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German Pages 445 [610] Year 1927
REALLEXIKON DER VORGESCHICHTE ELFTER BAND
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MITWIRKUNG
ZAHLREICHER F A C H G E L E H R T E R HERAUSGEGEBEN VON
MAX EBERT O R D . P R O F E S S O R AN DER U N I V E R S I T Ä T
BERLIN
ELFTER BAND QUADESCH - SEDDIN MIT 160 TAFELN
Berlin 1927/1928 VERLAG WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J . TRÜBNER — VEIT & COMP.
Printed in G e r m a n y Copyright
1 9 2 8 b y Walter de Gruyter & Co.,
Berlin
REALLEXIKON DER VORGESCHICHTE UNTER MITWIRKUNG ZAHLREICHER FACHGELEHRTER
HERAUSGEGEBEN VON
MAX EBERT ORD. P R O F E S S O R
AN DER UNIVERSITÄT BERI.IN
ELFTER BAND ERSTE LIEFERUNG QADESCH — RELIGION M I T 19 T A F E L N
BERLIN 1927 WALTER D E GRUYTER ® CO.
Das Werk ist auf einen Gesamtumfang von 14 Bänden berechnet und erscheint in Lieferungen. — Der Subskriptionspreis
beträgt
GM. 6.— für jede Lieferung von etwa 8 Bogen nebst Texttafeln und Abbildungen. Etwa 6 einfache oder 1 bis 2 farbige Einschalttafeln auf Kunstdruckpapier werden als ein Bogen gerechnet. Verstärkte Lieferungen werden entsprechend höher berechnet.
Der Umfang der vorliegenden Lieferung beträgt 6 Bogen und 13 Einschalttafeln. Gesamttunfang also 8 Bogen. Subskriptionspreis M. 6.—; Ladenpreis M. 7.20.
Q Qadesch ( Q a d e s ; Tf. i). § 1 — 3. Äg. Nachrichten (§ I. Hyksos-Zcit. § 2. Der Sieg Thutraosis I I I . bei Megiddo. § 3. K ä m p f e um Q.). — § 4. Amarna-Briefe. — § 5. Hettitische Berichte. — § 6. Ramses II. — § 7. L a g e der Stadt. — § 8. Ausgrabung. — § 9—10. Andere Orte gleichen Namens.
§ 1. Die Anfänge der Stadt Q. am Orontes liegen vorläufig noch im Dunkel. Ihre große Bedeutung, die sie schon am Anfange des 2. J h t . gehabt haben muß, können wir nur aus einigen Andeutungen äg. Berichte erschließen. Als die Hyksos (s. d.) um 1700 v. C. Ägypten verloren hatten, hielten sie noch geraume Zeit Palästina-Syrien unter ihrer Botmäßigkeit. Hier hatten sie die alten Staatengebilde (z. B. rtnw) zerschlagen und an ihre Stelle größere oder kleinere Stadtfürstentümer gesetzt, deren Macht vor allem auf der adligen Kerntruppe der Wagenkämpfer beruhte (A. A l t Die Landnahme der Israeliten in Palästina 1925 S. 6ff.). Die späteren Ereignisse zeigen deutlich, daß der Mittelpunkt dieser Herrschaft Q. war. Denn zwar war es den Äg. im 1. J h . der 18. Dynastie gelungen, das Gebiet bis zum Euphrat in der Hauptsache zu gewinnen ( J . H. B r e a s t e d A New Chapter in the Li je of Tkutmose III. 1900 S. 26ff.). Aber zum Beginne der Regierung Thutmosis III. (1501 —1448) bildet sich in Syrien ein Bündnis, um die verlorengegangene Unabhängigkeit zu erkämpfen, ja wohl geradezu Ägypten anzugreifen (ÄZ 47 [1910] S. 73ff. K . S e t h e ) . Die treibende K r a f t dieses Bündnisses ist der Fürst von Q., das damals sicher stark befestigt war. § 2. Thutmosis entschloß sich deshalb zu seinem ersten großen Kriegszuge nach Syrien, über den in seinen Ännalen (K. S e t h e Urkunden IV [1907] S. 645ff.; J . H. B r e a s t e d Ancient Records of Egypt II 407 ff.) ausführlich berichtet wird. Wie Kbert
Reallexikon
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weit nach S der Abfall vorgedrungen war, zeigt die Tatsache, daß Megiddo (s. d.) am sw. Rande der Ebene Jesreel der Sammelpunkt des feindlichen Heeres ist. Hier haben sich der Fürst von Q. (qdS) und alle Fürsten der Länder bis nhrjn zusammengefunden ( B r e a s t e d Records II 420). Trotz aller Schwierigkeiten erringt Thutmosis im Mai 1479 v. C. den Sieg über die Feinde und reiche Beute: 340 Gefangene, 83 Hände von Getöteten, 2041 Stuten, 191 Fohlen, 6 Hengste, vom Fürsten von Q. dessen goldgeschmückten Streitwagen, eine wundervolle Bronzerüstung (s. P a n zer C) und silberbeschlagene Zeltstangen (B r e a s t ed a. a. O. S. 435). Der Fürst von Q. flieht in die Stadt; aber diese wird von den Äg. genommen und gebrandschatzt. Pal. J a h r b . 10 ( 1 9 1 4 ) S. 5 4 « .
A. A l t .
§ 3. Damit waren freilich die Feinde noch nicht endgültig erledigt. Denn Thutmosis zieht nun von Megiddo nach N und plündert das Gebiet des Fürsten von Q. Aus den angeführten Namen (Jenoam, Nuges, Herenkeru) ergibt sich, daß es sich weit nach S, etwa bis zum s. Ende des Libanon, erstreckte. Eine Vorstellung von der Höhe der Kultur dieses Landes ermöglicht die Beute der Äg.: außer den üblichen Gefangenen Gold und Silber in Form von Platten, Ringen und Gefäßen, ein Standbild aus Silber, ein weiteres, das den Fürsten von Q. darstellt, mit Lapislázuli geschmückt, ein Zepter, kostbare Stühle und Schemel aus Elfenbein, Ebenholz und Gold ( B r e a s t e d II 436). Die Stadt Q. selbst konnte erst auf dem sechsten Feldzuge genommen werden (ebd. II 465, 585). Aber noch einmal ist trotz aller harten Maßregeln der Widerstand aufgeflammt; denn der 17. Feldzug führt Thutmosis wieder in das Gebiet von Q., wo es zum Kampfe kommt (ebd. II 531 f.,
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QADESCH
589f.), und erst gegen Ende seiner Regierung (um 1450 v. C.) erscheint der F ü r s t von Q. als Besiegter mit T r i b u t (Grab des Mencheperr6 l -seneb B r e a s t e d I I 773; W r e s z i n s k i Atlas I [1924] Tf. 275; W . M. M ü l l e r Egyptological Research.es II [1910] S. 27 f. Tf. 13 u n d vgl. hier Band V I Tf. 101). Amenhotep II. (1448—1420) f ü h r t d a r u m Q. als Gefangenen auf ( B r e a s t e d Records II 798a). § 4. Inzwischen h a t t e sich das Reich der H e t t i t e r gefestigt und seine Macht auf das n. Syrien ausgedehnt. Die Herrscher von Q. kamen in eine schwierige Lage. Sie standen unter äg. Oberhoheit, aber die P h a r a o n e n waren weit entfernt u n d schwach. Aus nächster Nähe wurden sie von den H e t t i t e r n bedrängt. So ist es kein Wunder, daß sie mit diesen Verbindungen a n k n ü p fen. Über diese Verhältnisse berichten die Amarna-Briefe. Herrscher (amelu) von Q. (kidia, kidsi, gidüi, gizza, sogar kinza genannt — an der I d e n t i t ä t ist nicht zu zweifeln trotz Rev. bibl. 5 [1908] S. 504 P. D h o r m e und Z d P V 30 [1907] S. 37f. H. C l a u ß ) ist etaqkama ( K n u d t z o n 189, 2; sonst aitugama, edagama, etagama, atakkama, itakama, itaqkama oder itatkama genannt, wohl ein sem. N a m e aida'ama F. H o m m e l Die altisraelitische Überlieferung in inschriftlicher Beleuchtung 1897 S. 220 und vgl. mit der Gottesbezeichnung da'am zusammengesetzte phön. Namen M. L i d z b a r s k i Handbuch der nordsem.it. Epigraphik 1899 S. 25Öf.). E r versichert zwar dem P h a r a o seine Treue und klagt darüber, daß der Bösewicht Namiawaza ihn zu Unrecht verdächtige, das Gebiet von Q. besetzt u n d seine S t ä d t e in Brand gesteckt habe ( K n u d t z o n 189, u f f . ) , aber die Nachrichten anderer S t a d t f ü r s t e n erweisen das Gegenteil. Danach h a t etaqkama den Widerstand seiner dem P h a r a o anhängenden S t a d t gebrochen (ebd. 151, 60; 197, 27ff.), mit dem berüchtigten Aziru ein Bündnis geschlossen (ebd. 162, 22 ff.), auch Arzawia von Ruchizzi und Teuwatti von L a p a n a gewonnen, Akizzi von Q a t n a schwer bedrängt u n d sich dem Hettiterkönige angeschlossen (ebd. 53, 8 f f . ; 54, 22 ff.; 149, 30; 162, 22ff.; 174, 12ff.; 175, i o f f . ; 176, i o f f . ; 197, 27ff.). Auch die Chabiru scheinen daran beteiligt zu sein
(ebd. 197, 32). Man darf aus alledem schließen, daß Q. den Pharaonen verloren war. § 5. Die in Boghasköj gefundenen Tafeln bestätigen dies von hettitischer Seite aus (L. A. M a y e r u n d J . G a r s t a n g Index of Hittite Names A I [1925] S. 27; BoghazköiStudien 1 [1916] S. 38 F. H r o z n y [immer als kinza bezeichnet]). Abd-aschirti und sein Sohn Aziru haben u m 1400 v. C. ein Reich Amurrü (s. d.) mit der H a u p t s t a d t Q. zusammengebracht, sind aber von den H e t t i tern abhängig geworden. Das ist nicht ohne Widerstand der Fürsten von Q. erfolgt; denn sowohl Schuppiluliuma, der schon bis Q. vorgedrungen war (Keilschrifttexte aus Boghazköi 1 [1916] Nr. I, 40ff.), wie sein SohnMurschilischll. m u ß t e n Aufstände von Q. niederschlagen (ebd. 5 [1922] Nr. 9 vgl. Keilschrifturkunden aus Boghazköi I I I [1923] Nr. 14 und 119; AO 24 [1925] 3 S. 14ff. J . F r i e d r i c h ) , u n d Aziru mit seinem Sohne DU-Teschup u n d Enkel Duppi-Teschup werden von den H e t t i t e r n gelobt, weil sie geholfen haben, diese Widersetzlichkeiten zu überwinden. Als Vater des etaqkama wird Schutarra (oder Schutatarra), als sein Sohn Schama-Teschup genannt (MDOG 35 [1907] S. 35 H. W i n c k l e r ; als H a u p t g o t t heit von Q. erscheint Ninpisan-pisan-na K B I [1916] Nr. 4 IV 35f., V9). Anscheinend ist es schon zwischen Schuppiluliuma u n d dem äg. König zu einem Kampf gekommen, den ein Vertrag beendete. Aber u n t e r Sethos I. (1313—1292 v. C.) bricht wieder Krieg aus, in dem den Äg. die E r o b e r u n g von Q. gelingt ( B r e a s t e d Records I I I 141; s. u. § 8). Auch danach wurde ein V e r t r a g geschlossen. § 6. Da jedoch die erreichte Nordgrenze die Äg. nicht befriedigen konnte, u n t e r n a h m Ramses II. (1292 —1225) nach einem Vorstoße bis zum nahr el-kelb (s.d.) bei Beir u t im f ü n f t e n J a h r e seiner Regierung einen gewaltigen Kriegszug gegen die H e t t i t e r . Diese h a t t e n sich durch Bündnisverträge die Hilfe der F ü r s t e n von nhrjn, Arwad, Karkamisch, Kode, Q., Nuges u n d Aleppo sowie T r u p p e n aus kleinasiat. L ä n d e r n gesichert ( A . G ö t z e Kleinasien zur Hethiterzeit 1924 S. 19f.), so daß der hettitische König Muwattallu ein Heer von mehr als
Tafel i
Qadesch Am Orontes; von Ramses II. angegriffen. Nach Photographie der Eduard Meyerschen Fremdvölkerexpedition.
QADESCH 20000 Mann, darunter 2500 m i t j e drei Mann b e s e t z t e S t r e i t w a g e n , bei Q. zus a m m e n z i e h e n konnte. Der P h a r a o h a t t e z u n ä c h s t nur drei Divisionen z u r H a n d , eine v i e r t e erschien erst w ä h r e n d der S c h l a c h t . Ü b e r diese besitzen wir v o n äg. Seite a u ß e r dem amtlichen B e r i c h t e des P h a r a o ( B r e a s t e d Records III 3i6ff.) noch ein s c h w u n g v o l l e s G e d i c h t (ebd. I I I 3 2 8 f f . ; v g l . auch B a n d V Tf. 81), v o n hettitischer Seite nur ein schwer verständliches B r u c h s t ü c k ( Z D M G 72 [1918] S. 3 7 f f . B. M e i s s n e r ) . Ramses hatte sich, durch feindliche Spione verleitet, g a n z in die N ä h e v o n Q. begeben und ein L a g e r aufgeschlagen. Die H e t t i t e r griffen den noch auf dem Marsche befindlichen Teil des äg. Heeres an, zersprengten ihn u n d überfielen das L a g e r , aus d e m sich R a m s e s nur mit einem S t o ß durch die feindlichen Reihen befreien konnte. Zu seinem G l ü c k k a m Hilfe v o n einer neuen Division, andere T r u p p e n s a m m e l t e n sich wieder, und mit ihnen w u r d e n die im äg. L a g e r plündernden H e t t i t e r angegriffen. Die N a c h t beendete den K a m p f , in d e m die H e t t i t e r den größten Teil ihrer Streitw a g e n verloren hatten. A b e r a u c h die Ä g . waren so geschwächt, daß sie am nächsten T a g e nach S abzogen. D i e Folge w a r , d a ß nun ganz Syrien sich z u m K a m p f e gegen die Ä g . erhob. Ein E n d e k a m erst n a c h dem T o d e M u w a t t a l l u s . Sein B r u d e r Chattuschilisch schloß den b e r ü h m t e n Vert r a g m i t R a m s e s ab, dessen W o r t l a u t wir in äg. und a k k a d . F a s s u n g kennen. Über Q . in n e u b a b y l . Zeit s. T y r u s . J . H. B r e a s t e d The Battie of Kadesh 1903; Journ. E g . Arch. 7 ( 1 9 2 1 ) S. 191 ff. A . H. B u r n e ; Z D M G 72 (1918) S. 4 5 f f . B . M e i s s n e r ; G. R o e d e r Ägypter und Hethiter ( A O 20) 1 9 1 9 ; The Cambridge
Ancient
History
II (1924) S. 142ff.
§ 7. D a m i t v e r s c h w i n d e t v o r l ä u f i g Q. a u s dem L i c h t e der G e s c h i c h t e ; denn die E r w ä h n u n g im P a p . A n a s t a s i I (22, 4) bes a g t nichts. W e i t e r helfen können nur arch. Untersuchungen, f ü r die z u n ä c h s t die F r a g e zu b e a n t w o r t e n w a r , w o Q. gelegen h a t . Die in den A m a r n a - B r i e f e n in Verb i n d u n g m i t Q. a u f t r e t e n d e n N a m e n weisen alle n a c h d e m N (so das L a n d ubi K n u d t z o n 53, 2 3 f f . ; 189 R e v . 12, w o h l == abi 197, 3 1 ; amki 53, 58; 140, 2 7 f f . ; 170, 1 6 ; 174, 9), und z w a r in eine G e g e n d nw.
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v o n D a m a s k u s . N o c h deutlicher sind die äg. N a c h r i c h t e n . D e r O r t sabtuna, bei d e m R a m s e s II. den O r o n t e s überschreitet, ist sicher das im A T wiederholt g e n a n n t e ribla im L a n d e H a m a t h (2. K ö n . 23, 33; 25, 6 f f . ; J e r e m . 39, 5 f . ; 52, 9ff.), h e u t e rible a m rechten U f e r des Orontes. D i e äg. A b b . (Tf. 1) zeigen, d a ß die F e s t u n g Q. auf allen Seiten v o n W a s s e r u m g e b e n w a r . D a s alles s t i m m t nur f ü r den teil nebi mende a m rechten U f e r des Orontes, n i c h t a b e r f ü r den teil et-tln im See v o n homs, w o J. E. G a u t i e r 1894 A u s g r a b u n g e n v o r g e n o m m e n h a t ( C R acad. inscr. 23 [1895] S. 441 ff.). M ü l l e r Asien und Eur. 1913 S. 73 E . M e y e r .
214t.; Arch. An*.
§ 8 . Im J . 1921 h a t deshalb M. P é z a r d im A u f t r a g e der Pariser A k a d e m i e und des S e r v i c e des a n t i q u i t é s de S y r i e auf d e m teil nebi mende Ä u s g r a b u n g e n b e g o n n e n . D e r H ü g e l e r h e b t sich 32 m über die E b e n e u n d ist e t w a I k m lang. Im N b e g r e n z t ihn der nahr el-'âsi, im W und N der W a s s e r lauf der lain tannîir, im S ein K a n a l , der in seiner A n l a g e an den v o n sefînet en-nûh erinnert u n d wie dieser hettitischen Ursprungs zu sein scheint. A u f dem n. E n d e des H ü g e l s liegt ein m u h a m m e d a n i s c h e r Friedhof, u n d w e i t n a c h S erstreckt sich ein Dorf. D a s m a c h t e die G r a b u n g v o n vornherein schwierig und z w a n g z u n ä c h s t zur B e s c h r ä n k u n g auf die nö. F l a n k e des H ü g e l s . E s e r g a b sich bald, d a ß die oberen, ziemlich m ä c h t i g e n S c h i c h t e n (bis 11 m t.) der griech.-röm. und hellenistischen Zeit angehören. Sie e n t h a l t e n die R e s t e der bedeutenden Stadt Laodicea ad Libanum ( M o n u m e n t s et mémoires a c a d . inscr. 25 [1921 — 22] S. 397 M. P é z a r d ; anders Z d P V 23 [1900] S. 120 M. H a r t m a n n ) . A b e r schon die a u f g e d e c k t e n T e i l e der großartigen Befestigung enthalten viel älteres, wie die T o n w a r e n (alte L a m p e n mit. eingekniffener S c h n a u z e , ägyptisierende A m u l e t t e u. a.) u n d der A u f b a u (Steinsockel m i t Ziegeloberbau) zeigen. H i e r u n d da k a m e n in H a u s r e s t e n Pfeilu n d L a n z e n s p i t z e n aus B r o n z e , N a d e l n , A s t a r t e - P l a k e t t e n z u m V o r s c h e i n . In 11 m T . w u r d e d a n n eine ältere S c h i c h t erreicht, in der k y p r i s c h e G e f ä ß e u n d einheimische N a c h a h m u n g e n lagen. In diese S c h i c h t 1*
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QARQAR
war die obere Hälfte eines äg. Denksteines aus G r a n i t geraten ( 0 , 7 0 x 0 , 4 5 x 0 , 4 0 m), auf dem S e t h o s I. dargestellt ist, wie ihm von den G ö t t e r n A m o n - R a , S e t (Sutech), Mentu und einer Göttin ( H a t h o r oder Nephthys) das Siegesschwert übergeben wird. Diese Darstellung kann sich nur auf den siegreichen K a m p f des P h a r a o um Q. beziehen und ist ein sicherer Beweis dafür, daß mit der Grabung an der richtigen Stelle begonnen wurde. Die Schicht, die dieser Zeit zuzuweisen wäre, ist freilich bisher noch nicht erreicht worden. Syria 3 (1922) S. 89ff. M. P é z a r d ; Monuments et mémoires acad. inscr. 25 (1921 — 22) S. 387 ff. ders.; Ancient Egypt 1924 S. i o i f f . G. L o u k i a n o f f ; Bull, of the American Schools of Oriental Research Nr. 21 (1926) S. 6 W. F. Alb r i g h t und R. P. D o u g h e r t y . § 9 . V o n diesem Q., dessen Geschichte wohl bis weit in das 3 . J h t . zurückreicht, sind andere Orte gleichen Namens zu unterscheiden. Ein Ort qed.es erscheint im A T als kanaanitische K ö n i g s s t a d t ( J o s . 1 2 , 2 2 ) zwischen Hazor (s. d.) und Edrei in Naphtali ( 1 9 , 3 7 ; 2 0 , 7 ) , also in Galiläa gelegen. Hier war B a r a k zu Hause ( R i e h t . 4, 6ff.). J o s e p h u s erwähnt Q. öfter als befestigte S t a d t im Gebiete von T y r u s . S i c h e r ist dies die an erster Stelle der T h u t m o s i s - L i s t e stehende S t a d t qdS ( M V A G 1 2 [ 1 9 0 7 ] 1 S. 8 W . M. M ü l l e r ) , die 7 3 4 v. C. von Tiglatpileser I I I . erobert wurde ( 2 . K ö n . 15, 2 9 ) , heute qedes in Galiläa mit ansehnlichen Ruinen aus röm. Zeit ( P E F Memoirs I [ 1 8 8 1 ] S. 2 2 6 f f . ) . Mit ihm die oben über Q. zusammengestellten Nachrichten zu verbinden (so Z d P V 3 0 [ 1 9 0 7 ] 5 . 37f. H. C l a u ß ) , ist unmöglich. Aber vielleicht ist es auf einem Bilde aus der Zeit Sethos I. dargestellt ( W r e s z i n s k i Atlas I I [ 1 9 2 5 ] T f . 53). Zwei weitere, aber unbedeutendere Orte desselben Namens lagen im G e b i e t e von Issaschar (1. Chron. 7 , 7 2 ) , heute vielleicht tell abu qudês bei el-leg£un, also in der Nähe von Megiddo, und im s. Teile J u d a s ( J o s . 1 5 , 2 3 ) , ziemlich weit s. von H e b r o n . H. Guthe Kurzes Bibelwörterbuch 1903 S. 359. § 1 0 . E i n e große Rolle in den E r z ä h lungen über die isr. S t ä m m e vor ihrer Einwanderung nach P a l ä s t i n a spielt der Ort qâdêè barnêt® mit seiner Quelle, da die Israeliten sich hier längere Zeit aufgehalten
haben sollen (Num. 2 0 , I ff.; Deut. I, 4 6 ; R i e h t . I I , 16f.). E r lag an der Südgrenze Israels (Gen. 2 0 , 1; Num. 2 0 , 1 6 ; 3 4 , 4 ; D e u t . I, 2 0 ; J o s . 10, 4 1 ; 1 5 , 3 ; Ezech. 4 7 , 1 9 ; 4 8 , 2 8 ) , aber noch in der Steppe (Amaleqiter Gen. 1 4 , 7 ) . Wahrscheinlich lebt der Name noch fort in der (a.in qadts im N der Sinai-Halbinsel, obwohl die im A T b e r i c h t e t e n Vorgänge sich so, wie sie erzählt werden, hier nicht abgespielt haben können. H. C. T r u m b u l l Kadesh Barnea 1884; ZdPV 8 (1885) S. i82ff. H. G u t h e ; ders. Kurzes Bibelwörterbuch 1903 S. 350; A. Musil Arabia Petraea II (1908) S. 178ff., 236; Journal of Biblical Literature 29 (1910) S. 61 ff. N. S c h m i d t ; ZdPV 37 (1914) S. 7ff. Th. K ü h treiber. P e t e r Thomsen Qarqar. Als S a l m a n a s s a r I I I . von Assyrien ( 8 5 9 — 8 2 3 v. C.) seine M a c h t nach W auszudehnen versuchte und K a r k a m i s c h (s. d.) und Aleppo (s. H a l a b ) sich ihm freiwillig unterworfen hatten, b r a c h t e Biridri von D a m a s k u s (im A T B e n h a d a d I I . I. K ö n . 2 0 , 1) einen B u n d von 1 2 Königen zur Abwehr des assyr. Angriffes zusammen. U n t e r diesen Bundesgenossen werden z. B . genannt Irchulini von H a m a t h (s. d.), A h a b von Israel, die S t ä d t e A r q a und Arwad an der phön. K ü s t e sowie der Araberfürst Gindibu mit 1000 K a m e l reitern. Salmanassar eroberte und zerstörte mehrere S t ä d t e , darunter auch Q., die K ö n i g s s t a d t des Irchulini. Hier k a m es zur S c h l a c h t ( 8 5 4 v. C.), in der S a l m a nassar gesiegt haben will (vgl. B a n d I V T f . 7 3 a). E r m u ß t e sich aber schnell zurückziehen ( K B I 138f., 1 7 2 f.). An derselben Stelle schlug Sargon II. den K ö n i g Ilü-bi'di (oder Iau-bi'di) von Hamath 7 2 0 v. C. (vgl. B a n d I V T f . 7 5 b ) . Nach diesen Angaben h a t Q. a m Orontes in der Nähe von H a m a t h gelegen und ist wohl in dem heutigen qal'at el-mudiq zu suchen. Dieser O r t h a t nach späteren Nachrichten Oapvcocri geheißen, wurde aber unter Antiochos I. ÄTictfieia (im Mittelalter a r a b . afämija) genannt und h a t als H a u p t s t a d t der L a n d s c h a f t A p a m e n e eine bedeutende Rolle gespielt. Die ausgedehnte R u i n e n Stätte ist bisher arch. noch nicht u n t e r s u c h t . RE I (1894) S. 2663f. I. B e n z i n g e r ; ZdPV 46 (1923) S. l6of. E. Honigmann. Peter Thomsen
QENITER— QUARZIT Qeniter (hebr. Qajin, N a m e des S t a m m e s und seines Heros Eponymos, Qeni Bezeichnung des Stammesangehörigen). Die Q. erscheinen im A T als ein vielleicht den Midianitern (s. d.) oder eher den Edomitern (s. d.) verwandter S t a m m , der zunächst in der W ü s t e s. v o n Palästina nomadisch lebte (dort Beziehungen zu den Amaleqitern [s. d.] Ri. 1,16 L X X ; i . S a m . 15, 6, aber auch zu den Israelit. S t ä m m e n : Ri. i , 1 6 ; 4 , 11). Gegen Ende des 2 . J h t . v . C. gewannen die Q. jedoch feste Sitze a m äußersten Südrand des judäischen Gebirges, besonders im Gebiet des v o n ihnen zerstörten Stadtstaates v o n A r a d (jetzt Teil
'Aräd-,
MDOG
2 3 [1904]
S. 4 7 f .
H. T h i e r s c h und G. H ö l s c h e r ; v g l . Ri. I, 1 6 , auch Gen. 4 , 1 7 ; 1 5 , 1 9 ; N u m . 2 4 , 2 1 f.). Die Seßhaftigkeit brachte die Q. in feste V e r b i n d u n g mit den in der Nachbarschaft gegen W und N siedelnden S t ä m m e n der Qenizziter (s. d.) und K a libbiter (s. d.), darüber hinaus mit den Judäern (1. Sam. 2 7 , 1 0 ; 3 0 , 2 9 ) ; so schlössen sie sich denn auch unter D a v i d der Gründung des Reiches J u d a an (Ortsliste ihres Gaues Jos. 1 5 , 5 5 — 5 7 ; v g l . Pal. Jahrb. 2 1 [ 1 9 2 5 ] S. 1 1 4 A . A l t ) . Dem N a t u r c h a r a k t e r ihres Gebietes entsprach es, daß in ihrer W i r t s c h a f t die V i e h z u c h t (s.d.C) eine große Rolle spielte; aus dem Weidewechsel erklärt sich denn auch das A u f treten v o n Q. als nomadisch lebenden Hirten bis weit in das K u l t u r l a n d hinein (z. B. Ri. 4 , 11. 1 7 f f . ; 5 , 2 4 : Gegend v o n Megiddo) und die Sonderentwicklung einer Untergruppe, der R e k a b i t e n (1. Chron. 2, 5 5 ) , zu einer A r t religiöser Sekte, die das nomadische Leben mit b e w u ß t e r Ablehnung aller K u l t u r der S e ß h a f t e n pflegt (2. K ö n . 1 0 , 1 5 f . : Gegend v o n Samaria; Jer. 3 5 : bei Jerusalem). W a s Gen. 4 , i f f . von ihrem als Brudermörder geächteten, aber zugleich von J a h w e mit einem Schutzzeichen (Tätowierung?) versehenen S t a m m vater erzählt, wird sich auf ein Klientelverhältnis der Qeniter-Hirten zu Jahweheiligtümern Israels beziehen (B. D u h m bei E . M e r z Die Blutrache
bei den
Israeliten
1 9 1 6 S. 9 1 ff.; anders Z f A l t t e s t W i s s . 1 4 [ 1 8 9 4 ] S. 2 5 0 ff.; 1 5 [ 1 8 9 5 ] S. 1 5 7 ff. B. S t a d e ) . Mit dem Untergang des Reiches Juda, der das Gebiet der seß-
haften Q. in die Hände der Edomiter brachte, verschwindet der S t a m m aus der Geschichte. E d . M e y e r Die Entstehung des Judentums 1896 S. 114ff.; d e r s . Die Israeliten und ihre Nachbarstämme
1906 bes. S. 393 ff.; Prot.
Real-
enzykl.3 IX (1901) S. 698ff., XXIII (1913) S. 720 H. Guthe; R. K i t t e l Geschichte des Volkes Israel6 I (1923) S. 392, 399, 403, 4iof. A . Alt Qenizziter (hebr. Q'nas Stammesname, Q'nizzi Bezeichnung des Stammesangehörigen). Die Q. sind uns nur aus dem A T b e k a n n t als ein ursprünglich zu den Edomitern (s. d.) gerechneter Stamm (Gen. 3 6 , 1 1 . 1 5 . 4 2 ) , d e m die K a l i b b i t e r (s. d.) besonders nahestanden oder geradezu angehörten (vgl. einerseits N u m . 3 2 , 1 2 ; Jos. 1 4 , 6 . 1 4 ; anderseits I. Chron. 4 , 1 5 ) . N o c h v o r dem Ende des 2 . J h t . v . C. faßten die Q . im S W des judäischen Berglandes F u ß und siedelten sich im Gebiet des v o n ihnen unter Othniel zerstörten Stadtstaates v o n K i r j a t h - S e p h e r — Debir (vermutlich j e t z t Teil Bet Mirsitn; Bull. A m e r . S c h o o l s O r . Res. 1 5 [ 1 9 2 4 ] S. 4 f . W . F . A l b r i g h t ) an (Jos. 1 5 , I 5 f f . == Ri. I, I l f f . ; vgl. 3 , 9 f f . ; Gen. 1 5 , 1 9 ) . Dort traten sie in enge Beziehungen zu ihren Grenznachbarn im N O , den Judäern (1. S a m . 2 7 , 10; 3 0 , 2 9 L X X ) , und beteiligten sich unter D a v i d ( 1 0 . Jh.) an der G r ü n d u n g des Reiches Juda, in dessen Gaueinteilung ihr Gebiet später einen Bezirk für sich bildete (Ortsliste Jos. 1 5 , 4 8 — 5 1 ; vgl. Pal. Jahrb. 2 1 [ 1 9 2 5 ] S. 1 1 4 A . A l t ) . Bei der Zerstörung des Reiches J u d a durch die Babylonier 5 8 6 (oder schon 5 9 7 ; a. a. O. S. 1 0 8 ) k a m ihr Gebiet an die E d o m i t e r ; sie selbst werden infolgedessen wie die K a l i b b i t e r nach N in die Provinz J u d a a b g e w a n d e r t sein, weshalb sie in späterer Literatur auch genealogisch als J u d ä e r betrachtet wurden (1. Chron. 4 , 1 3 . 1 5 ) . E d . M e y e r Die Entstehung des Judentums 1896 S. H4ff.; d e r s . Die Israeliten und ihre
Nachbarstämme 1906 S. 348f.; R. K i t t e l Geschichte des Volkes Israela I (1923) S. 398f., 404,
A. Alt
410; II (1925) S. 17, 26. Quänen s. F i n n o - U g r i e r Quartärzeit s.
B § 11.
Diluvialgeologie.
Quarzit s. G e s t e i n s m a t e r i a l d e r p a läolithischen Industrien.
6
Q U E L L E - QÛTI Quelle s. B e w ä s s e r u n g .
Quellenverehrung. S . a . B u d s e n e , D e p o t f u n d A § 2, D u x , K u l t u s A § 2e, P a n i g h i n a . — (Vorderasien) A l s Geister der Quellen insgesamt, die das „ L e b e n s w a s s e r " hervorsprudeln lassen, werden in B a b y l o n i e n die A n u n n a k i verehrt. Ihr N a m e , der schon von den alten B a b y l o n i e r n selbst (Gudea Cyl. B . 2, i) als „erhabnes G e w ä s s e r " gedeutet wird, weist auf diesen ihren Charakter hin. A u c h den einzelnen Quellen und Flüssen hat man, wenigstens in assyr. Zeit, eine lokale V e r e h r u n g zuteil werden lassen. In einem T e x t e aus Assur erscheinen neben vielen anderen Göttern auch der Tigris und der Zab und erhalten ihren Anteil an der Speisung. A s s y r . K ö n i g e sind bis zur TigrisQuelle (s. d.) vorgedrungen und haben daselbst Opfer dargebracht. Die G ö t t i n Id, die als die Göttin, welche alles erschafft, als Herrin des reinen Wassers, gefeiert wird, d ü r f t e in erster Linie den E u p h r a t (s. d.) repräsentieren. Neben diesen Göttern allen hat aber auch der Gott, der über alles Wasser gesetzt ist, Anspruch auf K u l t u s an den Quellen, nämlich £ a . KATS
S. 358ff-, 4 5 2 f f . H .
Zimmern. Ebeling
Querschneidige Pfeilspitze s. N o r d i s c h e r K r e i s A § 3 b 3; § 4 0 3 , P f e i l B I, T u n i s B§3Queso-Höhle s. A l p e r a . Qulna, La. S . a . F r a n k r e i c h A . — (Skelette) Im J. 1911 wurde von H. Martin in einer Höhle bei L. Q. (D6p. Charente) in einer Mousterien-Schicht ein weibliches Skelett sowie neuerdings der Schädel eines K i n d e s gefunden. Das weibliche Skelett
ist ziemlich gut erhalten, der Schädel besonders beweist mit seinen kräftigen Oberaugenwülsten die Zugehörigkeit zur Neandertal-Rasse (Homo primigenius; s. d.); die weniger robusten Formen lassen darauf schließen, daß es sich u m ein weibliches Skelett handelt (Band V T f . 120 d). Der kindliche Schädel s t a m m t von einem e t w a achtjährigen Individuum (ebd. Tf. 121 d und e). Interessant ist bei ihm das völlige Fehlen der Oberaugenwülste, die trotzdem fliehende Stirn und die für ein K i n d merkwürdig stark entwickelten und weit hervortretenden Nasenbeine, ein besonders deutlicher Hinweis auf die Tatsache, d a ß die Neandertalrasse eine Nase besessen haben muß, die an Größe die Nasen der modernen europ. B e v ö l k e r u n g übertroffen haben dürfte. Schon 1910 waren in e t w a s höher liegenden Moustérien-Schichten desselben F O zwei T a l u s gefunden, die ebenfalls z u m Homo primigenius gehören. Bull, de la Soc. préh. de France 1 9 1 1 H. M a r t i n ; d e r s. Sur un squelette humain . . . Comptes rend, h e b d o m . des Séances de l ' A c a d . des sciences 153 ( 1 9 1 1 ) S. 728; C R Assoc. franç. Congr. Nîmes 1912 S. 537 d e r s . ; L ' A n throp. 22 ( 1 9 1 1 ) d e r s . ; ebd. 31 ( 1 9 2 1 ) S. 331 d e r s . ; E . W e r t h Der fossile Mensch I (1921 f f . ) S. 158; M. B o u l e Les hommes fossiles 1923 S. 192.
Reche
Quintana-Höhle. Bei Balmori, unweit Lianes (span. P r o v i n z Asturias). Belanglose Gravierung, entdeckt von H. A l c a l d e del Rio. S. K u n s t A l l . H. A l c a l d e Sierra (Espagne)
del
Les cavernes
Rio,
H. B r e u i l
de la Région
Monaco 1 9 1 1 S. 83.
Qumani s. K o m a n a. Qummuch s. K u m m u h . Qûtl s. G u t i u m .
und
L.
Cantabrique
h . Obermaier
R R a a s. S c h i f f ,
Segel.
R a b e . D a ß dem R. und den ihm verw a n d t e n K r ä h e n eine besondere Stellung z u k o m m t , spricht sich in der Völker- und V o l k s k u n d e deutlich genug aus. H ä u f i g werden ihm infolge einer besonderen A b k u n f t große magische K r ä f t e (Rabenstein, Springwurz) zugeschrieben. So geht auch auf wahrscheinlich s e h r alte Zeiten zurück, wenn er mit der b a b y l . S i n t f l u t in Zus a m m e n h a n g gebracht wird. A l s sich das Wasser zu senken beginnt, läßt der b a b y l . N o a h den R. fliegen, der nicht wiederkehrt, weil er A a s zum Fräße findet. A u c h hier tritt schon der Gegensatz auf, der durch die Jahrtausende weitergeht, R . und T a u b e . W ä h r e n d nun in Griechenland der R . merkwürdigerweise dem L i c h t g o t t Apollo gehört und auch im germ. A l t e r t u m eine große Rolle gespielt hat (Odins, St. Oswalds, St. Meinrads R . erweisen das zur Genüge), spielt der R . in der Sachkunde k a u m eine Rolle. N u r span. Frauen trugen nach S t r a b o einen eigenartigen K o p f p u t z mit einem eisernen Raben. Ed. Hahn Räbelövs-See. Der R.-S. liegt 2,4 m ü.d.M. (im J. 1917) im nö. Schonen und ist ein wichtiger steinzeitl. FO. Die ersten Funde hier wurden im J. 1878 im ca. 30 cm t. Wasser unweit des Ufers g e m a c h t ; die Fundstellen sind das letztemal v o m Geologen Uno Sundelin in den J. 1 9 1 7 — 2 0 untersucht worden. Die betreffenden Fundstellen lagen längs des Strandes; die eine hatte ca. 100 m, die andere e t w a 25 m L., während die Br. nur bzw. 4 — 6 und 4 m betrug. Die steinzeitl. Geräte fanden sich hauptsächlich in dem obersten Teil einer , , G y t t j a " - S c h i c h t ; wo diese fehlte, lagen sie direkt auf Moräne oder Lehmboden. Die Gyttja-Schicht bildet das Hängende für Moränen-Ablage-
rungen. Die Strandzone wird nach dem L a n d e zu durch eine eisgeschobene Barriere von großen Steinblöcken begrenzt. A n Geräten wurden gehoben: 1. K n o c h e n g e r ä t e , unter welchen 33 Spitzen waren. V o n diesen sind 18 sog. Vogelpfeile (s. d.) und 3 Harpunen mit großen Widerhaken, die wahrscheinlich aus dem Ende des Epipaläol. stammen. K e i n e von den Harpunen war von einer für die j. S t Z charakteristischen Form. A u ß e r K n o c h e n stücken fanden sich jedoch auch 12 Angelhaken, von denen alle, außer zwei, mit W i d e r h a k e n versehen waren und sicher der j. S t Z angehören. 2. G e r ä t e a u s F e u e r s t e i n u n d „ S t e i n " : sowohl grob zugehauene wie ziemlich gut zugeschlagene Scheibenäxte, der oberste Teil einer K e r n axt, mehr als 5000 Splitter, Bohrer, Schaber, Messer usw. aus Feuerstein, weiter 15 — 20 Walzenbeile, w o v o n eines fast , , L i h u l t " - T y p u s zeigte, die übrigen jünger, eine dicknackige A x t , eine A x t mit rhombischem Querschnitt und Stielloch, der Vorderteil einer bootförmigen A x t aus „ S t e i n " und endlich Schleifsteine aus Sandstein, auf die j. S t Z deutend. K j eilmark war, auf Grund einer Parallelisierung dieser Funde m i t denen aus seinen Untersuchungen auf Listerland, der Ansicht, daß sie der j. S t Z zugeschrieben werden müßten, t r o t z d e m Geräteformen gefunden wurden (u. a. Harpunen mit großen W i d e r h a k e n und Vogelpfeile), die von den meisten Forschern zur ä. S t Z gezählt werden. Nach S u n d e l i n s eingehenden geol. Untersuchungen der F O des Listerlandes besteht kein Zweifel, d a ß dort gefundene Gegenstände älter sein müssen als die Litorina-Transgression. Es ist daher das Wahrscheinlichste, daß auch die gleichartige, altertümliche und reiche K n o c h e n - K u l t u r des
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RABENSBURG-RACHITIS
R.-S. wenigstens teilweise der Zeit v o r dem Einbruch des Litorina-Meeres in den See, teilweise vielleicht auch der Zeit der Transgression angehört. N a c h K j e l l m a r k s Ansicht müssen, da die F u n d e im See g e m a c h t w u r d e n und Strandwälle höheren Wasserstand in früheren Zeiten anzeigen, die Steinzeitmenschen hier auf Flößen gelebt haben. Sundelin ist zu folgenden abweichenden R e s u l t a t e n gekommen. Erstens liegen die Gegenstände in sekundärer L a g e v o n der W o h n s t ä t t e a b g e s c h w e m m t , die auf dem erodierten, lehmigen Moränenstrande haben liegen müssen, von welchen die F O nach der S e n k u n g des Sees in den vierziger und sechziger J. des 19. Jh. durch einen S t r a n d w a l l getrennt wurden. Hierdurch erklärt sich auch a m einfachsten die Mischung v o n älteren und jüngeren Steinzeitformen. Zweitens zeigt die Pollenanalyse (s. d.), d a ß der See Zeiten v o n verschiedenem W a s s e r s t a n d d u r c h g e m a c h t hat, der zeitweise so tief war, daß der See ohne A b f l u ß blieb. Dies w a r z. B. der Fall während der Prälitorina-Zeit (CWiwm-Früchte durch die ganze S c h a l e n g y t t j a hindurch), als der Wasserstand zu Zeiten tiefer w a r als j e t z t . Die Floß-Hypothese b r a u c h t deswegen nicht in Anspruch genommen zu werden, nicht einmal, wenn die F u n d e sich in situ befunden hätten. S. a. N o r d i s c h e r K r e i s A § 2b.
kleinere Gefäße in zwei Reihen angeordnet, die auf der Mutterurne durch kurze Zapfen aufsitzen und mit dem H a u p t g e f ä ß e kommunizieren. Ein bombenförmiges G e f ä ß steht auf 4 F ü ß e n und l ä u f t an der einen Seite in einen Stierkopf, der ein eingestochenes Dreiecksornament aufweist, auf der anderen Seite in einen kurzen S c h w a n z aus. E i n anderes G e f ä ß ist anthropomorph verziert. Die F u n d e und mit ihnen auch die Grabhügel gehören der j. H Z an. L. F r a n z Die hallstätiischen Hügelgräber von Bernhardsthal, Rabensburg und Bullendorf Wien. Präh. Z. 1922 S. 3 9 - 4 4 G. Kyrie
R a b u t z s. N o r d d e u t s c h l a n d A § 4. R a i e v (bei Jamboli, sö. v o m Schipka-Paß, Bulgarien). W o h n - oder Grab ( ? ) - H ü g e l mit einer Fülle v o n prächtigen bemalten und eingeritzten T o n g e f ä ß e n v o m Charakter der siebenbürgischen (Weißmalerei; geradlinige Horizontal- und V e r t i k a l m u s t e r ; ineinandergereihte S-förmige Spiralen; hakenförmige Muster usw.; B a n d II T f . 89a). Ebenso zeigen die Tonidole nahe Beziehungen zur siebenbürg.-ukrain. Gruppe, und auch die schematischen Knochenidole, die in ähnlicher Weise in Sultan Selo (s. d.), in R u s c u k (Band II T f . 9 2 ) und K o d z a - D e r m e n (s.d.) wiederkehren, finden in den Ton- und Alabasterfiguren T r a n s s y l v a n i e n s und der Ukraine ihre A n k n ü p f u n g . Bemerkenswert ist, daß sich in den angeblichen Gräbern des Teil R. neben typischen Stein- und Hirschhorngeräten sowie v i e r k a n t i g e n K u p f e r p f r i e m e n A . A h l é n Om stenáldersfynden i Räbelövsjöti wie im Teil M e c k j u r (s. d.) und in CucuKristianstads h. allm. Läroverk. Arsredogörelse 1878—79; K. K j e l l m a r k Ö/versigt aj Sveriges teni (s. d.) mehrfach auch Eisensachen gestenaldersboplatser Ymer 1904 S. 187 — 225; d e r s . funden haben sollen, doch wird von CiOm benredskapen jrän mossarna pä Listerlandet lingirov das V o r k o m m e n v o n Gräbern in t Blekinge Rig 1919 S. 217; U. S u n d e l i n diesem wie in anderen T u m u l i s bestritten. Räbelövsjön och Nosabykärrets senkvartära historia och de dar gjorda stenáldersfynden Geol. S e u r e und D e g r a n d Exploration de quelques Föreningens Förhandlingar 44 (1922) S. 553— teils de la Thrace Bull. corr. hell. 30 (1906) 59°Hjalmar Larsen S. 359ff.; ZfEthn. 43(1911) S. 596 H. S c h m i d t ;
Rabensburg (Niederösterreich). In zwei Grabhügeln, die 3 m H. hatten, fanden sich, abgesehen v o n einem H a r z s t ü c k u n d einem Schleifstein ( ? ) , eine große A n z a h l durchw e g graphitierter, mit Reliefornamenten, intermittierender G l ä t t u n g oder B e m a l u n g verzierter Tongefäße. Es handelt sich um bauchige Urnen, doppelkonische Gefäße, Henkelschalen, Fußschalen oder halbkugelige Schalen. Eine bauchige Urne besitzt an der Schulter 10
H o e r n e s Urgesch.2 S. 310.
q , Wilke
Rachitis. R . ist in der Früh- und Vorgeschichte äußerst spärlich, wenn überhaupt, am K n o c h e n g e r ü s t e gefunden worden, Spuren v o n ihr a m Z a h n s y s t e m in Ä g y p t e n durchaus nicht. D a g e g e n ergibt die Nachp r ü f u n g zeichnerischer W i e d e r g a b e n von Menschengestalten in Gräbern A l t ä g y p tens als zweifellos, daß R . dort v o m Jahre 2000 v . C. an v o r k a m , vielleicht sogar schon 2 — 3 J h . früher. L u d w . Pfeiffer
RAD hat ein rachitisches Skelett in Mitteldeutschland ausgraben können; es gehört aber erst dem 5. nachchristl. Jh. an. Dagegen fand B. Jäger, daß das Vorkommen der R. bis in die Hallstattperiode zurückreicht. M. A. R u f f e r Studies in the Palaeopathology 0/ Egypt Chicago 1921 S. 43, 47, 164, 313; K . J ä g e r Beitr. z. jrühzeitl. Chirurgie München 1907 S. 18; L. P f e i f f e r Einige medizinisch interessante Funde aus dem meroving. Gräberfeld (5. Jh. n. C.) in Weimar Corresp.-Blätter d. allg. ärztl. Ver. v. Thüringen 29 (1900) S. 426—437.
Rad.
Sudhoff
§ 1. Entstehung. — § 2. Die Gestalt des Rades. — 3. Das Rad im Kult.
§ 1. Hinsichtlich der Entstehung des R . stehen zwei Ansichten einander gegenüber; während die eine es aus dem Rundholz hervorgehen läßt, denkt die andere an den Spinnwirtel oder an kleine, runde, durchbohrte Tonscheiben als Vorbild. Die erstere Auffassung wird bis in die neueste Zeit hinein vorwiegend von Technikern vertreten (z. B. A . N e u b u r g e r Technik d. Altert. 1919 S. 213); sie geht von der Annahme aus, daß schwere Lasten durch untergelegte Rollen bewegt wurden. Aber es fragt sich, ob man in jener frühen Vergangenheit, in der das R. entstanden sein muß, bereits derartige Lasten bewegt hat, sowie, ob die ersten auf diesem Wege entstandenen Fahrzeuge die hierfür erforderliche Tragkraft besessen haben. Man wird doch auch annehmen dürfen, daß die Entwicklung vom kleinen Gefährt zum großen vor sich gegangen ist; im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten ist jedenfalls dieser W e g näherliegend als der umgekehrte. Sodann muß beachtet werden, daß die aus dem Abschnitt eines Baumstammes hergestellten R. sehr leicht Risse bekommen und damit ihre Tragkraft verlieren. Die Vorstellung, daß das R . aus der Walze entstanden sei, führt zu der Annahme, diese Entwicklung habe an den verschiedensten Stellen der Erde unabhängig vor sich gehen können. Aber so verbreitet das Radkreuz auf der Erde ist (s. R a d o r n a m e n t ) , den Wagen (s. d.) hat man in Amerika vor Ankunft der Europäer nicht gekannt; und auch dort im Bereiche der alten Kulturstaaten sind in großem Umfange schwere steinerne Lasten bewegt worden. Und alle Anzeichen
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deuten darauf hin, daß in der alten Welt der Wagen ursprünglich nur eine beschränkte Verbreitung gehabt hat, welche damit erklärt werden muß, daß seine Erfindung nur einmal vor sich gegangen ist. Die Auffassung, daß kleine, runde, durchbohrte Scheiben, etwa Spinnwirtel, das Vorbild der ältesten R. gewesen sind, wird von Ed. Hahn und Forestier vertreten. Letzterer nimmt an, eine Mutter habe ein Spielzeug gebaut, und dieses aus einer Achse und zwei Radscheiben daran bestehende Gestell sei das Vorbild für den ersten Wagen geworden. Hahn denkt, daß Priester diese Beobachtung ausgenutzt haben; er weist auf die Heiligkeit des R. hin und darauf, daß die Götter auf Wagen am Himmel fahren. Man kann sich nicht vorstellen, daß aus einem Lastgefährt der Götterwagen geworden ist; wohl aber ist die umgekehrte Entwicklung denkbar. Der Wagen tritt in der alten W e l t in enger räumlicher und inhaltlicher Verbindung mit der Pflugkultur auf. Diese hatte Priester als ihre geistigen Träger; einer von ihnen mag die schon oft genug gemachte zufällige Beobachtung aufgegriffen und zu dem ältesten Wagen entwickelt haben, der dann seine Stellung im Rahmen des religiösen Untergrundes der Pflugkultur erhielt. Nur Priester waren jedenfalls dazu imstande, dem Volke einzuprägen, daß die Götter sich auf Wagen am Himmel bewegen. So wird die kleine, runde, durchbohrte Scheibe das älteste R . gewesen sein; es ist zu unterscheiden zwischen ihm als einem selbständigen Gegenstand und als einem Teil des Wagens. Internat. Zentralbl. f. Anthrop. 8 (1903) S. 1 — 3 E d . H a h n ; ders. Die Entstehung der Pflugkultur 1909 S. 40f.; ZfEthn. 45 (1913) S. 638 d e r s . ; d e r s . Von der Hacke zum Pflug 1914 S. 59t.; F o r e s t i e r La Roue. Étude paléotechnologique 1900 S. 127 f.
§ 2. Die Gestalt des Wagens und seine technische Ausführung hängen ab von dem Können der Zeit, von der A u f g a b e des R . und von der A r t des Gefährtes, an dem es angebracht werden soll. Eine Typologie der R . unter diesem Gesichtspunkt ist heute noch nicht möglich. Namentlich aus der ältesten Zeit fließt der Fundstoff erst außerordentlich spärlich. Sodann ist es zum mindesten zweifelhaft,
RÄDCHENVERZIERUNG-RADORNAMENT
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ob die bildlichen W i e d e r g a b e n v o n R . in der K u n s t zuverlässig sind und A u f s c h l u ß über technische Einzelheiten geben können. E s s t e h t noch dahin, ob die frühesten R . deswegen Scheibenräder gewesen sein m ü s s e n , weil sie als solche auf den ältesten, bis j e t z t b e k a n n t e n W a g e n b i l d e r n dargestellt zu sein s c h e i n e n (vgl. O. W e b e r Altoriental. Siegelbilder II [1920] A b b . 296, 298 u. 408 = A O 17/18; E d . M e y e r Reich und Kultur der Chetiter 1914 S. 54 A b b . 44; A b h . P r e u ß . A k a d . , Phil.-Hist. K l . 1906: E d . M e y e r Sumerier und Semiten T f . 8). J e nach dem Z w e c k des W a g e n s wird die G e s t a l t und technische A u s f ü h r u n g des R . verschieden sein. Bei dem V e r s u c h e , hier eine E n t w i c k l u n g a u f z u b a u e n , darf nicht vergessen werden, daß das W a g e n r a d nicht in dem Maße der Mode u n t e r w o r f e n ist wie eine W a f f e oder ein S c h m u c k s t ü c k . Eine als p r a k t i s c h e r k a n n t e F o r m wird i m m e r wiederkehren. A n d e r s liegen die V e r h ä l t nisse bei dem R . des G ö t t e r w a g e n s und d e m im K u l t v e r w e n d e t e n R . Hier ist die W a h r s c h e i n l i c h k e i t sehr groß, d a ß eine einm a l g e w o h n t e F o r m a u c h dann noch beibehalten wird, w e n n sie technisch längst überholt ist. Mannus 10 (1918) S. 3 8 — 6 3 H. M ö t c f i n d t ; H. N a c h od Der Rennwagen bei den Italikern und ihren Nachbarn Diss. Leipzig 1909 S. 46 f.
§ 3. Sehr h ä u f i g ist die V e r w e n d u n g des R . im K u l t . Hier erscheint es insbesondere als das S y m b o l der Sonne, aus d e m das christliche K r e u z e n t s t a n d . Die Sonnenscheibe, v o n einem P f e r d e gezogen, ist wiederholt der G e g e n s t a n d künstlerischer D a r s t e l l u n g gewesen ( s . T r u n d h o l m ) . Ein G o t t mit dem R . als A t t r i b u t b e g e g n e t bei den K e l t e n . S . a . R a d o r n a m e n t , Sonnenscheiben (Irländische). Prometheus 16 (1905) S. 241 — 247, 259—266, 277—284 M o n t e l i u s ; Mannus 1 (1909) S. 53 — 6 9 und 1 6 9 — 1 8 6 M o n t e l i u s ; J . L e c h l e r Vom Hakenkreuz 1921 ( = V o r z e i t B d . 1); A r c h . Jahrb. 30 ( 1 9 1 5 ) S. 2 7 f f . Drexel; Ber. röm.-germ. K o m . 14 (1922) S. 23f. D r e x e l ; Festschr. f. E d . H a h n 1917 S. 2 2 7 f f . H. M ö t e f i n d t . E r n s t W a h l e
Rädchenverzierung s. T ö p f e r e i A § 13. R a d e k o w (Kr. R a n d o w , P r o v . P o m m e r n ) . Urnenfeld, ausgegraben im J . 1875. Die U r n e n in
Brandschutt
mit
Steinüberdeckung.
T y p i s c h e s Feld der III. E Z
(Mittellatöne)
in P o m m e r n . G ü r t e l h a k e n mit H a f t a r m e n , Scheibenkopfnadeln, Mittellatfcne-Fibeln, Schwert, Lanzenspitze. H. S c h u m a n n
Urnenfriedhöfe
S. 194. R. Beltz
Radnadel. Charakteristische Nadelform der älteren H ü g e l g r ä b e r - B r o n z e z e i t Südund Mitteldeutschlands. W ä h r e n d vereinzelte S t ü c k e in F r a n k r e i c h , der S c h w e i z , B ö h m e n , Schlesien, P o s e n und sogar Südschweden erscheinen, e r s t r e c k t sich das Hauptverbreitungsgebiet von Süddeutschland n. der D o n a u in einem breiten B a n d über M i t t e l d e u t s c h l a n d (zwischen Coblenz und Halle) und reicht in den A u s l ä u f e r n bis H a n n o v e r u n d Mecklenb u r g ( B a n d I X T f . 125 g). D e r Mittelp u n k t scheint a m Mittelrhein oder in K u r hessen zu liegen. Ihre E n t s t e h u n g ist n o c h u n g e k l ä r t . D a r a d f ö r m i g e A n h ä n g e r erst später erscheinen, ist die A b l e i t u n g h i e r v o n sehr fraglich. G l a u b h a f t e r w ä r e v i e l l e i c h t eine E n t w i c k l u n g aus den R i n g k o p f n a d e l n , wie sie in Muschenheim (Mus. Gießen), Hundersingen (Präh. Bl. 1904 T f . I, 10), L u d w i g s t a l (Mus. S t u t t g a r t ) und besonders der S c h w e i z und Italien a u f t r e t e n . E i n e Z w i s c h e n s t u f e scheint die F o r m m i t einem halben R a d als K o p f zu sein, wie sie aus W ü r t t e m b e r g und der S c h w e i z b e k a n n t sind ( G r o ß Protohelvites T f . 21, 3 1 ; K e l l e r 2. Pfahlbaubericht T f . 2, 59). Z f E t h n . 36 (1904) S. 586ff. A . L i s s a u e r ; AuhV 5 S. 398 A n m . 3 P . R e i n e c k e ; Heidelberg. J a h r b . 9 (1899) S. 267 S c h u m a c h e r ; 10. Ber. röm.-germ. K o m . 1917 S. 31 S c h u macher. Behrens
R a d o r n a m e n t . § 1. Schon in der j. S t Z begegnen K r e i s m u s t e r m i t e i n g e z e i c h n e t e m K r e u z , z. T . als reines O r n a m e n t , z. T . a b e r auch sicher als symbolisches Zeichen. W e l c h e v o n beiden D e u t u n g e n z u t r i f f t , k a n n n u r v o n F a l l zu F a l l entschieden w e r d e n . D i e V e r z i e r u n g kreisrunder F l ä c h e n d u r c h ein R a n d o r n a m e n t und zwei s e n k r e c h t aufeinanderstellende D u r c h m e s s e r e n t s p r i c h t ganz dem Stil der neol. Ornamentik ( D e c k e l v e r z i e r u n g schnurkeramischer Töpfchen, Gefäßbodenverzierung von Palmella, P o r t u g a l , v o n K o s z y f o w c e [s. d.] usw.). In der südosteurop. V a s e n m a l e r e i e n t w i c k e l n sich aus den ineinandergreifenden S p i r a l v o l u t e n nach u n d n a c h radförmige M o t i v e ( P e t r e n y , C u c u t e n i ) , so
RADORNAMENT daß an eine sinnbildliche Bedeutung nicht zu denken ist. In der ostalpinen K e r a m i k (Laibacher Moor) ist die Deutung zweifelh a f t ; neben Kreisen mit Kreuz, Sparren oder Gitterwerk erscheint das K r e u z auch in rechteckiger Umrahmung und zusammen mit anderen Treppenmustern (Band X Tf. 30e). Näher liegt die Deutung als Sonnenzeichen bei den auch sonst mit Symbolen bedeckten trojan. Spinnwirteln der I I . — V . S t a d t (s. T r o j a ) . Erscheint das Radkreuz, wie schon auf Steinen der nord. Megalithgräber, ohne jeden ornamentalen Zusammenhang, so handelt es sich wohl zweifellos um eine religiös-symbolische Darstellung der Sonne in Gestalt des frühen, vierspeichigen Rades (s. a. S y m b o l ) . § 2. Während der B Z war das Radzeichen wohl gleich allg. verbreitet wie der Sonnenkult selber, es findet sich v o m K a u k a s u s und Griechenland (gut charakterisiertes vierspeichiges R a d unter den Goldblechen der m y k . Schachtgräber; Band I V T f . IOI a, c) bis England und Skandinavien. Dadurch, daß die nord. Radkreuzmotive nicht in das eigentliche Ornament eindringen, bekunden sie noch deutlicher ihren Charakter als Wahrzeichen. In den skand. Felsenzeichnungen (s. d. A) erscheint das R . nicht nur als wirkliches Wagenrad, sondern unzählige Male auch isoliert und dann doch vermutlich als Sonnenrad (Band I I I T f . 54 b, h, j). Vielleicht sind hier die stelenartigen Figuren mit einem Kreis oder R a d kreis als oberem Abschluß, die an die christlichen Hochkreuze mit K r a n z erinnern, als Darstellung wirklicher Stelen zu betrachten und auf den Sonnenkult zu beziehen. Vierspeichige R ä d e r mit wahrscheinlich kultischem Charakter finden sich auf den Steinplatten des K i v i k - G r a b e s (Schonen; B a n d I I I Tf. 55 b, c) oder auch als Griffverzierung der „Rasiermesser" und K ä m m e . Die Bronzebekleidung eines hölzernen Kultgeräts ( ? ) aus B a l k a k r a (s.d.; B a n d I T f . 73 a) trägt 10 durch das Nabenloch deutlich kenntlich gemachte vierspeichige Räder. A u s England (Wexford) ist das Motiv von einer Goldscheibe, die vermutlich wie die Trundholmer (s. d.) als eine Sonnenscheibe aufgefaßt werden muß, bekannt (s.a. G r o ß b r i t a n n i e n C §24 und B a n d I V Tf. 255 a); auch in Norddeutschland scheint die sym-
Ii
bolische Bedeutung des R . aus mehreren Funden gesichert (Bronzehorn von Wismar, Gürtel von Blankenburg, Uckermark). Bei den massenhaft gefundenen Radnadeln (s.d.) und Radanhängern der südd. Hügelgräberzeit mit einfachem oder reicher durchbrochenem Muster muß die Bedeutung dahingestellt bleiben. § 3. Zusammen mit so vielen anderen Sonnensymbolen erscheint das R . ungemein häufig in der früheren E Z Griechenlands, Italiens, aber besonders auch im Gebiet der H a l l s t a t t - K u l t u r : auf bemalten Gefäßen von Griechenland bis Schlesien, plastisch eingedrückt an Tongefäßen der Niederlausitz und Niederösterreichs, als Bronzeanhänger in Ungarn, der Schweiz, Ostfrankreich, vielfach auch als einzelne vier- oder mehrspeichige Rädchen. Zusammen mit den Sonnenvögeln begegnet das R . u. a. an ital. Bronzegefäßen, Hallstätter Gürtelblechen, den schildförmigen Scheiben von Klein-Glein (s.d.; Steiermark). Mag das R . in vielen Fällen auch die Bedeutung eines bloßen Schutzzeichens (Amulett) angenommen haben, so zeigt die Verbindung mit plastisch aufgehefteten Sonnenvögeln an einer Gürtelkette der L T Z (Nemejice, Böhmen), daß auch jetzt das R . noch als Sonnensymbol verstanden wurde. Während der ganzen L T Z bleibt das R . allg.: mit vier oder acht Speichen als Gürtelschmuck, als Hängeschmuck an Fibeln und Halsringen, auf Münzen, Helmen usw.; einzelne Bronzerädchen, die man auch als Geld gedeutet hat, stammen massenhaft besonders aus den Spätlatöne-Stationen (Stradonitz, Bibrakte [s. d.]; 2000 wurden aus der Loire gehoben). A n den gallo-röm. Jupiterstatuetten und Altarreliefs wird das Radkreuz unmittelbar mit dem Götterkult in Beziehung gebracht: das uralte Sonnenzeichen wird zum A t t r i b u t der persönlich gefaßten Gottheit. § 4. Über die Entwicklung v o m Sonnenrad zum K r e u z unter Ausschaltung des Reifens, nicht bloß in christlicher Zeit, sondern schon bei den Assyrern, handelte (s. a. G ö t t e n s y m b 01 E i § 2 4 a , 42 a, 44) wiederholt M 0 n t e 1 i us. Besonders klar ist dieser Übergang auch im Bronzeschmuck der frühen E Z Südost- und Mitteleuropas zu beobachten (vgl. H o e r n e s Urgesch.2 S. 24).
12
RAGUSA-RAINBERG Dechelette 3 c. I X ;
Manuel
Gaidoz
symbolisme Hoernes
II l c. X I I I , 2 c. X I ,
Le dieu gaulois du soleil et le
de la roue Urgesch,2
Rev.
arch.
1884—85;
S. 501 f.; Niederlaus. Mitt.
1 S. 23, 70; 2 S. 9; 3 S. 50 J e n t s c h ;
Prometheus
16 (1904) S. 241 ff., 259?f., 2 7 7 f f . ;
Mannus 1
(1909) S. 53ff., iÖ9ff. 0 . M o n t e l i u s ; Vid.
Selsk.
S. M ü l l e r Nord.
Skrift. Solbilledet
Fortidsm.
5, fra
3
S.
Trundholm
1 (1903);
S- 125 ff.
69t.
Aarb.
F. A . v .
Danske Müller; SA.
10
aus
(1920)
Scheltema
Ragusa (Hybla Heraea) s. S i z i l i e n B II. Rahmani s. Ä g ä i s c h e K u l t u r . Rahtnenbau s. H a u s . Rahmenstil (oder f l ä c h e n e i n t e i l e n d e r Stil). Nach H o e r n e s : Gliederung der Gefäßwand in Felder, die dann jedes für sich eine weitere Ausschmückung erfahren können. Stark ausgeprägt erscheint der R. in der ostalpinen Keramik (Laibacher Moor; Band X Tf. 30 E ), beim Metopenband der Glockenbecher (Band IV Tf. 148,150—152), nicht selten auch in der späten Megalith- und Schnurkeramik; in der Verzierung der bemalten Hallstatt-Gefäße ist der R. sehr allgemein. Irreführend ist es, wenn Hoernes den R. zugleich als einen tektonischen Stil und als eine spätere Entwicklungserscheinung dem ,,Umlaufstil" (s. d.) gegenüber betrachtet. Das Auftreten senkrechter Linienbündel oder Ornamentstreifen, die neben den wagrechten Umlauflinien die senkrechte Ausdehnung gewisser Gefäßteile betonen, ist ebenso streng tektonisch begründet wie der einfache Umlaufstil und noch keineswegs als ein späteres Entwicklungsmerkmal zu betrachten. Erst wenn die durch die senkrechten und wagrechten Liniengruppen bestimmten Grundflächen einen nachträglichen Schmuck durch Füllfiguren oder gar symbolische Motive erhalten, handelt es sich um einen typisch sekundären und späten Stil, der dann aber einen ausgesprochen atektonischen Charakter trägt. — S. a. F ü l l m u s t e r , Metopenband. H o e r n e s Urgesch.1
S. 258, 2 6 5 f f . F. A. v. Scheltema
Rajgorod (Bez. Cerkask, Gouv. Kijev). § 1. Bei R. im Kijever Gebiete wurden 1899 durch J. V. Chvojka eine Anzahl skyth. Kurgane untersucht, über die nach seinem Tagebuch im III. Bande der Collection Khanenko 1900 berichtet ist, allerdings nur über Nr. 1, 2 und 14. Der
wichtigste davon ist Nr. 2. Seine H. betrug 5V2 m > s e i n Umfang 130 m. An der Ostseite des Hügels eine kleine Holzkammer (H. nur 0,48 m, L. 2,10 m und Br. 0,75 m) mit Frauenbestattung. Zu ihren Füßen zwei Gefäße, eines einheimischer Arbeit (Collection Khanenko III Nr. 832 Tf. 54), kugelig, von demselben Typus wie die vielgefundenen Silberfläschchen (s.Vor o n e z ) , eines griech. Arbeit (ebd. Nr. 841 Tf. 53). Auf der Brust eine Kette aus 33 Perlen (Serdelik, Email), zwei goldene Ohrringe von doppelkonischer Form (ebd. Nr. 4 Tf. 46), am Gürtel (Rückseite) weitere Serdelik- und Emailperlen (ebd. Nr. 597), 56 Goldbleche und eine bronzene Gürtelschnalle. § 2. Das Hauptgrab, ein mit Holz abgedeckter Schacht, lag unter dem Hügelaufschutt, hatte eine L. von 5,70 m, eine Br. von 4,30 m und eine T. von 3 m. Dies Grab war zerstört. Außer Tongefäßscherben, Bronzeblechen und eisernen Psalien (auch Pferdeknochen waren im Grabe) eine Schale (zwei?) griech. Arbeit (ebd. Nr. 842 Tf. 53), ein eisernes Messer und ein seltenes Stück: ein eiserner Akinakes mit bronzenem Griff (Collection Khanenko III Nr. 166 Tf. 38). Soweit sich aus der Abb. ersehen läßt, steht die Grifform des Schwertes dem von Sumejko (s. d. und Collection Khanenko III Nr. 461 Tf. 45) und verwandten nahe. § 3. Bei den beiden anderen Hügeln 1 und 14 wird nur von e i n e m Grabe berichtet, das in der Anlage dem aus Nr. 2 gleicht. Beides Kriegergräber mit der gewöhnlichen Ausstattung, Tierknochen (Pferd, Schaf, bei Nr. 1 angeblich auch Schwein) und Pferdegeschirr (knöcherne Psalien aus Nr. 1; Collection Khanenko III Nr. 528, gute Abb. Tf. 48). Der älteste dürfte wohl Kurgan 2 sein ( 5 . - 4 . Jh.). S. a. S ü d r u ß l a n d D. Collection
Khanenko
I I I (1900) S. 9 f. M. E b e r t
Rainberg (in Salzburg, Salzburg). Noch im Gebiete der Stadt Salzburg liegt der auf allen Seiten steil abfallende, bis 80 m über die Talsohle sich erhebende, das Landschaftsbild beherrschende R. Seine ausgedehnten Hochflächen gliedern sich in den Hohen oder Oberen und in den Unteren
Tafel 2
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i^jaglB
1|||||||\
äs»
Räkos-Palota i . T o n g e f a ß , in dem der S c h a t z lag. '/« G r . - 2. S t r e i t a x t . * / , n. Gr. - 3, 4. A r m r i n g e . s / i und V» n- G r . (mit Einzelheiten in ' / , n. Gr.). Nach J . I l a m p e l .
Tafel 3
Rákos-Palota 5, 6. Armringe. — 7. Nadel. — 8. Anhängsel. — 9. Zierstück. — 10. Dsgl. — 1 1 . Bruchstück eines gewundenen Drahtes. — 12. Spiralen. — 13. Fragmente davon. Nach J . H a m p e l .
RÁKOS-PALOTA oder Niederen R . Schon seit 1857 w e r den in diesem G e b i e t e F u n d e g e m a c h t , a b e r erst die u m f a n g r e i c h e n U n t e r s u c h u n gen besonders v o n Hell und R ö b l i t z h a b e n diese präh. H ö h e n s i e d l u n g v ö l l i g g e k l ä r t . A u s den zahlreichen Fundstellen k a m e n insbesondere Flach- und L o c h ä x t e , massenh a f t Pfeilspitzen, z u m e i s t aus Hornstein, geschlagene K l e i n w e r k z e u g e aus demselben Material, verschiedene Arbeitssteine, oberu n d endständige L a p p e n ä x t e , m a s s e n h a f t N a d e l n und P f r i e m e n , darunter filigrante F o r m e n , Messer, Sicheln, verschiedenartige R i n g e und B r u c h s t ü c k e solcher, alle aus B r o n z e , dann T ü l l e n ä x t e und Fibeln aus Eisen, eine norische Kleinsilbermünze, D r a h t g e w i n d e aus Gold, B r u c h s t ü c k e v o n R e i f e n und P e r l e n aus Glas, Horn- und Beinartefakte, bronzezeitl. Mondbilder, Spinnwirtel sowie Bruchstücke einer menschlichen F i g u r aus T o n und eine sehr g r o ß e A n z a h l v o n G e f ä ß f r a g m e n t e n und B r u c h s t ü c k e unfertiger Tongeschirre z u m Vorschein. N a c h der V e r t e i l u n g der F u n d e w a r der R . , v o m Neol. angefangen, durch alle weiteren vorgesch. K u l t u r p e r . besiedelt. D a s Gebiet der jungneol. Besiedlung konzentriert sich auf der Höhe des Oberen R . , doch finden sich a u c h auf dem U n t e r e n R . neol. S t r e u f u n d e . Die K u l t u r der B Z e n t f a l t e t sich auf den H o c h f l ä c h e n des U n t e r e n R . in reichlichem Maße. Bronzezeitl. R e s t e auf dem Oberen R . sind S t r e u f u n d e . E b e n f a l l s auf dem U n t e r e n R . erscheint die Hallstatt-Per. in zahlreichen F u n d e n v e r t r e t e n . Eine bescheidene, jedoch gegen das E n d e derselben hin wesentlich z u n e h m e n d e B e s i e d l u n g ergibt sich zur L T Z , m i t deren A u s k l i n g e n der R . gegen E n d e des l e t z t e n vorchristl. J h . seine Bedeutung als vorgesch. Besiedlungsz e n t r u m f ü r i m m e r verliert. M. H e l l und H. K o b l i t z Prähistorische Funde vom Rainberg in Salzburg Österr. K u n s t t o p o graphie 18 B e i t r a g I I I 1 — 3 7 ; M. H e l l Vorgeschichtliche Funde vom Nordjuße des Rainberges W i e n . P r ä h . Z. 1915 S. 2 7 — 3 1 . G. K y r i e
R a k o s - P a l o t a ( K o m . P e s t , U n g a r n ; Tf. 2,3). In m e h r f a c h e r Hinsicht w i c h t i g e r Dep o t f u n d , d e r i n e i n e m G e f ä ß e f o l g e n d e bemerkenswerte S t ü c k e e n t h i e l t : I. Eine typisch ungar., a b e r u n v e r z i e r t e S t r e i t a x t mit
15
oberer u n d unterer T ü l l e und f l a c h gewölbter, in einen kleinen K o n u s auslaufender Scheibe a m B a h n e n d e . 2. E i n offener, kantiger, nach den E n d e n zu sich v e r j ü n g e n d e r , u n v e r z i e r t e r A r m r i n g . 3. E i n dicker, nach den E n d e n zu gleichfalls sich v e r j ü n g e n d e r A r m r i n g mit E n d s t o l l e n und a u g e n f ö r m i g e n O r n a m e n t f i g u r e n zwischen G r u p p e n v o n Querstrichen und Bogenlinien. 4. Eine t y p i s c h e A r m b e r g e m i t s c h m a l e m , k a n t i g e n M i t t e l s t ü c k u n d Endspiralen, m i t konzentrischen H a l b k r e i s e n und Querstrichen verziert. 5. Eine Fingerberge m i t E n d spiralen. 6. E i n gewelltes A r m b a n d . 7. D a s F r a g m e n t einer N a d e l m i t v e r z i e r t e m und d u r c h b o h r t e m S c h e i b e n k o p f . 8. E i n scheibenförmiges, geripptes A n h ä n g s e l m i t zentralem B u c k e l und h a k e n f ö r m i g u m g e b o g e n e m Oberteil. 9. Ein T u t u l u s . 10. Ein calottenförmiger d u r c h b o h r t e r K n o p f . I I . E i n S t ü c k eines torquierten k a n t i g e n D r a h t e s . 12. F r a g m e n t e v o n Spiralen und 13. mehrere Spiralröhrchen (salta-leoni). D a s sehr charakteristische G e f ä ß ist ein scharf profilierter D o p p e l h e n k e l k r u g mit ansa-lunataförmigen, den R a n d überragenden, b a n d artigen H e n k e l n , die mit Querstrichen und liegenden K r e u z e n v e r z i e r t sind. D e r hohe, zylindrische H a l s ist mit B ä n d e r n v o n R i n g s f u r c h e n g e s c h m ü c k t ; die S c h u l t e r v e r zierung b e s t e h t aus eingeschachtelten W i n keln, die auf dem den B a u c h k n i c k markierenden F u r c h e n b a n d ruhen b z w . v o n der Basis des Halses h e r a b h ä n g e n . A u ß e r dem finden sich a m B a u c h k n i c k noch 4 s y m m e t r i s c h verteilte B u c k e l m i t H a l b k r e i s u m r a h m u n g , v o n denen die u n t e r den H e n k e l n befindlichen m i t diesen durch ein senkrechtes F u r c h e n b a n d v e r b u n d e n sind. D i e B r o n z e n , besonders der T u t u l u s , das gewellte A r m b a n d , das A r m b a n d m i t A u g e n o r n a m e n t , die A r m b e r g e , der A n h ä n g e r , die Nadel, die S t r e i t a x t (über die Z e i t s t e l l u n g s. G a u r a ) usw. verweisen den F u n d in die erste H ä l f t e der II. Per. (Mont.) der B Z . D a d u r c h werden a u c h die ö f t e r wiederkehrenden K r ü g e v o n diesem T y p u s (Szelev e n y , W a t t i n a usw.) chronologisch bes t i m m t , die z w a r noch der p a n n o n i s c h e n K e r a m i k (s. d.) angehören, anderseits aber w e g e n ihrer scharfen Profilierung u n d der B u c k e l m i t H a l b k r e i s u m f u r c h u n g schon der L a u s i t z e r K e r a m i k nahestehen u n d daher
Tafel 4
• m •
Morän MosandSumpmark Lern Berg Rullstens ds IKa 0 1 r J Km Skala 1:55000
Ramsj ö
RAMME-RASIERMESSER als Vorstufen von ihr aufgefaßt werden können. H a m p e l Bronzezeit I Tf. 86, 87; A r c h . E r t e sitö 14 S. 5 2 — 6 0 ; H o e r n e s Urgesch.2 S. 408. G. W i l k e
Ramme. Ob die zum Einsetzen von Pfählen heute übliche R. mit Fallbär in der Vorgeschichte bekannt war, ist ungewiß, wird aber von Feldhaus bei Wasserpfahlbauten vorausgesetzt. Auf festem Lande war sie keinesfalls gebräuchlich; dort wurden die Hauspfosten u. dgl. stets in eine ausgehobene Grube eingesetzt. Einige in den Pfahlbauten gefundene schwere Holzschlägel werden als Werkzeuge zum Eintreiben der Pfähle angesehen. Keller Tf. 10,3; bauten des h a u s Die
Pfahlbauten 2. Ber. Tf. 1, 18; 5. Ber. Tf. 15, 16; v . T r ö l t s c h Die PfahlBodenseegebietes 1902 S. 1 6 ; F e l d Technik der Vorzeit 1914 S. 856. Alfred Götze
Rampe s. F e s t u n g ,
Haus.
Ramsjö (Ksp. Vitting, Uppland, Schweden). R. heißt die älteste, bisher noch alleinstehende, in Uppland entdeckte Steinzeitsiedlung. Der Wohnplatz, im J. 1910 aufgefunden, hat eine besonders typische Lage am Südabschluß eines Rollstein-Äs da, wo dieser von einem Wasserlauf durchbrochen wird, der ehemals einen Sund zwischen zwei Buchten bildete (Tf. 4). Unterhalb des Wohnplatzes bemerkt man eine Terrasse, die wahrscheinlich die damalige Strandlinie markiert und auf ein Meeresniveau von ca. 64 m hinweist, was für dieses Gebiet ungefähr 80 °/0 der Litorina-Grenze bedeutet. Das Land dort liegt seit vielen Jahren unter dem Pflug, und die Funde wurden bei der Bodenbestellung gemacht. Sie bestehen aus meist ziemlich flachen Schleifsteinen und Äxten. Von diesen sind einige typische Lihult-Äxte, die meisten dagegen verwandte, aber in ihrer Formgebung unbestimmtere Ä x t e mit Schlagtechnik (,,Ramsjö"-Typus). Auch einzelne frühe Walzenbeile mit Schlagspuren treten in ein paar Exemplaren auf. S. hierzu Band I X Tf. 23 a—e. Die für die jüngeren Wohnplätze charakteristischen Tongefäßbruchstücke und Schiefergeräte fehlen noch vollständig. Die Siedlung von R. stimmt in ihrem Inventar durchaus mit dem überein, das Ebert Rcallexikoo XI
17
wir von gewissen Wohnplätzen der schwed. Westküste und aus dem Gebiet bei Oslo (Kristiania) kennen, und das in die Übergangszeit zwischen ä. und j. skand. StZ gehört. Allerdings wissen wir jetzt, daß Wohnplätze dieses Typus teilweise bis in die Dolmenzeit (,,Dös"-Zeit) herab dauern. Der Ramsjö-Wohnplatz kann jedoch auf Grund der Niveauverhältnisse keinesfalls länger als bis zur I. Per. der j. StZ in Benutzung gewesen sein. Denn er liegt 15 — 20 m höher als die uppländ. Wohnplätze bei Nyskotten und Oxsätra, die nach den hier zahlreich auftretenden dünnackigen Äxten in die Dös-Zeit zu setzen sind. S. N o r d i s c h e r K r e i s A § 4c 2 ß . Y m e r 1913 S. 3 6 9 f f . S. 33 ff.
d e r s.;
bebyggelsehistoria
Ekholm;
d e r s. o Studier I UUA.
1916.
1915 S. 13 ff.
ebd. 1922
i
Upplands
Diss.
Upsala
Gunnar Ekholm
Rändel s. B r o n z e t e c h n i k A § 12. Rang s. S c h i c h t u n g . Ranshofen (Oberösterreich). Im sog. Roiderholz wurden von der 16 Gräber zählenden Gruppe ein mittelgroßer Tumulus von 40 cm H. durch H. Preen aufgegraben. Es fand sich eine starke Aschenund Kohlenschicht, I Eisenmesser und einige Stücke aus Bronze, ferner mehrere, meistens polychrom verzierte Urnen und Schalen. Hügelgräbergruppe der jüngeren HZ. H.
von
Preen
Roiderholz
bei
J a h r b . A K . 1908 S. 41 - 4 3 .
Ras el-Kelb s. N a h r l ä s t i n a * S y r i e n A.
Ranshofen q.
Kyrie
el-Kelb,
Pa-
Rasener s. E t r u s k e r , R ä t e r . Rasenhügelgrabs. N o r d i s c h e r K r e i s C 1 . Rasierens. A u r i p i g m e n t , B a r t , H a a r tracht, Rasiermesser. Rasiermesser. A i . A l l g e m e i n . § i. Die als R. bezeichnete Messergattung hat in der nord.BZ die Form einer meist rechteckigen, länglichen Platte, die an einem Ende in einen kurzen Griff ausläuft (Band III Tf. 121 a - c ; IV Tf. 190b 5; V I I T f . 97, 2). In der Mittelmeer- und Alpenzone mit Ausstrahlungen nordwärts sitzen häufig zwei krumme Klingen, symmetrisch einen Kreis bildend, an einem längeren oder kürzeren Griff (Band IV Tf. 5 4 Abb. 33; V Tf. 129 k; vgl. a. IV Tf. 59, 8). In der ältesten EZ in 2
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RASIERMESSER
N o r d - und M i t t e l e u r o p a k o m m t der Griff in F o r t f a l l , u n d die K l i n g e k r ü m m t sich, w o b e i die S c h n e i d e an der a u s b i e g e n d e n S e i t e s i t z t ; M a t e r i a l : B r o n z e oder Eisen ( B a n d I V T f . 59, 9 . 1 0 ) . In der L T Z wird die K r ü m m u n g stärker, die scharfen E c k e n r u n d e n sich ab. § 2. W ä h r e n d sonst Griff u n d K l i n g e stets a u s einem S t ü c k bestehen, k e n n t m a n a u s Ä . (18. D y n . ) eine d e m heutigen R . n a h e k o m m e n d e zweigliedrige G a t t u n g , bei der Griff u n d K l i n g e durch ein S c h a r nier v e r b u n d e n sind. E s sind die v o n B e z z e n b e r g e r als V o r l ä u f e r der S c h e r e (s. d. A ) angesehenen Messer. § 3. D i e D e u t u n g als R . b e r u h t auf einer gewissen formalen Ä h n l i c h k e i t m i t d e m heutigen. Es fehlt indessen n i c h t an Ä u ß e r u n g e n , in denen die B r a u c h b a r k e i t v o n B r o n z e m e s s e r n z u m Rasieren w e g e n der W e i c h h e i t des S t o f f e s b e z w e i f e l t w i r d . M a n h ä t t e allerdings die M ö g l i c h k e i t geh a b t , durch geeignete L e g i e r u n g h a r t e Messerklingen herzustellen. O b das geschah, k ö n n t e durch A n a l y s e n f e s t g e s t e l l t werden. Bei den R . der nord. B Z k ö n n e n h a r t e L e g i e r u n g e n jedenfalls n i c h t ang e w a n d t w o r d e n sein, denn sie t r a g e n h ä u f i g g e p u n z t e V e r z i e r u n g e n , w a s nur bei v e r h ä l t n i s m ä ß i g weicher B r o n z e m ö g lich ist (s. B r o n z e t e c h n i k A § 1). G e g e n die D e u t u n g als R . spricht ferner der U m stand, daß sie in der nord. B Z h ä u f i g zus a m m e n m i t P i n z e t t e n (s. d.) g e f u n d e n werden, die als die eigentlichen Rasieri n s t r u m e n t e anzusehen sind; d a ß dieselbe P e r s o n sich aber n a c h zwei M e t h o d e n rasierte, ist k a u m a n z u n e h m e n . M a n w i r d also n a c h einer anderen D e u t u n g f ü r die R . suchen müssen. Die grifflose F o r m der ältesten E Z und besonders die s t a r k gek r ü m m t e der L T Z w ü r d e sich g u t als Felloder Ledermesser eignen. H o o p s Reallex. s. v . B a r t G u d m u n d s s o n ; e b d . s. v . R a s i e r e n , Rasiermesser Sud hoff mit weiterer Literatur. Alfred Götze
A 2 . I t a l i e n (Tf. 5 ; Rasoi a lama quadrangolare und a lama lunare oder falcata). § I. K l e i n e , doppelschneidige oder einschneidige Messer, in Italien so g u t wie d u r c h g ä n g i g m i t einer V o r r i c h t u n g versehen, u m sie, sei es a m Gürtel, sei es an Fibeln oder sonstwie, h ä n g e n d zu tragen. D i e doppelschneidigen Messer sind die älteren, w e i t in die B Z
Oberitaliens h i n a u f r a g e n d . D i e sich r u n d e n den und einschneidigen treten z u e r s t in Gräbern auf, die w i e bei B i s m a n t o v a u n d F o n t a n e l l a di C a s a l r o m a n o (v. D u h n Ital. Gräberk. I 149) bereits in den Ü b e r g a n g z u r E Z , die sog. V i l l a n o v a - Z e i t , gehören. N e b e n das t y p o l . t r i t t das t o p o g r a p h i s c h - c h r o n o l . Interesse dieser Messergruppe. Sie sind eine E i g e n t ü m l i c h k e i t der älteren Zeit, daher f a s t d u r c h w e g aus dünner, scharfschneidiger B r o n z e gegossen, aus E i s e n in Italien nur noch selten, w ä h r e n d dieselbe F o r m , n. der A l p e n ebenfalls der j. B Z u n d der ä. E Z besonders eigen, sich in N o r d deutschland und S k a n d i n a v i e n aus E i s e n bis in die Zeit v o n C. G e b . fortsetzt. § 2. A u s Z u s a m m e n s t e l l u n g v o n zwei einschneidigen Messern alter, schon in der S t Z üblicher F o r m entstand, wahrscheinlich im ö. Oberitalien, das zweischneidige „ R a s i e r m e s s e r " , zu dem in den T e r r a m a r e n s. des P o F o r m s t e i n e g e f u n d e n sind. D i e beiden Schneiden sind b a l d durch eine freie, bald m i t einem G i t t e r w e r k oder gew u n d e n e n S t a b zierlich gefüllte Ö f f n u n g getrennt, den Griff b i l d e t meist ein durch D o p p e l s t a b v e r b u n d e n e r Ring, aber a u c h w o h l ein d u r c h l o c h t e r Dorn, der die V e r b i n d u n g m i t einer H a n d h a b e aus anderem S t o f f ermöglichte. Die gern e t w a s k o n v e x g e s c h w u n g e n e n S c h n e i d e n entfernen sich an ihrem unteren E n d e meist so weit v o n einander, d a ß a b e r m a l s eine Ö f f n u n g entsteht, gewöhnlich — nicht immer — groß genug, u m in sie beim H a n t i e r e n einen Finger zu legen, w a s durch R u n d u n g jenes A u s s c h n i t t s v i e l f a c h noch erleichtert wird. Schon im ö. Oberitalien, mehr noch in sich dorthin öffnenden A l p e n t ä l e r n , tritt neben diese in k u n s t v o l l e r T y p i k herausgebildete F o r m eine auch in M i t t e l e u r o p a neben der ersten a u f t r e t e n d e V e r e i n f a c h u n g , bei der beide Schneiden sich zu einer rechteckigen, quadratischen oder t r a p e z f ö r m i g e n P l a t t e vereinigt haben ( B a n d V I T f . 27 b), die meistens, w e n n a u c h durchaus nicht immer, durch ein eiförmiges, elliptisches oder rundes, o f t sehr kleines L o c h in der Mitte, oft a u c h durch einen mehr oder minder gerundeten A u s s c h n i t t unten die u r s p r ü n g l i c h e T r e n n u n g der beiden Schneiden ahnen l ä ß t , trotz der scheinbar größeren Ursprünglichkeit, j a P r i m i t i v i t ä t : eine m e t h o d i s c h sehr be-
RASIERMESSER achtenswerte Tatsache. Diese vereinfachte F o r m ist d i e j e n i g e , in w e l c h e r sich d a s G e r ä t n a c h M i t t e l - u n d S ü d i t a l i e n bis n a c h S i z i lien u n d S a r d i n i e n , m i t m a n c h e r l e i l o k a l e n Modifikationen, verbreitet hat. A u c h der G r i f f z e i g t m e i s t e n s n i c h t m e h r die o r g a n i s c h e V e r b i n d u n g m i t d e m Messer, d i e Herausentwicklung aus demselben, sondern p f l e g t in G e s t a l t eines g l a t t e n oder t o r dierten R i n g e s und kurz gewordenen V e r bindungsstabes durch Nieten befestigt zu sein. D o c h k o m m t a u c h n o c h G u ß a u s e i n e m S t ü c k v o r . D i e P l a t t e ist g e w ö h n l i c h beträchtlich verkürzt, oft stark verbreitert u n d z e i g t das innere L o c h oder d e n o f t rechteckig, auch wohl dreieckig gebildeten unteren Ausschnitt nur noch ausnahmsw e i s e , seltener in M i t t e l i t a l i e n (z. B . A l l u m i e r e : B u l l . P a l e t n . I t a l . 35 T f . 12, I — 3 ; M o n t e l i u s Civ. prim. T f . 132, 2) als i m S ü d e n , z. B . in C a p u a (Mon. L i n c e i 22 S. 1 3 9 — 1 4 2 A b b . 6 0 — 6 1 ) , A p u l i e n ( J a t t a La Puglia preist. S. 175 A b b . 114), T i m m a r i (Mon. L i n c e i 16 S. 87) oder S i z i l i e n ( B u l l . P a l e t n . I t a l . 31 S. 129 A b b . 33; M o n . L i n cei 21 S. 336). Z u s c h m ü c k e n d e n G r a v i e r u n g e n , die m i t u n t e r auf d e n P l a t t e n a u f t r e t e n ( B u l l . P a l e t n . I t a l . 41 S . 52 A n m . ) , sind z. B . in A l f e d e n a die M o t i v e v o m einstigen A n h ä n g e r i n g u n d d e n M i t t e l l ö c h e r n g e n o m m e n (Mon. L i n c e i 10 S . 368 A b b . 85 = M o n t e l i u s Vorkl. Chronol. S. 193 A b b . 506). D i e „ M e s s e r " sind j e w e i t e r n a c h S u m so h ä u f i g e r so d ü n n , b l e c h a r t i g h e r g e s t e l l t , d a ß Z w e i f e l an der p r a k t i s c h e n Verwendbarkeit aufgetaucht sind, vers t ä r k t d u r c l i die v i e l f a c h a u ß e r o r d e n t l i c h e K l e i n h e i t , die sie m e h r zu s c h m ü c k e n d e n oder apotropäischen A n h ä n g e r n geeignet e r s c h e i n e n l ä ß t , also ä h n l i c h v e r w e n d e t , w i e die F o r m des v e r k l e i n e r t e n Beiles (v. D u h n Ital. Gräberk. I R e g . u. A m u l e t t e ) . M i t der e t w a s u n k l a r e n B e z e i c h n u n g Rasoi simbolici ist diese E r k l ä r u n g d u r c h P i g o r i n i eingeführt, von C o l i n i aufgenommen ( B u l l . P a l e t n . Ital. 20 [1894] S. I I ; e b d . 41 [1916] S. 52 A n m . ) . D a diese d o p p e l s c h n e i d i g e n Messer der w . L o m b a r d e i u n d P i e m o n t f r e m d sind, ist die A n n a h m e ausgeschlossen, die verb r e n n e n d e n „ I t a l i k e r " h ä t t e n sie b e r e i t s aus ihren S i t z e n n. d e r A l p e n m i t g e b r a c h t . D i e a u g e n f ä l l i g e V e r w a n d t s c h a f t d e r glei-
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c h e n G e r ä t e in M i t t e l e u r o p a , w o sie n i c h t n u r g l e i c h a r t i g e F o r m e n , s o n d e r n g e r a d e in der N a c h b a r s c h a f t d e r A l p e n w e i t e r g e b i l dete, a b g e r u n d e t e zeigen, scheint zu der V e r m u t u n g zu drängen, daß Mitteleuropa das G e r ä t aus der mittl. Po-Ebene, e t w a — w i e so m a n c h e s — ü b e r den B r e n n e r , erh a l t e n h a b e . A l s o ein a n a l o g e r F a l l z u d e r ersten F i b e l ü b e r t r a g u n g (s. F i b e l B § 1). D i e V e r w e n d u n g als R . m u ß als f r a g l i c h b e z e i c h n e t w e r d e n , d a sie, w e n n a u c h selten, sich a u c h in F r a u e n g r ä b e r n f i n d e n , also v o n F r a u e n in einer v e r e i n z e l t f e s t g e s t e l l t e n L e d e r t a s c h e oder e i n e m H o l z f u t t e r a l get r a g e n u n d b e n u t z t sind (v. D u h n Ital. Gräberk. I 542, 564); z e i g t z w a r g e r a d e m a n c h e Südländerin auch heute ansehnlich e n t w i c k e l t e n B a r t s c h m u c k , s o w ä r e d o c h Mitg a b e des R . eine i m m e r h i n w e i t g e h e n d e F ü r sorge. A u c h m u ß e r w ä h n t w e r d e n , d a ß z. B . in A l f e d e n a (s. d.) w i e a n d e r s g e f o r m t e Messer so a u c h in w e n i g s t e n s e i n e m F a l l e ein solches Messer in d e r g e w o h n h e i t s g e m ä ß d e n T o t e n zu F ü ß e n gestellten Speiseschale ausdrücklich b e z e u g t w i r d (v. D u h n a. a. 0 . S. 564). Bull. Paletn. Ital. 20 (1894) S. 6—19 Tf. I P i g o r i n i ; 31 (1905) S. 124—127 M o n t e l i u s ; d e r s . Vorklass. Chronol. 1912 S. 1 9 0 — 2 0 1 A b b .
474—5 1 7j $23, 547; ebd. Abb. 524—563 zahlreiche mitteleurop. Beispiele; Bull. Paletn. Ital. 41 S. 48—53 C o l i n i . § 3. V o n diesen a u s u r s p r ü n g l i c h z w e i S c h n e i d e n z u s a m m e n g e s e t z t e n m e h r oder minder rechteckigen, wenn auch oft stark abg e r u n d e t e n Messern sind die h a l b r u n d e n eins c h n e i d i g e n , e b e n f a l l s — seit H e i b i g 1875 ( I m n e u e n R e i c h I S. 14, a u s f ü h r l i c h e r Homer. Epos2 1886 S. 247 ff.) die D e u t u n g b e g r ü n d e t e — als R . a n g e s e h e n e n i n s o f e r n z u s c h e i d e n , als A b l e i t u n g der z w e i t e n G a t t u n g v o n der ersten, o f t a n g e n o m m e n , s c h w e r l i c h aufrechtzuhalten ist. So auch richtig Montelius Vorklass. Chronol. S. 202, gegenüber der früheren, namentlich v o n Pigorini vertretenen Ansicht. Allerdings s c h e i n e n sie in m a n c h e n G e g e n d e n die zweischneidigen abzulösen, in anderen g e h e n sie j e d o c h n e b e n j e n e n her, die sich n o c h l a n g e n e b e n ihnen h a l t e n . D o c h r e i c h t die z w e i t e G a t t u n g w e i t e r h e r a b , f i n d e t sich hier u n d d o r t a u c h n o c h a u s E i s e n . N e b e n einer m e h r g e s t r e c k t e n F o r m , die f ü r die Ü b e r g a n g s n e k r o p o l e n v o n d e r B Z z u r E Z in O b e r i t a l i e n t y p i s c h 2*
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ist (noch g a n z vereinzelt aus dem S a v e n a - ! v o n R i m i n i erreichte. Die bereits an Eisen Grabfeld von Bologna: M a c l v e r Villanoreichen G r ä b e r f e l d e r u m V e r u c c h i o h a b e n vans and Etruscans T f . 2, 18), a u c h in v i e l e solche h a l b r u n d e n Messer ergeben, die S c h w e i z und andere n., w . u n d nö. w ä h r e n d sie in P i a n e l l o (s.d.), schon i n m i t t e n L ä n d e r sich v e r b r e i t e t h a t , tritt bald, des umbrisch-picenischen Berglandes, noch schon in den älteren Bologneser B r a n d n i c h t v o r k o m m e n , sondern das zweischneigräbern (S. V i t a l e und Savena, Bedige, auf viereckiger F o r m beruhende noch nacci und Benacci-Caprara, Depotfund allein n a c h k l i n g t . A u c h in Terni (s. d.) erv o n P i a z z a S. F r a n c e s c o — freilich noch scheint es erst in der Zeit, als die b e s t a t t e n d e n selten, nur ein E x . festgestellt — ), eine U m b r e r b e g i n n e n , sich an die Stelle ihrer verm e h r gerundete, h a l b m o n d f ö r m i g e G e s t a l t brennenden V e t t e r n zu setzen b z w . sie aufauf, deren erstes und h a u p t s ä c h l i c h e s A u s z u n e h m e n (v. D u h n Ital. Gräberk. 1 1 9 7 ) , wird bildungsgebiet die G e g e n d u m B o l o g n a zu d a n n in deren Fossa- und Steinkreisgräbern sein scheint. D o r t finden sich diese Messerh ä u f i g . S o m i t f ü h r t e n a u c h die ersten ans chen in großer Menge, m i t u n t e r a u c h in T y r r h e n e r Meer v o r d r i n g e n d e n ,, I t a l i k e r ' ' es F r a u e n g r ä b e r n (Mèi. d'archéol. et d'histoire w a h r s c h e i n l i c h noch nicht m i t ; die G r ä b e r 1907 S. 448 G r e n i e r ; v . D u h n Ital. v o n T o l f a - A l l u m i e r e (s.d.) ergaben wie T e r n i Gräberk. I 162), w e r d e n j e d o c h u m die Z e i t noch v o r w i e g e n d die älteren viereckigen v o n A r n o a l d i I, w o sie aufhören, ersetzt Messer, nur g a n z ausnahmsweise, ein einziges durch eine mehr längliche, g e s c h w e i f t e G a t Mal (Notizie 1884 S. 101; v . D u h n Ital. t u n g (Mon. Lincei 5 [1895] S. 249ff. B r i z i o ; Gräberk. I204), erscheint ein halbrundes. So G r e n i e r Bologne 1912 S. 275). Die E n t f e h l t es denn a u c h noch in den A l b a n e r New i c k l u n g der F o r m h a t verschiedene S t u f e n kropolen der B r a n d z e i t und in den röm. Fod u r c h l a u f e n , ohne d a ß j e d o c h eine überall r u m g r ä b e r n (s. d.), w ä h r e n d die jüngeren g l e i c h m ä ß i g e A b f o l g e der F o r m e n festzuG r ä b e r der Monti schon Beispiele lieferten. legen w ä r e : der einen G e g e n d bleibt mehr D e m g e m ä ß tri tt es auf in den j üngeren Pozzodie eine, der anderen mehr die andere F o r m G r ä b e r n Cornetos (s. d.) und Vulcis (s. d.), eigen. A u c h die A n n a h m e , d a ß die S t ü c k e a u c h in d e n F a l i s k e r n e k r o p o l e n , i n V e j i (s.d.), m i t angenietetem Griff d u r c h w e g älter V e t u l o n i a (s.d.), noch gerade in Populonia seien als diejenigen, welche den Griff mit(s.d.) in älteren K a m m e r g r ä b e r n , in Marsigegossen zeigen, wird sich als d u r c h g e h e n d iiana (s. d.), V o l t e r r a (s. d.), M o n t e P i t t i sof ü r das ganze L a n d nicht f e s t h a l t e n lassen. wie in den P o g g i o R e n z o - G r ä b e r n v o n Chiusi G u t e Übersicht über die v e r s c h i e d e n e n (s. d.), die j a trotz m a n c h e r alter F o r m e n F o r m e n geben die Z u s a m m e n s t e l l u n g e n in schon s t a r k in die E Z hineinweisen. Im M o n t e l i u s Vorklass. Chronologie S. 203 — V o l s k e r l a n d e fehlen die h a l b r u n d e n Messer 204; die daran anschließenden A b b i l d u n g s noch in den freilich w e n i g e n B r a n d g r ä b e r n , b l ä t t e r S. 205—206 zeigen die mittel- u n d wie bei der dominierenden N ä h e der A l b a n e r nordeurop. F o r m e n , w e l c h e ihre genetische B e r g e n i c h t anders zu erwarten, erscheinen V e r w a n d t s c h a f t m i t den ersten g e s t r e c k t e n d a g e g e n im selben C a r a c u p a in den ersten T y p e n verraten, w ä h r e n d die h a l b m o n d volskischen B e s t a t t u n g s g r ä b e r n , die überförmigen nur in w e n i g e n , den A l p e n näheren h a u p t ein e t w a s j ü n g e r e s G e p r ä g e zur S c h a u Gebieten eigene Beispiele v e r t r e t e n und tragen, gegenüber umbro-sabellischen Gräw o h l als v o m S e i n g e f ü h r t anzusehen sind. bern m e h r im Inneren. Im s. S a m n i u m N a c h h e r ist die m i t t e l e u r o p . u n d nord. E n t fehlen die w e i t e r n., wie in B e s t a t t u n g s w i c k l u n g ihre eigenen W e g e g e g a n g e n ; g r ä b e r n P i c e n u m s u n d U m b r i e n s , noch häuv g l . M o n t e l i u s a. a. 0 . S. 206. figen h a l b r u n d e n Messer vollständig. Dagegen sind sie längs des t y r r h e n . Meeres süd§ 4. Die ersten aus der R o m a g n a südw ä r t s nach K y m e (s. d.) u n d dem campan. w ä r t s vorgedrungenen, v e r b r e n n e n d e n „ I t a H interland, Lukanien und Brettierland l i k e r " scheinen dies h a l b r u n d e Messer noch v o r g e d r u n g e n , w ä h r e n d A p u l i e n , Sizilien nicht m i t g e n o m m e n zu h a b e n ; denn ihre und Sardinien an der zweischneidigen F o r m ersten S c h w ä r m e m ö g e n den A p e n n i n f e s t g e h a l t e n h a b e n . M e r k w ü r d i g ist ein, überschritten haben, b e v o r der V o r s t o ß wie es scheint, vereinzeltes E x e m p l a r des dieser Gruppen die A d r i a in der G e g e n d
RASIERMESSER h a l b r u n d e n Messers, das ganz d e m in Benacci I v o r k o m m e n d e n T y p u s gleicht, in K a r t h a g o ( G r e n i e r Bologne S. 278, 2); vielleicht h a t es zufällig aus E t r u r i e n den Weg dorthin gefunden. B e a c h t e n s w e r t die o f t m a l s a u s g e f ü h r t e zierliche S c h m ü c k u n g mit G r a v i e r u n g e n , Zickzack- u n d Dreiecksäumungen und W u r f b e i l e n (diese allein sechsmal beoba c h t e t ) , einmal auch mit einem Schiff; ebenso die A u f n a h m e in ein in S p u r e n oftmals g e f u n d e n e s F u t t e r a l a u s Holz oder Leder. S. die im Text und zu § 2 angeführte Literatur, dazu G s e l l Fouilles de Vulci 1891 S. 296ff.; Mon. Lincei 1 5 S.442, 1 P i n z a ; ebd. 16 S. 389f. P a r i b e n i ; G r e n i e r Bologne 1 9 1 2 S. 274ff.
§ 5. Die § 3 zu A n f a n g b e r ü h r t e Deut u n g auch dieser h a l b r u n d e n Messer auf R . ist a u s gleichen G r ü n d e n wie bei den zweischneidigen n i c h t sicher. A u s i h r e m FO, meistens neben dem Schädel oder der Schulter, bei B e s t a t t u n g s g r ä b e r n , l ä ß t sich kein sicherer Schluß ziehen, da sie vereinzelt auch zu F ü ß e n oder n a h e der K ö r p e r m i t t e notiert werden. D a ß auch sie, wie die zweischneidigen (s. o.), gelegentlich a m H a l s b a n d getragen u n d a p o t r o p ä i s c h v e r w e n d e t wurden, m a g m a n a u s ihrer o f t m a l s ü b e r d ü n n e n Beschaffenheit erschließen, aber auch aus ihrer vereinzelten H e r s t e l l u n g aus Bernstein. So n o t i e r t e ich mir im Museo V. Giulia in Rom, demselben G r a b X X I V von Narce e n t n o m m e n , ein solches h a l b r u n d e s „ R a s i e r m e s s e r " aus Bernstein u n d aus gleichem Material eine kleine A x t . Man w ü r d e gern das Erscheinen dieser F o r m auf einem T u r i n e r Relief m i t der Darstellung des K a i r o s v e r w e n d e n (Arch. Ztg. 33 [1875] T f . I; D ü t s c h k e Ant. Bildw. in Oberitalien IV N r . 117; F r i e d e r i c h s - W o l t e r s Berl. Abgüsse 1897), w e n n n i c h t a u ß e r sonstigen B e d e n k e n gegen den a n t i k e n Urs p r u n g dieses Reliefs noch die sonderbare T a t s a c h e eben des Erscheinens dieser Rasierm e s s e r f o r m auf einem Relief käme, das, wenn a u c h a u s ital. M a r m o r , doch auf eine griech. E r f i n d u n g des 4 . - 3 . J h . zurückgehen m ü ß t e , d. h. eine Zeit, wo diese F o r m , selbst w e n n sie je in Griechenland üblich gewesen w ä r e — was keineswegs sicher ist; denn das wenige, was H e i b i g Horn. Epos S. 248, d a n a c h B l ü m n e r Rom. Privat-
21
altert. 1911 S. 268, 4 d a f ü r a n f ü h r e n , s t e h t völlig in der L u f t —, seit zwei J h . oder m e h r v e r s c h w u n d e n sein m ü ß t e , wie a u c h in Italien. W i e freilich ein Bildhauer, sei es der a l t r ö m . Zeit, sei es der Renaissance, auf diese alte F o r m h a t k o m m e n können, bleibt ein R ä t s e l . D e n n die Gestalt des griech. R., wie es schon bei der b e k a n n t e n homerischen W e n d u n g II. K 173 v o r a u s g e s e t z t werden m u ß , s t e h t bereits im selben 2. J h t . f e s t u n d setzt sich im wesentlichen in gleicher F o r m f o r t d u r c h das Mittelalter bis in die Neuzeit (Ausonia 9 [1914] S. 155ff. D e i l a C o r t e ) . E s w a r länglich, leicht geschwungen, spitz oder geradlinig auslaufend, u n t e n m i t einer schmäler w e r d e n d e n Verl ä n g e r u n g des R ü c k e n s , w o d u r c h zwischen diesem Griff, der noch eine F a s s u n g erh a l t e n k o n n t e , u n d der Schneide ein R a u m e n t s t a n d , in den die Finger sicher gelegt w e r d e n k o n n t e n . Im einzelnen gab es n a t ü r l i c h viele V a r i a n t e n . Beispiele a u s K r e t a : Mon. Lincei 14 (1904) S. 541—42 A b b . 24 (Phaistos); Mon. Lincei i 4 T f . 4 , 2 . 3 ( H a g i a T r i a d a ) ; E . H . H a l l Excavations in eastern Crete, Vrokastro 1914 Tf. 19,1; S.i 13, 179 (Vrokastro); E v a n s Prehistoric tombs of Knossos 1906 S. 60 A b b . 63, S. 87 A b b . 98 (Zapher P a p u r a ) ; 'Ecp. dpx. 1904 S. 19 A b b . 3 (Artsa); B S A 8 S. 304 (Palaiokastro-Elaia); aus Rhodos: F u r t w ä n g l e r - L ö s c h c k e Myk. Vasen 1886 T e x t Tf. D, 8 (Ialysos); v o m F e s t l a n d : 'Ecp. apx. 1888 Tf. 9, 17 S. 171 (Mykenai, wo sie jedoch in den S c h a c h t g r ä b e r n noch fehlen); T s u n t a s - M a n a t t Myc. age S. 166 A b b . 61 (Markopulo); 'Eqp. dpx. 1895 S. 219, 259 u n d T f . 9 , S. 14 ( S p h e t t o s ) ; zwei s c h ö n e d e r a r t i g e S t ü c k e aus s p ä t m y k . G r a b f u n d v o n Aigeira in Berlin (Mitt. R . Zahns). Auf diese F o r m , die sich in mancherlei V a r i a n t e n d u r c h die s p ä t e r e n Zeiten verfolgen läßt, u n d deren G e s t a l t u n g in r ö m . u n d folgender Zeit D e i l a C o r t e ( A u s o n i a 9 [1914] S. I39ff.) trefflich dargelegt h a t , bezieht sich die curva theca Martials X I 58, 9; gleiche Gestalt m a g m a n f ü r die Eupo&ÖKri des A r i s t o p h a n e s T h e s m o p h . 220 v o r a u s setzen. S. a. D e c h e l e t t e Manuel II 1 S. 2 6 4 — 6 5 .
V. Duhn
B. Ä g y p t e n . Das Scheren des H a a r e s , d a s in ältester Zeit jedenfalls m i t einem Steinmesser bewerkstelligt wurde, spielt in
RASKOPANA-MOGILA-RASSE
22
Ä. sehr früh eine besondere Rolle, da die Sitte, Haupthaar und Bart ganz kurz zu schneiden, ja zu rasieren, schon zur Zeit der I. Dyn. beim König und bei den Vornehmen allgemein geworden ist (s. H a a r t r a c h t B). Die älteste Darstellung eines Schermessers ist uns in der Hieroglyphe für das Wort „scheren" aus dem A R erhalten ( S e t h e Pyramidentexte 1428a). Sie zeigt ein kurzes, meißelartiges Instrument, wohl aus Kupfer, mit ziemlich breiter Schnittfläche, das in einem längeren, leicht geschwungenen Griffe steckt. Die Darstellungen des Rasierens im MR ( K l e b s Reliefs MR S. 41; vgl. a. ebd. S. 28 Anm. 16) und des Haarschneidens im N R ( E r m a n R a n k e Äg. S. 246) zeigen Messer anderer Form. Originale von R. aus Bronze haben sich aus dem MR und N R erhalten. W i e d e m a n n Äg. S. 139; Berlin. Aus). Verz. S.208.(Dievon B o r c h a r d t [ÄZ42 S-78f.]als Rasiermesser bezeichnete Hieroglyphe h a t mit einem solchen nichts zu tun.) Ranke
Raskopana - Mogila Apostolovo. Raspel s. F e i l e .
s.
Micha jlovo-
Rasse. R. ist ein rein naturwissenschaftlicher Begriff und darf daher nicht mit Dingen wie „ V o l k " , „Sprachgemeinschaft" oder gar „ S t a a t " verwechselt werden. Während „ V o l k " eine durch geschichtliche Vorgänge vereinigte (sekundär meist auch durch Mischung blutsverwandt gewordene) Gruppe, „Sprachgemeinschaft" die Summe derer ist, die — ganz gleich welcher Abstammung, welcher Rasse —- die gleiche Sprache reden, und „ S t a a t " ein politisches Gebilde ist, das die verschiedenartigsten Elemente umfassen kann und meist auch umfaßt, ist „ R a s s e " (schärfer: „Systemrasse") eine Menschengruppe, die durch B l u t s v e r w a n d t s c h a f t zusammenhängt, deren Einzelglieder alle der gleichen Wurzel entstammen, von gemeinsamen Vorfahren kommen; sie zeichnet sich durch den Besitz bestimmter gleicher Erba n l a g e n und durch diese bedingte Eigenschaften aus; sie unterscheidet sich durch ihre Erbanlagen von anderen R. und vererbt sie mit Zähigkeit weiter, so daß man von einer „Konstanz der Rassen" sprechen kann. Es ist also falsch, beispielsweise von einer „deutschen", „englischen" oder „italie-
nischen" „ R a s s e " zu sprechen. Deutsche, Engländer, Italiener sind „Völker", aber keine „Rassen", sind vielmehr aus einer Mischung verschiedener R. hervorgegangen. (Die Erblichkeitslehre faßt leider — manche Verwirrung war die Folge — den R.-Begriff enger, bezeichnet schon zwei nur durch ein gutes erbliches Merkmal verschiedene Linien als „Rassen".) Die „ R a s s e n e i g e n s c h a f t e n " bestehen nicht nur aus äußerlich sichtbaren k ö r p e r l i c h e n (somatischen und morphologischen) Merkmalen, sondern auch aus p h y s i o l o g i s c h e n und g e i s t i g e n Eigenschaften: manche Menschenrassen unterscheiden sich geistig fast mehr als körperlich. Und da „ K u l t u r " und „Zivilisation" ein Produkt aus erblicher Rassenanlage und „ U m w e l t " sind, muß man die große Verschiedenheit der Kulturen und Zivilisationen in Ausprägung und Höhe zu einem sehr großen Teile auf die so verschiedene geistige Veranlagung der R. zurückführen; man macht immer wieder die Beobachtung: eine kulturschöpferisch begabte R. (wie die nordeurop.) kann selbst in ungünstiger Umwelt noch kulturelle Werte schaffen, während eine unbegabte selbst unter den günstigsten Bedingungen nicht über primitive Zustände hinauskommt. Die wichtigsten sichtbaren körperl i c h e n Merkmale sind: die Farbe von Haut (s. d.), Augen (s. d.) und Haar (s. d.), die Form des Haares, die Gestalt der Hirnkapsel und des Gesichtes, die Formen und Proportionen der Gliedmaßen und des Rumpfes, die Körpergröße. P h y s i o l o g i s c h e Merkmale sind vor allem die biologischen Rasseneigenschaften des Blutes (Aufbau des Eiweiß, agglutinierende und agglutinable Eigenschaften), der Rasse-Geruch, früheres oder späteres Eintreten der Geschlechtsreife und der Alterserscheinungen, verschiedenes Verhalten gegen klimatische Einflüsse und gegen verschiedene Krankheiten. Die p s y c h o l o g i s c h e n Eigenschaften sind schwerer mit Sicherheit zu bestimmen, besonders bei fernerstehenden Rassen, in deren Psyche man sich nur unvollkommen einfühlen kann. Sicher ist aber, daß sich bei den menschlichen Rassen erhebliche Unterschiede finden: im Temperament, in
RASSEL-RÄTER
der S t ä r k e und A u s p r ä g u n g des Geschlechtstriebes,
im
Charakter,
Willen,
Tatkraft,
in d e r
Stärke
Zielbewußtsein,
verschieden
ist d a s
führenden
Schichten ;
besonders
besonders
in
den
sehen und schöpferischen
LTZ
der
Unter-
Die
Rassen
zeigen
organisatori-
Fähigkeiten.
endlich
auch
s c h i e d e n h e i t e n in E i g e n s c h a f t e n , d i e d u r c h ein Z u s a m m e n w i r k e n und
geistigen Anlagen
der
Körperhaltung,
von
körperlichen
b e d i n g t s i n d , s o in im
Gange,
in
G e s t e n , i m M i e n e n s p i e l u s w . (s. H o m o ropaeus,
Homo
Rassel.
mediterraneus
S . a. M u s i k A . —
D i e R . h a b e n als u r t ü m l i c h e
Rat
der
A l f r e d Götze
Alten
s.
Altenherrschaft,
(Tf. 6). R a e t i ( P a i x o i ) ,
fassender
Name
gemeinschaften § 1.
in G r a u b ü n d e n Stämme.
Bodensee; Inn
von
den
2. v o m
Tirol.
Ihr
Gebiet
und
Quellen
bis
zum
Donaugebiet
die
Täler
usw.).
des
Reche
stein, die Obertäler v o n
zweifellos
von Talund
u m f a ß t : 1. d i e T ä l e r d e s R h e i n s u n d s e i n e r Nebenflüsse
eine b e d e u t e n d e Rolle gespielt. Ihre S p u r e n
zusammen-
für eine A n z a h l
Grenzen.
eu-
(Vorderasien)
Hallstatt-
G e r i c h t A , B § 4 I I I , S t ä n d e § 1.
den
Geräuschwerk-
z e u g e in d e r a s i a t . V o r g e s c h i c h t e
j
nachweisen.
Räter Ver-
R.,
K u l t u r z u r ü c k , i m N l ä ß t er s i c h e r s t i n d e r
s c h i e d e f i n d e n s i c h in d e n B e g a b u n g e n u n d j Talenten,
Orna-
Instrument.
S e i n e B e n u t z u n g g e h t b i s in d i e
Idea-
erhebliche
Zur E r z e u g u n g paralleler
ein mehrzinkiges, k a m m a r t i g e s
Voraus-
Gemütsleben,
die Durchschnittsintelligenz
Raster.
mentlinien auf T o n g e f ä ß e n diente der
von
denken, Mut, Aufopferungsfähigkeit, lismus;
i
23
seiner
Nebenflüsse
bis
Kuf-
Iiier, L e c h ,
Isar;
3. d i e T ä l e r d e r E t s c h u n d d e s E i s a c k d e n m e i s t e n S e i t e n t ä l e r n ; 4. d i e der
Adda
Wallis
und
des
Oglio.
( v a l l i s Poenina)
Der
und das
mit
Obertäler Kanton Helveter-
s i n d a b e r s e h r g e r i n g , w i e es b e i w e r t l o s e n
G e b i e t im O, das keltisierte Vindelicien
und zumeist
N, das illyrisierte N o r i c u m im W , das illy-
recht
zerbrechlichen
s t ä n d e n n i c h t a n d e r s sein k a n n .
GegenVon
den
risierte V e n e t e r g e b i e t im W ,
P h i l i s t e r n (s. d.) h a b e n s i c h d o s e n - u n d v o g e l -
Gallia
förmige,
transpadana
Tonrasseln
mit
länder
Einschlußkligelchen und z . T . mit Ösen
er-
Namen
halten.
zu-
oft Sie
durchlöcherte werden
dem
1. — 2. J h t .
g e s c h r i e b e n ( M a c a l i s t e r Gezer a. M u m m e n s c h a n z
I I 306).
§1.
Rasseneigenschaften.
Sachs
Es
gibt
soma-
tische, morphologische, physiologische geistige.
S. R a s s e .
Rassenkunde.
S.
und Reche
Lehre von den
Menschén-
(System-)rassen, ihren Erbanlagen, ihren Eigenschaften,
ihrem biologischen Verhalten,
ihrer g e o g r a p h i s c h e n V e r b r e i t u n g u n d ihrer Geschichte.
S. A n t h r o p o l o g i e .
Rassenmorphologie. phologischen
Reche
Lehre v o n den morder
Rassen,
d . h. d e n E i g e n s c h a f t e n d e s t o t e n
Eigenschaften
Körpers.
S. A n t h r o p o l o g i e .
Reche
Rassenphysiologie. Lehre v o n den physiologischen Eigenschaften der Menschenrassen. S.
Anthropologie,
Rasse.
Rassenpsychologie.
Lehre
stigen
Eigenschaften
S. A n t h r o p o l o g i e ,
der
Reche von
den
gei-
Menschenrassen.
Rasse.
Reche
Rassensornatologie. Lehre v o n den Eigenschaften
des
schenrassen.
lebenden
Körpers
der
S. A n t h r o p o l o g i e ,
Men-
Rasse. Reche
CIL
des
V
der
oberhalb
auf
bei von
Einzelstämme
dem
dem
Rand-
Räter - Gebietes.
rätischen
7817,
Augustus
die k e l t i s i e r t e
im S O bilden die
eigentl.
Tropaeum,
Städtchen
Monaco
nach
im
la
Die sind das
Turbia
Unterwerfung
der A l p e n v ö l k e r e r r i c h t e n ließ, u n d bei Plinius
N.
dazu
CILV
H.
III
135—7
5050
und
etwa
folgende:
aufgezählt p. 512).
Es
(vgl. sind
1. Trump(i)lini in der V a l Trompia, n. von Brixen, 2. Camun(n)i am Oberlauf des Oglio in der V a l Camonica, 3. Venostes im ob. Etsch-Tal (Vallis Venosta = Vintschgau), 4. Vennoneles im A d d a - T a l ( V ennonenses, Vennones, Vennontes, Venii), 5. Isarci im Eisack-Tal (Isarcus), 6. Breuni od. Breones a m Brenner, 7. Genauni, -nes{Caenaunes) i m m i t t l . Inn-Tal, 8. Focunates im unteren Inn-Tal?, 9. Ambisontes, -ii am Isonlus (Salzach) ? bis nach Noricum, 10. Rugusci, -ae im oberen Inn-Tal (Engadin), 11. Suanetes, -ae im oberen Rhein-Tal, 12. Calucones im oberen Lech-Tal, 13. Brixentes bei Brixen (oder zu den Brigantii bei Bregenz)?, 14. Leponiii im oberen Tessin-Tal(Val Leventina), 15. Bergalei im Bergell an der Maira, 16. Anauni in der Val di Non am Nonsberg,
RÄTER
24 17. Ttdliasses \ l•n , ~ , T • , 18 Sinduni I Gegend von Irient, 19. Sabini in der Val Sabbia, 20.
'PouKdvTioi
21.
KuiTOUCÌVTlOl
nischen Alpen, 1 Vasenscherbe aus Rotzo in den Sette Comuni bei Bassano, 1 Vasenscherbe aus Piovene bei Magre, beide Fundorte in der Gegend von Vicenza.
? ?
Nach den Stoffen haben wir also: 4 Inschriften auf Ton, 5 auf Stein, 6 auf Bein, 22 auf Bronze, d. h. die bodenständigen Grabsteine treten vor den vielleicht nur eingeführten Handelsartikeln stark in den Hintergrund. 4. 21 Inschriften auf durchsägten Hirschhorngriffen (oder Hirschhorn-Jagdtrophäen f ) aus Magre bei Vicenza, der Art nach zu vergleichen mit den Bein-Inschriften aus San Zeno, Mechel und aus San Brizio di Lavagno des Alphabetes von Bozen-Trient.
RE s. v. Raeti und Raetia S. 42—46, 46—62 H a u g ; H. N i s s e n Ital. Landesk. I 4 6 3 - 8 ; II 1 9 3 - 2 1 1 , 225. § 2. I n s c h r i f t e n . I m Gebiete der R . und ihrer unmittelbaren G r e n z n a c h b a r n sind außer lat. Inschriften auch einheimischl a n d s c h a f t l i c h e Inschriften in den sog. nordetrusk. A l p h a b e t e n zum Vorschein gek o m m e n , und z w a r : 1 . die kelto-ligur. oder kelto-lepont. Inschriften des A l p h a b e t e s v o n L u g a n o ; 2. die nordetrusk. Inschriften des A l p h a betes v o n Sondrio; 3. die nordetrusk. Inschriften des A l p h a betes v o n B o z e n - T r i e n t ; 4. die nordetrusk. Inschriften des A l p h a betes v o n M a g r è - V i c e n z a ; 5. die illyr. V e n e t e r - I n s c h r i f t e n des Alphabetes v o n E s t e . V o n den Gruppen I und 5 wird unter L i g u r e r B u n d V e n e t e r B g e s p r o c h e n . Die j Inschriften der Gruppen 2 — 4 verteilen sich nach F O und Gegenständen wie f o l g t : 2. 2 Grabsteine aus Tresivio und aus Montagna, Orten bei Sondrio im Veltlin, 1 Ziegelstein aus Cividate im Camonica-Tal des Oglio und 1 Marmorstein aus Sale di Marasino, Orten im Gebiet des Iseo-Sees, 1 Marmorstein aus Voltino bei Limone am Garda-See, 1 Tonscherbe aus Rotzo in den Sette Comuni bei Bassano (Vicenza). 3. 2 Funde aus Nordtirol: 1 Bronzehandgriff aus Matrei (s. d.) von Innsbruck und die Inschrift von Pore bei Buchenstein. 9 Inschriften aus der Umgebung von Bozen : I Grabdeckelplatte aus Stadelhof-Kaltern bei Pfatten, 1 Bronzemeißel aus Tisens, I Bronzegefäß von Schloß Greifenstein, I Bronzelöffel aus Siebeneich bei Greifenstein (Fälschung ?), 1 Grabstein aus Klobenstein am Ritten, 4 Bronzegefäße aus Moritzing. 18 Stücke aus der Val di Non: I pferdeartiges Bronzeornament aus Dercolo, I bronzene Kriegerstatuette, I Bronzehenkel, 1 Bronzelöffel, I Bronzehund, 4 bronzene Hohlmeißel, I Vasenscherbe, 2 Messergriffe aus Bein, alle aus San Zeno, 2 Bronzebleche, 2 Beinfragmente aus Mechel, 1 Bronzegefäß aus Campi Neri bei Cles, 1 Grabsteinpyramide aus Tavon. 8 Funde aus dem S des Gebietes: 1 Bronzeeimer vom Berge Caslyr im Cembra-Tal bei Trient, 1 Metallklinge aus Cà di Cavri bei Verona, 1 Tongefäßchen aus Verona, 2 Hirschhorngriffe aus San Brizio di Lavagno bei Verona, 1 Stein aus Feltria in den venezia-
! | ! ; : : ; j
Über die ,,nordetruskischen" Inschriften grundlegend Th. Mommsen Nordetruskische Alphabete Mitt. Zürich 7 (1853) und C. P a u l i Die Inschriften nordetruskischen Alphabets. Altital. Forsch. I (1885) S. 1 —131. — Im einzelnen: Inschr. von Sondrio P a u 1 i a. a. 0. Nr. 27—31, dazu Glotta 4 (1913) S. 168—171 G. H e r b i g ; Inschr. von Bozen-Trient P a u l i a. a. 0. Nr. 32—39, dazu öst. Jahresh. 4 (1901) Beiblatt S. 1—4 L. de Campi, G. P e l l e g r i n i (s. u.) S. 190/3 und Unveröffentlichtes aus den Zetteln des CIE; Inschr. von Magre-Vicenza G. P e l l e g r i n i Corna di cervo iscritte ed altre reliquie di una stipe votiva preromana scoperta presso Magre in provincia di Vicenza Notizie 1918 S. 169—209, dazu The Class. Quarterly 18 (London 1923) S. 61 — 72 J . W h a t mo ugh.
§ 3. S c h r i f t . Nordetrusk. können die oben a u f g e z ä h l t e n 5 A l p h a b e t e g e n a n n t werden, weil sie bei dem gemeinsamen Fehlen der Medien und bei der zu vermutenden nachträglichen Ein- oder A n f ü g u n g des 0 (im A l p h a b e t v o n E s t e steht 0 am Schluß des Alphabetes) in zwei wesentl. P u n k t e n die E i g e n t ü m l i c h k e i t e n des etrusk. Gemeinalphabetes zeigen. E n g e r z u s a m m e n gehören die A l p h a b e t e v o n L u gano und v o n B o z e n - T r i e n t sowie die v o n E s t e und M a g r £ ; diese letztgenannten sowie j das nur unvollständig erhaltene v o n S o n d r i o i teilen a u c h gewisse Ähnlichkeiten mit dem vorsabell. A l p h a b e t (s. V o r s a b e l l e r ) . D o c h bleiben eine R e i h e v o n F r a g e n noch zu lösen, P a u l i s erste und f r u c h t b a r e V e r s u c h e , in dem Chaos O r d n u n g zu s c h a f f e n , müssen erneut ü b e r p r ü f t werden. Die N o r m a l t y p e n der einzelnen A l p h a b e t e sind auf nebenstehender T f . 6 vereinigt. Über die „nordetruskischen" Alphabete: P a u l i (s. o. § 2) I 46—68, III 216—9, 2 3 ' ; P e l l e g r i n i (s. o. §2) S. iqo—201; W h a t m o u g h (s. o. § 2) S. 6 3 - 6 5 .
Tafel
a. Lugano
/ ] = /
=
A/| = 772 Y
= x
^ H
< 3 = ^
^ - ^ J
A =
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f
l b. Magre-Vicenza
^ 0 = ^ y = x
0 0 = ^
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¿e
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v|
= Tz
|||-
C X = JT
X
ü
c. Este
d. Bozen-Trient e. Sondrio
Räter.
^
Veneter
0
0
=
o-Krankheit" berichtet, die in einer Art B e s e s s e n h e i t zu bestehen scheint und besonders bei Frauen auftritt. Sie gilt als „noble, vor-
45
nehme Krankheit". Bald redet der Kranke mit fremder Stimme, Frauen in tiefem Baß oder auch in fremder Sprache: Suaheli oder engl., obwohl der Kranke diese Sprachen weder versteht noch spricht. J e nach der Herkunft des in dem Kranken wirksamen „Geistes" redet man von „Besessenheit des Vampirs", „des Suaheli-Mannes", „des Masai", „des Kamba-Mannes", „des Europäers" und auch „des Geistes eines Verstorbenen" überhaupt. Große Gier nach Essen, nach Pfeffer und sonstigen starken Gewürzen, aber auch nach bunten, hellen Kleidern und anderen auffallenden Gegenständen kennzeichnet die Besessenen. Auf Befragen erzählt der „Geist" manchmal seine Lebensgeschichte, er rühmt sich seiner Untaten, ergeht sich in den unflätigsten Reden, und plötzlich verfällt der oder die Besessene in Raserei, wobei sich Zuckungen einstellen. Nach dem Rhythmus der Mpepo-Trommel tanzt die Person in entsetzlich wilder Weise bis zur völligen Erschöpfung; dann fühlt sie für eine Weile Erleichterung. (Es knüpfen sich also ekstatische Zustände daran.) — Die Krankheit tritt e p i d e m i s c h auf, ergreift ganze Landschaften, und zwar verbreitet sie sich von der Küste her ins Innere. Früher ist diese Krankheit nicht bekannt gewesen. Erst in neuerer Zeit scheint sie ihren Einzug in Ostafrika gehalten zu haben ( D a n n h o l z S. 23). Auch bei den südafrik. T h o n g a wird die Besessenheit als Krankheit aufgefaßt, und zwar wird sie als Geisterkrankheit, bubabyi bya psikwembu, bezeichnet. Doch trägt sie gleichzeitig auch religiösen Charakter, weil man glaubt, daß die Geister, welche die Besessenheit verursachen, solche von Verstorbenen sind, und an die darum eine Verehrung gerichtet wird. Die Riten, mit denen man dieser Art von Geisteskrankheiten begegnet, sind durchaus zauberischer Natur, und die Personen, die Anfällen von Besessenheit ausgesetzt waren, werden oft anerkannte Hexenmeister, die behaupten, im Besitz von übernatürlichen Kräften zu sein. Die Krankheit hat sich unter den Thonga in den letzten 30 J . außerordentlich verbreitet. Es wird behauptet (ähnlich wie D a n n h o l z für Ostafrika), daß sie früher sehr selten, ja un-
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b e k a n n t w a r . Inzwischen ist sie geradezu epidemisch a u f g e t r e t e n , obgleich sie sich z u r Zeit vielleicht eher im A b n e h m e n befindet. Besessenheit t r i t t unter den BaR o n g a h ä u f i g e r auf als u n t e r den n. K l a n s . — Die Geister, w e l c h e die K r a n k heit hervorrufen, v o n denen die L e u t e besessen werden, sind nicht die A h n e n der T h o n g a selbst, die A h n e n g e i s t e r , sondern es sind solche der Zulu und der B a - N d j a o . Es scheint, d a ß die Fälle v o n Besessenheit, die zuerst a u f t r a t e n , v o n Z u l u - und NgoniGeistern k a m e n ; vielleicht fielen sie zusammen mit d e m Hereinbrechen von M a n u k o s i - K r i e g e r n , und m i t der stets anw a c h s e n d e n A b w a n d e r u n g j u n g e r Männer, die zur A r b e i t in die D i a m a n t m i n e n v o n K i m b e r l e y oder in die Goldberge v o n J o h a n n i s b u r g oder N a t a l gingen, und die d u r c h die v o n den Z u l u b e w o h n t e L a n d s c h a f t reisten. V o r allem m u ß m a n bea c h t e n , d a ß die quälenden Geister, welche die Besessenheit hervorrufen, die A h n e n geister v o n Fremden sind und die T h o n g a befielen, die durch das f r e m d e L a n d wanderten und sie auf ihren weiteren W e g e n verfolgten. Ausnahmsweise wird allerdings a u c h der Geist eines eigenen verstorbenen Häuptlings, einmal sogar der des eigenen verstorbenen Sohnes usw., als befallender Geist gemeldet. Die B e s c h w ö rungen müssen in der S p r a c h e des befallenden Geistes v o r g e n o m m e n werden, also f ü r einen Z u l u - G e i s t in Zulu, für einen N d j a o in der N d j a o - S p r a c h e . Diejenigen Personen, die v o n Besessenheit befallen werden, tragen große, weiße Glasperlen i m H a a r , m a n c h m a l nur eine kurze S c h n u r kleiner Perlen, die irgendwo v o m K o p f h e r u n t e r h ä n g t . — D i e meisten Fälle v o n Besessenheit begannen m i t einer ausgesprochenen Krisis, w ä h r e n d welcher die b e t r e f f e n d e Person ihr B e w u ß t s e i n verlor, ohne d a ß dies j e d o c h durch irgendwelche vorhergehende N e r v e n a n f ä l l e h e r b e i g e f ü h r t w o r d e n war. Eine F r a u aus der N a c h b a r s c h a f t v o n Laurengo-Marques flüchtete a u s ihrem H a u s und warf sich in die See. Als sie in das k a l t e W a s s e r k a m , kehrten ihre Sinne zurück, w o n a c h m a n erklärte, d a ß sie „ b e s e s s e n " w a r . Eine andere hörte eine S t i m m e wie im T r a u m r u f e n : es w a r die S t i m m e des sie befallenden Geistes, der
sich später als die eines längst t o t e n H ä u p t lings enthüllte (s. § 9). E i n M a n n , der eine Z e i t l a n g in K i m b e r l e y g e a r b e i t e t h a t t e , kehrte gesund n a c h H a u s e z u r ü c k , w u r d e d a n n aber f ü r ein halbes J a h r l a h m . N a c h d e m sich sein Z u s t a n d gebessert h a t t e , verlor er den A p p e t i t und h ö r t e fast v ö l l i g auf zu essen. Eines T a g e s k a m er an allen Gliedern z i t t e r n d nach H a u s e z u r ü c k , s p r a n g plötzlich auf u n d griff die L e u t e seines Dorfes an. D a r a u f r a n n t e er f o r t , w ä h r e n d seine F r e u n d e ihm folgten. A l s sie sich seiner b e m ä c h t i g t e n , verließen ihn plötzlich die Besessenheitsgeister. W i e er wieder z u m B e w u ß t s e i n z u r ü c k k a m , w u r d e i h m gesagt, d a ß er einen M a n n m i t e i n e m Wachsring (ma-khehla) geschlagen und andere in den R ü c k e n gestoßen h a b e . Man s a g t e : er ist k r a n k v o n den Geistern. — A l s erste A n z e i c h e n der Besessenheit t r i t t a u c h ein d a u e r n d e r S c h m e r z in der B r u s t und nicht u n t e r d r ü c k b a r e s S c h l u c h zen auf, ferner gewöhnliches G ä h n e n , A b m a g e r u n g ohne ersichtlichen G r u n d usw. D o c h alle diese S y m p t o m e bilden keinen festen A n h a l t s p u n k t f ü r eine Diagnose, sondern, um sich schlüssig klar zu w e r d e n , b e f r a g t m a n stets das Knochenorakel (s. O r a k e l A , G o t t e s u r t e i l ) . — Es g i b t besondere H e x e n m e i s t e r (Medizinmäiinor), die Spezialisten f ü r die BesessenheitsK r a n k h e i t sind, und die u n t e r den B a R o n g a , die besonders v o n diesem L e i d e n befallen werden, Gobela (Dji-ma) heißen. Diese Besessenheits-Beschwörer h a b e n v e r schiedene, miteinander rivalisierende Schulen gebildet, in denen die M e d i k a m e n t e und R i t e n u m ein geringes verschieden sind ( J u n o d II 435ff.)Bei der B e s e s s e n h e i t u n t e r den T h o n g a handelt es sich zweifellos u m eine p a t h o logische S p a l t u n g des B e w u ß t s e i n s . Viele der Besessenen zeigen mediumistische Fähigkeiten. Auf Madagaskar kommen ähnliche Fälle v o n Besessenheit u n d eine ähnliche A r t der B e h a n d l u n g v o r wie unter den T h o n g a . D a s besonders h ä u f i g e A u f t r e t e n der Besessenheit in moderner Zeit m a g mit d e m F o r t s c h r e i t e n des A l k o holismus, gleichzeitig m i t d e m Z u s a m m e n b r u c h der alten sozialen O r d n u n g und des dadurch gestörten seelischen Gleichgew i c h t s z u s a m m e n h ä n g e n , eine F o l g e des
RAUSCH Eindringens der europ. K u l t u r ( J u n o d I I 459)§ 9. In früheren Zeiten verwendete man unter den südafrik. T h o n g a zur Beschwörung von Besessenen einen großen Palmwedel, den man vor den Patienten schwenkte. Dies betrachtete man als ausreichend, u m die Geister zu vertreiben. J e t z t ist diese Behandlung viel komplizierter, obgleich sie verschieden ist, je nach den Schulen, die diese Behandlung pflegen. Im Vordergrunde steht die Trommelzeremonie und die Abwaschung der GoboSchüssel, das Trinken von B l u t und die Aowrf/ö/a-Zeremonie. Die Reihenfolge und A r t der Beschwörungsriten wechselt auch je nach der Gegend. — Die Trommelzeremonie gongondjela ist mit einer A r t H e x e n s a b a t t des Mittelalters zu vergleichen wegen des höllischen Lärms, der dabei gemacht wird, und durch den man den Besessenen befreien will. Auf einem komplizierten Wege wird mit Hilfe von OrakelKnochen erst die Örtlichkeit ermittelt, an der die Zeremonie vor sich gehen soll usw. Auf den Schlag der Trommel laufen die Nachbarn zusammen, um dem Schauspiel beizuwohnen, und nehmen, was immer ihnen an Lärminstrumenten in die Hand fällt, dazu mit: Tamburin, verschiedene Geräte zum Rasseln, heute auch alte Blechdosen und Petroleumkannen. Am wichtigsten ist dabei übrigens der Gesang der menschlichen Stimmen, ein kurzer Refrain, der Hundertc und Tausende von Malen wiederholt wird. Die Absicht besteht darin, den Geist durch den L ä r m zu veranlassen, sich zu enthüllen, d. h. seinen Namen (s. N a m e A) zu nennen, wodurch man ihn in seine Macht zu bekommen glaubt. Mit der Zeit gerät der Patient in eine nervöse Aufregung, er erhebt sich und beginnt wild in der Hütte herumzutanzen. Darauf wird der L ä r m verdoppelt, und irgend einer der Anwesenden r u f t einen Zulu-Namen, etwa den eines verstorbenen Häuptlings oder eines noch Lebenden. Manchmal wird auch noch der Name des Vaters oder des Großvaters des Besessenheitsgeistes ermittelt. Der Besessene muß hierauf einen Gesang anstimmen, der als ,,sein L i e d " gilt, und durch den gewisse Trancezustände hervorgerufen oder
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geheilt werden. Diese ganz kurzen Gesänge sind gewöhnlich in der Zulu-Sprache abgefaßt. E s wird behauptet, daß der Patient, auch wenn er diese Sprache nicht kennt, sie auf dem Wege einer Art Zungenwunders gebrauchen kann. E s folgt der Ritus mit der Gobo-Schüssel: der Kopf des Patienten wird in eine Schüssel mit Wasser getaucht, ihm die Anweisung gegeben, darin die Augen zu öffnen und so längere Zeit zu verweilen. Man sagt, daß der Patient dann die „ S e e durchmessen" hat und in ein neues Leben tritt. E r kann nunmehr sprechen, weil er „alles gesehen" hat. Einige sollen auf diese Weise auch das Hellsehen lernen. Aber, um die Heilung des Besessenen herbeizuführen, ist B l u t nötig (s. a. M e n s c h e n o p f e r C ) . Von den meisten Zauberschulen wird dazu eine Ziege verwendet, wenn es sich um einen Mann handelt, und ein B o c k im Falle einer Frau. Unter verschiedenen Zeremonien wird das Tier gepackt und unter den Vorderbeinen durchstochen, worauf sich der Patient auf die Wunde stürzt, das herausfließende B l u t gierig saugt und seinen Magen damit füllt, bis er schließlich mit Gewalt von dem Tiere weggezogen werden muß. Dann erhält er Medikamente, um das B l u t hinter der Hütte auszuspeien. Auf diese Weise gibt er den oder die Geister der Besessenheit von sich. Nun wird er gewaschen und mit Ocker beschmiert. Die Gallenblase der geschlachteten Ziege wird dem Patienten in das H a a r gesteckt, um das Glück zu symbolisieren, das durch das Opfer herbeigeführt wurde; nachher wird er mit Fellstreifen des geschlachteten Tieres bekleidet. Das Fleisch der geopferten Tiere dient auch dazu, um die mysteriösen Geisterkräfte mit verschiedenen Zeremonien auszutreiben usw. — Durch die Zeremonie des Bluttrinkens erlangt der Mann eine besondere K r a f t thwaza (s. a. M a n a B ) auf dem Wege einer A r t Wiedergeburt, ähnlich wie das auch beim Neuerscheinen des Mondes der Fall ist (s. a. I d o l A 1). Die der Beschwörung Unterworfenen sind mit einer m y s t i s c h e n W e l t in Beziehung getreten, mit Zauberern und Hexen und haben sich wieder gegen deren Einwirkungen zu schützen. Dagegen sind zahlreiche Vorsichtsmaßregeln, teils durch Amulette, teils
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durch gewisse Riten, erforderlich. — Die durch den Exorzismus Beschworenen bilden eine besondere Gruppe von Leuten und können wiederum K u r e n mit anderen veranstalten. Ist ein solcher Hexenmeister mit seinen K u r e n erfolgreich, so v e r s a m m e l t er v o n der Besessenheit Geheilte und in die Z a u b e r k u n s t eingeweihte Persönlichkeiten u m sich und gründet unter U m s t ä n d e n eine neue Schule (s. a. G e h e i m e G e s e l l s c h a f t , M ä n n e r b u n d ) . Jedes Jahr wird z u m Schluß der Erntezeit ein Fest v o n einer jeden dieser Schulen veranstaltet ( J u n o d II 439ff.). § 10. D a s W o r t Schamane wird v o m mandschurischen Saman abgeleitet, was einen exaltierten, begeisterten, erregten Menschen bedeutet, v o m ,,genus irretabile vatum" der Römer. Tatsächlich sind die S c h a m a n e n Menschen von außerordentlicher Nervosität. A g a p y t o w und C h a n g a l o w sagen, daß künftige S c h a m a n e n bei den sibir. B u r j a t e n einen eigenartigen, nervösen Seelenzustand aufweisen, der v o n dem normalen eines Menschen weit entfernt ist. R a d i o f f bemerkt, daß die angehenden Schamanen der A l t a i T a t a r e n zu epileptischen Anfällen neigen und verschiedene andere Anzeichen von Störungen des Nervensystems und der P s y c h e zeigen. F. J. K o h n meint, daß die Schamanen und Schamaninnen seelisch kranke, anormale Menschen sind. Bei den S o j o t e n d r ü c k t sich der H a n g z u m Beruf des Schamanen durch Gähnen, R e c k e n der Glieder, Ohnmächten, epileptische Anfälle und zeitweilige Geistesgestörtheit aus. Man s a g t von ihnen, d a ß sie v o m Bösen „ b e sessen" oder geistesgestört seien (mit hellen Momenten). A u c h Idiotismus und W a h n sinn befähigen z u m Schamanen. Eine der berühmtesten und mächtigsten T s c h u k t s c h e n - Schamaninnen Telpinej, die B o g o r a s persönlich bei seinem A u f e n t h a l t unter den nomadisierenden Tschuktschen am Oberlauf des Flusses A n n i j a getroffen hatte, erzählte ihm, d a ß sie während dreier W o c h e n v o m Wahnsinn befallen worden war, so daß ihre Hausgenossen sich gezwungen sahen, sie zu fesseln und sie bei der Jurte (Zelt) angebunden zu halten, wobei sie Grausamkeiten unterworfen wurde. Die drei mächtigsten Schamaninnen des Kreises B a l a g a n s k erlagen zu
gleicher Zeit d e m Wahnsinn uid w u r d e n deswegen zu T o d e g e q u ä l t ; die tinte w u r d e gesteinigt, die andere zu Tode g J a h r e n lebte und w i r k t e , wurde in jungen J a h r e n wahnsinnig und erhängte sich. Das S c h a m a n e n t u m ist bei v.elen sibir. Völkern in den F a m i l i e n erb.ich ( N i o r a d z e S . 4 9 f f - ) , was zweifellos rr.it der V e r erblichkeit nervöser und geistiger S t ö r u n gen z u s a m m e n h ä n g t ( s . a . H a n d w e r k A ) . Die E i g n u n g zum S c h a m a r e n ä u ß e r t sich bei den s i b i r i s c h e n Völkern meist schon beim Ü b e r g a n g v o m K n a b e n - ins Jünglingsalter durch erhöhte E m p f i n d s a m keit, Geistererscheinungen, ächwindelanfälle, Ohnmächten, die Fähigkeit, die Z u k u n f t vorauszusagen, u . d g l . m e h r . K i n d e r mit diesen und ähnlichen Zeichen v o n geistiger Unausgeglichenheit oder S t ö r u n g des Seelenlebens lenken früh die A u f m e r k s a m k e i t auf sich. A u c h kann es v o r k o m men, d a ß K i n d e r v o n sich aus erklären, Geister wären ihnen erschienen, m i t dem Befehl, S c h a m a n e zu werden. H a b e n die Eltern nur wenige Kinder, dann suchen sie sich dem W u n s c h e des K i n d e s ZU widersetzen; in kinderreichen Familien wird eine solche E r k l ä r u n g von den Eltern mit Freuden begrüßt, da sie hoffen, in Z u k u n f t ihren eigenen Schamanen, einen Beschützer ihres Geschlechts, zu haben. Bis z u m Eintritt in ihren neuen Beruf durchleben die A n w ä r t e r eine Zeit qualvoller, krankhafter, seelischer und körperlicher L e i d e n . O f t verlieren sie vollständig den A p p e t i t (s. § 3), sie ziehen sich von den Menschen zurück, werden äußerst unruhig, laufen aus dem Hause in den W a l d oder in die Flur, schlafen häufig draußen im Schnee und führen dort in der E i n s a m k e i t geheimnisvolle Gespräche mit Geistern. Sie verbringen die Zeit mit den verschiedensten Übungen, welche die Reizbarkeit des Nervensystems erhöhen und die Phantasie entwickeln. D a d u r c h wird ein Zustand v o n Gereiztheit, S c h r e c k h a f t i g k e i t und F u r c h t s a m k e i t sowie die Neigung zu suggestiven Sinnestäuschungen hervorgerufen. Dieser Zustand ist oft sehr gefährlich und führt auch
RAUSCHTRANK-RAUTENBAND zu verschiedenen Anfällen. In der Regel m u ß a b e r der A n w ä r t e r auf das Schamanent u m eine gewisse S c h u l e durchmachen, da sich hergebrachte K ü n s t e und Ü b u n g e n ausgebildet haben. Diese Lehrzeit ist auch eine Leidenszeit, die erst einen A b s c h l u ß f i n d e t durch die W e i h e zum Schamanen. Dann ist es oft so, als ob der k r a n k h a f t e , qualvolle Seelenzustand des A n w ä r t e r s wie durch ein W u n d e r plötzlich geheilt wäre. Diese Leidenszeit der Vorbereitung besteht manchmal in langem Fasten oder in einem tiefen Schlafzustand, oder in Anfällen von Starrkrampf, wobei unartikulierte Laute ausgestoßen werden, in Anfällen von Raserei oder epileptischen K r ä m p f e n usw. Die Schamanen halten selbst die Periode der Vorbereitung für eine Krankheit. Jedoch n i c h t jeder S c h a m a n e m a c h t die Lehrzeit in einer Schule durch. So erlangen die T s c h u k tschen-Schamanen o h n e A n l e i t u n g die Fertigkeit zu ihrem Beruf. A u c h bei den Samojeden und bei den Ostjaken spielt die Lehre keine große Rolle. Die B u r j a t e n sind überzeugt, d a ß die Seele des jungen, in Vorbereitung befindlichen Schamanen 9einen Körper verläßt, während er die verschiedenen Qualen durchmacht, und unterdessen zu den Geistern übersiedelt, von denen die Seele die Schamanenweisheit erlernt ( N i o r a d z e S. 54ff.). S. »• A s k e s e , B i e r , F a s t e n , F e s t A , F l u c h A, F r e u n d s c h a f t , G e l ü b d e A, H a n f , H o n i g , I d o l A I, M a n a B , M e i dung, Name A, Saturnalien, Schwur, Z a u b e r A. B l a c k m a o The Significance of Incense and Libations Ztschr. f. äg. Sprache und A l t e r t u m s wiss. 5 0 ( 1 9 1 2 ) ; D a n n h o l z Im Banne des Geisterglaubens. Züge animistischen Heidenglaubens bei den Wasu in Deutsch-Ostafrika 1916; F i n s c h Südseearbeiten 1 9 1 4 ; F l e t c h e r u n d L a F l e s c h e The Omaha Tribe 27. A n n . R e p . Bur. A m . E t h n . ( 1 9 1 1 ) ; G r a h a m Kava Drinking in South America Journ. Polynes. 8 0 0 . 3 0 ( 1 9 2 1 ) ; G u t m a n n Die Kerbstocklehren der Dschagga in Ostafrika Ztschr. f. Eingebspr. 13 (1922); H o p f n e r Die Kindermedien in den griechisch-ägypt. Zauberpapyri 1926; J e r e m i a s Handbuch der altorientalischen Geisteskultur 1913 ; JunodLifeofa South African Tribe 1 9 1 2 ; K a r s t e n Ideas and Customs relating to agriculture among the Jibaros and Canelos Indians of Eastern Ecuador. Contributions to the Sociology of the Indian Tribes of Ecuador A c t a A c a d e m i a e Aboensis Humaniora 1/3(1920); d c r s . Beiträge zur Sitten-
Rbert. ReaUexikon XI
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geschickte der südamerikanischen Indianer A c t a A c a d e m i a e A b o e n s i s Humaniora 1/4 (1920); K r o e b e r Handbook of the Indians of California Smithson. Instit. B u r . A m . E t h n . Bulletin 78 (1925); L e w i n Phantastica 1924; L o w i e Primitive Religion 1924; N i o r a d z e Der Schamanismus bei den sibirischen Völkern 1925; O e s t e r l e y The Sacred Dance, a study in comparative folklore 1923; K . T h . O e s t e r r e i c h Die Besessenheit 1921; P o r z i g Bedeutungsgeschichtliche Studien I F 42 (1924); R i e g l e r Tiernamen zur Bezeichnung von Geistesstörungen W u S 7 (1921); Safford Narcotic daturas of the Old and New World; an account of their remarkable properties and their uses as intoxicants and in divination A n n . R e p . Smithson. Instit. for 1920 (1922); S c h e e r e r Luzon und Formosa Mitt, dtsch. Ges. f. N a t . - u. V ö l k k . Ostasiens 11 ( 1 9 0 7 — 0 9 ) ; Ztschrft. f. roman. Phil. 35 S. 738 S c h u c h a r d t ; S t a a l Dusun drinking and love songs A n t h r o p o s 21/1 — 2 (1926); S t o l l Suggestion und Hypnotismus in der Völkerpsychologie 1904; V e d d e r Die Bergdama 1 9 2 3 ; W i s s l e r The American Indian 1922. Thurnwald
Rauschtrank(Vorderasien). R . w a r in Mesopotamien seit den ältesten Zeiten beim V o l k e beliebter als der vornehme Wein. E r wurde von Brauern zubereitet und in Schenkstuben von männlichen und weiblichen Wirten verschenkt. Eine solche Schenkwirtin namens K u - B a ' u wurde sogar Königin und Stifterin der 3. D y n . von K i 5 (s.d.). H a m m u r a p i h a t dann die F a b r i k a t i o n des R. in seinem Gesetzbuche geregelt (§ 108ff.). Der gewöhnliche R . ist der Dattelschnaps, dessen Geschmack zuweilen noch durch den Zusatz von K a s s i a - B l ä t t e r n und Sesam verbessert w u r d e ; aber auch die Bierbrauerei aus Gerste, E m m e r und anderen Getreidearten ist seit alten Zeiten b e k a n n t . W i r besitzen mehrere B r a u - R e z e p t e bereits aus archaischer Zeit (ca. 2800 v. C.), die zeigen, daß man zur Bierbereitung Getreide, Bierbrote und Malz (? ) verwandte. A u s diesen Ingredienzien wurden verschiedene Sorten Bier, z. B . „ s c h w a r z e s B i e r " , „gutes schwarzes B i e r " , „rotes B i e r " , „ s t a r k e s B i e r " , gebraut. W e n n man das Bier nicht seihte und in dem Gebräu Getreidekörner noch herumschwammen, trank man es durch Rohrhalme. B. M e i s s n e r
Babylonien
und
(1920) S. 239 ff.
Assyrien b.
I
Meissner
Rautenband. A l s K e t t e aus isolierten, in sich geschlossenen und als solche durch die eigene Musterung gekennzeichneten Figuren ist das R . charakteristisch für die spätneol. 4
RECHT
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O r n a m e n t i k : in der späten nord. Megalithk e r a m i k , als spätere E n t w i c k l u n g s p h a s e des Hinkelsteinstils, in der Glockenbecheru n d O s t a l p i n e n K e r a m i k , in B u t m i r und den A u s l ä u f e r n der mitteleurop. B a n d k e r a m i k in Italien, an iber. Idolen, in der V a s e n m a l e r e i Thessaliens, in T r o j a I, auf den K y k l a d e n , Z y p e r n , in der w e i ß inkrustierten v o r d y n a s t i s c h e n K e r a m i k Ä g y p tens. Die F o r m ergab sich leicht aus d e m Dreiecksmuster, sei es dadurch, daß zwei g e g e n s t ä n d i g gerichtete, sich mit den S p i t z e n berührende D r e i e c k s k e t t e n das R . als k o m p l e m e n t ä r e s , n e g a t i v e s Muster b e s t i m m e n (u. a. in der Molkenberger K e r a m i k ; s. M o l k e n b e r g e r Typus), oder d a ß die beiden v o n einer U m l a u f linie ab- und a u f w ä r t s g e r i c h t e t e n Dreie c k s k e t t e n m i t den B a s e n v e r w a c h s e n (deutlich in der Hinkelsteinkeramik). U n t e r diesen U m s t ä n d e n b r a u c h t das A u f treten des R . in den verschiedenen K u l t u r g r u p p e n noch durchaus nicht auf einen bestehenden Zusammenhang zu deuten. — In der geradlinigen O r n a m e n t i k der f r ü h e s t e n B Z weiterlebend, verliert das R . m i t der E n t w i c k l u n g des krummlinigen Stils seine B e d e u t u n g , erlebt dann aber in der G e f ä ß v e r z i e r u n g der früheren E Z eine A u f e r s t e h u n g , namentlich auch im Schachb r e t t v e r b a n d zur F ü l l u n g u m r a h m t e r Felder. A u c h auf den geometrisch b e m a l t e n V a s e n der L T Z ( S t r a d o n i t z ; B a n d I I T f . 48, 4. 13. 19) ist das R . vertreten. F. A. v.
Scheltema
Recht. § 1 . Die Bedingtheit primitiven R . — § 2 . Die religiöse Gebundenheit des R . — § 3. Die Fixierung des R . — § 4. D a s öffentliche R . — § 5. FamilienR . — § 6. D a s R . an Grundstücken. — § 7. D a s R . der Schuldverhältnisse. — § 8. Erbrecht. — § 9. Strafrecht. — § 10. D e r Rechtsstreit. — § 1 1 . Die B e d e u t u n g der Herrschaft für das R . — § 12. Die Gerechtigkeit.
§ I. U m einen E i n d r u c k v o n der Ges t a l t u n g primitiven R . zu gewinnen, müssen wir unsere Z u f l u c h t zu heutigen N a t u r v ö l k e r n nehmen. D e n n die A u f z e i c h n u n g e n der a n t i k e n V ö l k e r setzen n a t u r g e m ä ß auf einer E n t w i c k l u n g s s t u f e des R . ein, die v o n P r i m i t i v i t ä t weit e n t f e r n t ist. S c h o n aus d e m B e s i t z der S c h r i f t (s. d.) allein geht dies hervor. W a s aber a u ß e r h a l b eigener schriftlicher D o k u m e n t e v o n anderen Völ-
kern überliefert wird, e t w a von H e r o d o t , S t r a b o , P o l y b i u s , T a c i t u s , ist ebenso k a r g wie unsicher. S e l b s t v e r s t ä n d l i c h h ä n g t der Z u s t a n d des R . in erster Linie v o n der V e r f a s s u n g des politischen V e r b a n d e s ab, in dem es gilt. Eine solche Organisation ist a b e r wiederum d u r c h weitere M o m e n t e b e d i n g t ; v o r allem durch die ethnischen G r u p p e n , die neben- oder übereinander g e s t a f f e l t leben, oder durch die soziale S c h i c h t u n g , ferner durch die W i r t s c h a f t s f o r m . F ü r die letztere k o m m t nicht nur die A r t der gesellschaftlichen S t a f f e l u n g in B e t r a c h t , sondern a u c h der S t a n d der t e c h n i s c h e n Entwicklung. W e i t e r h i n sind m i t allen diesen Dingen W e r t u n g e n und Auff a s s u n g e n , h e r k ö m m l i c h e F o r m e n des D e n k e n s und des A u s d r u c k s , der Überlieferung und der F o r m u l i e r u n g des A u s drucks verknüpft, die der konkreten R e c h t s g e s t a l t u n g ihren Stempel a u f d r ü c k e n . A l l e diese F a k t o r e n v e r ä n d e r n sich j e d o c h (s. P r i m i t i v e K u l t u r ) : 1. Man k a n n v o n einer fortschreitenden A n h ä u f u n g technischer F e r t i g k e i t e n im L a u f e der Zeit reden, und ebenso von einer die A n s i c h t e n und W e r t u n g e n umgestaltenden fortschreitenden E i n s i c h t in die K a u s a l z u s a m m e n h ä n g e der AlltägSv o r g ä n g e und des Geschehens (s. F o r t schritt). 2. D a d u r c h wird eine V e r g r ö ß e r u n g der politischen V e r b ä n d e , eine V e r m e h r u n g der Menschenzahl u n d eine B e s c h l e u n i g u n g des L e b e n s r h y t h m u s ermöglicht (s. P o l i t i s c h e Entwicklung). 3. Dies bringt einen l e b h a f t e r e n K o n t a k t v o n verschiedenen ethnischen G r u p p e n m i t sich. D a s Nebeneinandersiedeln fördert v e r m ö g e einer schon v o n vornherein gegebenen N e i g u n g zur Spezialisierung der T ä t i g k e i t (s. H a n d w e r k A ) die A u s b i l d u n g w e i t g e h e n d e r A r b e i t s t e i l u n g , eine Organisation der W i r t s c h a f t (s. d. D ) d u r c h Übers c h i c h t u n g (s. S c h i c h t u n g ) und Herrs c h a f t (s. H ä u p t l i n g ) . 4. So k o m m t es zu einer größeren K o m pliziertheit der auf ein weiteres Friedensbereich sich erstreckenden politischen Einheiten. Daran k n ü p f t sich ein Fortschreiten der rechtlichen O r d n u n g e n des L e b e n s : eine „ R e c h t s e n t w i c k l u n g " .
RECHT 5. So wird nicht nur eine Bereicherung der Rechtsbeziehungen bedingt, sondern auch eine Vertiefung derselben. Ja, die rein juristischen Gesichtspunkte müssen überhaupt erst entdeckt werden, die Ablösung aus ihrer Verflochtenheit mit anderen, mit religiösen, moralischen und sittlichen, muß sich erst vollziehen (s. M a n a B, M e i d u n g , O m e n A ) . Dadurch v e r m a g die rechtliche Norm erst bewußt aus dem Chaos von verschiedenen anderen geforderten Verhaltungsweisen rein hervorzutreten. Immer aber bleibt das Rechtssystem eingebettet in der übrigen Geistesverfassung. D a diese, wie gesagt, durch die fortschreitende Erkenntnis der Kausalzusammenhänge getragen wird, strahlt sie auf die Gestaltung des R . zurück, so daß auch beim R . von S t u f e n geredet werden kann, auf welche die jeweiligen Gestaltungen zu projizieren sind. Denn es gibt nirgend ein R . an sich, so wenig wie es eine K u n s t an sich gibt, sondern stets nur einen gewissen „ S t i l " des R . oder der Kunst, also bestimmte konkrete Gestaltungen als Ergebnis ineinandergreifender realer Bedingungen. E s hat eine Zeit gegeben, und sie liegt nicht allzu weit zurück, da man den Naturvölkern den Besitz von R . ebenso absprach wie eine eigene Geschichte. R e d e t man doch selbst heute noch von „geschichtslosen V ö l k e r n " — nur deshalb, weil man deren Geschichte nicht kennt. Leider war auf dem Gebiete der Gesellschaftsforschung die Tätigkeit der Reisenden nicht gleich eifrig wie im E r w e r b von Sammlungen materieller Natur. Überdies erfordert das Sammeln von rechtlichen Einrichtungen eine viel weitergehende Vorbildung als das Einkaufen von Gegenständen. Die verhältnismäßig spärlichen Ermittlungen auf rechtlichem Gebiet erstrecken sich überdies zumeist auf höhere Naturvölker, weniger auf J ä g e r und Sammler. Man weigerte sich früher vielfach, R . dort anzuerkennen, wo es keine geschriebenen Satzungen gab. Diese formale Stellungnahme degradierte daher das, was man „Gewohnheitsrecht" nannte, zu etwas gewissermaßen nur halb Juristischem.
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Dieser A u f f a s s u n g wird man mit gewissen Vorbehalten in der T a t nicht ganz Unrecht geben können. Das R . ist stets mit den Gedankengängen seiner Zeit verflochten, auch in höheren Gesellschaften; aber sein rein rechtlicher Charakter ist in primitiven Kulturen nicht bewußt von Vorschriften anderer, etwa religiöser, moralischer, zauberischer N a t u r losgelöst und verselbständigt. Nicht darum allerdings, wie eine formale A u f f a s s u n g betonen zu müssen meinte, weil es nur als „ G e w o h n h e i t " existiert, ist der juristische Gehalt des Gewohnheitsrechts geringer als der gesatzten R . In geschriebenen Satzungen archaischer Kulturen finden sich unter rein rechtlichen Normen oft auch noch mancherlei Vorschriften anderer Natur. In den Gewohnheitsrechten sind aber regelmäßig noch viele andere Normierungen mit eingewoben; in ihnen ist der rein juristische Gehalt meistens geringer als im geschriebenen R., das in juristischer Beziehung immer stärker spezialisiert ist. E s gilt hier, gewisse Grundzüge primitiven R. zusammenzufassen. Selbstverständlich bringt die Eigenart des Lebens und der K u l t u r sehr verschiedenartige Normierungen mit sich. Dazu tritt noch der Einfluß der Übertragung fremder Vorschriften. Die n a t ü r l i c h e n Beziehungen der rechtlichen Ordnungen sind selbstverständlich die gleichen wie überall. Es können die öffentlichen Angelegenheiten, die Verfassung einer Gemeinde (öffentliches R . ) geregelt werden, oder die aus Geburt und Heirat sich ergebenden familialen Beziehungen einer Person (Personenrecht, F a milienrecht), oder die Verhältnisse des Grundeigentums (Immobiliarrecht), ferner die Geschäfte mit beweglichem Besitztum, eingegangene Verbindlichkeiten (Obligationenrecht), weiterhin der Erbgang (Erbrecht); endlich können die Verhaltungsweisen der einzelnen durch die Gesamtheit einer Kontrolle unterzogen werden, aus der sich die A u f f a s s u n g von den „ V e r brechen" ergibt und das den „ M i s s e t ä t e r n " gegenüber einzuschlagende Verhalten als Reaktion auf deren Handlungen: R a c h e und S t r a f e (Strafrecht). Die Ansichten über verletztes R . werden stets in einer her4*
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kömmlichen Form geklärt, in irgendeinem noch so einfachen Verfahren (Prozeßrecht). Angesichts der Eigenart der Lebensverhältnisse indessen, die jeweils ihre besondere Regelung erfordern, gehen die einzelnen Ordnungen weit auseinander. So erscheint jedes Rechtssystem, z. B. auch das röm., nur als ein Sonderfall unter anderen ebenbürtigen, so groß auch die Unterschiede der Durchbildung und der Grad des Scharfsinns sein mag. Vor allem ist auch das G e w i c h t und die B e d e u t u n g der einzelnen Beziehungskomplexe in den mannigfaltigen Normierungen verschieden. In den primitiven Ordnungen tritt das Personenrecht als wichtiger hervor, so wie etwa in der primitiven Kunst die Betätigung der Person des Menschen mit den leiblichen Mitteln in Tanz, Gesang und Körperschmuck; und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die geringe Entwicklung der T e c h n i k noch nicht Objekte genug geschaffen hat, in denen b e w e g l i c h e W e r t e sich verkörpern. Denn die hauptsächliche Grundlage für die Bildung von zivilen Rechtsbeziehungen, insbesondere das große Gebiet des Sachen-, Obligationen- und Erbrechts, ist von der Entwicklung beweglicher Werte abhängig. Das gilt sogar auch für Liegenschaften. Denn die T r a n s a k t i o n e n mit Grund und Boden können ohne eine gewisse, wenn auch beschränkte „Mobilisierung" des Grundbesitzes nicht vor sich gehen, d. h. nicht ohne daß der Boden den mobilen Werten insofern angeglichen wird, daß er gegen diese austauschbar, kompensierbar geworden ist. Erst dann kann auch die Fülle von Berechtigungen daran eine bedeutendere Rolle spielen. Selbst in das Personenrecht, in die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehe reicht der Wirkungsbereich der beweglichen Werte. Nicht ausgenommen davon ist das Strafrecht, sogar in seinen ursprünglichen Formen der Blutrache (s. d.), für die später durch mobile Werte eine Ablösung, eine Komposition, eine Bußezahlung (s. B u s s e ) , geschaffen wurde. Schon daraus geht hervor, daß die Wirtschaft, bzw. die Entwicklungsstufe und Art der Technik den Hintergrund abgeben, auf dem die Ordnungen des Rechtslebens
erwachsen. Zu ihrer konkreten Gestalt verhelfen ihnen aber erst die ineinandergreifenden und o f t sehr verwickelten A n s i c h t e n über die Bedeutung der einzelnen wirtschaftlichen Werte (s. E i g e n t u m A , K o m m u n i s m u s , R e i c h t u m ) . Die tatsächliche Bedeutung von Wirtschaftsobjekten, wie z. B . Vieh, tritt gegenüber gewissen Vorurteilen nicht selten völlig zurück (s. W i r t s c h a f t D). D a z u k o m m t noch das ganze System der sonstigen Auffassungen vom Leben und seinen Zusammenhängen, kurz, die gesamte Geistesverfassung des Volkes und seiner Zeit. So ergeben sich auch die Zusammenhänge des R . mit Sitte, Moral und Ethik. Das R . wurzelt in der Gewohnheit gewisser Verhaltungsweisen. Man kann nicht nach einem „ Z u e r s t " solcher Verhaltungsweisen fragen, sondern höchstens nach einem a u t o r i t a t i v e n V o r b i l d d e s V e r haltens, das Anerkennung findet und dadurch die ethische Sanktion erhält, ein Vorgang, der nur selten mit Absicht durchgeführt wird oder durchgeführt werden kann. Hüterin der Sanktion ist die Gemeinde oder die sie repräsentierenden, führenden Persönlichkeiten, die Alten oder ein angesehener Häuptling (vgl. § 10, n ) . Unter diesen Umständen wäre es irrig, zu meinen, daß unter Naturvölkern nicht ein starkes Empfinden f ü r R . und Unrecht herrschte (s. § 12). Nur sind die A f f e k t a k z e n t e a n d e r s v e r t e i l t als bei uns; während man über einen Diebstahl (s. d.) dort vielleicht hinwegsieht (vgl. § 9), j a das Wegnehmen einer Sache gar nicht als Verletzung des Eigentums empfindet (s. E i g e n t u m A , K o m m u n i s m u s ) , mag man gegen eine Übertretung der Heiratsordnung (s. d.) oder einer Meidungsvorschrift (s. M e i d u n g ) , z. B. den Fürsten essen oder trinken zu sehen ( S c h m i d t S. 29), außerordentlich empfindlich sein. Die Rechtsentwicklung stellt einen großartigen Akt der S e l b s t d o m e s t i k a t i o n , der w a c h s e n d e n V e r g e s e l l s c h a f t u n g des Menschengeschlechtes dar. Sie geht daher mit dem Wachstum politischer Gemeinwesen Hand in Hand. Die Überschichtung und das Entstehen s t a r k e r A u t o r i t ä t e n im adligen Häuptling (s. d.), im heiligen Fürsten und im rationa-
RECHT listischen Despoten (s. D e s p o t i e ) enthielten eine mächtige F ö r d e r u n g für die R e c h t s e n t w i c k l u n g (s. § I i ) . In diesem Überblick über p r i m i t i v e s R . schien es nicht angezeigt, eine große Z a h l von vereinzelten Rechtsbestimmungen heterogener Völker als K u r i o s i t ä t e n zu h ä u f e n , da ohne ihre Wurzeln die herausgegriffenen Normen unverständlich bleiben. W e n n wir wirklich in das p r i m i t i v e R. eindringen wollen, ist es nötig, dieses als eine O r d n u n g des gesellschaftlichen L e b e n s und seiner Gestaltungen a u f z u f a s sen. D a b e i m u ß m a n im A u g e behalten, d a ß das R . nicht einen u n m i t t e l b a r e n N i e d e r s c h l a g der gesellschaftlichen K r ä f t e darstellt, sondern d a ß die W ü n s c h e und B e s t r e b u n g e n nach einer Organisation der politischen und sozialen B e z i e h u n g e n in den K ö p f e n b e s t i m m t e r Menschen v o r sich g e g a n g e n sind, daß somit das R . durch die D e n k a r t u n d G e i s t e s v e r f a s s u n g , und z w a r a u ß e r d e m in der R e g e l einer v e r gangenen Generation, b e d i n g t ist (s. P r i m i t i v e s Denken). Im G r u n d e genommen m u ß die gesamte K u l t u r als H i n t e r g r u n d dienen (s. P r i m i t i v e K u l tur). W i r müssen also versuchen, die R e c h t s b e s t i m m u n g e n so f r e m d a r t i g e r K u l turen wie die der sog. N a t u r v ö l k e r in Verb i n d u n g m i t den übrigen S i t t e n und Verhaltungsweisen, in ihrer V e r w a c h s e n h e i t m i t dem g e s a m t e n L e b e n aufzuzeigen. D a r u m w u r d e n hier nur einige V ö l k e r , v o n denen neue, g e n a u e E r m i t t l u n g e n vorliegen, ausgewählt. W e g e n der B e z i e h u n g zur V o r g e s c h i c h t e schien es a m P l a t z , die niedrigen Jäger- und S a m m l e r v ö l k e r zu bevorzugen.
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wirken, sondern weil die M a n n i g f a l t i g k e i t der p r i m i t i v e n K u l t u r e n a u c h sehr verschiedenes R . b e d i n g t . D a s geht schon d a r a u s h e r v o r , d a ß die politische Gestalt u n g (s. P o l i t i s c h e E n t w i c k l u n g ) sehr verschieden ist: a n g e f a n g e n v o n den homogenen demokratischen Verbänden der Jäger- und S a m m l e r s t ä m m e über die A g g l o m e r a t i o n ethnischer G r u p p e n zur S c h i c h t u n g (s. d.) nach A b s t a m m u n g und n a c h sozial-beruflichen G e s i c h t s p u n k t e n , sowie v o n einer autoritätslosen H ä u p t lingsschaft z u m heiligen Fürsten und rationalistischen Despoten (s. Adel, Demokratie, Despotie, Häuptling, KasteA, Klan, Politische Entwicklung, Soziale Entwicklung).
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W ü n s c h t j e m a n d die R e c h t s a n s c h a u u n gen der E i n g e b o r e n e n richtig zu würdigen, meint K e y s s e r (S. 85), so m u ß er europ. R e c h t s b e g r i f f e beiseitelassen. W i l l man gerecht sein, so soll m a n , wie auf anderen Gebieten, a u c h auf d e m des R . „ m i t P a p u a - A u g e n sehen und m i t P a p u a - H e r z e n fühlen l e r n e n " . D a s p r i m i t i v e R . kann n i c h t ohne weiteres als e t w a s Einheitliches dem der K u l t u r v ö l k e r g e g e n ü b e r g e s t e l l t werden, nicht nur deshalb, weil viele Ü b e r g ä n g e , besonders im R . der archaischen V ö l k e r , v o r h a n d e n sind, die in d e m der höheren K u l t u r nach- |
§ 2. Im allgemeinen k a n n man sagen, d a ß in p r i m i t i v e n K u l t a r e n der E r f o l g auf j e d e m G e b i e t ohne weiteres aus einem guten E i n v e r n e h m e n mit den übermenschlichen Mächten abgeleitet wird. Dementsprechend w e r t e t m a n auch die kulturelle Überlegenheit, durch die sich e t h n i s c h e G r u p p e n auszeichnen. Darum werden diese a n e r k a n n t , ihre W ü n s c h e b e f o l g t und sie so zur H e r r s c h a f t zugelassen, zu einer Ü b e r o r d n u n g nämlich, die einer innerhalb seiner eigenen homogenen demokratischen Horde seinesgleichen niemals zugestehen w ü r d e . A u f diese W e i s e istes an vielen Orten zur B i l d u n g v o n A d e l s s c h i c h t e n gekommen (s. A d e l , Auszeichnung, Häuptling, Kaste A, Schichtung). Im Z u s a m m e n h a n g d a m i t ist es v e r s t ä n d lich, w e n n auf Fiji (Südsee), wie H o c a r t (S. 72) a u s f ü h r t , als erste B e d i n g u n g für die g l ü c k l i c h e R e g i e r u n g eines F ü r s t e n seine edle A b s t a m m u n g sowohl in der m ü t t e r lichen als a u c h in der v ä t e r l i c h e n Linie gefordert wird. A u ß e r d e m soll er noch der älteren Linie oder der älteren G e n e r a t i o n angehören. Ist das nicht der Fall, w e n n e t w a ein J ü n g e r e r oder eine Familie, die nicht volladlig ist, die M a c h t an sich reißt, so sind z. B. H u n g e r s n ö t e auf diesen B r u c h der heiligen Sitte z u r ü c k z u f ü h r e n . A u ß e r d e m wird die richtige B e o b a c h t u n g der S i t t e n und R i t e n als V o r a u s s e t z u n g f ü r die glückliche R e g i e r u n g eines H ä u p t lings oder Fürsten auf Fiji angesehen. Ein u n b e a b s i c h t i g t e r V e r s t o ß k a n n dazu führen, d a ß ein H ä u p t l i n g z u g u n s t e n
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innernden B i n d u n g durch Z a u b e r f o r m e l n v o n S c h w u r u n d V e r f l u c h u n g (s. E i d A , F l u c h A , N a m e A ) , die den S c h u l d i g e n ins Verderben zieht. A u c h herrscht hier die U n z u l ä s s i g k e i t des U r k u n d e n b e w e i s e s im alten P r o z e ß , wie sie in das R . v o n G o r t y n hineinragt, in g a n z ähnlicher W e i s e , wie wir das v o n N a t u r v ö l k e r n hören (s. § 10). Der R e c h t s s c h u t z erstreckt sich d a r u m nur auf solche A n s p r ü c h e , deren E r w e i s in den a n e r k a n n ten Formen möglich ist. D o r t überall, w o die A l l g e m e i n h e i t sich interessieren zu müssen g l a u b t , h a t das R . s a k r a l e n C h a r a k t e r (s. § 9 ) . Im übrigen aber bleibt es bei einem laisser faire des E i n z e l n e n , dem gegenüber die A l l g e m e i n h e i t sich p a s s i v v e r h ä l t , i h m höchstens die R a c h e zubilligt. U m n u n die A l l g e m e i n h e i t f ü r Die griech. dixt] b e d e u t e t G e w o h n h e i t , seine Sache zu interessieren, wird ein bedie Sitte, die sich gehört, R . und Gesetz. sonderer W e g eingeschlagen, der die überEin Mann, der dixaiog ist, b e o b a c h t e t natürlichen M ä c h t e d u r c h E i d oder F l u c h v o r allem die G e b r ä u c h e u n d w a s sonst oder im G o t t e s g e r i c h t b a n n e n und d a m i t das H e r k o m m e n vorschreibt, v o r allem im a u c h die G e m e i n s c h a f t in M i t l e i d e n s c h a f t V e r h a l t e n gegenüber den G ö t t e r n . So ziehen soll. Eine gröbere Form, das f a ß t a u c h H o m e r in der O d y s s e e ( I X 175) Interesse der G e m e i n s c h a f t zu w e c k e n , den gastfreundlichen und g o t t e s f ü r c h t i g e n M a n n auf im V e r g l e i c h z u m a n m a ß e n d e n j besteht in der im § 9 e r w ä h n t e n und auch unter „Blutrache" geschilderten B a r b a r e n , der kein R . übt. In ähnlicher K e t t e n r a c h e. Weise t u t das a u c h Ä s c h y l u s (Theb. 598). D a s dharma des S a n s k r i t u n d dhamma des D a s röm. R . k e n n t die S p a l t u n g in jus Pali enthalten ähnliche B e d e u t u n g e n , bei und fas ( V o i g t S. 187). D a s fas e n t s p r i c h t denen Sitte, R., P f l i c h t , T u g e n d und zweifellos den T a b u - S a t z u n g e n (s. M e i Frömmigkeit ineinander verschwimmen d u n g ) ; es ist das jus divinum. V o n diesem ( H o c a r t S. 71). wird wieder das jus sacrum, die R i t u a l N i c h t nur f ü r das p r i m i t i v e R., sondern regeln, unterschieden, die a b e r d u r c h a u s a u c h noch f ü r das archaische gilt die A u f zu den „ ü b e r m e n s c h l i c h e n " S a t z u n g e n gefassung, die z. B . das griech. R . beherrscht, hören. D a s weltliche Gesetz, jus, wird d a ß die G ö t t e r w o h l überlegene G e w a l t e n teilweise auf die v o n der S t a a t s g e w a l t ersind, die zu reizen m a n sich scheut, j e d o c h gangene V e r o r d n u n g z u r ü c k g e f ü h r t ( j u s keine sittlichen M ä c h t e , die F r e v e l und ratum), wie es in p r i m i t i v e n V e r h ä l t n i s s e n V e r b r e c h e n ohne weiteres a h n d e n , wie in V e r o r d n u n g e n der H ä u p t l i n g e oder L a t t e (§ 2ff.) b e t o n t . Eine Gesellschaft F ü r s t e n z u t a g e tritt, w ä h r e n d die lex w i e z. B. ,,die homerische, die m i t W o h l privata ursprünglich die traditionell d e m gefallen auf den t a t k r ä f t i g e n M a n n blickte, Einzelnen z u g e s t a n d e n e B e w e g u n g s f r e i h e i t der mit T r u g oder G e w a l t seinen V o r t e i l in der W a h r n e h m u n g seiner Interessen und seinen W i l l e n d u r c h z u s e t z e n w u ß t e " , darstellt, wie z. B . das E r g r e i f e n oder legte keine ethischen M a ß s t ä b e an, doch W e g n e h m e n v o n S a m m e l - oder J a g d b e u t e , f ü h l t e sie sich dennoch durch E i d e gebunw e n n i h m e t w a s a b h a n d e n g e k o m m e n ist, den. Hier tritt a u c h die S t e l l u n g z u r L ü g e oder w e n n j e m a n d sich u n r e c h t m ä ß i g e r deutlich in E r s c h e i n u n g : nicht die U n m o r a l weise e t w a einer durch M e r k m a l e gekennder L ü g e ist es, die den Unwillen der G ö t t e r zeichneten S a c h e b e m ä c h t i g t h a t . — V g l . w a c h r u f t , sondern die A u f f a s s u n g v o n einer a. § 9, i o und L e i s t . — S. a. A s y 1, F e s t A , geradezu an das Sinnlich-greifbare erFriede. eines anderen v e r z i c h t e t , u m kein Ung l ü c k über sein V o l k zu b r i n g e n ( H o c a r t S. 72). Die s t a r k e V e r f l o c h t e n h e i t religiöser Ged a n k e n g ä n g e mit rechtlichen E i n r i c h t u n gen zeigen v o r allem E i d (s. d. A ) , sonstige B e t e u e r u n g e n (vgl. Z a h n S. 314) und G o t t e s u r t e i l (s. d.). D e r E i d w e c k t den s t ä r k s t e n Z w a n g , den der N a t u r m e n s c h kennt. Mit d e m E i d e u n t e r s t e l l t er sich einem Gottesurteil. — W e n n d e m S c h w ö r e n der Eingeborenen g e g e n ü b e r g e h a l t e n wird, d a ß sie t r o t z d e m l ü g e n , so darf m a n die egozentrische A u f f a s s u n g u n d R e p r o d u k tion des N a t u r m e n s c h e n n i c h t vergessen, der A r t , d a ß einer a n ,,die eigene L ü g e g l a u b t " ( G u t m a n n S. 6 9 6 f f . , 7 0 2 f f . ; s. a. Primitives Denken).
RECHT § 3- Als Quelle des R. werden bei den z e n t r a l a u s t r a l . A r a n d a u n d L o r i t j a die a l t e n Männer angesehen, n i c h t der H ä u p t ling. Gewisse G r u n d z ü g e der Rechtsgewohnheiten teilt m a n den j u n g e n Männ e r n nach der Reifeweihe mit ( S t r e h l o w S. io). — Vgl. § 10 u n d K n a b e n h a n s S. 162Ü., 1 7 1 ff., 179. W e n n auf den Neuen H e b r i d e n auch kein kodifiziertes Gesetz besteht, so sind, nach S p e i s e r (S. 341), die Rechtsbegriffe der Eingeborenen doch ganz klar. Sie b e r u h e n d a r a u f , daß jedes U n r e c h t d u r c h ein gleiches gesühnt werden m u ß . F ü r jedes gestohlene Schwein m u ß ein gleiches ers e t z t werden. Der Mord f i n d e t seine Verg e l t u n g durch einen Mord auf der Gegenseite oder d u r c h eine e n t s p r e c h e n d e Bußez a h l u n g ; die Kriege können erst ein E n d e finden, wenn jede P a r t e i gleich viel T o t e zu beklagen h a t (s. § 4 u n d vgl. T h u r n w a l d Ermittlungen usw.; d e r s . Das Rechtsleben usw.). Bei den westafrik. Kpelle wird das Erlassen eines Gesetzes (dodo, däla, däma, däman) als das „ D a r a u f l e g e n " eines Verb o t s auf eine Sache oder H a n d l u n g bet r a c h t e t . Die „ G e s e t z e " h a b e n den Char a k t e r einer v o m K ö n i g erlassenen V e r o r d n u n g (vgl. § I i ) , die aus b e s t i m m t e n Anlässen e n t s p r i n g t , z. B. das Verbot, P a l m f r ü c h t e vor der völligen Reife zu ernten, gewisse L a n d s t r e c k e n u n t e r K u l t u r zu nehmen, i n n e r h a l b einer angegebenen Zeit H ü h n e r zu v e r k a u f e n oder zu schlachten, u n e r l a u b t e n Geheimbünden anzugehören oder schädlichen Z a u b e r zu besitzen. — Neben diesen zeitweilig geltenden Verordnungen stehen die a l t ü b e r l i e f e r t e n S t a m m e s g e s e t z e , die als tua = Sitte bezeichnet werden. Doch sind dodo u n d tua n i c h t i m m e r s t r e n g v o n e i n a n d e r geschieden. V e r k ü n d e t z. B. der H ä u p t ling bei der G r ü n d u n g einer neuen Orts c h a f t die alte S t a m m e s s i t t e , so wird von d e m Erlassen von „ G e s e t z e n " gesprochen ( W e s t e r m a n n S. 100; s. G e r i c h t A). — Das Erlassen von Gesetzen wird in folgender Weise geschildert: „ D e r König r u f t seine Leute, die in der S t a d t sind, zusammen und n e n n t die Dinge, die m a n nicht t u n d a r f . " Er s a g t : „ J e d e r m a n n , der hier in der S t a d t ist, darf n i c h t stehlen; wenn
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a b e r j e m a n d einen Diebstahl begeht, so m u ß er eine große Z a h l u n g leisten (vgl. § 9). — N i e m a n d darf mit der F r a u eines A n d e r e n E h e b r u c h treiben. — W e n n einer m i t der T o c h t e r eines Mannes eine Liebs c h a f t h a t , so m u ß er die Sache d a d u r c h ins reine bringen, d a ß er einen Menschen gibt oder a n dessen Stelle eine große Gelds u m m e zahlt. — W e n n einer die T o c h t e r eines Mannes vergewaltigt, so wird der Mann gefangen, in den Stock gelegt, gefesselt, u n d seine L e u t e müssen ihn f r e i k a u f e n ; sonst v e r h a n d e l t m a n ihn in ein fernes L a n d als Sklaven (vgl. § 5). — N i e m a n d darf hier Hexerei treiben, sonst fangen wir (der König u n d seine Leute) ihn u n d v e r k a u f e n ihn. — N i e m a n d darf hier j e m a n d t ö t e n ; wenn j e m a n d a b e r einen t ö t e t , so m u ß er eine E n t s c h ä d i g u n g , eine G e l d s u m m e bezahlen, u n d zwar sieben Sklavenwerte, a u ß e r d e m m u ß er noch einen Menschen geben; so wird die Angelegenheit erledigt, er h a t das B l u t v o m L a n d e weggetan. — N i e m a n d darf die Siedlung a n z ü n d e n , t u t er das aber, so m u ß er die Sache ins reine bringen; h a b e n er u n d die Seinen nicht die Mittel dazu, so v e r k a u f e n wir (der König u n d seine Leute) sie (den Missetäter u n d seine Sippe)." Überall t r i t t hier der König als der Schiedsrichter u n d Vermittler bei allen Streitigkeiten in E r s c h e i n u n g (s. § 11; W e s t e r m a n n S. 131f.). Die vorarchaische Zeit k e n n t an vielen O r t e n Gesetze in m e t r i s c h e r F o r m . So sind Gesetze in Versen von den Bretonen u n d von den D r u i d e n b e k a n n t ( d e L a v e l e y S. 785 ff.). Ferner wird aus d e m vorgesch. Tartessos der Iberer v o n derartigen Gesetzbüchern b e r i c h t e t (Schult e n Tartessos 1922 S. 70). Die fries. u n d altschwed. Gesetze b e o b a c h t e t e n metrische F o r m in freien Versen ( S i e v e r s Metrische Studien Abh. d. phil.-hist. Kl. d. sächs. A k a d . d. Wissensch. 35 [1918—19]), ebenso die a l t t e s t a m e n t l i c h e n Gesetze (Exod. 21). — Bei diesen N a c h r i c h t e n wird m a n an die F o r m u l i e r u n g v o n H e i r a t s p r ü f u n g e n (s. H e i r a t ) u n d J ü n g l i n g s unterweisungen (s. J ü n g l i n g s w e i h e ) von N a t u r v ö l k e r n erinnert, vor allem a b e r an die eigenartige Rolle der R ä t s e l (s. d,). § 4. Von völkerrechtlichen A n s ä t z e n k a n n man selbst bei so niedrigen S t ä m m e n
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reden wie bei dem Jäger- und Sammlervolk der Bergdama von Südwestafrika. Ungefähr viererlei Kategorien von öffentlich-rechtlichen Beziehungen kann man unterscheiden: I. die Rechtsbeziehungen innerhalb der gleichen Sippe ( = politischen Einheit), 2. die unter benachbarten verschiedenen souveränen Sippen, 3. die gegen fremde, aber gleichsprachige Kulturangehörige ( = derselben „Nation") und 4. gegen ethnisch Fremde. Im Krieg gegen eigene Volksgenossen ist ein geordneter Friedensschluß möglich. Die kriegsmüde Partei ordnet die Großfrau des Häuptlings mit ihrem Söhnchen zur Einleitung von Friedensverhandlungen nach dem Lager (Werft) der feindlichen Sippe ab. Sie ist mit ihrem Kinde unantastbar und führt mit dem Oberhaupt der Gegner die Verhandlungen nur so weit, ob er sich überhaupt auf Frieden einläßt ( s . F r i e d e ) . Ein derartiges Verhalten setzt immer eine Vergesellschaftung unter den Sippen, die g e m e i n s a m e B a s i s gewisser ethischer und rechtlicher Anschauungen und Konventionen voraus (s. M o r a l ) . Der durchreisende Angehörige einer fremden Sippe kann die offenen Quellen und die künstlich geöffneten Wasserlöcher zum Trinken benutzen, ohne zu bezahlen und ohne zu fragen. Man erwartet jedoch von dem, der mit einer großen Viehherde vorbeizieht und sie tränken möchte, daß er zuvor bei dem Sippenältesten anfragt. Ein durchreisender Fremdling schlägt außerhalb des Sippenlagers (Werft) sein Nachtlager auf (s. F r e m d e r ) . Gehört er den Nama- oder •San-Buschmännern an, welche die gleiche Sprache reden, so bekam er früher als Gastgeschenk einen Hund, den er für sich schlachtete und aß, und wurde zum Nachtquartier in die Werft geladen. Einem Volksangehörigen oder Bekannten wird vom Werftoberhaupt eine der Frauenhütten zur Verfügung gestellt und ihm nach Möglichkeit eine Ziege geschlachtet. Er darf sich so lange aufhalten, wie er will, und man teilt mit ihm, was vorhanden ist ( V e d d e r S. i 4 7 f . ) . Die Beziehungen der einzelnen Gemeinden unterliegen bei den zentralaustral. Aranda und Loritja bestimmten traditionellen Formen. Wollen die Be-
wohner eines Lagerplatzes ihre Freunde in einem anderen Lagerplatz besuchen, so marschieren sie bis in die Nähe desselben, zünden dort ein hell aufloderndes Feuer an, um ihre Ankunft anzuzeigen, und gehen dann mit Speer, Speerwerfer und Schild auf den Lagerplatz zu, indem sie ihre Knie im Takt hochwerfen und dabei den Boden stampfen. Ihnen entgegen kommt der Häuptling mit einigen alten Männern und erkundigt sich nach dem Zweck ihres Besuches. Wenn sie antworten: ,,Wir sind zu Besuch gekommen", so fordert er sie auf, ihm zu folgen. Im Lagerplatz wird den Besuchern Fleisch und Pflanzenkost vorgesetzt (s. F r e m d e r , G a s t f r e u n d s c h a f t ) . Nachdem sie sich einige Tage aufgehalten, die Neuigkeiten erzählt und vielleicht gegenseitig Tauschartikel eingehandelt haben, sagt der Häuptling des Platzes zu den Besuchern: „Morgen sollt ihr wieder in eure Heimat zurückkehren!", welcher Aufforderung auch am nächsten Tage Folge geleistet wird. — Schweben Feindseligkeiten, so sucht gewöhnlich der Bedrohte den anderen zuvorzukommen. Haben sich die Alten zum Kriege entschlossen (s. F e h d e ) , so suchen sie zunächst befreundete Häuptlinge zur Teilnahme zu bewegen und senden zur Werbung von V e r b ü n d e t e n einen Boten aus. Diesem wird eine aus dem Haar Verstorbener verfertigte Schnur (s. A u s z e i c h n u n g ) um den Hals gebunden, ein Nasenknochen wird ihm durch die Nasenscheidewand gezogen, und große Adlerfedern werden hinten in seinen Gürtel gesteckt; auch trägt er ein mit einer Schnur umwickeltes kleines tjurunga (Ahnenholz) unter dem Arm. Will die andere Gemeinde nicht die Rache der Bündniswerber auf sich ziehen, so müssen sie beschließen, ihr zu Hilfe zu kommen. Zum Zeichen des Einverständnisses gibt der Häuptling die oben angeführte symbolische Ausschmükkung, die der Bote bei seiner Ankunft ihm ausgehändigt hat, wieder zurück und schickt ihn weiter nach einem benachbarten Lagerplatz. Nach der Rückkehr des Boten, der gleichzeitig als Führer dient, tritt man gerüstet den Zug zu den Hilfewerbern an. Man begibt sich jedoch nicht gleich in das Lager, sondern zeigt erst am nächsten
RECHT Morgen durch Boten sein Erscheinen an. Die Begegnung der beiden v e r b ü n d e t e n Horden findet u n t e r F ü h r u n g ihrer H ä u p t linge s t a t t , nachdem sich alle Männer in Kriegsschmuck geworfen haben. Bevor der Kriegszug selbst angetreten wird, werden Gesänge angestimmt, die vor allem zauberischen Zweck haben, und in denen durch W o r t e der Erfolg der eigenen W a f f e n und der Mißerfolg der Feinde geb a n n t werden soll (s. F l u c h A, N a m e A). Außerdem werden Orgien veranstaltet, und zwar mit solchen Frauen, mit denen sexuelle Beziehungen sonst streng verboten sind: z. B. mit der Schwester und Schwiegerm u t t e r (s. B l u t s c h a n d e ) . Diese Exzesse sollen bewirken, d a ß der Krieger „ B a u c h e n t b r e n n t " , sie in große Erregung geraten. Ferner öffnen sich die Krieger mit spitzen Knochen ihre Beschneidungswunde und lassen sich gegenseitig das Blut auf die rechte Schulter fließen, damit ihr „rechter Arm s t a r k werde". Am anderen Morgen finden weiter Kampfspiele s t a t t , und der Häuptling sendet die jungen Männer aus, um einiges Wild zu Speeren. A m Abend essen sie ein wenig halbrohes Fleisch, worauf sie wieder die ganze Nacht hindurch Kriegslieder singen. Mit Tagesanbruch marschiert man weiter, bleibt aber ohne N a h r u n g die folgende N a c h t und k u n d s c h a f t e t den Feind aus. Wie fast bei allen Naturvölkern, findet der Überfall vor Tagesgrauen s t a t t , wenn in dem feindlichen Lagerplatz alles in festem Schlaf liegt. J e d e r wird mit einem Zaubera m u l e t t ausgerüstet, u m in W u t zu geraten und die Feinde besser treffen zu können. — W ü n s c h e n zwei Lagerplätze, zwischen denen ein K a m p f s t a t t g e f u n d e n h a t , eine Verständigung herbeizuführen, so wird zuweilen ein Mann mit seiner F r a u als Friedensbote zu der anderen Niederlassung geschickt. U m die Bereitwilligkeit der Gegner z u r U n t e r h a n d l u n g zu erproben, bietet der Bote seine Frau den Bewohnern des feindlichen Lagerplatzes an. Wird dieses A n g e b o t angenommen, so ist ein günstiges Ergebnis gesichert ( S t r e h l o w S. 5 ff.). Ein Friede kann auf den Neuen Hebriden erst dann geschlossen werden, wenn jede Partei gleichviel Verluste erlitten hat. Die
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„Sieger", die geringere Verluste h a t t e n , müssen die fehlende Zahl an Verlusten dadurch ausgleichen, d a ß sie eine entsprechende Anzahl Menschen lebend den anderen ausliefern. Diese können d a n n getötet werden, oder die Gegenpartei n i m m t sie an Stelle der Toten in den Sippenverband auf ( S p e i s e r S . 3 4 1 ; s. A d o p t i o n A). Ahnlich war es im alten Island ( H e u s l e r S. 93). Man ersieht hieraus, daß die primitive Auffassung nicht Sieger und Besiegte im Sinne der archaischen, wie etwa der altoriental. oder antiken K u l t u r e n , kannte. Zwischen verschiedenen S t ä m m e n der Ewe-Neger, wie zwischen den Tavieweern und den Hoern, herrschte f r ü h e r ein eigenartiges Bündnisverhältnis: Wenn die Tavieweer auf die J a g d gegangen waren oder bei Gerichtsverhandlungen Tiere geschlachtet h a t t e n , so schickten sie eines derselben unaufgeschnitten nach Ho. Wenn im F r ü h j a h r die Felder bestellt wurden, so arbeiteten die Tavieweer auch f ü r die Awede. W a r in Taviewe der König gestorben, so m u ß t e n die Awede hinübergehen und den Nachfolger des Verstorbenen einsetzen, und wenn in Ho der König gestorben war, gingen die Tavie\Veer hin, bevor ein anderer eingesetzt wurde. Auch k ä m p f t e n die Taviewe an der Seite der Hoer. Später e n t s t a n d jedoch Uneinigkeit, und die F r e u n d s c h a f t s b ü n d n i s s e gingen in Feindschaft über. Als H a u p t g r u n d d a f ü r wird angegeben, d a ß die Tavieweer mit den Akwamuern sich v e r b ü n d e t e n und dadurch in Gegensatz zu den anderen gerieten ( S p i e t h S. 8 i 6 f f . ) . Verträge u n t e r verschiedenen abessin. S t ä m m e n wurden f r ü h e r im mündlichen Verfahren vor beiderseitigen Zeugen bekräftigt. Obwohl diese Verträge keine besondere religiöse Weihe erhielten, wurden sie doch genau beobachtet u n d u n t e r göttlichem Schutze stehend b e t r a c h t e t . Zum Zeichen freien Geleites erhielten f r e m d e Eingeborene oder Europäer als E r k e n n u n g s z e i c h e n bei den Danäkil die Stöcke des Sultans Aussa, bei den Galla irgendeinen bekannten Gebrauchsgegenstand des Fürsten, den sie ostentativ tragen oder vor sich niederlegen ließen (vgl.M a n a B ) . Manchmal wurden die Bündnisse bei den ' A f a r durch Blutbrüderschaft verstärkt, d a d u r c h
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nämlich, daß der eine aus des anderen H a n d dessen B l u t t r a n k . Dabei w u r d e a u c h noch o f t ein O p f e r an K l e i n v i e h geschlachtet, und mit dem B l u t e des Opfertieres bezeichneten sich die V e r t r a g s c h l i e ß e n d e n ( P a u l i t s c h k e II I36f-). § 5. Die f a m i l i e n r e c h t l i c h e n Ins t i t u t i o n e n w e r d e n in folgenden Artikeln dieses W e r k e s b e h a n d e l t : A d o p tion, Alter, Altersstufen, Avunkulat, Blutschande, Brüderschaft (Künstliche), Ehe, Ehebruch, Ehescheidung, Familie, Familienformen, Familienhaus, Frau, Gemeinschaftshaus, Gruppenehe, Heirat, Heiratsordnung, Keuschheit, Kind, Konkubinat, Levirat, Mädchen weihe, Männerkindbett, Meidung, Mutterbruder, Mutterfolge, Mutterrecht, Nebenehe, Patriarchat, Polygamie, Promiskuität, Prostitution, Sororat, Verwandtenheirat, Verwandtschaft. § 6 . Mit dem R . a n G r u n d s t ü c k e n befassen sich teilweise folgende A r t i k e l : Altenherrschaft, Arbeit, Blutrache, Bürgschaft, Eigentum, Familie, Fehde, Friedlosigkeit, Gau, Gemeinde, Gewere, Grundeigentum, Häuptling, Horde, Hufe, Kaste, Klan, Kommunismus, Männerbund, Männer haus, Siedlung, Sippe, Vertrag, Wirts c h a f t D. Im allg. kann m a n sagen, d a ß die R. an Grund und B o d e n v o n der technischen A r t der W i r t s c h a f t s f ü h r u n g eines Stammes abhängen. Während privatrechtliche Ansprüche bei Jägerund S a m m l e r s t ä m m e n , ebenso a u c h bei HirtenNomaden, fast g a n z fehlen, ist bei denjenigen S t ä m m e n , bei denen der Boden im H a c k - oder G r a b b a u oder d u r c h A n l a g e Von Gärten bearbeitet wird, die T e n d e n z vorhanden, die F r ü c h t e d i e s e r A r b e i t entweder der Familie oder a u c h dem einzelnen zu sichern (s. M u t t e r r e c h t A ) . Die B e t o n u n g des P r i v a t e i g e n t u m s an Grund und B o d e n h ä n g t v o r allem mit der E n t w i c k l u n g der p a t r i a r c h a l i s c h e n F a m i l i e z u s a m m e n (s. F a m i l i e n f o r m e n , P a t r i a r c h a t A).
U n t e r dem E i n f l u ß sozialer S c h i c h t u n g und mit der A u s b i l d u n g des H ä u p t l i n g s t u m s entstehen o f t kompliziertere A n sprüche an G r u n d und Boden. Dafür folgendes Beispiel: Bei den P a n g w e wird der G r u n d und Boden u n t e r s c h i e d e n : I. nach Grundstücken im D o r f , 2. n a c h b e a r b e i t e t e n P f l a n z u n g e n , 3. g i b t es die mit l i c h t e m B u s c h b e d e c k t e n , brachliegenden P f l a n zungen, und 4. ist der U r w a l d da. W ä h r e n d letzterer mit A u s n a h m e gewisser F r u c h t b ä u m e und B ä c h e als nicht im P r i v a t e i g e n t u m befindliches G a u - L a n d zu b e t r a c h ten ist, bezieht sich der B e s i t z a m anderen L a n d h a u p t s ä c h l i c h auf die d o r t g e p f l a n z t e n B ä u m e und a n g e l e g t e n Felder und auf die Häuser in den D ö r f e r n (s. A r b e i t , E i g e n tum A, Gau A, Grundeigentum A, Kommunismus). Der A n s p r u c h auf L a n d , das früher b e p f l a n z t wurde, leitet sich daher, d a ß durch das R o d e n darauf Arbeit verwendet worden war. E s ist B r a c h l a n d , das 3 — 5 J a h r e liegen bleibt ( T e s s m a n n S. 2igii.). Im afrik. Osthorn h a f t e t das Immobiliare i g e n t u m nur a m G r u n d und B o d e n selbst, da bei der B a u a r t der H ä u s e r diese, insbesondere bei den N o m a d e n , den Mobilien zugerechnet werden. Im moslemischen Teile N o r d o s t a f r i k a s n i m m t m a n an, d a ß aller G r u n d und B o d e n des S t a m m e s dem Fürsten gehört und nur diesem das Verfügungsrecht darüber zusteht. Solches gilt sogar f ü r das, w a s der F ü r s t vers c h e n k t und v e r k a u f t . Es wird nur als zu L e h e n (s. d.) gegeben b e t r a c h t e t , und sein E i g e n t u m d a r a n erlischt nicht. A u s diesem E i g e n t u m der F ü r s t e n w i r d a u c h ihr A n s p r u c h auf B e s t e u e r u n g hergeleitet. Indessen sind die Verhältnisse bei den einzelnen S t ä m m e n keineswegs g l e i c h a r t i g ( P a u l i t s c h k e II 144ff.). § 7 . Das R. d e r Schuldverhältn i s s e wird n o c h in folgenden A r t i k e l n behandelt: B ü r g s c h a f t , B u s s e , D i e b stahl, Eigentum, Gelübde, Handel, H a n d s c h l a g , Gewere, Kauf, Markt, Vertrag. Hier soll z u n ä c h s t h a u p t s ä c h l i c h das Okkupationsrecht behandelt werden. Bei S a m m l e r - und J ä g e r s t ä m m e n ist das V e r h ä l t n i s z u m F u n d eine wichtige
RECHT S a c h e . Der Finder eines B i e n e n - N e s t e s wird gleichzeitig als E i g e n t ü m e r (s. E i g e n t u m A ) des Honigs b e t r a c h t e t . D a dieser j e d o c h keineswegs zu jeder J a h r e s z e i t wegg e h o l t werden kann, so m u ß der F i n d e r w a r t e n , bis die W a b e n a u s g e b a u t und mit H o n i g gefüllt sind. U m seinen E i g e n t u m s anspruch geltend zu m a c h e n , wird als konventionelles S y m b o l ein Stein v o r die Ö f f n u n g des Erdlochs oder in die Ö f f n u n g des hohlen B a u m e s , in d e m sich der S c h w ä r m a u f h ä l t , gelegt. Oder m a n befestige einen S t o c k oder einen S t r a u c h derart, d a ß die T ä t i g k e i t e i n e r M e n s c h e n h a n d ohne weiteres e r k e n n b a r ist. In ähnlicher Weise bringt m a n a u c h an e i n e m Jagdwild, das der J ä g e r irgendwo niedergelegt hat, ein E i g e n t u m s m a l an. W e r trotz eines solchen Zeichens den H o n i g oder das W i l d wegholt, gilt als D i e b (s. § 9). D a die E r m i t t l u n g desselben schwierig ist, so schreitet m a n zu einer zauberischen R a c h e , indem der e n t t ä u s c h t e E i g e n t ü m e r eine Nesselart in der Ö f f n u n g des Bienen-Nestes v e r b r e n n t , w o d u r c h er den T o d des Diebes herbeizuführen h o f f t ( V e d d e l - S. 147). V e r l o r e n e G e g e n s t ä n d e werden bei den B e r g d a m a von d e m Finder in eigenen Geb r a u c h g e n o m m e n . In der R e g e l forscht man nicht d a n a c h , wer der r e c h t m ä ß i g e Besitzer sein k ö n n t e . Sieht dieser den Gegenstand im H a u s e eines anderen, so h a t er sich vorher bei d e m Finder als Besitzer auszuweisen und k a n n dann sein E i g e n t u m an sich nehmen, ohne j e d o c h f ü r A b n u t z u n g oder B e s c h ä d i g u n g E r s a t z zu verlangen oder zu erhalten ( V e d d c r S.147). Bei den P a n g w e W e s t a f r i k a s v e r l a n g t der F i n d e r eines verlorenen Gegenstandes, d a ß der Verlierer i h m den halben W e r t bezahle. Nur w e n n es sich u m eine Z a u b e r medizin handelt, wird sie d e m Verlierer ohne weiteres z u r ü c k e r s t a t t e t . Dinge, die einem fremden, nicht b e f r e u n d e t e n oder feindlichen F a m i l i e n v e r b a n d gehören, sieht man als w i l l k o m m e n e B e u t e an. — Bezüglich der J a g d gilt, d a ß nur diejenigen Tiere, die der J ä g e r gleich v e r f o l g t e , ihm zufallen. Findet j e m a n d ein angeschossenes Tier, und k o m m t der J ä g e r an demselben T a g e , an dem es angeschossen wurde, hinzu, so m u ß er dem F i n d e r einen Vorder-
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f u ß ablassen. V o m zweiten T a g e a b h a t der J ä g e r die H ä l f t e abzugeben. Bei Elef a n t e n ist die Frist e t w a s länger. A m ersten T a g e e r h ä l t der F i n d e r 2 — 3 K ö r b e Fleisch, a m z w e i t e n T a g e b e k o m m t er die H ä l f t e des Fleisches, v o m dritten T a g e a b darf sich der F i n d e r die H ä l f t e des g a n z e n Tieres, also a u c h einen Z a h n u n d die H ä l f t e des Fleisches, nehmen. Z u r G e l t e n d m a c h u n g des E i g e n t u m s a n s p r u c h s sowohl an beweglichen S a c h e n wie a u c h an B ä u m e n u. dgl. sind bei allen N a t u r v ö l k e r n gewisse Z e i c h e n gebräuchlich, b a l d in der F o r m v o n Reisern, B l ä t t e r n , G r a s b ü s c h e l n usw., aber auch, wie auf der K a r o l i n e n - I n s e l Y a p ( S e n f f t S. 151), in Gestalt v o n A m u l e t t e n aus Muscheln, F i s c h k n o c h e n u. dgl., die an H ä u s e r n und K ö r b e n zu d e m Z w e c k e befestigt werden, u m das E i g e n t u m v o r U n g l ü c k zu bewahren. Die A u f f a s s u n g , als führten e t w a auf primitiver S t u f e stehende Eingeborene, wie die P a p u a n e r v o n Z e n t r a l - N e u g u i n e a , ein völlig isoliertes, von j e d e m V e r k e h r abgeschlossenes Leben, ist d u r c h a u s irrig. W i e W i r z (S. 120) für den holl. Teil und ich selbst f ü r den ehemaligen dtsch. Teil feststellen konnten, sind die meisten dieser S t ä m m e g e w a n d t e Händler. D a h e r finden a u c h b e s t ä n d i g K ä u f e und V e r k ä u f e s t a t t . Im holl. Teil bildet eine kleine C y p r e a Schnecke tinale den Wertträger und Wertmesser, a u ß e r d e m noch salzhaltiges Gestein (moyu) und Steinbeilklingen. Sowohl die Siedlungen ein und desselben Tales als die weitere U m g e b u n g stehen in l e b h a f t e m T a u s c h h a n d e l , bei d e m das Schwein eine große Rolle spielt. Die I n l a n d - P a p u a s durchqueren die Gebirge nach allen Richtungen, während die K ü s t e n b e w o h n e r v e r h ä l t n i s m ä ß i g w e n i g in das Inland k o m m e n . G e s c h e n k t w i r d ü b e r h a u p t n i c h t s ; nur bei Mahlzeiten p f l e g t m a n v o m V o r h a n d e n e n auszuteilen, ohne H i n t e r g e d a n k e n an eine E n t s c h ä d i g u n g zu haben ( W i r z S. 40f., I 2 0 f . ; s. a. W i r t s c h a f t D). V e r t r ä g e (s.d.) werden bei den B e r g d a m a S ü d w e s t a f r i k a s n i c h t unter Beisein von Zeugen abgeschlossen, weil dies sonst als M i ß t r a u e n s v o t u m gilt und E n t f r e m d u n g hervorruft. Man v e r l ä ß t sich auf den
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Tafel 16
Tafel 17
R e l i g i o n C.
Ägypten
a. Der Totengott Anubis als Mann mit Hundekopf. Holz mit Gipsüberzug, bemalt. Hildesheim 1582. — b. Der K a („Seele") des Königs Horus (Dyn. 12) als nackter Mann mit dem Schriftzeichen ka auf dem Kopfe. Holz. Museum in Kairo. Nach F. W . v . B i s s i n g -
Tafel 18
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Tafel 19
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R e l i g i o n C.
Ägypten
a. Opfertafel mit Gaben, in Form eines Hauses mit Halle gearbeitet. MR. Museum Leyden. — b. Opfertafel m i t Darstellung der auf ihr niederzulegenden Gaben für die Seele des Verstorbenen, aus dem N R . Museum Berlin.
Walte de Gruyter & Co. Postscheckkonto:
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Berlin W 10 und Leipzig Berlin N W 7 N r . 5 9 5 3 3
sCL WERKE ZUR VORGESCHICHTE UND ALTERTUMSKUNDE CARL
SCHUCHHARDT
ALTEUROPA hine V o r g e s c h i c h t e u n s e r e s
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2. Auflage Le-x. Gr. 8°.
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O T T O SCHRÄDER 2. Auflage nach dem Manuskript des Verfassers herausgegeben von A. NEHRING Lex. 8°. 1. Band A - K , geheftet M. 33.80, Halbleinen M. 36.80. / 2. Band 1. Lfg. M. 4.60. I 2. Band 2. Lfg. M.7.50. / 2. Band 3. Lfg. M. 10.—. i 2 . B a n d 4 . L f g . M. 20. .//. £
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Tafel 32
Rosegg a. Figuren aus Blei.
1
/ 1 n. Gr.
Nach Aufnahme des Naturhistorischen Museums Wien
Rosdorf b. Scherben aus einer jungsteinzeitlichen Siedlung bei Rosdorf nahe Göttingen (Grabung 1 9 1 1 ; F r . H e i d e r i c h und M. V o i t ) . Nach Aufnahmen des Städtischen Museums Göttingen.
ROMNYSCHE
GRUPPE-RONDSEN
Lehmbrocken, die der Zerstörungsbrand des Hauses zurückgelassen hatte. Das Dach haben wir uns giebelförmig mit Stroh oder Schilf gedeckt zu denken. § 3. In der slav. Per. ist die Wallmauer und das Osttor erneuert worden, das Tor stark verengt und verkürzt. Die Gräben scheint man nicht mehr offen gehalten zu haben. Vor der Wallmauer waren an verschiedenen Stellen, so beiderseits vom SW-Tor, an der sw. und an der nö. SeeEcke, Bastionen vorgebaut, die sich 10 —12 m br. an den Wall legten und nach vorn 3 V g m weit abgerundet vorsprangen. Sie waren I — \ l / i m h., und auf ihrer Fläche lagen mehrfach slavische Scherben. An der nö. See-Ecke war auch ein schmaler Durchgang (i'/jiTi br.) durch den Wall zu erkennen, der mit gleich hohem Fußboden auf die Plattform hinausführte. Derartige Anlagen sind sonst ausvorgesch. Zeit noch nicht bekannt. Die slav. Häuser in der Burg scheinen alle in der Mulde am Wall entlang gestanden zu haben, so daß sie einen Rundling bildeten. Diese Häuser sind etwas in den Boden eingetieft und haben gepflasterten Fußboden. Vor der Burg fanden sich auch mehrere tiefe Hausgruben. In germ. sowohl wie in slav. Zeit ist der Werder, der sich von der Burg gegen W weit vorstreckt, schon voll besiedelt gewesen. Es finden sich dort auch Scherben aus der Zeit der Regermanisation, die von Besiedlung dieses Platzes auch nach der slav. Herrschaft zeugen. An Einzelfunden hat die Burg außer Topfscherben kaum etwas Bemerkenswertes geliefert. Die Scherben sind junglausitzisch, bald mehr an Aurith, bald an Göritz und Billendorf erinnernd (s. Aurither, Billendorfer, GöritzerTypus), und reichen bis an die LTZ. Aus Bronze ist nur das Stück einer Lanzenspitze gefunden. Aus Knochen eine Hirschhornhacke. Sie slav. Scherben sind früh-, mittel- und spätslavisch. Zu ihnen gehören einige Eisensachen, wie Messer, Kettenstücke u. dgl. S. a. F e s t u n g A § 17, N o r d i s c h e r K r e i s B § 1 3 a , 14a. Präh. Z. I (1909) S. 209—238 C. S c h u c h h a r d t ; ZfEthn. 1912 S. 244—246 ders. C. Schuchhardt
155
Romnysche Gruppe s. A k s j u t i n c y , S ü d r u ß l a n d D, § u m e j k o , V o l k o r c y . Rondsen (Tf. 31). § 1. R., Kr. Graudenz (Pommerellen), ist durch ein hier um 1880 entdecktes, ausgedehntes Gräberfeld der Spätlatöne- und Kaiserzeit bekannt geworden, das mit seinen über 800 Gräbern weitaus das größte in diesem Landesteil überhaupt ist. In den J . 1884—1889 ist das Gräberfeld von S. Anger, dem Vorsitzenden der Graudenzer Altertumsgesellschaft, planmäßig untersucht worden und hat eine sehr reiche Ausbeute geliefert. Die große Mehrzahl der Gräber (757) bestand hier aus Brandgrubengräbern (s. d.), denen nur 71 Brandschüttungsgräber (s. d.) und 1 Knochenhäufchen gegenüberstehen. Daneben sind 46 Brandstellen zum Vorschein gekommen, die wohl z. T. als Ustrinen (s. d.) gedient haben, z. T. aber auch als Herdgruben zu deuten sind, wie die vielfach darin gefundenen überbrannten und geschwärzten Steine sowie Tierknochen beweisen. Das einzige hier entdeckte Skelettgrab ist, dem mitgefundenen Feuersteinbeil nach zu schließen, steinzeitlich. Fast alle Brandschüttungsgräber (s. d.) und die Mehrzahl der Brandgrubengräber (s. d.) gehören der Spätlatfenezeit an. § 2. Die Brandgrubengräber lagen in R. unmittelbar unter der etwa 25 cm starken Humusschicht. Von oben gesehen, erschienen sie als kreisförmige oder elliptische, schwarze Flächen von 0,5 — 1 m Durchmesser. In der Mitte befand sich oft ein schwerer, in die Brandmasse eingesunkener Stein. Die Tiefe der Gruben schwankte zwischen 10 cm und i m . Die Beigaben und Knochenreste lagen fast immer im Unterteil der Grube, während der Oberteil mit Brandmasse gefüllt war, die aus schwarzer Erde, Kohlenstaub und kleineren Kohlenstückchen bestand. § 3. In den Brandschüttungsgräbern standen die Urnen meist aufrecht in der sie umgebenden Brandmasse. In der unteren Hälfte waren die Urnen mit zerkleinerten Knochen und Beigaben, in der oberen mit Branderde gefüllt. Auch in der die Urne einhüllenden Brandmasse fanden sich bisweilen Beigaben. Einige Urnen waren mit gehenkelten Schalen oder mit
I56
ROSDORF-RÖSSEN
flachen Steinen z u g e d e c k t . S o n s t sind B e i g e f ä ß e in B r a n d g r u b e n - u n d B r a n d s c h ü t t u n g s g r ä b e r n nur ä u ß e r s t spärlich vertreten. W ä h r e n d unter den B r a n d schüttungsgräbern die männlichen Bes t a t t u n g e n überwiegen, haben u n t e r den B r a n d g r u b e n g r ä b e r n die weiblichen das Übergewicht. § 4. U n t e r den B e i g a b e n der S p ä t lat&negräber sind v o r allem W a f f e n h ä u f i g vertreten, die in den kaiserzeitl. B e s t a t t u n gen hier wie im übrigen P o m m e r e l l e n und Hinterpommern durchweg fehlen. Es liegen z. B . 10 zweischneidige u n d 9 einschneidige S c h w e r t e r (Tf. 3 1 a 3), 75 L a n z e n und 9 Speerspitzen. (Tf. 3 1 a I, 4), 28 Schildb u c k e l (Tf. 3 1 a 2) und 9 Sporen ( B a n d X I I T f . 90 c) aus R . v o r . V o n anderen Gegenständen sind besonders Fibeln ( e t w a 120 S t ü c k ) u n d G ü r t e l h a k e n ( ü b e r ö o S t ü c k ) zahlreich gefunden w o r d e n . U n t e r den Fibeln bilden die g e k n i c k t e n Spätlat£nefibeln (s. G e k n i c k t e F i b e l ) m i t S t ü t z f a l t e den h ä u f i g s t e n T y p u s , u n t e r den G ü r t e l h a k e n sind die S c h a r n i e r g ü r t e l h a k e n a m zahlreichsten. S o n s t sind in R . noch 10 gerade, 23 sichelförmige, 7 h a l b m o n d - und 1 halbkreisförmiges Messer, 18 eiserne N ä h n a d e l n , 46 S p i n n w i r t e l v e r t r e t e n , abgesehen v o n selteneren Geräten, wie Pinz e t t e n , P f r i e m e n u n d P u n z e n , Scheren, Feilen, Feuerschlagsteine, eine A x t , ein H a m m e r , eine R a s p e l usw. (vgl. T f . 3 1 b ) . § 5. D a s G r ä b e r f e l d v o n R . gehört der ostgerm. K u l t u r an, wie die G r a b f o r m und die F o r m e n der B e i g a b e n erweisen. Die H a u p t m a s s e der R . F u n d e b e f i n d e t sich im städt.Museum inGraudenz(poln.Grudzi^dz), 39 G e g e n s t ä n d e v o n hier besitzt das Prov i n z i a l m u s e u m in D a n z i g , e t w a 60 die v o r g e s c h . Staatsslg. in Berlin. S. a. O s t p r e u s s e n C § 5. A n g e r Das Gräberfeld von Rondsen im Kreise Graudenz G r a u d e n z 1890; K o s t r z e w s k i Die ostgerm. Kultur der Spätlatinezeit 1919 I I 82 (dort ist die übrige L i t e r a t u r verzeichnet). J. Kostrzewski
Rosdorf (bei G ö t t i n g e n , H a n n o v e r ; T f . 32 b). Eine S i e d l u n g des E b e r s t a d t e r T y p u s (s. d.), in der einzelne keramische Erscheinungen g a n z besonders stark an den Hinkels t e i n - T y p u s erinnern, ist 1911 v o n Heiderich bei R . u n t e r s u c h t w o r d e n . In Z u s a m m e n -
h a n g d a m i t s t e h t eine im J . 1921 a u f g e f u n d e n e S k e l e t t - B e s t a t t u n g eines J ü n g lings, d e m ein Marder m i t ins G r a b gegeben w a r . A n t h r . K o r r . - B l . 44 ( 1 9 1 3 ) S. I 4 f f .
Heide-
r i c h ; D e r W a n d e r e r im Cheruskerland I (1922) S. 1 3 f . M . V o i t .
t W.
Bremer
Röse s. F i n n l a n d B § 2 , N o r d i s c h e r K r e i s B § 4 c 2. R o s e a u x , L e s s. M o r g e s . R o s e g g ( K ä r n t e n ; T f . 32a). In der N ä h e v o n F r ö g g b e i R . w u r d e im J. 1882 h i n t e r dem Liechtensteinschen Tiergarten ein großes G r ä b e r f e l d e n t d e c k t , das reiche F u n d e der H Z , S t u f e C, ergab. N e b e n den üblichen Fundinventaren sind mehrere Situlen (s. d.) und Zisten (s. d.), einige mit T i e r f i g u r e n besetzt, gehoben w o r d e n . Besonders b e m e r k e n s w e r t ist ein kleiner P l a t t e n w a g e n , Menschen-, Tier- und Reitel figuren aus Blei (Tf. 32a), die e n t w e d e r V o l l p l a s t i k e n sind oder als Halbreliet h ä u f i g auf T o n g e f ä ß e a u f g e l e g t wurden. Das Blei scheint aus den nahegelegenen Bleil a g e r s t ä t t e n zu s t a m m e n . Eine z u s a m m e n fassende P u b l i k a t i o n h a t dieser ausged e h n t e und interessante F u n d p l a t z noch nicht g e f u n d e n . E s scheint, d a ß er bis in die ä. L T Z hineinreicht. Mitt. Z e n t r . - K o m . 1886 S.
LXXVI—LXXX
H a u s e r ; K T K ä r n t e n 1889 S. 60, 61.
Q_ K y r i e
Rössen ( K r e i s Merseburg, P r o v . S a c h s e n ; T f . 33). D a s G r ä b e r f e l d v o n R . , das dem Rössener T y p u s seinen N a m e n gegeben h a t , w u r d e in den 80er J a h r e n des v o r i g e n J h . a u s g e g r a b e n . 21 v o l l s t ä n d i g e u n d der I n h a l t einer langen R e i h e anderer G r ä b e r k a m in die v o r g e s c h . Staatsslg. zu Berlin, je ein G r a b in das G e r m . Mus. N ü r n b e r g u n d das Mus. f ü r V ö l k e r k . H a m b u r g und 5 G r ä b e r in das P r o v . - M u s . Halle. In neuerer Zeit h a b e n w i e d e r ( 1 9 1 5 — 1 9 1 8 ) U n t e r s u c h u n g e n u n d G r a b u n g e n durch das P r o v . - M u s . H a l l e s t a t t g e f u n d e n , die unsere K e n n t n i s v o n der intensiven Besiedlung des P l a t z e s a u ß e r o r d e n t l i c h g e f ö r d e r t haben. D a s D o r f R . liegt in einer n a c h N ausbiegenden Schleife der Saale, der F O sö. v o m D o r f e auf der f l a c h e n H ö h e . G e g e n das Dorf zu ist er v o n einem W a l l m i t v o r g e l a g e r t e m S p i t z g r a b e n abgeschlossen, dessen Zeitstellung n o c h n i c h t gesichert ist. Gräber und W o h n s t ä t t e n der v e r s c h i e d e n e n neol. K u l -
Tafel 33
Rössener Gefäße von Rössen, Kr. Merseburg,
b
1/
10)
Typus
die übrigen ca. 1 / 3 n. Gr.
Nach C.
Schuchhardt.
ROSSENER turen liegen hier durcheinander. Im einzelnen wurden folgende Perioden bzw. Kulturgruppen nachgewiesen: 1.
Spiralkeramik.
2. H i n k e l s t e i n - T y p u s (Stichreihenkeramik). Das häufige Vorkommen von Scherben dieser Art außer in Wohngruben, •die rein dieser Gruppe angehören, in der Füllerde von Gruben und Gräbern der folgenden Stufen zeigt, daß er älter ist als diese. 3. R ö s s e n e r T y p u s . Die über 30 Gräber, mit vielleicht einer Ausnahme liegende Hocker, sind frei in die Erde gebettet. Die früher hierher gezogenen Brandgräber haben nichts mit dem Rössener Typus zu tun (s. Nr. 4). Die Gräber sind anscheinend teilweise in Reihen angelegt worden. Die Ausstattung ist sehr reich (s. R ö s s e n e r Typus).
TYPUS
157
6. S c h n u r - K e r a m i k . Zwei Gräber sind bisher aufgedeckt worden, das Hauptgrab in dem großen Grabhügel, neben der Windmühle, und ein zweites Grab, das durch eine Halskette von runden, durchlochten Scheibchen aus Muscheln ausgezeichnet ist. Trotzdem beide Gräber in Steinkisten angelegt sind, gehören sie ihrem keramischen Inhalt nach typologisch der Spätzeit der Schnur-Keramik an. 7. Die G l o c k e n b e c h e r K u l t u r ist durch ein Grab mit einer Armschutzplatte und ein weiteres mit einem den Glockenbechern nahestehenden, unverzierten GeGefäß vertreten. G ö t z e - H ö f e r - Z s c h i e s c h e Thüringen S . l 6 f . m i t weiterer L i t . ; Z f E t h n . V e r h . 32 (1900) S. (237) A . G ö t z e ; Mannus 11/12 (1919/20) S. 309ff. N . N i k l a s s o n . ; [Sachs. Jahresschr 13 (1925) d e r s . ] . f vv. Bremer
Rössener Typus logie.
(Tf. 33).
A.
Archäo-
4. J o r d a n s m ü h l e r T y p u s . Die Keramik der Rössener Brandgräber ist im Anschluß an die jüngsten Grabungen zuerst von Niklasson richtig eingereiht worden als letzter Ausläufer der bemalten neol. Keramik, mit dessen jüngsten Mährener Erscheinungsformen die Rössener Gefäße ebenso wie die schles. des Jordansmühler Typus (s. d.) eng zusammengehören. Hervorzuhebeil sind Fußschalen mit abgesetztem Rand, Gefäße mit konischem Unterteil, scharf abgesetzter, eingezogenerSchulter und 2 Schnurösen an dem zylindrischen Hals, kleine, konische Tassen mit 2 unmittelbar am Rande sitzenden Schnurösen.
§ I. Der R. T. führt seinen Namen nach dem Gräberfeld von Rössen (s. d.), das in den 80 er Jahren des 19. Jh. von Nagel untersucht wurde. Es handelt sich um tief in den Boden eingetiefte Flachgräber mit Hockern ohne Steinkisten, die nur teilweise von einem Steinpflaster überdeckt sind. Die Eigenheiten des keramischen Stils der reichen Gefäßbeigaben treten weit klarer hervor, wenn man die notwendige Absonderung der Formerscheinungen in den Brandgräbern, die trotz gewisser Beziehungen einer anderen Stufe zuzuschreiben sind, vornimmt (s. R ö s s e n ) .
5. Eine dem B e r n b u r g e r T y p u s nahestehende Gruppe, die Niklasson zuerst zusammengestellt und näher umschrieben hat. Sie zeigt eine deutliche Mischung nordd. Formen mit solchen des böhm.schles. Kreises. Die Hauptformen der Gefäße sind: große Amphoren mit zylindrischem Hals und fast doppelkonischem Körper, deren Henkelösen in dem Winkel des Halsansatzes sitzen, und die oft plastische Verzierungen zeigen; Henkelkannen mit hohem, zylindrischen Hals und weitausladendem Henkel und Henkelkrüge gedrückterer Form, die denen der nordwestd. Megalith-Keramik nahestehen; Trommeln und endlich flaschenförmige Gefäße. S. a. Opperschöner Typus.
§ 2. Der R. T. ist beheimatet im SaaleGebiet ö. des Harzes und den angrenzenden thüring. Gebieten bis an die Rhön. Nach N greifen die Fundplätze von Hundisburg, Hindenburg und Losse über dieses Gebiet hinaus. Im Gegensatz zu den reichen Umwandlungen, die der R. T. auf seinem Vordringen nach Südwestdeutschland erlitten hat, wird dieser ältere R. T. auch als „Alt-Rössener" bezeichnet. Verbreitungslisten bei Götze (wo die jüngeren Abarten desR. T. mit einbegriffen sind) und Äberg (a.a.O. Karte 10). D e r R . T . tritt auch n. des Harzes weiter w. auf, als gemeiniglich angenommen wird, wie die von V o g e s (Präh. Z. 9 [1917] S. I i i Anm. 1) erwähnten Fundplätze des mittleren Okergebietes
RÖSSENER
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(Watenstedt bei Jerxheim, Eilam bei Schöppenstedt, Ohrum, Börssum) zeigen. Von seiner Heimat in Thüringen und Südhannover aus hat sich der R . T. über einen großen Teil Südwestdeutschlands verbreitet. Diesen südwestd. R.T. hat man auch als Albsheimer T y p u s (s. A 1 b s h e i m) bezeichnet. Die Verbindung zwischen den thür. und rhein. Fundplätzen, die im hess. Gebiet längere Zeit zu fehlen schien, wird jetzt durch eine Reihe von Funden hergestellt. G r a b f u n d e v o m Schönberg bei H o f g e i s m a r : J . B o e h 1 a u Neolithische Denkmäler aus Hessen Cassel 1898 S. 20. — N e u e W o h n p l a t z - F u n d e v o m L a m s b e r g bei Dissen und Holzhausen, R e g . - B e z . Cassel, im Hess. L a n d e s m u s e u m Cassel. — H ü t t e n p l ä t z e a m F r a u e n b e r g (s. d.) bei Marb u r g : Z e i t s c h r i f t d. Vereins f. Hess. Geschichte u. L a n d e s k u n d e 52 (1918), Germania 1917 S. 19, 182 G . W o l f f . — Siedlungs-Funde v o n L e i h gestern, K r . G i e ß e n : R . - G . K o r r . - B l . 2 (1909) S. 34 C. K r a m e r .
In der Wetterau (s. d.) ist der R. T. weit verbreitet. Sehr reich sind die Funde im ganzen Rheingebiet, wobei es sich im n. Teil freilich meist um die Niersteiner A b a r t (s. N i e r s t e i n e r T y p u s ) des R . T . handelt. Die wichtigsten F O sind: Vorgebirge bei Cöln:
BJ
1 2 3 ( 1 9 1 4 ) Beil. I
S. 170; Montelius-Festschr. 1913 S. 38 C. R a d e macher.
Einzelne Scherben v o n Gering (s. d.)
und P o l c h auf dem Maifelde e r w ä h n t : Mannus 6 ( 1 9 1 4 ) S. 51 A . G ü n t h e r . — U r m i t z (s. d.). J ä g e r h a u s bei U r m i t z : B J 1 1 9 (1910) S. 3 3 5 f f . A . G ü n t h e r . — R ü b e n a c h a m Neuwieder B e c k e n : Mannus 6 (1910) S. 55 A . G ü n t h e r . — G r ä b e r aus der Steetener Höhle bei L i m b u r g a. d. L a h n : Nass. A n n . 15 (1879) v . C o h a u s e n . — B i n g e n : G. B e h r e n s Kat. Bingen F r a n k f u r t 1918 S. 8 A b b . 3. — R ü d e s h e i m bei K r e u z n a c h : Mus. K r e u z n a c h . B r e t z e n h e i m a. d. N a h e : Mus. K r e u z n a c h . Siefersheim: B e h r e n s - G e i b D e r Südwesten Rheinhessens in Geologie u. Vorgeschichte Mainz 1922 S. 24. — M a i n z : Mainz. Z. 7 ( 1 9 1 2 ) S. 109 G . B e h r e n s ; W e s t d . Z. 1901 S. 3 5 1 , ebd. 1902 S. 426. — Schierstein (s. d.), W i e s b a d e n : Mus. Wiesbaden. — Nierstein (s. d.), Z o r n h e i m : Mainz. Z. 12/13 (1917/18) S. 67 K . N e e b . — Weitere F O aus Rheinhessen sind in K o e h l s F e s t s c h r i f t z u m W o r m s e r A n t h r o p o logentag 1903 verzeichnet. — Wallertheim: K o e h l a. a. O. S. 45. — Monsheim (s. d.), Esselb o r n - K e t t e n h e i m : Mannus 4 ( 1 9 1 2 ) S. 55, 58 C. K o e h l . — A l b s h e i m (s. d.), Mölsheim: K o e h l Festschrift T f . 1 1 . — Michelsberg ( s . d . ) bei U n t e r g r o m b a c h , R h e i n g ö n h e i m und einige andere F O aus der R h e i n p f a l z : S p r a t e r Urgeschichte der P/ah 1915 S. 19 f. — Einige elsäss. F O , wie H a u s b e r g e n : A n z . f.Elsäss. A l t e r t u m s k . 3 (1912) S. 201, 222 R . F o r r e r . — Großgartach (s. d.) — Ludwigsburg: Fundb. Schwaben
TYPUS 2 2 — 2 4 ( 1 9 1 4 / 1 6 ) S. 4. — G o l d b e r g (s. d . } bei Nördlingen, B e r n b u r g e r Höhle bei N e u f f e n : F u n d b . S c h w a b e n 21 ( 1 9 1 3 ) S. 9. — A u s Oberf r a n k e n s t a m m t ein S c h e r b e n v . d. S t e m p f e r Mühle: V o r g e s c h . Staatsslg. Berlin.
Weitere FO finden sich in der genannten Literatur verzeichnet. D a ß der R . T . auch in Bayern allg. verbreitet ist, ist weniger bekannt. Die F O liegen nicht nur in der Oberpfalz, n. der Donau, sondern ziehen sich durch das ganze bayr. Donau-Tal bisnach Südostbayern hin. Mainz. Z. 4 (1909) S. 90 A n m . 3 P . R e i n e c k e . V o n F O besonders h e r v o r z u h e b e n : die B o c k steinhöhle (Mitt. d. V e r . f. K u n s t u. A l t e r t , in U l m u. Oberschwaben 3 [1892] S. 9) und die Klausenhöhlen, gegenüber Neuessing a . d. A l t mühl, B e z . - A . K e h l h e i m ( P r ä h . Z. 7 [1915] S. 214 P . R e i n e c k e ) . Eine Reihe v o n F O aus Südostbayern sind v o n R e i n e c k e im R . - G . K o r r . - B l . 9 (1916) S. 71 ff. a u f g e z ä h l t : Holzen, G e m . A l t heim, Bez.-A. Landshut; Kopfham, Gem. Ergolding, Bez.-A. L a n d s h u t ; R a s t und A s e n kofen bei L a n g e n b a c h , B e z . - A . Freising; Oberlauterbach, Bez.-A. R o t t e n b u r g ; Oberhinkofen und Gailsbach, B e z . - A R e g e n s b u r g b z w . S t a d t amhof.
Österr. und tschech. Forscher bringen auch böhm., mähr., ja selbst ungar. Erscheinungen mit dem R. T . in Zusammenhang. Es muß demgegenüber festgestellt werden, daß reine Rössener Keramik in den genannten Ländern nicht begegnet. Es kann nur als ein letztes Ausklingen des R . T . aufgefaßt werden, wenn der Doppelstich gelegentlich in die böhm. Stichreihenkeramik eindringt. Nur in zwei Fällen ist in der Ornamentik und Form Berührung mit einer jüngeren Gruppe des R. T . zu erkennen (Eberstadter T y p u s ; s.d.): Scherben von Cerny Vul ( S t o c k y a. a. O. T f . 2, 2 und d e r s . La Bohême à l'âge de la pierre 1924 Tf. 12); Fußbecher von Selc bei Prag (a. a. O. S. 7 A b b . 3 Mitte). Damit erledigen sich auch die andersartigen Anschauungen Stockys über den R . T. S. a. B ö h m e n M ä h r e n B § 12. P a m â t k y 26 (1914) S. i s o f f . E . S t o c k y ; d e r s . Rössensky typ v Öechäch Obzor praeh. 1 (1922) S . 2 — 1 5 .
§ 3. Die Ansicht Kossinnas, daß der R . T. in West-Hannover entstanden und auf zwei verschiedenen Wegen nach Süddeutschland gelangt sei, einmal nach Thüringen und anderseits über Westfalen direkt zum Niederrhein und dann rheinaufwärts, wird durch die sich immer weiter mehrenden
RÖSSENER Funde im hess. Zwischengebiet unwahrscheinlich. Wichtiger noch ist der von A b e r g dagegen angeführte Grund, daß die älteste Rössener Keramik nur in Mitteldeutschland auftritt, während sie am Niederrhein völlig fehlt. Mannus 1 (1909) S. 231 G. K o s s i n n a ; d e r s . Deutsche Vorgeschichte* S. 33.
§ 4 . Die Ansiedlungen des R . T., meist geschlossene Dorfschaften, deuten fast immer auf eine bäuerliche K u l t u r hin. Sie finden sich, ebenso wie die Dörfer der Bandkeramik (s. d . ; Hinkelstein-Typus und Spiralkeramik), fast ausschließlich im Gebiet ehemaliger Steppenheide spez. auf den fruchtbaren Lößflächen. Doch waren die Träger der Rössener K u l t u r weit mehr Jäger als Ackerbauer, wie die Untersuchungen Staudingers an dem Knochenmaterial rheinhess. Wohngruben erwiesen haben. Nur gelegentlich (Steeten), häufiger in Bayern, werden auch Höhlen aufgesucht. Während schon in den Hüttenplätzen des Eberstadter T y p u s die Haustiere überwiegen und in den spiral-keramischen Siedlungen noch mehr in den Vordergrund treten, machen in Rössener Hütten die Jagdtiere die Hälfte der Nahrungstiere aus. Hauptjagdtiere sind: Urrind (Bos frimigenius), Hirsch, Reh, Wildschwein. An Haustieren begegnet Rind (s. d. A II), Schaf (s. d. A) und vielleicht das Schwein (s. d. A). Korr. Gesamtv. 1910 S. 187 ff. S t a u d i n g e r.
§ 5. Das Hauptkennzeichen der Rössener K u l t u r ist die K e r a m i k (Tf. 33). Das Formen* Inventar hat erstmals A . Götze genauer umschrieben. Die Gefäßformen zeigen, daß es sich um eine reine Mischkultur handelt, die aus der nordwestd. TiefstichKeramik und der Bandkeramik (s. d.) hervorgegangen ist. A u s ersterer stammt die Fußvase, die aus einem halbkugligen Unterteil mit Standring, hoher, eingezogener Schulter und ausladendem Rand besteht (Tf. 33 g, h). Sie hat stets 4 K n ö p f e oder Schnurösen etwas oberhalb des weitesten Umfangs. D a wir die Entwicklung dieser Form in der Megalith-Keramik verfolgen können, sie aber in Rössen fertig auftritt, ist die Ansicht Reineckes, es handle sich umgekehrt um eine Einwirkung des R. T. auf die Megalith-Keramik, hinfällig. A u c h die
TYPUS
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halbkuglige Schale mit Standring und ausladendem Rand, die besonders in Südwestdeutschland verbreitet ist, ist aus derselben Quelle übernommen, auch Trichterbecher, zylindrische Becher mit flacher Standfläche u. ä. A u s der Bandkeramik stammen kalottenförmige Schälchen, Flaschen verschiedener Formen, diese bezeichnenderweise oft mit der dort üblichen Dreizahl der Schnurösen, während bei den Fußvasen immer nur die durch die Technik bedingte (Präh. Z. 1 [1909] S.47 C. S c h u c h h a r d t ) Vierzahl begegnet, und kleine Bombengefäße mit eingezogenem Hals, die wiederum besonders im Rheinland eine Rolle spielen. Von Besonderheiten in den Gefäßformen sei noch auf die großen Schalen mit ausladendem Rand verwiesen, die statt eines Standrings Schnurösen um den Unterteil aufweisen (Neu-Dietendorf, Rüdesheim, Heidelberg-Neuenheim). Trotz deutlicher regionaler Unterschiede ist die Einheitlichkeit innerhalb des R. T . eine erstaunliche. Die Fußvase, die in Rössen, Hindenburg usw. das wichtigste Gefäß ist, begegnet genau gleichartig auf dem Goldberg. Noch enger sind die Zusammenhänge in Technik und Ornamentik. § 6. Der T o n der verzierten Gefäße ist fast immer sehr fein geschlemmt, das Gefäß im Brande gerußt, die Oberfläche schwarz poliert. Der Gefäßrand ist mit Vorliebe, wie gelegentlich in der MegalithKeramik, gekerbt. Die Ornamente sind im Tiefstich der nw. Gattung ausgeführt, die Linien im Furchenstich. Der Doppelstich ist sehr beliebt. Dieses eingestochene Ornament scheint regelmäßig inkrustiert worden zu sein. Leichtere Ritzlinien finden sich nur in den oberen dreieckigen Feldern der horizontalen Zickzacklinien und dienten hier zum Halten der weißen Flächeninkrustation, die diese Dreiecke bedeckte. § 7. A u c h der Stil der Ornamentik entspricht völlig dem der nordwestd. Megalith-Keramik. Bei den kleineren Bombengefäßen handelt es sich um Hängeornamente, die von einem schmalen Schulterbande herabhängen, gerade und gebrochene Vertikallinien, Dreiecke sowie fransen- und troddelartige Gebilde. A m reichsten, fast teppichartig mit Schmuck überzogen, sind
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ROSSHAARARBEITEN
die Gefäße mit Standring, die Schalen und Fußvasen. Bei ersteren spielt das aus der Megalith-Keramik bekannte breite Zickzackband aus parallelen, in tiefem Furchenstich eingegrabenen, horizontalen Winkellinien die Hauptrolle. Bei den Fußvasen tritt es etwas mehr zurück. Hier hängt •meist, wie bei den Bombengefäßen, die Ornamentik des unteren Gefäßteils an einem durch die Schnurösen um die Schulter gelegten, schmalen Bande, während darüber um den Hals ein breites HorizontalBand gelegt ist, ganz durch Tiefstiche ausgefüllt, in dem nur über den Knöpfen kurze Zickzackbandstücke, Schachbrettfelder u. ä. ausgespart sind. § 8. Zwei wichtige Fortentwicklungen des R. T. durch Berührung mit anderen Kulturen sind hervorzuheben. In Südwestdeutschland ist wiederholt Berührung des R. T. mit der Michelsberger bzw. Pfahlbauten - Kultur nachgewiesen, auf dem Mic.helsberg (s. d.) in zwei Wohngruben (22 und 53), Schierstein (s. d.), Urmitz (s. d.), Goldberg (s. d.), aber auch in den Flachpfahlbauten des Rhein bei Mainz und in Pfahlbauten des Bodensees: Maurach, Nußdorf, Bodman (s. d.), Rauenegg-Konstanz (ZfEthn. Verh. 33 [1900] S. 603; Anthr. Korr.-Bl. 32 [1902] S. 45). Von den Michelsbergern scheinen die Rössener die Sitte der Befestigung der Dorfschaften durch einen •umlaufenden Sohlgraben übernommen zu haben ( s . M o n s h e i m ) . In Schwaben wurden die Michelsberger offenbar nicht ganz verdrängt. Beide Bevölkerungen schienen ineinander aufzugehen. Dieser Prozeß tritt uns arch. im Schussenrieder Typus (s. d.; Tf.l 14) entgegen. § 9. Die zweite Umformung des Rössener Stils geht unter dem Einfluß des Hinkelsteins und der Spiralkeramik vor sich. Der Einfluß des ersteren ist schon im Niersteiner (s. d.) und Heidelberg-Neuenheimer Typus (s. d.; Band V Tf. 86) zu erkennen und f ü h r t dann weiter zu den selbständigen Gruppen der südwestd. Stichkeramik (s. E b e r s t a d t e r , F r i e d b e r g e r , G r o ß g a r t a c h e r T y p u s ; Band I I I Tf. 3b, IV Tf. 84 a, 263). § 10. Das Inventar des R. T. an Steinwerkzeugen ist im wesentlichen das der Bandkeramik. Flintmesser und Schaber, Hobel-
beile, Schuhleistenkeile (s. d.), dreieckige, durchbohrte Steinhämmer. In Rössen begegnen auch querschneidige Pfeilspitzen. Die wirkliche Verbreitung der eigentümlichen Beigaben des Rössener Gräberfeldes, Ober armringe aus Marmor (vom Fichtelgebirge?) und anscheinend Elchgeweih, Röhrenperlen und Scheibchen aus Marmor, Muschelschale und Braunkohle, Hirschgrandeln und Nachahmungen derselben aus Marmor u. ä., ist noch nicht bekannt. §11. Die Gleichartigkeit des Inventars, des Bestattungsritus und des Schädelmaterials der Rössener Kultur lehrt, daß wir es nicht nur mit einer Kultur-, sondern auch mit einer Volksgemeinschaft zu tun haben. Über das somatische Material: Archiv f. Anthr. 31 (1914) S. 196 A. S c h l i z . — Allg. Lit.: ZfEthn.Verh. 32 (1900) S.237ff. A. G ö t z e ; ebd. S. 6 0 0 f f . P. R e i n e c k e ; ebd. 3 3 ( 1 9 0 1 ) S. 414ff- A. G ö t z e ; G ö t z e - H ö f e r - Z s c h i e s c h e Thüringen S. X X I I f . ; AuhV 5 S. 2f., u. s.; 8. Ber. röm.-germ. Kom. 1913/14 S. 55ff. K. S c h u m a c h e r ; d er s. Rheinlande 139 ff.; Präh. Z. 1(1909) S. 46f., 351 f. C. S c h u c h h a r d t ; ebd. 2 (1910) S. Ii 1 ff.; Montelius-Festschr. 1913 S. 25 A. S c h l i z ; C. K o e h l Die Bandkeramik der steinzeitlichen Gräberfelder und Wohnplätze in der Umgebung von Worms ( = Festschrift zur 34. Allg. Versammlung der dtsch. anthr. Gesellschaft) Worms 1903 S. 39ff. und sonst, bes. Mannus 4 0 9 " ) S. 49ff. ;0 Präh. Z. 5 (1913) S. 424f. W. B r e m e r ; N. A b e r g Das nord. Kulturgebiet in Mitteleuropa während der jüngeren Steinzeit Uppsala 1918 S. 151 ff. . •(. w Bremer
B. A n t h r o p o l o g i e . Der Schädel der Rössener Bevölkerung ist dem der MegalithBevölkerung sehr ähnlich und zweifellos aus ihm hervorgegangen. Die Rössener stammen aus dem N, sind eine Kolonistengruppe der Megalith-Bevölkerung, gehören also ebenfalls zum Homo europaeus (s. d.), zur nordeurop. Rasse. Nach Schliz unterscheidet sich der langgebaute Schädel von der genannten Gruppe durch etwas weniger flache Stirn und runderes Hinterhaupt, vielleicht eine Folge von Beimischung einer bandkeramischen Bevölkerung, die vorher im Lande saß. A. S c h l i z Beiträge zur prähist. Ethnologie Präh. Z. 4 (1912) S . 4 2 ; d e r s . Die Vorstufen der nordisch-europäischen Schädelbildung Archiv f. Anthr. N F 13 (1914) S. 189. Reche
Rosshaararbeiten. Roßhaar ist auf den brit. Inseln gelegentlich zu Webe- und Knüpfarbeiten in der BZ verwendet worden
ROST—ROTE
F A R B E IM T O T E N K U L T
(s. A r m o y und Band IV Tf. 256). Auch in einem Grabe von Broomend, Aberdeenshire, das zwei mit einer Rindshaut bedeckte Skelette mit zwei frühbronzezeitl. Urnen barg, fanden sich Teile eines Geflechtes aus Pflanzenfasern und Haar. Catalogue
of the Nat.
Mus.
land E d i n b u r g h 1892 S. 186.
oj Ant.
oj
Scoi-
f W . Bremer
Rost s. K o n s e r v i e r u n g v o n A l t e r t u m s f u n d e n §3, P a t i n a A §2. Rostro-Carinate-Industrie s. E o l i t h e n p r o b l e m § 14. Rote Farbe Im Totenkult (Italien). § 1. Rote Färbung der Knochen, der Grabwände, der Innenwandungen von Behältern für ganze Leichen wie für Leichenbrand, auch beigegebener Gegenstände sowie Mitgabe roter Farbe ist wie in vielen anderen Ländern so auch in Italien beobachtet und als rituelle Sitte gewertet, läßt sich auch, obwohl wesentlich den Frühzeiten eigen, doch durch die hist. Jh. wenigstens in Nachwirkungen bis in die Gegenwart verfolgen. §2. In Ligurien sind es namentlich die bis an die Grenze paläol. Zeit hinaufreichenden Höhlen der Balzi rossi an der frz. Grenze und die Höhlen im Finalese, besonders die Grotten delle Arene candide und Pollera, welche, vielleicht weil am besten erforscht, von einer Übung Zeugnis
a b l e g e n , die in g e w i s s e n Zeiten und Gegenden allg. Sitte gewesen zu sein scheint: so wird man es nach den Beobachtungen der dortigen Forscher für die Schweiz (Anz. f. Schweiz. A.-K. 23 [1921] S. 70 T s c h u m i ) auch für die hierfür in Betracht kommenden Gegenden Italiens annehmen dürfen. Es handelt sich um die Erscheinung roter Knochenfärbung, namentlich am Schädel, bei frühzeitl. Gräbern, meist an den Hockern. F ü r L i g u r i e n : Bull. P a l e t n . Ital. 19 (1893) S. 248 ff. und ebd. 28 (1902) S . 6 f f . C o l i n i ; I s s e l La Liguria preist. J908 S. 341, 359, 380; v . D u h n Ital. Gräberk. I 6 — 7 . A m Nordrand der A l b a n e r B e r g e : Hockergrab in V i g n a Schiboni ( v . D u h n Ital. Gräberk. I 30). B e i Sgurgola i m Hernikerland (ebd. I 3 1 ; gute A b b . f a r b i g : Bull. P a l e t n . Ital. 24 Tf. 16). In Gräbern beim Scoglio del Tonno, nahe Tarent und Bellavista a m N o r d r a n d des Mare piccolo (Bull. Paletn. Ital. 32 [1906] S. 34, 48 Q u a g l i a t i ; v . D u h n Ital. Gräberk. I 4 1 ) . V o n M a y e r (Moljetta und Matera 1924 S. 22) wohl zu Unrecht bestritten, d a er, nach dem W o r t l a u t seiner E r k l ä r u n g , doch wohl T a r e n t zu Apulien libert
Reallexikon
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gerechnet h a t , f ü r das er R o t f ä r b u n g der K n o chen in A b r e d e stellt. In Sizilien: Trefontane unweit C a t a n i a : ein 1. männl. Unterkiefer m i t Spuren rötlicher Substanz, Hinweis auf eine Nekropole in der N ä h e der v o n den Brüdern C a f i c i untersuchten Niederlassung (Mon. Lincei 23 [1914] S. 537 A n m . 1). Sollte dieser F u n d durch k ü n f t i g zutage kommende T a t s a c h e n in seiner B e d e u t u n g bestätigt werden, so würden damit O r s i s Bedenken (Bull. P a l e t n . Ital.34 [1908] S.160; vgl. B u l l . P a l e t n . I t a l . 28 S. 15 C o l i n i ) niedergeschlagen, der glaubte, in dem NichtVorkommen rotgefärbter K n o c h e n in Ostsizilien, während der W sie kennt, ein Zeichen ethnol. Verschiedenheit v e r m u t e n zu sollen. D i e Bedenklichkeit solchen Schlusses ex silentio ergibt sich schon aus dem sonstigen Vork o m m e n roter Farbe auch im 0 in Gräbern gleicher A r t . Im W sind in der U m g e b u n g P a lermos, namentlich in den Höhlen v o n Villafrati und Capaci, rotgefärbte Schädel gefunden ( v . D u h n Ital. Gräberk. I 68, 71). S. a. S i z i l i e n B I.
§ 3. Es sind, wenigstens in Italien, meistens nur die Schädel, welche die rote Färbung zeigen, und zwar da, wo im Leben weder Haar noch Bart oder Kopfbedeckungen irgendwelcher Art die Haut bedeckt haben werden. Somit wird P i n z a recht haben, wenn er (Mon. Lincei 15 S. 22—30 und Storia delle civiltà ant. 1923 S. 126) annimmt, daß das bleiche Angesicht des Toten bei der Prothesis, vor der Beisetzung, mit der Blut- und Lebensfarbe bestrichen worden sei (vgl. A r c h f R W 11 [1908] S. 157 O s t h e i d e ) , welche sich alsdann, bei Zerfall der Haut- und Fleischdecke, den Knochen mitgeteilt habe. Also ein analoges Vorgehen, wie wenn man das Antlitz eines Götterbildes aus Ton mit roter Farbe bedeckte, um den Eindruck der Lebensfarbe zu erhöhen (Plin. X X X I I I 1 1 1 — 112), und wenn der röm. Triumphator, vermutlich nach etrusk. Sitte, als irdischer Vertreter des siegreich helfenden Gottes bei der Auffahrt zum Kapitol das Gesicht mit Mennig färbte, sicher keine Fabel, wie R e i d ( Journ. Rom.Stud.6[i9i6] S.182) meint. Oder wenn der röm. Bauer bei ländlichem Lustraifest sich rot bestreicht (Tib. III 55). Sind dagegen, wie bei einigen Leichen derligur. Grotten, auch andere Knochen des Körpers rot gefärbt, so wird selbsttätige Färbung durch das Lager aus zerpulvertem Hämatit in Frage kommen, das unter manchen Leichen in Ligurien, auch um sie gestreut, so daß die Toten wie eingebettet in diesen Lebensstoff 11
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ROTE FARBE
erschienen, gut bezeugt ist (Balzi rossi: z. B. Bull. Paletn. Ital. 28 [1902] S. 6, ebd. 32 [1906] S. 102; Arene Candide u. a.: Bull. Paletn. Ital. 19 S. 280,329; ebd. 28 S. 6,8) und auch in Gräbern von Gela, Predio Sozza (Bull. Paletn. Ital. 34 S. 132—37, 159) und Santo Cono bei Licodia Eubea, Sizilien (Bull. Paletn. Ital. 25 S. 56, 64—65; ebd. 28 S. 15; v. D u h n Ital. Gräberk. I 68) und auf Malta (ebd. I 92) beobachtet wurde. Solche Umgebung, ja Einbettung des Toten in rote Farbe findet dann ihre weitere Auswirkung in rotem Anstrich der Wände des Grabraumes oder auch des Behälters, in dem die bestatteten oder verbrannten Reste des Toten geborgen waren. Wände: Kuprolith. Felsgräber von Anghelu Ruju (s.d.) auf Sardinien: v . D u h n Iial.Gräberk. I70,103. — Malta (s.d. B §6): a.a.O. S.91. — Holzsärge aus K y m e : ArchfRW 9 (1906) S. 2; Mon. Lincei 22 S. 234 Gr. X X ; S. 252 Gr. X L V I I I ; S. 265 Gr. L X I I ; S. 270 Gr. L X V I I vgl. S. 366 (griech. 6.—5. Jh.). — Sarkophage aus Stein und Ton von Gela, Akragas,Syrakus: ArchfRW a.a.O.; Mon. Lincei 19 S. 133 (griech., 5. Jh.). — Megara Hyblaea: Sarkophag: Mon. Lincei 19 S. 133 (griech., 5. Jh.). — Christl.Sarg aus Syrakus: Mon. Lincei 25 S. 367 Gr. I X . — Auch Tonsärge aus der Nekropole S. Placido von Messina, die z. T. in die vorgerückte R K Z gehören, waren mit Uraund Übermauerungen gedeckt, deren Stucküberzug lebhaft rot bemalt war: Mon. Lincei 24 S. 126, 141. — Ein Kindersarg von Ceglie (bei Canneto di Puglia) aus hellenistischer Zeit war rot ausgemalt: Bull. Ist. 1875 S. 148—50. — Ebenso ein Kindersarg von Vignanello (Südetrurien): Notizie 1924 S. 244. — Im Valle Taggiasca, oberhalb Oneglia, grub ich selbst mit Amerano spätröm. Gräber (etwa 3-Jh.n. C.) aus, deren dachförmig deckende Ziegel innen rot bemalt waren. — Und ebenso zeigen Behälter für Leichenbrand vielfach rote Ausmalung. So die Stein Würfel, in denen in K y m e (s.d.) und dem von K y m e kulturell abhängigen Campanien, also auch in Capua (s.d.) und Suessula (s.d.) vom Ende des 6. bis zum Ende des 5. Jh., die bronzenen Aschenurnen geborgen wurden (ArchfRW 9 [1906] S. 2; R u g g i e r o Scavi n. ant. Regno d.Napoli S.340); ja, in Gela fand O r s i rote Ausmalung selbst im Bronzekessel, der die Asche aufnahm: Mon. Lincei 19 S. 133. So sind in Rom Aschenkisten, sog. Arche (v. D u h n Ital. Gräberk. I 435), der republikanischen Zeit inwendig rot ausgemalt gefunden: Mon. Lincei 15 S. 124. — Möglicherweise muß auch die gänzliche äußere Übermalung mit Ockerfarbe von venetischen Aschenurnen der III. Per. Este (Notizie 1922 S. 8), nebst ihren Dekkeln, in diesen Zusammenhang gerückt werden.
§ 4. A u c h mitgegeben wird den Toten rote Farbe, damit ihnen im Jenseits das gewohnte Mittel, welches dem Antlitz
IM T O T E N K U L T kraftvolles Aussehen und den Schein blühenden Lebens verleihen soll, nicht fehle. Finden sich doch auch in den ligur. Wohnhöhlen vielfach Ockerstücke und Mühlsteine, auf denen sie für den Gebrauch zerpulvert wurden, und an denen oft noch Spuren der roten Farbe haften (Bull. Paletn. Ital. 28 S. 8). Ebenso in der Grotte delle Felci auf Capri (Mon. Lincei 29 S. 309, 311, 319, 353), in der kuprolith. Siedlung bei Cannatello (s.d.)unweitGirgenti (Mon.Line. 18 S. 657) und in der Grotte S. Bartolomeo bei Cagliari (Bull. Paletn. Ital. 28 S. 16). So finden sich denn auch Gefäße, in denen der zerpulverte Ocker mit einer mehr oder minder flüssigen Substanz gemischt und so zum A u f t r a g fertiggemacht wurde, auch in Höhlen Liguriens, die zeitweilig zum Wohnen, zeitweilig zum Bestatten — wenn nicht mitunter gleichzeitig — benutzt wurden: ein solches korbförmiges Gefäß aus der Grotte Pollera bei I s s e l {Ligur. preist. S. 108 A b b . 32) mit Resten des darin angesetzten Farbstoffes ( I s s e l a. a. 0 . S. 354—55). A u c h die im Leben zum A u f t r a g benutzten Werkzeuge, die Stempel aus Ton — gewiß gab es auch solche aus Holz oder Knochen — , die Pintaderas (s. d.), zeigen noch oft Reste roter Farbe (z. B. Bull. Paletn. Ital. 26 S. 10; ebd. 28 S. 10) und sind vorsorglicherweise den Toten gern mitgegeben. Ich bemerke ausdrücklich, gegen Tschumi (s. u.), daß in allen Berichten und auch mir persönlich in Italien nur roter, kein gelber Ocker entgegentrat. Meist zur Seite des Schädels liegen die Ockerstücke, gewöhnlich in einem kleinen Gefäß, meist einem Schälchen. A b e r auch in ein Stück Stoff eingewickelt finden sich die Rötelstücke, so in einem Brandgrabe bei Rondineto (Como; R i v . arch. di Como 58—61 [1910] S. 40). In Gefäßen z. B. ligur. Grotten: v . D u h n Ital. Gräberk. I 1 1 ; ferner Bull. Paletn. Ital. 19 S. 329; ebd. 26 S. 204; ebd. 28 S. 8 — 9 ; I s s e l La Liguria preist. S. 308, 378. — Buca dei Colombi auf Palmaria: Bull. Paletn. Ital. 28 S. 7. — In Gräbern der neol. Siedlung oberhalb des Pulo di Molfetta (s.d.), wo einmal sich sogar in der Hand des Skeletts ein Schälchen mit Ocker gefunden haben soll (vgl. M a y e r Molfetta u. Matera S. 21): Mon. Lincei 20 S. 265, 273, 324 M o s s o ; v . D u h n Ital. Gräberk. I 41. — Bei Tarent, Scoglio del Tonno: Bull. Paletn. Ital. 32 S. 34. —
RÖTEL In der G r o t t e S. Bartolomeo bei Cagliari: P a l e t n . I t a l . 28 S . 16. — Ocker so v o n
in
Gräbern
Orsi
in
A u c h einzelne
werden
mitunter
der N e k r o p o l e
Finocchito: v. D u h n
Bull.
Stücke
erwähnt,
Orsi I I I
von
Ital. Gräberk. I 70.
§ 5. Außer den Mühlsteinen, Platten und runden Reibern, die zur Bereitung des Färbmittels (s. o.) dem Toten gern mitgegeben wurden, ein Brauch, dem besonders R e l l i n i in seiner Abhandlung über die Grotte delle Felci auf Capri (Mon. Lincei 29 [1924]) nachgegangen ist, sind noch manche den Toten mitgegebene Gegenstände durch die rote Farbe mitgefärbt und mögen daher oft für deren rituelle Anwendung Zeugnis ablegen, auch wo rotgefärbte Knochen nicht mehr vorhanden oder nicht beobachtet worden sind. S o S t e i n p f e i l s p i t z e n z. B . S g u r g o l a , V i g n a S c h i b o n i ( v . D u h n a . a . O . I 3 1 , 30), S t e i n m e s s e r , Steinhacken und andere Werkzeuge, z. B . im M a t e r a n o : R i d o l a LaGrotla dei Pipistrelli 1 9 1 2 S. 2 9 — 3 0 . — In A n g h e l u R u j u : M o n . L i n e . 19 S. 489 G r . X X V I I . — M a l t a ( I d o l e ) : v . D u h n a. a . O . I 9 1 . — L i c o d i a E u b e a ( B a s a l t s t e i n e ) : v . D u h n a. a. 0 . I 68. — T a r e n t u n d B e l l a vista: v . D u h n a . a . O . 141. — Apulien, A m u lettbcilchen aus Stein und K u p f e r : v . D u h n a. a . 0 . I 4 1 .
§ 6. Interessant ist, daß vor kurzem im Monte Amiata Minengänge gefunden sind, durch welche stark zinnoberhaltige Erzstätten aufgeschlossen wurden. Steinernes Handwerksgerät, auch Reste von Holzgeräten weisen diese Stollen in frühe Zeit und verraten die Wege, auf welchen sich die Urbevölkerung die ihr so wichtigen roten Farbstoffe holte (Bull. Paletn. Ital. 41 [1916] S. 5 — 1 2 ; Arch. Anz. 1921 S. 63). § 7- Die Vorstellungen, welche die Urbevölkerung Italiens mit dieser rituellen Anwendung der roten Farbe verband, und die sich den späteren Einwanderern derartig mitteilten, daß noch Ovid (Ibis 231—32) uns erzählt, wie die Toten auf dem Scheiterhaufen in rote Tücher eingewickelt seien, und andere Dichter der R K Z dasselbe melden, und daß noch bis auf den heutigen Tag das R o t im dortigen Toten- und Trauerritual seine Rolle spielt, lassen sich natürlich nur verstehen, wenn der vergleichende Blick die heutigen Länder- und Völkergrenzen weit überspringt. Ich habe das versucht in meiner Abhandlung Rot und Tod ( A r c h f R W 9 [1906] S. 1—24), dem manche andere ergänzend, auch berich-
163
tigend gefolgt sind, von denen ich nenne: A r c h f R W 9 S. 525—29 S o n n y ; A r c h f R W II S. 157 O s t h e i d e , ebd. S. 406; Anz. f. Schweiz. A . - K . 2 2 (1920) S. 148,218; ebd.23. (1921) S. 7, 70—75, 162, 169 T s c h u m i ; Mitt. geogr.-ethnogr. Ges. Zürich 20 S. 20 M a r t i n ; Arch. Anz. 1922 S. 171 Rod e n w a l d t ; E v a W u n d e r l i c h Die rote F a r J « R W V V i 9 2 5 ; Rot gegen bösen Blick: S e l i g m a n n Der böse Blick II (1910) S. 247—59-
V. D u h n
Rötel. A. A l l g e m e i n . Roteisenstein, ein beliebter Farbstoff zum Rotfärben, wurde in mehreren paläol. Stationen Frankreichs und in den meisten neol. Pfahlbauten gefunden. In einem steinzeitl. Grabe von Poserna bei Weißenfels war eine beträchliche Menge in einem Netz, das in einem Töpfchen lag, beigegeben worden. Weitere Nachweise vgl. Mannusbibliothek Nr. 23 (1922) S. 18 G. G i r k e . S. a. O c k e r A, S t e i n b e a r b e i t u n g §7. H e i e r l i Urgeschichte der Schweix 1901 S . 126, 1 6 3 ; P r ä h . Z . 1 (1909) S. I 9 2 f . G ö t z e ; D é c h e l e t t e Manuel I 126, 134, 143, 205, 285.
576.
Alfred
Götze
B. P a l ä o l i t h i k u m . Eisenoxydfarbe, welche in vorgesch. Zeiten zu Färbe- und Malzwecken reichlich verwendet wurde. Rötelmineral tritt häufig auf, ist leicht zerreibbar und liefert Farbstoff in allen Abstufungen von Gelb, Orange, Hell- und Dunkelrot. Der diluv. Mensch wurde hierauf bereits im Acheuléen aufmerksam (CastilloHöhle [s.d.] in Nordspanien), noch häufiger sind einschlägige Vorkommnisse im Moustérien und im ganzen Jungpaläolithikum. R. diente vielfach zu Schminkzwecken und Körperbemalung und wurde pulverisiert in Knochenbüchsen aufbewahrt, wie rötelgefüllte und mit Gravierungen verzierte Vogelröhrenknochen - Funde verschiedener Magdalénien-Stationen beweisen (Adler-Radius der Valle-Höhle, Prov. Santander, usw.; s. a. S c h m u c k A). Sehr verbreitet war bereits im Paläol. dgl. die Sitte, die Leichname auf R. zu betten bzw. mit solchem zu überstreuen (s. G r a b A). Zur Herstellung der diluv. Höhlenmalereien war der R . das weitaus bevorzugteste Farbmaterial. Manchmal wurden die farbigen Zeichnungen mit sorgsam zun*
ROTHENGRUB-RUDERNADEL
IÓ4
gespitzten Stiften ausgeführt; für gewöhnlich wurde das Mineral zerrieben, mit Blutserum oder Fettstoffen angesetzt und alsdann mit dem Finger oder pinselähnlichen Gegenständen aufgetragen. S. K u n s t A. H. Obermaier Rothengrub (Niederösterreich). In Rothengrub, Gemeinde Willendorf a. d. Schneebergbahn, wurde ein größerer Depotfund gemacht, der aber in alle Winde zerstreut wurde. Soweit noch festzustellen ist, wurden unter anderem hierbei 20 goldplattierte Bronzestücke mit Kreisornamenten, verschiedener Golddraht, offenbar von der Umwicklung von Ringen herstammend, Spiralgoldringe und eine größere, goldplattierte Bronzescheibe mit aufgelegten Golddrahtornamenten gefunden. Fund der j. HZ. S. a. Band V I I Tf. 2 8 c f . M. H o e r n e s Goldfunde aus der Hallstaltperiode in Österreich-Ungarn Jahrb. Zentr.-Kom. 1906 S. 7 1 - 9 2 . G. Kyrie
*Povxavnoi
s. R ä t e r .
Round Barrow. Für die ältere BZ Englands charakteristische Grabform. Niedrige Rundhügel, im Querschnitt meist konisch oder umgekehrt schalenförmig, besonders ausWiltshire, Dorsetshire,Yorkshire, Derbyshire und von der Ostküste Schottlands bekannt. S. C o t t e s w o l d H i l l s § 3, G r o ß b r i t a n n i e n u n d I r l a n d C § 19, L o n g Barrow. Round Barrow-Typus (Band V I I Tf. 206 A c, d). In dem Round Barrow genannten Gräbertypus Englands finden sich neben sehr wenigen Langschädeln meist Leute mit gemäßigt brachykephalem Kopf, fliehender Stirn, starken Oberaugenbögen, hohem und breitem Gesicht, die dem sog. Borreby-Typus (s. d. und Band II Tf. 63) angehören. Besonders charakteristisch für sie ist auch ihre bedeutende Körpergröße. In einzelnen Round Barrows gefundene Haare hatten rötliche Farbe — ein Umstand, der allerdings über die Haarfarbe der Leute keine sichere Auskunft gibt, denn es kann sich um eine im Grabe erfolgte chemische Verfärbung handeln. Hierher gehört auch der Schädel von Catford (s. d.), der aber einen ziemlich reinasiat. Eindruck macht. Wir werden es also mit einer Mischrasse aus langschädligen Ele-
menten (Homo europaeus; s. d.) und eingewanderten asiat. Rundköpfen zu tun haben (Homo brachycephalus, var. europ.; s. d.). J. B e d d o e Die Rassengeschiehie der britischen Inseln Pol. Anth. Rev. 3 (1904) S. 26ff.; Bull, de la Soc. d'Anthrop. de Paris 5 (1864) S. 395ff. T h u r n a m ; de L a p o u g e L'Arien 1899 S. 190; K r a i t s c h e k Die Menschenrassen Europas Pol. Anth. Rev. 1 (1902) S. 498. Reche
Rovere dl Caorso (Italien). Kleine Pfahlbausiedlung (Terramare; s.d.B), 14km ö.von Piacenza, deren Untersuchung durch Scotti zwischen 1891 — 1897 wichtige Bestätigungen zu Pigorinis Ermittlungen in Castellazzo (s. d.) di Fontanellato ergab. Auch hier in der ö. Hälfte der als templum oder arx bezeichnete, von Hütten freie Raum mit dem Graben und den Vertiefungen, hier nur drei, in demselben, welche signa und Tierknochen enthielten; auch hier Umgebung durch einen Graben, jedoch mit nur einer Brücke in derselben DecumanusRichtung, in deren Fortsetzung eben jener Graben mit den signa liegt. Auch hier am Innenfuß des Walles, am äußeren Ansatz der Holzversteifung jene um die ganze Siedlung gezogene Furche, der sulcus primigenius, in dem sich gleichartige Dinge, Tonscherben und Steinchen, fanden, wie in den drei Vertiefungen der arx. Nekropolen außerhalb des Tores, und zwar je eine an jeder Seite des Eingangs. Notizie 1894 S. 3—9, 373—376; ebd. 1896 S. 57—61 (Plan Abb. 1); ebd. 1897 S. 132— 134; P e e t Stone and Bronzeages 1909 S. 338— 342; v. D u h n Ital. Gräberk. I (1924) S. 118—119. v. Duhn
Rowaniemi-Hacke s. Ö s t e r b o t t n i s c h e G e r ä t t y p e n und Band III Tf. 126a und 130. Rübe s. K o h l u n d R ü b e . Ruder s. S c h i f f . Rudernadel (Band V I I I Tf. 1311, o). Die R. ist eine Abart der Rollennadel (s. d.), aus der sie zweifellos hervorgegangen ist. Um die leichte Verschiebbarkeit der einfachen Rollennadel einzuschränken, wohl auch, um die Nadel ansehnlicher zu gestalten, wurde sie am Kopfende verbreitert; ist diese Verbreiterung (die „ K o p f platte") rhombisch, so entsteht die „Rollennadel" mit Kopfplatte (Rollenschaufelnadel; Band V I I I Tf. 1 3 m ) ; ist sie rüder- bzw.
R u m ä n i e n B.
JÜI
Karte wichtig«
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B. iger
Tafel 34
Jüngere P e r i o d e n Fundorte in R u m ä n i e n .
RUGIER—RUMÄNIEN schaufelähnlich, so entsteht die „ R u d e r " bzw. „Schaufelnadel". Die Kopfplatte der R . ist entweder lang und schmal wie ein schlankes Ruderblatt, oder breit spatenförmig mit glatter, spiegelnder Fläche („Spiegelnadel" nach Virchow), oder breit oval und reich verziert. Die Einrollung am oberen Ende, die zum Durchziehen eines Fadens oder einer Schnur diente, fehlt niemals und ist mit der Verbreiterung der Platte ebenfalls breiter geworden. R . mit langer, s c h m a l e r Kopfplatte kennen wir nur aus dem Kaukasus (s.d.C; Band V I I Tf. 6 1, m) und aus Ungarn; solche mit g r o ß e r , spatenförmiger Kopfplatte („Spiegelnadeln") kommen ausschließlich im Kaukasus vor, die mit m i t t e l g r o ß e r , spatenförmiger Kopfplatte finden sich nur in Ungarn, Böhmen (Band II Tf. 3 1 , 6 . 7), Süddeutschland und Ostpreußen (Band V I I I 7 7 a 2; I X Tf. 22Ia), und die ganz kleinen, wie Anhänger aussehenden R. sind nur in Hessen-Darmstadt gefunden worden; die Nadeln mit großer, schön verzierter, ovaler Kopfplatte kommen in der Schweiz (s. d. C; Wallis) und in Rheinhessen vor. Die böhm. und hess. Funde gehören der ä. BZ (Per. I — I I Mont.) an, die ungar. z. T . (Nadeln von Tökes) der mittl. B Z (Per. I I - I I I Mont.), die Nadeln aus Ostpreußen (s. d. B § 7) der frühen EZ, die kaukas. Nadeln (Koban) der HZ. Ein typol. Zusammenhang dieser Gruppen scheint nicht zu bestehen; es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die Entwicklung dieser Formen aus der allg. verbreiteten und langlebigen Rollennadel an verschiedenen Punkten zu verschiedenen Zeiten selbständig vor sich gegangen ist. Bezzenberger glaubt allerdings einen Zusammenhang zwischen den ostpreuss. Funden auf dem Wege über Ungarn mit den kaukas. Vorkommen konstruieren zu können. S. a. N a d e l A 1 § 14f. L i s s a u e r Erster Typenkartenbericht ZfEthn. 1904 S. 573/74, 578/80 (dort spezielle Literaturangaben). Außerdem B e z z e n b e r g e r Bronzeteitliche Besiehungen Ostpreußens zum Kaukasus Arb. d. 15. Arch. Kongr. in Novgorod 1914. W. L a Baume
Rugier s. G e r m a n e n B § 5. Rugusci s. R ä t er.
165
Rumänien. A. P a l ä o l i t h i k u m . Die bisher bekannt gewordenen paläol. FO Rumäniens sind ausschließlich über S i e b e n b ü r g e n verteilt und zumeist wenig bedeutend. Die Höhle von C i o c l o v i n a (Czoklovina) liegt im Komitat Hunyad und wurde von M. Roska erforscht. Der an Höhlenbärenresten reiche Platz enthielt wahrscheinlich eine Moustérien-Strate und, mit Bestimmtheit, Aurignacien. Das Aurignacien tritt, nach Roska, außerdem noch in der Höhle von I g r i e z (beim Dorfe Körösbarlang, Kom. Bihor), ferner in der Höhle O h a b a P o n o r (Kom. Hunyad) auf. Die durch die Ausgrabungen von J. Teutsch erschlossene Station von M a g y a r b o d z a (Buzeul Ardelean), unweit Kronstadt (Brassé; Komit. Hâromszék), enthält typische, ausgebuchtete Klingen, kräftige Eckstichel, kleine Klingen mit abgestumpftem Rücken, welche für mittleres Aurignacien sprechen. Unbedeutende „jungpaläol." Spuren liegen außerdem noch vom Bodzaer-Paß vor. Das eigentliche alte Königreich R. ist noch unerforscht; ihre natürliche Fortsetzung findet die transsylvanische Zone in Bulgarien (s. d. A). M. R o s k a A diluviàlis ember nyomai a Czoklovinai Cholnoky-Barlangban Dolgozatok az erdélyi Nemzeti Muzeum érem-es régiségtârâbôl. Kolozsvâr 1912; D. M. T e o d o r e s c u und M. R o s k a Cercetari archeologice in Muntii Hunedoarei Publica^iile Comisiunii Monumentelor Istorice. SecÇiunea pentru Transilvania 2. Cluj 1923; J. T e u t s c h Das Aurignacien von Magyarbodza Barlangkutatâs (Höhlenforschung). Budapest 2 (1914) S.91 ff.; [ H . B r e u i l Stations paléolithiques en Transylvanie Buletiul Societät" de ¡ytiiçne din Cluj 2 (1925) S. 193ff.; M. R o s k a Recherches sur le Paléolithique en Transylvanie ebd. 2 (1925) S- i83ff.] H. Obermaier
B. J ü n g e r e P e r i o d e n (Tf.34—38®). § 1 . R. ist arch. bisher nur sehr unvollkommen aufgeschlossen, so daß wir uns gegenwärtig noch kein lückenloses Bild von seiner Kulturentwicklung machen können. A m besten sind wir noch über die n e o l i t h i s c h e K u l t u r unterrichtet, über die uns außer verschiedenen Stationen des nunmehr dem Reiche angegliederten Burzenlandes und außer den schon seit länger bekannten Siedlungen
RUMÄNIEN von Candidiana in der Dobrudscha, R ä d ä §eni und Baia besonders die von J. G. Andrie§escu ausführlich behandelte (G. A n » d r i e ^ e s c u Contribupie la Daria inainte de Romani 1912) und von Hubert Schmidt neuerdings genauer untersuchte befestigte Siedlung von Cucuteni bei Tirgu Frumos, Bez. Ja§i, am Pruth wertvolle Aufschlüsse gebracht hat (s. C u c u t e n i ; Tf. 35 a, b). § 2. In keramischer Hinsicht lassen sich hier zwei Entwicklungsstufen unterscheiden, die beide durch ausgiebige Verwendung der Gefäßmalerei gekennzeichnet sind. Die ältere Gefäßgattung verwendet als Malfarbe ziemlich gleichmäßig Weiß, R o t und Schwarz. Das Grundmotiv ist wie in Erösd (s. d.), Brenndorf (s. d.; Band II Tf. 67) u. a. Stationen Siebenbürgens beim Aufsetzen der Malfarbe ausgespart. Die Verzierungen bestehen vorwiegend in Spiralen und Voluten, die aber noch nicht so entartet sind wie in den siebenbürg. FO. Daneben findet sich auch noch eine einfachere, rohere Tonware mit eingeritzten Ornamenten oder ganz unverzierte primitive Töpfe. Die Tonplastik ist noch wenig entwickelt. Einige flache Tonfigürchen sind am ganzen Körper mit eingeritzten Ornamenten bedeckt, unter denen auch Spiral- und Mäandermotive sowie Rauten mit Punkt- und Kreuzfüllung vorkommen. § 3. In der jüngeren Entwicklungsstufe treten in der bemalten Keramik W e i ß und R o t bedeutend zurück, und das Grundmuster ist in der Regel nicht ausgespart, sondern mit der Malfarbe selbst, Schwarz, aufgesetzt. Das Spiral-Ornament erscheint meist mehr oder weniger entartet. Die Idolplastik dieser Stufe schließt sich im wesentlichen den ukrainischen T y p e n an. Im Gegensatz zur älteren Stufe finden sich in dieser Gruppe auch bemalte Figuren. Einige altertümlicheKupfergeräte, die j edenfalls der jüngeren Schicht von Cucuteni entstammen, verweisen diese Stufe bereits in die Kupferzeit. Ob in dieser Zeit, wie H. Schmidt wegen einiger von ihm aufgefundenen Eisenpfriemen und unter Berufung auf analoge Funde in einigen bulgar. Tumulis — allerdings unter Vorbehalt — vermutet, auch das Eisen schon in beschränktem Maße verwendet wurde, muß mehr als fraglich erscheinen, denn die Funde
im Teil Meccuir (s. M e c k j u r ) und Teil Racev (s. R a c e v), auf die sich H. Schmidt im besond.enn stützt, haben keinerlei Beweiskraft, di e s sich bei ihnen jedenfalls nicht, w i e S e u r e und D e g r a n d (Bull. Corr. Hell. 3c [1906] S. 359ff.) vermuteten, um Grabanhgen und geschlossene Grabfunde, sond;rn um Wohnhügel handelt, wie sie in Bulgarien (s. d. B) und Mazedonien auch sonst noch sehr häufig vorkommen. § 4. W a s den Zusammenhang dieser neol. K u l t u r mit anderen Gebieten anlangt, so schließt sie sich, wie schon aus dem Gesagten hervergeht, am meisten der siebenbürg.-ukrain Gruppe an, mit der sie auch die Geräte ais Stein, Knochen und Hirschhorn gemein hat. Nach S zu setzt sie sich nach Bulgaren (s. d. B) und weiter über das w.Mazedonien ( s . M a k e d o n i s c h e T u m u l i ) bis Nordgriechenland fort, wo namentlich in den zahlreichen Siedlungen Thessaliens noch sehr nahe verwandte keramische Typen auftreten. V o n W her hat jedenfalls die slavon. 'ind nordwestbalkan. Keramik einen gewissen Einfluß ausgeübt (Rautenmuster, Ausfüllung der Vierecke mit Punkten und liegenden Kreuzen u. dgl. m.), die namentlich in den älteren Wohnstättenfunden auf der Dona uinsel Ghirla (s. d. und Band IV Tf. 133, 134) unweit Gärla Martin typischer Ausbildung erscheint (weiß inkrustierte, in Furchen- und Tiefstichtechnik ausgeführte Liniengruppen; Volutenmuster und mäandrische Motive und dergleichen; Idole, ähnlich denen von Vidbol bei Vidin, Jablanica [s. d.], Vinca [s. d.] und Butmir [s. d.]), und deren letzte Ausläufer sich bis nach Cern.avoda ( s . d . ; Band II Tf. 145—148) in der Dobrudscha (s. d.) verfolgen lassen. A u c h in Ostrovul-Corbovei und Co^ofeni din Dos, Distr. Doljiu, ist typische Spiral-Mäanderkeramik vom Typus der nw. balkainischen zum Vorschein gekommen. § 5. Üb;r die früheste B r o n z e z e i t unterrichten uns — außer den noch nicht publizierten Statior.en v o n Piscul Coeni^orului oder Salcutza und inamentlich Suitana im Bez. Ilfov (Mi:t. d. Herrn Andrie^escu) — die Wohl- und Gralbstättenfunde (liegende Hocker) der großem Siedlung von SärataMonteorC (s. d und T f . 51, 52) bei Büzeü,
Tafel 35
R u m ä n i e n B.
Jüngere Perioden
a. Bemalte Gefäße von Cucuteni; Schicht A. — b. dgl.; Schicht B . — Nach C. S c h u c h h a r d f . — c, d. Reliefverzierte neolithische Tongefäßscherben von Gumelnija; Schicht B . Nach Dacia 2 (1925) S. 69.
Tafel 36
R u m ä n i e n B. J ü n g e r e P e r i o d e n B r o n z e z e i t l i c h e D e p o t f u n d e : a. Sinaia. 1 / 2 n. Gr. — b — e . Predeal. c, e 1 / s n. Gr. Nach J. A n d r i e § e s c u .
b, d
8/
4;
RUMÄNIEN die ihre Entstehung wahrscheinlich den dort befindlichen Salzquellen verdankt. Die Gefäßmalerei ist in dieser Stufe vollständig verschwunden. Dafür erscheinen zahlreiche Scherben von feinen, bräunlichen, gelblichen oder grauschwärzlichen, z. T. glänzend polierten Gefäßen, die teilweise eine sehr reiche und geschmackvolle Verzierung (Reihen schraffierter stehender und hängender Dreiecke, Hängebögen und girlandenartige Muster, von Punktreihen eingefaßte Dreiecke, ineinandergeschachtelte Dreiecke, Horizontalreihen von Schrägstrichen, falsches Schnurornament, vereinzelt auch noch mäandrische Motive u. dgl.) aufweisen. Neben dieser feineren findet sich auch noch eine gröbere, gelbrötliche Tonware, die teils nur mit dem Fingertupfenornament, teils mit reliefierten, oft durch Schrägstriche gegliederten Horizontal-, Kreis- oder Spiralwulsten, nicht selten auch durch knopfartige, an der Oberfläche schalenartig vertiefte Ansätze verziert ist, wie sie in großer Zahl auch in Cräsani wiederkehren. Unter den Henkeln sind neben einfachen, hochstehenden, runden oder abgeplatteten Typen, wie sie schon an den steinzeitl. Gefäßen mit abgeschrägter Mündung in Siebenbürgen auftreten, und neben plumpen Viereckhenkeln besonders die zahlreichen, in verschiedenen Varianten auftretenden, oft sehr eleganten und geschmackvoll verzierten Mondhenkel bemerkenswert, deren ohrenartige Erweiterungen bisweilen wie in den oberital. Terramaren in einen Knopf auslaufen. Von Geräten herrschen noch Knochen- und Hirschhorngeräte vor. Aus Kupfer und Bronze sind Pfriemen. Lochäxte, Ohrgehänge, Armbänder und Armspiralen (ähnlich den siebenbürg.) u. dgl. Was die Herkunft dieser frühen Bronzekultur anhingt, so ist die gröbere Tonware offenbar aus der vorhergehenden neol. Keramik hervorgegangen, mit der sie nach den in meiner Sammlung befindlichen zahlreichen Scherben vom Priesterhügel bei Brenndorf sich sowohl technisch wie hinsichtlich auf Gefäßformen, der Bildung der Henkel und Ansätze und der Verzierungsweise eng berührt Dagegen erinnert die feinere Tonware teilweise lebhaft an die„pannonische (s.d.) Keramik", deren Verbreitungsgebiet ja ost-
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wärts bis Donaubulgarien (Gräberfeld von Kutovo bei Vidin; Bull. Soc. Bulg. 2 [1911] S. I52ff. C i l i n g i r o v ) reicht, und die auch in den jüngeren Wohnstättenfunden auf der oben erwähnten Donauinsel Ghirla noch in typischer Ausbildung erscheint (dünnwandige Schalen und Fußschalen; Schmelztiegel; Buckelverzierung; weiß inkrustierte, in Absatzstichtechnik ausgeführte Bogen- und Volutenlinien, mäandrische Muster, konzentrische Kreise, Zickzackmuster usw.; Idole ähnlich denen von Orsova, Temes-Kubin [s. d.], KliCevac [s.d.; Band V I Tf.2] usw.). Doch bestehen auch noch nahe Beziehungen zu den oberital. Terramaren (s. d. B) und in s. Richtung zu den makedon. (s. d.) Tumuli in der Gegend von Saloniki. § 6. Von sonstigen bronzezeitl. Niederschlägen sind besonders die Depotfunde von Sinaia (s. d.) und Predeal (s. d.) bemerkenswert. Der erstere (26 Lochäxte mit nur 2,4340/00Zinngehalt; Tf.36a) fällt noch in Per. I. Das zu den Geräten verwendete Kupfer stammt jedenfalls, weil völlig silberfrei, aus Baia de aramä, dem metallurgischen Zentrum R., und nicht aus Transsylvanien, dessen Kupfer silberhaltig ist. Den Fund von Predeal (5 Halsreifen, 1 Messer, 1 Tüllenaxt, 1 Schwert; Tf. 36b—e) verlegt J. Andrie^escu in den Schlußabschnitt der Per. IV. Auch bei ihm muß das Kupfer von Baia de aramä stammen. Typol. schließen sich die Funde (wie auch eine Anzahl von Einzelfunden im Nationalmuseum in Bukarest) aufs engste der ungar.-transsylv. Gruppe an. Ebenso sind wohl einige Urnengräberfelder (Caiceni, unweit von Cucuteni, in dem Bu^ereanu die Grabstätten der Bewohner von Cucuteni glaubte erblicken zu dürfen, und Vaslui im Distrikt Vaslui mit ganz ähnlichem Grabinventar: Doppelhenkelkrüge, kleine Beigefäße, Teller und Schüsseln als Deckgefäße der Aschenurnen, tönerne Idole, Steinwerkzeuge) trotz gewisser Übereinstimmung ihrer Keramik mit der der Stationen von Baia, Rädä^eni und Cucuteni der BZ zuzuweisen. Außerdem erwähnt Andrie§escu noch eine Reihe anderer Funde, so die prächtigen Spiral fibeln von Rafai'la, Bez. Jasi, einige verzierte ösenhalsringe im Museum in Turnu-
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RUMÄNIEN
Severin, mehrere Gußformen für Tüllenäxte von Logre§ti Birnici, Bez. Gorjiu, und Pleni^a, Bez. Doljiu u. a. Im allg. aber ist das aus dieser Per. vorliegende Material noch ein sehr geringes, wenn auch von einem Hiatus zwischen der glänzenden jungncol. Kultur und der Kultur des herodotischen Zeitalters, wie ihn noch Tocilescu [La Dacie avant les Romains 1880) glaubte annehmen zu dürfen, heute nicht mehr die Rede sein kann. § 7. Nur sehr wenig läßt sich z. Z. über die jüngeren Kulturabschnitte sagen. Eine Anzahl schwarz- und rotfig. Vasen im Nat.Mus. zu Bukarest weist auf gewisse Beziehungen nach Griechenland hin, wie sie auch für das benachbarte Bulgarien bestehen. Vor allem aber dringt von der Mitte des letzten Jht. ab die f r ü h e i s e n z e i t l i c h e s k y t h i s c h e K u l t u r ein (Tf. 37), die namentlich in Siebenbürgen nach dem im 7. Jh. v. C. erfolgten Abbruch der bis dahin dort herrschenden Ungar. Hallstatt-Kultur zahlreiche Niederschläge hinterlassen hat (Pokafalva, Fejird bei Klausenburg, 014hZsikod im Kom. Kis-Küküllö, Gernyeszeg a.d. Maros u.a.FO), aber auch im übrigen R. (glockenförmiges, durchbrochenes Zierstück mit typischer hockender Tierfigur; Tf. 37a; s. U1 §3) und Bulgarien (s. d. D; Tumuli in den Bezirken Cirpan, Philippopel und LoveC) nicht fehlt, wo sich unter ihrem Einflüsse im 5. und 4. Jh. v. C. ein besonderer thrak.skyth. Stil entwickelt ( E b e r t Südrußland 1921 S.355). Endlich hat auch die Latfenek u l t u r in Gestalt einiger bronzener und eiserner Latfene-Fibeln (z.B.Cucuteni) einige Spuren hinterlassen (s. a. Tf. 38°). Ebenso gehört dieser Per. neben den Funden von Zimnicea (s. d.) und Tinosul (s. d.), Bez. Prahova (Mitt. d. Herrn Andrie§escu), die große Station auf dem Piscul Cräsanilor an der Jalomi^a an, die neben zahlreichen neol. und jüngeren Einflüssen ein reiches keramisches Material aus den letzten Jh. v. C., darunter auch zahlreiche importierte griech. Amphoren, geliefert hat (Tf. 38A). Die einheimische Tonware zeigt zwar im allg. einen ausgeprägt lokalen Charakter, doch läßt sich anderseits eine gewisse Verwandtschaft mit der latfenezeitl. Keramik Siebenbürgens (Apahida u. a. FO) nicht verkennen, und auch zu den kelt.
Stationen der Gebiete n. der Alpen und Böhmens sind mancherlei Beziehungen vorhanden. Auffallend ist die sehr geringe Zahl von Metallgeräten. § 8. Schließlich sei noch auf eine kleine Gruppe von Burgen im Hunedoara-Distrikt (s. d.) in Südwest-Transsylvanien hingewiesen, unter denen die auf der n o o m h. Culmea Godeanuläi gelegene Grädistea Muncelului mit den Trümmern eines auch architektonisch bemerkenswerten, auf griech. Vorbilder hindeutenden Säulenpalastes und den Resten eines an die westeurop. Cromlechs erinnernden Doppelringes die bedeutendste ist. Teodorescu vermutet in dieser Anlage, wenn auch nicht gerade die Haupt- und Residenzstadt, so doch das letzte Refugium der dakischen Könige, wo sich der letzte Akt der endgültigen Zertrümmerung des dakischen Königreichs abspielte. Der Doppelring war jedenfalls ein Freilufttempel, und er erinnert lebhaft an das von Macrobius (Saturnal. 118) erwähnte Heiligtum auf dem Berge Zilmissos in Thrakien, wo der dem Zeus Hypsistos nahestehende, ursprünglich thrakisch-phryg., aber schon in hellenistischer Zeit mit dem Kupio; Zaßawö der Septuaginta identifizierte KÜpio? XaßdZio? in ähnlicher Weise gefeiert wurde, wie nach Hekatäus Apollo in dem gleichartigen, von manchen Forschern mit Stonehenge (s. d.) identifizierten Heiligtum der Hyperboräer. Beldiceanu Antichitateli de la Cucuteni J a j i 1885; Gr. C. Butureanu Noticia asupra sapaturilor si cercetarilor ¡acute la Cucuteni diu comuna Bäiceni judetul Jaji Archiva Soc. §tiintifice si literare din J a j i I S. 257—270; ders. Kote sur Coucouteni et plusieurs autres stalions dr la Moldavie du Nord Compte rendu du Congr. internat. 10(1889) S. 2ggl.; Hubert Schmidt Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen igog/io in Cucuteni bei Jassy ZfEthn. 43 (1911) S. 582—601; Hoernes Urgesch* S. 308, 310; J o a n A n d r i e j e s c u Asupra epocei de bronz in Romdnia Bul. Comisiunii Monumentelor Istorice 1915. Bukarest 1916; Fd. Honzik Die prähist. Station von Säratä-Monteorü ZfEthn. 39 (1907) S. 999ff.; G. Wilke Über den Beginn der Bronzezeit in Mitteleuropa Mannus 11/12 .S. 141 f.; J . A n d r i e j c s c u Conlribufie la Dada inainlt de Romani 1912; ders. Piscul Cräsani Acad. Rom. Memoriile scc(iunü istor. Ser. 3 (1924); N i c o l a e s c u - P l o p g o r Insemnari asupra agriculturii preistor. de pe pämaniul roman. 1922; [Dacia 1 (1924), 2 (1925) passim; G. P ä r v a n Getica 1927; Vorgeschichtliches Jahrbuch 3 (1928) A n d r i e 5 c s c u]. G. Wilke
Tafel 37
Tafel 3 8 B
Tafel 39
Rutzau Tongefäßscherben aus der neolithischen Siedlung von Rutzau. Nach Aufnahmen des Danziger Museums.
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RUNDBAU—RUNDPLASTIK Rundbau s. F e s t u n g , G r a b , H a u s . Rundkratzers. A u r i g n a c i e n , A z i l i e n , Tardenoisien. Rundplastik ( Ä g ä i s c h e r K r e i s ) . Schon im Neol. zeigt sich ein Zug zur R. in Thessalien einerseits, auf Kreta (s. d. B) anderseits in den Idolen aus Ton oder Stein (s.Idol B ; Band V I Tf. 1 h — 1 ; V I I Tf. 34). Daß ähnliches bisher aus Mittelgriechenland und dem Peloponnes fehlt, ist wohl nur Zufall, denn die frühhellad. Idole (z. B. aus Ägina und Sparta) führen offenbar neol. Tradition fort, ebenso verwandte kleinas. T y pen. Dagegen sind die Marmoridole von den Kykladen und Troja (Band V I Tf. 1 b — e , 3, 4), die frühmin. aus Kreta (Band V I I Tf. 44) auch dem Typus nach Schöpfungen der BZ. Gegen Ende von FM und in MM I — I I fallen die ältesten Goldfigürchen (Band IV Tf. 166, V I I Tf.44). Gewiß nicht zufällig ist das Fehlen der Reliefplastik bis etwa 1600 v. C. Ein FM-Deckel mit einem gelagerten Hunde darauf kann ebensowenig als richtiges Relief gelten wie einzelne MM Il-Schalen mit Tieren oder Männchen darin (Band X I V Tf. 19): es sind aufgesetzte, vollplastische Figürchen. Der reichen Fülle der Tonfiguren im MM I — I I (Band V I I Tf. 52a) entsprechen keine Reliefs, den von lebendigem, plastischen Sinn erfüllten figürlichen Gefäßen (s. R h y t o n ) keine Reliefvasen. Erst im MM III tritt neben rundplastische Kleinkunst in Ton und Fayence ebenbürtig das Relief (Band III Tf. 35—37). Steinplastik tritt im MM ganz zurück, eine merkwürdig gelagerte Sphinx (s. d. A) von Hagia Triada ist entweder von auswärts importiert oder nach einem Orient. Vorbild gearbeitet. In der Blütezeit von SM I (16. Jh. v.C.) erreicht das Relief seine höchste Vollendung in der Stuckverkleidung der Wände (s. K r e t a B § 13; Band V Tf. 3; V I I Tf. 65b; X T f . H 2 C ) , dem Schmuck von Metall- und Steingefäßen (Band III Tf. 34; V I I Tf. 52 b. c; X I Tf. 95). Selbständige Steinreliefs dagegen fehlen, bis auf bloß ornamentale Platten. Und ebenso verzichtet die min. K u n s t auf alle größere Rundplastik. Wohl zeigen die Statuetten aus Bronze, Ton und Elfenbein (Band V
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Tf. 1, 2) vorzügliches Können, aber man bleibt beim kleinen Format, und an sich glänzende Leistungen wie die Stierspielgruppe Band V I I Tf. 71 oder gar die zu einer ähnlichen gehörigen, einst offenbar frei über einem hölzernen (?) Stier schwebenden, wunderbaren Elfenbeinfiguren (s. K r e t a B § 14) sprengen im Grunde alle Gesetze der Rundplastik; nicht minder bescheidene Werke wie ein sich schaukelndes Mädchen aus Ton. Diese ganze Einstellung ist bezeichnend für min. Kunst im Gegensatz zur ägypt. und altorientalischen. Auf dem Festlande fehlt im 2. Jht. bisher alle Plastik, bis zu der ersten starken Einwirkung Kretas, im 16. Jh. v. C. In den Schachtgräbern bieten kostbare Gefäße genaue Parallelen zur SM I-Rundund Reliefplastik (s. M y k e n a i §2, M y k e n i s c h e K u l t u r § 3 ; Band IV Tf. 172, V I I I Tf. 127—129). Aber Werke wie das silberne Hirsch-Rhyton (Band V I I I Tf.i27a) und vor allem die Goldmasken (Band IV Tf. 174) zeigen selbständigen Formwillen, in noch höherem Maße die Grabstelen (Band IV Tf. 237 A ); diese sind, ganz im Gegensatz zu Kreta, schon von demselben Sinn für das monumentale Relief getragen, der dann am Löwentor (Band V I I I Tf. 123) zu großartigster Entfaltung kommt. Freilich bleibt dieses Meisterwerk ganz vereinzelt, ein paar andere Relieffragmente können sich damit nicht messen. Die große Rundplastik tritt auch auf dem Festlande völlig zurück. Ein vereinzelter weiblicher Kopf aus Stuck (vielleicht von einer Sphinx) ist so flach gebildet, daß er ganz reliefmäßig wirkt. Mykenische Bronzen und Terrakotten (s. d.) entsprechen den minoischen, nicht minder die dekorativen Steinreliefs, unter denen der Alabasterfries von Tiryns mit seinen Einlagen aus blauem Schmelz besonders hervorragt. Jüngermyk. Gräber sind reich an Elfenbein reliefs (Band IV Tf. 241), kypr.-myk. bieten solche mit starken Orient. Einflüssen (Band V I I Tf. 182 D d ) . Ein reliefgeschmückter Elfenbeinzahn aus Mykenai dürfte syrisch sein. Der geom. Kunst fehlt große Rundund Reliefplastik ganz. Dagegen sind bronzene und tönerne Votivfigürchen un-
RUSE gemein häufig : Menschen, vor allem Krieger, Pferde, Rinder, Vögel u. a. Tiere. Vereinzelt und spätgeom. sind einige Elfenbeinstatuetten nackter Frauen. S. a. Ä g ä i s c h e K u l t u r , Mykenische Kultur, Geometrische Kult u r , I d o l B, K r e t a B, R e l i g i o n B, Rhyton, Terrakotte. N e o l . I d o l e : C h r . T s u n t a s Amrçviov Kai ZeOKXov S . 2 8 3 f f . T f . 3 1 ff.; W a c e - T h o m p s o n Thessaly S. 266 (u. Figurines); A. E v a n s Palace Minos I 44ft. — I d o l e a u s A g i n a u n d S p a r t a : Arch. Anz. 1910 S. 48; Ath. Mitt. 16 (1891) S. 52 P. W o l t e r s ; I d o l e a u s K l e i n a s i e n : B S A 19 S. 49ft. H. A. O r m e r o d . — Zu T r o j a u n d K r e t a s.d. — D e c k e l v o n M o c h l o s : R. S e a g e r Mochlos S. 20, 36; E v a n s a. a. 0. S. 94. — M M I-Schalen: B o s a n q u e t-D a wk ins Vnpubl. Objects fr. Palaikasiro S. 12 Tf. 6 f. ; Festschrift für Evans 1927 G. R o d e n w a l d t . — M M - T o n f i g u r e n : H. B o s s e r t Altkreta2 Abb. i o o f f . ; A. M a r a g h i a n n i s Ant. crét. I Tf.23f. — R h y t a : B o s s e r t a . a . O . Abb. 109 ff.— S p h i n x v o n H. T r i a d a : Rendic. Lincei 1908 S. 699 ff. d e l l a S c t a ; A. M a r a g h i a n n i s a. a. 0. I Tf. 24. — S t u c k r e l i e f s : B o s s e r t a. a. O. Abb. 50 S. 78ff.; Arch. Anz. 1923/4 S. 268ff. G. R o d e n w a l d t . — O r n a m e n t a l e S t e i n r e Ii e f s: B o s s e r t a. a. O. Abb. 51, 98, 202ff. — S t e i n g e f ä ß e : ebd. Abb. 87—97 (vgl. Arch. Jahrb. 30 [1915] S. 242 ff. K . M ü l l e r ) . — S t a t u e t t e n : ebd. Abb. 113,131 — 1 4 2 ; B o s a n q u e t - D a w k i n s a . a . O . — S t i e r s p i e 1 g r u p p e n: B S A 8 S. 72ff. Tf. 2f., vgl. ebd. 7 S. 118; J H S 41 (1921) S. 246 ff. A . E v a n s; B o s s e r t a.a.O. Abb. 122 f., 130. — S c h a u k e l n d e s M ä d c h e n : ebd. Abb. 112. — G r a b s t e l e n v o n M y k e n a i : B S A 25 S. 126ff. W. A. H e u r t l e y ; Ath. Mitt.40(1915) S. 128ff. G. K a r o . — M a s k e n : ebd. S. 135ff., iôgff. — L ö w e n t o r u.a. Reliefs: P e r r o t - C h i p i e z Hist, de l'Art V I 823 Tf. 14; B o s s e r t a. a. 0 . Abb. 236 f. — S t u c k k o p f : 'E(Mont e l i u s Civ. prim I T f . 1 1 1 , 3) v i r , un P y r e n ä e n h a l b i n s e l , Schminkpalette. B . F i n n l a n d (Tf. 59). § 1. Zur Herstellung von Steinwerkzeugen sind in Finnland und zwar besonders im Gebiet der kammkeramischen und verwandten Kulturgruppen verschiedene Schieferarten allg. benutzt worden. I n Ost- und Nordfinnland sind ungefähr 3 / 4 , in Südwestfinnland, wo Eruptivgesteine vorgezogen wurden, nur der Steingeräte aus Schiefer verfertigt ( A i l i o Wohnplatzfunde I 58ff.). § 2. Sonderformen, die ihren Ursprung der Anwendung des leicht zu bearbeitenden Schiefers verdanken, sind die besonders auf südkarelischen Wohnplätzen häufig auftretenden kleinen Schiefergegenstände, die oft deutliche N a c h a h m u n g e n d e r in Pernau (s. d.), K u n d a (s. d.), im LadogaK a n a l und in Antrea (s. d.), aber auch in
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SCHIEFERPALETTE — SCHIEFERPLATTE
kleinerer A n z a h l auf s ü d k a r e l i s c h e n W o h n plätzen gefundenen K n o c h e n g e r ä t e sind. S c h o n die a n diesen S c h i e f e r g e g e n s t ä n d e n s i c h t b a r e n S p u r e n der H e r r i c h t u n g , z. B . Säge- und mitunter auch Schabspuren, weisen auf die K n o c h e n t e c h n i k zurück. S o l c h e S c h i e f e r t y p e n , die auf Knochengerätformen am deutlichsten zurückführen, sind die Meißel m i t s c h m a l e r Schneide ( T f . 59 a — c ; v g l . B a n d I I I T f . 1 2 4 a ) , die A n g e l h a k e n s t i e l e ( B a n d I I I T f . 1 2 5 c), gewisse A n g e l s e n k e r t y p e n , P f r i e m e n ( T f . 59 d) und die langen, schmalen Pfeilspitzen ( B a n d I I I T f . 1 2 5 c ) , deren V e r b r e i t u n g s g e b i e t sich h a u p t s ä c h l i c h auf K a r e l i e n bes c h r ä n k t . A u ß e r d e m weisen a u c h m e h r e r e größere Geräte Spuren von Beeinflussung d u r c h K n o c h e n t y p e n auf (s. K a r e l i s c h e Gerättypen). D u r c h die Ü b e r f ü h r u n g d e r K n o c h e n t e c h n i k auf den S t e i n e r k l ä r t s i c h a u c h die a n g e w i s s e n S t e i n g e r ä t t y p e n in F i n n l a n d sehr f r ü h a u f t r e t e n d e allseitige S c h l e i f u n g . V o n S c h i e f e r g e g e n s t ä n d e n seien noch e r w ä h n t die in F i n n l a n d v e r h ä l t n i s m ä ß i g s e l t e n e n Messer u n d L a n z e n s p i t z e n : einfache F o r m e n mit breitem B l a t t ( B a n d I I I T f . 1 2 5 b, d), bei L a n z e n s p i t z e n f e h l e n die W i d e r h a k e n . A u c h sie h a b e n in o s t b a l t i s c h e n u n d den L a d o g a - K a n a l - F u n d e n S e i t e n s t ü c k e aus Knochen. § 3. E i n e G r u p p e f ü r s i c h bilden die skand. Schiefergegenstände: Lanzenspitzen mit W i d e r h a k e n , K r u m m e s s e r u n d T - f ö r m i g e A n h ä n g s e l , v o n denen aus F i n n l a n d i m g a n z e n nur e t w a 2 D u t z e n d E x e m p l a r e , d i e m e i s t e n in N o r d f i n n l a n d g e f u n d e n , v o r liegen ; sie m ü s s e n z u m g r ö ß t e n Teil a u s S k a n d i n a v i e n i m p o r t i e r t sein. D o r t h a t t e sich n ä m l i c h , v o n K n o c h e n - u n d F e u e r s t e i n f o r m e n a u s g e h e n d , eine eigene S c h i e f e r k u l t u r e n t w i c k e l t , deren a m m e i s t e n typische F o r m e n die eben g e n a n n t e n I m p o r t s t ü c k e sind (s. F i n n l ä n d i s c h - s c h wed. Bez i e h u n g e n ; v g l . a. B a n d I X T f . 3 3 , 4 7 — 5 0 ) . § 4 . Z u d e m K l e i n g e r ä t a u s S c h i e f e r gehören noch die auf f i n n l . W o h n p l ä t z e n sehr zahlreich g e f u n d e n e n M i n i a t u r m e i ß e l , die meist r e c h t s o r g f ä l t i g g e s c h l i f f e n sind u n d in der F o r m d e n größeren G e r ä t t y p e n g e n a u e n t s p r e c h e n , s o w i e der v o n F e u e r s t e i n schabern abzuleitende Krummeißel (s. K a r e l i s c h e G e r ä t t y p e n ; Band I I I T f . 1 2 4 I , V I T f . 65 a).
E i n e e i g e n e G r u p p e b i l d e n die S : h m u c k gegenstände aus S c h i e f e r : die Schieferringe ( B a n d I I I T f . 1 2 5 f) u n d - S c h e i b e n (Tf. 59e) s o w i e verschiedene Anhängsel (Tf. 5 9 f ) ; sie sind unter dem E i n f u ß o s t p r e u s s . B e r n s t e i n s c h m u c k f o r n e n ents t a n d e n (s. S c h w a r z o r t ) . A m zahlreichsten sind die S c h i e f e r r i n g e , w e l c h e , w i e 'iele unv o l l e n d e t e S t ü c k e z e i g e n , m i t dem H o h l bohrer h e r g e s t e l l t s i n d . § 5. D i e B l ü t e z e i t d e r k l e i n e n S c h i e f e r g e g e n s t ä n d e d ü r f t e in die I I I . P e r . Mont. d e r S t Z f a l l e n , d o c h k o m m e n sie noch in den F u n d e n der I V . Per. vor. Schieferspitzen mit b r e i t e m B l a t t sind j e d o c h s c h o n viel f r ü h e r in G e b r a u c h g e w e s e n , w i e mehrere auf W o h n p l ä t z e n d e r S u o m u s j ä r w i - K u l t u r (s. d . ) gefundene E x e m p l a r e dartun. A i l i o Wohnplaízfunde I 4 2 f f . ; Z. d. Finn. Altert. Ges. 28, 1 S. 1 3 0 f f . S. P ä l s i ; Finskt Museum 1 (1894) S. 1 7 f f . A. H a c k m a n . Aarne Europaeus S c h i e f e r p a l e t t e s. S c h m i n k p a l e t t e . S c h i e l e r p l a t t e . S. a. F r a n k r e i c h B § 24. — (Portugal; B a n d X Tf. 1 1 0 und 130) S., b r e t t f ö r m i g e , m i t e i n g e r i t z t e n , seltener a u f gemalten Ornamenten, meistens geometrischer A r t , d o c h ö f t e r s a u c h m i t a n t h r o p o morphen Darstellungen, werden überall im G e b i e t d e r w. o d e r p o r t u g . M e g a l i t h k u l t u r d e r iber. H a l b i n s e l g e f u n d e n . Sie erscheinen a u c h in E x t r e m a d u r a , P r o v . H u e l v a u n d in d e r P r o v . C o r d o b a a n der G r e n z e v o n E x t r e m a d u r a ( E s p i e l ) . S o n s t h a t m a n sie v e r einzelt in d e r M i l l a r e s - K u l t u r der P r o v . Almeria nachgewiesen (portug. Einfluß?). Sie sind als religiöse G e g e n s t ä n d e , also w o h l als I d o l e (s. d.), u n d a l s v e r w a n d t m i t den K a l k s t e i n z y l i n d e r n m i t a n t h r o p o morphen Ornamenten ( B a n d X T f . 1 3 1 ) und m i t einigen a b w e i c h e n d e n S . g e s c h w e i f t e r F o r m (sog. cresses) a n z u s e h e n . V e r e i n z e l t ist die S. des M e g a l i t h g r a b e s v o n G a r r o v i l l e s de A l c o n é t a r , bei der ein menschliches Gesicht und A r m e aus der P l a t t e r e l i e f a r t i g h e r a u s g e s c h n i t t e n sind. M a n k e n n t sie a u s G r ä b e r n oder E i n z e l f u n d e n . I n der C u e v a de la M o r a bei J a b u g o ( P r o v . H u e l v a ) scheint eine S . auf der B r u s t eines S k e l e t t e s gelegen zu h a b e n . V i e l l e i c h t sind diese p o r t u g . S . in n ä h e r e n Z u s a m m e n h a n g m i t den o v a l e n , u n v e r z i e r t e n S . ( a u c h a u s a n d e r e m G e s t e i n k o m m e n sie
SCHIERSTEIN —SCHIFF vor) der katal.-pyren. und der südostfrz. Megalithgräber zu bringen. S. a. P r i m i t i v e K u n s t §33, P y r e n ä e n h a l b i n s e l B. J. de C. Serra-Räfols
Schierstein (Kr. Wiesbaden). Die Siedelung des Michelsberger Typus (s. d.) auf einer flachen Lehmwelle, e t w a 300 m vom Rhein entfernt, bei der Peters sehen Ziegelei ö. vom Dorfe ist seit 1894 bekannt. Kesseiförmige Gruben nach Art der vom Michelsberg (s. d.) und längliche Wohngruben enthielten außer K o h l e , Asche und Tierknochen reichlich Keramik (Band V I I I Tf. 57. 18. 21. 23), Steinbeile und Mahlsteinbruchstücke. O b die in der Nähe gefundenen Gräber zu dieser oder einer der jüngeren Perioden, die an derselben Stelle nachgewiesen sind, gehören, ist zweifelhaft. Funde im Mus. Wiesbaden und Mainz und in der Slg. Dr. Peters in Schierstein. Der auch hier sicher vorhandene Umfassungsgraben ist noch nicht gefunden. K o r r . G e s a m t v . 42 (1894) S. 126; Nass. Annalen 26 (1894) S. 168 A . v. C o h a u s e n ; AuhV 5 ( 1 9 1 1 ) Tf. 19 S. i o o f . K.Schum a c h e r ; d e r s . Materialien zur Besiedelungsgeschichle Deutschlands K a t a l . Mainz Nr. 5 (1913) S. 78; d e r s . Rheinlande I (1921) S. 27. f W . Bremer
Schiff. A . E u r o p a (Tf. 60—64). I. S t e i n z e i t . § 1. Die Anfänge von Schiffahrt und Schiffbau liegen im Dunkeln und sind so wenig faßbar wie die irgendeiner anderen Kulturfunktion. Die Besiedelung von Capri in paläol., von Helgoland, England, Sardinien, K r e t a und anderen ägäischen Inseln in ncol. Zeit bezeugen einwandfrei eine Form der Schiffahrt, die sich bereits stark über die Phase der Küstenfahrt erhoben haben muß, denn alle diese Inseln waren in nachpaläol. Zeit nicht landfest und nur auf dem Seewege erreichbar. Die Instrumente dieser frühesten Schiffahrt kennen wir nicht, es fällt schwer, sich vorzustellen, daß eine Fahrt wie die nach Helgoland oder über den Kanal mit Naturfahrzeugen, etwa losgerissenen Baumstämmen oder ähnl., hätte ausgeführt werden können. Eher wären Flöße oder Fellboote nach Art des E s k i m o - K a j a k s denkbar. Im Orient sind Schilfboote und Flöße aus aufgeblasenen und einzeln oder zusammengebunden verwendeten Tierhäuten als Urschiffe nachgewiesen (s. a. S c h i f f D).
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§ 2. Die typol. ältesten Kunstschiffe sind die E i n b ä u m e (s. d.), mit mehr oder weniger Sorgfalt ausgehöhlte und zweckmäßig bearbeitete Baumstämme. Die Form hat ein unglaublich zähes Leben und wird selbst in europ. Gewässern noch heute verwendet, so daß einem Einbaum ohne sichere Begleitfunde an sich jedes chronol. D a t u m abgeht. Sind auch die allermeisten unter den Einbäumen zeitlos, so scheinen jedoch ein paar durch ihre Fundverhältnisse als neol. gesichert. In einem im Flußgebiete des Clyde aufgedeckten Einbaum lag eine Diorit-Axt (Rev. arch. 1866 S. 276). Im Pfahlbau von Robenhausen (s. d.), der nichts Nachneol. mehr enthielt, fand sich ein Einbaum sehr einfacher Form, die der neol. Datierung nicht widersprechen würde, ein flach muldenförmiger Trog von 3.60 m L . und 0,75 m Br., sowohl in Längs- wie in Querschnitt symmetrisch mit gleichmäßiger A u f w ö l b u n g des Bodens zu den beiden Enden (5. Pfahlbaubericht 1863 Tf. 10, 23). Im Torfried des ehemaligen Federsees wurden mehrere Einbäume gehoben, deren Lagerung den zeitlichen Zusammenhang mit der spätneol. Besiedelung des Moores ziemlich wahrscheinlich macht. Zwei von ihnen haben die bedeutende L. von annähernd 9 m. Die Fahrzeuge enden nach vorn in eine stumpfe Spitze, die Seiten sind gleichmäßig abgerundet, der Boden ist zur Erhöhung der Stabilität flach nach innen gewölbt. Bei dem erstgefundenen Stück, dessen Konservierung nicht gelang (Ber. des Stuttgarter Museums 1919 S. 6 A b b . 1), ist das hintere Ende g l a t t abgeschnitten und durch ein senkrecht eingesetztes Brett geschlossen. Den gleichen Abschluß hat ein Einbaum aus einem irischen Crannog (s. d . ; R e v . arch. 1866 S. 274) und ein solcher von Brigg in der engl. Landschaft Lincolnshire ( H o o p s Reall. I 537). An dem im Herbst 1921 gefundenen und gehobenen Einbaum aus dem FederseeRied hebt sich das hintere Ende, und die Wölbung der Wand geht in einen wagerechten, hinten gerade abgeschnittenen Hintersteven über; zum Schutz gegen Verbiegen und Reißen ist eine vierkantige Leiste in die obere Stevenfläche eingelassen. Der Einbaum hat mehrere aus dem gleichen Stamm ausgehauene Verstärkungsrippen.
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§ 4. Welch große Rolle Schiffahrt und ein an E i n b ä u m e n sehr häufiges technisches S c h i f f b a u im Leben des bronzezeitl. N Mittel. Die P f a h l b a u s t a t i o n , die 1904 im spielten, beweisen a m deutlichsten die See v o n Chàlain (Dép. J u r a ; s. L a c d e F e l s e n z e i c h n u n g e n (s.d.A; Tf.60,4—29; C h à l a i n ) untersucht wurde, ergab nur B a n d l l l T f . 5 2 — 5 4 , 118) jener Zeit, in denen Neol., der dort gefundene E i n b a u m kann die Schiffsbilder den weitaus größten R a u m deswegen ebenfalls dieser Zeit angehören. einnehmen. Der eigentümliche Stil dieser E r ist 9,35 m 1. und hat die stumpfe Spitze Felsbilder, der g a n z auf S c h a t t e n r i ß b i l d u n g der F e d e r s e e - B o o t e ; über der Höhlung liegt eingestellt ist, bereitet der A u s d e u t u n g der eine mit N u t e n eingelassene Tannenplanke. Schiffs- wie aller übrigen Darstellungen D a s hintere, unvollständig erhaltene E n d e mancherlei Schwierigkeiten. Auf bronzenen scheint einen flach wagerechten A b s c h l u ß Messern der gleichen Zeit (Tf. 60, 2. 3 ; gehabt zu haben (Umschau 9 [1905] S. 7 5 6 f f . ; B a n d I I I T f . 1 2 1 a — d , I X Tf. 1 3 6 a ) beP r ä h . B l ä t t e r 17 [1905] S. 68ff.; D è c h e gegnen gleichartige Schiffsbilder, ebenso auf l e t t e Manuel I 368, 540). Neu ist ein W a n d p l a t t e n von K a m m e r g r ä b e r n (Band I I I viereckiges L o c h im B o d e n , wie es sich T f . 55 a, 56 c). D e r F o r m e n r e i c h t u m dieser ebenso a m E i n b a u m v o n Estreboeuf findet Schiffe ist erstaunlich groß. Verhältnis( R e v . arch. 1866 S. 279). Ist die übliche Ermäßig selten sind einfache F a h r z e u g e m i t klärung auf Einsatzlöcher für einen Mast flachem oder tieferem Querschnitt (Tf. 60, richtig, so schließt das die neol. Datierung 16 und 29). Bei den Schiffen aller T y p e n aus, da Segelboote in diesem Gebiete während der S t Z noch nicht bekannt i sind gewöhnlich die Spanten a n g e g e b e n , meist senkrecht, gelegentlich s c h r ä g oder w a r e n ; sind die E i n b ä u m e aber steinzeitlich, auch g e k r e u z t ; sie müssen also äußerlich so dienten die Löcher anderen Z w e c k e n als sichtbar gewesen sein, wenn man nicht ander A u f n a h m e des Mastes, und das ist das nehmen will, d a ß ein übersteigertes techWahrscheinlichere. E i n E i n b a u m aus Finelz nisch-konstruktives Gefühl zur D a r s t e l l u n g (s. d . ; 7. Pjahlbauber. 1876 Tf. 23, 6) enthielt unsichtbarer D i n g e geführt habe. bronzezeitl. Scherben. S. a. E i n b a u m . II. B r o n z e z e i t . § 3. 1. D i e n o r d i s c h e B Z . Die Monumente der nord., germ. B Z bezeugen eine hohe B l ü t e der S c h i f f b a u k u n s t ; Bewohner der K ü s t e n und Inseln werden in den allermeisten Fällen durch ihre L a g e auf das Meer und seine Beherrschung hingewiesen. Die ältesten Zeugen sind gegen 100 kleine, ineinander geschachtelt gefundene V o t i v boote aus Nors ( s . d . ) in Jütland (Tf. 6 0 , 1 ; A a r b . 1886 S. 238; G . H. B o e h m e r Naval architecture S. 557 A b b . 4 1 ; M ü l l e r NAK. I 431 A b b . 233). Diese Bootmodelle haben eine L ä n g e von n — 1 2 c m ; Reeling und S p a n t e n bestehen aus schmalen Bronzebändern, die B o o t s h a u t aus dünnem Goldblech, das nach außen um die Reeling umgekrempt ist und diese verdeckt. Die Ges a m t f o r m ist scharf und schnittig, der Querschnitt spitzwinklig, die beiden S t e v e n sind spitz ausgezogen, es sind also ausgesprochene „ K i e l b o o t e " . Die eigenartige Sparrenkons t r u k t i o n weist darauf hin, daß diese goldenen V o t i v b o o t e Nachbildungen von k a j a k artigen Fahrzeugen sind, bestehend aus einem Gerüst mit darübergespannten Fellen.
Die meisten Schiffe der s k a n d . Felsbilder gehören einem T y p u s an, dessen bezeichnendes Merkmal der d o p p e l t e V o r d e r s t e v e n ist, der sich oben in der Verlängerung der Reeling unter der des Kieles b i l d e t ; achtern ist der K i e l s t e v e n nur selten symmetrisch h i n a u f g e f ü h r t , meist endet er spornartig zugleich mit dem Schiffskörper. W i l k e s D e u t u n g (Weltall 19 [1919] S. 203ff.) auf Sonnenschiffe, die v o n S c h w ä n e n gezogen werden, steht im B a n n der m y t h o l o g i s c h e n E r klärung der ganzen Denkmälergruppe u n d ist m i t dem klaren technischen Befunde nicht zu v e r einen.
Ein R a m m s p o r n zu kriegerischen Z w e c k e n kann dieses Gebilde schon d a r u m nicht sein, weil es viel zu lang und s c h w a n kend ist und (in der Regel wenigstens) so hoch über den Wasserspiegel hin;ausragt, d a ß es das feindliche Schiff n i c h t mehr treffen würde. Es kann sich ledigilich u m eine Schutzmaßregel handeln, die aius d e m Charakter der nord. K ü s t e n g e w ä s s e r gedeutet werden m u ß , eine elastische A u f f a n g v o r r i c h t u n g für den eigentlichen Schiffskörper beim A u f f a h r e n auf Unteirwasser-
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klippen, Eisberge oder dgl. Diesem Z w e c k konnte der lange, federnde Kielsteven, der nur selten mit dem oberen S t e v e n durch einen Querriegel verbunden ist, vortrefflich dienen. Über die K o n s t r u k t i o n der S c h i f f s h a u t , ob klinker oder karveel, geben die Darstellungen n a t u r g e m ä ß keine A u s k u n f t , wenn auch wagerechte Plankenreihen manchmal angegeben sind (Tf. 60, 22. 26). A n Rinden- oder Fellboote zu denken (Präh. Z. 4 [1912] S. ¿ f f . W . V o g e l ; Z f E t h n . 39 [1907] S. 42ff. E . H a h n ) verbietet m. E . die durchweg sehr große K o p f z a h l der an Bord befindlichen Menschen, die ein solches „ g e n ä h t e s B o o t " schwerlich zu tragen imstande wäre. Die Analogie der W a g a n d a - B o o t e im Quellgebiet des Nil ( V o g e l a. a. 0 . ) k a n n nur das Detail des Doppelstevens erläutern und ist für alle anderen Fragen unergiebig. In einem Bilde (Tf. 60, 5) meint man ein erhöhtes S t u r m d e c k in Gestalt einer K o m m a n d o b r ü c k e zu erkennen, doch ist die Darstellung singulär. § 5. Die B e m a n n u n g der Schiffe fehlt nur selten und ist m a n c h m a l sehr g r o ß ; oft sind die Gestalten durch einfache Striche angedeutet, vielfach aber auch naturalistischer ausgeführt, besonders bei Darstellung von K ä m p f e n und W a f f e n tänzen an D e c k . Die Führer sind durch übermenschliche Größe kenntlich gemacht. Die völlige Beherrschung der konstruktiven Technik erlaubte, den Einzelteilen des Schiffes über die nächste Z w e c k m ä ß i g k e i t hinaus schöne Formen zu geben. Es sind vor allem die S t e v e n und deren K ö p f e , an denen sich das S c h m u c k b e d ü r f n i s ausw i r k t : die Steven werden elegant geschwungen, die S t e v e n k ö p f e volutenförmig eingerollt und erhalten die F o r m einer mehrfach gespaltenen K r ü l l e wie das A p h laston des griech. Schiffes (Tf. 60, 11) oder eines Tierkopfes wie die rund zwei Jht. jüngeren Wikingerschiffe als A u s d r u c k der Vorstellung des Schiffes als eines lebenden Wesens; auch ganz bizarre, geweihartige Auswüchse am S t e v e n k o p f e k o m m e n vor (Tf. 60, 10). Die Schiffe der nord. B Z sind R u d e r schiffe. Ruderer sind mehrere Male dargestellt und stets in Paddelstellung mit dem Gesicht in der F a h r t r i c h t u n g ,
während die Mittelmeerschiffe dirch R o j e n bewegt werden. A u f den Felsiildern ist v o m R u d e r nur die S t a n g e , aui der R i t z zeichnung eines Bronzemessers T f . 60, 3) auch das B l a t t a n g e g e b e n . O b für die S t e u e r u n g eine besondere Vorrichtung vorgesehen war, is: aus den Bildern allein nicht zu entscheiden. In einigen Darstellungen findet sici a m hinteren Ende des Kieles eine kurz;, einfache oder doppelte, schräg nach u n t m gehende Verlängerung, die m a n vielleicht als Steuer ansprechen darf, doch h a t sie möglicherweise auch nur in der A r t unseres „ S c h w e r t e s " dazu gedient, der A b t r i f t entgegenzuwirken. § 6. Viel besprochen ist die F r a g e , o b die Schiffe der nord. B Z S e g e l h a t t e n , wie sie im Mittelmeer bereits a i s früheren Zeiten belegt sind (in Ä g y p t e r schon in neol. Z e i t : J. C a p a r t Débuts de .'art S. 1 1 6 A b b . 83; vgl. C. B u s l e y Schifje dis Altertums S. 9 ff.). E i n längerer, senkrechter S t r i c h unter vielen kürzeren bezeichnet nicht einen Mast ( B o e h m e r a. a . 0 . T f . 7:), sondern den durch besondere Größe hervorgehobenen Führer. R u n d e Scheiben, auf Stangen an D e c k errichtet, können wegen ihrer geringen Größe und ihres gelegentlich doppelten A u f t r e t e n s nicht Darstellungen von Mast und Segel sein, sondern bedeuten offenbar das heilige Sonnenbild, wie es im „ S o n n e n w a g e n " von T r u n d h o l m ( s . d . ; Band X I I I Tf. 76) und v e r w a n d t e n Denkmälern vorliegt. In einigen Darstellungen auf Bronzemessern hat dieses S y m b o l nicht Scheibenform, sondern ist wie ein B a u m mit b e i d e r s e i t s überhängender K r o n e gestaltet (Tf. 60,2). Ein Segel solcher F o r m ist natürlich u n d e n k b a r ; die D e u t u n g dieses Gebildes auf einen als Segel verwendeten B u s c h (Präh. Z. 10 [1918] S. 1 7 8 f f . C. S c h u c h h a r d t ) , wie ihn heutige N a t u r v ö l k e r gebrauchen, steht zu der sonstigen Höhe der S c h i f f b a u k u n s t des bronzezeitl. N in zu grellem Mißverhältnis, um glaubhaft zu erscheinen. 0 . A l m g r e n (Festschr. für Bezzenberger 1921 S. i f f . ) will hier, entsprechend seiner A u f f a s s u n g der Hällristningar als Denkmäler des K u l t e s , einen heiligen B a u m an Bord des Festschiffes erkennen und zieht neuzeitliche schwedische Volks bräuche heran (s. a . F e 1 s e nz e i c h n u n g A §6). Wir müssen uns also wohl oder übel damit a b f i n d e n , daß die
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SCHIFF
nord.'-bronzezeitliche Schiff baukunst den letzten, in damaliger Zeit möglichen Schritt nicht getan h a t , die N a t u r k r ä f t e zur Vorwärtsbewegung der Fahrzeuge auszunutzen und sich aus heute nicht mehr erkennbaren Gründen mit der Rudertechnik begnügt hat. Diese A u f f a s s u n g findet eine S t ü t z e in der Nachricht des T a c i t u s , d a ß die Suionen, also die N a c h k o m m e n der bronzezeitlichen Seefahrer, den Gebrauch des Segels nicht kannten ( G e r m a n i a 44: Suionum civitates classibus valent — nec velis ministrantur nec remos in ordinem lateribus a d j u n g u n t ) . Einen Unterschied zwischen Handelsund Kriegsschiffen können wir nicht mehr feststellen; wo B e w a f f n e t e an Bord sind oder die Schiffe in größerer A n z a h l in Reihen ausgerichtet mit den Führerschiffen vor der Front aufgefahren sind, handelt es sich natürlich um kriegerische Verwendung. § 7. Eine dritte Quelle für unser Wissen v o m S c h i f f b a u der nord. B Z ist erst seit kurzem in ihrer chronol. B e d e u t u n g erk a n n t . U n t e r den schiffsförmigen Steinsetzungen auf G r ä b e r n , die in der Mehrzahl der Wikingerzeit angehören, befindet sich eine zuerst in K u r l a n d (C. G r e w i n g k S t o ' w schiffe von Musching 1878) bekannt gewordene Gruppe abweichender F o r m (Präh. Z. 11/12 [1919/20] S. 195 A b b . 6 E b e r t ) . Untersuchungen an gleichen Anlagen auf Gotland (s. d. B § 1 6 — 1 9 ; B a n d I V T f . 1 8 8 — 191) haben diese jedoch in das E n d e der B Z und den ersten Beginn der E Z datiert (M. E b e r t a. a. 0 . ) . Es sind stets Fahrzeuge spitzovaler F o r m , völlig entsprechend den V o t i v b o o t e n von Nors (s. § 3 ) , ohne Innenteilung wie die schiffsförmigen Steinsetzungen der W i k i n g e r z e i t , doch mehrfach mit A n g a b e des langen Vorderstevens, wie ihn die Hällristningar in der Seitenansicht zeigen. Diese Schiffsgräber verbinden in der Regel zwei Fahrzeuge in der Kiellinie miteinander, was wohl rituell zu erklären sein dürfte. S. a. B a n d I X Tf. 147b und S ü d o s t b a l t i k u m B. 2. D i e Ä g ä i s c h e B Z . § 8. Die ägäische und die k r e t . - m y k . K u l t u r haben, obwohl sie sich vorwiegend auf den Inseln und an den Meeresküsten abspielen, nur verhältnismäßig wenig Schiffsbilder hinterlassen, doch sind
alle wichtigeren S t u f e n dieser E n t w i c k l u n g immerhin f a ß b a r und mehrere T y p e n zu erkennen. Die S c h i f f e der K y k l a d e n z e i t , die wir v o n den gravierten T o n p f a n n e n besonders der Insel Syros kennen, haben sehr charakteristische B a u w e i s e : langgezogenen Rumpf mit nur f l a c h gehobenem Achterteil und sehr h o h e m , scharfen B u g (Tf. 61 a ; Arch. A n z . 1 9 1 5 S. 194; 'E