesituation verneint, ging die Arbeit einen Schritt weiter und verdeutlichte, dass auch der rechtsschutzfreie Raum, den die business judgment rule mit sich bringt, nicht gerechtfertigt ist. Dies führt zu einem Gleichlauf von materiellem Recht und dem zugehörigen Rechtsschutz. Der zweite Teil der Untersuchung widmete sich sodann der Erarbeitung der für die Schaffung kapitalmarktrechtlichen Rechtsschutzes notwendigen methodischen Grundlagen. Aufgrund der Doppelnatur des Kapitalmarktrechts als öffentliche und bürgerliche Rechtsmaterie konnte Rückgriff genommen werden auf grundlegende Arbeiten zum kartell- und verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzregime. So basiert die Arbeit auf der Übertragung der Figur des sekundären subjektiven Rechts vom Kartell- zum Kapitalmarktrecht und schafft so die Grundlage einer „rechtstechnischen Anknüpfung“ subjektiver Rechte im WpÜG. Dies führte zu der Erkenntnis, dass die Doppelstellung des Kapitalmarktrechts zwischen bürgerlichem und öffentlichem Recht auch zu subjektiven zivilrechtlichen und öffentlichen Rechten führen kann und daher auch der Inhalt der subjektiven Rechtsposition einer Untersuchung bedarf. Nach Herausarbeitung der verschiedenen Selektionsaufgaben erfolgte unter Rückgriff auf die von Schmidt-Preuß entwickelten Methodik des normativen Konfliktschlichtungsprogramms eine Untersuchung der verschiedenen Normen des WpÜG hinsichtlich ihrer Eignung als Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB. Hilfreich war hierbei auch die Klärung des dogmatischen Verhältnisses von § 33 und § 3 III WpÜG als Regelungen zum „Ob“ und „Wie“ der jeweiligen Organbefugnisse. Hierdurch entstanden konkrete und nachvollziehbare Ergebnisse jenseits rechtspolitischer Wertungen. Dank einer entsprechenden normativen Konfliktschlich-
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Schlussbetrachtung
tungsregelung des Gesetzgebers konnten sekundäre subjektive Rechte beim „Ob“ auf der Grundlage des § 33 (a) WpÜG bejaht werden. Auch bei Verstößen gegen das „Wie“ ergab sich eine hinreichende gesetzliche Anknüpfung auf der Basis des § 3 III WpÜG iVm Art. 3 I der EU-Übernahmerichtlinie. Konsequent ist es, sekundäre subjektive Rechte auf informationelle Gleichbehandlung bei Bieterkonkurrenz abzulehnen, auch wenn diese rechtspolitisch wünschenswert erscheinen mögen. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung in diesem Bereich führt zunächst zu erheblichen Unsicherheiten auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite und konsequenterweise dazu, dass die beteiligten Personen auch nicht die Einhaltung der Konfliktschlichtungsregelung subjektiv durchsetzen können. Die Arbeit versucht schließlich die Klärung der rechtstechnischen und prozessualen Einzelheiten und zeigt auf, dass sich das Risiko von Popularklagen kontrollieren lässt. Die Anwendung der methodischen Erkenntnisse auf Rechtsschutz gegen Aufsichtsrat bzw. Hauptversammlung im dritten Teil veranschaulicht die Robustheit und Zuverlässigkeit, mit der die gefundene Methodik subjektive Rechtsschutzfragen zu klären vermag. Angesichts der eingangs erwähnten Mannesmann-Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs und des damit verbundenen Niedergangs des „golden handshakes“ sind in Zukunft vermehrt hitzige Auseinandersetzungen in feindlichen Übernahmesituationen zu erwarten. In diesem Zusammenhang könnte sich eine Möglichkeit bieten, die Ergebnisse der Untersuchung auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Die Arbeit hat insgesamt nicht den Anspruch, ein unumstößliches kapitalmarktrechtliches Rechtsschutzsystem aufzustellen, sondern versucht, nachvollziehbare methodische Grundlagen für die Ermittlung sekundärer subjektiver Rechte im WpÜG zu geben. Auch wenn die Beschränkung auf die feindliche Übernahmesituation angesichts der Fülle der Regelungsprobleme des WpÜG notwendig war, könnte die Arbeit gleichwohl Anregungen bei der Klärung von Rechtsschutzproblemen in anderen Bereichen des Kapitalmarktrechts geben. Auch wenn sich die Arbeit von den gängigen Ansichten zu diesem Problembereich deutlich absetzt, so erfolgt dies vor allem wegen der Untauglichkeit des AktG, das bei Schaffung im Jahre 1965 das Phänomen eines feindlichen Übernahmeangebots und die dadurch veränderte Interessenlage nicht kannte. Im Übrigen schrieb schon Franz Kafka: „Wege entstehen, indem man sie geht.“
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Sachverzeichnis Abwehrmaßnahmen 23 ff. Ad hoc-Publizität 89 Agency problem / Konflikte 16 ff., 80, 120, 134 Aktienrechtliches Neutralitätsgebot 74 f., 102 Aktivlegitimation 76 f., 95 Amtshaftungsansprüche 89, 92 – Drittgerichtetheit der Amtspflicht 89 Anfechtungsbeschwerde (§ 48 I WpÜG) 77f., 82 Äquivalenzinteresse des Bieters 39, 44, 58, 72, 95 Aufsichtsrat 18, 21, 28 ff., 126 ff. – Arbeitnehmervertreter 18, 29 – Ein- und Pflichtenbindung des Aufsichtsrats 126 Auslegungsgrundsätze 51 Ausnahmetatbestände 24 ff., 75, 81, 126, 135 Autonomes Gesellschaftsinteresse 102 Beschwerde (§ 48 III WpÜG) 66, 77 f., 82 Bestellung eines Sondervertreters 71 Betroffenheit – Drittbetroffenheit 69, 92 – Individuelle Betroffenheit 53, 59 – Rechtsererhebliche Betroffenheit 77 – Reflexhafte Betroffenheit 77 Binnenstruktur der Aktiengesellschaft 20 f. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – Aufgaben und Befugnisse 62 f. – Ermittlungs- und Informationserhebungskompetenzen 90 f. Business judgment rule 20, 27 f., 100 ff., 124, 127, 137
– Modifizierung 27, 100 ff., 124 Bußgeldtatbestände 65, 85 – Abschreckungseignung der Bußgeldtatbestände 65, 67 Checks and balances 21, 41 City Code on Takeovers and Mergers 119 ff. Desinvestitionsentscheidung 18, 26, 108, 127, 131, 134 Due diligence 117 f., 121 f. Eigeninteresse 16 f., 27 ff., 39 ff., 49, 72, 99 ff., 108, 112 Funktionenschutz 85 Gleichbehandlungsansprüche 26, 117 ff. – Bieterkonkurrenz 117 – Informationsweitergabe an (konkurrierende) Bieter 117 Gleichbehandlungsgebot 23, 49, 123 Golden handshake 138 Hauptversammlung 20 ff. – Ad hoc-Beschluss 131, 135 – Ermächtigungsbeschluss 132 – Hauptversammlungskompetenzen 35 ff., 44 f., 96, 114 f., 129 ff. – Vorratsbeschluss 32 f., 129, 133 f. Holzmüller / Gelatine-Grundsätze 35 f., 38, 44, 115, 124 Informations- und Werbemaßnahmen 23 ff. Institutionenschutz 54, 56, 59 Integritätsschäden 72
Sachverzeichnis Interessenkonflikte 12, 16 f., 80, 100 f. Kartellbeschwerde 82 Konfliktschlichtung 56, 78 ff., 110, 116, 138 Konfliktschlichtungsprogramm 78 ff., 86, 93, 110, 116, 125, 137 Kontrollwechsel 18, 27 Mindestschutz von Grundrechtspositionen 69 ff. Monitoring costs 17 Moral hazard 17 Multipolare Rechtsverhältnisse / Konflikte 77 ff., 81, 84, 116 Negative Externalitäten 73 Neutralitätspflicht – Allgemeine Neutralitätspflicht 26, 29, 30 f., 46 – Neutralitätspflicht des Vorstands 25, 48, 75 Opportunitätsprinzip 64 ff., 72 Opt-in 23, 112 ff., 116 – Motive für und formelle Anforderungen an einen opt-in 113 f. Optionsmodell 13, 82, 113 ff. Opt-out 22, 48, 113 ff. Passivlegimitation 96 f. Popularklagen 73, 76, 91 f., 138 Primäres subjektives Recht 43, 59 f. Principal-agent-theory 16 f. Prisoner’s dilemma 19, 42 Quasi-negatorische Ansprüche 50 Recht auf rechtfehlerfreie Ermessensausübung 66 Rechtmäßiges Alternativverhalten 38 Rechtserhebliches Betroffensein 55, 61, 66, 69, 77, 83
153
Rechtsmacht zur Durchsetzung 41, 53, 59 ff., 70 ff., 91 ff., 117 Rechtsschutz – Aktienrechtliche Aktionärsklage 37, 45, 58, 71, 115 – Aktienrechtliche Mitgliedschaftsklage 34, 36, 58, 116 – Drittanfechtungsklage 86 – Einstweilige Verfügung 37 f., 74, 91 f., 95, 97, 128 – Einstweiliger Rechtsschutz 37, 50, 66, 74, 91, 111 – Gegenstand des Schutzes 36, 59, 86, 109, 133, 135 – Mittel zur Schutzverwirklichung 59 – Rechtsschutzbedarf 48 f., 57 – Stufenverhältnis der Rechtsschutzinstrumente 58 Rechtsschutzform – Ex ante Rechtsdurchsetzung 97 – Ex post Rechtsdurchsetzung 97 f. Rechtsträgerprinzip 87 – Verhältnis öffentlich- und zivilrechtlicher Drittschutz 56 ff., 87 f., 111 Reflexschaden 39, 45, 99 Residual loss 17 Reziprozitätsregelung 113 Richtlinien – Richtlinienkonforme Auslegung 105 ff., 109, 111 – Unmittelbare Wirkung 105 ff. Schadensersatzpflicht gemäß § 945 ZPO 38, 74, 91 f. Schädigung – Aktienrechtliches Schädigungsverbot 23, 40, 43, 49 – Existenzgefährdende Schädigung 71 Schicksalsgemeinschaft 79 f. Schutz – Schutzbereich der Norm 51, 54 f. – Schutzgesetz 50 ff., 61, 76, 83 ff., 109 f., 134, 137
154
Sachverzeichnis
– Schutznormtheorie 83, 87 ff. – Schutzzwecktheorie 52, 61, 77 Sekundäre subjektive Rechte 58 ff., 72 ff., 109 ff., 137 Sekundäres subjektives Drittrecht 59, 61 f., 90 ff. Shareholder value 24 f., 102, 107 Staat-Bürger-Relation 78 Stimmrechtsausschluss 39 Subjektives öffentliches Recht 58 ff., 83 ff.,110 f. Transaktionskosten 73 Treuepflicht 37, 43 f., 93 f. Trustee relationship 48, 66, 81 Übernahmeprämie 17 f., 73, 99, 113 Übernahmerichtlinie 22, 31, 46, 56, 67 f., 81, 84, 104 ff., 127, 131, 138 – Festlegung von Sanktionen 67
– Schaffung einer Aufsichtsstelle 67 Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz 104 Untermaßverbot 70, 84 Verfassungskonforme Auslegung – Normexterne Wirkung 68 – Norminterne Wirkung 68 Verhältnismäßigkeitsprinzip 70 Verhinderungsverbot 14, 22 ff., 39, 42, 46 ff., 76, 80 f., 93, 98, 112 ff., 122, 126, 132 f. Verkehrspflichten 51, 94 f. Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter 94 Vorratsbeschlüsse 32 f., 75, 126, 129, 133, 135 White knight 26, 81, 117 ff. White knight defense 25 f., 118, 120, 125