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German Pages [319] Year 2023
Thomas Wagner
Raumdeutung Transformationen der Vorstellung vom Raum in den hebräischen Schriften der persischen Zeit
9783525522189_Valkama_Magic.indb 1
03.11.20 09:00
Mundus Orientis
Studies in Ancient Near Eastern Cultures Edited by Richard Bussmann (Cologne) Timothy Harrison (Toronto) Reinhard Müller (Göttingen) Karen Radner (Munich) Advisory Board Yoram Cohen (Tel Aviv) Carly Crouch (Nijmegen) Alexandra von Lieven (Münster) Stefania Mazzoni (Florence) Ludwig Morenz (Bonn) David Schloen (Chicago) William Tooman (St. Andrews) Nele Ziegler (Paris)
Volume 4
Vandenhoeck & Ruprecht
9783525522189_Valkama_Magic.indb 2
03.11.20 09:00
Thomas Wagner
Raumdeutung Transformationen der Vorstellung vom Raum in den hebräischen Schriften der persischen Zeit
Vandenhoeck & Ruprecht
9783525522189_Valkama_Magic.indb 3
03.11.20 09:00
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Euphrat bei Dura Europos, Syrien. ©Astrid Padberg Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik, Göttingen Satz: le-tex publishing services, Leipzig
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2566-7386 ISBN 978-3-666-50013-8
9783525522189_Valkama_Magic.indb 4
03.11.20 09:00
„Die Welt durch Eure Augen zu sehen, ist ein Faszinosum.“ Corinna, Siri und Lasse in Liebe gewidmet
Vorwort
Die Geschichte von Raum und Zeit übt schon seit meiner frühesten Kindheit eine große Faszination auf mich aus. In meinen frühen Jahren waren es die Berichte über die Erkundungsfahrten von Seeleuten, die auf ihren Wegen in ihnen unbekannte Regionen dieser Erde anfingen, diese zu kartographieren. Mit dem den Erdkundeunterricht meiner Schulzeit prägenden Diercke-Weltatlas, der bis heute seinen Platz in meinem Bücherregal behalten hat, vollzog ich ihre Reisen nach und begab mich gedanklich in die Weiten der ‚neuen Welt‘. Mit zunehmendem Alter trat die Frage nach dem Ursprung von Raum und Zeit immer stärker in den Vordergrund meiner Interessen. Beginnend mit den Vorstellungen Isaac Newtons, den Überlegungen Albert Einsteins bis hin zu Stephen Hawkings Arbeiten zur Kosmologie konnte ich mich Stunde um Stunde in ihre Gedanken vertiefen. Diese Interessen meiner Jugendzeit lagen weit zurück, als ich begann, mich mit altorientalischen und biblischen Schöpfungsmythen zu Beginn im Kontext anthropologischer Fragegestellungen zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit Raum und Zeit im Buch Kohelet war schließlich initial für dieses Projekt, dessen Ergebnis das vorliegende Buch ist. In Koh 1,4-11 wird ein Bild von Raum und Zeit gezeichnet, das offenbar auf bekannten Vorbildern basiert, die aber aus der bisherigen Forschung nicht umfänglich erschließbar sind. Zwischen der Präsenz JHWHs im Jerusalemer Tempel und dem mit dieser Vorstellung verbundenen zentrumsbasierten Weltbild und der in Kohelet geschilderten Ausdehnung von Raum und Zeit und der Verortung Gottes im Himmel (Koh 5,1) musste es eine Transformation gegeben haben, deren Ergebnis in den biblischen Schriften sichtbar, deren Prozess aber in der Forschung bislang kaum beschrieben ist. Um meinem Verständnis von Kohelet seine traditionsgeschichtliche Basis zu geben, erschien es mir unerlässlich, diese Forschungslücke zu füllen. So nahm diese Studie auf langen Bahnfahrten während einer Lehrstuhlvertretung an der CAU Kiel im Studienjahr 2017/18 ihren Anfang. Dort traf ich mit Frau Prof. Dr. Susanne Rudnig-Zelt, ihrem Team und den dortigen Studierenden interessierte und innovative Gesprächspartner*innen, mit denen ich meine ersten Überlegungen diskutieren konnte. Ihre Rückfragen, Anmerkungen und Ideen beförderten mein Projekt maßgeblich. Ihnen möchte ich auf diesem Wege einen herzlichen Dank aussprechen und sie von Herzen grüßen. Ein weiterer Meilenstein im Laufe dieses Projekts war die mit dem Jahr 2020 sich auch in Deutschland ausbreitende Covid-19 Pandemie. So belastend die Lockdowns für das Arbeits- und Familienleben waren, so förderlich waren die langen Tage und Abende am heimischen Schreibtisch. So wurde es mir zur liebgewonnenen Routine,
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Vorwort
die frühen Morgen- und späten Abendstunden abgeschottet von Verlockungen des Soziallebens mit meinem Projekt verbringen zu können. Mich in Raum und Zeit der antiken Levante verlieren zu können, half mir sehr, Zeit und Raum eines mehr und mehr prekär erscheinenden Lebens zu vergessen. Losgelöst von täglichen Ereignissen gewann diese Zeit so für mich ihre eigene Qualität. Als die Phase sozialer Isolation vorüber war, stand in meinem Projekt der redaktionelle Prozess an. Vier Menschen möchte ich besonders danken, die mich in dieser Zeit sehr unterstützen. Prof. Dr. Jaco Gericke, von dessen südafrikanischer Heimat ich mit Potchefstroom einen weiteren Ort noch kurz vor dem ersten Lockdown kennenlernen durfte und mit dem mich unser gemeinsames Interesse an epistemologischen Fragestellungen verbindet, kommentierte meine Ausführungen kritisch und half mir so, verschiedene Aspekte weiter zu spezifizieren. Meine drei Mitarbeitenden, Nele Maes, Rebecca Ludwig und Daniel Schmitz lasen das Buch (mehrfach) Korrektur. Sie machten es möglich, dass die redaktionellen Prozesse in kurzer Zeit ablaufen konnten. Allen vieren möchte ich in freundschaftlicher Verbundenheit für ihre Mühen von ganzem Herzen danken. Ebenso geht mein Dank an die Herausgeber von Mundus Orientis, vornehmlich an Herrn Prof. Dr. Reinhard Müller, für die Aufnahme meines Buches in ihre Reihe, sowie an die Mitarbeitenden des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht, namentlich Frau Miriam Lux und Herrn PD. Dr. Izaak de Hulster, für ihre großartige Betreuung bei der Drucklegung. Gewidmet ist dieses Buch drei Menschen, die sein Entstehen mit hohem Interesse, spannenden Diskussionen und großer Geduld begleiteten. Meine Frau Corinna Wnuck verbrachte viele Stunden im benachbarten Arbeitszimmer im Dachgeschoss unseres Hauses, im dem sie in derselben Zeit ihre Dissertation verfasste. Beide Projekte sind vor ihrem Abschluss, so dass wir uns nun gemeinsam auf ‚andere‘ Zeiten freuen können. Interessierte Begleiter waren in all den Jahren unsere Kinder Siri und Lasse, die mit uns durch die sehr unterschiedlichen Phasen der Projekte gingen. Sie führten mich oft mit ihren Fragen wieder in meine Kinderzeiten zurück und weckten mein Interesse an Raum und Zeit erneut. Mit ihnen gewann ich ein Stück kindlicher Faszination zurück, die die Entdeckung unserer Welt in sich bergen kann. Neuss, im Februar 2023
Thomas Wagner
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................
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Einführung ........................................................................................... 11 1. Zum Wesen von Weltbildern ............................................................. 13 2. Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike .................................................................. 23 3. Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften ...................................................................... 3.1 Zum Verhältnis von Tempel und Himmel ...................................... 3.2 Zum Symbolsystem des Jerusalemer Tempels ................................. 3.3 Zum Lebensraum des Menschen ...................................................
33 35 53 57
4. Methodische Vorüberlegungen ......................................................... 65 5. Zu den Entwicklungen der Raumdeutung in der spätexilischen und frühnachexilischen Prophetie ............................... 5.1 Die Rückkehr nach Jerusalem ....................................................... 5.1.1 JHWH als Begründer der Biosphäre...................................... 5.1.2 Die Illumination des Zentrums ............................................ 5.1.3 Die neue Herrschaft ............................................................ 5.2 Das neue Zentrum und seine Peripherie ........................................ 5.2.1 Die Tempelvision Ezechiels .................................................. 5.2.2 Sacharjas Nachtgesichte....................................................... 5.3 Zur Entwicklung der Raumdeutung in der spätexilischen und frühnachexilischen Prophetie ................................................. 6. Die priesterschriftliche Raumdeutung ............................................... 6.1 Der Lebensraum des Menschen .................................................... 6.2 Der Mensch als Herrscher über die Biosphäre................................. 6.3 Der Mensch als gefährdetes Wesen ................................................ 6.4 Die priesterschriftliche Raumordnung ........................................... 6.5 Das Symbolsystem des priesterschriftlichen Heiligtums ...................
71 71 71 83 91 99 99 106 118 123 123 128 132 151 156
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Inhaltsverzeichnis
6.6 Das priesterschriftliche Zeitschema ............................................... 158 6.7 Das priesterschriftliche Ordnungsmuster ....................................... 163 7. Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit................................................................ 7.1 Auswirkungen auf die Prophetie ................................................... 7.2 Der göttliche Garten und die menschliche Lebenswelt ..................... 7.3 Krankheit und Leid als Erfahrungen der Gottesferne ....................... 7.4 Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit .................................................................. 7.5 Adaptionen und Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters .......................................................................
167 167 172 178 189 205
8. Der kosmische Himmel als Wohnort Gottes ....................................... 211 8.1 Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum .................. 211 8.2 Die Belebung der Atmosphäre ...................................................... 228 9. Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess ................................................. 9.1 Die Raumdeutung der Königszeit und ihr kanaanäisches sowie mesopotamisches Erbe........................................................ 9.2 Adaptionen judäischer Traditionen der Königszeit .......................... 9.3 Einfluss persischer Vorstellungen .................................................. 9.4 Die Veränderung der Raumdeutung als multifaktoraler Prozess ........
241 241 248 252 256
Literaturverzeichnis .............................................................................. 261 Stellenregister ...................................................................................... Schriften des hebräischen Kanons ....................................................... Weitere Schriften des griechischen Kanons ........................................... Jüdische Schriften ............................................................................. Texte aus Ägypten ............................................................................. Texte aus der Südlevante .................................................................... Akkadische Texte .............................................................................. Texte aus Persien............................................................................... Griechische Texte..............................................................................
303 303 312 312 313 313 313 314 314
Sachregister ......................................................................................... 315
Einführung
Zwischen dem Untergang Jerusalems im 6. Jh. v. Chr. und dem Aufkommen apokalyptischer Schriften in der hellenistischen Zeit entwickelte sich das Weltbild der alttestamentlichen Schriftsteller*innen in einer Form fort, die die weitere Kulturgeschichte bis in die Frühe Neuzeit bestimmt. Dieses neu entstehende Bild ist ein Ergebnis von verschiedenen Transformationsprozessen, die die Epoche prägen. Diese Veränderung wird vornehmlich durch die Stellung des irdischen Tempels deutlich. Wird er in der späten Königszeit noch als kosmisches Zentrum verstanden, in dem JHWH präsent ist, so finden sich in späteren Schriften Erwähnungen eines himmlischen Heiligtums, in dem sich der Thron Gottes befindet. Die Berichte der Himmelsreisenden, wie sie seit frühjüdischer Zeit in der apokalyptischen Literatur bezeugt sind, beschreiben Entrückungen in einen oben gelegenen kosmischen Raum, in dem sich das Heiligtum befindet. Andeutungen auf einen solchen himmlischen Tempel finden sich jedoch nicht erst in zwischentestamentlichen Schriften, sondern sind bereits in Jes 66,1–4 sowie in verschiedenen Psalmtexten belegt. Diese Beobachtungen sind nicht neu. Vielmehr fallen sie jeder*m interessierten Bibellesenden auf. Und auch in der alttestamentlichen Forschung wurden sie in den vergangenen drei Dekaden wiederholt betrachtet. In den einschlägigen Studien wird eine Differenzierung eines im Tempel immanenten Himmels, wie er in den Texten der späten Königszeit und auch noch während der Exilszeit verstanden wird, und einer Verortung des göttlichen Wohnsitzes in einem kosmischen Himmel betrachtet. Wiederholt konnte in den Studien aufgewiesen werden, DASS es einen solchen Wandel gab. Forschungsgeschichtlich betrachtet, liegt die Erkenntnis dieser Studien darin, dass mit der himmlischen Präsenz JHWHs in den frühen Texten nicht die Gegenwart in einem kosmischen Himmel, sondern in einer Tempelsphäre bezeichnet wird. Das Verständnis des Himmels als Tempelsphäre vorausgesetzt, wird die Vorstellung von einem im kosmischen Himmel verorteten Heiligtum literaturgeschichtlich erst mit den Texten eindeutig nachweisbar, die vom Hinabblicken Gottes auf die Erde handeln. Eine solche Blickrichtung kann Gott nur dann annehmen, wenn sein Heiligtum oberhalb der Biosphäre in einem höheren kosmischen Raum angesiedelt ist. Damit setzt zwischen der Abfassung der Schriften der spätexilischen/frühnachexilischen Zeit, die einen Wiederaufbau des Jerusalemer Heiligtums erwarten und seine kosmische Funktion als Wohnsitz JHWHs betonen, und dem Aufkommen der Texte, in denen die Sagittale mit der Beschreibung eines Herabblickens Gottes aus dem himmlischen Heiligtum beschrieben wird, eine Veränderung ein, die nicht nur auf eine Fortentwicklung des Heiligtumskonzepts
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Einführung
hindeutet. Vielmehr wandelt sich mit der Bedeutung des Tempels auch das Weltbild, dessen konstitutiver Teil der Tempel ist. Das Heiligtum nimmt in einem altorientalischen Weltbild eine zentrale Position ein, an der sich die Wahrnehmung der Biosphäre als menschlicher Lebensraum orientiert. Deuten die seit den beginnenden 1990er Jahren vorgelegten Studien zum Himmel als Tempelsphäre perspektivisch darauf hin, dass in einer späteren Zeit ein anderes Verständnis vom Himmel und damit auch seiner Stellung zur menschlichen Lebenswelt einsetzt, welches für die jüdische und auch die christliche Kultur maßgeblich wurde, werden die Transformationsprozesse in den vorliegenden Studien nur am Rande wahrgenommen. Diese Forschungslücke soll mit der vorliegenden Arbeit geschlossen werden, in dem nach Gründen für die Veränderungen der Stellung des Tempels und von dieser ausgehend des Weltbildes gefragt wird. Das leitende Interesse dieser Studie ist ein historisches, indem nach einer Entwicklung gefragt wird. Damit aber grenzt sie sich von postmodernen Ansätzen ab, in denen Fragen nach der Konstitution von Raum, dessen Statik und Dynamik behandelt werden. Diese Fragestellungen wurden in den vergangenen beiden Jahrzehnten ebenfalls an biblische Texte herangetragen.1 Im Rahmen dieser Studie kann teilweise auf die Ergebnisse dieser Forschungen zurückgegriffen werden, sofern in ihnen Entwicklungen von Raumvorstellungen behandelt werden. Bevor die Transformationsprozesse betrachtet werden, die historisch in der persischen Zeit zu lokalisieren sind, ist an dieser Stelle zunächst nach dem Wesen von Weltbildern zu fragen. Diese werden, mit wenigen Ausnahmen, in den Texten nicht expliziert, sondern erscheinen als ein implizites Verständnis (‚Vorverständnis‘) der Autor*innen, das kultureller Vermittlung unterliegt.
1 Exemplarisch seien hier die in der Reihe LHBOTS erschienen Bände Construction of Space genannt, in denen Phänomene der Raumkonstruktion methodisch sowie bezogen auf biblische Schriften erschlossen werden.
1.
Zum Wesen von Weltbildern
Die Vorstellung einer erfahrbaren Wirklichkeit, die sich durch Ausdehnung und Gestalt des uns umgebenden Raumes, der Anordnung und des Zusammenhangs der in ihm versammelten Objekte und der Verortung des Subjekts in diesem Gefüge konstituiert, wird als Weltbild bezeichnet. Grundlegend für die Beschreibung eines so verstandenen Weltbildes sind platonische Vorstellungen vom Urbild bzw. einer Idee, das resp. die sich in der wahrnehmbaren Welt abbildet. Auf einer solchen Annahme aufbauend, übersetzte der Benediktiner Notker von St. Gallen um 1000 n. Chr. den in Martianus Capellas Schrift De nuptiis Philologiae et Mercurii verwendeten Begriff forma ideaque mundi1 verkürzend mit dem bereits althochdeutsch belegten uuerlt-pild „im Sinne der Relation von Idee und Erscheinungswelt gedeutet“2 . Johann Amos Comenius versucht Anfang des 17. Jh.s in seinem Werk Orbis pictus das Prinzip der Einheit in den unterschiedlichen Formen der Erscheinungswelt aufzuweisen. Im deutschen Idealismus wird schließlich nach der welterzeugenden Subjektivität gefragt, so dass der ursprünglich mit der Vorstellung einer objektiven und theoretischen Akzentuierung eines Ideals verbundene Begriff uuerlt-pild nun mit einer subjektiven und praktischen Ausrichtung einer Wahrnehmungswelt – oftmals Weltbeschreibung, -anschauung oder -erfahrung genannt3 – in Zusammenhang gebracht wird. Zu dieser subjektiven Orientierung gehört auch das Ideologische, das als Wertekonstrukt eigene und fremde Handlungen rechtfertigt.4 Diese Deutung resultiert aus der Vorstellung eines „untheilbaren Ich[s]“5 als Urgrund aller Existenz, sodass das Subjekt in seiner Welt die Erscheinungsformen eines ursprünglichen Bildes wahrnimmt. Während das Weltbild also als eine „zum bildhaften Modell gerundete Synopse des alltäglichen oder auch wissenschaftlich deskriptiven Weltwissens und dessen Ordnungsprinzipien“6 verstanden 1 Im Neulateinischen oftmals auch orbus pictus; vgl. Thomé, Art. Weltbild, 460. 2 Thomé, Art. Weltbild, 460f. 3 Vgl. die Imago Mundi des Honorius, die Weltchronik des Rudolph von Ems und die Mappemonde des Pierre de Beauvais. Sie schließen an die vorneuzeitlichen Beschreibungen der Erfahrungswelt an, die sich bereits in Aristoteles Τὰ φυσικὰ und dem Werk Historia naturalis von C. Plinius d. J. Als Philosophia naturalis wird diese Fragestellung in der Alten Kirche bis hinein in die Neuzeit diskutiert. Dabei stellt die Erfahrungswelt das Gegenüber zum Ideal einer göttlichen Welt dar, die im Sinne des Platonismus als Urbild gilt. Vgl. Sparn, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/4, 587. 4 Vgl. Thomé, Art. Weltbild, 460f.; Stock, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild I, 537. Zur fehlenden Trennschärfe im wissenschaftlichen Diskurs vgl. Sparn, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/5, 605f. 5 Fichte, Bewusstsein, 518f. 6 Thomé, Art. Weltbild, 462.
14
Zum Wesen von Weltbildern
wird, beschreibt die Weltanschauung resp. -erfahrung den die Einsichten des deutschen Idealismus’ aufnehmenden Beschreibungen „den dauernden Umgang und die daraus resultierende Vertrautheit mit dem Ganzen der eigenen Lebenswelt“7 . Eine solche kategoriale Trennung nach objektiven und subjektiven Aspekten erscheint jedoch artifiziell.8 „Es genügt auch nicht, ‚theoretischen Weltbildern‘ und ‚praktischen Weltanschauungen‘ eine pragmatische ‚Weltorientierung‘ gegenüber zu stellen, wenn die im Weltbild erfragte Einheit der Welt durch die Frage nach der Einheit der Lebenswelt nur ersetzt wird. Bereits ‚theoretische‘ Weltbilder enthalten weltanschauliche Momente und praktische Intentionen, und ‚praktische‘ Weltanschauungen enthalten stets eine als gegenständlich vorgestellte ‚Welt‘, auf die sich ihre ‚Weltwürdigung‘ und ‚Willensleistung‘ bezieht.“9
Vielmehr scheint eine funktionale Differenzierung nötig zu sein, die sich von der Genese subjektiver Deutung erfahrbarer Wirklichkeit her beschreiben lässt. Eine solche subjektive Deutung entsteht in einem reziproken kulturellen Prozess, der sowohl der Orientierung des Individuums in Raum und Zeit als auch der Ausbildung kollektiver Identität und damit der Sozialisation des Individuums dient.10 Eine Differenzierung von Weltbild als „kulturbestimmende Leitidee“11 und Weltwahrnehmung entsteht dann im Vermittlungsprozess. Von diesen Beobachtungen ausgehend, schlägt Odil Hannes Steck eine Trennung zwischen einer die Welterfahrung beschreibenden „Weltinnenperspektive“12 und dem Weltbild als Außenperspektive, d. h. als das dem Individuum vorgegebene, durch Sozialisation und Bildung vermittelte Verständnis vom Zusammenhang der die Lebenswelt bestimmenden Prinzipien vor. Weltbild und Weltinnenperspektive bezeichnen also nicht ein Verhältnis von Ideal und Realität, sondern von vor-läufigem, kulturell geprägtem Wissen und individueller Erfahrung, die auf das Vorwissen bezogen wird. Dabei wird das Weltbild als medial vermittelte, kulturell akzeptierte Vorstellung als 7 Dietrich, Art. Welterfahrung (AT), 1. Vergleichbar auch Thomé, Art. Weltbild, 462. Zur Fortsetzung des deutschen Idealismus durch den vor allem in der deutsch-sprachigen Philosophie gebräuchlichen Begriff ‚Weltbild‘ vgl. Dilthey, Weltanschauung, 82f. 8 Vgl. Gantke, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/1, 562. 9 Sparn, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/5, 606. 10 Vgl. Assmann, Gedächtnis, 140: „Genau wie das Zusammenspiel ortsfester und beweglicher Zellen eine körperliche Identität aufbaut und aufrechterhält, wird auch soziale Identität durch Interaktion aufgebaut und reproduziert. Was durch solche Interaktion zirkuliert wird, ist der in gemeinsamer Sprache, gemeinsamem Wissen und gemeinsamer Erinnerung kodierte und artikulierte kulturelle Sinn, d. h. der Vorrat gemeinsamer Werte, Erfahrungen, Erwartungen und Deutungen, der die ‚symbolische Sinnwelt‘ bzw. das ‚Weltbild‘ einer Gesellschaft bildet.“ 11 Vgl. Dux, Weltbilder, 13. 12 Steck, Welt und Umwelt, 100.
Zum Wesen von Weltbildern
„fraglos hingenommene[s] Sinn- und Geltungsfundament menschlicher Praxis“13 verstanden. Es erscheint als Ordnungsmuster und damit als Ver-sinnbild-lichung der Erfahrungswelt. „Weltbilder können daher als Interpretationskonstrukte gedeutet werden, die durch bestimmte reduktionistische Zugriffe auf die verwirrende Phänomenvielfalt des Ganzen eine möglichst einheitliche und damit verbindliche Betrachtungsweise erlauben.“14
Die innerweltlichen Erfahrungen werden vom Individuum als Vollzug des Ordnungsmusters gedeutet. In diesem Prozess überträgt er das Erfahrbare, also das optisch, akustisch oder haptisch Vermittelte auf das ihm bekannte Schema, so dass sich Ordnungsmuster und Welterfahrung in der Regel decken. Die Deutung ist dementsprechend Bestandteil einer Weltbeziehung oder Welthaltung, die „niemals einfach individuell bestimmt werden, sondern immer sozioökonomisch und soziokulturell vermittelt sind“15 . So gewinnt der Mensch durch seine „Welterfahrung“ 16 seine „Weltinnenperspektive“17 . Diese Beziehung des Menschen zum ihn umgebenden Raum entsteht zunächst durch die Wahrnehmung allgemeiner Konstituenten des Raumes (Sonnenlauf, Sternenhimmel, Horizont, geologische Formationen etc.),18 die im Sozialisationsprozess in kulturell vorgegebene und damit überindividuelle Deutungsschemata eingeordnet wird. In diesen sich dem Individuum erschließenden, umfassenden Horizont ordnet der Mensch sich selbst und seine weiteren Erfahrungen des von ihm wahrgenommenen Raums ein. Dies erfolgt in
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Eden, Art. Lebenswelt, 328. Gantke, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/1, 566. Rosa, Resonanz, 20. So Dietrich, Art. Welterfahrung (AT), 1: „Indem Welterfahrung auf die Erfahrung eines Ganzen, der ‚Welt‘ abhebt, wird im Anschluss an Husserl bei der Erfahrung eines einzelnen Gegebenen stets sein Mitgegebenes und Mitgemeintes, der umfassende Horizont der verknüpften Wahrnehmung in räumlicher wie zeitlicher Hinsicht einbezogen […].“ Zum Bezug vgl. Husserl, Krisis, 136, 183, sowie im Weiteren Vetter, Art. Welt, 611. 17 Steck, Welt, 100. Die ‚Weltinnenperspektive‘ des Menschen führt dazu, dass dieser das Dasein außerhalb der Welt als Antagonismus wahrnimmt, wie Müller, Zeitkonzepte, 231, hervorhebt: „Zeit und Raum waren mit der Erschaffung des Kosmos entstanden, sind also spezifische Eigenschaften der Diesseitigkeit. Außerhalb der stofflichen Welt existieren sie daher nicht. Dort leben körperlose, rein geistige Wesen, die weder erkranken noch altern können, herrscht Aktualität und zeitlose Ewigkeit – das Jenseits stellt die Inversion des Diesseits dar.“ 18 Zur Weltaneignung vgl. Rosa, Resonanz, 32f. Jooß, Raum, 74, versteht das Erfasste als ‚orientierten Raum‘: „Der orientierte Raum tritt immer da zutage, wo von dem ‚Hier‘ als einem Ausgangspunkt gesprochen wird, ‚von dem her‘ wir etwas erfahren; dieser Ausgangspunkt ist herausgehoben aus der Vielzahl der Raumstellen. Das Hier ist nicht einfach eine Raumstelle unter anderen, sondern gleichsam der ‚Nullpunkt‘, von dem aus der Raum sich erschließt.“
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Zum Wesen von Weltbildern
dem zuvor angedeuteten reziproken, kulturellen Prozess, der im Folgenden näher betrachtet werden wird. Die Integration individueller Welterfahrung in ein kulturell vermitteltes Ordnungsmuster erfolgt dadurch, dass der einzelne Mensch seine Welt wahrnimmt, indem er das Erlebte auf den ihm vorgegebenen und bekannten Kosmos bezieht und es durch diese Verhältnisse interpretiert. Zugleich bestimmt er damit die diese Deutung konstituierenden Aspekte innerhalb seines lokal begrenzten Lebensraums.19 Er weist dem Wahrgenommenen so seine Funktion, seine Relationen und damit seine Bedeutung zu, auch wenn die einzelnen als solche identifizierten Objekte weitere Funktionen und Relationen besitzen können. Durch ihre weiteren Beziehungen verändert sich das Ordnungsmuster, da sie in die Deutung integriert werden. Diese Form der Reziprozität bezeichnet Hartmut Rosa als ‚Resonanz‘. Auf diese Weise passt sich das Ordnungsmuster kontinuierlich der Wahrnehmung des Individuums und damit seinen Erfahrungen in der Welt an: „Was und wie ein Subjekt ist, lässt sich erst bestimmen vor dem Hintergrund der Welt, in die es sich gestellt und auf die es sich bezogen findet; Selbstverhältnis und Weltverhältnis lassen sich in diesem Sinne nicht trennen. Subjekte stehen der Welt also nicht gegenüber, sondern sie finden sich immer schon in einer Welt, mit der sie verknüpft und verwoben sind, der gegenüber sie je nach historischem und kulturellem Kontext fließende oder auch feste Grenzen haben, die sie fürchten oder lieben, in die sie sich geworfen oder in der sie sich getragen fühlen etc. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass nicht nur die Welthaltung, -einstellung oder -bezogenheit der Subjekte individuell und kulturell variiert, sondern dass das, was sich als Welt selbst jeweils konstituiert beziehungsweise zu erkennen gibt, ko-variiert.“20
So führt die Weltbezogenheit des Menschen dazu, dass er seine Welt in einem kognitiv-repräsentationalen Konzept wahrnimmt, das er aufgrund von Sozialisation und Erfahrungen individuell ausprägt: „Das bedeutet, dass Subjekte Welt nicht nur wahrnehmen und auf sie reagieren, sondern dass sie sie auch konzeptualisieren als eine Welt, in der sie sich befinden, die ihnen begeg-
19 Das Weltbild stellt für das Subjekt so ein Ganzes dar, „das, durch verwickelte Anschauung und Urteilsprozeß entstanden, doch die Eigenschaft hat, daß Teile desselben wirklich angeschaut sind“ (Husserl, Raum, 283). Aus dieser Einsicht leitet Jooß, Raum, 59, ab: „Jede Bewegung, die zur Konstitution von Räumlichkeit notwendig ist, ist selbst räumlich verfaßt und setzt dadurch das, was sie erweisen soll, schon in Teilen voraus.“ 20 Rosa, Resonanz, 62f.; vgl. weiterhin auch Rosa, Resonanz, 26. Zu den Informationsquellen, aus denen sich eine mental map ergibt, vgl. Downs/Stea, Verhalten, 37f., die das Zusammenspiel von Perzeption der Umwelt und vorgegebenen Informationen erläutern.
Zum Wesen von Weltbildern
net und in der sie handeln, und diese Konzeptualisierung beeinflusst ebenso wie die sich herausbildenden Praxisformen, in denen sich menschliches Leben vollzieht und Weltverhältnisse sich konkretisieren, die jeweiligen Resonanzsensibilitäten und -blockaden und überhaupt die Spezifitäten jeglicher Weltbeziehung. Weltbilder in diesem Sinne repräsentieren nicht einfach bereits etablierte Weltverhältnisse, sondern sie haben stets auch einen welteröffnenden und welterschließenden Charakter.“21
Die Reziprozität entsteht, indem ein Subjekt das ihm vorgegebene Ordnungsmuster nutzt, um seine Umwelt in ihm zu verorten und das ihm in seinen Lebensräumen Begegnende auf dieses vor-läufige gesellschaftlich geprägte Schema zu beziehen und zugleich das ihm Vorgegebene den individuellen Erfahrungen anzupassen. So drückt das beim Individuum entstehende Bild eine „geistige Haltung“22 aus und ist „das Produkt eines transzendentalen Vermögens der welterzeugenden Subjektivität“23 und somit Gegenstand eines Second Order Thinking. In ihm spielen Ordnungsmuster und Welterfahrung derart zusammen, dass individuelle Erfahrung durch eine kulturell vermittelte Ordnung gedeutet und zugleich das vor-läufige gesellschaftlich geprägte Schema durch die individuellen Erfahrungen fortentwickelt wird.24 Eine Wahrnehmung der Lebenswelt mittels eines vor-läufigen Schemas wird durch einen mentalen Raum möglich, der in dem beschriebenen Prozess subjektiver Vergewisserung eines kulturell geprägten Ordnungsmusters entsteht. Im mentalen Raum werden die Erfahrungen in der lokalen Lebenswelt in das vor-läufige Schema eingeordnet. Die Stellung des Menschen im physischen Raum bestimmt zugleich die Konstruktion seines mentalen Raumes. Das Individuum nimmt sich immer als im Zentrum des Raumes verortet wahr, so dass der Lebensraum in konzentrische Kreise gegliedert (nah – fern) erscheint.25 Zur Orientierung in diesem Raum legt das Individuum eine mental map (oder auch cognitive landscape26 ) an, in dem es nicht nur topographische Gegebenheiten, sondern auch soziale Konstellationen verortet.
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Rosa, Resonanz, 69. Bauer, Art. Weltanschauung, 352. Thomé, Art. Weltanschauung, 453. Zum Gesamten vgl. Dietrich, Art. Welterfahrung (AT), 1. Vgl. Dietrich, Art. Welterfahrung (AT), 4: „Wie die Welt erfahren wird, ist Ausdruck der Weltbeziehung und Welthaltung und wirkt prägend auf diese zurück.“ 25 Rosa, Resonanz, 123: „Sowohl in der leiblichen als auch in der symbolischen Dimension ist die menschliche Weltbeziehung geprägt durch den Umstand, dass Subjekte dazu gezwungen sind, einen Standpunkt zu beziehen, von dem her sich ihnen die Welt erschließt oder um den herum sie gleichsam konzentrisch angeordnet ist, und mit diesem Standpunkt beziehen sie zugleich Stellung, verorten sie sich in der Welt.“ 26 Zum Terminus vgl. Walton, Genesis 1, 23–28.
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Zum Wesen von Weltbildern
„Kognitive Kartographie ist ein Verfahren, das aus einer Reihe von kognitiven Transformationen besteht, mit deren Hilfe eine Person Informationen über relative Lage und Eigenschaften von Phänomenen seiner alltäglichen räumlichen Umgebung aneignet, kodiert, speichert, abruft und dekodiert.“27
Eine solche mental map bildet nach ihrem Entstehen die Form eines kognitiven Schemas28 – genauer eines template schema29 –, das es dem Individuum ermöglicht, neue Informationen in die bestehende mental map einzubeziehen. „Daran zeigt sich, daß sich der Vorgang des kognitiven Kartierens aus drei Komponenten zusammensetzt: zum einen aus der Interaktion mit der räumlichen Umwelt, zum anderen aus der Selektivität, die sich aus der Funktionalisierung der Umwelt ergibt. Zum dritten aus der Strukturierung, die das ordnende Element in dem Prozeß darstellt und dadurch das Kartieren als aktives und konstruktives Verfahren erweist.“30
Eine der Orientierung des Menschen dienende mental map ist als kognitives Schema angelegt und als solches selektiv. Ziel ist es, die einzelnen, die Realität des Individuums prägenden Elemente in Sinngefüge zu fassen, so zu kategorisieren und auf diese Weise die Komplexität des Wahrgenommenen zu reduzieren.31 Dabei fließen subjektive Sinneswahrnehmung und kulturell vorgeprägte Deutung des Wahrgenommenen zusammen. Durch diese Determination wird die individuelle Erfahrungswelt kodiert. So bildet sich beim Individuum das als Außenperspektive Verstande aus als „an active organisation of past reactions, or of past experiences, which must always be supposed to be operating in any well-adapted organic response. […] What is very essential to the whole notion, [is] that the organised mass results of past changes […] are actively
27 Downs/Stea, Verhalten, 19. Zur Kognition vgl. im Weiteren: „Raumbezogene Kognition liegt dann vor, wenn das Interessenfeld so ausgedehnt ist, daß es weder auf einmal noch in einer Sequenz von Blickfolgen perzipiert bzw. begriffen werden kann. Solche Großräume müssen kognitiv organisiert und dem Gedächtnis einverleibt werden; ihnen eignen Objekte und Ereignisse, die sich außerhalb des unmittelbaren Wahrnehmungsfeldes des Betrachters befinden“ (Downs/Stea, Verhalten, 26). 28 De Jean, No man’s land, 175–189, beschreibt das Ergebnis dieses Prozesses als „psychogeographies“. 29 Zur Kategorisierung vgl. Hastie, Schematic principles, 40. 30 Jooß, Raum, 114f. Vgl. auch Lux, Sacharja 1–8, 111: „Mit ihnen verbinden sich Zustände und Emotionen, die dem begrifflichen und gegenständlichen Denken vorausliegen und sich immer nur annäherungsweise im neuen Trägermedium Text wiedergeben lassen. Das bedeutet allerdings nicht, dass mentale Bilder weltlos und realitätsfern wären. Vielmehr werden sie in der Regel durch exogene Faktoren, Begegnungen mit Gegenständen, Phänomenen oder auch Personen der realen, sichtbaren Welt ausgelöst, ohne in diesen aufzugehen.“ 31 Vgl. Gardiner/Engler, Charting, 5f.
Zum Wesen von Weltbildern
doing something all the time; are, so to speak carried along with us, complete, though developing, from moment to moment“32 .
Das sich so konstituierende Schema basiert auf vor-läufigem Wissen und bietet dem Individuum einen Interpretationsrahmen für Einzelerfahrungen, die integriert und dadurch gedeutet werden.33 Durch diesen kontinuierlichen Aneignungsund Abgrenzungsprozess ist das kognitive Schema per se dynamisch.34 Diese Dynamik besitzt so lange nur geringe Auswirkungen auf das kulturell vermittelte Ordnungsmuster, so lange keine größeren kognitiven Dissonanzen auftreten. Kognitive Schemata tendieren per se dazu, dissonante Erfahrungen durch selektive Wahrnehmung zu unterminieren und zeichnen sich so durch eine hochgradige Perseveranz aus.35 Erst wenn eine Erfahrung dem kognitiven Schema derart widerspricht, dass dieses grundsätzlich in Frage steht, entwickelt sich das Schema fort. Damit eine solche Informationsverarbeitung einsetzt, muss eine maßgebliche Dissonanz zwischen Erfahrung und kognitivem Schema entstehen, wie sie bei epochalen Ereignissen einsetzen kann.36 Erst durch die Integration derartiger Dissonanzen wird die Perseveranz des kognitiven Schemas überwunden und setzt eine Änderung des Ordnungsmusters ein. Maßgeblich ist seine Funktion, da es 32 Bartlett, Remembering, 201. Vgl. auch Downs/Stea, Kognitive Karten, 134: „Wie bis jetzt dargestellt, dienen kognitive Strukturen oder Karten als Bezugssysteme, als Interpretationsgrundlage, als Quelle von Verhaltensvorhersagen und als Mittel, mit denen man Ausdruck und Verständigung verkürzen kann. […] Räumliche Information wird so verarbeitet (ausgewählt und strukturiert), daß sie zu jeder Zeit für unsere Zwecke wieder abrufbar und verwendbar bleiben.“ 33 Vgl. Taylor/Crocker, Schematic basis, 91: „A schema is a cognitive structure that consists in part of the representation of some defined stimulus domain. The schema contains general knowledge about that domain, including a specification of the relationships among its attributes, as well as specific examples or instances of the stimulus domain.“ Vergleichbar auch Jooß, Raum, 115: „Als Grundvoraussetzung für die gemeinsame Perspektive einer Gruppe gilt, daß es jenseits der individuell verschieden ausgeprägten Raumkonzepte eine diesen Individualisierungen gemeinsam evozierte Struktur geben muß, die von allen Diskursteilnehmern geteilt wird.“ 34 Vgl. Neisser, Cognition, 56: „The information that fills in the format at one moment becomes part of the format in the next, determining how further information is accepted. The schema is not only the plan but the executor of the plan. It is a pattern of action as well as a pattern for action.“ Weiter führt Neisser, Cognition, 54, zur Entwicklung kognitiver Schemata aus: „A schema is that portion of the entire perceptual cycle which is internal to the perceiver, modifiable by experience, and somehow specific to what is being perceived. The schema accepts information as it becomes available at sensory surfaces and is changed by that information. It directs movements and exploratory activities that make more information available, by which it is further modified.“ 35 Als Phänomene, die Kohärenz einer mental map trotz bestehender Dissonanzen hervorrufen, nennen Downs/Stea, Verhalten, 32–34, Verzerrung und Ausweitung. Weiter führen Downs/Stea, Kognitive Karten, 111–117, funktionale Bedeutung und Unterscheidbarkeit bzw. Vorstellbarkeit als Selektionskriterien an. Weiter vgl. Jooß, Raum, 113. 36 Vgl. Fiske/Linville, Schema concept, 550.
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auch nach den Umbrüchen für die Orientierung des Individuums in Raum und Zeit kohärent sein muss. Der im Prozess des mental mappings entstehende mentale Raum ist seiner Natur nach dynamisch, auch wenn das Ordnungsbestreben des Individuums aufgrund seines Hangs zur Sublimierung von Dissonanzerfahrungen dazu tendiert, ihn als statisch wahrzunehmen. Damit ist das auf diese Weise entstehende Ordnungsmuster zweifach vor-läufig: Es wird dem Individuum im Prozess kultureller Vermittlung vorgegeben und stellt zugleich eine sich kontinuierlich wandelnde Ver-sinnbild-lichung von individuellen Erfahrungen im Raum in seiner Zeitlichkeit dar.37 Literarisch wirkt sich dies dahingehend aus, dass die Verfasser*innen mit ihren Werken das diesen zugrundeliegende Ordnungsmuster implizit vermitteln. Sie legen ihrem Text das für sie gültige template schema zugrunde. So können für Versuche, die Transformationsprozesse des Ordnungsmusters zu explizieren, nicht nur Beschreibungen des Raumes, wie sie sich vor allem in den Schöpfungsmythen zeigen, genutzt werden. Stattdessen müssen die impliziten Ordnungsmuster betrachtet werden, die Verfasser*innen in ihren Texten zur Verarbeitung dissonanter Erfahrungen aufrufen. Die Integration dieser literarisch verarbeiteten Dissonanzerfahrungen in die überkommenen Ordnungsmuster führen zugleich zur Anpassung des Schemas. Durch das geschilderte Novum gewinnt das implizite Ordnungsmuster ein Vorher und ein Jetzt, so dass der Text Teil einer Transformation ist. Die Dynamik entsteht durch die Neudeutung des Vor-läufigen, so dass die Transformation, die im Text sichtbar ist, direkt wieder Gegenstand kultureller Vermittlung wird. Hier wird auf der literarischen Ebene die Dynamik des Prozesses sichtbar. Bildet der Text eine Dissonanzerfahrung ab, die zu einer individuellen Adaption von Welterfahrung führt, wird die Neudeutung des Ordnungsmusters zum Verständnis des Textes vorausgesetzt und zugleich durch den Text vermittelt. Dieser wird dann Grundlage weiterer kultureller Vermittlung des Weltbildes, in das zukünftige Dissonanzerfahrungen integriert werden. Diese Veränderung des Ordnungsmusters basiert auf Faktoren, die die Weltwahrnehmung bestimmen. Diese Faktoren sind unterschiedlicher Natur. Dazu zählen Einflüsse aus Natur (geologische, meteorologische etc.) und Kultur (Herrschaftsformen, wechselnder Einfluss von fremdländischen Leitkulturen etc.). Die Veränderungsprozesse sind dementsprechend multifaktoral. Dies wird durch die Texte oder Bilder sichtbar, die Zeugnis einer Integration in Veränderungsprozessen entstehender Dissonanzerfahrungen sind. Durch sie wird in unterschiedlichen literarischen oder piktoralen Formen jeweils ein Novum vermittelt, das durch Text oder Bild in seinen kulturellen Kontext eingeführt wird.
37 Vgl. Konstantopoulos, Constructing Space, 1.
Zum Wesen von Weltbildern
Ziel einer wissenschaftlichen Beschreibung des Weltbildes ist es nun, das jeweilige implizite Weltbild sichtbar zu machen, so ein explizites Weltbild zu extrahieren und seine Entwicklung zu beschreiben.38 Dies erfolgt jedoch nicht in einer reinen Aneinanderreihung einzelner, durch Texte und Bilder vermittelter Weltbilder, sondern vielmehr in einer Suche nach Faktoren, die für die Transformationen bestimmend sind. Diese für das Weltbild konstitutiven Faktoren sind für die Gesellschaft, in der Autor*innen und Künstler*innen leben, maßgeblich. Die Tendenz zur selektiven Wahrnehmung des Individuums und so gesicherten Perseveranz kulturell vermittelter Vorstellungen führen dazu, dass das Weltbild erst durch die Interpretation von unüberwindbaren und nicht zu ignorierenden Dissonanzen an die neuen Gegebenheiten angepasst wird. In diesem Sinne erfolgt die Ausbildung des Weltbildes als multifaktoraler Prozess, an dessen Ende eine neue Deutung des Raumes in seiner Zeitlichkeit durch seine sich immer wieder verändernden sinnstiftenden Elemente steht. Es ist also nicht die Übertragung eines idealen Raumes, wie er durch die Übersetzung des lateinischen imago ideaque mundi in das althochdeutsche uuerlt pilde mit dem Begriff Weltbild assoziiert wird, auf die Lebenswelt des Menschen, sondern ein kontinuierlicher Prozess ihrer Ver-sinnbild-lichung, der dem Individuum die Deutung von Raum und Zeit ermöglicht. Diese Prozessualität kann kaum mehr mit dem statisch verstandenen, geprägten Begriff Weltbild wiedergegeben werden. Vielmehr entsteht die Orientierung in einem kontinuierlichen Prozess einer Raumdeutung, indem Autor*innen die ihre Kultur prägenden Einflüsse auf die sinnstiftenden Elemente beziehen. So beschreiben sie den sie umgebenden Lebensraum in seiner Symbolhaftigkeit wieder und wieder neu, passen tradierte Deutungsmuster an und verändern so das Ordnungsmuster, an dem sie sich orientieren. Eine derartige Beschreibung der Entwicklung in den Quellen der persischen Zeit setzt für diese Studie einen methodischen Zweischritt voraus. Zunächst ist nach einem vorgegebenen, kulturell vermittelten und damit den Texten und Bildern impliziten Ordnungsmuster zu fragen. Der folgende Überblick über die Forschungsgeschichte wird zeigen, dass es im antiken Vorderen Orient eine gemeinsame Grundstruktur gibt, mit der lokal unterschiedliche Ausprägungen verbunden werden konnten. Eine solche spezifische Prägung weisen die Studien zur Ver-sinnbildlichung des Lebensraumes sowohl altorientalischer als auch alttestamentlicher Zeugnisse der vorexilischen Zeit auf, die im Anschluss kritisch betrachtet werden. Den in ihnen aufgewiesenen Entwicklungen folgend, werden im Hauptteil dieser
38 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 21: „Hierfür erscheint mir eine Unterscheidung zwischen einer impliziten Kosmologie, die in jedem Text vorausgesetzt ist, und einer expliziten Kosmologie fruchtbar zu sein. Mit letzterer sind solche Aussagen über räumliche und zeitliche Ordnungen gemeint, denen eine eigenständige Bedeutung und theologische Begründungsfunktion zukommen.“
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Studie die Transformationen in persischer Zeit unter den sich wandelnden geschichtlichen Bedingungen bedacht. Hier zeigt sich dann auch an den alttestamentlichen Texten, dass die Transformation des Ordnungsmusters ein fortwährender Versuch ist, zeitaktuelle Begebenheiten zu deuten, indem sie als für die Kultur sinnstiftend verstanden und im Raum verortet werden.
2.
Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
In den vorderasiatischen Kulturen bildete sich seit dem 4. Jt. v. Chr. ein Ordnungsmuster aus, das sich in seiner Grundstruktur in den schriftlichen und bildlichen Zeugnissen von den Zentren Mesopotamiens bis auf die südliche Levante nachweisen lässt. Dieses geht von einfachen Naturbeobachtungen aus, mit denen zunächst der menschliche Lebensraum abgegrenzt wird: Der Himmel wird als sich über die Erde wölbend, die Erde als Basis dieses Himmelsbogens verstanden. Dieses Motiv baut auf der Beobachtung auf, dass die Sonne am Morgen am östlichen Horizont und damit genau an der Schnittstelle von Himmel und Erde erscheint, am Mittag hoch über dem Erdboden steht und am Abend am westlichen Horizont untergeht. Der sich aus dem Erdboden und dem Sonnenverlauf am Himmel ergebende Zwischenraum bildet die Biosphäre, in der sich das menschliche Leben ereignet. Aus dieser Wahrnehmung resultiert die Vorstellung, dass die menschliche Lebenswelt als Halbkugel konstruiert ist. Diese Form wird zunächst nicht in Texten beschrieben, sondern bildet sich seit dem ausgehenden Neolithikum in den Kunstwerken Mesopotamiens ab. Dies können strukturalistische Studien zur Entwicklung der Raumvorstellung anhand von Kunstobjekten aufweisen. Diese entsprechen in ihrer Formgebung der geometrischen Konstruktion der Biosphäre, wie Manuel Bachmann verdeutlicht. Er zeigt zunächst an aus dem mesopotamischen Neolithikum überlieferten Malereien auf, dass ihre Darstellungen Szenen abbilden, die noch nicht erkennbar auf eine Bezugsgröße innerhalb des Raumes ausgerichtet sind: „Verweilt man vor einer solchen Malerei, dann fällt auf, daß es prinzipiell unmöglich ist, die Raumrelationen nur einer einzigen Figur zu einer anderen exakt zu unterscheiden: Welches Tier steht hinter dem anderen, welches berührt welches, welche Distanzen sind zu denken, wo ist oben, wo ist unten, liegen alle Figuren auf dem Boden, sind es bloß zur Zählung oder zur katalogmäßigen Erfassung addierte Einzelfiguren? Wo befindet sich der Betrachter bzw. der Zeichner, links unten, rechts unten, dort, wohin die Tiere blicken, oder steht er in einem Bezug zur dargestellten Menschenfigur? Die Fragen können deswegen nicht beantwortet werden, weil sie ein in sich ausgeprägtes Raumsystem voraussetzen, das in der Darstellung offensichtlich noch gar nicht verfügbar ist.“1
1 Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 26.
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Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
Raumstrukturen entstehen erst, wenn die dargestellten Figuren auf eine Standlinie bezogen sind, so dass die Gravitationsverhältnisse des Körpers berücksichtigt werden können. Damit ist die Konstellation oben - unten erkennbar und als „absolutes Bezugssystem festgelegt“2 . Zum Ende des Neolithikums entwickelt sich daraus ein erstes räumliches System. Um die abgebildeten Konstellationen auf einer Fläche verorten zu können, war es nötig, dass die Bedeutung des rechten Winkels und damit der Fläche als geometrische Bezugsgröße erkannt wurde: „Im Neolithikum entwickeln sich erste spezifische Raumstrukturen, indem Fläche und Gravitationslinie zueinander in Beziehung gesetzt werden. Durch die Ausbildung zusammenhängender Ornamentsysteme und eingerahmter Flächen zeigt sich eine Abstraktion auf die Fläche, welche in den steinzeitlichen Höhlenzeichnungen noch nicht vorhanden ist, weil die Fläche dort an einzelne Figuren gebunden bleibt und keinen Flächenzusammenhang ergibt. Ornamentsysteme und eingerahmte Flächen ergeben aber darüber hinaus noch keine Abstraktion auf einen zusammenhängenden Raum. Diese Abstraktion wird erst mit der Erkenntnis der Schwerkraftwirkung geleistet, und zwar dadurch, daß die mit der Schwerkraft gegebene dritte Dimension mit der Fläche über die Erfindung des rechten Winkels verbunden wird.“3
Erst unter Einbezug der Schwerkraft ist es möglich, Ornamentsysteme und eingerahmte Flächen zu einem zusammenhängenden Raum zu abstrahieren. Dies erfolgt dadurch, „daß die mit der Schwerkraft gegebene dritte Dimension mit der Fläche über die Erfindung des rechten Winkels verbunden wird“4 . Durch den rechten Winkel kann nun jedes einzelne Objekt verortet werden, so dass in einer zweidimensionalen Darstellung eine dreidimensionale Wahrnehmung möglich wird. Eine solche flächige Gestaltung fand in der vorderasiatischen Antike zwei unterschiedliche Ausdrucksformen: Während in Ägypten die Orthogonalität als stereometrische Grundstruktur erscheint und durch aspektivische Darstellungen in eine dreidimensionale Wahrnehmung überführt wurde,5 entwickelte sich in Me-
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Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 27. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 27. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 27. Zur Aspektive vgl. Brunner-Traut, Erkennen, 8: „Addition ist in Ägypten freilich an sinnbedingte Position gebunden, das Benachbartsein ist als Relation er-faßt, Lage und Maße, aber nur bedingt die Richtung sind dem Ganzen angepaßt. Ein Auge sitzt nicht am Knie (wie etwa bei Picasso), die Teilformen sind in die Ordnung des Ganzen einbezogen, aber – im Unterschied zur Perspektive – als relativ selbständige Einheiten, deren Sosein für sich be-griffen ist als formkonstantes Element.“ Zur Raumtiefe in der Aspektiven führt sie weiter aus, dass „der ‚Raum‘ nicht in seiner Tiefe, sondern qualitativ gekennzeichnet [ist]. Er ist ein Ort bzw. setzt sich aus aneinandergereihten Orten zu einem quasi-Raum zusammen; Gräser am Boden evozieren die Steppe, Sand die Wüste, Papyrus eine Sumpf-
Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
sopotamien die Vorstellung von simultan existierenden Sphären im selben Raum als grundlegende Darstellungsform. „Diese beiden Strukturen des Orthogonalen und des Sphärischen sind an sich Gegensätze. Das Fundamentalcharakteristikum der mesopotamischen Raumauffassung bildet aber gerade die Verbindung orthogonaler und sphärischer Strukturen.“6
Die Verbindung von Orthogonale und Sphäre wird besonders an der Kunstform Rollsiegel sichtbar, die in Mesopotamien entwickelt wurde und sich von dort zwischen Industal und Mittelmeerküste verbreitete. „Bei Rollsiegeln wird im Bild Orthogonalität realisiert, indem das Bild die Koordinatenordnung der Ebene übernimmt. […] Das Siegel selbst prägt durch Abrollung nichts anderes als einen orthogonalen Koordinatenraum in die undifferenzierte Fläche des Materials.“7
Diese orthogonale Struktur wird durch sphärische Strukturen überlagert, indem die Dekoration der Siegel den Kreis als Grundstruktur verwendet und damit eine Zentrum-Peripherie-Relation erwirkt. „Die sphärische Grundstruktur dokumentiert sich […] bei den orthogonal abdruckenden Rollsiegeln, namentlich in der Zylinderform des Siegels einerseits und in den unendlich in sich zurücklaufenden Figurenbändern andererseits.“8
Auf diese Weise besitzt das Muster keine Begrenzung in der Horizontalen. Vielmehr „ist es selbstbezüglich: es reproduziert die Unendlichkeit des Kreises in seinem Gegensatz, im Linearen. Umgekehrt heißt das für den Betrachter, das Lineare immer als Abrollung des Kreises zu lesen, als Funktion desselben.“9
Diese dem modernen Menschen als Widerspruch erscheinende Konstellation von Raum und Sphäre stellt ein dem antiken vorderasiatischen Betrachter bekanntes Ordnungsmuster dar.
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landschaft“ (Brunner-Traut, Erkennen, 25f.). Weiter vgl. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 25–38. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 28. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 28. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 29. Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 30.
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Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
„Grundlagen der Rundkomposition sind konzentrische Kreise und Wirbel, in denen die vertikale Achse der orthogonalen Raumordnung in den Radius und die horizontale Achse in die Umlauflinie des Kreises transformiert sind. Damit kann die sphärische Raumstruktur als Ausdeutung des orthogonalen Koordinatenraumes verstanden werden. Die Koordinaten des orthogonalen Raumes sind parallel und treffen sich im Unendlichen. Im sphärischen Raum dagegen treffen sie sich im Zentrum, von dem sie strahlenförmig ausgehen oder um das sie kreisen. Die sphärische Raumstruktur veranschaulicht auf diese Weise die Unendlichkeit des orthogonalen Raumes und deutet denselben als eine unendliche Kugel.“10
Ein Raum kann dementsprechend unterschiedliche Sphären, die sich überlagern können, aber voneinander getrennt sind, beinhalten. Damit bilden sich unterschiedliche, simultan existierende Realitäten innerhalb eines Raumes aus. Auf diese Weise schuf das Mesopotamische eine Kunstform, die auf einem spezifischen Ordnungssystem basiert und ein Zeugnis kosmologischer Vorstellungen ist. Während ein auf dem Orthogonalen basierendes Weltverständnis zwingend eine räumliche Trennung von Oben und Unten annimmt, bildet die Sphäre eine räumliche Ausdehnung vom Zentrum zur Peripherie aus, in der die Kugel als geometrische Grundstruktur erscheint und die Achsen als Verbindung von Zentrum und Peripherie angesehen werden. Die sich ergebende Doppelstruktur, in der das Sphärische und das Orthogonale miteinander verbunden sind, kennen nun ebenso eine Raumschichtung sowie eine Simultaneität von Sphären innerhalb eines Raumes.11 Bezogen auf die Wahrnehmung des von Himmel und Erde umgebenen Raums bedeutet dies, dass innerhalb des von Himmelsgewölbe und Erdboden begrenzten Lebensraums Sphären existieren, während die Regionen außerhalb der Halbkugel als weitere kosmische Räume verstanden werden. Ein Übergang des von der Halbkugel gebildeten Raums (Biosphäre) in die weiteren kosmischen Regionen (Himmel und Unterwelt) ergibt sich der geometrischen Form entsprechend an zwei Stellen: Zum einen verbindet die vertikale Achse Zentrum und äußere Hülle der Halbkugel – als ein solches Phänomen wird die axis mundi gedacht –, zum anderen trifft der als Kuppel geformte obere Rand der Biosphäre, also der atmosphärische Himmel, am Horizont auf die horizontale Achse, also den Erdboden, so dass sich
10 Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 32. 11 Auf diese Simultaneität von Realitäten gehen auch die mystischen Erfahrungen zurück, die in der jüdischen Kabbalah sowie in der christlichen Mystik geschildert werden. Diese nehmen bereits existierende Literaturformen auf und reichern sie mit Erfahrungen an. Dabei greifen sie vor allem auf prophetische Texte zurück, die sich formgeschichtlich durch vier Aspekte auszeichnen: 1. Ein Bericht in 1. pers.sg; 2. der Sehende bietet eine eigenständige Interpretation des Gesehenen an; 3. eine Deutung durch eine weitere Person derselben Tradition; 4. eine Interpretation weiterer Personen anderer Traditionskreise. Dazu vgl. Tiemeyer, Zechariah, 40.
Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
jenseits der Halbkugel neben der vertikalen Achse ein zweiter Übergang zwischen den kosmischen Regionen Himmel und Unterwelt ergibt.12 Diese Konstruktion der menschlichen Lebenswelt als Halbkugel und dem Erdboden als Kreisfläche wird auf diese bezogen auch auf der sog. Babylonischen Weltkarte (BM 92687) sichtbar. Über ihre Abbildung lässt sich die Vorstellung von der Gliederung der Horizontalen ableiten.13 Sie stammt wohl aus der ersten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr.14 Die Karte ist aus der Vogelperspektive gezeichnet15 und weist die Stadt Babylon als Zentrum der Welt (jedoch nicht zentral auf der abgebildeten Fläche) aus.16 Der dem Menschen bekannte Raum wird von einem bitteren Wasser (marratu, ‚Ringozean‘, nach der Inschrift tâmtu ‚Meer‘) umgeben begrenzt. „Dargestellt ist die Erde als schwimmende Scheibe in Aufsicht, die vom Salzwasserozean umgeben wird, der als Streifen um die Erdscheibe gelegt ist und wiederum letztere von Bezirken trennt, die als Dreiecke um die beiden Kreise angebracht sind und die bereits die Urzeitwesen und Heroen beherbergen und damit den mythischen Raum repräsentieren.“17
12 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 22f.: „Neben dieser menschenweltlichen Ebene der Horizontalen spielt in der ‚Mitte‘ vor allem die kosmische Achse in der Vertikalen eine große Rolle, die zwischen den Polen ‚oben‘ und ‚unten‘ vor allem diejenigen Bereiche des Kosmos umfaßt, die für Menschen unzugänglich und deshalb den Göttern und Dämonen vorbehalten sind.“ 13 De Hulster, Horizontal Dimensions, 194f., bezeichnet dies als „awareness in the sense of a structured space“. 14 Zur Datierung der sog. Babylonische Weltkarte (BM 92687) vgl. Horowitz, Babylonian Map, 153.156; Horowitz, Cosmic Geography, 25f. Als entscheidendes Argument wird die Verwendung des Begriffs marratu angeführt. Dieser ist ein chaldäisches Lehnwort, dessen frühesten Belege aus den Zeiten Salmanassar III. (858–824) stammen (vgl. KAH, 100, 3–6). Es ist jedoch auch möglich, dass der oberhalb der Karte stehende Text eine sekundäre Ergänzung darstellt (Horowitz, Babylonian Map, 153; Horowitz, Cosmic Geography, 26). Unklar ist, warum Hartenstein, Babylonische Weltkarte, 13, aufgrund der Nennung des Landes Urartu als südlicher Bezugspunkt eine Datierung in das 9. Jh. v. Chr. annimmt, da die Bezeichnung zwar in neuassyrischen Inschriften regelmäßig erscheint, aber bereits mittelassyrisch belegt ist; vgl. Horowitz, Babylonian Map, 153. 15 Vgl. Horowitz, Babylonian Map, 147. 16 Zur Forschungsgeschichte seit der Entdeckung der Tafel s. Delnero, Land, 21–29. Ataç, Landscapes, 391, weist darauf hin, dass die Gebiete innerhalb des Ringozeans als oikumene anzusehen sind, die als direkter Einflussbereich der mesopotamischen Großreiche galt. 17 Pongratz-Leisten, Mental Map, 275; Konstantopoulos, Constructing Space, 3, beschreibt den Prozess aus der Perspektive menschlicher Imagination: „Lands found at the periphery of the known and explored world were often directly correlated with the fantastic and the wondrous, as well as the monstrous and terrifying. Even when those distant locations could be proved as real and even mundane by trade encounters or military contact, the stories of their more fantastic qualities were neither disproven, diminished, nor replaced by the reality of their actual existence.“
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Die Orte, die sich außerhalb der menschlichen Lebenswelt befinden, werden als weit entfernt gekennzeichnet: „Der äußere Bereich jenseits des Ringozeans besteht aus dreieckigen, wie Zacken nach außen gerichteten Flächen, die als nagû, ‚Regionen‘, bezeichnet sind. Dieses Wort meint in spätbabylonischen Texten weit entfernte und unbekannte Gebiete.“18
In ihnen geht der für den Menschen erfahrbare historisch-reale in einen mythischen Raum über.19 Dies wird nicht nur an der Beschreibung der Regionen im Text oberhalb der Zeichnung auf der Babylonischen Weltkarte sichtbar, sondern auch auf den aus neubabylonischer Zeit bekannten kudurru-Steinen dargestellt. Diese bieten eine dreidimensionale Darstellung des kosmischen Gebäudes. In mehreren Exemplaren babylonischer kudurru-Steine, die kegelförmig behauen sind,20 sind in die Spitze astrale Symbole oder eine Schlange als Symbol des himmlischen Ozeans eingearbeitet.21 Unterhalb der Spitze werden häufig Szenen in mehreren Registern abgebildet. Ihre Ebenen entsprechen dem kosmischen Gebäude. Dieses wird an einem aus spätkassitischer Zeit (1200–1100 v. Chr.) stammenden Stein (Abb. 01) exemplarisch sichtbar.22 Auf der Spitze dieses Steins wird der Himmelsstier als Symbol des Herrschaftsbereichs Anus abgebildet.23 Als oberer Fries ist eine Schlange eingraviert. Im oberen Register sind Symbole großer Götter zu sehen, die wohl als Sternbilder zu verstehen sind. Die Chaoswasserschlange an der Basis des Steins und die oberhalb von ihr sichtbar werdenden Säulen stellen die Unterwelt dar. Die Biosphäre ruht auf den Kapitellen. In der Biosphäre werden schließlich musizierende Personen und Tiere dargestellt.
18 Hartenstein, Babylonische Weltkarte, 13. De Hulster, Horizontal Dimensions, 195f., zeigt an verschiedenen neuassyrischen Belegen, dass der Begriff nagû in früheren Zeiten als ‚Inseln‘ verwendet wurde und diese Konnotation in der Inschrift von BM 92678 mitschwingt. 19 Vgl. Horowitz, Comic Geography, 30–40; Pongratz-Leisten, Mental Map, 276, Wiggermann, Scenes, 208; Koch, Art. Welt/Weltbild, 2.1. 20 Zur Form vgl. Seidl, Kudurru-Reliefs, 67, die die Formgebung eher als vage bezeichnet: „Die Kudurru sind formal unpräzisierte Stelen. Sie sind als oben abgesuchte, abgerundete oder pyramidische bzw. konisch zugespitzte Quader oder als Geröllsteine mit elliptischem Aufriß und Querschnitt gestaltet.“ Vgl. auch Koch u. a., Kudurru-Symbole, 93. 21 Vgl. z. B. den kudurru-Stein BM 90840 aus der Isin-II-Zeit. Abrufbar unter https://www.britishmuseum.org/collection/object/W_1863-0826-2. Letzter Aufruf: 25.02.2021. 22 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=15427. Letzter Aufruf: 25.02.2021. 23 Vgl. Seidl, Kudurru-Reliefs, 30f.
Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
Abbildung 1: kudurru, Susa (1200–1100 v. Chr.), SB 25 © Sammlung BIBEL + ORIENT, Fribourg
Blickt man von oben auf diese Steine, erscheint das kosmische Gebäuded in Form einer Halbkugel, deren erhöhtes Zentrum der Himmel bildet, während die Unterwelt als Basis der Halbkugel dient und zugleich an den Rändern liegt. Die direkte Verbindung vom Himmel in die Unterwelt ergibt sich dann durch die z-Achse, die die einzige vertikal verlaufende Gerade darstellt. Wie Bachmann feststellt, dienen „die Geraden, sofern sie überhaupt noch vorkommen, […] als kürzeste Verbindung zweier Punkte in einem sphärisch gekrümmten Raum“24 . Wird durch die Form von kudurru-Steinen und Babylonischer Weltkarte die kosmologische Konstruktion der Grundstruktur vorderasiatischer Weltbilder deutlich, wird die Aufteilung der Horizontalen als menschlicher Lebensraum über Abbildung und Text von BM 92687 sichtbar. Zwischen den eingezeichneten Stadtzentren und der Hemisphäre liegt eine Region, in der gemäß der Inschrift wilde Tiere leben. Auf diese Weise ergibt sich eine konzentrische Struktur, in der das Zentrum als Kulturland/Zivilisation und die Peripherie als Wildnis/Steppe verstanden wird.25
24 Bachmann, Artefakt- und Kunstanalyse, 33. 25 Zum Gegenüber von Welt und Gegenwelt vgl. Pongratz-Leisten, Mental Map, 272f.
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Dieses Bild drückt einen geographischen Antagonismus aus, der sich im Weltbild widerspiegelt. Dieses wird an den den Regionen zugeordneten Bereichen und den mit ihnen verbundenen Gegensätzen deutlich (s. Tabelle 1). Tabelle 1: Wiggermann, Scenes, 210f.
PLACE
TIME SOCIETY
ANIMALS SUPERNATURAL
Center 1. Lowland cities 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Surface of the earth Surface of the earth Present (being) Civilization, just rule Bound to gods Living beings, noise Domesticated Acting normally Gods (cults) Anthropomorphism
Periphery Deserts, border rivers, forcing nations, mountains, sea Underworld Sky (Primordial) past (becoming) Barbarian, enemy, witch Ungodly Spirits of the dead, silence Wild Acting abnormally Demon (no cult), mountain gods Animal gods, monsters, monstrosities
Die Zivilisation wird demzufolge als geordnetes System wahrgenommen, während die Peripherie als Gegenwelt gedeutet wird. Dieses Verständnis wird in allen kulturellen Ausdrucksformen vermittelt.26
26 Nach wie vor problematisch ist die Bezeichnung der Wesen, die sich zwischen den einzelnen kosmischen Räumen bewegen. Dies zeigt Angelini, L’imaginaire, 46f., an: „La catégorie de Zwischenwesen, par exemple, n’est pas entièrement satisfaisante, car elle inclut traditionnellement un nombre divers de créatures qui ont, à strictement parler, peu à voir avec les démons, telles que les héros, mais aussi les êtres humains doués d’un sta^tut particulier: les prophètes, les chamans, et même les prêtres. En outre, comprendre les démons comme des êtres qui sont ‚entre‘ les hommes et les dieux n’est pas tout à fait correct. L’origine divine des démons est souvent mise en avant par les sources mésopotamiennes et égyptiennes et nous verrons que même dans la Bible hébraïque certains démons font partie de la cour céleste. Pour ces raisons, cette catégorisation n’arrive pas à saisir les spécificités du démoniaque. De la même manière, la notion de Mischwesen est également très large et met en avant l’aspect iconographique: de ce fait, elle peut être perti- nente pour le dossier mésopotamien ou égyptien, mais ne l’est pas nécessairement pour le Levant. À cet égard, il faut considérer que démons et hybrides sont des catégories contiguës, mais non parfaitement superposées: alors que l’hybridisme peut, parfois, être une caractéristique propre aux démons, cela ne suffit pas à les définir. La proposition de Ahn, qui parle de religiose Grenzganger, demeure excessivement labile et artificielle, et décrit une des fonctions possibles attribuée aux démons plutôt que leur véritable nature.“ Adressiert wird das Phänomen der ‚Liminalität‘, das diese Wesen miteinander verbindet. Sie haben Zugang zu mindestens zwei kosmischen Räumen und können auf diese Weise den Transfer zwischen diesen Bereichen sicherstellen.
Zur Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in der vorderasiatischen Antike
„Tempel, Schreine, Straßen, Stelen oder Betyle wie auch Berge und Flüsse werden als Codes für eine mental map eingesetzt, in die die Konstruktion von einer Innen- und Außenwelt räumlich projiziert und die durch Sprache und Handlung – Mythos und Ritual, Ideologie und Kriegsführung -– kontinuierlich aktualisiert und memoriert wird. Während die mental map sich durch den räumlichen Bezug auszeichnet, ist das Weltbild vom Selbstbild einer Gruppe, von ihren Erzählungen über die Vorzeit, die Entstehung und Ordnung der Welt geprägt. Beide Systeme bedingen einander gegenseitig und sind wesentlicher Ausdruck des Kulturmodells einer Gesellschaft.“27
Das so konstruierte Weltbild dient dem Erhalt und der Bewahrung eines städtischen Lebens, in dem diese sich durch ein die kosmische Ordnung erhaltendes königliches Herrschaftssystem von der feindlichen Natur abgrenzt.28 „Die Stadt als Sitz der Ausbildung wird somit nicht vom geographischen Gesichtspunkt her zum Zentrum, sondern Zentralisierung wird über die Formulierung eines Wertesystems und einer Symbolwelt erreicht, die eine Gesellschaft prägen. Es ist vor allem letzteres Verständnis von der Stadt, das sie zum Nexus kultureller Identität werden läßt und dazu führt, daß die Herkunft über die Angabe der Stadt definiert wird, wie auch Könige sich als Herrscher über bestimmte Städte deklarieren. Zentrale Bestandteile dieser Symbolwelt bilden dabei das Weltbild und die Ausgestaltung der mental map.“29 Diese beschriebene Grundkonstellation erfuhr in den einzelnen vorderasiatischen Kulturen spezifische Ausprägungen. Abhängig von lokalen Gegebenheiten werden Vorstellungen und Traditionen mit dieser Struktur verbunden und zu Weltbildern ausgestaltet. In den frühen Texten des Alten Testaments spiegelt sich so das implizite Weltbild einer auf der südlichen Levante lebenden Bevölkerung wider, das in der alttestamentlichen Forschung von unterschiedlichen Seiten her betrachtet wird. Dabei stand zunächst der Jerusalemer Tempel und sein Symbolsystem im Fokus der Forschung. In den vergangenen Jahren wurde dann zunehmend die Deutung des Landes Israel in den Blickpunkt gerückt. Wesentliche Erkenntnisse und die sich daraus ergebenden Leitlinien in Bezug auf ein Ordnungssystem, das sich in persischer Zeit wesentlich veränderte, werden im Folgenden dargestellt.
27 Pongratz-Leisten, Mental Map, 262. 28 Vgl. Pongratz-Leisten, Mental Map, 262. 29 Pongratz-Leisten, Mental Map, 263f.
31
3.
Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Die Hebräische Bibel kennt weder einen Begriff für ‚Welt‘ noch weiß sie um ein aus dem Erfahrbaren ableitbares ‚Weltbild‘. Explizit wird die Gesamtheit alles Wahrnehmbaren im Merismus ( השׁמים והארץGen 1,1; 2,1.4.5; 14,19.22; Ex 20,11 u. ö.) umschrieben. Vergleichbare Bezeichnungen wie ‚( כל הארץdie gesamte Erde‘ in 1Sam 17,46; 1Chr 16,30 u. ö.) oder ‚( כל תבלder gesamte Erdkreis‘ in Jer 10,12; Hi 34,13) treten erst in späten Ergänzungen auf. Der griechische Begriff κόσμος, der die ‚Welt‘ als Ordnungsprinzip kennzeichnet, wird erst in SapSal 11,22; 18,24 und der LXX (Gen 2,1; Dtn 4,19; Jes 13,10 u. ö.) verwendet. Trotzdem besitzen die hebräischen Texte ein Bewusstsein für die Problemstellung, die mit dem Begriff ‚Weltbild‘ einhergeht. Gen 1; Hi 28; 38–41; Ps 104; 137 stellen den Gesamtzusammenhang der menschlichen Lebenswelt dar und versuchen, ihren Ursprung zu erklären. Dabei tritt in den Texten das hervor, was im Merismus ‚( מעולם עד־עולםvom fernsten Anfang bis zum entferntesten Zukünftigen‘; vgl. 1Chr 16,32; 29,10; Ps 103,17) sichtbar wird. Der Lebensraum wird als ein zeitliches Phänomen und damit als vergänglich gedeutet.1 Da sich eine explizite Auseinandersetzung mit der Gesamtheit des Erfahrbaren in der Hebräischen Bibel in frühen Texten nicht findet, gehen frühere und aktuelle Forschungen zunächst auf die Frage nach einem impliziten Bild von Raum und Zeit in den Texten der Königszeit ein. Dabei setzen sich die Studien maßgeblich mit drei Aspekten auseinander, die teilweise miteinander verbunden werden. Ihren Anfang nimmt die Auseinandersetzung mit diesem Thema in einer Verhältnisbestimmung von Tempel und Himmel. Von einer einfachen Gleichsetzung, die in früher Zeit angenommen wurde, brachten verschiedene Studien unterschiedliche Raummodelle in die Diskussion ein, um das Verhältnis vor allem in seiner Entwicklung innerhalb des Corpus hebräischer Schriften bestimmen zu können. Mit dieser Forschung eng verbunden ist eine Beschreibung des Symbolsystem des Jerusalemer Tempels, der das kosmische Zentrum in der Schnittstelle der Horizontalen und der Vertikalen bildet. Ein dritter Bereich, der vor allem in der neueren Forschung behandelt wird, setzt sich mit der Bedeutung des verheißenen Landes auseinander. Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung lässt sich Othmar Keels Werk Die altorientalische Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen aus dem Jahr 1971 bestimmen. In ihm geht er von einer Beschreibung der Welt unter der Prämisse der Geschaffenheit von Raum und Zeit durch Gott aus. Mit dieser 1 Vgl. Krüger, Kosmologische Entwürfe, und Oeming, Art. Welt/Weltanschauung/Weltbild IV/2, 569.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Vorstellung setzt die Hebräische Bibel in Gen 1 ein. Dabei stellt die Schöpfung ein Symbolsystem dar, das auf seinen Schöpfer verweist. Diesen Gedanken verbindet Keel mit grundlegenden Einsichten in die Beschaffenheit antiker vorderasiatischer Kulturen und weist darauf hin, „daß für den Alten Orient und das Alte Testament die empirische Welt nicht einfach das ist, was ‚vor Augen‘ liegt, sondern über sich selbst hinausweist und deshalb immer auch symbolische Qualität“2 besitzt. Der Kosmos stellt einen Erfahrungsraum dar, in dem der Mensch sich als Teil eines Gesamtzusammenhanges wahrnimmt, in dem Geschichtliches und Mythisches ineinander fallen und vom Menschen als miteinander in Verbindung stehende Aspekte seiner Welt wahrgenommen werden. Als Symbole für die in diesem Raum existente göttliche Sphäre dienen Naturerscheinungen, da sie auf eine hinter der sichtbaren Emanation liegende Realität verweisen. Dies erfolgt in den altorientalischen Kulturen dadurch, dass „Begriffe, die an sich konkret sind, aber oft etwas weit über ihre konkrete Bedeutung Hinausreichendes meinen“3 , verwendet werden. Vermittelt wird dieses durch Symbole, die Abstraktes und Konkretes nicht trennen, sondern immer ineinander denken und damit in jedem einzelnen Fall Ursachen erklären. Das Symbolische ist ein Faktum, das in den konkreten Begebenheiten sichtbar wird, sich aber nicht vollumfänglich von jeder einzelnen her fassen lässt. „Der Akt der Symbolisierung leistet die Verbindung des Abstrakten mit dem Konkreten und des Konkreten mit dem Abstrakten, indem es eine Transformation der gegenständlichen in eine nichtgegenständliche Bedeutung (‚Idee‘) herbeiführt“4
und damit das Sichtbare und das hinter dem Sichtbaren Existierende, das für die menschlichen Sinnesorgane nicht erkennbar ist, durch das Symbol miteinander in Verbindung bringt. Aus den einzelnen Symbolen ergeben sich Symbolsysteme, die in den kulturellen Zentren des Vorderen Orients variieren. Die einzelnen Systeme sind von Leitmotiven und den aus ihnen resultierenden traditionsgeschichtlichen Zusammenhängen abhängig, zeigen sich jedoch immer als lokale Ausformung mit spezifischen Schwerpunktsetzungen. In der Forschung wird seit Keels grundlegender Studie vor allem ein derartiges religiöses Symbolsystem untersucht: der Jerusalemer Tempelkult. Dabei steht zunächst das Verhältnis von Tempel und Himmel im Vordergrund der Betrachtung.
2 Janowski, Das biblische Weltbild, 8. 3 Keel, Bildsymbolik, 8. 4 Janowski, Das biblische Weltbild, 19.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
3.1
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
Für die Bestimmung des Verhältnisses von Tempel und Himmel in vorexilischer Zeit sind in der Frühphase dieser Forschungsrichtung drei Publikationen wegweisend: Martin Metzger, Himmlische und irdische Wohnstatt Jahwes, Odil Hannes Steck, Friedensvorstellungen im Alten Jerusalem sowie Fritz Stolz, Strukturen und Figuren im Jerusalemer Tempelkult. Metzger fokussiert sich in seinem 1970 erschienen Beitrag zunächst auf den Tempel als Ort. Seine Untersuchung zielt dabei auf eine Verhältnisbestimmung von himmlischem und irdischem Heiligtum, die in verschiedenen Büchern der Hebräischen Bibel (1Kön, Jes, Ps) nebeneinander genannt werden. Direkt mit dem Tempel verbunden werden der Zion als Wohnsitz JHWHs (Ps 9,12; 132,13f.; Jes 8,18) sowie sein Thronen über den Keruben (2Kön 19,15; Ps 99,1). An Ps 93,2; 103,19 zeigt Metzger, dass der ‚Thron‘ ( )כסאjedoch meist mit einem himmlischen Heiligtum in Kontakt gebracht wird. Von diesen Motivübereinstimmungen ausgehend, fragt er anhand von Parallelen nach deren Beziehung. Mit Gen 28,10–22 versteht er den Kultort „als die Stätte […], an der die Verbindung zwischen Himmel und Erde hergestellt wird, als die Stätte, an der die Rampe endigt, die vom Himmel zur Erde reicht“5 . Das Jerusalemer Heiligtum sieht er als einen Ort, „an dem die ‚himmlische‘ und die ‚irdische‘ Welt einander begegnen, ja geradezu durchdringen“6 . Seine Deutung basiert auf der Interpretation eines Tonreliefs aus dem Šamaš-Tempel in Sippar (1. Hälfte 9. Jh. v. Chr.),7 auf dem eine Einführungsszene vor dem in einer Cella thronenden Šamaš zu sehen ist.8 Metzger interpretiert die Abbildung als ein Ineinandergreifen des Irdischen und des Himmlischen im Tempel. Den Tempel versteht er als einen Ort, an dem der Raum transzendiert wird, so dass eine Simultaneität des Thronens JHWHs in dem von ihm als getrennte Räume gedeuteten irdischen und himmlischen Heiligtum entsteht.9 Zentrales Element der Jerusalemer Tempeltheologie ist die auch nordsyrisch sowie mesopotamisch belegte Vorstellung vom Berg als Wohnsitz der Gottheit, auf dem diese thront. In Ps 48,2f. wird diese Tradition greifbar. In Ex 15,17f. wird sie in Anlehnung an das in KTU 1.3 III Z. 29–31 bezeugte Motiv des Berges als Erbbesitz zusammen mit der ‚Stätte deines Thronens‘ und dem ‚Heiligtum‘ erwähnt und parallelisiert.
5 6 7 8 9
Metzger, Wohnstatt, 4. Metzger, Wohnstatt, 10f. Zur Funktion der Tafel vgl. Rashid, Sonnentafel. Vgl. Metzger, Wohnstatt, 5–7. Strittig ist die Beschreibung des Wassers, das unter der Cella abgebildet wird. Metzger bestimmt es aufgrund der vier astralen Zeichen als Himmelsozean. Dagegen spricht aber die Inschrift über dem Baldachin, die diesen als put apsi (Eingang/Vorderseite Apsûs vgl. CAD 12, Art. pūtu 2, 549) bezeichnet. Das abgebildete Wasser stellt also das Süßwassermeer unterhalb des Tempelgebäudes dar.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Berg und Thron können synonym verwendet werden, so dass auch der in Jes 6 erwähnte Thron Metzgers Deutung zufolge auf die Bergtradition, die dem Jerusalemer Heiligtum zugrunde liegt, verweist. Wie das Heiligtum, so ragt auch der Berg vom Erdboden bis in den Himmel empor und stellt eine Verbindung zwischen diesen beiden kosmischen Räumen dar.10 Zu einer Differenzierung der Vorstellung kommt es erst in exilischer Zeit, als mit der dtn-dtr Reinterpretation des Tempelweihspruchs in 1Kön 8,13ff. eine Differenzierung zwischen JHWHs Wohn- oder Thronstätte im Himmel und der Anwesenheit seines Namens im Tempel in die Jerusalemer Tempeltheologie eingeführt wird.11 Die Zerstörung des Heiligtums bewirkt eine Fortentwicklung der Kosmologie, indem die Funktion des Heiligtums neu bestimmt wird. Diese Entwicklung setzt sich schließlich in nachexilischer Zeit fort, indem auch der Himmel als Wohnstätte JHWHs transzendiert und als sein Thronsitz (Jes 66,1) gedacht wird. Das priesterschriftliche Heiligtum ‚( אהל מועדBegegnungszelt‘) deutet Metzger als ein Abbild des Jerusalemer Tempels, in dem JHWH zur Theophanie erscheint. Die Beziehung des irdischen zum himmlischen Heiligtum wird auf diese Weise andersartig bestimmt, indem der Tempel im Himmel als Stätte des dauerhaften Thronens Gottes, das irdische Heiligtum als Ort seines Erscheinens verstanden wird. Damit beschränkt Metzger die Beschreibung göttlicher Präsenz für die nachexilische Zeit zeitlich. Während Gottes Anwesenheit im himmlischen Tempel durativ ist, wird seine Präsenz im irdischen Heiligtum als temporär verstanden. Die göttlichen Emanationsformen, die in den nachexilischen Texten variieren, unterscheidet Metzger in seiner Darstellung nicht weiter. Während Metzger wesentlich an den Übereinstimmungen des Jerusalemer mit mesopotamischen Tempelkulten orientiert ist, wählt Odil Hannes Steck einen stärker an israelitischen Traditionen ausgerichteten Ansatz: „Die Jerusalemer Kulttradition war schon in der vorexilischen Königszeit nur eine theologische Konzeption unter anderen, die Stadttheologie in Jerusalem, die von den gleichzeitigen, aber noch eher an den vordavidischen Traditionen Israels orientierten Auffassungen im Lande Juda und vor allem im Nordreich zu unterscheiden ist.“12
In ihr vereinigen sich Elemente von kanaanäischen oder kanaanäisch vermittelten altorientalischen Konzeptionen zu einer lokalen Ausprägung. Dies gilt auch und vor allem für die der Jerusalemer Tradition zugrunde liegende Kosmologie. Als Grundkonzept erkennt auch Steck die Gottesbergvorstellung, die vom Zaphon
10 Vgl. Metzger, Wohnstatt, 18f. 11 Vgl. Metzger, Wohnstatt, 20–24. 12 Steck, Friedensvorstellungen, 13.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
auf den Zion übertragen wird. Am Ort dieses ‚Weltenbergs‘ gehen der irdische und der himmlische Bereich ineinander über. Die Weltenbergvorstellung wird mythisch begründet, indem ein Festmachen des Berges über der Chaosflut seinen Ursprung beschreibt (vgl. Jes 2,2–4).13 Da Steck irdisch und himmlisch als Bezeichnung jeweils eines eigenständigen kosmischen Raumes versteht, bildet der Berg einen Übergangsraum, der sich in beide Räume ausdehnt. Er überträgt die Vorstellung einer axis mundi auf die Bergtradition, wobei das Verhältnis des im irdischen Raum verorteten Berges zum atmosphärischen Himmel nicht erläutert wird. So deutet Steck schon für das frühe Jerusalem Adaptionen und Zusammenführungen unterschiedlicher Traditionen an, ohne dies jedoch weiter auszuführen. Stattdessen rekonstruiert Steck bei seiner Suche nach einem Jesaja, Deuterojesaja und den Psalmen vorauslaufenden Friedenskonzept der Jerusalemer Tradition ein auf Texten aus unterschiedlichen Zeiten stammendes Bild. Diese Texte versteht er als Teil eines Traditionsstranges, den er in seiner historischen Genese jedoch nicht nachzeichnet. Eine geschichtliche Entwicklung, wie er sie eingangs auch für die Weltwahrnehmung annimmt, wird dabei jedoch nicht erkennbar. Stärker auf die von Keel aufgezeigte Unterscheidung einer sichtbaren und einer unsichtbaren Sphäre eingehend, postuliert Fritz Stolz zur Beschreibung des Tempels eine Vordergrund-Hintergrund-Relation: „Wie verhält sich nun das höchste Wesen zu jenen Aspekten des Vordergrundes, also der menschlichen ‚Normalwelt‘?“14 Diese ‚Normalwelt‘ versteht Stolz als den von einer fernen Gottheit geschaffenen Raum, „in dem sich menschliche Ordnung nun verwirklichen kann“15 . Aus der Schöpfungsvorstellung ergibt sich dann auch eine zeitliche Ordnung. Die Zeit der Schöpfung wird als ‚Vorzeit‘ gedeutet, während das menschliche Leben in die ‚Jetztzeit‘ fällt. Der Gedanke einer weiteren Epoche wird in den biblischen Texten dann als erwartete ‚Nachzeit‘ verstanden, in der der Ursprungszustand wiederhergestellt wird. Aus der mesopotamischen Kultur stammend, d. h. in sumerischer Tradition begründet und babylonisch in Bezug auf die Verehrung Marduks überzeichnet, rekonstruiert Stolz ein ursprüngliches Verhältnis von ‚Urberg‘, ‚Urwasser‘ und Begründung der Biosphäre durch die ‚Trennung von Himmel und Erde‘.16 Während das Urwasser der Vorzeit zuzuweisen ist, stellt das Hervorkommen des Urbergs und die Trennung von Himmel und Erde die Entstehung des Lebensraumes und damit auch der Zeit dar. Dabei sind die Themen ‚Urwasser‘ und ‚Urberg‘ fest miteinander verbunden. Das Hervorgehen des Urbergs aus dem Urwasser erkennt Stolz als ein sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien grundlegendes archaisches Motiv.
13 14 15 16
Steck, Friedensvorstellungen, 70. Stolz, Strukturen, 103. Stolz, Strukturen 106. Vgl. Stolz, Strukturen, 114f.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Von diesem Motivkomplex getrennt ist das Thema ‚Trennung von Himmel und Erde‘ zu betrachten.17 Im Ugaritischen findet Stolz mit dem Bezug der Tempel auf den Urberg ein Modell,18 das s. E. auch Grundlage der Heiligtumskonstruktion in Bet-El ist: „Die wesentlichen Elemente dieser Heiligtumslegende sind deutlich: Die ‚Aufschüttung‘ ist zu verstehen nach Art der babylonischen Ziqurrats, der Tempelberge, die ihrerseits nichts anderes sind als ein Abbild des kosmischen Weltberges. Wenn auch in Beth-El realiter eine derartige Tempelpyramide offenbar fehlte, so gehört sie doch zum Gut der hier vorhandenen Tempelideologie, die stark von derjenigen Mesopotamiens abhängig ist. Die ‚Boten Gottes‘ ähneln dann aber sehr stark den babylonischen Anunna-Göttern. Das zweite, was der Text hergibt, ist die Tatsache, daß El offenbar als Himmelsgottheit vorgestellt ist. Nach V. 17 gehören die – in ihrem Vorstellungsgehalt nicht ganz miteinander in Einklang zu bringenden – Aussagen nebeneinander, hier befänden sich ‚das Haus Gottes‘ und die ‚Pforte des Himmels‘. Das heißt also, daß hier El mit den beiden Vorstellungskomplexen des Weltberges einerseits und der Himmelsgottheit andererseits verbunden gedacht ist.“19
Vermittelt über die jebusitische אל שׁדי-Tradition in Gen 49,25 erkennt Stolz den Motivkomplex ‚Urwasser-Urberg‘ auch für die Jerusalemer JHWH-Tradition als konstitutiv.20 Der Urberg ist die Basis aller „Elemente natürlicher und menschlicher Kultur“21 . Zugleich wird der in Jerusalem verehrte El nach Jes 14,13 mit dem kosmischen Himmel als Wohnort verbunden. „Man wird die beiden Aussagen nicht in ein logisches Verhältnis bringen dürfen, in der Weise z. B., daß der Götterberg so hoch ist, daß er bis in den Himmel reicht.“22 In Jes 29,10 wird zudem das Thronen JHWHs über der Urflut gepriesen. Dabei versteht Stolz מבולals den sich über dem Himmelsgewölbe ausbreitenden Teil der Urflut. Die Kombination dieser Motive führt zu der Vorstellung, dass der Urberg aus den über der Himmelsfeste versammelten Wassern herausragt und Gott entsprechend ‚über den Himmeln‘ thront. Parallel zu dieser Vorstellung findet sich das Motiv ‚Zion als Urberg‘, der den Mittelpunkt der Biosphäre bildet. Die mit dem Jerusalemer Tempel verbundenen Ausstattungselemente wie das ‚eherne Meer‘ oder die Plattform des Brandopferal-
17 18 19 20 21 22
Vgl. Stolz, Strukturen, 118. Vgl. Stolz, Strukturen, 145. Stolz, Strukturen, 147f. Vgl. Stolz, Strukturen, 158f. Stolz, Strukturen, 159. Stolz, Strukturen, 164.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
tars weisen ihrerseits auf ein Verständnis des Tempels als Weltenberg hin.23 Zudem ist die Vorstellung des Thronens Gottes mit dem Motiv vom Urhügel in eins gesetzt. Trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen stellen die drei Studien die Vorstellung des Thronens Gottes auf dem Weltenberg als grundlegendes Motiv eines frühen alttestamentlichen Weltbildes heraus, an das sich weitere Traditionen anlagern konnten. Hier ist im Besonderen auf die Gleichsetzung Zions mit dem Berg Zaphon hinzuweisen. In Ps 48,3 wird Zion als Ort des Thronens und als Ausläufer des Zaphon beschrieben. Diese Beobachtung nimmt Klaus Koch in seinem Beitrag Ḫazzi-S.afôn-Kasion zum Anlass, über die Bedeutung des Gottesberges in den levantinischen Traditionen nachzudenken. Dabei geht er auch auf die kosmologische Funktion des Berges ein. Koch schließt aus der Bezeichnung ירכתי צפון, dass es in der Vorstellung des Psalmisten eine untergründige Beziehung zwischen den Bergen (oder besser der ‚in die Atmosphäre ragenden Bergspitzen‘) zwischen dem Zaphon, dem Zion und in Zusammenhang mit Ps 68,9.18 auch dem im Süden liegenden Sinai gibt.24 In Hi 26,13b findet Koch dazu einen Hinweis auf eine vertikale Ausdehnung des Zaphon, wenn dieser als bis in den Himmel ragend und als Thron des Höchsten dienend bezeichnet wird.25 Fasst man diese beiden Aspekte zusammen, so erscheint der Götterberg als vertikale sowie als horizontale Achse, durch die zum einen die Unterwelt mit dem atmosphärischen Himmel, zum anderen die Ausdehnung des Lebensraums vom Süden (Sinai) über das Zentrum (Zion) bis zum Norden (Zaphon) verbunden ist. Die horizontale Achse verläuft dabei unterhalb des Erdbodens. Eine solche untergründige Verbindung nimmt Koch auch für Tempel und Berg an. Während Tempel und Zion im Alten Testament lokal direkt miteinander verbunden sind, ergibt sich aus den aus Ugarit stammenden Texten ein andersartiges Verhältnis von Götterberg und Tempel. In KTU 1.105 Z. 7–10 wird ein tzg-Opfer erwähnt, das im gb des s.pn dargebracht wird. Koch führt diesbezüglich aus, dass auf dem als Zaphon identifizierten Dschebel aqra’ keine Spuren von Opferhandlungen nachgewiesen werden können, so dass die in KTU 1.105 Z. 7–10 erwähnte Opfergabe wohl nicht auf dem Berg, sondern im Tempel inmitten der Stadt dargebracht wurde. „Den dürftigen Hinweisen läßt sich immerhin entnehmen, daß der fernliegende S.apanu durch Opfer in der Stadt selbst erreichbar war, demnach bestimmte Stätten in der Stadt gleichsam ‚Ausläufer‘ des Berges darstellen mußten“26 .
23 24 25 26
Vgl. Stolz, Strukturen, 164f. Vgl. Koch, Geschichte eines Berges, 175f. Vgl. Koch, Geschichte eines Berges, 180. Koch, Geschichte eines Berges, 190.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Eine Veränderung dieser Weltwahrnehmung erkennt Koch in der im 1. Jt. v. Chr. auftretende Verschiebung von der Verehrung des b’l s.pn hin zur Anerkennung des b’l šmem als Hauptgottheit: „Anscheinend werden im ersten vorchristlichen Jahrtausend in den nahöstlichen Kulturen keine Berge mehr als unentbehrliche Grundpfeiler des Alls vorausgesetzt. Ebensowenig wird mehr mit Wettergöttern gerechnet, die vom Berggipfel aus mit Regen und Blitz Fruchtbarkeit gewährleisten. Stellt man den nunmehr im Kult aufkommenden und schnell dominierenden Himmelsmeister, den Ba’al Šamem bei Phöniziern und Aramäern angemessen in Rechnung, so wird nunmehr dem Himmel und seinen numinosen Mächten eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Das läßt vermuten, daß die im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Mesopotamien rasant voranschreitende Astralisierung und Astrologisierung der Religion auch auf Syrien abgefärbt und das Weltbild gründlich verändert hat.“27
Eine solche Transformation lässt sich in der Hebräischen Bibel erst in einem späteren Stadium der Traditionsbildung beobachten. Stationen dieser Veränderung zeichnet Friedhelm Hartenstein in zwei Beiträgen nach, in denen er sich auf die Fortentwicklung der Jerusalemer Tempeltheologie konzentriert. Hartensteins Darstellungen setzen in Die Unzugänglichkeit Gottes im Heiligtum im 8. Jh. v. Chr. ein. Für diese Zeit untersucht er anhand von Jes 6 die mit der Vorstellung des thronenden Königsgottes JHWH in seinem Jerusalemer Heiligtum verbundenen Motive. Aufbauend auf der Tradition vom Zion als Gottesberg dient ein aus den sozialen Konstellationen ableitbares Motiv dazu, die Weltwahrnehmung zu artikulieren: „Diese für altorientalische Kulturen insgesamt typische ‚soziomorphe‘ Interpretation der Welt, der eine ‚kosmomorphe‘ Interpretation der Gesellschaft korrespondiert, findet in der Jerusalemer Kulttradition in der Symbolik des Königtums JHWHs ihren zentralen Ausdruck. Die damit verbundenen Handlungsrollen werden vor allem mit Hilfe von elementaren räumlichen Symbolen ausgedrückt, von denen dem ‚Thron‘ die wichtigste Bedeutung zukommt.“28
Mit Ps 93 verweist Hartenstein auf die Bedeutung des Motivs ‚Thronen‘ als Ausdruck der militärischen Macht JHWHs, durch die er die kosmische Ordnung garantiert, sodass der Thron als Symbol auf die Ordnung der Welt durch JHWH seit den Anfängen an ( מאזPs 93,2) verweist. „Der Thron steht für jenen ‚Ort‘, an dem JHWH selbst anwesend ist, seine ihm eigene ‚Sphäre‘ und deren Zugehörigkeit
27 Koch, Geschichte eines Berges, 217. 28 Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 10.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
in kultischer Kommunikation am Heiligtum.“29 Damit führt Hartenstein die für die Kosmologie entscheidenden Begriffe ein: das Symbol als ein im Kult sichtbar werdendes Element, das auf göttliche Präsenz und sein Handeln verweist, sowie die Sphäre als der Gott eigene Bereich, in dem er sich aufhält und „deren Zugänglichkeit in kultischer Kommunikation am Heiligtum“30 das Ergehen Judas bestimmt. Diese ‚Sphäre‘ beschreibt er im Weiteren als „Wirklichkeitsbereich“31 und charakterisiert sie durch den in diesem Bereich stehenden Thron als ‚hintergründige Thronsphäre‘. Damit lehnt sich Hartenstein in seiner Beschreibung der Raumkonstruktion des Jerusalemer Tempels an die „für das altorientalische Raumverständnis charakteristische Sichtweise einer Tiefendimension der Phänomene der Erfahrungswirklichkeit“32 an. Die räumliche Ausdehnung der Thronsphäre beschreibt Hartenstein entsprechend des Tempelweihspruches in 1Kön 8,12f. als ‚( ערפלWolkendunkel‘), mit dem das atmosphärische Phänomen der Gewitterwolke gemeint ist. Dieses Wolkendunkel umhüllt die Thronsphäre und markiert auf diese Weise ihre Transzendenz.33 In der Synthese von Jes 6 und Ps 93 versteht er den Tempel als ‚fürstliches Haus‘ ()זבל, das als Podest ( )מכוןdes Thrones dient. „So verweist das Wolkendunkel in kosmologischer Hinsicht auf den wie ein Berg in den Wolken eingehüllten Thron, was im Heiligtum sehr wahrscheinlich in dem lichtlosen Einbau des Debīr als Tempelcella seine symbolische Entsprechung hatte. Der Debīr ist als Schrein aufzufassen, der die äußere Markierung des ‚dramatic space‘ von JHWHs Thronraum bildet, in dem dieser den Kultteilnehmern (auf symbolischer Ebene) Audienz gewährte.“34
Die Beschreibung des Thrones in Jes 6,1b als ‚( רם ונשׂאhoch und erhaben‘) weist auf die Vorstellung vom Gottesberg zurück, der sich bis in den Himmel erstreckt. Dies erklärt die ‚Überdimensionalität‘ des Thrones, der nach Jes 6,1–4 über das Jerusalemer Heiligtum hinausragt. Mit der Tradition vom Gottesberg verbindet Hartenstein eine Trennung des Raums in eine vertikale und eine horizontale Ebene.
29 30 31 32 33
Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 10. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 10. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 15. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 13. Vgl. auch Jooß, Raum, 140: „In jedem Fall galt es, JHWH als Garanten dieser Ordnung zu profilieren, was sich in der Qualifizierung JHWHs als König und Herrscher über den Kosmos und über andere Götter manifestiert. Weiterhin wird der Tempel, Wohnsitz JHWHs auf Erden, als der Ort qualifiziert, an dem der himmlische Herrschaftsthron JHWHs sich mit dem irdischen Zion so verschränkt, daß sich die Stabilität des Kosmos aus der Partizipation an der Herrschaft JHWHs auf dem Zion erklären läßt.“ 34 Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste, 128f.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
„Vom ‚Himmel‘ als Wohnort JHWHs ist darin nicht ausdrücklich die Rede: JHWHs mythischer Wohnsitz ragt in der vertikalen Ebene bergeshoch vom Zion auf. Er reicht bis hinauf an den Himmel, ohne jedoch ‚in‘ diesem lokalisiert zu sein. Zugleich verdeutlicht die über die ganze Menschenwelt, die fruchtbare Sphäre des Erdkreises ( תבלPs 93,1b.2a) ‚hohe und erhabene‘ Position des Thronenden (Jes 6,1a) seine Überlegenheit über alles Geschehen in der horizontalen Ebene (vgl. besonders die Perspektive der Zionspsalmen 46* und 48*). So lange der Tempelkult den Zugang zu dem Gottesthron in der Weltmitte ermöglichte, von dem aus JHWH nicht nur die Festigkeit der Erde (Ps 93,1f.), sondern auch deren (Lebens-)Fülle ( )מלאgarantierte (Jes 6,3b), sprach man offenbar nicht von einem gleichzeitigen Thronen JHWHs jenseits dieser, sich zwischen (atmosphärischem) Himmel und der Erde (mit dem Meer) erstreckenden Welt.“35
In der von Jes 6 und 1Kön 8,12f. ausgehenden traditionsgeschichtlichen Entwicklung wird die Vorstellung der vom Wolkendunkel als Ort der Gegenwart JHWHs in zwei weiteren Texten aufgenommen: Bezogen auf Ps 18,8–16*, dem offensichtlich älteren Text, wird in den rahmenden Versen (Ps 18,7.17) von einem Palast/ Tempel ( היכלV. 7) berichtet, in dem JHWH anwesend ist und der auf einer Höhe ( מרוםV. 17) liegt. Wenn JHWH seine Stimme erschallen lässt, donnert es im/am Himmel ( בשׁמיםV. 14). Die Theophanie erfolgt als ein Schweben auf Windesflügeln (V. 11). Die gesamte Beschreibung deutet also auf ein atmosphärisches Phänomen hin, womit mit dem ‚Himmel‘ der Luftraum über dem Erdboden gemeint sein dürfte. Aufgenommen wurde die Vorstellung in 2Sam 22,8–16. Dieser Text setzt ein Himmelsgebäude als Aufenthaltsort Gottes voraus (vgl. 2Sam 22,8 מוסדות ‚ השׁמיםHimmelsfundamente), von dem herab JHWH erscheint und aus dem heraus seine Stimme zu hören ist ( מן־שׁמיםV. 14). Während Ps 18,8–16* also noch auf dem aus der Jerusalemer Tempeltheologie bekannten vertikal ausgerichteten Ordnungssystem aufbaut, setzt 2Sam 22,8–16 ein über dem Firmament existierendes Himmelsgebäude und damit zumindest einen aus zwei getrennten Räumen bestehenden Kosmos voraus.36
35 Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste, 127f. 36 Vgl. Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste, 129–135; Hartenstein verweist als Hintergrund der Vorstellung der Himmelsfundamente in 2Sam 22,8 auf die in sumerischen und akkadischen Texten belegte Vorstellung der sum. an.úr, akk. išid šamê, die die untersten Strukturen eines mehrschichtigen Himmels darstellen. Sie „meinen offenbar sowohl das Band des sichtbaren Himmels, das unmittelbar über der Horizontlinie zu sehen ist und am Morgen eine eigene rote Färbung zeigt, als auch den darunterlegenden Rund der Erdoberfläche“ (Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste, 133). Diese Vorstellung scheint den Verfasser*innen von 2Sam 22,8 geläufig gewesen zu sein, was auf eine Abfassung des Textes in exilischer Zeit deutet, da das Bild ab dieser Epoche in der alttestamentlichen Literatur deutlich hervortritt und das vertikale Weltbild ablöst.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
Maßgeblich für die weitere Forschung löst Hartenstein in seiner Entwicklungsgeschichte den Präsenzraum Gottes von der Bezeichnung Himmel – und damit implizit von einer kosmischen Region – und deutet die durch die Symbole der Jerusalemer Kulttradition vermittelte Realität als Erfahrungsort göttlicher Präsenz.37 Diese Realität hat einen Raumbezug, was sowohl am Begriff der dimensionalen Tiefe als auch an der Identifizierung der Thronsphäre mit dem vom Wolkendunkel umgebenen Raum deutlich wird. Die Hintergründigkeit, d. h. Erstreckung jenseits des Erfahrbaren, setzt eine abgegrenzte Räumlichkeit voraus. In Anlehnung an Paul Ricœurs Ansatz einer Sinnverdoppelung durch Symbole stellt sich jedoch die Frage, ob diese rein auf dimensionale Tiefe oder vielmehr auf eine simultan existierende Realität im selben Raum verweisen, die in einem Ursache-Wirkungs-Prinzip mit der Erfahrungswelt der Menschen verbunden ist.38 Zumindest deutet die Betonung eines außergewöhnlichen Sehens ( ואראהJes 6,1b; Ez 1,1b; כה הראני יהוהAm 7,1 u. ö.) in prophetischen Visionsberichten auf eine temporäre sinnliche Erfahrbarkeit einer solchen Realität hin. Das bis dahin in der Forschung vorherrschende Axiom des Metaphorischen, das nötig ist, um die Verschränkung von göttlicher und menschlicher Realität zu beschreiben, wird von Hartenstein durch den Gedanken einer Tiefendimension von Symbolen ersetzt.39 Der Raum wird von einer hintergründigen resp. simultan 37 Auf diese Weise löst sich Hartenstein von der von Keel postulierten Übertragung des Verhältnisses ägyptischer Tempel zur Wohnstatt der Gottheiten im Himmel auf die Jerusalemer Kulttradition: „Die Präsenz Gottes im Himmel ist mit der im Tempel nicht schlicht identisch. […] Die Gottheit wohnt in der Regel seit ältester Zeit im Himmel. Im Tempel ist sie verhüllt und verborgen in Symbolen (zu denen auch das Tempelgebäude als solches gerechnet werden kann) und in Riten gegenwärtig“ (Keel, Jahwe-Visionen, 52f.) 38 Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 10, verweist bei seiner Deutung auf die Symboltheorie Paul Ricœurs, ohne diese weiter auszuführen. Hartenstein scheint hier auf kosmische Dimension bzw. Modalität des Symbols Bezug zu nehmen, die sich als Hierophanie erweist. In Abgrenzung zur Allegorie, in der Wortsinn und Symbolsinn in einem Übersetzungsverhältnis stehen, ist das Symbol an sich nicht allegorisch: „[D]as Symbol geht der Hermeneutik voraus, die Allegorie ist schon Hermeneutik; und dies, weil das Symbol einen Sinn im Durchscheinen auf ganz andere Weise gibt als es durch Übersetzung geschieht; man könnte eher sagen, daß es ihn wachruft, daß es auf ihn anspielt“ (Ricœur, Symbolik des Bösen II, 24). Seinen erzählerischen Ausdruck findet das Symbol im Mythos. Ricœur hält den Mythos für „eine Art von Symbol, ein in Erzählform entwickeltes Symbol“ (Ricœur, Symbolik des Bösen II, 26). Dabei verbleibt das Symbol vorsprachlich (Ricœur, Poetik und Symbolik, 23). Weiter zum von Ricœur aufgezeigten Konzept der Sinnverdopplung durch das Symbol vgl. Rolf, Symboltheorien, 257–264. 39 Vgl. hier auch die von Hartenstein zitierten Ausführungen zur kosmischen Bedeutung des Tempels aus Steck, Friedensvorstellungen, 14 A15: „Daß an dieser Stelle irdischer und himmlischer Bereich ineinander übergehen, wird z. B. daran sichtbar, daß innerhalb der Jerusalemer Kulttradition von Jahwes Wohnen/Thronen sowohl auf dem Zion als auch im Himmel gesprochen werden kann, ohne daß darin ein Gegensatz läge, im Gegenteil: der auf dem Zion thronende Jahwe ragt riesenhoch über die Zion unmittelbar in den himmlischen Bereich hinein auf (Jes 6,1b.4).“
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
existierenden Realität göttlicher Präsenz bestimmt. Mit diesem Gedanken schließt Hartenstein dann auch an Keels Darstellung an, der den Tempel als einen Raum versteht, in dem zwei Bereiche existieren: ein vordergründiger, der für den Menschen sichtbar ist, sowie ein hintergründiger, in dem Gott im Verborgenen bzw. im Dunkeln thront. Dieser hintergründige Bereich ist vom vordergründigen unterscheidbar, da er als Wolke eine räumliche Ausdehnung besitzt. Der hintergründige Raum ist dem Menschen i. d. R. nur in der kultischen Kommunikation zugänglich, wenn der Beter zur Audienz vor seine Gottheit tritt. Gekennzeichnet wird die Unzugänglichkeit durch das Dunkel im Tempelinneren resp. durch die Füllung des Heiligtums mit Rauch.40 Dieses Raumkonzept und das von ihm abgeleitet Ordnungssystem geriet durch die Zerstörung von Stadt und Tempel 587 v. Chr. in eine Krise, die zu einer grundlegenden Neuinterpretation führte.41 Fortführung und Transformationen der Jerusalemer Tempeltheologie in exilisch-nachexilischer Zeit sind zunächst in dtn-dtr Texten zu beobachten. Dies führt Tryggve Mettinger in seiner Studie The Dethronement of Sabaoth aus. In ihr untersucht er die Entwicklung der Vorstellung einer Einwohnung des göttlichen Namens in den Tempel. Diese ist zunächst in der Grundfassung des dtn Gesetzes noch nicht vorhanden. „The Name formula containing lěšakkēn šēm is employed in materials which are pre-Dtr additions to the law code (and it is then also used twice in purely Dtr materials). It appears that some of the passages that seem to be pre-Dtr presuppose the existence of a centralized cult plus the possibility of traveling to the cult site.“42
Religionsgeschichtlich betrachtet, kann diese Vorstellung von unterschiedlichen Begebenheiten hergeleitet werden. Entweder liegt ihr die bereits in EA 287 Z. 60f.; 288 Z. 5–7 bezeugte Formel šakan šumšu (‚er lässt seinen Namen wohnen‘) zugrunde, die sich in Abwandlungen auch in assyrischen Königsinschriften findet,43 oder sie wird auf eine ikonographisch wiederholt bezeugte Verehrung des Herrschernamens zurückgeführt, der in einer Kartusche in Inschriften in Tempeln und Palästen gekennzeichnet ist.44 Mit der Einwohnung des Namens soll zunächst die
40 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 136–166. Die Füllung des Heiligtums mit Rauch ist in Verbindung mit dem Beben der Türschwellen als Unheilsmotiv zu deuten. 41 Vgl. Jooß, Raum, 153. 42 Mettinger, Sabaoth, 60. 43 Vgl. Richter, Name, 127–199. 44 Vgl. das Kalksteinrelief I.9695 (Rockefeller Museum, Jerusalem), abrufbar unter: http://www.bibleorient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=23059, sowie die als Siegel verwendete Platte J 13132 (Jordan Archaeological Museum), abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details. php?bomid=12650, jeweils letzter Aufruf am 04.11.2020.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
Spanne zwischen der Gegenwart JHWHs auf dem Sinai und seiner Anwesenheit im Tempel ausgeglichen werden. Bemerkenswert ist, dass die Sinai-Theophanie als reine Audition geschildert wird (Dtn 4,1; 12,1). Die vollständige Ausbildung der ‚Namenstheologie‘ findet sich in exilischer Zeit. „Accordingly the Name theology may be regarded as a device for resolving the cognitive dissonance which arose when the established tenets for the Zion-Sabaoth theology were confronted with harsh reality.“45 Die vollständige Ausprägung der Vorstellung eines Thronens Gottes in einem himmlischen und der Gegenwart seines Namens im irdischen Heiligtum ergibt sich dann erst durch die Fortschreibungen des Tempelweihgebets in 1Kön 8,15–61 in den V. 27–30. Der Tempel wird zu einem Ort des Gebets (vor dem Namen), während Gott im Himmel wohnt ()ישׁב. Dieses Textstratum rechnet Mettinger der letzten Redaktionsstufe des DtrG zu. Ein weiterer religionsgeschichtlicher Vergleich kann diese Entwicklung nochmals verdeutlichen. In der Inschrift der Adad-guppi-Stele, einem in zweifacher Ausfertigung in bzw. bei Harran gefundenen Zeugnis Nabonids, wird davon berichtet, dass die Tempelanlagen in Harran im 16. Regierungsjahr Nabopolassars zerstört wurde und „die Götter wütend in den Himmel zogen“ (Tafel H1 Kol. I)46 . Während der in der Inschrift geschilderte Vorgang temporär ist und die Götter nach Wiederaufbau der Tempelanlagen zurückkehren,47 wird mit 1Kön 8,27–30 eine dauerhafte Trennung zwischen irdischem und himmlischem Heiligtum festgeschrieben. Damit löst die dtr Namenstheologie die Vorstellung eines Thronens JHWHs auf dem Zion dauerhaft ab.48 Neben der שם- bildete sich mit der כבוד-Theologie im Buch Ezechiel und im Pentateuchstratum P eine weitere theologische Richtung aus, deren Ziel es ist, die Vorstellung einer auf dem Zion thronenden Gottheit zu überwinden. Die כבודTheologie wird in zwei unterschiedlichen Ausprägungen in der Hebräischen Bibel sichtbar. Das Buch Ezechiel repräsentiert eine ältere Form, die an der Zion-ZebaothVorstellung angelehnt ist, während P eine spätere Form darstellt, in der sich eine Trennung von der Gegenwart Gottes im Heiligtum in seinem כבודund sein Niederkommen in das Heiligtum zur Theophanie bereits vollzog. Wesentlich für die ältere Form ist, dass Ezechiel sich in seiner Darstellung des Thronens Gottes an mesopotamischen und judäischen Traditionen vom Kerubenthroner anlehnt, sie
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Mettinger, Sabaoth, 61. Vgl. Schaudig, Inschriften, 510. Vgl. Ehring, Rückkehr JHWHs, 112–116. Einen weiteren Grund dafür, warum die Bezeichnung צבאותin exilischer Zeit vermieden wurde, führt Albani, Gott, 234, aus, der aufzeigt, dass „der Gebrauch des Zebaoth-Epithetons in exilischer Zeit aufgrund seiner astralreligiösen und ahnenkultischen Konnotationen problematisch“ wurde. Weiter dazu vgl. Kessler, Jahwe Zebaoth, 82.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
mit der Gegenwart JHWHs in einer Wolke kombiniert und das Auftreten als dynamische Parusie versteht.49 Die jüngere, in P bezeugte Form, nimmt dann stärker an Vorstellungen einer kultischen Gegenwart JHWHs im Tempel Anleihe und verbindet diese mit dem Begegnungszelt.50 Durch die Bezeichnung des Zeltes als ‚( משׁכןHeiligtum‘) wird eine Beziehung zum Jerusalemer Tempel hergestellt;51 zum Ort des Erscheinens JHWHs wird der Raum oberhalb des ‚Sühnemals‘ ()כפרת52 , sodass die Gegenwart Gottes nicht mehr direkt mit dem Tempel, sondern mit einem in ihm aufbewahrten Kultobjekt verbunden wird. Ort seiner Gegenwart ist das Zelt inmitten des Volkes, da JHWH nach Ex 25,8 ankündigt: ‚( שׁכנתי בתוכםich werde mitten unter ihnen wohnen‘). Damit zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur dtr Reinterpretation der Zion-Zebaoth-Vorstellung: „Thus P does not relocate God to heaven. Instead, there is a straight line leading from the Jerusalem tradition, insofar as the basic notion is that of divine immanence.“53 Den von Mettinger aufgewiesenen Prozess nimmt Christoph Koch als einen wesentlichen Einflussfaktor bei der Transformation einer zunächst an einer dem Ba’al/Hadad-Typ entsprechenden Wettergottheit JHWH hin zu einem Himmelsgott auf. Er beginnt seine Darstellung jedoch nicht bei der Vorstellung einer im Tempel thronenden Königsgottheit, sondern sieht JHWH zunächst als Wettergottgestalt, die von Anfang an mit uranischen Aspekten in Verbindung gebracht wurde. Allerdings finden sich vorexilisch nur wenige Belege, die eine Verbindung von JHWH und Himmel ( )שׁמיםbezeugen.54 Diese Texte gehören in das Umfeld des Jerusalemer Tempels und entstammen der Zeit assyrischer und babylonischer Herrschaft über Palästina. „Die Texte spiegeln Lokalausprägungen altorientalischer Tempeltheologie“55 und gehen von einem Zusammenfallen von Himmel und Erde im Tempelraum aus. Dabei stehen Tempel und Himmel in einem zweifachen symbolischen Entsprechungsverhältnis: „Der Tempel repräsentiert zeitlich den Uranfang und räumlich die jenseitige Götterwelt: Er ist der irdische Himmel, der Himmel auf Erden.“56 Grundlage der Tempeltheologie ist die Identifizierung des
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Vgl. Mettinger, Sabaoth, 106. Vgl. Mettinger, Sabaoth, 81. Vgl. Mettinger, Sabaoth, 82. Zur Deutung von כפרתvgl. Janowski, Sühne, 279–346. Mettinger, Sabaoth, 97. Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 18. Koch, Art. Welt/Weltbild, 3.2.1. Koch, Himmlische Wohnstatt, 16f. Zugleich verweist Koch auf weitere Funktionen des Tempels, die er aus mesopotamischen Traditionen ableitet: der Tempel als irdischer Wohnort, der Tempel als axis mundi und der Tempel als kosmischer Berg, Himmelstreppe oder kosmisches Band. Dabei differenziert Koch die in der babylonischen Theologie mit unterschiedlichen Tempelgebäuden bzw. Bauwerken des Tempeldistrikts verbundenen Vorstellungen nicht weiter, sondern überträgt sie simplifizierend auf das eine Haus JHWHs in Jerusalem.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
Zion mit dem syrischen Zaphon. Im Stil altorientalischer Kosmologien wird er als du6 -kù (‚Urhügel‘) verstanden, in dem sich die horizontale und die vertikale Achse kreuzen.57 „Durch das Theologumenon von der Anwesenheit JHWHs auf Zion gewann der Tempelberg Zion Qualitäten des Gottesberges.“58 Diese Vorstellung besitzt zugleich eine uranische Qualität, da der Berg Himmel und Erde verbindet, um so „einen irdischen Ort als Manifestation des Göttlichen, als ‚Himmel auf Erden‘ zu qualifizieren“59 . Die durch den Berg entstehende Achse versteht Koch als Ausdehnung des himmlischen Raumes auf die Erde. „Der Unterschied zwischen irdischem und himmlischem Heiligtum dürfte in etwa dem zwischen Gottesbild und Gottheit entsprechen: Einerseits repräsentiert das Bild die Gottheit voll und ganz, andererseits sind beide nicht schlicht identisch. Auf das Heiligtum bezogen heißt das: Der Gegenwart im Himmel entspricht die kultische Gegenwart im Tempel; dieser repräsentiert den Götterhimmel, ohne mit ihm identisch zu sein.“60
Vergleichbar mit dem Jerusalemer Heiligtum wird in vorexilischer Zeit das Heiligtum in Bet-El als axis mundi verstanden, das im Stil mesopotamischer Heiligtümer eine ‚Himmelstreppe‘ (hebr. סלם, akk. simmiltu) besaß. Die Funktion einer solchen Treppe leitet Koch aus dem Mythos ‚Nergal und Ereškigal‘ ab. Die Treppe stellt eine Verbindung zwischen Himmel und Unterwelt dar. Zwar merkt er kritisch an, dass im Text keine Verbindung zu einem Heiligtum erwähnt wird, geht aber aufgrund des Tempelnamens é.kun4. an.kù.ga ‚Haus, Treppe des glänzenden Himmels‘ von einer solchen aus.61 Den Ort Bet-El deutet Koch als Schnittpunkt der Weltachsen.62 Dabei stellt jedoch nicht der Tempel, sondern die von Jakob aufgerichtete Mazzebe die Verbindung zwischen Erde und Himmel her.63 Auch wenn er zur Deutung der Heiligtumskonzeption von Gen 28,10–22 auf mesopotamische Vorbilder zurückgreift, betont er die Beziehung der JHWH-Vorstellungen vor allem
57 Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 28: „Die kosmische Bedeutung des Zion ist lediglich eine abgeleitete. Er wurde zum Gottesberg, weil er der Berg des Tempels war und dieser als Wohnort JHWHs galt […].“ 58 Koch, Himmlische Wohnstatt, 27. 59 Koch, Himmlische Wohnstatt, 33. 60 Koch, Himmlische Wohnstatt, 42. 61 Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 70f. 62 Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 73; seine Deutung erscheint jedoch dahingehend problematisch, als dass Bet-El nicht die Hauptstadt eines Reiches ist. Die Vorstellung einer axis mundi ist in der altorientalischen Tradition zunächst mit den Hauptstädten bzw. Königssitzen verbunden. Passender erscheint hier der Vergleich mit der Stadt Arbela, die in neuassyrischer Zeit Ort eines bedeutenden Tempels war. Die Stadt wird als ká.gal an-e (akk. bāb šamê ‚Tor des Himmels‘ [SAA III, 8]) bezeichnet. Allerdings ist für sie das Motiv einer Himmelsachse nicht belegt. 63 Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 81f.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
zu kanaanäischen/nordsyrischen Traditionen. Dieses Verhältnis wird durch eine weitere Begebenheit verstärkt: „Neben der Tempeltheologie (und mit ihr verbunden) bezeugt ein zweiter Themenkreis JHWHs Beziehung zum Himmel. Dieser zeichnet JHWH nach syrisch-palästinischem (Baal/ba‘lu oder Hadad) bzw. mesopotamischem (Adad) Vorbild als rettend-eingreifenden (Ps 18*, Ps 68*) oder sicher-thronenden Wettergott (Ps 93*), wobei seine uber-irdischhimmlische Verortung mit Hilfe des Lexems מרוםmarom (‚Höhe‘; vgl. akk. elatu) umschrieben wird.“64
In späterer Zeit setzt eine Veränderung der Heiligtumsvorstellung ein, indem JHWH mit Schöpfungsmacht und Herrschaft über die Himmelskörper in Verbindung gebracht wird. „Diese Transformationen dürften einerseits der theologischen Reflexion der Dissonanzerfahrung geschuldet sein, die daraus resultierte, dass die Zerstörung des Tempels 587 v. Chr. und das Exil die mit dem Tempel und Jerusalem verbundenen Vorstellungen von der Gegenwart Gottes in Frage stellten.“65
Den Beginn der Transformation sieht Koch dann in der exilisch-frühnachexilischen Zeit, indem der ‚Himmel‘ als Ort des Thronens JHWHs stärker in das Bewusstsein der Autor*innen tritt. Dabei wird in der Frühphase jedoch noch nicht der Himmel als ein von der Biosphäre getrennter Raum zum Ort der göttlichen Gegenwart. Dies zeigt Koch zunächst an den Disputationsworten in Jes 40,12–31. Im Vergleich der Texte mit der in Enūma eliš beschriebenen Schaffung des Himmels weist er darauf hin, dass in Jes 40,22 nicht der Wohnort JHWHs beschrieben wird, sondern der Himmel allein „als Schutzdach für den darunter liegenden Lebensraum“66 dient. Nach Jes 40,22aα thront JHWH ‚ על־חוג הארץüber dem Erdkreis‘. „Wenn ‚ חוגKreis‘ die Horizontlinie bezeichnet, dürften die Varianten ‚Erdkreis‘ (Jes 40,22) und ‚Himmelskreis‘ (Hi 22,14) schlicht der jeweiligen Perspektive geschuldet sein, die in Jes 40,22a durch die unmittelbar darauf angesprochenen ‚Erdbewohner‘ vorgegeben ist, so dass ‚Kreis der Erde‘ nichts anderes als den Horizontkreis meint. Dazu fügt sich, dass mit kippat ers.eti ‚Kreis der Erde‘ im Akkadischen ein ganz analoger Begriff für den Horizont belegt ist.“67
64 65 66 67
Koch, Art. Welt/Weltbild, 3.2.1. Koch, Art, Welt/Weltbild, 3.2.2. Koch, Himmlische Wohnstatt, 105. Koch, Himmlische Wohnstatt, 107f.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
Der Horizont stellt einen Übergangsbereich zwischen Himmel und Erde dar. JHWHs Thronen über dem Horizont ist Ausdruck seiner Herrschaft über die Biosphäre.68 Da Prolog und Epilog einer ursprünglichen dtjes Sammlung auf eine Rückkehr JHWHs in sein Jerusalemer Heiligtum ausgelegt sind, stellt sich für Koch die Frage des Verbleibens JHWHs während der Exilszeit. Im Vergleich mit dem Text der Adad-guppi-Stele II Z. 17ff. zeigt er, dass sich die Vorstellung eines vertikalen Rückzugs einer Gottheit in den Himmel und einer Rückkehr aus einem fernen Land in sein angestammtes Heiligtum nicht gegenseitig ausschließen. So postuliert Koch trotz aller Unterschiede zu den in den mesopotamischen Texten belegten Vorstellungen, „alles in allem eine große Kontinuität zur vorexilischen Jerusalemer Tempeltheologie“69 . DtJes bildet dementsprechend keine Transformation der im gesamten Jesajabuch belegten Vorstellung vom Thronen JHWHs im Heiligtum, sondern erweitert das Konzept der Präsenz JHWHs im Tempel einzig um seine Gegenwart oberhalb des Horizonts, von wo aus er die gesamte Biosphäre beherrscht. Ein zweiter Textkomplex, in dem JHWH mit dem Himmel verbunden wird, findet sich im Buch Ezechiel. Traditionsgeschichtlich steht JHWHs Kommen als Wettergott im Hintergrund. Keruben- und כבוד-Motivik verweisen auf die in neuassyrischer Zeit verstärkt belegte ‚Flügelsonnen‘-Ikonographie. Die Flügelsonne wird in den Darstellungen häufig von Mischwesen getragen. Aus diesen Bezügen leitet er ab, dass die Vorstellung einer über dem Himmel thronenden anthropomorphen Gottheit zugrunde liegt. Inhaltlich verbindet Koch das vom Propheten in Ez 1 Gesehene mit dem neuassyrischen Kommentartext zu Enūma eliš KAR 307 Z. 30–33. Da die Schilderung des Thronenden in Ez 1 der Marduks in der Cella im mittleren Himmel ähnelt, folgert Koch, dass Ez 1,4–28 einen Blick des Propheten in den Himmel beschreibt.70 „Die Einsicht, dass Ez 1* von dem in KAR 307 bezeugten Himmelskonzept abhängig ist, in dem unterhalb der den Gottesthron tragenden Himmelsplatte der Sternenhimmel angesiedelt ist, macht die alte metaphorische Deutung der Räder nochmals interessanter.“71
Die mit Augen besetzten Räder versteht er als Umlaufbahnen der Himmelskörper. Dies versucht er an mehreren Texten zu verdeutlichen, in denen der Enlil-Pfad am Himmel als vollständiger Kreis verstanden wird. Daraus leitet er für die Vision
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Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 114. Koch, Himmlische Wohnstatt, 128. Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 160f. Koch, Himmlische Wohnstatt, 164.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
eine Geographie des Himmels ab, die sich im Ablauf des Geschilderten widerspiegelt: V. 4–14 Himmelsträger – V. 15–21 Sternenhimmel – V. 22 Himmelsplatte – V. 26 Thron – V. 27f. Thronender.72 Bestätigt sieht Koch seine Deutung JHWHs als solare Gottheit durch die Motivwelt von Ez 43,1–9, die entsprechende Konnotationen aufweist. Jedoch verbleibt das Buch Ezechiel noch bei der Vorstellung einer im Heiligtum präsenten himmlischen Sphäre, sodass zwar die in KAR 307 verwendete Himmelsmotivik entlehnt wird, damit aber nicht die Vorstellung eines mehrschichtigen kosmischen Himmels in das Buch Ezechiel eindringt. Mit dem Himmelskonzept von P nimmt Koch den dritten großen, mit dem Exil verbundenen Themenkomplex auf, der den Bezug von JHWH und Himmel herstellt. Den in Gen 1 gebildeten רקיעversteht er als Platte. Dies leitet er von der Wurzel רקעher, die ein Platthämmern von Metall bezeichnet. Diese wohl freischwebend gedachte Platte73 dient dazu, den Gestirnen ihren Ort zuweisen zu können. Betrachtet man die Schöpfungsgeschichte singulär, so scheint es mit ihr eine ontologische Trennung zwischen Gott als Schöpfer und der Biosphäre als Geschöpf zu geben. Dieses Verhältnis wird zwar nicht von Gen 1, innerhalb von P aber durch die Errichtung des Zeltheiligtums überwunden. Religionsgeschichtliche Parallelen zum Bau der Stiftshütte findet Koch in der Beschreibung mesopotamischer Tempel, die als Abbilder von Wohnhäusern der Götter gelten, die in der Biosphäre angesiedelt sind. Hier erkennt er eine (Ur-)Bild-Abbild-Relation, deren Grund die Vorstellung irdischer Repräsentationsorte bildet, an denen Himmel und Erde zusammenfallen. „Mit der Wohnvorstellung finden sich aber auch die kosmologischen Entsprechungsverhältnisse: Die zeitliche Verbindung zur Weltschöpfung und die räumliche Verbindung zum Götterhimmel.“74 Diese sieht er durch kompositorische und literarische Querbeziehungen gegeben, die sich zwischen Ex 24–40* und Gen 1,1–2,3* herleiten lassen. Einen Anschluss an eine überkommene Tempeltheologie findet er mit den die Kapporet flankierenden Keruben. Sie dienen als Ersatz für den Thronsitz, wie er in Jes 6 belegt ist. Auch P verbleibt damit bei der Vorstellung des Himmels als göttliche Sphäre innerhalb der Biosphäre. Die Auflösung dieser Vorstellung erkennt Koch erst in Texten der späteren Zeit. Als Indiz „für die zunehmende theologische Relevanz des Himmels als Wohnort JHWHs in nachexilischer Zeit ist der Titel ‚Gott des Himmels‘, der in Anlehnung an persische religiöse Vorstellungen auf JHWH bezogen wird (2Chr 36,23 u.ö.; Elephantine-Papyri)“75
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Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 168. Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 199. Koch, Himmlische Wohnstatt, 205. Koch, Art. Welt/Weltbild, 3.2.2.
Zum Verhältnis von Tempel und Himmel
zu werten. Schließlich werden in hellenistischer Zeit die Vorstellung des himmlischen Heiligtums nochmals tiefgreifend transformiert (vgl. Jes 66,1). Die Lokalisierung des Tempels JHWHs über den Himmeln wird mit der Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde (Jes 65,17–25; 66,22) verbunden.76 Diese Transformationen der Wohnortskonzeption erfolgten jedoch nicht geradlinig, sondern immer in Anlehnung an überkommene (Text-)Traditionen, sodass sich ein Nebeneinander von älteren und neueren Vorstellungen ergab. Während die Darstellung der späteren Entwicklung bei Koch rein phänomenologisch erfolgt, ohne dass die Faktoren, die zu einer solchen Entwicklung führten, bedacht werden, werden sie von Rüdiger Bartelmus zumindest partiell beschrieben. In seiner Studie über semantische und traditionsgeschichtliche Aspekte des Begriffs שׁמיםdifferenziert er verschiedene Verwendungen innerhalb der altorientalischen Texte: „Semantisch gesehen handelt es sich bei der generellen Verwendung des Plurals [plurale tantum TW] um das Phänomen des Plurals der räumlichen Ausdehnung. […] Die damit bereits angedeutete Grundbedeutung der gemeinsemitischen Wurzel – ‚Himmel‘ als naturkundlich-kosmologische Sammelkategorie für Phänomene, die oberhalb der Erdoberfläche wahrgenommen bzw. vermutet werden, und als religiöser Begriff – ist in praktisch allen semitischen Sprachen bis in die Gegenwart hinein lebendig geblieben.“77
Eine strikte Trennung vom Raum der Menschen wird mit dem Begriff ‚Himmel‘ also nicht impliziert. „Erst mit dem Dtn bzw. der Literatur der Exilstzeit (DtJes!) wurde der Himmel zu einem wichtigen Gegenstand des theologischen Interesses; und mit dem letzten Buch des alttestamentlichen Kanons ist er dann quasi in den Mittelpunkt des theologischen Denkens gerückt.“78
Die Formationen, in denen שׁמיםverwendet wird, sind nach Bartelmus vor allem funktional ausgerichtet. Zunächst bezeichnet der Himmel das „schützende Gewölbe über der Erde und dem Luftraum“79 . Dieser Vorstellung zufolge ist der Himmel als Gewölbe auf Säulen begründet, wie es bereits sumerisch belegt ist. Daneben existiert auch die Vorstellung des Himmels als Wohnsitz von Gottheiten. 76 77 78 79
Vgl. Koch, Art. Welt/Weltbild, 3.2.2. Bartelmus, Himmel, 89. Bartelmus, Himmel, 91. Bartelmus, Himmel, 94. Weiter dazu auch Bartelmus, Himmel, 110: „Himmel ist in diesen Fällen schlicht ein Sammelbegriff für die von der Erde aus gesehen oben befindliche bzw. wahrnehmbare Atmosphäre und die mit ihr verbundenen Phänomene.“
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
„Der irgendwo oberhalb der von Menschen bewohnten Erde befindliche Himmel ist nicht als ein festes Gewölbe gesehen, durch das das Chaoswasser zurückgehalten wird, sondern – soweit man ihn in der Spätzeit nicht abstrakt als die mit Jahwe nahezu identische Machtsphäre der Gottheit verstand – als ein weiter Raum, in dem sich der Palast der Gottheit, d. h. zumeist Jahwes befand. […] ‚Himmel‘ bezeichnet nach der hier verhandelten Variante eines dreistufigen Modells der Weltwirklichkeit somit schlicht die Sphäre der Gottheit so wie die Erde die Sphäre der lebenden Menschen und die še’ôl die der Toten ist.“80
Bereits die Erzählung von der Entrückung Elias in den himmlischen Palast setzt eine räumliche Oben-Unten-Trennung von göttlicher und menschlicher Welt voraus. Die Ausprägung der seit sumerischer Zeit belegten dreigliedrigen Raumordnung (šamê, ers.etim und apsû) sieht Bartelmus anders als Koch bereits in Exilszeiten in die biblischen Vorstellungen eindringen. Anknüpfungspunkt waren Israel aus seiner kanaanäischen Umwelt bekannte Vorstellungen von der Schöpfung der Erde durch die Hauptgottheit (ugar. die Formel ’l qn(h) ’rs, heth. der Eigenname Elkunirša).81 Wie die Einflüsse mesopotamischer Traditionen an diese Vorstellung anschließen konnten, expliziert Bartelmus nicht. Stattdessen hält auch er fest, dass der Himmel als ein von der Erde getrennter, mehrgeschossiger Raum noch nicht in den Texten der Exilszeit, sondern erst in der Spätzeit der Hebräischen Bibel resp. in der frühjüdischen Literatur erscheint. Gegen Sir 16f.; 46 – in diesem Textabschnitten hält der Autor an den kosmologischen Vorstellungen von Gen 1 fest –, entwickelt sich in dieser Zeit die bis in die Gegenwart hinein wirksame Verwendung von Himmel „als Synonym für die Sphäre Gottes bzw. für Gott selbst“82 . Dieser Bereich wird als vom menschlichen Lebensraum getrennter Bereich angesehen, der oberhalb des Firmaments angesiedelt ist. Dies wird sowohl in den nicht-biblischen Schriften aus Qumran als auch im 1Hen sichtbar. Während in den Texten aus Qumran (1QH 22; 1QGenAp; 4QEnGiantsb 1,2,16) die Wohnorttradition aufgenommen und auf einen über dem Firmament liegenden Raum bezogen wird, entwickelt 1Hen das priesterschriftliche Motiv der über der רקיעbefindlichen Chaoswasser weiter: „In der Traumvision von der Sintflut hebt Henoch zunächst seine Augen zum Himmel und sieht dort ein ‚hohes Dach und sieben Wasserrinnen daran‘, aus denen sich Wassermassen auf die Erde ergießen – man verorte die Regenrinnen fast automatisch am himmlischen Palast. Dann sieht Henoch aber auch noch, wie sich die ‚Quellen auf der Erde zu jener großen Umfassung‘ öffnen und sie überfluten: D. h. der Autor hat an die Stelle der ‚Luken‘
80 Bartelmus, Himmel, 97. 81 Vgl. Bartelmus, Himmel, 104. 82 Bartelmus, Himmel, 118.
Zum Symbolsystem des Jerusalemer Tempels
im Firmament offenbar bewußt Regenrinnen am Himmels-Palast gesetzt; ansonsten hat er sich an den Flutbericht von P und dessen Weltbild gehalten.“83
Anders als Hartenstein, der für die Königszeit nach Adaptionen und Transformationen kosmologischer Vorstellungen fragt, verbleiben Koch und Bartelmus in ihren Darstellungen der Entwicklungen in persischer und hellenistischer Zeit methodisch rein auf einer deskriptiven Ebene. Sie deuten zwar Anknüpfungspunkte an, führen aber keine Gründe für eine Verschiebung der Vorstellung eines Himmels als Sphäre Gottes innerhalb der Biosphäre hin zum kosmischen Raum oberhalb der Feste aus. So ist nach heutigem Forschungsstand zu konstatieren, dass die breit untersuchte Frühform kosmologischer Vorstellungen in Texten der Hebräischen Bibel sich in Analogie zu mesopotamischen Modellen ausbildete, die Gründe für die Entwicklung eines „Schichtenmodells“84 , wie es den späteren Texten zugrunde liegt, bisher nicht oder nur punktuell bedacht wurden. Diese Aufgabe stellt sich nun im Folgenden. Um der Frage nach einer solchen Entwicklung nachzugehen, erscheint es ratsam, nochmals an den Ausgangspunkt der Entwicklung zurückzukehren: den vorexilischen Jerusalemer Kult und sein Symbolsystem. Durch dieses wird das Verhältnis von Gott und Welt gedeutet. Veränderungen des aus dem Verhältnis resultierenden Ordnungsmusters erfolgen dann in Relation zum überkommenen System. Die Wiederaufnahme des Jerusalemer Tempelkults in nachexilischer Zeit wurde, wie es im antiken Vorderen Orient üblich war, nicht als Neubegründung eines Kultes, sondern als Fortsetzung einer bestehenden Tradition verstanden. Das Symbolsystem des salomonischen Tempels stellt die Grundlage dar, auf die sich die Transformationsprozesse der persischen Zeit beziehen.
3.2
Zum Symbolsystem des Jerusalemer Tempels
Im religiösen Symbolsystem wird „eine Grundübereinstimmung zwischen einem bestimmten Lebensstil (‚Ethos‘) und einer bestimmten Ordnungsvorstellung (‚Weltauffassung‘) [sichtbar], indem es jede der beiden Seiten mit der Autorität der jeweils anderen Seite stützt“85 .
Bezogen auf das Symbolsystem des Jerusalemer Tempels bedeutet dies, dass es „kosmologische Aussagen enthält und diese nach ihrer vertikalen und horizontalen
83 Bartelmus, Himmel, 121f. 84 Hartenstein, Wolkendunkel und Himmelsfeste, 135. 85 Janowski, Ort, 375.
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Grundzüge einer Ver-sinnbild-lichung von Raum und Zeit in hebräischen Schriften
Dimension entfaltet“86 , wie Bernd Janowski in mehreren Beiträgen ausführt. Ausgangspunkt seiner Deutung ist die Beschreibung des Tempels als kosmisches Zentrum, das durch seine vertikale (Tiefe – Tempel/Stadt – Höhe) und seine horizontale Achse (Peripherie – Tempel/Stadt – Peripherie)87 bestimmt ist. Die Tempelsymbolik nimmt diese Einteilung des Kosmos mit seinen mythologischen Grundlegungen auf und führt auf diese Weise einzelne Traditionsstränge zusammen. Vor dem Eingang zum Heiligtum steht nach 1Kön 7,23–26 das ‚eherne Meer‘, das den Sieg des kosmischen Süßwasserozeans durch JHWH symbolisiert, dessen Macht durch die das Becken tragenden Rinder bzw. Stiere ausgedrückt wird. Sie verweisen „auf die Sphäre des über das Meer triumphierenden Wettergottes“88 . Dieser ist auf dem aus Holz geschaffenen und mit Gold überzogenen Kerubenpaar präsent. Die Keruben deuten als Symbol auf die dauerhafte Anwesenheit JHWHs im Tempel hin. „Die ‚Kosmos schaffende‘ Funktion des Tempels, seiner Riten und Symbole, besteht in der Bändigung des Chaos, durch die der Königsgott vom Zion die Welt in Gang hält.“89 Verbunden sind die auf die Präsenz JHWHs verweisenden Symbole durch die ihnen eigene Herrschaftsmetaphorik. Die Traditionen werden in der Jerusalemer Interpretation identifiziert oder so miteinander verschränkt, dass der Symbolgehalt eines einzelnen Aspekts multipel deutbar wird. In Verbindung mit dem Königtum JHWHs tritt als Herrschaftssitz der Tempel auf, der als ‚Urhügel‘, ‚Berg‘, ‚Palast‘, ‚Thron‘ oder ‚Haus‘ bezeichnet wird. Dieser Ort wird als ‚von Urzeiten her‘ existierend beschrieben, ohne dass hebräische Schöpfungserzählungen auf einen Tempelbau rekurrieren. Als Symbole für die sich im Tempel realisierende göttliche Welt dienen Keruben, Seraphen, Palm(ett)en, Lotusblüten, Granatäpfel, (Gottes-)Bäume etc., durch deren Abbildungen Menschen das Göttliche erfahren konnten. „Im Sinne der Definition von Religion als kulturellem Zeichensystem boten die Symbole der Jerusalemer Tempeltheologie wie das Kerubenpaar (1Kön 6,23–28), die Dekorationen der Tempelinnenwände (1Kön 6,29.32.34f.) oder das Eherne Meer (1Kön 7,23–26), die jeweils in fundamentale Konstellationen eingebunden waren, den Menschen im königszeitlichen Juda-Jerusalem elementare Lebensorientierungen, und zwar angesichts der Spannungen zwischen der vorgestellten Ordnung der Welt und den faktischen Gegebenheiten, in denen Ordnungs- und Unordnungselemente immer ineinander liegen. Wie die Regeln einer Sprache mußte man die Regeln des religiösen Symbolsystems, d. h. seine ‚Grammatik‘ und ‚Syntax‘ kennen, um die entsprechenden Bilder und Texte auch
86 87 88 89
Janowski, Heilige Wohnung, 26. Vgl. die Zeichnung bei Janowski, Heilige Wohnung, 37. Janowski, Heilige Wohnung, 27. Janowski, Heilige Wohnung, 28.
Zum Symbolsystem des Jerusalemer Tempels
lesen und verstehen zu können. Erst dann erschlossen sich die Sinndimensionen der Jerusalemer Tempeltheologie und die Funktionen, die einem einzelnen Symbol/Zeichen innerhalb des Ganzen zukamen.“90
In seiner Erschließung des Symbolsystems lehnt sich Janowski an Clifford Geertz und die von ihm aufgewiesene thick description einer Kultur an. Nach Gertz besitzt das Symbol „die Funktion, das Ethos eines Volkes – Stil, Charakter und Beschaffenheit seines Lebens, seine Ethik, ästhetische Ausrichtung und Stimmung – mit seiner Weltauffassung – dem Bild, das es über die Dinge in ihrer reinen Vorbildlichkeit hat, seinen Ordnungsvorstellungen im weitesten Sinne – zu verknüpfen“91 .
Bezogen auf altorientalische Kulturen bedeutet dies, dass die Symbole die menschliche mit der göttlichen Realität verbinden, da die menschlichen Handlungen auf die imaginierte Kosmologie bezogen sind. Diese Sicht der Welt stellt das Ordnungssystem dar, auf das der menschliche Erfahrungsbereich bezogen wird. Die Reziprozität führt nach Geertz dazu, dass „das Ethos einer Gruppe zu etwas intellektuell Glaubwürdigem [wird], indem sie es als Ausdruck einer Lebensform darstellen, die vollkommen jenen tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, wie sie die Weltauffassung beschreibt. Die Weltauffassung hingegen machen sie zu etwas emotional Überzeugendem, indem sie sie als Bild der tatsächlichen Gegebenheiten darstellen, das einer solchen Lebensform ganz besonders nahekommt“92 .
Diese Verbindung von intellektueller Glaubwürdigkeit und emotionaler Überzeugung führt in einer Kultur dazu, dass das Symbolsystem „darauf zielt, starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in dem Menschen zu schaffen, indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, daß die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen scheinen“93 .
Dem von Geertz geprägten Verständnis eines religiösen Symbolsystems ist die Imagination inhärent, da er auf das Postulat der Faktizität dessen, worauf die
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Janowski, Das biblische Weltbild, 17f.; vgl. Janowski, Ort, 377–380. Geerzt, Religion, 47. Geertz, Religion, 47. Geertz, Religion, 48.
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Symbole verweisen, verzichtet. Ein Rückverweis auf das Göttliche ist damit anders als bei der auf Ricœur basierenden Symboltheorie nicht gegeben. Erst mit der Annahme einer Begründung der Ordnung durch eine höhere Seinsform kann das zu deutende Symbol auf Gott bzw. seine Präsenzform verweisen. Als ein solches Symbol versteht Janowski den Thron JHWHs. Diesen deutet er als Verkörperung eines Götterberges. Das Thronen JHWHs und seine Auswirkungen auf die Biosphäre leitet er aus Ps 46 ab. Dabei zeigt er auf, dass JHWHs Erhabenheit über das Naturchaos und die zentrale Stellung des Thronens seine Macht über die Geschichte und dem in ihr zu erfahrenden Chaos begründet. Während die Macht über das Naturchaos eine Regulierung der in ihr wirksamen Kräfte bedeutet, wird JHWH als rettend erfahren. Bezogen auf die Raumkonstellation ist die Beschreibung der Stadt als Lebensraum hervorzuheben: „Daß die mental map eines Jerusalemers der Königszeit ein horizontales, auf die Alltagswirklichkeit abgestimmtes Weltbild vorauszusetzen ist, läßt sich anhand der zeitgenössischen Auffassung von Tod und Jenseits veranschaulichen. Ein Jerusalemer der Königszeit, der sich in seiner Stadt umschaut, sah zunächst als Wohnort JHWHs den Tempel, als Wohnort der Lebenden die Häuser innerhalb der Stadtmauern und als Wohnort der Toten die Gräber außerhalb der Stadt, die Jerusalem umgaben.“94
Die in der Jerusalemer Tempelsymbolik sichtbare Zentrumsmetaphorik impliziert also auch die Existenz der chaotischen Peripherie, die ebenfalls Teil der menschlichen Realität ist. Zur Peripherie gehört auch die Unterwelt, die mit dem Lebensraum der Menschen verbunden ist. „[D]a eine auf das Über- und Unterirdische hin offene Welt prinzipiell ambivalent ist, war es die Aufgabe des Menschen, die in sich zweideutige Welt zu vereindeutigen, d. h. die in vielfältiger Weise von antagonistischen Mächten (Kosmos/Chaos, Licht/Finsternis, Leben/Tod, Reinheit/Unreinheit, Gesundheit/Krankheit, Fruchtbarkeit/Sterilität u. a.) durchwatete Wirklichkeit auf eine Welt hin zu bestimmen, die Bestand hat und in der sinnvolles Leben möglich ist.“95
Menschliches Handeln in kultisch-rituellen, magischen, divinatorischen, medizinischen, rechtlichen und mathematisch-astronomischen Operationen war entsprechend auf eine Auflösung der Ambivalenzen angelegt, sodass der Mensch die Welt als geordnet wahrnehmen kann. Durch das Handeln des Menschen wird sein Lebensraum in ein Ordnungssystem überführt.
94 Janowski, Heilige Wohnung, 47. 95 Janowski, Konfliktgespräche, 28f.
Zum Lebensraum des Menschen
3.3
Zum Lebensraum des Menschen
Bezogen ist das Ordnungssystem in der Hebräischen Bibel primär auf das Land Israel als Lebensraum des Volkes. Dieses wird als ‚gelobtes, von Gott gegebenes Land‘ verstanden. Die Siedlungen und ihr Umland werden so zu einem theologisch qualifizierten Raum. Der Raum ist in vielen hebräischen Schriften auf das Jerusalemer Heiligtum als Zentrum bezogen. In Psalmen der mittleren und späteren Königszeit (Ps 46; 48) sowie in der Erzählung von der Errettung Jerusalems in 2Kön 18f.//Jes 36f. klingt dies im Besonderen an. Diese Tradition wird in späten Texten zunächst mit dem Motiv der Völkerwallfahrt (Jes 60; Ps 68,30–32), dann dem des Völkersturms (Ps 76) und schließlich in der Verbindung beider Vorstellungen (Jes 66; Sach 14) fortgesetzt. Zugleich wird seit dem 8./7. Jh. v. Chr. das ‚Umland‘ ( )ארץals von Gott geschützter Raum für das menschliche Leben verstanden.96 Diese grundlegende Konstellation wurde für die theologische Deutung des Landes als Lebensraum der Israeliten unterschiedlich fortentwickelt. Dies wird in den Studien von Egbert Ballhorn und Michaela Geiger näher untersucht. Egbert Ballhorn führt eine solche theologische Deutung des Landes in Israel am Jordan am Beispiel des Buches Josua aus. In seiner Analyse zeigt er auf, dass die im Land bekannten geomorphologischen Formationen und siedlungsgeographischen Begebenheiten als Erinnerungsräume verstanden werden, die auf ihre Ursprünge verweisen.97 „Im Verlaufe dieser Erzählung wird nicht allein Topographie beschrieben, sondern vielmehr durch Erzählung verfertigt. Das Buch konstituiert einen Erzähl-Raum, in der Doppeldeutigkeit des Begriffs. Durch den Ablauf des Erzählers wird ein Textraum errichtet, zugleich aber auch ein fiktiver Raum, in dem sich vor den Augen der Leserinnen und Leser das Geschehen abspielt.“98
96 Vgl. Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 82, der diese Konstellation am ‚Fülle‘-Motiv expliziert: „Die ‚Fülle‘ der Erde, des Landes oder des Meeres ist eng mit der Vorstellung der Lebewesen verbunden, die diese Weltbereiche bevölkern. Häufig bezeichnet der Begriff die bewohnte und bebaute Menschenwelt und damit wohl auch alle Erträge aus Ackerbau und Viehzucht als die ‚Fülle‘ des kultivierten und besiedelten Landes. Oft steht מלאparallel mit den ‚Einwohnern‘ von Städten oder des Erdkreises ()תבל, also der ‚Oikumene‘ in der horizontalen Erstreckung der Welt.“ 97 Vgl. Ballhorn, Israel, 140f.: „Die Einnahme des Landes wird so geschildert, dass man an dessen topographischer Gestaltung im Nachhinein noch die Stationen der Einnahmegeschichte ablesen kann.“ 98 Ballhorn, Israel, 137.
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So entwirft der Autor des Buches aus der in der Abfassungszeit bekannten Formation eine narrative Topographie, in der das Land zur „Erinnerungslandschaft“99 wird. Die Bedeutung des Landes als Zentrum der Lebenswelt Israels wird in dieser literarischen Konstruktion in Jos 5,2–6 eingeführt. Die Beschneidung der das Land einnehmenden Generation wird als Fortführung der in Ägypten lebenden Bevölkerung dargestellt (V. 5). „Auf diese Weise führt Israel das Exodusgeschehen zu seinem endgültigen Abschluss.“100 Die Wiederaufnahme der kultischen Vorschrift aus Gen 17 wird dabei zur Voraussetzung für das Volk, im Land leben zu können. Gerahmt wird der Wüstenzug durch zwei Wasserüberquerungen. „Das mythische Element der Jordanspaltung erinnert gleichzeitig an das Schilfmeerwunder und konnotiert die außerordentliche, innergeschichtliche, aber zugleich geschichtsübergreifende Bedeutung des Ereignisses.“101
Während Ägypten mit dem Zug durch das Schilfmeer verlassen wird und nach dem Untergang des ägyptischen Heeres der Kontakt zu Ägypten abreißt, dient der Durchzug durch den Jordan (Jos 3f.) als Eintritt in das verheißene Land. „Das ‚Land‘ spielt selbst keine aktive Rolle, es ist dennoch die zentrale Kategorie des Buches und dabei mehr als die vorausgesetzte Bühne und das Objekt der Einnahme. Mit der Kategorie des Landes kommen alle anderen Akteure in Berührung; es ist nicht nur geographischer Ort der Erzählung, sondern zugleich Ziel, Mittelpunkt und Focus. […] Das Land ist nicht einfach Oberfläche und äußere, festgelegte Vorgabe, sondern insofern in die Handlung intensiv einbezogen, als es nicht einfach vorhanden ist, sondern durch Handlungen gestaltet wird.“102
Die ostjordanischen Gebiete werden dementsprechend den westjordanischen im Sinne der Konstitution des Raumes als „idealer Raum der Tora“103 nicht gleichgestellt. Zugleich konstruiert der Verfasser des Josuabuches eine Symmetrie, wie vor Ballhorn schon Hamilton hervorhebt:
99 Zum Begriff ‚Erinnerungslandschaft‘ vgl. Ballhorn, Israel, 183: „Die unübertreffliche Gottesnähe in Exodus und Sinai bleibt gleichermaßen räumlich im Jenseits und zeitlich in der Vergangenheit, wird aber auf repräsentative Weise in das Diesseits des eigenen Lebensraumes geholt: durch die räumliche Errichtung der Erinnerungslandschaft und das mit ihr verbundene anamnetische Potential, das ‚Vergangenheit‘ in Gegenwart und Zukunft übersetzt.“ Zur Konstruktion von Erinnerungsräumen in den literarischen Werken der persischen Zeit vgl. Ben Zvi, Mnemonic/Imagined Worlds. 100 Ballhorn, Israel, 192. 101 Ballhorn, Israel, 171. 102 Ballhorn, Israel, 140. 103 Ballhorn, Israel, 149.
Zum Lebensraum des Menschen
„The difference between the Re(e)d Sea and the Jordan River is that the former represents an exit, and the latter an entrance. The sea points to that territory which lies before them and toward which they must press. At the sea the enemy is behind them; at the river the enemy is before them.“104
Damit wird nicht nur das Land Israel als Lebensraum des Volkes, sondern auch die Wüste als Ort des Transits zwischen den beiden Kulturräumen gedeutet. Auf diese Weise wird der Pentateuch ergänzt, indem die in ihm zentral geschilderte Gesetzesgabe und Einsetzung des Kultes als vorläufig verstanden wird, deren vollgültige Praxis erst im Land einsetzen konnte. Läuft der Auszug aus Ägypten in der Darstellung des Pentateuch in seinen literarischen Grundschichten zunächst auf die Sinaiperikope hinaus, wird der Zug vom Sinai in das verheißene Land von späteren Bearbeitern ergänzt, so dass ein geschichtliches Kontinuum entsteht. Erst durch Jos 5 wird die Wüstenzeit damit zur Transitzeit erhoben. Die Anordnung der Räume Kulturland (Ägypten) – Wüste – Kulturland (Israel), die Jos 3–5 im Rückgriff auf Ex 13f. konstruiert, ist nur der Einsatz zur Wahrnehmung des Landes in nachexilischer Zeit. An die Möglichkeit, nur in diesem Land in Übereinstimmung zur Torah leben zu können, und zur Wahrnehmung des Landes als Ursprungsort erinnern die topographischen Gegebenheiten und geomorphologischen Formationen an eine ursprüngliche Praxis der Torah. Am Beispiel des Josuabuches verdeutlicht Ballhorn, dass in nachexilischer Zeit der Rückbezug zum Ursprung und damit zu Ereignissen der Vor- bzw. Frühzeit ein wesentlicher Aspekt zur Deutung des Raumes wird. Der Bedeutung des Landes in einem weiteren biblischen Buch geht Michaela Geiger in Gottesräume nach. Sie untersucht die Raumkonzeption des Deuteronomiums und zeigt, dass in diesem die theologische Qualifizierung der Wüste, die sich in der Analyse des Josuabuches bereits andeutete, noch stärker in den Vordergrund tritt. Als ‚Gottesräume‘ versteht sie alle im Dtn erwähnten Räume, da „ihr jeweiliges Profil […] aus dem Verhalten Israels Jhwh gegenüber und der Antwort Jhwhs darauf – bzw. aus dem Handeln Jhwhs und Israels Antwort darauf (Spacing)“105 resultiert. Diese Deutung entsteht in Form der Weiterdeutung überkommener literarischer Stoffe. Dies wird an der Verarbeitung von Texten der älteren Sinaitradition deutlich. „Gegenüber der Pentateucherzählung fällt allerdings auf, dass Moses Perspektive auf die Horebereignisse keinen Beginn der Gottespräsenz auf dem Horeb kennt.“106 Vielmehr unterliegen die rahmenden Teile des Dtn bereits der Perspektive eines Verlusts des Landes.107 Mit dem Blick auf das Exil verändert sich jedoch auch die
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Hamilton, Handbook, 24. Geiger, Gottesräume, 293. Geiger, Gottesräume, 296. Vgl. Geiger, Gottesräume, 294.
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Wahrnehmung der Wüste. Sie wird „selbst transparent für Jhwhs Gegenwart“108 , und verliert auf diese Weise ihren Charakter als lebensfeindlicher Ort. Der in der Wüste gelegene Horeb wird als kosmische Achse verstanden, über die der Kontakt zum sich im Himmel befindlichen JHWH möglich ist. „Jhwhs Freude lässt sich nicht auf einen irdischen Ort beschränken. Das Feuer reicht vom Berg bis ‚in das Herz des Himmels‘ (4,11). Und auch die kosmischen Phänomene ‚Finsternis, Gewölk und Dunkel‘ (4,11; 5,22.23) entgrenzen die Gegenwart vom Ort ‚Berg‘ in den Himmelsraum hinein.“109
Präsent ist JHWH in seinem Namen. Verbunden mit seiner Präsenz sind die lebensförderlichen und -feindlichen Wirkweisen, die sich als Segen und Fluch zeigen. „Solange Israel im versprochenen Land lebte, treten die bedrohlichen Aspekte der Gottesgegenwart ganz zurück gegenüber den segnenden. […] Die Synthese der Raumkonzepte Ort und Horeb soll zum Spacing führen, das die Gottesbegegnung am Horeb im eigenen Handeln aktualisiert.“110
Die Gesetzesverlesung, die alle sieben Jahre durchgeführt wird, wird als Reinszenierung der Ereignisse am Horeb gestaltet, so dass sie zu einer Vergegenwärtigung der Ursprungserlebnisse wird. Die Bedeutung des Landes für das Gottesverhältnis des Volkes wird durch die Auflösung der Synthese hervorgehoben: „Von der Konzeption her bleibt auch nach dem Landverlust die Gottesgegenwart auf dem Horeb bestehen, durch den Verlust der Gegenwart Jhwhs am einen Ort ist sie jedoch nicht mehr erreichbar. Insofern ist Israel darauf angewiesen, Jhwh im Himmel zu erreichen.“111
Die Aufbringung der Worte, die an Mose ergangen sind, an Türpfosten und Toren symbolisiert den Zugang zum Gotteskontakt, der durch das Halten der Satzungen und Gebote dauerhaft möglich wird. Durch ihre Befolgung werden die Alltagsräume zu solchen, in denen eine Beziehung zu JHWH besteht; dies „ist jedoch von einer Gottesgegenwart am einen Ort zu unterscheiden“112 . Das Dtn differenziert demnach zwischen der Gottesbeziehung, die durch Forderung und Entsprechung entsteht,
108 109 110 111 112
Geiger, Gottesräume, 294. Geiger, Gottesräume, 295f. Geiger, Gottesräume, 299. Geiger, Gottesräume, 302. Geiger, Gottesräume, 303.
Zum Lebensraum des Menschen
der Manifestation Gottes im Land durch seinen Namen und seiner himmlischen Präsenz, zu der man am Horeb in Kontakt treten kann. Einen spezifischen Raum innerhalb des Landes stellt das Haus dar, da dieser soziale Raum auch nach dem Verlust des Landes bestehen bleibt. „Das Konzept Haus ist aus der Perspektive Israels in Moab ein Raumkonzept der Zukunft, und in seiner Bedeutung als ‚Sklavenhaus‘ (5,6 u. ö.) auch ein Konzept der Vergangenheit. Auf der Ebene der erzählten Gegenwart lebt Israel nicht in Häusern. Dennoch sind die auf das Haus bezogenen Gebote in 6,7.9 und 11,19.20 nicht auf das Leben im Land beschränkt, wird ihre Positionierung außerhalb der Ordnungen und Rechtsbestimmungen (Dtn 12–26) verdeutlicht. Unabhängig davon, wo Israel in Häusern lebt, sollen ‚diese Worte‘ dem Umgang mit dem Gebäude, speziell den Türpfosten, ebenso prägen wie das Zusammenleben der Hausgemeinschaft.“113
Mit seiner Offenheit für eine Existenz auch außerhalb des Landes stellt das Haus die Form des Gottesraumes dar, die den Israeliten im Exil erhalten bleibt. Weisen die als Gegenräume konzipierten Orte Ägypten und Bet-Peor in die Vergangenheit und weisen abgeschlossene Räume auf,114 wird das Exil nicht als Rückführung, sondern als eine Verteilung Israels in einen weiten Raum verstanden. Dies führt dazu, dass im Exil das Problem der Erreichbarkeit JHWHs entsteht, die Voraussetzung für eine Umkehr ist. „Die Gottespräsenz in Feuer und Wolke (1,33) gehört ebenso der Vergangenheit an wie die Gegenwart Jhwhs im Zelt der Begegnung (31,14.15). Auch die zentrale Gottespräsenz auf dem Horeb ist vom einen Ort aus nicht mehr erreichbar, wenn Israel sein Land verloren hat. Nur die Verbindung der Häuser mit ‚diesen Worten‘ (6,7.9) besteht weiterhin, sie kann die Gottespräsenz am Horeb jedoch nicht ersetzen. Aus diesem Grund wird für die Zeit des Exils das Raumkonzept Himmel zentral. Es stellt eine Verbindung zum Horeb dar (4,11) und ermöglicht es dem IsraelitInnen, Verbindung zu Jhwh aufzunehmen (26,15). Die Macht Jhwhs über Himmel und Erde (4,36.39; 11,14.17) ist die Grundlage dafür, dass dieser die Exilierten auch ‚vom Ende des Himmels‘ (30,4) zurück in das versprochene Land bringen kann. Nach der Rückkehr verliert das Konzept Himmel an Bedeutung, da Jhwh am einen Ort – und somit auch am Horeb – wieder erreichbar wird. Die Raumkonzeption ist erneut in Geltung.“115
113 Geiger, Gottesräume, 321. 114 Vgl. Geiger, Gottesräume, 318. 115 Geiger, Gottesräume, 326.
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Verbindet das Dtn den Ursprung des Gottesverhältnis mit dem Horeb und legt seinen Fokus auf die Praxis der Satzungen und Rechtssprüche, die Mose am Horeb erhielt, differenziert das Buch Josua die einzelnen im Land befindlichen Orte weiter aus und versteht sie als Erinnerungsorte. So wird die dtn Raumkonzeption durch die Zusammenstellung mit dem Buch Josua um Vorstellungen vom Ursprung einzelner Verhältnisse im Land ergänzt. Mit dem Land als Raum wird in beiden Studien zugleich die Zeitlichkeit des im Lande Erfahrenen verbunden. Die Zeitstruktur der hebräischen Texte stellt sich, wie verschiedene Studien zum Thema aufweisen, als komplexe Verschränkung von Linearität und Zyklizität dar, „die als Zusammenhang von Vergegenwärtigung und Wiederholung bezeichnet werden kann“116 . Dabei steht der menschliche Lebensraum nach Müller in direkter Verbindung mit der Zeit: „Jahreszeiten schied man nach Umlauf und ‚Wendepunkten‘ der Sonne, konkreter jedoch nach Warm- und Kaltphasen, Regen- und Trockenzeiten, differenziert nach der Dichte der Niederschläge und Höhe der Temperaturen, sowie den längerfristigen viehzüchterischen oder agrarischen Tätigkeitszyklen, markiert jeweils durch entsprechende, feierliche Eingangs-, Höhepunkts- und Abschlußrituale, oft wieder zusätzlich kombiniert mit speziellen saisonspezifisch charakteristischen Vorgängen in der Natur: mit Fischzügen und Wanderbewegungen von Tieren, der Wiederholung und den Wachstums- und Reifephasen der Wildvegetation, der Verfärbung des Herbstlaubs u. a. mehr.“117
Die Zeit wird an den sich im Raum wiederholenden Gegebenheiten gemessen, sodass Zeitphasen entstehen. Eine Verdichtung dieser durch Zyklizität bestimmten Zeitstruktur findet in den Jahresfesten statt. „Es gehört zu den Merkmalen des Festes, dass es der Primärort und die Primärzeit solcher Inszenierungen des ‚Anderen‘, d. h. eines religiösen Kontrapunkts zur Alltagswelt und seiner Merkmale der ‚Kontingenz‘, der ‚Knappheit‘ und der ‚Routine‘ ist. Da im Fest die Besinnung auf die großen Zusammenhänge (Kosmos und Geschichte) und die Aufwallung der Gefühle (Erregung und Ergriffenheit) zum Durchbruch gelangen und das Geschehen prägen, ist das Fest im Gegensatz zum Alltag der Ort und die Zeit der Fülle, wo der Mangel an Sinn (Kategorie der ‚Knappheit‘) aufgehoben und die Monotonie des Alltags überwunden ist.“118
116 Janowski, Anthropologie, 363. 117 Müller, Zeitkonzepte, 222. 118 Janowski, Anthropologie, 381f.
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Mit dem ‚Anderen‘ beschreibt Janowski eine der Festzeit eigene Differenzerfahrung, die von der Begegnung mit dem ‚Heiligen‘ ausgelöst wird, wie sie in Ps 84,9–13 beschrieben wird. Die Festzeit stellt eine „doppelte Zeiterfahrung“119 her, indem das Fest zu einem festen Zeitpunkt der ‚historischen Jetztzeit‘ die Begegnung mit dem ‚grundlegenden Ursprung‘ ermöglicht. Während die Jetztzeit im Raum des menschlichen Lebens als erfahrene (Alltags-)Zeit mit historischen Ereignissen verbunden wird, durch die die einzelnen Jahre mit ihrem zyklischen Verlauf als einzigartig wahrgenommen werden, findet die Begegnung nicht als reine Erinnerung, sondern als Partizipation am Ursprung durch die Teilnahme am Ritus statt. „Die Korrelation von Vergegenwärtigung und Wiederholung wird dem alttestamentlichen Zeit- und Geschichtsverständnis eher gerecht als der Gegensatz von Linearität und Zyklizität. Sicher: Wiederholungsstrukturen können die Einmaligkeit von Ereignissen nicht (hinreichend) begründen, sie schaffen aber die Voraussetzungen dafür, dass einmalige Ereignisse überhaupt vergegenwärtigt werden können.“120
Die Vergegenwärtigung der Vor- und Frühzeit findet in der nachexilischen Zeit insbesondere in zwei Bereichen statt. War die vorexilische Zeit davon geprägt, dass der Tempel Symbole enthielt, die auf das Schöpfungswerk Gottes und damit auf die mit der Schöpfung zu verbindende Ordnung verwies, treten in den Festen der nachexilischen Zeit historische Ereignisse vermehrt in den Vordergrund. Ursprung des Festwesens sind die am Erntezyklus orientierten agrarisch geprägten Festzeiten, wie sie der Festkalender Dtn 16,16f. aufweist. Dieser Festzyklus wird im Laufe der Zeit um Gedenktage zu historischen Ereignissen ergänzt. So wird dann auch das Mazzenfest mit dem an den Auszug aus Ägypten erinnernden Pessach verbunden (vgl. Dtn 16,1–8).121 Mit der Anbindung an die Jahresfeste wird die Erinnerung der Geschichte in eine Zyklizität überführt. Diese Übertragung verbleibt jedoch nicht rein bei einer Vergegenwärtigung geschichtlicher Erfahrungen, sondern führt in späterer Zeit auch zu einer Mythisierung der Vor- und Frühgeschichte. Dies wird vor allem an den Geschichtspsalmen deutlich. Zentral für die Reinterpretation ist eine Bedeutungsänderung des Begriffes ‚( קדםOsten‘). Dieser geographisch zunächst als Angabe einer Himmelsrichtung bzw. chronologisch als Bezeichnung eines früheren Zeitpunktes verwendete Terminus wird in den Geschichtspsalmen zur Angabe der mythischen Vorzeit gebraucht. Der Exodus wird in diesen Psalmen mit dem Chaoskampf gleichgesetzt, so dass das einmalige Ereignis als ein sich wiederholendes
119 Hartenstein, Unzugänglichkeit Gottes, 231f. 120 Janowski, Anthropologie, 390. 121 Vgl. Otto, Deuteronomium, 1399–1406.
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gedeutet wird.122 Der Frühzeit kommt damit eine zweifache Bedeutung zu. Zum einen wird mit ihr die lineare Zeit eingeleitet, zum anderen aber wird die Frühzeit zu einer dauerhaft präsenten Zeit, die wie andere geschichtliche Ereignisse im Fest als ‚Chronotop‘123 gegenwärtig und erfahrbar ist. Fazit: Die in den zuletzt erwähnten Studien beschriebene Theologisierung von Raum und Zeit ist Teil eines Prozesses literarischer Verarbeitung des Exils, seiner machtpolitischen und sozialen Folgen, die zu sukzessiven Veränderungen des Ordnungsmusters führten. Die Zerstörung Jerusalems, die Veränderung von Herrschafts- und Sozialstrukturen für die judäische Bevölkerung sowohl im Land als auch im Exil rief Veränderungen der Ver-sinnbild-lichung des Lebensraums hervor, die sich in den theologischen Positionen dieser Zeit niederschlagen. „The experience of exile and the total destruction of the nation, the cult and their own worldview turned the Israelites and the Judahites into Jews, a significant sign of their transformation. The collapse of their ideological world meant that in the reconstruction of their new worldview they had less reverence for old traditions of the greater ancient Near East, they were more prone to reject aspects of the ‚common theology‘ or ‚common worldview‘ of the ancient world. There may have been a propensity in this direction already among the intelligentsia before exile. Since they were a peripheral society already in Palestine, they were naturally selective concerning the language, ideas and customs they encountered from the high cultures of Egypt and Mesopotamia.“124
Diese Entwicklungen fanden in einer Spannung von tradierten und zeitaktuellen Vorstellungen statt. Die überkommenen Traditionen, die mit dem Bestand von Dynastie, Tempel- und Palastgebäuden, Jerusalem als Sitz JHWHs und seinem Umland verbunden waren, gerieten in die Krise und mussten neu gedeutet werden. Dies erfolgte zum Teil durch eine Reinterpretation, wie sie in der dtr Theologie zu beobachten ist, zum Teil durch die Adaption von Vorstellungen aus der Umwelt.
122 Vgl. Mettinger, Search, 105–107. 123 Vgl. Janowski, Anthropologie, 403: „Die Feste im alten Israel, so lässt sich festhalten, waren Chronotope, die dem Einzelnen die Gewißheit vermittelten, einer Gemeinschaft anzugehören, und die es ihm ermöglichten, diese Gemeinschaft auch sinnbildlich zu erleben. […] So evozieren die Feste eine Wirklichkeit, die nicht nur im sozioökonomischen Leben des alten Israel (agrarischer Jahreszyklus) verankert ist, sondern die durch den Bezug auf die gemeinsame Vergangenheit (Exodus-Memoria) und durch die kultische Überwindung der Schuld (Versöhnungstag) auch einen übergreifenden Horizont eröffnet.“ 124 Gnuse, God, 236f.
4.
Methodische Vorüberlegungen
Die Fortführung judäischer Traditionen mittels Fortschreibungen überkommener Texte und Produktion neuer literarischer Werke nötigt dazu, sowohl literatur- als auch religionsgeschichtliche Prozesse zu analysieren und miteinander in Beziehung zu setzen. Fortschreibungen in überkommenen Werken sind literarkritisch und redaktionsgeschichtlich zunächst vielfach deutlich nachweisbar. Problematischer stellt sich eine religionsgeschichtliche Analyse dar. Ist die Herkunft der jeweiligen Vorstellung nicht aus dem direkten kulturellen Umfeld abzuleiten oder sind die Transformationen so weitgehend, dass die Ursprünge der Vorstellungen kaum mehr erkennbar sind, stellt sich die Frage, wie diese nachgewiesen werden können. Dies wird an der kontroversen Diskussion einer Methodik der „translatability“1 von äußeren Einflüssen deutlich. Dieses Problem besteht bereits durch den Einfluss ägyptischer und mesopotamischer Kulturen auf die hebräischen Schriften und die Übertragung der mit ihnen verbundenen Vorstellungen auf die religiösen Prägung Israels. Das Problem der Nachweisbarkeit von äußeren Einflüssen verstärkt sich für die Zeugnisse der persischen Zeit zunehmend. Die Ausbreitung von Gedanken iranischer Religion durch die achämenidischen Großkönige im Westen ihres Reiches ist aufgrund eines geringen Quellenbestands nur schwer nachweisbar. Treten die achämenidischen Großkönige vielfach als Erben älterer lokaler Machthaber unter Adaption der mit ihnen verbundenen Traditionen in Erscheinung, ist zudem die Bedeutung des Zoroastrismus als wesentliche religiöse Bewegung in den östlichen Gebieten des persischen Reiches für die Herrschaft der Achämeniden im Westen ihres Gebietes unklar. Der Zoroastrismus stellt ein sich von semitischen religiösen Vorstellungen stark unterscheidendes System dar, dessen Einfluss auf die judäischen Autor*innen der persischen Zeit sich wohl eher indirekt bemerkbar machen. Konnten ägyptische und/oder semitische Traditionen aufgrund gemeinsamer Grundstrukturen oftmals direkt aufgenommen und auf den judäischen Traditionsbestand angewendet werden, unterscheiden sich die religiösen Systeme der persischen Zeit derart, dass Aufnahmen vielfach nur anklingen, direkte Textbezüge aber kaum sichtbar werden. Damit aber bedarf die Methodik zur Analyse von Außeneinflüssen eines erweiterten Kriterienkatalogs, der über die in der biblischen Exegese postulierten vier Kriterien zur Bestimmung von Außeneinflüssen hinausgeht. Diese vier standardisierten Kriterien lassen sich zunächst in zwei äußere und zwei innere differenzieren:
1 Flynn, YHWH is King, 74. Zur Diskussion vgl. weiter Smith, God, 1–10.
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Methodische Vorüberlegungen
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•
Textdatierung: Der aufgenommene Text ist zur Zeit der Abfassung des aufnehmenden Textes bekannt und öffentlich zugänglich.2 Regionale Verortung: Die biblischen Autor*innen kamen mit dem vermutet rezipierten Text entweder innerhalb seiner Ursprungskultur oder durch Verbreitung des Textes nach Palästina in Kontakt.3 Dabei kann es eine direkte oder eine vermittelte literarische Beziehung zum Ursprungstext geben.4 Traditionen und Motive: Beide Texte enthalten vergleichbare Traditionen und Motive.5 Vielfach wird in der Forschung auf Texte und Bilder der Umwelt Israels zurückgegriffen, wenn der zu untersuchende alttestamentliche Text Traditionen und/oder Motive bietet, die sich nicht aus der Kultur- und Literaturgeschichte Israels ableiten lassen. Erzählmuster: Neben Traditionen und/oder Motiven sind auch übereinstimmende Problemstellungen, Lösungsansätze und strukturelle Analogien Hinweise auf die Aufnahme von Prätexten.6
Die Adaption überkommener Vorstellungen aus Texten früherer Zeiten durch die Autor*innen hebräischer Texte ist dabei kein Vorgang sui generis, sondern ist Teil einer im 1. Jt. v. Chr. vor allem im neuassyrischen und neubabylonischen
2 Vgl. das bei Tiemeyer, Comfort, 78, genannte zweite Kriterium. Talmon, Comparative Method, weist auf eine genauere Analyse des weiteren Kontextes hin, plädiert jedoch zuvorderst für einen „holistic apporach“ (328), der zunächst eine inneralttestamentliche Analyse erfordert, bevor altorientalische Parallelen, dann möglichst aus demselben historischen Umfeld betrachtet werden sollten. Zur Kritik an Talmons Ansatz vgl. Malul, Comparative Method, 45f.: „However, his tendency to play down the value of external evidence in general does not seem fully justified, particularly in view of the factual limited extent of the biblical corpus. In many cases, the wider biblical context is not rich enough to supply the needed clues – whether they are linguistic lexical, or ideological – for the elucidation and understanding of the said problem, and the external might be invaluable in solving the crux, given, of course, that the comparative activity is carried out according to clearly defined and objective methodological criteria.“ 3 Vgl. Malul, Comparative Method, 87: „That is to say: in cases of borrowing, and assuming for the sake of argument that the Old Testament is the borrower, the question would be whether the biblical author borrowed the said phenomenon from some literary source or any other written social, legal or religious tradition with which he was familiar, or whether he was immersed in the life of the ancient Near Eastern culture, was influenced by it, and incorporated part of his experience into his work – the Old Testament.“ Zur Verbreitung von Texten im antiken Vorderen Orient vgl. Schmid, Literaturgeschichte, 52f., mit weiterer Literatur. 4 Vgl. Malul, Comparative Method, 89–91. Zu den Grenzen der ‚Comparative Studies‘ vgl. Talmon, Comparative Method, 344. 5 Vgl. Malul, Comparative Method, 91. 6 Zu den Kriterien vgl. Hemerén, Influences, 263–302. Zur Differenzierung von historischen und typologischen Beobachtungen vgl. Malul, Comparative Method, 54, sowie Smith, God, 187–242, der zugleich aber für die nachexilische Zeit eine Tendenz zur Zensur aufweist, durch die überkommene judäische Traditionen gegen die Aufnahme von Vorstellungen aus der Umwelt geschützt wurden.
Methodische Vorüberlegungen
Reich zu beobachtenden Bewegung, autoritative Texte des 3. und 2. Jt.s v. Chr. neu auszulegen. Dies schlägt sich in der mesopotamischen Kultur vor allem in den Kommentaren zu diesen Texten sowie der Aufnahme traditioneller Erzählstoffe in neu verfassten Epen nieder. Ein solcher Umgang mit der eigenen Überlieferung sowie mit Traditionen der Großreiche ist auch in den hebräischen Texten des 1. Jt.s v. Chr. zu beobachten. Die in der historisch-kritischen Exegese üblichen Untersuchungen traditionsund religionsgeschichtlicher Prozesse basieren methodisch auf Übereinstimmungen von Semantik, Motivik und/oder Erzählmustern. Über diese einfachen Formen von Text- und/oder Bildvergleich hinaus wurden im vergangenen Jahrzehnt wiederholt methodische Ansätze aus der Sozialanthropologie und der Ethnologie entlehnt, um andersartige Adaptionen nachzuweisen. Dabei wird vor allem die Methode der ‚cultural translation‘ (CT) in die historischen Geisteswissenschaften übertragen.7 Ausgangspunkt der Entwicklung dieser Methodik ist das Bestreben von Ethnologen, in fremden Kulturen beobachtete Vorgänge zunächst innerhalb der Ursprungskultur in ihrem Kontext zu beobachten und selber zu vollziehen, um sie dann nach Bedeutung und Funktion in der eigenen Kultur beschreiben zu können.8 Die Methodik basiert auf einer Übertragung von Beobachtungen von einer emischen in eine etische Perspektive. Die dabei ablaufenden Prozesse können in einer historischen Rekonstruktion von Adaptionsprozessen dahingehend angewendet werden, als dass zunächst eine Teilhabe an einer Ursprungskultur als wesentliche Voraussetzung für eine Übernahme kultureller Vollzüge und Integration in die eigene Tradition nachgewiesen wird, um dann nach dem jeweiligen tertium comparationis zu fragen. Dieses Vergleichsmoment muss nicht auf der Ebene von Semantik, Motivik und/oder Erzählmustern zu finden sein, sondern kann auch funktionaler Natur sein. So ist also nicht nur nach einer sprachlichen und/oder bildlichen Repräsentanz einer Vorstellung zu fragen, sondern es sind ihre Bedeutung und Funktion in der Ausgangskultur zu ergründen. „The degree of importance the expression has in the source culture can be termed resonance. Coherence (aware of degrees of resonance) provides reasons why the expression in the source culture came to prominence and thus why a target culture adopted the expression.“9
7 Vgl. Smith, God, and Flynn, YHWH is King, 73–90. 8 Zu den Grundlagen dieser Forschungsrichtung vgl. Gellner, Concepts, 18–49, und Asad, Concepts, 171–199. 9 Flynn, YHWH is King, 80.
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Die ‚Resonanz‘ (oder auch der Grad der Bedeutung) einer Vorstellung in ihrer Ursprungskultur ist für eine Adaption dahingehend entscheidend, als dass diese in eine andere Kultur nur dann übernommen wird, wenn sie in dieser von höherer Relevanz ist. Insbesondere Machtverhältnisse sind dabei in Betracht zu ziehen, da Vorstellungen von Herrschenden in den von ihnen beherrschten Gebieten eine höhere Resonanz erzielen.10 Diese Adaptionsprozesse sind in der Regel nicht umfassend, sondern es werden lediglich Einzelaspekte übertragen und in ein bestehendes Ordnungsmuster eingefügt. Der Anschluss fremder Vorstellungen an die eigenen Überlieferungen erfolgt also nur partiell. Sie werden so in die überkommene Tradition integriert, dass eine Mischung aus Adaption fremder Vorstellungen und Fortschreibung der eigenen Texte entsteht. Damit kann der oben genannte Kriterienkatalog für eine Rekonstruktion von Außeneinflüssen im Sinne einer ‚cultural translation‘ entsprechend erweitert werden: • Teilhabe an kulturellen Vollzügen: Die Autor*innen lebten innerhalb der Kultur, aus der sie Vorstellungen entlehnten, bzw. in direktem Kontakt zu ihr. • Resonanz: Die Vorstellung besitzt in ihrer Ausgangskultur eine hohe Relevanz, die vor allem durch Herrschaftsstrukturen entsteht. • Funktion: Die Funktion einer Vorstellung in ihrer Ausgangskultur ist für eine Adaption entscheidend, da sie diese bei einer Integration in eine andere Kultur behält. Eine solche ‚cultural translation‘ wird dann durch eine Veränderung und/oder Ausweitung von Funktionen in den Zeugnissen der aufnehmenden Kultur sichtbar, die sich nicht aus dem eigenen Traditionsbestand erklären lässt. Sie wird „in vielen Fällen dem Explizieren von zuvor impliziten Gehalten gedient haben. Die Vielfach beobachteten Vorgänge der Rezeption und Verarbeitung von königszeitlichen Quellen in der perserzeitlichen und hellenistischen Literatur des Alten Testaments ist als Kontinuität und Diskontinuität zu beschreiben“11 .
Die Aufnahme fremdländischer Vorstellungen ebenso wie die Reinterpretation der eigenen Traditionen sind demzufolge ein kontrollierter Prozess der Textvermehrung, der „in der Regel ein textlich produktiver Vorgang innerbiblischer Rezeption und Auslegung vorgegebenen Textguts“12 ist. Fremdländische Vorstellungen kön-
10 Hierzu vgl. die für die historischen Geisteswissenschaften grundlegenden Einsichten von Ghosh, Kinship, und Ghosh, In an Antique Land. 11 Schmid, Literaturgeschichte, 61. 12 Schmid, Literaturgeschichte, 57.
Methodische Vorüberlegungen
nen immer dann aufgenommen werden, wenn sie an überkommene Traditionen angeschlossen werden können. Zugleich nehmen auch die zeitgeschichtlichen Kontexte und kulturellen Umfelder der Redaktor*innen direkten Einfluss auf die Inhalte der hebräischen Texte aus persischer Zeit. Sie werden als im Text nicht beschriebenes ‚mental framing‘ sichtbar, von dem her die Fortschreibung motiviert und geleitet ist. Bezogen auf die prophetische Literatur der späten Exils- und frühen persischen Zeit, mit der die Analyse der Entwicklungen der persischen Zeit eingeleitet werden, sind drei spezifische Faktoren relevant, die es im Weiteren zu bedenken gilt: „[O]lder Judean traditions of a conflictual creator, Babylonian traditions of Marduk as creator, and the Achaemenid Creation prologues.“13 Ihre Adaption wirkt sich direkt auf die den hebräischen Texten dieser Zeit zugrundeliegenden Ordnungsmuster aus, wie im Folgenden zu beobachten ist.
13 Silverman, Engagements, 109; vgl. auch Blenkinsopp, Essays, 25–30.
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5.
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5.1
Die Rückkehr nach Jerusalem
Die Fortentwicklung des aus der vorexilischen Zeit überkommenen Ordnungsmusters zur Deutung von Raum und Zeit wird in der frühnachexilischen Periode zunächst von dem Versuch einer Wiederherstellung vorexilischer Traditionen bestimmt. Die Ereignisse und Begebenheiten der Exilszeit machen jedoch eine Neudeutung von Traditionen nötig, die sich direkt auf die überkommene Raumdeutung auswirkt. Dieses wird zunächst im zweiten Teil des Jesajabuches (Jes 40–55) sichtbar. In ihm wird die (Wieder-)Errichtung des Königtums JHWHs auf dem Zion angesagt. In diesem Prozess greifen die Autor*innen des Buches auf Vorstellungen sowohl der neubabylonischen als auch der sich im Westen etablierenden persischen Herrschaft zurück, die sie auf JHWH übertragen. Dies gilt insbesondere für Aussagen über JHWH als Schöpfergott. Diese in den Texten der Königszeit nur am Rande behandelte Vorstellung1 dient der Begründung seiner universalen Königsherrschaft (vgl. Jes 40,12.22.28; 42,5; 44,24; 45,12.18; 48,13). Mit ihr wird zugleich die Frage nach dem Ursprung der Welt beantwortet. Teil seines schöpferischen Handelns ist auch eine Transformation der Biosphäre (vgl. Jes 40,18f.; 42,15; 43,20; 44,26f.; 48,21; 50,2f.; 51,9–11). Zu deren Darstellung werden mit dem Königtum verbundene Lichtmotive auf JHWH bezogen und kosmologisch gedeutet. Die Adaption dieser ursprünglich mesopotamischen Traditionen wirkt sich auf die Gestaltung der Raumdeutung aus. Diese passt sich durch die sukzessive Fortschreibung von Jes 40–55 immer weiter den aufgenommenen Vorstellungen an, so dass anhand der Redaktionsgeschichte des Buches auch die Fortentwicklung des Ordnungsmusters sichtbar gemacht werden kann. Die relevanten Motive sind dementsprechend auf den unterschiedlichen Redaktionsstufen von Jes 40–55 zu betrachten. 5.1.1 JHWH als Begründer der Biosphäre Mit den bereits in den frühen Textschichten von Jes 40–55 geäußerten Vorstellungen über JHWHs universale Schöpfermacht werden Ursprung des Kosmos und Herrschaft über die Biosphäre vermittelt. Dabei können die Verfasser*innen an
1 Vgl. Albani, Gott, 123.
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kanaanäische Vorstellungen von El als schöpferischem Gott anschließen und führen diese in Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Theologie fort. In dieser ist bereits seit kassitischer Zeit der Titel bāni šamē u ers.etim (‚Schöpfer des Himmels und der Erde‘) belegt. „Es ist sehr wahrscheinlich, daß der glanzvolle Marduk-Kult eine große Faszination auf die zweifelnden Exulanten ausübte! In der Neujahrsfestliturgie wurde die Schöpfermacht und Herrlichkeit des babylonischen Götterkönigs eindrucksvoll zelebriert. Wie im Bereich der Zukunfts- und Geschichtsmacht mußte daher auch im Hinblick auf die Schöpfermacht die Auseinandersetzung mit der siegreichen Religion gesucht werden.“2
Aufnahme und Transformation dieses Einflusses fanden ihren Niederschlag in den JHWH-Schöpfer-Aussagen in Jes 40–55. Auslöser der Fortentwicklung dieser Vorstellung war die Religionspolitik Nabonids am Ende der neubabylonischen Zeit. Zwar verehrte der letzte babylonische König nicht JHWH, sondern den Mondgott Sîn, doch lieferte er mit seinen Aussagen, wie er sie im Sîn-Hymnus tätigte, den Verfasser*innen von Jes 40–55 eine Vorlage, die eigene Gottheit als Gott sui generis zu verstehen. „Diese Astralgottheit hat Nabonid zum ‚Gott der Götter‘ (ilāni ša ilāni) erklärt und damit an Marduks Stelle gesetzt, was ihm offenbar zum politischen Verhängnis wurde. Die Frage nach der unvergleichlichen, einzig wirkmächtigen Gottheit lag im Babylon der späten Nabonid-Ära also gewissermaßen in der Luft, genauer in den luftigen Höhen des gestirnten Himmels, auf die DtJes am Ende der Unvergleichlichkeitsargumentation in 40,26 hinweist.“3
Die Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Theologie findet vor allem in die Beschreibung des eigenen Gottes als Schöpfergott Eingang. Dies wird zunächst an Jes 40,12.22.28 sichtbar. Dort wird JHWH als Schöpfer von Himmel und Erde gepriesen. Die drei genannten Belegstellen gehören jeweils einem eigenständi-
2 Albani, Gott, 124. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verfasser von Jes 40–55 in Babylon gelebt haben müssen, wie Tiemeyer, Comfort, 128, ausführt: „In response, I agree that the description of YHWH stresses his power and strength in comparison with the god of the Neo-Babylonian Empire. However, as argued above, this is not an argument for a Babylonian setting of Isa 40–55. Rather, it testifies to the supremacy of Babylon, a supremacy that must have been felt and disliked by both the people in the conquered territories and the various groups of exiles in the heartland of Babylon. The polemic against Babylon and its deities in Isa 40–55 is thus a consequence of the destruction of Jerusalem in 586 BC, but it is not a consequence of a Babylonian based author.“ 3 Albani, Gott, 158.
Die Rückkehr nach Jerusalem
gen Disputationswort an (Jes 40,12–17*.21–26.27–31),4 die durch die Vorstellung der Schöpfermacht JHWHs miteinander verbunden sind.5 Dies wird bereits durch die Einleitung des ersten Wortes in Jes 40,12 deutlich. Wer maß mit seiner geöffneten Hand Wasser und grenzte einen Himmel mit der Spanne ab und alles mit dem Maß Staub der Erde? Und er wiegt die Berge mit der Waage und die Hügel mit Waagschalen.
Die Eröffnung des ersten Wortes der Sammlung deutet auf JHWHs Schöpfungstat hin. „Das Wortfeld ist das des quantitativen Messens (messen; abmessen; erfassen; wiegen), sowohl mit natürlichen Maßen (hohle Hand, Spanne), als auch mit künstlichen Messgeräten (Dreimaß; Waage; Waagschalen).“6 Die Fähigkeit zum Umgang mit den Messinstrumenten wird als Zeichen seiner Kompetenz zu gerechtem Handeln gedeutet.7 „Sein Wort mündet dann in eine Aussage über die Nichtigkeit der Völker, denen im Vergleich mit der Größe und Macht des universalen Herrschers, Jahwe, keine Bedeutung zukommt.“8 Diese Fähigkeiten deuten darauf hin, dass JHWH in Konkurrenz zu Marduk tritt, von dem es in einem Ritualtext zum 4.–5. Tag des akītu-Fests (Collation aus DT 109, DT 114 und MNB 1848) heißt: Der über den Himmeln geht (ēbir šamê), die Erde prüfend überblickt (ḫât.i ers.etim), die Wasser des Meeres auslotet (mādidi mê tâmtim), sich um die Bebauung des Kulturlandes kümmert, der in E’udul wohnt, Herr über Babylon, hehrer Marduk! Der die Schicksale aller Götter festsetzt, der dem König, der ihn verehrt, ein reines Szepter verleiht.9
Der Überblick über die Biosphäre wird in beiden Traditionen der Schöpfergottheit zugesprochen und als ein Alleinstellungsmerkmal verstanden. Marduks Herrschaft
4 Zur Datierung vgl. van Oorschot, Babel, 24. Weiterhin siehe Elliger, Deuterojesaja 1, 45f.65–69; Hermisson, Studien, 163 A19; Werlitz, Redaktion, 212f. Berges, Jesaja 40–48, 125, zeigt auf, dass die V. 15–17.23f. von der Grundschicht abzuheben und redaktionsgeschichtlich „auf großjesajanischem Niveau wie eine Zusammenfassung der Völkerspruchsammlung (Jes 13–23)“ einzuordnen sind. Zur Gattung vgl. Baltzer, Deutero-Jesaja 98f. 5 Vgl. Werlitz, Redaktion, 212. 6 Berges, Jesaja 40–48, 131. 7 Auffällig ist die Wortassonanz ( מים ושׁמיםvgl. Koole, Isaiah 3, 88, und Berges, Jesaja 40–48, 131), durch die ein direkter Bezug zwischen den kosmischen Räumen rund um die Biosphäre bewirkt wird. 8 So van Oorschot, Babel, 25. 9 Text DT 109 aus TUAT II, 216. Weiterhin vgl. Albani, Gott, 130: „Die Vergleichsperson kann nur eine andere Gottheit sein (vgl. Ps 89,7), wobei in erster Linie der Hauptgottheit der Siegermacht, Marduk-Bel, in Betracht kommt, denn nur der Götterkönig der Babylonier ist von seinem göttlichen Rang her würdig, mit dem königlichen JHWH verglichen zu werden.“
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über den Kosmos offenbar überbietend,10 wird so die Zielrichtung der Aussagen über JHWHs Schöpfertätigkeit deutlich: Er erweist sich gegenüber den Nationen als übermächtig. Als Begründer der Biosphäre ist er zugleich auch derjenige, der die in diesem Raum ablaufende Geschichte bestimmt.11 Das von den Verfasser*innen gewählte Motiv der messenden Hand impliziert ein Größenverhältnis von JHWH zu dem von ihm begründeten Raum. Die in der Biosphäre versammelten Wassermassen können auf seiner geöffneten Handfläche ruhen, der ausgespannte Himmel, also der Horizont, entspricht der Spanne seiner gespreizten Hand. „He prepares the sky as an abode or arena for his majestic self-manifestation. Once he appears on the horizon of heaven, his world tent is filled with the brilliance of his epiphany. He stretches out the heavens to reveal himself as he assumes his creative activities.“12
Dieses Größenverhältnis drückt zugleich die Machtkonstellation aus.13 Die Nationen erscheinen im Verlauf der Geschichte als mächtig, doch können sie nur insoweit Einfluss auf den Ablauf der Ereignisse nehmen, wie JHWH ihnen dies zugesteht. Dies wird in Jes 40,21–26 expliziert: Habt ihr es nicht erkannt? Habt ihr es nicht gehört? Ist es euch nicht von Anfang an verkündet worden? Habt ihr die Gründung14 der Erde nicht verstanden? Der, der über dem Kreis der Erde thront, und die, die sie bewohnen, sind wie Grashüpfer, der, der einen Himmel ausstreckt wie einen Schleier und wie ein Zelt, um zu wohnen. Der, der Fürsten zu nichts werden lässt, Richter eines Landes zu Chaos werden lässt. Kaum sind sie gepflanzt, kaum sind sie gesät, kaum hat ihr Stamm in der Erde gewurzelt, dann bläst er sie an und sie vertrocknen und als ein Sturm trägt er sie weg wie Stoppeln. Mit wem wollt ihr mich vergleichen und [wem] bin ich gleich?, spricht der Heilige. Erhebt eure Augen zu Höhe und seht: Wer schuf dies? Der, der ihr Heer nach Anzahl hinausgehen lässt, um sie alle mit Namen zu rufen. Von solcher Größe sind Macht und Kraft, Stärke, nicht einer wird fehlen.
10 Vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 71; Albani, Gott, 130, der darauf hinweist, dass Jes 40,12 die in DT 109 getätigten Aussagen über Marduk bei ihrer Übertragung auf JHWH steigert. Ebenso Stummer, Parallelen, 175. 11 Scheuer, Return, 143, versteht die Selbstvorstellung JHWHs als einen der wesentlichen Gründe für seine Rückkehr. 12 Habel, Heavens, 423. 13 Vgl. Albani, Gott, 125. 14 Zur Lesung vgl. die textkritischen Ausführungen bei Barthélemy, Critique textuelle 2, 285f.
Die Rückkehr nach Jerusalem
Das Verhältnis von JHWH zu den Nationen wird mit einer räumlichen Trennung beschrieben. „Das Motiv der Erdbewohner als ‚Heuschrecken‘ (V. 22b) leitet vom Thema der Schöpfung zu dem der Geschichte über und der Ausdruck ‚Richter der Erde‘ (V. 23b) bezeichnet die relevanten Akteure auf der Weltbühne.“15 Als ein solcher ‚Richter‘ wohnt JHWH in der ‚Höhe‘ ( מרוםV. 26),16 während die Nationen sich unterhalb des als ‚Schleier‘ ( דקV. 22) und ‚Zelt‘ ( אהלV. 22) beschriebenen Himmels versammeln.17 „Damit ist der transistorische Charakter betont, der auf allen Menschen lastet, die unter dieser Zeltdecke wohnen und daher Heuschrecken gleichen […].“18 JHWH wird als Souverän dargestellt, der ‚über dem Erdkreis thront‘ ( הישׁב על־חוג הארץV. 22)19 und der dabei jeden Einzelnen des himmlischen Heeres mit Namen kennt (V. 26). Seinen geschichtstheologischen Aspekt erhält dieser Passus durch seine religionsgeschichtlichen Implikationen: „Immerhin galten auch die babylonischen Herrscher als irdische Stellvertreter der großen Götter, die in den Gestirnen ihre sichtbaren Repräsentanten haben.“20 Als Herrscher über die astrale Welt bestimmt JHWH den Lauf der Geschichte, indem er die Nahtstelle zwischen Himmel und Erde beherrscht.21 „Eine Schwachstelle des Weltgebäudes – jedenfalls hielt man sie laut Text dafür – galt dabei für besonders bedroht: die Nahtlinie von Himmel und Erde, die Trennlinie zwischen ‚Oben‘ und ‚Unten‘, somit das, was wir Horizont zu nennen pflegen.“22
Als entscheidender Akt zur Konstituierung der Herrschaft wird die Errichtung des ‚Erdkreises‘ ( )חוג הארץdurch das Aufspannen des Himmels angeführt.23 Mit ihm 15 16 17 18 19 20
Berges, Jesaja 40–48, 145. Zu den Parallelen in Ps 92,9; 93,4; 102,20 vgl. Koole, Isaiah 3, 114. Zur Motivik vgl. Oswald, Isaiah 40–66, 66f. Berges, Jesaja 40–48, 149f. Zum Motiv vgl. Koole, Isaiah 3, 108. Albani, Gott, 155. Zuvor weist er schon darauf hin, dass „es für DtJes’ Zeitgenossen keinen größeren Machterweis als die Herrschaft über die Gestirne“ (Albani, Gott, 125) gab. Zur Vorstellung des himmlischen Heeres seit vorexilischer Zeit vgl. Albani, Gott, 186–230. Weiter zum Thema vgl. Oswald, Isaiah 40–66, 69. 21 Vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 83. Weiter zur Herrschaftsausübung JHWHs vgl. Koole, Isaiah 3, 115f.: „Likewise this v. means that Yahweh continues to call forth individually the created heavenly bodies so that each will pursue its course according to its function.“ 22 Koch, Mardukstern, 56, der die Bedeutung des Himmelskreises für die Marduktheologie bedenkt. Dazu vgl. Albani, Gott, 140: „Während jedoch die mesopotamischen Könige wie Ashurbanipal den Götterkönig zur Legitimierung und Erhaltung ihrer Macht lobpreisen, macht der Gott DtJes’ die Herrschaft dieser Könige gerade zunichte (Jes 40,23f.).“ 23 Häufig wird in diesem Zusammenhang als altorientalisches Vergleichsobjekt eine Bauinschrift Nabû-apla-iddinas aus Sippar (BM 91000, abrufbar unter: http://www.bible-orient-museum.ch/ bodo/details.php?bomid=1237. Letzter Aufruf: 24.10.2020) genannt (vgl. Metzger, Wohnstatt, 4–7;
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werden die Lebensräume voneinander geschieden, ohne dabei getrennt zu sein, da die „altorientalische und biblische Schöpfungskonzeption nicht von einem geschlossenen System ausgeht, sondern von einer Osmose zwischen den Sphären des Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen“24 . Dem Erdkreis als Sitz JHWHs wird hier die Funktion zugesprochen, die in Jes 6,1–4 der Thron im Heiligtum besitzt.25 Mit dem Thronen auf dem Himmelszelt werden die Gestirne JHWHs Machtbereich zugewiesen: „Wahrscheinlich wird auch ihretwegen schon in [V.] 22 Jahwe als der auf dem Himmelsgewölbe Thronende eingeführt und von seinen Schöpfungswerken gerade das Spannen des Himmelszeltes genannt.“26 Die Zuwendung JHWHs zu jedem Einzelnen in V. 26 wird im folgenden Disputationswort in Jes 40,27–31 auf die Exilierten bezogen, denen JHWH Kraft und Stärke geben wird. „Mit dieser Strophe kommt die Disputation zu ihrem Höhepunkt, denn nun werden erstmalig die Angesprochenen (V. 18.25 ‚ihr’) mit Namen genannt (V. 27 ‚Jakob/Israel‘).“27 Kraft und Stärke werden als geistige Fähigkeit bezeichnet (V. 28 ‚ תבונהVerstand‘28 ), in der Gott schöpferisch handelt. Die Beschreibung JHWHs als desjenigen, der die Enden der Erde abtrennte, wird als Partizipialkonstruktion formuliert ()בורא קצות הארץ,29 sodass der Schöpfungsakt als immer noch geschehend gekennzeichnet30 und damit zum Persönlichkeitsmerkmal des Schöp-
24 25 26 27 28 29 30
Mettinger, Dethronenment, 29f.; Keel, Welt, 153f.; Janowski, Rettungsgewißheit, 33; Albani, Gott, 177; Berges, Jesaja 40–48, 153). Auf der zugehörigen Darstellung thront der Sonnengott über Fluten unter einem Baldachin. Der Gedanke eines Thronens über dem Horizont lässt sich damit jedoch nicht in Verbindung bringen. Vielmehr stellt der Baldachin das Allerheiligste des Tempelgebäudes dar, an dessen unterer Seite von links die Symbole von Sîn, Šamaš und Ištar sichtbar sind. Der Tempel steht über apsû, in dem die den Himmel tragenden Pfeiler verankert sind. Die Inschrift bezeugt diese Konstellation: „Image of Šamaš, the great lord, the one who dwells in the Ebabbar, which is within Sippar. Sin, Šamaš, and Ištar are depicted opposite the Apsû, between Niraḫ (and) the pillars. The herald of Šamaš, the two-faced snake“ (Transliteration und Übersetzung in Woods, Sun-God-Tablet, 62). Die Einzeichnung von vier weiteren Symbolen für astrale Gottheiten deutet nicht zwingend darauf hin, dass das abgebildete Wasser der himmlische Ozean ist. Hier ist wohl eher an die Gegenwart von Gottheiten in apsû zu denken, wie sie vielfach geschildert wird. Berges, Jesaja 40–48, 149. Zu חוג הארץvgl. Seybold, Art. חוג, Albani, Gott, 142f., und Koch, Himmlische Wohnstatt, 106–111. JHWH tritt hier in der Rolle von Nēberu, der astralen Repräsentation Marduks, auf. Elliger, Deuterojesaja 1, 90f. Berges, Jesaja 40–48, 156. Zum Begriff vgl. Oswald, Isaiah 40–66, 73, und Berges, Jesaja 40–48, 160f., der mit ihm Gottes Handeln in Schöpfung und Geschichte (vgl. Jer 10,12; 51,15; Ps 136,5; Spr 3,19) verbindet. Vgl. Westermann, Buch Jesaja, 51, der aufgrund der Konstruktion eine Nähe zu Psalmentexten feststellt. Vgl. Berges, Jesaja 40–48, 160.
Die Rückkehr nach Jerusalem
fers wird.31 Dabei wird mit קצותein Terminus eingeführt, der die Begrenzung der Biosphäre bezeichnet. Dieser Begriff wird innerhalb des Jesajabuches noch in Jes 41,5.9 verwendet. In V. 5 werden die ‚Enden der Erde‘ mit den ‚Inseln‘ ( )אייםgleichgesetzt.32 Diese liegen jenseits des Landes im Meer und damit am äußeren Rand der Hemisphäre. In Jes 41,9 werden die ‚Enden der Erde‘ mit den ‚entlegensten Teilen‘ ( אצילI33 ) gleichgesetzt, wobei die Bedeutung von אצילIII ‚Gelenk‘ darauf hindeutet, dass diese Orte einen Übergang von zwei aufeinander stoßenden Elementen darstellen. In Einklang mit der Vorstellung des auf der Erde ( )ארץaufsetzenden Himmelszeltes wäre eine solche Konstellation gegeben. Hier wird deutlich, dass anders als in der mesopotamischen Vorstellung die Biosphäre nicht durch die Berge und die in ihnen liegenden Tore zur Unterwelt begrenzt wird,34 sondern der Lebensraum der Menschen sich bis hin zum Meer erstreckt. Der Himmelsbogen sitzt auf den Wassern auf. Die abnehmende Landmasse (‚Inseln‘ )אייםstellt einen Übergang zwischen dem Land ( )ארץund den Wassermassen ( )מיםdar. Unklar bleibt, worauf der Himmelsbogen an den Gelenkstellen aufsetzt. Deutlich ist nur, dass die ‚( קצות הארץEnden der Erde’) den Ort darstellen, an dem Finsternis und Licht aufeinandertreffen. Die Charakterisierung JHWHs als Schöpfer kommt dann in Jes 42,5 erneut in den Blick der Verfasser*innen. Sie nehmen dabei den in Jes 40,28 verwendeten Partizipialstil auf und drücken auf diese Weise eine Zeitspanne aus, die „sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart“35 umfasst. Dabei wird JHWH erneut als derjenige beschrieben, der den Himmel von der Biosphäre schied: So spricht der Gott JHWH, der die Himmel abtrennte und sie ausspannte, der die Erde ausstreckte und ihr Gewächs, der dem Volk Atem gibt auf ihr und Geist denen, die auf ihr gehen.
31 Vgl. Albani, Gott, 245. 32 Beide Begriffe sind in diesem Text gegen die Bezeugung der LXX (ἒθνος als Übersetzung von )איים als geo- und nicht als ethnographische Bezeichnung zu verstehen; vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 127. Weiter zur Bedeutung der ‚Inseln‘ als äußerster Teil der Hemisphäre vgl. de Hulster, Horizontal Dimension, 192f. 33 Zur Bedeutung dieses hapax legomenon vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 138; Koehler/Baumgartner, HALAT3 , 79. 34 Auf die Begrenzung weist die Vorstellung hin, dass sich in den Bergen die Tore zur Unterwelt (gan.zir) befinden (vgl. Horowitz, Mesopotamian Cosmic Geography, 270). Die Babylonische Weltkarte verlegt den Ringozean als die menschliche Lebenswelt umgebend in die Region jenseits der Berge, so dass die menschliche Lebenswelt als vom Wasser umschlossen dargestellt wird. Anders stellt Jes 41,9 die Hemisphäre als die eigentliche Gelenkstelle dar. 35 Elliger, Deuterojesaja 1, 231.
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Anders als in Jes 40,22 wird in diesem Spruch nicht nur das Ausspannen des Himmelszeltes, sondern auch die Belebung der Biosphäre auf JHWH zurückgeführt.36 Die einzelnen Schöpfungswerke stehen dabei nicht im Blick, sondern werden mit dem Begriff ‚( צאצאGewächs‘) zusammengefasst.37 Wesentlich ist die Belebung der Menschen mit ‚Atem‘ ( )נשׁמהund ‚Geist‘ ()רוח, die es ihnen ermöglicht, die Biosphäre mit Leben zu füllen.38 Mit Jes 44,24 wird der in den Texten der Grundschicht von Jes 40–55 vorfindliche Gedanke der Trennung von Himmel und Erde um die Vorstellung erweitert, dass dieser Vorgang ein Herrschaftsakt war. „Sowohl durch das Machen der Erde und die Erschaffung der Menschheit auf ihr als auch durch das Ausbreiten der Himmel und die Befestigung seines Heeres, d. h. der Gestirne, stellt JHWH seine unvergleichliche Herrschaft über alle kreatürliche und geschichtliche Wirklichkeit unter Beweis.“39
Teil der sich so konstituierenden Herrschaft des Schöpfers ist auch die Berufung des Kyros’: So spricht JHWH, der dich erlöst und dich formte von Mutterleib an: Ich bin JHWH, der, der alles erschuf, der, der alleine den Himmel ausspannte, der die Erde ausstreckte. Wer war bei mir40 ?
Die gewählte Bezeichnung des Schöpfungshandeln durch den Begriff ‚ עשׂהmachen‘ ist neben der Verwendung von בראnicht ungewöhnlich, sondern erscheint im Alten Testament wiederholt. עשׂהin Kombination mit ארץtritt in Jes 37,16; 45,12.18; Jer 10,12; Ps 115,15; 121,2; 146,6 und Spr 8,26 auf. Als weitere Termini
36 Vgl. Westermann, Buch Jesaja, 82; Oswald, Isaiah 40–66,117. 37 Vgl. Elliger Deuterojesaja 1, 231: „Wie Hi 31,8 und wohl auch Jes 34,1 sind die ‚Herauskömmlinge‘ in pflanzlicher Gestalt hier gemeint und möglicherweise noch die Tierwelt […].“ 38 Vgl. Beuken, Jesaja 40–48, 235. 39 Berges, Jesaja 40–48, 383. Die Bindung der Geschichtsmächtigkeit JHWHs an seine Taten als Schöpfer findet in Y. 44,4f. ein literarisches Pendant, auf das Achenbach, Kyros-Orakel, 176, hinweist: „Das frage ich dich, sage es mir, Ahura: Wer festigte die Erde unten und den Wolkenhimmel, dass er nicht herabfalle? Wer die Wasser und die Pflanzen? Wer schürfte dem Wind und den Wolken die beiden Renner? Welcher Mann ist, o Mazdah, der Schöpfer des Guten Denkens? Das frage ich dich, sage es mir recht, Ahura: Welcher Werkmeister hat Licht und Finsternis erschaffen? Welcher Meister hat den Schlaf geschaffen und das Wachen? Wer ist es, durch den Morgen, Mittag und Nacht sind, welche den Verständigen an sein Tagewerk mahnen?“ Achenbach, Kyros-Orakel, 176–179, führt Hinweise auf die Entstehungszeit des avestischen Textes aus, der im 6. Jh. v. Chr. bereits verbreitet gewesen sein dürfte. Zur Form ‚Selbstpreis‘ vgl. Westermann, Buch Jesaja, 127. 40 Zur alternativen Lesung des Qere מאתיvgl. Barthélemy, Critique textuelle 2, 332f.
Die Rückkehr nach Jerusalem
zur Bezeichnung des schöpferischen Handelns JHWHS werden ‚ יסדbegründen‘, ‚ כוןhervorbringen‘ und ‚ יצרformen‘ gebraucht.41 Die in Jes 44,24 geäußerte Erwartung, dass JHWH einen neuen Machthaber einsetzen und damit die zeitaktuelle Machtkonstellation auflösen wird, ist demnach als Teil seines Schöpfungshandelns zu verstehen.42 Wie bereits in Jes 44,24 wird auch in Jes 45,12 die Schöpfung der Erde mit עשׂהund ארץformuliert. Dieses Motiv wird dann mit dem später in den Text eingefügten Passus Jes 45,18f.43 weiter verdichtet. Denn so spricht JHWH, der den Himmel abtrennte, er ist der Gott, der die Erde formte und sie schuf, er ist der, der sie begründete. Nicht um leer zu sein, trennte er sie ab, um darauf zu wohnen, formte er sie. Ich bin JHWH und keiner sonst. Nicht im Geheimen habe ich gesprochen an einem Ort eines Landes von Dunkelheit. Nicht habe ich zu den Nachkommen Jakobs gesagt: Sucht Leere. Ich bin JHWH, der Gerechtes redet, der Richtiges verkündet.
Jes 45,18 führt schließlich die Trennung der kosmischen Räume und die Schaffung der Erde als Lebensraum des Menschen zusammen,44 so dass sie als ein Prozess erscheinen.45 „Die Festigung der Erde ist ein zusätzlicher und keinesfalls überflüssiger oder bloß der Plerophorie zuliebe hinzugesetzter Aspekt. Der Gegensatz dazu ist die wankende Erde (Ps 60,4), und in dieser Alternative kommt die menschliche Erfahrung der Erde als des heilvoll festgegründeten oder als des unheilvoll schwankenden Lebensraums zur Sprache.“46
Dieser Lebensraum wird in der weiteren Fortschreibung unterteilt. Während in V. 19 ‚ ארץ חשׁךein Land von Finsternis‘ zunächst lokal unbestimmt bleibt, deutet der Bezug zu den Nachkommen Jakobs darauf hin, dass mit dem Land der Ort des Exils gemeint ist. Dieses Gebiet wird dann in den Gottesknechtsliedern zu der Region, die nach Jes 49,6 (‚ אור גויםLicht von Nationen‘) und Jes 51,4 (‚ אור עמיםLicht
41 Vgl. Van Wolde, Separation, 613. 42 Weiter geht Elliger, Deuterojesaja 1, 467f., der das politische Handeln JHWHs als Teil seiner schöpferischen Tätigkeit ansieht. Die Geschichtsmächtigkeit ist nicht eine Folge, sondern ein Teil des Schöpferdaseins. Vgl. weiter Oswald, Isaiah 40–66, 210. 43 Vgl. van Oorschot, Babel, 222–226. 44 Vgl. Koole, Isaiah 3, 477. 45 Vgl. Westermann, Buch Jesaja, 140, und Oswald, Isaiah 40–66, 217f. 46 Hermisson, Deuterojesaja 2, 63.
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von Völkern‘) durch den Gottesknecht erleuchtet wird.47 Sein Wirken als ‚Licht von Völkern‘ wird in V. 3 mit dem Motiv der ‚Freude und Wonne‘ als Wirkung der Botschaft verbunden. Die Formulierung ‚( שׂשׂון ושׂמחהFreude und Wonne‘) wird zudem in Jes 35,10; 51,11 gebraucht und dort jeweils mit der Vorstellung der Rückkehr zum Zion in Einklang gebracht. An dieser erweist sich das auf Heil ausgerichtete schöpferische Wirken JHWHs. Mit der Formulierung ‚( שׂשׂון ושׂמחהFreude und Wonne‘) wird zugleich ein erster Einfluss persischer Traditionen auf die Fortschreibung des Jesajabuches sichtbar. Das Hervorrufen von ‚( שׂשׂון ושׂמחהFreude und Wonne‘) wird in den altpersischen Königsinschriften als eine Konsequenz der Schaffung des Kosmos durch Ahura Mazdā verstanden. „A key term […] is ‚joy, happiness‘ (šiyāti-), an atypical inclusion in a list of creation items“.48 Hier liegt offensichtlich die Adaption eines Motivs vor, das in der persischen Herrschaftsideologie bedeutend ist. Die Verbindung von Freude und Schöpfungshandeln ist in DNa 1f. ebenso wie in XPh 6; DNb 1 gegeben. „Creation is regular and ordered – earth, heaven, humanity, and happiness for humanity – and there is no hint of a struggle. It is a joyful thing for humans.“49 Mit dem Motiv wird zugleich eine Funktion übernommen und in das überkommene Ordnungsmuster integriert. Mit der Verbindung des göttlichen Schöpfungshandelns zur Freude/Wonne der Menschen erhält die Schöpfung eine teleologische Perspektive.50 Sie dient nicht allein dem Hervorbringen der Biosphäre. Vielmehr zielt das Handeln des Schöpfers darauf, für die im Raum lebenden Menschen einen emotional positiv konnotierten Zustand zu bewirken. Bei der Integration der Vorstellung ist zugleich zu erkennen, dass sie nicht in ihrer ursprünglichen Fassung übernommen wird. Anders als in den persischen ist es in den dtjes Texten nicht der vom Schöpfergott berufene Herrscher, sondern JHWH, der dies bewirkt. Die mit dem Erscheinen JHWHs verbundene Aufforderung zur Rückkehr nach Israel wird dann in Jes 48,12f. erneut mit JHWH als Schöpfer in Zusammenhang gebracht.51 Dabei wird in Jes 48,13 die Schöpfung als eine Tat JHWHs dargestellt,
47 Die Auswirkungen dieses Prozesses beschreibt Hermisson, Deuterojesaja 2, 363: „Diese Aufgabe des Knechts ist auch nicht etwa überholt, sondern bleibt bestehen und ist, wie man der Verkündigung des Propheten im ganzen entnehmen kann, gerade das Zentrum des weltweiten Heilswerks: Dadurch, daß Israel gerettet wird und diese Rettung an sich geschehen läßt, kommen auch die Völker zum Heil.“ 48 Silverman, Engagements, 93. 49 Silverman, Engagements, 97. Vgl. auch Blenkinsopp, Essays, 20f. 50 Vgl. Silverman, Engagements, 111. Zur Teleologie der Schöpfungsvorstellung in Jes 51,1–8 vgl. weiterhin Berges, Jesaja 49–54, 123–125. 51 Vgl. van Oorschot, Babel, 228: „Wie in 45,18f. betont der Verfasser auch in diesem Text, daß Jahwe Israel in seinen prophetischen Zusagen nicht täuschte.“
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die seine Aufforderung legitimiert.52 Mit der in diesem Text verwendeten Selbstbezeichnung קרא אני אליהםschließen die Verfasser*innen dabei an ältere Textanteile an. Der Terminus קראwird in der Grundschicht von Jes 40–55 verwendet, um neue Heilsansagen einzuleiten. Eine solche verkündet der Prophet hier zwar nicht, ruft aber „die bekundete Heilsabsicht Jahwes in Erinnerung, in deren Horizont Israel seit der Kyroszeit lebt, ohne schon deren volle Wirklichkeit zu sehen“53 . Damit wird erneut in Verbindung mit Jes 45,18f. das Motiv der Rückkehr des Volkes zum Zion und damit in das helle Land hergestellt. „Kompositorisch ist von großer Bedeutung, dass zwischen Jes 48,12 (‚mein Berufener‘) und Jes 49,1 (‚JHWH hat mich berufen‘) der Auszugsbefehl an die babylonische Gola erfolgt.“54 Das Land Israel wird zum festgegründeten ( )יסדZentrum der Biosphäre,55 während sich der gegenwärtige Aufenthaltsort in die Hemisphäre verwandelt. Fazit: Mit den Aussagen über Gott als Begründer des Kosmos, der Himmel und Biosphäre durch das Aufspannen des Himmels(-zeltes) voneinander trennte, knüpfen die Verfasser*innen von Jes 40–55* zunächst an Schöpfungsvorstellungen an, die in der Auseinandersetzung mit der babylonischen Marduk-Verehrung dazu dient, die Macht JHWHs zu betonen.56 Hier ist zu beobachten, dass die Übertragung von Motiven und ihren Funktionen von Marduk auf JHWH Teil eines breiteren kulturellen Prozesses ist, der sich auch in den mesopotamischen Quellen niederschlägt. Die Wiedererrichtung des Sîn-Heiligtums durch Nabonid und seine Unterminierung des babylonischen Marduk-Kults, die vor allem durch ein Aussetzen des akītu-Fests in Babylon über ein Jahrzehnt hinweg in das Bewusstsein der babylonischen Gesellschaft trat, sind die wesentlichen religionsgeschichtlichen Entwicklungen der späten Exilszeit. Die Bezüge der dtjes Texte zu den Entwicklungen in Mesopotamien und deren Zeugnisse werden nicht nur auf semantischer und/oder motivischer Ebene sichtbar, sondern sind als ‚cultural translation‘ zu erkennen. Die in der babylonischen Kultur lebenden Verfasser*innen nehmen Vorstellungen mit hoher Resonanz in ihrer Ursprungskultur auf und übertragen diese auf JHWH. Dabei können sie an ältere judäische Traditionen anknüpfen. Durch die Adaption beziehen sie zugleich Funktionen auf JHWH, die im überkommenen Ordnungsmuster nicht vorgesehen sind und erweitern dieses so. Damit erhält nicht nur das universale
52 Westermann, Buch Jesaja, 163, hebt hervor, dass diese Vorstellung älter als der priesterliche Schöpfungsbericht ist, dieser also die Schöpfung durch das Wort bereits vorgegeben ist. 53 So van Oorschot, Babel, 228. 54 Berges, Jesaja 40–48, 530. 55 Vgl. Berges, Jesaja 40–48, 530. 56 Hartenstein, Bedeutung, 339, betont, dass die „Wahrnehmung des langzeitigen Geschichtshandelns JHWHs im Rahmen seines Schöpferhandelns“ zu verstehen ist. Dies bedeutet zugleich, dass JHWHs Schöpfermacht ein auf Dauer angelegtes göttliches Handeln in der Geschichte begründet.
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Königtum JHWHs in seiner Schöpfermacht eine neue Begründung. Zugleich wird die Geschichtsmächtigkeit, die in früheren Anteilen des Jesajabuches unbegründet hervorgehoben wird, mit der Erschaffung der Biosphäre verbunden. Damit werden Schöpfung und Geschichte teleologisiert, da sie nun auf eine Durchsetzung der göttlichen Herrschaft zulaufen. Mit den in späteren Redaktionsschichten des Buches hinzutretenden Textanteilen wird dann eine Spezifizierung des Motivs vorgenommen, indem Vorstellungen der sich ausbreitenden persischen Herrschaftsideologie übernommen werden. Während der Zion zum Mittelpunkt der Hemisphäre wird, von dem aus JHWH als solar konnotierte Gottheit herrscht, wird der Aufenthaltsort des Volkes in Mesopotamien zu einem Ort kosmischer Finsternis. Diese Orte können durch einen göttlichen Gesandten, der die Botschaft von der Rückkehr JHWHs zum Zion überbringt, vom Zentrum her erleuchtet und zum Teil der menschlichen Lebenswelt werden.57 Um dieses darzustellen, werden Vorstellungen der mit der persischen Großreichsideologie verbundenen Raumordnung aufgenommen, die im Folgenden ausgeführt werden. Neben einer Beschreibung von JHWH als Schöpfer von Himmel und Erde durch die Adaption von Vorstellungen aus dem Marduk-Kult gewinnt der Herrschaftsanspruch JHWHs durch die persischen Traditionen eine universale Dimension. Durch sie wird er nicht nur als Begründer des Kosmos und Herrscher über die Welt angesehen, sondern auch als König über alle Orte der Biosphäre. Wird also die Einzigkeit JHWHs und sein Machtanspruch mit seiner Schöpfung begründet, wird mit den aus der persischen Tradition adaptierten Vorstellungen die irdische Ausdehnung seiner Herrschaft beschrieben. Die Fokussierung in den dtjes Texten auf das Handeln des persischen Königs in eroberten Gebieten und die Beschränkung auf Traditionen, die sich auf den Aufbau des Großreiches beziehen, deuten darauf hin, dass die Verfasser*innen in den von den persischen Großkönigen eroberten Gebieten lebten und daher mit diesen Vorstellungen in Kontakt kamen. Aufgrund der sich verändernden Herrschaft besitzen die von den persischen Großkönigen in den eroberten Gebieten sichtbar gemachten Traditionen eine hohe Resonanz. Diese Vorstellungen werden durch verschiedene Motive auf JHWH übertragen, der so zum Herrscher über alle Länder bis an die Ränder der Hemisphäre wird. Um die Bedeutung seiner Herrschaft zu betonen, nutzen die Verfasser*innen Lichtmetaphorik und das mit diesem verbundene Hell-DunkelSchema. Wie diese sich zunächst auf das kosmische Zentrum bezieht, wird im Folgenden dargestellt.
57 Zur Verbindung von Jes 49,6 und Jes 51,4 vgl. Hermisson, Deuterojesaja 3, 178f.
Die Rückkehr nach Jerusalem
5.1.2 Die Illumination des Zentrums Mit der Übertragung von Lichtmotivik auf die Königsherrschaft JHWHs wird der metaphorisch verwendete Hell-Dunkel-Kontrast zunächst auf das kosmische Zentrum angewendet. Diese Entwicklung ist eng mit dem Herrschaftsanspruch JHWHs, der an seiner Schöpfermacht deutlich wird, verbunden und wirkt sich als zweiter Faktor auf das traditionelle Ordnungsmuster aus. Vergleichbar mit dem Gedanken von JHWH als Schöpfer liegt auch dieses Motiv bereits im Grundbestand der Sammlung vor und wird in der weiteren Redaktionsgeschichte fortgedeutet, so dass eine Entwicklung sichtbar wird. Mit dem Aufstrahlen des כבודJHWHs vor ‚allem Fleisch‘ ()כל־בשׂר, das in Jes 40,1–5 als Teil seiner Rückkehr angekündigt wird, schließen die Autor*innen nicht nur an ein Motiv des exilischen Jesajabuches (Jes 6,1–4), sondern zugleich an eine in der babylonischen sowie in der assyrischen Theologie weit verbreitete Vorstellung an, die eine kosmische Dimension besitzt. In Enūma eliš I Z. 101–104 wird Marduks familiäre Beziehung zur Sonnengottheit Šamaš betont, durch die begründet ist, warum er in der babylonischen Theologie seit dem ausgehenden 2. Jt. v. Chr. Funktionen und Wirkungen dieser Gottheit übernahm. ‚Mari-utu, Mari-utu, Sohn, Sonne, Sonnengott der Götter.‘ Er war bekleidet mit dem Glanz (mélammi) der 10 Götter, so erhaben war seine Stärke (šaqiš), die 50 Schrecken waren auf ihm versammelt (kámra).58
Mit Marduk wird die Strahlkraft seines Vaters verbunden, dem aufgrund seiner Stellung am Himmel zugleich das Richteramt über die Biosphäre zufällt. Das Erstrahlen besitzt über die juridische Funktion hinaus auch eine kosmische, die seit neuassyrischer Zeit zu Beginn des 1. Jt.s v. Chr. in Fluchandrohungen von Vertragstexten ebenso wie in königlichen Inschriften deutlich wird. Šamaš wird in ihnen die Rolle desjenigen zugedacht, der durch ‚Finsternis‘ (akk. eklētu) straft.59 Mit ‚Finsternis‘ wird dabei nicht eine mit der Nacht vergleichbare Dunkelheit, sondern die Abwesenheit jeglichen kosmischen Lichts bezeichnet. Auch die Verdunklung des Mondes wird als eine solche Form der ‚Finsternis‘ beschrieben.60 Damit besitzt Šamaš’ Strahlkraft auch eine symbolische Dimension, wird mit ihr nicht nur die Beleuchtung der Biosphäre, sondern auch die von ihm ausgehende Ordnung und damit der assyrische Herrschaftsanspruch mittels des von Šamaš’
58 Übersetzung aus TUAT III, 572. 59 Vgl. den Text ABL 1105; Transliteration und Übersetzung in SAA II, 67. 60 Vgl. SAA XII, 110–112 Z. r 12.
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verliehenen Herrscherglanzes (akk. namriru) ausgedrückt.61 So werden die aus mesopotamischer Perspektive in der Hemisphäre liegenden Regionen, auf die sich die assyrische Herrschaft (noch) nicht erstreckt, aufgrund der Abstinenz dieses Lichts als ‚dunkel/finster‘ (akk. ekel) beschrieben. Dies wird so u. a. auch im Bericht über den Feldzug Sanheribs gegen Palästina dargestellt: […] a royal city of the land Philistia that …-Yaū (Hezekiah) had taken away (and) fortified, and (then) […] … like a bush […] it was surrounded by tall towers and was exceedingly difficult […] the palace was secured before them like a mountain and rose […] was dark (ekel), the sun did not illuminate it. Its waters were forever in darkness (etuti) and its outflow […] its [mo]uth had been hacked out with axes, the moat adjacent to it was deep, and … […].62
Die Beschreibung des fernen Landes als ‚dunkel/finster‘ ruft die Assoziation hervor, dass der Feldzug des assyrischen Herrschers Teil eines Chaoskampfes ist. Als Repräsentant des Gottes Aššur, dem die in der neuassyrischen Phase durch die Übernahme der zunächst mit Šamaš, dann bei der Ausbildung der babylonischen Theologie mit Marduk verbundene Funktion der Beleuchtung der Biosphäre zufällt, wird diese auf den assyrischen König übertragen.63 Er tritt in seinen Kampagnen in Regionen der Hemisphäre als derjenige auf, der das dort herrschende Chaos mit Einsatz seiner göttlichen Waffen besiegt. Durch die Präsenz seines Herrscherglanzes wird das Chaos dauerhaft verdrängt und das besiegte Land in die assyrische Oikumene eingegliedert. Die Vorstellung der Beleuchtung der Biosphäre durch den göttlichen Herrschaftsglanz wird in Jes 40–55* in der Form aufgenommen, dass die Rückkehr JHWHs mit seinem herrscherlichen Strahlen in der Folge zu einer Verlagerung des kosmischen Zentrums führt. Dabei zielt das Erscheinen des כבודJHWHs auf dem geebneten Weg von Anfang an auf seine Rückkehr nach Jerusalem, die in Jes 52,7–10 mit seiner Reinthronisation im Jerusalemer Tempel abgeschlossen wird.64 Damit wird das im Dunkeln liegende Jerusalem durch den Ortswechsel erleuchtet. Dies wird motivisch in Jes 60,1–3, einer frühen Fortschreibung von Jes 52,7–10, vollumfäng-
61 Vgl. RINAP, Text Esarhaddon 048, abrufbar unter http://oracc.org/rinap/Q003277/. Letzter Aufruf am 20.09.2020: „[…] the god Šamaš, the great judge of the gods, the one who illuminates darkness (eklet), whose lordly splendor (namriru) overwhelms the lands […].“ 62 Transliteration und Übersetzung in RINAP, Text Sennacherib 1015, abrufbar unter http://oracc.org/ rinap/Q004071/. Letzter Aufruf: 20.09.2020. 63 Zur Entwicklung der neuassyrischen Aššur-Theologie vgl. Berlejung, Komplexität. Weiter zu den Spezifika der sargonidischen Zeit vgl. Frahm, Sanherib. 64 Vgl. Hermisson, Deuterojesaja 3, 257.
Die Rückkehr nach Jerusalem
lich sichtbar.65 Mit der so beschriebenen Illumination des Zion drücken bereits die frühen Texte der dtjes Sammlung eine Verschiebung des kosmischen Zentrums aus. In den redaktionellen Fortschreibungen wird diese Verlagerung derart fortgeführt, dass andere Orte als in Finsternis liegende Regionen beschrieben werden. Die Aufteilung der Biosphäre in beleuchtete und dunkle Regionen gehört auch zu JHWHs Schöpfungshandeln, wie Jes 45,7 zeigt: Der das Licht schafft und der von der Finsternis abtrennt, der Frieden schafft und Übel abtrennt, ich bin JHWH, der all dies macht.
Dieser Vers bildet aufgrund seines Bezugs zu Jes 44,24bα ‚( אנכי יהוה עשׂה כלIch bin JHWH, der alles schafft‘) auf Endtextebene eine Rahmung des eigentlichen Kyros-Orakels in Jes 45,1–7.66 In V. 7 wird die Schaffung von Licht und die Abtrennung von Dunkelheit mit dem Hervorrufen von Frieden und der Verdrängung von Übel gleichgesetzt (vgl. auch Jes 42,15f.). Diese parallele Formulierung weist darauf hin, dass dem kosmischen Licht und der Finsternis jeweils eine Qualität zugesprochen wird, die eine Auswirkung auf das Ergehen des Volkes besitzt. Dort, wo JHWH erstrahlt, wird das Volk ‚( שׁלוםFriede‘) erfahren.67 Zugleich wird aus der kosmischen Mitte ‚( רעÜbel‘) in die unbeleuchteten Bereiche verdrängt.68 Diese gedachte Verlagerung des kosmischen Zentrums nach Jerusalem, die in der Grundschicht mit Jes 52,7–10 bereits angelegt ist, wird in der Fortschreibung des Textes expliziert. In Jes 52,1f. wird Zion als heiliger Ort beschrieben, der aus der Gefangenschaft befreit wird. Da mit Zion/Jerusalem nicht die Exilsgemeinde,
65 Vgl. Wagner, Herrlichkeit, 194–204, mit weiterer Literatur. 66 Vgl. Berges, Jesaja 40–48, 403; Achenbach, Kyros-Orakel, 173f. Kratz, Kyros, 72–76, weist für Jes 44,24–28 eine Grundschicht und drei Fortschreibungen aus. Die literarische Klammer Jes 44,26b/ 45,7b stellt „die älteste kompositionelle Einbettung von 45,1–7 in einen weiteren, die Einzelheiten übergreifenden Zusammenhang“ (Kratz, Kyros, 78) dar. 67 Vgl. Berges, Jesaja 40–48, 406. Weiter vgl. Achenbach, Kyros-Orakel, 174: „Damit wird hinsichtlich der externen Konnotation der Aussage die Festsetzung der Zeiten und Geschicke ausgesagt, hinsichtlich der inferioren Konnotation eine Integration der folgenden Aussagen erreicht, wonach die Einsetzung der umfassenden Ordnung von Friede und Wohlfahrt (šālôm) dient, was zugleich die Herbeiführung des Unheils über die Widersacher impliziert.“ 68 Vgl. auch Koole, Isaiah 3, 441f. Diese Vorstellung liegt auch in Jes 41,8–13 vor. In V. 8f. wird Jakob/ Israel als Empfänger der Botschaft erwähnt, der ‚( מקצות הארץ ומאציליהvon den Grenzen der Erde und ihren Rändern‘) zur Rückkehr berufen wird. Die Regionen, in denen die Exilierten wohnen, werden demnach als Hemisphäre verstanden, während der Ort der Gottespräsenz jeweils das Zentrum darstellt (vgl. auch Jes 43,7). Zur Zuordnung dieser Heilsworte zur Grundschicht vgl. van Oorschot, Babel, 50–104.
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sondern der Ort angesprochen wird,69 ist ‚gefangen‘ ( )שׁביהnicht auf die im Exil lebenden Menschen, sondern auf den Zustand des Ortes zu beziehen. Im Zuge derselben redaktionellen Bearbeitung des Buches wird dann auch eine Unheilsansage gegen Babylon (Jes 47,1–15*) in den Text eingetragen.70 In ihr wird Babylon als Teil der Hemisphäre und Ort der Finsternis71 beschrieben (V. 5). Dabei wird den Babyloniern der Verlust ihres Großreiches angekündigt. Die Beschränkung babylonischer Macht auf das Kernland wird als Niederlassen in ‚( דומםStille‘) und ‚( חשׁךFinsternis‘) bezeichnet. Damit wird Babylon durch den Machtverlust und die Rückkehr JHWHs nach Jerusalem zum Gebiet kosmischer Finsternis und somit zu einer Region in der Hemisphäre, die nicht durch JHWHs Strahlen erleuchtet wird. Auf dieser Redaktionsstufe des Buches setzt damit ein Paradigmenwechsel ein. Kann in Jes 45,18f. Babylon noch als beleuchteter Ort verstanden werden (‚Nicht im Geheimen redete ich, an einem Ort eines Landes der Finsternis‘), wird der Ort des früheren Exils in Jes 47,1–15*; 52,1f. zu einem solchen ‚finsteren‘ Ort in der Hemisphäre herabgestuft. Diese Verschiebung wirkt sich auch auf die Erweiterungen zu den Ebed-JHWH-Liedern in Jes 42,5–9; 49,8–13 aus. In Jes 42,6f. wird das Exil als Gefangenschaft und sein Ende als Befreiung derer beschrieben, die ‚( ישׁבי חשׁךin Finsternis sitzen‘). Ebenso wird die dem Gottesknecht in Jes 49,6 zugesprochene Funktion, ‚( אור גויםLicht von Nationen‘) zu sein, auf die Menschen bezogen, die aus der Hemisphäre in das Zentrum zurückgeführt werden sollen. Damit wird das Dasein am Rande des Kosmos als nicht freiwillig gewähltes, sondern als erzwungenes gedeutet.72 Die bisher ausgebliebene Rückkehr der dort lebenden Exilierten wird mit ihrer Gefangenschaft begründet. Hier wird ein weiterer redaktioneller Bezug innerhalb der Sammlung Jes 40–55 sichtbar. Der Gottesknecht vollendet mit seinem Handeln das, was durch Kyros begonnen wurde.73 Das Motiv der Finsternis wird damit doppelt gedeutet: Das Gefängnis wird als dunkler Raum, die Hemisphäre zugleich als Ort dauerhafter Finsternis beschrieben.
69 Vgl. Hermisson, Deuterojesaja 3, 247: „Die Anrede Jerusalems als ‚heilige Stadt‘ ist allerdings ungewohnt […].“ 70 Zur Form ‚Völkersprüche‘ dieser Perikope vgl. Westermann, Buch Jesaja, 152–154. 71 ‚ חושׁךFinsternis‘ wird vielfach mit dem ‚Totenreich‘ in Verbindung gebracht, was durch den Bezug zum Wort gegen Babylon in Jes 13f. evoziert wird (vgl. z. B. Berges, Jesaja 40–48, 488f.). Diese Fügung ergibt sich jedoch erst auf Ebene eines Großjesajabuches und nicht schon innerhalb der dtjes Sammlung. In dieser steht vielmehr der Aspekt der Verschiebung eines kosmischen Zentrums im Vordergrund. 72 Vgl. Hermisson, Deuterojesaja 2, 379. 73 Vgl. Hermisson, Deuterojesaja 2, 381: „Mit der Befreiung und Freilassung Israels und der Heimkehrerlaubnis für die Diaspora, später mit den administrativen Maßnahmen zur Neuordnung des Landbesitzes, ist die Aufgabe des Kyros erfüllt; für den Heimweg der Befreiten selbst wird er nicht gebraucht.“
Die Rückkehr nach Jerusalem
Mit der Verlagerung des Zentrums wird auch eine Verwandlung der Wüste und des Meeres verbunden. Ziel dieser Veränderungen ist es, dem Volk eine einfache Rückkehr nach Jerusalem zu ermöglichen. Im Heilswort Jes 42,14–16 wird das Land zwischen Palästina und Mesopotamien als zukünftig begehbare Region dargestellt. „Dunkelheit und unebener Grund – die beiden Hauptgegner für sehbehinderte Menschen – wird JHWH in Licht und Ebenheit verwandeln!“74 Dabei steht zunächst das Trockenlegen im Vordergrund, durch das ein begehbarer Weg entsteht.75 Die Begleitung der Rückkehrer auf diesem bisher unbekannten Weg wird als Beleuchtung einer Region gedeutet, die zuvor im Dunkeln lag. Dasselbe gilt für ‚( הריםBerge‘) und ‚( נהרותFlüsse‘), in denen durch Trockenlegung und Beleuchtung Leben möglich wird. Ob Trockenheit und Helligkeit dauerhaft sein werden, bleibt zunächst unklar. Vom Ordnungsmuster her betrachtet, deutet die erwähnte Dunkelheit darauf hin, dass die Verfasser*innen sie als Teil der Hemisphäre wahrnehmen.76 Die Dauerhaftigkeit der Transformation wird mit dem Heilswort Jes 43,16–21 betont. In ihm wird in V. 19 die Anlage eines ‚Weges durch die Wüste und Strömen in der Wildnis‘ ( )במדבר דרך בישׁמון נהרותberichtet. Mit ihm wird die Wüste in einen dauerhaften Lebensraum verwandelt.77 Dieser Vorgang wird als ‚( חדשׁהNeues‘) und damit als Fortentwicklung verstanden.78
74 Berges, Jesaja 40–48, 257f. Zur metaphorischen Sprache vgl. Lund, Way Metaphors, 129–141. 75 Vgl. Westermann, Jesaja 40–66, 88: „Das Eingreifen Gottes besteht in 41,18 in der Wandlung der Wüste zum Fruchtgarten, in 42,15 genau umgekehrt im Wandel fruchtbaren Landes zur Wüste.“ In beiden Fällen ist die Wandlung der Wüste zum für von Menschen querbaren Raum Gegenstand des göttlichen Handelns. Dieses Handeln beschreibt Rüterswörden, Wasser, 6: „Die Vorstellung von Jahwe als dem Herrn über das Wasser ist eingebettet in einen komplexen Gedankengang. Beim Exodus steht Israel vor der unüberwindlichen Wasserwüste; unüberwindbar wird sie durch die Gottesgaben von Weg und Pfad. Bei dem Auszug aus Babylon steht Israel vor der Landwüste; überwindbar wird sie durch die Gottesgaben von Weg und Pfad.“ 76 Vgl. Lund, Way Metaphors, 139f. 77 Vgl. Koole, Isaiah 3, 323f., und Tiemeyer, Comfort, 183f., die das Hervorkommen von Trinkwasser mit dem Exodusgeschehen in Verbindung bringt, zugleich aber betont, dass eine dauerhafte Transformation der Wüste als Lebensort im Fokus des Textes steht. Nach Hi 30,29 bildet die Wüste einen unreinen Ort, in dem der Mensch gefährdet ist. Dies ändert sich durch die Transformation. Dies hebt auch Kiesow, Exodustexte, 77f., hervor: „Es wird der Polyvalenz des Textes nicht gerecht, in ihm nur die Ankündigung einer gangbaren Piste durch die Wüste und der Lösung der Trinkwasserproblematik zu sehen.“ Haag, Weg, 41–43, sieht in der Transformation der Wüste eine Anspielung auf das Paradies, wobei sich im Text keine semantischen Bezüge aufweisen lassen. 78 Vgl. Koole, Isaiah 3, 331. Weiter vgl. Kiesow, Exodustexte, 72: „Das Volk kann, ja soll das Frühere deswegen vergessen, weil es keine Bedrohung mehr bedeutet, weil es durch Gottes neues Handeln so endgültig abgetan ist wie die Leichen der Verfolger im Schilfmeer.“
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„Nicht die politische Wende unter Kyros ist das unfassbar Neue, denn sein Kommen war ja bereits angekündigt worden (vgl. 41,2.25; 43,13), sondern die Umwandlung der Wüste in ein Terrain, das jeglichen Schrecken verloren hat.“79
Als die ‚alten Ereignisse‘ ( )ראשׁנותwerden die Vorgänge beim Zug durch das Schilfmeer beschrieben (vgl. Ex 15,21),80 die mit der Metapher verglühender ‚Docht‘ ()פשׁתה81 belegt sind. Diese zeigt an, dass die Illumination der Wüste seinerzeit nur temporär war, während sie nun dauerhaft sein wird.82 Daher ist es verständlich, dass die Verfasser*innen einen Verzicht auf ein Gedenken an das ‚Frühere‘ postulieren, war die Erleuchtung der Wüste doch rein auf einen Übergang von Ägypten nach Palästina ausgelegt.83 Verbleibt die dtjes Grundschicht allein bei dem DAS der Transformation, wird in der Fortschreibung das WIE, die Veränderung als schöpferischer Akt und mythisches Geschehen beschrieben (Jes 51,9f.). Dies erfolgt im Rekurs auf Ex 15; Dtn 4, wie die Verwendung des Begriffs ‚( זרוע יהוהArm JHWHs‘) in Zusammenhang mit dem Durchzug durch das Meer zeigt. Dieser wird in Jes 51,9f. pars pro toto für JHWHs Handeln gegen das Chaos verwendet.84 Dabei wird die Veränderung
79 Berges, Der zweite Exodus, 85. 80 Zum Bezug zu Ex 13–15 vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 346–348; Albertz, Losgekauft, 362f.; Berges, Jesaja 40–48, 298f. 81 Zum Begriff vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 349. 82 Unklar bleibt die Bedeutung der Ansage des Versiegens von Wasser in Jes 44,27. צולהist hapax legomenon und wird von צללII abgeleitet. Etymologisch könnte der Begriff mit ugar. ms.lt ‚Quelle‘ in Verbindung gebracht werden (vgl. KBL, 962), doch fehlen weitere Belege für diese Bedeutung in anderen semitischen Sprachen. Akk. s.alālu ‚to lie asleep, to fall asleep, to be at rest‘ (CAD 16, 67–70) weist in eine andere Richtung. Im Kontext der Heilsworte könnte mit צולהauch eine unbewohnte Region gemeint sein. Die Ansage, dass ihre Flüsse austrocknen werden, schließt sich an Jes 42,14–16 an. 83 Zur Diskussion um das Nicht-Gedenken an Früheres vgl. Elliger, Deuterojesaja 1, 350–353; Lund Way-Metaphors, 187–189. Gegen einen Bezug zur Schilfmeererzählung, auf die zuvor mehrfach angespielt wird, spricht, dass Jakob/Israel nicht seine Glaubensgrundlage aufgeben solle. Dies scheint jedoch auch nicht so gemeint zu sein. Die zwischen Jes 43,16–21 und Jes 46,9 bestehende Spanne deutet vielmehr darauf hin, dass in Jes 43,16–21 ein einmaliges Geschehen, nun aber ein dauerhafter Zustand beschrieben wird. Darauf weist auch der in Jes 46,9 formulierte Aufruf zum ‚Gedenken des Früheren‘ hin. In ihm wird das ‚Frühere‘ als Erinnerung an die Einzigkeit JHWHs verstanden. Bosman, Myth, zeigt auf, dass es keine direkten Anspielungen gibt, dass der Autor jedoch Allusionen zu tradierten Vorstellungskomplexen hervorruft, die zur Ausbildung von neuen Metaphern führen. Zu diesen gehört auch die Vorstellung vom Chaoskampf. 84 Vgl. Hermisson, Deuterojesaja 3, 227: „Die Klage sucht den stärksten Ausdruck für Jahwes vergangene Machttaten.“ Willey, Remember, 146–151, weist auf Parallelen in Ps 44; 74; 77 hin. Diese drei Klagepsalmen erinnern ebenfalls an die Überwindung des kosmischen Chaos durch JHWH in früheren Zeiten mit der Intention, auch in der aktuellen Notlage eingreifen zu können. Willey, Remember, 151, schließt daraus: „Isaiah 51:9–10 not only shares all these major elements but has
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des Transitweges als Ereignis der mythischen Vorzeit in Erinnerung gerufen.85 Dieser mythische Charakter wird durch die Verwendung des Begriffs יםdeutlich, der doppeldeutig ist. Er kann das ‚Meer‘ sowie die in Kanaan bekannte Meeresgottheit Jammu bezeichnen. יםals ‚Wasser der großen Tiefe‘ ( )מי תהום רבהbesitzt zugleich eine kosmologische Bedeutung, da das Meer zum einen das ursprüngliche Chaos repräsentiert, zum anderen eine Transitzone zwischen der Unterwelt und der Biosphäre darstellt.86 „Once read in this way, a powerful correspondence is unleashed between the plea in 51:9–10 for God to re-enact the great miracle of Exodus salvation, and the answering promise in chapter 52 of a new and greater redemption. Moreover, placed in a context where the identity between the Exodus situation and the people’s present affliction is such a central motif, the couching of the red Sea recollection in terms of the overcoming of Rahab provides a further means of drawing the nation’s enemies together into a single identity as the foe vanquished by Yahweh.“87
compacted them into five extremely dense and referential lines. The genre of appeal to YHWH on the basis of mythological deeds is appropriated to express a prayer which not only sounds familiar to the audience but also guides them toward the poet’s formulations of the present. By invoking both the divine conflict myth and the exodus story in which that myth was presented on the political level, Second Isaiah taps into Judah’s ‚imaginative matrix‘, the ‚texts-in-the-mind‘ that provide the community’s shared self-understanding, enabling them to view the present moment in terms of typologically similar memories.“ Oswald, Isaiah 40–66, 341, versteht Rahab als Synonym für Ägypten. Gegen eine derartige Gleichsetzung spricht sich Kiesow, Exodustexte, 105–109, aus, der aufzeigt, dass das Meer im Exodusereignis nicht als Gegner JHWHs, sondern als sein Werkzeug dargestellt wird. 85 Vgl. Kiesow, Exodustexte, 102f. 86 Vgl. Koole, Isaiah 49–55, 173f. 87 Watson, Chaos Uncreated, 300. Weiter vgl. Hermisson, Deuterojesaja 3, 228f., siehe dazu auch die Zusammenstellung in Ps 89,11. „Weder dort noch in Jes 51,9–11 kann zwischen mythologischem Sieg gegen das Urmonster Rahab und geschichtlicher Befreiungstat unterschieden werden, denn mit jeder Rettung zerschmettert JHWH aufs Neue die bedrohlichen Chaosmächte“ (Berges, Jesaja 49–54, 150). Weiter vgl. Berges, Jesaja 49–54, 152–156. Zu den Allusionen, die durch diesen Text evoziert werden, vgl. Hutton, Isaiah 51. Hermisson, Deuterojesaja 3, 225f., weist darauf hin, dass Ägypten in Jes 30,7; Ps 87,4 als רהבbezeichnet wird, Ez 29,3; 32,2 תניןals Synonym für den Pharao verwenden. Jedoch wird damit immer ein zeitgeschlichtlicher Bezug und keine Erinnerung an den Exodus hervorgerufen. Anders als Habel, Heavens, 418, und Ludwig, Establishing, 352, sieht Podella, Chaoskampf, keine Verbindung zwischen Schöpfungs- und Chaoskampfmotivik. Vielmehr verbindet Podella, Chaoskampf, 305, diesen Mythos mit dem politischen Handeln des irdischen Königs: „Der Mythos vom Chaoskampf repräsentiert somit dasjenige Gründungshandeln, in dem sich der verehrte Gott (Mythos) und sein König (Historie) als Souverän erwiesen haben. In Jes 51,9f. wird von Jes 52,7f. her die erneute Durchsetzung königlicher Macht als Sieg über die Peiniger erwartet und gefordert. Angesichts der historischen Umstände, die den Verlust der Institution
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Die Verdrängung des chaotischen Wassers ist ein schöpferischer Akt, durch den die gesamte Biosphäre (vgl. Jes 44,1–5) zum Lebensraum wird.88 Damit wird auch der Raum, der zwischen dem Zentrum in Jerusalem und den als Hemisphäre gedeuteten Orten des Exils liegt, zu einem Lebensraum für Menschen. Fazit: Die Verschiebung des kosmischen Zentrums wird in Jes 40–55 nicht nur als Ausdruck der Verwerfung babylonischer Herrschaft verwendet. Zugleich wird die Rückkehr JHWHs nach Jerusalem auf diese Weise erzählerisch abgeschlossen. Hier können die Verfasser*innen an ein Motiv anschließen, das in Jes 1–39 in seinem exilischen Bestand allerdings nur an einer Stelle verwendet wird. In Jes 9,1 wird der Begriff ‚( חשׁךFinsternis‘) als Metapher zur Bezeichnung des Zustands gebraucht, der vor der mit dem verheißenen König einsetzenden Zeit herrscht. In Jes 40–55 erhält der Begriff dann eine tragende Funktion.89 In diesem Textbereich beschreibt er im Stile neuassyrischer Aussagen über die an den Rändern der Hemisphäre gelegenen Regionen die Gebiete, die vom כבודJHWHs nicht beleuchtet werden. Wird als Zentrum in den frühen Textstrata DtJes noch das Exil als Ort des Auftretens JHWHs verstanden, ändert sich dies in späteren Redaktionsschichten. In ihnen wird Zion zum kosmischen Zentrum erhoben, während der Ort des Exils als in der Dunkelheit liegende Hemisphäre und damit als Ort der Gottesferne gedeutet wird. Die Sendung in diese Hemisphäre, die in den Gottesknechtsliedern beschrieben wird, dient dazu, die dort noch in Gefangenschaft lebenden Israeliten zu befreien, damit sie in das kosmische Zentrum zurückkehren können. Die Ränder des Kosmos werden in den Gottesknechtsliedern schließlich zu rechtlosen Orten, an denen Menschen misshandelt werden. Erst durch ihre Erleuchtung wird Gerechtigkeit einkehren können. Hier schließen die Verfasser*innen an die überkommene Tradition einer Durchsetzung von Rechtsordnungen durch Šamaš an, die in den vorexilischen Bestandteilen des Jesajabuches bereits auf JHWH bezogen wird.90 Verbunden werden das kosmische Zentrum und die Hemisphäre durch Wüste/Steppe und Meer, die gegenüber früheren Vorstellungen nicht als Transitregionen, sondern als neuer Lebensraum beschrieben werden. Aus ihnen werden die chaotischen Mächte, die bisher in ihnen lebten, verdrängt.91 Damit wandelt sich das überkommene Ordnungsmuster. Aus der Dreiteilung Zentrum – Peripherie – Hemisphäre, die von einem nach außen hin zunehmenden Einfluss chaotischer Mächte gekennzeichnet ist, wird die Vorstellung eines weiten, von JHWH beherrschten und d. h. zugleich
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des Königtums zur Folge hatten, übernimmt, JHWH eine Doppelrolle: Königsgott (Mythos) und göttlicher König (Historie).“ Zu Mythisierung und Historisierung vgl. Kloos, Combat, 159–177. Vgl. Berges, Der zweite Exodus, 86. Vgl. Westermann, Buch Jesaja, 89. Vgl. Wagner, Gottes Herrschaft, 208–212. Vgl. Berges, Der zweite Exodus, 83f., mit Verweis auf Jes 41,17–20.
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geordneten Lebensraums, der es Menschen aller Regionen ermöglicht, in Frieden zu leben. Dieses zu gewährleisten, ist Aufgabe einer neuen Herrschaft. 5.1.3 Die neue Herrschaft Eng verbunden mit der Ausrufung der Königsherrschaft JHWHs in Jes 52,7–10 ist innerhalb von Jes 40–55 die Berufung eines irdischen Herrschers als ‚( משׁיחGesalbter‘ Jes 45,1). Diese in den alttestamentlichen Schriften mit dem davidischen Königtum verbundene Bezeichnung wird jedoch nicht auf den verbliebenen Daviden Serubbabel (vgl. Hag 1,1.12.14; 2,23; Sach 4,6.7.9.10; Esr 2,2; 3,2.8; 5,2; Neh 7,7; 12,1), sondern auf den persischen König Kyros II. übertragen.92 Dies ist dahingehend bemerkenswert, als dass fremdländische Herrschaft über Juda/Israel in den Schriften der Hebräischen Bibel meist negativ beurteilt wird. „Im gesamten Alten Testament findet sich kein einziges kritisches Wort über die Perserherrschaft, obwohl sie sich für das Land in wirtschaftlicher Hinsicht kaum weniger verheerend ausgewirkt haben dürfte als irgendeine andere Fremdherrschaft, der Israel im Laufe der Jahrhunderte unterworfen war. Erneut ist ein Vergleich mit der Art und Weise, wie die früheren Assyrer und späteren Hellenen erscheinen, aufschlußreich. Während den Israeliten die Perserkönige als vom Geist Jahwäs erfüllt gelten, werden Assyrerkönige als göttliche Zornesrute gemalt (Jes 10,5) oder als ein erst von Jahwä entsandtes, dann aber überheblich gewordenes Untier, dem der Gott Israels einen Ring in die Nase und einen Zaum ins Maul legen wird (Jes 37,26–29), von den Haßausbrüchen Nahums gegen den Gottlosen, den Verwüster und seine Blutstadt gar nicht zu reden! Über die Diadochen, insbesondere die Seleukiden, wird nicht freundlicher geurteilt. Das Buch Daniel schildert die hellenistischen Herrscher insgesamt als ein drachenähnliches Ungeheuer mit ehernen Zähnen und eisernen Klauen, was an Furchtbarkeit alles Vorhergehende übertrifft, um sich herum alles frißt und zermalmt, und was übrig bleibt, mit Füßen zerstampft (Dan 7,7f.; vgl. das Bild Antiochos IV. in den Makkabäerbüchern).“93
Kyros’ Eroberungen und der Erwerb von ‚( אוצרות חשׁך ומטמני מסתריםSchätzen der Finsternis und Reichtümern versteckter Orte‘ Jes 45,3) – mit diesen wird auf die Eroberung Lydiens (547 v. Chr.) und der Reichtümer des Königs Kroisos angespielt – werden im Gottesspruch Jes 45,1–7 als Gabe JHWHs gedeutet.94 Die Ausweitung der Herrschaft des Kyros’ besitzt jedoch nicht die Funktion, eine neue irdische Macht zu installieren, sondern die JHWH-Erkenntnis zu fördern und zu
92 Vgl. Leuenberger, Messias, 60–63. 93 Koch, Weltherrschaft, 139. 94 Zu V. 1 als Ergänzung vgl. Werlitz, Redaktion, 177f.
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universalisieren (Jes 45,5f.).95 Über diese Funktion hinaus wachsen Kyros im Laufe der Redaktionsgeschichte von Jes 40–55 weitere Aufgabenbereiche zu. „(a) eine Frühphase, die – wohl noch vor 539 und entsprechenden Phänomenen in der Umgebung Nabonids vergleichbar – die erstaunlichen Erfolge Kyros’ in den Kategorien judäischer Antike zu interpretieren versucht (z. B. xlvii 14–15) und – kurz nach 539? – die Richtigkeit der vorher offenbar nicht von allen geteilten Prognose hervorhebt (xl 1–5*, 21–29*; Stichwort: Kyros, ungenannt, als Völkerbezwinger); (b) eine Phase der eigentlichen Herrscherlegitimation, in der Kyros in durchaus propagandistischer Absicht und in dezidierter Aufnahme spezifischer Herrschaftsvorstellungen sein Königtum unter den Völkern proklamieren läßt (z. B. xlv 1ff. Kyros namentlich als ‚Gesalbter‘, vielleicht auch in xlii 1ff. als ‚Knecht‘ Yahwes), auf den sich entsprechend Erwartungen im Blick auf die Restauration Jerusalems richten (so xlv 13–14 mit der unterschwelligen Polemik gegen Lösegeld und Geschenke); (c) die länger andauernde Phase der innerbiblischen Fortschreibung des Kyros-Themas, in der das Bisherige aufgegriffen, teilweise auch wieder modifiziert und Kyros dann u. a. zum Initiator des Tempelneubaus in Jerusalem erklärt wird (so als ‚Hirt‘ in xliv 28). Diese Texte dienen nicht mehr direkt der Legitimation, formulieren vielmehr ein ‚frühchronistisches‘ Freilassungskonzept in Auseinandersetzung mit konkurrierenden Gruppen und Vorstellungen in Juda.“96
Beauftragung und Legitimation Kyros’ sind mit der zweiten Phase zu verbinden, in der sein Wirken mit der Rückkehr JHWHs zum Zion in Verbindung gebracht wird. Der an Kyros ergehende Auftrag und die mit ihm verbundene Ausbreitung der JHWH-Verehrung in der gesamten Biosphäre führt so zu einem neuen Verhältnis von Großkönig und Gott-Königtum. Er sorgt dafür, dass die von JHWH beherrschte Biosphäre für alle Menschen bewohnbar ist.97 Mit der Einfügung von Jes 45,1–7 entsteht auf einer frühen Redaktionsstufe von Jes 40–52* eine „theopolitische Konzeption“98 , die vom Wiedererstrahlen JHWHs (Jes 40,1–5) über die Völkerbesiegung (Jes 45,1–7) auf die (Re-)Inthronisierung des Gott-Königs in Jerusalem zuläuft.99
95 Vgl. Oswald, Isaiah 40–66, 203. 96 Uehlinger, Policy, 325f. Zu den Fortschreibungen der Kyros-Tradition innerhalb von Jes 40–55 vgl. Kratz, Kyros, 36–147. Während Kratz, Kyros, 164f., die Grundschicht von Jes 45,1–7* in die Zeit nach der Übernahme Medien und Lydiens verlegt, verbindet Steck, Gottesknecht, 155, die Ergänzungen mit der Zeit Dareios’ I. 97 Vgl. Steck, Gottesknecht, 160. 98 Leuenberger, Ich bin Jhwh, 57. Zur Konzeption von Jes 40–52* vgl. van Oorschot, Babel, 92. 99 Zu den Vorstellungen vom Königtum in vorexilischer Zeit siehe Salo, Königsideologie, mit Rekonstruktion der judäischen Königsideologie vor allem in den Ps 20; 21; 45 und 72.
Die Rückkehr nach Jerusalem
„Angestoßen wurde diese Verschiebung zweifellos durch die großpolitischen Vorgänge, die zum Exil führten und während der Exilszeit einen dramatischen Herrschaftsumschwung beinhalteten. Sie zieht umgekehrt auch Konsequenzen für Jhwh nach sich, der ebenfalls universal verstanden und zum Weltkönig gemacht wird: Das nationale Herrschaftskonzept der vorexilischen Zeit wird in der Ära der persischen Ökumene zum theopolitischen Weltmodell universalisiert, und zwar im Blick auf den irdischen Regenten Kyros und den einen Gott Jhwh.“100
Das so in Jes 40–52* entstehende Kyros-Bild schließt nicht nur an judäische Traditionen (vgl. Jes 9,1–4), sondern auch an zeitaktuelle Vorstellungen an, die in außerbiblischen Quellen belegt sind. Die Auswahl des Kyros als Gesalbter (Jes 45,1), findet sich in vergleichbarer Form auch im Text des Kyros-Zylinders (BM 90920, Z. 11–15).101 Mit ihm spielt ein weiterer nicht-persischer Kyros-Text auf das Selbstverständnis des achämenidischen Königshauses an,102 das so auch in den Königsinschriften wiederholt zum Ausdruck kommt. Der persische König versteht sich als xšāyaθiya xšāyaθiyānām (‚König der Könige‘)103 sowie als vašnā Auramazdāha
100 Leuenberger, Ich bin Jhwh, 58. 101 Vgl. Leuenberger, Kyros-Orakel, 245–247. Text bei Kurth, Persian Empire, 70–72. Silverman, Engagements, 50, weist auf ‚( ואחזק בידךund ich greife dich bei deiner Hand‘) in Jes 45,6b hin, das auch im Text des Kyros-Zylinders Z. 12 verwendet wird. 102 Vgl. Leuenberger, Messias, 56, der die Aufnahme auch alttestamentlicher königstheologischer Traditionen bei der weiteren Ausgestaltung der Rolle Kyros’ hervorhebt. Die Bezeichnung Kyros’ als ‚Knecht‘ findet sich jedoch nicht nur im Alten Testament, sondern auch in anderen Texten, in denen von Kyros’ Beauftragung durch eine Gottheit berichtet wird. In ‚Nabonids Vision von Kyros’ Kampf gegen die Meder‘ (VAB 4, Nbn. 1, Col. I:16–33) wird berichtet: „Marduk said to me: ‚The Mede of whom you spoke – he, his land and the kings, who went at his side, are no more.‘ When the third year arrived, he roused against him Cyrus, king of Anshan, his young servant“ (Übersetzung des Textes bei Kurt, Persian Empire, 56). Zur Bedeutung für die Babylon-Politik Kyros’ II. s. Kleber, Policy, 103. 103 Vgl. Koch, Weltherrschaft, 146f.; Schmitt, Königtum, 387, der eine Ableitung aus dem Medischen annimmt. Dagegen hebt Kienast, Herkunft, hervor, dass der assyrische Titel šar šarrāni (‚König der Könige‘) durch das Urartäische vermittelt wurde. Seine These begründet er mit der Verwendung mehrerer assyrischer Königstitel vor allem in den Inschriften Rusas II. „Denn die Regierungszeit dieses Herrschers überschneidet sich mit der des Assyrers Assurbanipal (668–627), der nach dem Sieg über Elam u. a. Tribut und Geiseln des Königs Kuraš von Parsumaš empfing. Dieser ist identisch mit Kyros I., Sohn des Teispes, der somit als ungefährer Zeitgenosse des Rusa II. anzusehen ist. Mit diesem chronologischen Anschluß ist als Möglichkeit gegeben: Die Perser haben die urartäische Königstitulatur, wenn auch durch die Vermittlung medischer Nachbarn, direkt von den Urartäern ererbt und die Annahme, daß andere, etwa medische, Herrscher diese Titel geführt und den Persern tradiert hätten, ist nicht zwingend“ (Kienast, Herkunft, 363). Inschriftlich ist der Titel erstmals in der Inschrift DB I 1 Dareios’ I. belegt. Transkription und Übersetzung des Textes in Schmitt, Inschriften, 37.
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‚Erwählter Ahura Mazdās‘ (DB I 5).104 Dieser Titel fehlt zwar noch in den frühen persischen Königsinschriften, ist aber ab Dareios I. wiederholt belegt.105 Zugleich stellen sich die persischen Könige als Herrscher dar, denen ihre Gottheit ‚Weisheit und Tapferkeit‘ (DNs 3–5) sowie ‚das Königreich schenkte‘ (DB I 13) (xšaçam frābara).106 „Darius and several of his successors say that Ahura Mazdā ‚made them kings, the one the king of many, the one the lord of many‘ (cf. Aeschylus, Persae 762f.). This means, at the same time, that the Persian king was no primus inter pares but rather a sovereign governor, who united in his person all power as supreme lord and judge in peace and warfare and therefore stood far above his subjects.“107
Diese Vorstellung spiegelt sich auch in der Ikonographie des achämenidischen Königtums wider. Dabei wird die Wirkung der göttlichen Gabe, die sich in der freiwilligen Anerkennung ihrer Königsherrschaft durch alle Völker der Welt ausdrückt, wiederholt sichtbar gemacht.108 Auf den im Mittelfeld der Osttreppe der Audienzhalle (altpers. apadāna)109 in Persepolis dargestellten thronenden Xerxes und seinen hinter ihm stehenden Sohn Dareios
104 Auch diese Formulierung basiert auf einem urartäischen Vorbild. Vgl. Schmitt, Königtum, 389. Zwar spielt der griechische Dichter Aischylos in seinem Werk Persae darauf an, dass sich die persische Königin Atossa als ‚Frau Gottes‘ und als ‚Mutter Gottes‘ versteht (Persae 157), doch wird damit die griechische, und nicht die persische Königsideologie widergespiegelt. In seiner Babylon-Inschrift wird Bēl von Dareios I. erwählender Gott genannt: „Possibly on the stela Bēl, the imperial god of the Neo-Babylonian Empire and identified with Marduk, the city god of Babylon, is used simply to mean ‚Lord‘. In Persian perception, the ‚Lord‘ was Ahuramazda“ (Kleber, Policy, 105f.). 105 Hutter, Literatur, 563, geht von religionspolitischen Veränderungen unter Dareios I. aus: „Die Gründung des Achämenidenreiches durch Kyros den Großen geschieht durch jene Dynastielinie, deren Wurzeln in Anšan (und damit in der elamischen Geschichte Irans) liegen. Da Dareios sich von der Kyros- bzw. Anšan-Linie der Dynastie klar distanziert, hat er nicht nur seine Hauptstadt Persepolis ‚aus dem Nichts‘ gegründet, um den Neuanfang zu markieren, sondern auch die ‚iranische‘ mazdayasnische Religion politisch zur tragfähigen Religion gemacht, um auch dadurch einen klaren Schlussstrich gegenüber Kyros, Anšan und der elamischen Religion als politischem Faktor zu ziehen.“ 106 Zu den variierenden Formulierungen in den persischen Königsinschriften vgl. Lincoln, Religion, 224f. 107 Schmitt, Art. Achemenid Dynasty, I. Clan and Dynasty. 108 Uehlinger, Policy, 324, verweist darauf, dass „das geläufige Bild vom gottgewollten Vielvölkerreich im wesentlichen das Produkt der Regierung Darius’ I. (521–486) ist“. 109 Zur Audienzhalle vgl. Koch, Dareios, 78–123, die die Halle auf den Übergang vom 6. zum 5. Jh. v. Chr. datiert.
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„marschieren von der einen Seite elamische, medische und persische Soldaten zu, gefolgt von medischen und persischen Adligen, von der anderen Seite ein ebenso umfänglicher Zug von 23 Völkerschaften, welche Gaben bringen, die für ihr Land charakteristisch sind. Die Komposition mit ihren – einst farbigen – zahlreichen Figuren, die ungemein ästhetisch aufeinander abgestimmt sind, dokumentiert die Harmonie des Reiches mit seiner militärischen Stärke und seinen reichen Erträgen“110 .
Anders als bei den in den assyrischen Herrschaftssitzen abgebildeten Tributzügen wird in der persischen Darstellung die Freiwilligkeit der Gabendarbringung betont.111 Die Anerkennung der großköniglichen Herrschaft durch die Völker als Basis des persischen Großkönigtums wird auf einem weiteren Gebäude in Persepolis sichtbar. Mit dem Relief auf der Westseite des Hundert-Säulen-Saals dargestellten ‚Achämenidischen Völkerthrongestell‘ (Abbildung 2)112 wird ein Throngestell sichtbar, dessen Motive die Loyalität der Untertanen des Großkönigs betonen. „Die Umformung eines von Sklaven gestützten Thronmöbels zur persischen ThronträgerKomposition ist eine glänzende Erfindung. Sie zeigt nicht nur die ideale Gleichheit aller Völker und Stämme des Reiches in ihrer vornehmsten Funktion, der Stütze des Throns, sondern versinnbildlicht auch auf eine eindrückliche Art das Vertrauensverhältnis zwischen Untertanen und Monarchen, der sich auf die stützende Kraft der Reichsvölker verlassen kann.“113
110 Koch, Weltherrschaft, 163. Weiter zur Audienzhalle vgl. Schmitt/Stronach, Art. Apadana. Beschrieben wird der Tributzug der Völker in der Gründungsurkunde der Audienzhalle. Eine Übersetzung des Textes findet sich bei Koch, Persepolis, 15f. Zu den variierenden Völkerlisten vgl. Walser, Völkerschaften, 27–50, bes. 49: „Aus der Betrachtung der Länderlisten scheint hervorzugehen, daß es in den persischen Kanzleien verschiedene Formulare für die Register gegeben haben muß. Ein Formulartypus war die geographisch geordnete Liste; ein anderes Formular bot die Länder nach geographisch zufälligem Prinzip oder nach den Kontributionen zu einem Bau oder zu einem Feste. Für die Darstellungen der Reichsvölker als Thronträger und Tributbringer sind offenbar beide Formulare verwendet worden.“ 111 Vgl. Walser, Völkerschaften, 11–19, der Objekte und die Entwicklung der Vorstellung seit dem 3. Jt. v. Chr. darstellt. Zur Spezifik der persischen Darstellungsform: „Während aber in einer assyrischen Audienzszene von Til Barsib Gefangene von den Herolden mit roher Gewalt vor den sitzenden König geschleppt werden, ist hier das handgreifliche Vor-den-König-Führen der persischen Hofbeamten dem erhabenen Stil von Persepolis angepaßt. Jeder Delegationsleiter wird vom Einführer väterlich-sorglich an der Hand geleitet, wie um ihm das Auftreten vor der Majestät des Reiches zu erleichtern.“ Weiter zur Darstellungsform vgl. Uehlinger, Policy, 327–330. 112 Abgebildet in Koch, Weltordnung, 176, und abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/ bodo/details.php?bomid=34776. Letzter Zugriff: 29.01.2021. Abbildung beider Thronseiten publiziert bei Walser, Völkerschaften, 62f. 113 Walser, Völkerschaften, 26.
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Abbildung 2: Relief, Westseite des Hundert-Säulen-Saales, Persepolis, 5. Jh. v. Chr. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Das an der Südtür des Saals angebrachte Relief114 zeigt den gesamten Thron einschließlich Herrscher. Auf der von den Völkern gestützten Sitzfläche thront der Großkönig unterhalb eines Baldachins. Oberhalb des Baldachins befindet sich eine bärtige Gestalt in einer Flügelsonne,115 die wohl als Darstellung seiner göttli-
114 Abbildung in Koch, Weltordnung, 172. 115 Vgl. auch die Darstellung auf der Nordtür des Tripylon in Persepolis, abgebildet in Koch, Weltherrschaft, 167.
Die Rückkehr nach Jerusalem
chen Herrlichkeit (med. farnah/avest. xvarenah)116 zu verstehen ist.117 Über sie ist der persische Großkönig an Ahura Mazdā gebunden. Sie deutet auf seine YimaGestaltigkeit hin. Nach Yt. 19 (Zamyād Yašt) ist Yima eines der mythologischen Wesen, die xvarenah besitzen. Yima gilt als erster König und damit als Idealbild für alle weiteren. Trotzdem verliert Yima seine farnah/xvarenah aufgrund einer Lüge. „Before describing Yima’s mysterious sin of lying and his subsequent loss of the divine glory, the text describes his reign in decidedly golden terms. Yima reigns for a long time over the seven-part earth, over demons, men, sorcerers, witches, rulers, seers, and priests (v. 31). During this time, Yima forces the demons to impart prosperity, reputation, pastoral animals, satisfaction, and honor to the earth, resulting in immortality for his subjects (v. 32). Further, under his rule there was no frost or heat, neither aging nor death nor envy (v. 33). Beside the ideal nature of this reign, it is interesting to note that Yima’s magnificence is in part acquired from the daēva, ‚lower gods‘.“118
Seine Beziehung zu Ahura Mazdā wird im Text Vīdēvdāt (‚Gesetz gegen Dämonen‘) beschrieben. In V. 2 wird dargestellt, dass Ahura Mazdā ihm als erstem Menschen den Mazdaismus und seine Inhalte vermittelt. Yima verspricht, die Welt im Sinne Ahura Mazdās fortzuentwickeln.119 Auf diese Weise wird Yimas vormaliges herrschaftliches Wirken in der göttlichen Sphäre auf das Irdische übertragen, so dass durch das Königtum der Zustand der göttlichen Sphäre auf die menschliche übertragen werden soll.120 Allerdings stellt die Beschreibung Yimas in diesen Texten einen idealen Zustand des Königtums dar, der durch den Verlust seiner farnah/ xvarenah aufgehoben wird. Die Platzierung des Königs in den ikonographischen Zeugnissen achämenidischer Herrschaft unterhalb seiner farnah/xvarenah deutet auf die zweifache Gestaltigkeit seines Königtums hin. Wie Yima erhält der König seine farnah/xvarenah, regiert jedoch unter der Gefahr, sie durch sein Wirken zu
116 Vgl. die Beschreibung von farnah bei Shahbazi, Achaemenid Symbol II, 126–128: „This heavenly being […] appears in the visible world gētīg in physical form. It could likewise be taken away, or leave a person who died or proved unworthy of it through falsehood and destructive activity. When it leaves one or escapes a would-be-usurper, it moves fast, and gradually the faste[s]t creatures on earth and in the sky (such as a stag oder falcon) came to be regarded as the personification of Farnah.“ 117 Zur Deutung der Flügelsonne als xvarenah vgl. Shahbazi, Achaemenid Symbol II, 136f.; Boyce, History, II, 103–105; de Jong, Traditions, 299–301; Garrison, Favor, 47–51. Koch, Weltherrschaft, 193f., zeigt, dass diese Deutung sich auf die Darstellung des verstorbenen Königs, der auf einem Völkerpodest steht, im Grabmal Dareios I. in Naqš-i Rustam (Abbildung bei Shahbazi, Achaemenid Symbol II,127) übertragen lässt. 118 Silverman, Kingship, 174. 119 Vgl. Silverman, Kingship, 174f. 120 Vgl. Silverman, Kingship, 175.
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verlieren. So entspricht jeder König (zumindest anfänglich) einem idealen Königtum. Die mit Yima verbundene Vorstellung einer friedlichen Herrschaft des Königs über sein Reich wird in der persischen Königsideologie durch seine Rolle als Herr über einen Garten verdeutlich.121 Die Befriedung des Reiches und seine Umgestaltung in einen paradiesischen Garten geht mit einer Überwindung von chaotischen Zuständen, die nach der Vorstellung von Yt. 19 durch einen Akt der Lüge hervorgerufen werden, einher.122 Damit setzt ein Wandel für die menschliche Lebenswelt ein, der in Jes 45,1–7 mit der Berufung des Kyros’ verbunden wird. Ziel des Handelns JHWHs ist es, dass das Reich, das er Kyros übergibt, befriedet wird. Bei der Adaption dieser mit dem achämenidischen Königtum verbundenen Vorstellung über seine Funktion als souveräner und von allen Völkern freiwillig akzeptierter Großkönig durch die Autor*innen der Hebräischen Bibel wird die königliche Rolle auf das Verhältnis des Königs zu JHWH angepasst. Während der achämenidische Herrscher in seiner Selbstdarstellung in den Königsinschriften als Souverän auftritt, wird er nach Jes 45,1–7 als Gehilfe JHWHs verstanden, das göttliche Königtum auf dem Zion vorzubereiten. Zudem wird die Vorstellung des im Zentrum residierenden Großkönigs übernommen und in der frühen Fortschreibung in Jes 60,1–3 auf JHWH bezogen.123 „Die Schriftgelehrten der Perserzeit haben demnach auf die geistigen und kulturellen Herausforderungen ihrer Epoche durch ein nach innen gewendetes, monotheistisches und theokratisches Denken reagiert, welches ihnen in erstaunlicher Weise ermöglichte, eine eigene, resistente Religionskultur auszubilden, die die imperialen Legitimationskonstrukte zugleich unterlief und überbot.“124
Diese die Adaption persischer Vorstellungen prägende Konzentration auf die judäischen Traditionen und ihre Reinterpretation unter den sich verändernden Herrschaftsbedingungen, wirkt sich dann in der weiteren prophetischen Tradition der frühnachexilischen Zeit auch auf die Deutung von Tempel, Stadt und Land aus.
121 Vgl. Silverman, Kingship, 181. 122 Vgl. Silverman, Kingship, 181f. 123 Vgl. Koenen, Ethik, 215f.; Berges, Buch Jesaja, 427–432; Gärtner, Summe der Prophetie, 317; Wagner, Gottes Herrschaft, 199–204. Auch die persische Herrschaftsideologie kennt eine Funktionstrennung von irdischem Königtum und Gottheit, wie Koch, Weltherrschaft, 147, betont: „Nicht nur, daß der Großkönig über den Himmel nicht zu befinden hat, auch die Segensfülle oder Freude (šiyāti-) wird nicht von ihm abhängig gedacht, und irgendetwas zu erschaffen (da) vermag er nicht.“ Anders als in Jes 40–55*; 60 wird Ahura Mazdā jedoch nicht als im kosmischen Zentrum thronende, sondern als eine sich in der kultischen Sphäre befindliche Gottheit gedacht. 124 Achenbach, Religionspolitik, 267.
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5.2.1 Die Tempelvision Ezechiels Die Rückkehr JHWHs nach Jerusalem in Jes 40–55 mit einer Rekonstitution der aus vorexilischer Zeit überkommenen Tradition, in der das Heiligtum als Teil einer axis mundi verstanden wird, setzt die Erwartung eines Wiederaufbaus des Tempels voraus. In Jes 40–55 wird der Bau nicht thematisiert. Jedoch wird er in weiteren prophetischen Texten derselben Epoche behandelt. In Sach 1–8 sowie in Ez 40–48 wird der Wiederaufbau des Tempels in Visionen beschrieben. Obwohl die beiden Texte unterschiedliche Schwerpunkte setzen, knüpfen sie an die aus vorexilischer Zeit überkommene Vorstellung einer Gegenwart JHWHs im Jerusalemer Tempel an. In beiden Texten sind weitere Verschiebungen innerhalb der Traditionsdeutung zu erkennen, die die mit Jes 40–55* erkennbare Veränderung des Weltbildes in dieser Frühphase der nachexilischen Zeit weiter befördern. Der Anschluss an die aus der späten Königszeit überkommenen Traditionen wird auf der Erzählebene zunächst durch eine frühe Datierung der Vision vom neuen Tempel gewährleistet. Nach Ez 40,1 schaut der Prophet die Vision des neuen Tempels im 25. Jahr der Deportation bzw. im 14. Jahr nach der Eroberung Jerusalems, d. h. im Jahr 573/2 v. Chr. Geschildert wird in Ez 40–43 ein Gang durch ein neues, stadtgleiches Tempelareal (Ez 40,2 ‚ כמבנה־עירwie der Bau einer Stadt‘), das aus mehreren Vorhöfen sowie einem zentralen Tempelgebäude besteht.125 Dabei kommt es zu einer Verschiebung in der Darstellung der Tempelanlage. Zwar behält Ezechiel die räumliche Dreiteilung in das Allerheiligste ()קדשׁ הקדשׁים, das Heilige ()הקדשׁ und das Profane ( )חלbei, doch verzichtet er in seiner Darstellung konsequent auf Höhenangaben. Dafür tritt das Quadrat als flächiges Maß in den Vordergrund der Beschreibung; wird nach ihm nicht nur der Tempelbezirk, sondern im Folgenden dann auch das Land eingeteilt.126 „His interest is in the design of sacred space, not the objects that fill up that space.“127 Um dies literarisch umsetzen zu können, nehmen die Verfasser*innen der Vision mit den sog. Esagila-Dokumenten eine babylonische Tradition auf, in denen der Wiederaufbau des babylonischen
125 Rudnig, Heilig, 105, zeigt auf, dass es sich dabei in der Grundschicht um eine Führung durch JHWH selber handelt. Der den Propheten leitende Mann wird erst in einer Ez 40,3f.; 42,15–20; 43,6b; 47,3–7 umfassenden Redaktion in den Text eingefügt. Als Grund für die redaktionelle Fügung gibt Rudnig, Heilig, 107, an: „Die hinter ihr stehenden Trägerkreise wollen den direkten Kontakt Ezechiels mit Jahwe, wie er ihnen in der ursprünglichen Führungsvision vor Augen stand, vermeiden und bringen deshalb אישׁals ‚Jahwe-Hypostase‘ auf den Plan.“ 126 Vgl. Metzger, Tempelarchitektur, 43f. 127 Block, Ezekiel 25–48, 507.
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Heiligtumsbezirks und damit der beiden Hauptheiligtümer é.sagila und é.temenanki beschrieben wird. Bezeugt ist die Textform mit der aus hellenistischer Zeit stammenden Esagila-Tafel AO 6555, die in das Jahr 229 v. Chr. datiert wird und von Anu-bel-šunu aus Uruk hergestellt wurde. Mit ihr wird eine wohl aus dem 8. Jh. v. Chr. stammende Tradition sichtbar, den Wiederaufbau von Tempelanlagen zu beschreiben, auch wenn die genannten Maßungen kein Abbild des real existierenden Tempels darstellen.128 Wesentlich sowohl für die Esagila-Dokumente als auch für die Darstellung im Ezechielbuch ist neben den quadratischen Grundrissen das Fehlen von Höhenangaben.129 Die Übernahme dieser Vorstellung setzt voraus, dass die Verfasser*innen von Ez 40–48 zumindest bei der Abfassung der Grundschicht dieser Kapitel in engem Kontakt zur babylonischen Kultur lebten. Im Sinne der ‚cultural translation‘ ist die Adaption dieser Texte nur durch Partizipation an der Ursprungskultur denkbar. Bautätigkeiten im babylonischen Heiligtumsbezirk noch in den Zeiten des Exils judäischer Bevölkerung deuten darauf hin,130 dass die Konstruktion von Heiligtümern innerhalb der babylonischen Kultur eine höhere Resonanz besaß. Lehnen sich die Verfasser*innen bei der Beschreibung des neuen Jerusalemer Tempels an diese babylonische Tradition an, ist die Gestaltung des Heiligtums an der des salomonischen orientiert.131 Damit entsprechen sie der altorientalischen Tradition, dass Tempel nach ihrer Zerstörung wieder an derselben Stelle in derselben Form aufgebaut werden.132 So ist das neue Heiligtum in seiner Raumstruktur dem früheren Gebäude nachempfunden. Im Zentrum des Heiligtums befindet sich ein 20 x 20 Ellen großes ‚Allerheiligstes‘ ( קדשׁ הקדשׁיםEz 41,4), das von einem
128 Die Funktion solcher Texte ist unklar, da es im 3. Jh. v. Chr. keine nachweisbaren Bemühungen gab, den babylonischen Tempelbezirk wieder zu errichten. So spricht George, Babel, 77, von einer „compilation of training exercises in mathematics for would-be surveyors“. Weitere vergleichbare Texte sind nicht belegt, doch weisst ein 1876 von George Smith als erste freie Übersetzung publizierte Beschreibung eines Textes darauf hin, dass es weitere solcher Texte mit unterschiedlichen Größenangaben gibt. Weiter dazu vgl. Wagner, Formenspiel, 128–140. Den Bezug des ezechielischen Tempels zum Zikkurat beschreibt auch Milgrom, Unique Features, 300f., sowie allgemein zu babylonischen Tempelkonstruktionen Ganzel/Holtz, Temple, 225. 129 Zu Ezechiel vgl. Bark, Heiligtum, 141–143. 130 Auf einzelne Baumaßnahmen durch die gesamte erste Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. weisen Inschriften Asarhaddons, Assurbanipals, Nabupolassars und Nebukadnezzars II. hin. Aus der Zeit Nebukadnezzars II. stammt auch das Bruchstück eines Gründungszylinders, das in der Nordecke von é.temenanki gefunden wurde. Dazu vgl. Uehlinger, Weltreich, 215f. 131 Vgl. Block, Ezekiel 25–48, 515. 132 Vgl. Busing, Tempel, 803–807. Weiter vgl. Tuell, Verbal icon, 658: „When a temple was repaired or rebuilt, the dimensions of the former structure had to be duplicated; otherwise, the temple failed to correspond to its ideal counterpart and could not function as a connecting point with divine reality.“
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‚Gebäude‘ ( )היכלumgeben ist.133 Das ‚Allerheiligste‘ ist der Ort der Gegenwart JHWHs (Ez 43,7).134 Mit der Rückkehr des כבודJHWHs wird dann jedoch nicht nur der Tempel, sondern zugleich auch das Land qualifiziert.135 Für diese Funktion des Tempels ist vor allem die Abgrenzung nach außen von Bedeutung. Das gesamte Tempelareal ( )הקדשׁwird von einer Mauer (Ez 40,5) umgeben, die das Heiligtum vom Umfeld trennt (Ez 42,20).136 Das außerhalb des Heiligtums liegende Gebiet wird als ‚( חלprofan‘) bezeichnet.137 Dies ist das Gebiet, in dem die Bevölkerung lebt, während der Tempelberg den Priestern vorbehalten bleibt. „In dieser Gesamtkonzeption drückt sich ein bestimmtes Bauprinzip aus: es geht um den peinlichen Schutz der sich zum Allerheiligsten hin steigernden Heiligkeit. Ihrer Abschirmung dienen die Außenmauer (42,20) sowie die insgesamt sechs regelrechten Festungstore, die zu je zweien nördlich, östlich, und südlich in den äußeren und inneren Vorhof führen. Der imaginäre Besucher wird von Osten her über drei Niveauunterschiede zum Heiligtum hingeführt: über seinen Stufen steigt er auf das Plateau des äußeren Vorhofes (40,22.26), über acht auf das Innenhofniveau (40,31.34.39), und zehn Stufen beträgt der Aufgang zur Tempelvorhalle (49,49). Die Klimax aller Heiligkeitsstufen zeigt sich in der Verengung der Türöffnungen bis zur Cella: die Tür zur Vorhalle mißt vierzehn
133 Zur Konstruktion vgl. Konkel, Architektonik, 49–52. Zur Ausrichtung der Beschreibung auf das Allerheiligste vgl. Bark, Heiligtum, 143: „Die Details der Maßangaben des jeweils vermessenen Raumteils erfolgt im Laufe der Beschreibungen in einem graduell abgestuften Bezug zum zentral gesetzten Allerheiligsten, dem Altar. Je weiter weg vom Altar, desto ungenauer sind die Maßangaben, je näher dran, desto spezifizierter wird die Beschreibung.“ 134 Vgl. Rudnig, Heilig, 120–125; er hebt hervor, dass der Tempel als Wohnhaus JHWHs konzipiert ist, „in dem Jahwe als ständig anwesend gedacht ist (43,6a.7a)“ (Rudnig, Heilig, 123). Block, Ezekiel 25–48, 581, hebt die Formulierung ‚( מקום כפות רגליOrt meiner Fußsohlen‘) in Verbindung zu 1Chr 28,2 und Jes 60,13 hervor und betont damit, dass das Thronen JHWHs sich vertikal nach oben hin erstreckt. 135 Vgl. Pikor, Land, 184. 136 Vgl. Zimmerli, Ezechiel 25–48, 1068f.1079. Vgl. Konkel, Architektonik, 70: „Alles zielt auf eine horizontale Abgrenzung der Heiligkeitsbereiche.“ Weiter vgl. Konkel, Architektonik, 76, der die Erwähnung des Berges in Ez 43,12 mit Ez 40,2 in Verbindung bringt und hervorhebt, dass diese Verse die Einheit Ez 40,1–43,12* rahmen. Zur Bedeutung der Mauer vgl. Block, Ezekiel 25–48, 570: „They are not constructed to keep enemy forces out, if by these forces one means human foes of Israel, but to protect the sanctity of the sacred area from the pollution of common touch and to prevent the contagion of holiness from touching the people.“ 137 Zur Beschreibung des Landes als ‚( חלprofan‘) vgl. Pikor, Land, 213: „Nevertheless, the status of the rest of the land as חלdoes not mean the land’s ‚non-sanctity‘; rather, it indicates its common, lay usage, which needs to respect the land’s cleanliness as a prerequisite for Yahweh’s presence there.“
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Ellen Breite (40,48), die zum Hauptraum 10 Ellen (41,2) und die zum Allerheiligsten nur noch sechs Ellen (41,3).“138
Dabei betont der Verfasser weniger den Gebäudekomplex, als vielmehr den umbauten Raum.139 Die Bedeutung des so gebildeten Raums wird durch die Zugangsbeschränkung hervorgehoben. Dies wird zunächst an der Rolle des Königs expliziert. Anders als beim salomonischen Tempel lebt der König nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Allerheiligsten und besitzt keinen direkten Zugang mehr. Die Ausgrenzung des Königs aus dem Tempel wird damit begründet, dass es in früherer Zeit zu einer Entheiligung des Heiligtums durch das Aufbahren der verstorbenen Könige kam (Ez 43,7).140 Der König wohnt nun außerhalb des heiligen Bereichs (‚ תרומת־הקדשWeihgabe des Heiligen‘) und des Stadtgebietes (‚ אחזת העירBesitzung der Stadt‘) und lebt damit am Übergang zu den Gebieten der Stämme. Seine kultische Funktion wird auf ein Opfer am Monatsanfang beschränkt. Ebenso wird der Zutritt für die Leviten limitiert. Zwar kennt Ez 44,11 einen Zugang zum Tempelareal, um dort Wächter- und Opferdienst zu verrichten,141 doch dürfen die Leviten nach Ez 44,13a nicht vor JHWH treten und Tempelgeräte und Opfer berühren. Sie werden in ihrer kultischen Funktion stark reglementiert.142
138 Rudnig, Heilig, 99. 139 Vgl. Stevenson, Transformation, 19: „The concern here is not the arrangement and construction of structures, but the spaces defined by the structures. From this perspective, separation of spaces is the real issue. The measurements of the structures are not given to provide a building plan for structures, but to define the spaces, which are created by the structures. […] The important of the layout are its spaces, and the purpose of the structures is to maintain the spaces.“ 140 Vgl. Niehr, Changed Status, 140: „Furthermore this new distance between YHWH and the royal ancestors entailed also a distance between YHWH and the whole realm of the dead and all the activities associated with the dead, such as funerals, tombs, care for the dead and necromancy.“ 141 Block, Ezekiel 25–48, 628–630, verweist auf die Funktion der Leviten in Num 18,21–23, über den hinaus ihnen zwei weitere Aufgaben zufallen: „Ezekiel names to additional functions: the Levites are assigned to Guard duty at the Gates of the temple, and they authorized to represent the people in the temple worship.“ 142 Block, Ezekiel 25–48, 631, führt aus, dass die Rangordnung innerhalb des ezechielischen Tempeldienstes nicht als Strafhandeln an den Leviten zu verstehen ist. Dagegen Eichrodt, Hesekiel, 399: „Als Begründung für diese Degradierung wird der früher von ihnen begangene Götzendienst angegeben, mit dem sie das Volk verführten.“ Ebenso auch Zimmerli, Ezechiel 25–48, 1126–1128; Konkel, Architektonik, 106f., und Pohlmann, Hesekiel 20–48, 589f., die das V. 12a einleitende יען אשׁרals begründend deuten. Weiter zur Einschränkung der Leviten vgl. Stevenson, Transformation, 66: „The Levites are not allowed to serve as priests. The contrast between the territorial access of the priests and the Levites is explicit. The priests stand before YHWH; the Levites stand before the people. The priests guard the gates. The priests have access to the Inner Court; the Levites guard the gates of the Inner Court and slaughter and prepare the offerings in the Inner North Gate, but they do not cross the boundary of the gate to enter the Inner Court. The priests come near the
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Der Zugang zu dem Bereich, in dem diese möglich sind, wird auf die Zadokiden beschränkt, auch wenn sie nur ‚( חלב ודםFett und Blut‘) darbringen dürfen. Dem Volk, zu dem auch die priesterlichen Familien gezählt werden, steht das den Tempelbezirk umgebende Erbland zur Verfügung. Während das Heiligtum in verschiedene Bereiche gegliedert ist, wird es gegenüber dem Umfeld als einheitlicher Komplex verstanden (Ez 43,12143 ).144 Entsprechend der Höfe rund um die Tempelhalle werden in der weiteren Fortschreibung des Buches besondere Teile des Landes in Quadrate unterteilt: „Der Tempelbezirk ist in einen größeren Bereich eingebunden. Auch hier spielt das Quadrat eine Rolle. Bei der Landvergabe wird zwischen Landanteilen der Stämme Benjamin und Juda ein Bereich als ‚Weihgabe‘ ausgegrenzt (Ez 47,8–20). Der umfaßt den Wohnbereich für Priester und Leviten, den Tempelbezirk sowie die davon abgegrenzte ‚Stadt‘ samt Umland, mit der nur Jerusalem gemeint sein kann, wiewohl ihr Name nicht genannt wird. Der gesamte Bereich der Weihgabe hat die Form eines Quadrats von 25.000 x 25.000 Ellen Ausmaß (Ez 48,20). Auch die Stadt (d. h. Jerusalem) ist als Quadrat konzipiert. Seine Seitenlänge beträgt 4.500 Ellen. Rechnet man die Weidefläche, die die Stadt auf allen vier Seiten gleichmäßig umschließt, hinzu, so ergibt sich ein Quadrat von 5.000 x 5.000 Ellen Ausmaß (Ez 47,15–18).“145
Die in Quadrate gegliederten Orte besitzen innerhalb des Landes eine besondere Funktion, da in ihnen entweder die mit dem Tempelkult verbundenen Personen leben (Ez 45,2–6; 48,10–12)146 oder sie, wie im Falle des priesterlichen Erbteils, das direkte Umfeld des Tempels bilden.147 Die weiteren zum Land gehörigen Gebiete werden in dieser Fortschreibung als ‚Erbbesitz‘ ( )נחלהbezeichnet und als solcher an die Stämme vergeben. Dabei steht eine Transformation des Landes von einem „von Krankheit und Tod gezeichnete[n]“148 zu einem lebensförderlichen Land im Fokus
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Altar; the Levites do not approach. The priests eat the most holy offerings; there is no mention of the offerings for the Levites.“ Der Versteil 12bβ fehlt in der LXX, deren Vorlage die Formulierung, die V. 12aα wiederholt, wohl nicht besaß. Vgl. Block, Ezekiel 25–48, 592. Metzger, Tempelarchitektur, 44f. Vgl. Block, Ezekiel 25–48, 651–653, der hinter der Nähe der Wohnorte der Priester zum Heiligtum rein pragmatische Gründe sieht. Die Bezeichnung des Landanteils der Zadokiden in Ez 48,12 als קדשׁ קדשׁיםist eine sekundäre Erweiterung, die in Spannung zu Ez 48,10 steht. Diese ist davon motiviert, dass das Heiligtum inmitten ihres Erbteils liegt. Dazu vgl. Zimmerli, Ezechiel 25–48, 1145.1222f. Vgl. Stevenson, Tranformation, 32. Weiter vgl. Eichrodt, Hesekiel, 403, und Lux, Jerusalem, 89. Zur Beschreibung der Stadt vgl. Rooke, Urban Planning, 127–130. Zimmerli, Ezechiel 25–48, 1211.
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der Verfasser*innen. Durch die Beschreibung des Landes als von Gott gegebenes und durch die Präsenz des Heiligen qualifiziertes, den Tempel umgebendes Land, wird dieses in den Status der Heiligkeit erhoben.149 Hier deutet sich eine weitere Adaption persischer Vorstellungen an. In der neuen Aufteilung des Landes nach der Raumordnung des Heiligtums in Ez 45–47 spiegelt sich ein Begehren wider, wie es auch durch die persische Großreichsordnung befriedigt wird. Diese klang oben bereits bei der Analyse der dtjes Texte an. Dabei wird in Ez 45–47 ein besonderer Aspekt der Tradition aufgenommen. Dareios I. stellt in mehreren Inschriften die Wiederherstellung von Ordnung in der Völkerwelt als seine Tat dar. In der Susainschrift DSe 30–42 führt er aus: Vieles, was übel getan wurde, machte ich gut. Die Länder (dahyāva) waren in Unruhe (yaud-), der eine schlug den anderen. Doch folgendes führte ich durch die Stärke Ahuramazdas herauf: daß keiner den anderen schlägt; jedes ist an seinem (verordneten) Platz.150
Der Schaffung einer solchen Ordnung wird auch in DNa 30–38 geäußert: Als Ahuramazda diese Erde in Unordnung (yaud-) sah, gab er sie mir, machte mich zum König, ich bin König. Durch die Stärke Ahuramazdas brachte ich sie an ihren Platz zurück. Was ihnen von mir gesagt wurde, das taten sie, wie es mein Wille war.151
Mit der Reorganisation der Völkerwelt wird der Aufbau von Tempeln verbunden, wie DB I 61–71 zeigt. Vergleichbar dem hebräischen Terminus ‚( נחלהErbbesitz‘) wird in den persischen Königsinschriften der Begriff gathu- (‚Platz‘) verwendet, um den Ort eines jeden Volkes innerhalb einer göttlich vorgegebenen Raumordnung zu bezeichnen. Demnach „gibt es einen durch die Schöpfung vorherbestimmten Platz, d. h. eine dem Volkscharakter entsprechende Heimat mit den angemessenen Institutionen mit Tempel, Weideland,
149 Eine vergleichbare Beobachtung zur Deutung des Landes als ‚Erbteil‘ JHWHs im Buch Sacharja führt Lux, Juda, 84f., aus, der die Heiligkeit des Landes von der Gegenwart JHWHs im Zentrum des Landes her versteht. Hier wird ebenfalls die Dreiteilung von Allerheiligstem, Heiligem und Profanem angenommen, die auf das Verhältnis von Tempel, Land und Umland bezogen wird. Zimmerli, Ezechiel 25–48, 1211, bezeichnet den Vorgang als eine „exemplarische[n] Ordnung“. Zu den Differenzen zur Darstellung im Buch Josua vgl. Konkel, Architektur, 205–213. 150 Übersetzung aus Koch, Weltherrschaft, 149; vgl. Schmitt, Inschriften, 125f. 151 Übersetzung aus Koch, Weltherrschaft, 150; vgl. Schmitt, Inschriften, 102f.
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Sklaven und Wohnstätten. Solche gottgesetzte internationale Ordnung hat der Großkönig durch seine militärischen Aktionen wieder hergestellt“152 .
Die Umsetzung dieses Bestrebens ist mit der Vergabe des Landes als ‚( נחלהErbbesitz‘) in Ez 45–47 sichtbar. Den Stämmen Israels werden ihre Gebiete auf Dauer zugewiesen, sodass nach dem überwundenen Exil eine dauerhafte Ordnung eingeführt wird. Als von Gott gegebener Erbbesitz ist das Land ‚heilig‘ und entsprechend durch die Grenzen nach außen vom Profanen geschieden. Die Adaption der Ordnungsprinzipien der persischen Herrschaft durch die Verfasser*innen von Ez 40–48 weist auf ihre hohe Bedeutung für die Ausbildung hebräischer Schriften in der frühnachexilischen Zeit hin, in denen sie mit der priesterlichen Taxonomie ‚heilig – unheilig‘ verbunden werden.153 Mit der Raumordnung von Ez 40–48 wird das Weltbild so weiter ausdifferenziert. Neben die Trennung in ‚Zentrum – Peripherie als Lebensraum – Hemisphäre‘, wie sie bei Jes 40–55 erkennbar ist, tritt eine Differenzierung des Zentrums. Dieses ist in den Bereich des Allerheiligsten (‚Tempelareal‘) und des Heiligsten (‚Land‘) geschieden, während das Profane (‚umgebende Länder‘) die Peripherie darstellt. Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich in Ez 40–48 bei der Beschreibung der Rekonstitution Israels zwei wesentliche Faktoren ergeben, die auf die Raumordnung einwirken. Mit der Beschränkung der Kultpraxis auf die Priester wird die Bedeutung des Königs für den Kult so unterdrückt, dass dieser nur noch eine nebengeordnete Rolle einnimmt. Damit verliert der König seine zentrale Stellung innerhalb der Volksgemeinschaft. Im Zentrum steht nun der im Heiligtum thronende Königsgott. Die Priester als diejenigen, die dauerhaft zum Heiligtum Zugang haben, nehmen zudem seine Funktion als Kultoberhaupt ein. Zugleich wird das den Tempel umgebende Land reorganisiert und den Stämmen Israels als dauerhafter Wohnort zugewiesen. Dazu wird die bereits mit dem vorexilischen Heiligtum verbundene Raumordnung auf das Land übertragen. Dieses wird von den Ländern der anderen Völker unterschieden. Der Übergang zu ihren Lebensorten wird als ein Überschritt vom Heiligen in das Profane gedeutet. So ergibt sich eine „new human geography“154 , die die Raumwahrnehmung der nachexilischen Zeit prägt.
152 Koch, Weltherrschaft, 150. 153 Vgl. Dietrich, Listenweisheit, 377. 154 Stevenson, Transformation, 151.
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5.2.2 Sacharjas Nachtgesichte Verbleibt der Wiederaufbau des Tempels im Ezechielbuch auf der Ebene einer Vision, so werden die Planungen in der Folgezeit konkreter. „Offensichtlich blieben die Wiederaufbaupläne Ezechiels auch in frühnachexilischer Zeit im Gespräch.“155 Dies schlägt sich in der Botschaft Sacharjas nieder. In diese Phase, genauer in das zweite Jahr Dareios’ I., wird der Visionszyklus Sacharjas in Sach 1,7 datiert.156 Die Politik Dareios’ I. ermöglichte neben anderen Maßnahmen auch den Wiederaufbau des Tempels.157 Vergleichbar mit den in Ez 40–48 geschilderten Vorgängen wird auch im Buch Sacharja in Visionen (Sach 1–6) auf die Restauration Israels vorausgeblickt.158 „Diejenigen Redaktoren, die mithilfe eines chronologischen Gerüsts die Botschaft der beiden Prophetenbücher Haggai und Sach 1–8 miteinander verknüpften, verbanden die Zeitenwende vom Unheil zum Heil mit einem konkreten Datum, dem 24.11. im 2. Jahre des Dareios (1,7). Sacharjas Blick ist von diesem Tage an nicht mehr auf die heillose Vergangenheit sowie die triste Gegenwart fixiert. Vielmehr wird ihm in acht Nachtgesichten (1,7–6,15) ein Einblick in die himmlischen Pläne JHWHs für die Zukunft Judas und Jerusalems gewährt. Dieser Perspektivenwechsel ist mit einer Kommunikationsstruktur verbunden, die sich deutlich vom vorausgehenden Prolog (1,1–6) unterscheidet. Während sich der Prophet im Prolog direkt an seine Adressaten richtet, werden diese in 1,7–6,15 zu Zeugen eines Dialogs zwischen Himmel und Erde. Der wichtigste Gesprächspartner des Propheten ist dabei ein angelus interpres, der ihm das in den Visionen Geschaute deutet (1,8; 2,2.7; 4,4; 5,10; 6,4).“159
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Lux, Jerusalem, 90. Zum sekundären Charakter der Überschrift vgl. Reventlow, Sacharja, 39. Zu den Entwicklungen in der Zeit Dareios I. vgl. Hoglund, Administration, 25f. Lux, Sacharja, 109, versteht den Entwurf Sacharjas als eine Alternative zur von Ezechiel entworfenen mental map eines nachexilischen Israels. Auch Petersen, Zechariah’s Visions, 200f., weist auf den Bezug hin. „The visions comprise Zechariah’s experientially-based responses to these problems of a community attempting to reorganize itself.“ Weiter vgl. Uehlinger, Policy, 337f. Zum Verhältnis von Hag/Sach zum Buch Esra vgl. Grabbe, Reality, 298–300. 159 Lux, Sacharja 1–8, 107. Zur konzentrischen Konstruktion der Grundschicht des Visionszyklus vgl. Uehlinger, Policy, 342–345.
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Dieser angelus interpres160 berichtet in der ersten Vision von Beauftragten JHWHs, die die Erde durchstreifen sollen.161 „Bei der Reiterschwadron, die JHWH auf eine irdische Inspektionsreise schickte, handelte es sich um sein Dienstpersonal, wohl eine Abteilung des Himmelsheeres.“162 Sie überbringen im Anschluss die Botschaft von einer befriedeten Erde: ‚( ויאמרו התהלכנו בארץ והנה כל־הארץ ישׁבת ושׁקטתUnd sie sagten: Wir haben die Erde durchquert und siehe, die ganze Erde liegt da und ist ruhig‘).163 Diese Ansage widerspricht jedoch der Erfahrung des Boten, wie die Klage in V. 12 zeigt. Noch hat er keine Verbesserung der Situation in Juda und Jerusalem feststellen können.164 Dies wird im sekundären Stück Sach 1,16f. expliziert.165 Der Prophet wird vom Boten aufgefordert, einen Spruch JHWHs zu überbringen, in dem dieser JHWHs Rückkehr nach Jerusalem ankündigt und den Wiederaufbau des Tempels fordert.166 Als Grund dafür wird in V. 17 die erneute Wahl des zuvor verlassenen Ortes durch
160 Zur Aufgabe des angelus interpres als derjenige, der die sich noch ausformenden visionären Bilder deutet, vgl. Delkurt, Nachtgesichte, 49; Lux. Sacharja 1–8, 112. Der ‚Deuteengel‘ stellt ein Novum in den Visionsberichten der nachexilischen Zeit dar. In den früheren Texten nimmt JHWH Kontakt zum jeweiligen Propheten auf. Einzig in Ez 40–48 wird eine vergleichbare Person eingeführt (vgl. Lux, Sacharja 1–8, 148–150). Zu seiner Rolle vgl. Floyd, Minor Prophets 2, 355f. Zur Identifikation des in V. 9 erwähnten ‚( מלאךBote‘) mit dem in V. 11 genannten ‚( מלאך יהוהBote JHWHs‘), der bereits in V. 8 als ‚Mann‘ eingeführt wird; vgl. Hanhart, Sacharja 1, 78f.; Lux, Wer spricht, 286–290; Boda, Zechariah, 126f.; Lux, Sacharja 1–8, 234–236. Jeremias, Nachtgesichte, 101, hebt hervor, dass der angelus interpres die Rolle JHWHs in früheren Visionen übernimmt. Die mit dem Boten verbundenen Pferde bilden das ‚Himmelsheer‘, das durch zahlreiche, aus vorexilischer Zeit stammende Pferde- und Reiterfigurinen Teil der judäischen Frömmigkeit war. Dazu vgl. Keel/ Uehlinger, GGG, 392–401, und Lux, Sacharja 1–8, 144f. 161 Mit der ‚Vierheit der Regionen‘ wird als Symbolbegriff die gesamte Biosphäre bezeichnet; vgl. Hanhart, Sacharja 1, 74. Allerdings wird nur in der LXX jeder Region ein Reiter zugeordnet, während der MT nur drei Reiter nennt. Vgl. Uehlinger, Policy, 339. Zum Einsatz der Reiter vgl. Boda, Zechariah, 122f.131. 162 Lux, Sacharja 1–8, 150. Vgl. Ollenburgerer, Zechariah, 751f.; Boda, Zechariah, 127f.; Tiemeyer, Zechariah, 78f.; Floyd, Minor Prophets 2, 350. 163 Zur Funktion des Boten vgl. Boda, Zechariah, 130. 164 Vgl. Lux, Sacharja 1–8, 152f.: „Auf dem Hintergrund von Hag 2,6–7.20–22 kann das nur bedeuten, dass die von Haggai mit der Grundsteinlegung zum Tempel angekündigte Revolution, die alle Völker, ja, den Himmel und die Erde erfassen sollte, bislang noch auf sich warten ließ.“ 165 Zur redaktionsgeschichtlichen Position von Sach 1,16f. vgl. Reventlow, Sacharja, 43f. Zur Parallele in Jes 52,8f. vgl. Nurmela, Prophets, 48f. 166 Aufgrund der nach V. 14 in den V. 16.17 neu einsetzenden Botenformel kommt Hallaschka, Sacharja, 153, zu dem Schluss, dass die V. 15–17 nachträgliche Erweiterungen der ursprünglichen Vision sind. In der ursprünglichen Fassung wird der Tempelbau zwar nicht explizit als Ziel des göttlichen Handelns genannt, implizit jedoch vorausgesetzt (barmherzige Zuwendung zu Zion/Jerusalem). Die Fortschreibungen stellen dementsprechend Explikationen dar.
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JHWH genannt.167 Voraussetzung der Aufnahme von Bauarbeiten am Tempel ist das Vermessen der Stadt in V. 16b, die nach diesem Plan wieder aufgerichtet werden soll.168 Die Umsetzung dieses Plans erfolgt in den weiteren Visionen. In der dritten Vision in Sach 2,5–9 wird in einem ersten Schritt das Vermessen der Stadt geschildert. Sprachlich tritt hier gegenüber Sach 1,16b eine Varianz auf, die diesen Prozess mit der in Ez 40 geschilderten Vermessung Jerusalems in Verbindung bringt.169 Wird in Sach 1,16 der Begriff ‚ קוהSchnur‘ verwendet, formuliert der Verfasser in Sach 2,5 ‚ חבל מדהMaßband‘.170 ‚ מדהMaß‘ wird in Ez 40,3.4.10.21 u. ö. gebraucht, um die Ausdehnung der Tempelhöfe zu beschreiben.171 Während Ez 40–43 einen näheren Einblick in die Ausgestaltung des neu zu errichtenden Tempels gibt, liegt der Fokus in Sach 2,5–9 auf der Vermessung der Stadt.172 „Ziel ist hier auch nicht wie bei Ez die Mitteilung eines exakten Grundrisses, sondern das Vermessen an sich, das somit den Wiederaufbau Jerusalems ankündigt.“173 Die Ausmaße werden nicht in Relation zur früheren Stadt gestellt. Vielmehr wird mit Jes 49,19f.; 54,2 die Menge an Menschen betont, die nach Jerusalem kommen wird und durch die Platznot entstehen wird.174 Eines der damit verbundenen Probleme, mit denen sich Sacharja auseinandersetzen muss, ist die Schutzlosigkeit der Stadt,
167 Vgl. Gelsten, Dependance, 459. Weiter vgl. Lux, Juda, 80: „Da die Vorstellung von der (Wieder-)Einwohnung JHWHs inmitten der Tochter Zion eng mit der Jerusalemer Tempeltheologie verbunden ist (vgl. 1Kön 8,13; Jes 8,18; Ps 46,5f; 68,17; 74,2; 76,3; 84,2ff) und seine Rückkehr an den Wiederaufbau des Tempels in der Stadt gebunden bleibt (Sach 1,16), wird der Tempelbau zu einem nachprüfbaren geschichtlichen Kriterium für die Legitimation des Propheten und die Zuverlässigkeit seines Wortes. Die wachsenden Mauern des neuen Tempelgebäudes sind ein sichtbares, prophetisches Zeichen für JHWHs Willen, in Jerusalem einzuziehen und Wohnung zu nehmen.“ 168 Vgl. Lux, Jerusalem, 92: „Im Unterschied zur Grundschicht von Ez 40–48 beschränken sich diese Wiederaufbaupläne bei Sacharja nicht mehr auf die Tempelanlage, sondern werden auf die gesamte Stadt ausgeweitet.“ 169 Zum intertextuellen Bezug zu Ez 40–48 vgl. Rignell, Nachtgesichte, 72f.; Delkurt, Nachtgesichte, 106–112; Nurmela, Prophets, 51–53; Konkel, Architektonik, 138 mit A402. 170 Zum Begriff חבלvgl. Boda, Zechariah, 170f. 171 Jeremias, Nachtgesichte, 164, weist darauf hin, dass in Ez 40,3 der Begriff קנה המדהverwendet wird, so dass die Annahme einer literarischen Abhängigkeit eines Textes ausgeschlossen ist. Tiemeyer, Zecharia, 108, nimmt daher an: „a measuring tool was a stock feature in visions and […] its interpretation as symbolizing a future building project was generally accepted“. 172 Vgl. Boda, Zechariah, 174; Lux, Sacharja 1–8, 193–196. Hallaschka, Sacharja, 182f., rekurriert darauf, dass Sach 2,6 Ez 40–48; Jer 31,38f. voraussetzt, ohne dies jedoch begründen zu können. Willi-Plein, Sacharja, 65f., weist darauf hin, dass die Vermessung des Grundrisses mittels Messlatte und Messseil ein üblicher architektonischer Vorgang ist, der bereits in neuassyrischen Bauberichten erwähnt wird. 173 Hallaschka, Sacharja, 185. 174 Vgl. Jeremias, Nachtgesichte, 173. Einen inneralttestamentlichen Bezug stellen Rignell, Nachtgesichte, 76f., und Hanhart, Sacharja 1, 128, her.
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da keine Mauer um sie herum entstehen soll.175 Dabei ergibt sich in V. 9 eine Korrespondenz aus seiner Anwesenheit im Tempel und dem Schutz der Stadt: Und ich werde für sie, Spruch JHWHs, ringsherum eine Mauer aus Feuer sein, und eine Herrlichkeit werde ich in ihrer Mitte sein ()ולכבוד אהיה בתוכה.
Mit der Ankündigung der Präsenz des כבודJHWHs spielen die Verfasser*innen auf Vorstellungen an, die auch in weiteren Teilen der frühnachexilischen Literatur verwendet werden.176 Dabei wählt Sach 2,5–9 mit dem Motiv der Feuermauer, als die JHWH erscheinen wird, ein Spezifikum, das eine zweifache Wirkung hervorruft. „Possibly the image of fire is used to remind the people of the vulnerability of humanmade walls in the ancient world, illustrated by the charred remains of Jerusalem which lay before them daily. Jerusalem needs no human-made wall for protection when it has the fiery presence of Yahweh surrounding it.“177
Die Bewohner Jerusalems nehmen sich als durch Gott beschützt wahr, sodass die Aussage des weiterhin anhaltenden Zürnens JHWHs (Sach 1,12) durch die gewählten Motive aufgehoben wird. Sobald der Tempel errichtet sein wird, wird Jerusalem dann im Feuer- und Strahlenglanz sichtbar werden. JHWHs Gegenwart an diesem Ort ist damit nicht nur im Ergehen des Volkes, sondern auch visuell erfahrbar.178 Dieser Vorgang wird mit der erneuten Einwohnung JHWHs auf dem Zion nach Sach 2,14 abgeschlossen. Mit ‚( שׁכנתי בתוכךich werde in deiner Mitte wohnen‘) nimmt der Verfasser dabei auf die aus 1Kön 8,12 übernommene Vorstellung der dauerhaften Präsenz JHWHs im Tempel Bezug. In Sach 2,5–9 wird zwar zwischen
175 Mit dem Konzept der offenen Stadt sieht Lutz, Jerusalem, 96f., einen Bezug zu Persepolis gegeben. „Dass unter der babylonischen Gola und den Rückkehrern in Jerusalem dieses Konzept der offenen Residenzstadt des persischen Weltreiches nicht unbekannt gewesen sein dürfte, liegt nicht nur angesichts des hervorragend ausgebauten persischen Nachrichtensystems nahe. Hier liefen die Fäden der Verwaltung zusammen. Hierhin brachten Delegationen der unterworfenen Völker – wie das Bildprogramm an der Osttreppe des Apadana von Persepolis eindrücklich vor Augen führt – regelmäßig dem Reichskönig ihre Gaben“ (Lutz, Jerusalem, 97). 176 Vgl. Wagner, Gottes Herrlichkeit, 396. Vgl. weiter Jeremias, Nachtgesichte, 176. Delkurt, Nachtgesichte, 125, versteht das Motiv von Ez 40–42 her: „Trennt der Tempelbaubericht Ezechiels den säkularen streng von dem profanen Bereich durch Errichtung einer Mauer, so lehnt Sacharja eine solche Abgrenzung ab: Jahwe selbst wird für die Erhaltung der Heiligkeit des Tempels sorgen, ohne daß dies von menschlicher Hand erforderlich wäre.“ 177 Boda, Zechariah, 182. 178 Vgl. Boda, Zechariah, 184f.
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JHWH als ‚Feuermauer‘179 und seiner Herrlichkeit als Präsenzform im Zentrum Jerusalems geschieden, doch wird mit Sach 2,14 und der Übertragung der Einwohnungsformel aus 1Kön 8,12 in einer Fassung, wie sie sich auch in Ex 29,45 findet,180 das Thronen JHWHs im Heiligtum beschrieben. Verbunden mit der Einwohnung JHWHs wird die Wahl Judas als Erbbesitz (Sach 2,16). Dies setzt die Heiligkeit des Landes ( )אדמת הקדשׁvoraus, die zum Zeitpunkt der Vision jedoch noch nicht gegeben ist. Die Ansage der zukünftigen Reinheit des Landes wird in der sechsten Vision (Sach 5,1–4) dargestellt. In ihr sieht der Prophet eine Schriftrolle,181 auf der ein Fluch festgehalten ist, der über das Land ausgehen wird.182 Er richtet sich gegen ‚jeden Dieb‘ ( )כל־הגנבund ‚jeden Schwörenden‘ ()כל־הנשׁבע, der nach V. 4 Falsches im Namen JHWHs beteuert.183 Sach 5,1–4 expliziert damit angelehnt an Jer 7,9184 zwei wesentliche Vergehen, die zur Verunreinigung des Landes führten.185 179 Zur ‚Feuermauer‘ vgl. Petersen, Zechariah, 171, der auf die ohne Stadtmauer erbaute Residenzstadt Pasargadae verweist, an deren äußerem Rand mehrere Feueraltäre standen, die Ahura Mazdās Schutz symbolisierten. Ob die wenigen archäologisch nachgewiesenen Sockel als Feueraltäre dienten, ist jedoch fraglich. „Es bleibt daher eine offene Frage, ob der Feuerkult vor den Toren der Stadt zum Bild von der schützenden Feuermauer JHWHs beigetragen hat“ (Lux, Sacharja, 203). Weiter zur Kritik vgl. Delkurt, Nachtgesichte, 129f. Reventlow, Sacharja, 47, sieht eher die Wolkenund Feuersäule aus Ex 13,21–23; 14,20 als Vorbild für diese Vorstellung an. 180 Vgl. Wagner, Gottes Herrlichkeit, 96–99. 181 Zur Lesung ‚( מגלSichel‘), die die Übersetzung δρέπανον der LXX* voraussetzt, vgl. Boda, Zechariah, 325f. Zum Bezug zu Ez 2 vgl. Delkurt, Nachtgeschichte, 233. 182 Vgl. Willi-Plein, Sacharja, 104: „Die fliegende Rolle versinnbildlicht also Gottes rechtmäßigen Besitzanspruch auf das Land.“ Fluchformeln sind sowohl in Vertragstexten als auch in Weihinschriften belegt. Mit ihnen wird eine potentielle Zuwiderhandlung von Anfang an unter Strafe gestellt. Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 327–329. In Sach 5,1–4 wird jedoch nur der Fluch, nicht aber der Besitzanspruch dargestellt. Ein Rückschluss auf einen solchen Anspruch erscheint im Kontext des Visionszyklus’ jedoch plausibel. „Darin wäre dann die Aktualisierung der vorgegebenen Fluchtradition zu sehen: Was dem frühnachexilischen prophetischen Zeugen als göttliches Gericht über dem an seinem Gesetz Schuldigen offenbaren wird, ist nicht mehr eine drohende neue Zerstreuung – sie liegt als das ein für allemal geschehene Gericht des babylonischen Exils hinter ihm –, auch nicht ein über Judäa einbrechender neuer Feind – er ist durch die Befriedung des persischen Großreiches und durch die oberherrliche Anerkennung der jerusalemischen Kultgemeinde gebannt –, aber die Zerstörung seines widerrechtlich erworbenen Eigentums, aber der Entzug des Segens über dem, was als rechtmäßig Erworbenes Gabe Jahwes wäre“ (Hanhart, Sacharja 1, 331). 183 Zur Zerstörung des Hauses als Wirkung des Fluches in weiteren altorientalischen Texten vgl. Jeremias, Nachtgesichte, 193–195. 184 Zum Bezug vgl. Delkurt, Nachtgesichte, 239f. 185 Während in der Maßung der Buchrolle häufig ein Bezug auf den Tempel gesehen wird (zum Diskurs in der alttestamentlichen Forschung vgl. Tiemeyer, Zechariah, 188–190), betont O’Brien, Zechariah, 197, die Bedeutung des auf ihr festgehaltenen Gesetzes. Der Fluch steht im Fokus des Textes. Vgl. auch Ollenburg, Zechariah, 779; Boda, Zechariah, 335f. Bereits Wellhausen, Propheten, 183, weist darauf hin, dass die „Zerstörung des Zeltes oder des Hauses […] eine alte Form der
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Diese wird dann in der siebten Vision (Sach 5,5–11) eliminiert,186 was in Form eines Rituals erfolgt.187 Um die Vision in diesem Sinne verstehen zu können, ist jedoch zunächst eine textkritische Korrektur in V. 6 vorzunehmen. MT und ihm folgend Vg. lesen in V. 6bβ ויאמר זאת עינם בכל־הארץ, während LXX Αὕτη ἡ ἀδιχíα αὐτῶν ἐν πáση τῆ γῆ bietet. Der syrische Text nach dem Codex Ambrosianus sowie der versio Syriaca secundum polyglottem Londinemsem B. Waltonii von 1654 bestätigen diese Lesung. Ἀδικία ist als Übersetzung von ‚( עוןSünde‘) gebräuchlich.188 Setzt man diese inhaltlich an V. 8 (‚ רשׁעהBosheit‘) ausgerichtete Korrektur voraus,189 so wird in Sach 5,5–11 die Reinigung des Landes geschildert.190 Die Reinigung erfolgt dadurch, dass die Verschuldung als Ware191 aus dem Land geschafft wird. Sie wird von Palästina in das Land שׁנערgebracht. „Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Größen wird durch das vom Autor eingesetzte Stilmittel der Alliteration und Assonanzen geradezu hörbar gemacht (šinār/rišah).“192 LXX übersetzt an dieser Stelle Βαβυλῶνος und schließt damit an Gen 10,10 an. Dort werden die Königreiche Babel, Erek, Akkad und Kalne als im Land שׁנערliegend beschrieben. Dies stimmt mit der Verwendung in Jes 11,11 überein. שׁנערwird als einer der Orte genannt, an dem Exilierte leben.193 Mit Sach 5,5–11 werden die Ursachen einer weiteren Verunreinigung des Landes Israel an den Rand der Hemi-
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Strafe [ist], sie bedeutet den Ausschluss des Verbrechers und seiner Familie aus dem Lager oder dem Dorfe“. Vgl. Körting, Unrechtmäßigkeit, 480. Zum Eliminationsritual vgl. Körting, Unrechtmäßigkeit, 480, und Lux, Sacharja 1–8, 430–433. Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 353; Pola, Zacharias, 2460. Zur Textänderung im MT vgl. Uehlinger, Policy, 344f. Zur Lesung עינםvgl. Schnocks, Ephah, 255–257. Zur Deutung von כל־הארץals ‚ganzes Land‘ und nicht ‚ganze Erde‘ vgl. Lux, Sacharja 1–8, 397. Die Missstände stehen einer Rückkehr JHWHs nach Jerusalem noch im Wege (vgl. Gese, Anfang, 212). In V. 7 wird ein ‚( איפהEpha‘) genannt, das als Hohlmaß für Handelswaren verwendet wird. Lux, Sacharja 1–8, 419, übersetzt daher auch ‚Vorratskrug/Maßkrug‘: „Das feminine Nomen bezeichnet einen ovoiden, nach unten spitz zulaufende[n sic.] ‚Vorrats-‘ bzw. ‚Maßkrug‘, einen Pathos, für feste Stoffe wie Getreide, Mehl oder Hülsenfrüchte, dessen Form mit geringfügigen lokalen Variationen über lange Zeit hinweg relativ stabil blieb.“ Die Verwendung eines ‚Bleideckels‘ ( )ככר עפרתdeutet nach Lux, Sacharja 1–8, 424–426, auf ein palḫi-Gefäß hin, in dem Unheil und Böses verschlossen und unschädlich gemacht werden konnten. Der hethitische Telipinu-Mythos, der auch in der griechischen Mythologie rezipiert wird, bezeugt diese Form der eliminatorischen Praxis. Zur Diskussion, ob es sich bei der im Tonkrug sitzenden Frau um das Bild einer Göttin handelt, vgl. Lux, Sacharja 1–8, 437–444, mit weiterer Literatur. Zum Aufstellen des Podests vgl. Reventlow, Sacharja, 66f.: „Die Aufteilung des Götterbildes ‚Bosheit‘ auf einem Podest in einem dort eigens für es errichteten Tempel ist ein Gegenbild zum Tempelbau für den wahren Gott in Jerusalem.“ Lux, Sacharja 1–8, 433. Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 64.359f.; Delkurt, Nachtgesichte, 265f.; Tiemeyer, Zechariah, 236.
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sphäre verbannt.194 „Dabei läßt sich die Wüste des Azazelritus durchaus mit Sinear vergleichen, denn es geht nicht einfach um das Überschreiten von Landesgrenzen, sondern um den Übergang von Schöpfung zum Chaos.“195 Der Transport des Tonkrugs mit der als רשׁעהbezeichneten Frau196 erfolgt durch zwei Frauen mit Flügeln. Ihre Flügel werden als ‚( כנפים ככנפי החסידהFlügel wie Storchenflügel‘) beschrieben. „Stork wings are appropriated for the task of these women, since they would be able to lift such a heavy load as well as to transport it the distance from Yehud to Babylon.“197 Jedoch ist die beschriebene Flügelform ungewöhnlich, zumal Störche in Palästina zu den unreinen Tieren gerechnet werden (vgl. Lev 11,14; Dtn 14,18).198 Immerhin sind einzelne Abbildungen von Tieren mit solchen Flügelformen in der griechisch-persischen Glyptik belegt.199 Auf diesen lässt sich als Spezifikum ihrer Flügelform eine ihnen typische Schwungfederkaskade erkennen. Durch sie unterscheiden sie sich von anderen Flügelformen. Zugleich ist in der Ikonographie der persischen Zeit die Darstellung von geflügelten Wesen, deren Flügel eine Federkaskade im Schwungfederbereich aufweisen, wiederholt zu beobachten.
194 Zur Deutung als Verschiebung von ‚Schuld‘ auf der horizontalen Ebene vgl. Dietrich, Schuld, 245–262, und Lux, Sacharja 1–8, 431f.: „In diesen Fällen wird die auf ihr neues Trägermedium übertragene materia peccans aus dem Wohn- und Lebensbereich der Menschen an die äußerste Peripherie oder in eine feindliche Gegenwelt verbracht, in der es kein zivilisiertes Leben gibt, in das Land der Dämonen und des Todes.“ 195 Körting, Unrechtmäßigkeit, 487. Willi-Plein, Sacharja, 111, versteht die Auslagerung der Sünde als einen Verwaltungsakt: „Der Landschaftsname Sinear deutet das Gebiet an, in dem sich – noch – die politische Oberhoheit des Perserkönigs konkretisiert. Dort soll die Gesetzlosigkeit, die als zwischenmenschliches Unrecht in Form von sozialen Missständen bisher geherrscht hatte, archiviert werden. Urkunden wurden in nach Orten und Daten geordneten Körben auf Holzregalen aufbewahrt. Der Standplatz im Regal der königlichen Verwaltung gilt als sichere ‚Verwahrung‘ für die nunmehr überwundene Gesetzlosigkeit. Sie wird damit hinter Schloss und Riegel gebracht.“ 196 Zur Bedeutung der Frau im Epha vgl. Lux, Sacharja 1–8, 433–443, mit weiterer Literatur. Körting, Unrechtmäßigkeit, 483, und Hallaschka, Sacharja, 246–248, betonen, dass die V. 7f. nachträglich eingefügt wurden. Die Elimination einer fremden Gottheit war ursprünglich nicht intendiert. 197 Boda, Zechariah, 352. 198 Daher vermutet Rignell, Nachtgeschichte, 195, dass Storchenflügel gewählt wurden, da diese Tiere besonders weit fliegen können, sodass der Transport bis in die Hemisphäre gewährleistet ist. Nach Willi-Plein, Sacharja, 110, deutet die besondere Flügelform darauf hin, dass es sich um ‚Genien‘, also mythische Hybridwesen handelt. 199 Vgl. Roadman, Greek Gem, Taf. 963, auf der ein Stück der Sammlung Müller, Bonn (ohne Inventarnummer und Datierung), abgebildet ist. Im Katalog wird der Vogel aufgrund der Halsform als Reiher bezeichnet. Aquilla, Symmachus und Theodotion korrigieren an dieser Stelle ἔποπος (‚des Wiedehopfs‘) zu ἐρωδιοῦ (‚des Reihers‘; vgl. Rignell, Nachtgesichte, 193) und verweisen damit auf die Störchen und Reihern gemeinsame spezifische Flügelform.
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Abbildung 3: Rollsiegel, Persische Zeit (Ende 6.–5. Jh. v. Chr.), Tall al-Umeiri, Nr. 49 © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Dies wird zunächst mit der Abrollung des Rollsiegels Nr. 49 von Tall al-Umeiri sichtbar (Abbildung 3200 ), auf dem ein geflügelter Stier zu sehen ist, dessen Flügel eine Schwungfederkaskade aufweist.
Abbildung 4: Rollsiegel VR 1981.225, Persische Zeit (500–300 v. Chr.), Kleinasien © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Abbildung 5: Rollsiegel VR 1981.111, Neuassyrische Zeit (700–610 v. Chr.), Assyrien © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
200 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=11949. Letzter Aufruf: 21.10.2020.
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Dieselbe Kaskadenform ist auch bei der persischen Darstellung der geflügelten Sonne zu sehen, wie es mit dem aus Kleinasien stammenden Rollsiegel VR 1981.225 (Abbildung 4201 ) deutlich wird. Dieses bildet eine Kampfszene ab, in der oberhalb der beiden kämpfenden Personen die geflügelte Sonne in ihrer persischen Fassung gezeigt wird. Die Unterschiede zur Darstellung in neuassyrischer Zeit werden durch einen Vergleich mit dem Rollsiegel VR 1981.111 (Abbildung 5202 ) sichtbar. Auf diesem wird die geflügelte Sonne oberhalb von zwei Skorpionen, die als Träger der Sonne dienen, dargestellt. In der assyrischen Form wird das Gefieder in drei Bereiche untergliedert (Oberarmschwingen, Unterarmschwingen und Handschwingen), während die Schwungfederkaskade nicht betont wird.203 Der Vergleich zeigt, dass das in Sach 5,5–11 verwendete Motiv auf die Aufnahme einer persischer Vorstellung hinweist. Beim Transport bewegen sich die beiden geflügelten Frauen in der Horizontalen innerhalb der Atmosphäre.204 In Sach 5,9 wird der Bereich, in dem sie sich aufhalten, als ‚ בין הארץ ובין השׁמיםzwischen Himmel und Erde‘ beschrieben, womit der Luftraum oberhalb des Erdbodens gemeint ist. Johannes Schnocks weist zu dieser Formulierung darauf hin, dass durch sie eine Verbindung zu Ez 8,3 entsteht.205 In Ez 8,1–6 wird beschrieben, wie der Prophet durch einen Geist/Wind בין הארץ ובין השׁמיםemporgehoben und dort schwebend nach Jerusalem gebracht wird.206 In Verbindung mit der in Sach 5,1 erwähnten ‚ מגלה עפהfliegenden Schriftrolle‘ wird ein weiteres Phänomen sichtbar, das für die weitere Entwicklung der Raumdeutung in den hebräischen Schriften von entscheidender Bedeutung ist. Die Atmosphäre ( )בין הארץ ובין השׁמיםwird in Sach 5,9 als ein Raum verstanden, in dem sich mythische Wesen aufhalten. Diese Wesen werden Propheten – wie in älteren Texten die Bewohner der göttlichen Thronsphäre im Tempel – in ihren Visionen sichtbar. Im Anschluss an mit der Wolke verbundene Phänomene, die schon in früherer Zeit mythisch gedeutet wurden (vgl. das Epithet Ba’als rqb rpt ‚Wolkenfahrer‘ sowie die Darstellung der Wolke in Ez 1), die geflügelten Wesen in der göttlichen Sphäre des Tempels (vgl. Jes 6,1–4) und die geflügelten Hybridwesen,
201 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=570. Letzter Aufruf: 14.11.2020. 202 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=533. Letzter Aufruf: 14.11.2020. 203 Uehlinger, Policy, 344–346 mit Abb. 36 und37, identifiziert die beiden geflügelten Frauen mit den ikonographisch als geflügelte Wesen mit Menschenkörper bezeugten ištarāti (‚Göttinnen‘). Dazu vgl. Winter, Frau, Abb. 174 und 181. 204 Vgl. Boda, Haggai, Zechariah, 307. 205 Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 362. 206 Auch wenn weitere semantische Übereinstimmungen zwischen den beiden Texten existieren, ergeben sich keine motivischen Kongruenzen. Zur Kritik an Schnocks vgl. Lux, Sacharja 1–8, 440f.
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wie sie in der mesopotamischen Ikonographie bezeugt sind, werden in den ezechielischen und den sacharjanischen Visionen nun geflügelte menschliche Gestalten sichtbar, die sich im Dienste JHWHs in der Atmosphäre aufhalten und bewegen können. Ihr Bezugsraum bleibt zunächst allein die Biosphäre, in der sie sich in der Atmosphäre aufhalten.207 Sie dienen also nicht dazu, den Raum zwischen dem kosmischen Himmel und der Biosphäre zu überbrücken, wie dies dann in späteren Texten (vgl. Dan; 1Hen) dargestellt wird. Damit wird in den hebräischen Texten erstmals eine Belebung der Atmosphäre in ihrer horizontalen Ausdehnung durch Mischwesen beschrieben, deren Sichtbarkeit den Propheten vorbehalten bleibt. Sach 5 schließt hier an Ez 8,3 an, verbleibt in dieser Form jedoch zunächst singulär. Die in der sechsten Vision sichtbare Raumkonstruktion aus Zentrum und Hemisphäre liegt auch der abschließenden achten Vision (Sach 6,1–8) zugrunde. „Die Wagen ‚gehen hervor‘ aus dem Zwischenraum zwischen zwei Metallbergen, und damit ist eindeutig ein allerdings erst auf den zweiten Blick erkennbarer übernatürlicher Ort angedeutet, genauer gesagt, ein Horizonttor oder das Himmelstor oder das Himmelstor zwischen zwei Weltbergen. Ähnlich dem Sonnenwagen kommen die vier Himmelswagen daraus hervor.“208
Mit dieser Szene nimmt die Vision zwei wesentliche Aspekte des altorientalischen Weltbildes auf: Am Rand der Hemisphäre sind im Osten und Westen die Berge angesiedelt. Die Aussendung der Pferdewagen nach Norden und Süden209 erfolgt dann relativ zum Zentrum,210 in dem sich der ‚Herr der gesamten Erde‘ (אדון )כל־הארץaufhält.211 Das Appellativum ‚Herr der gesamten Erde‘ beschreibt JHWH.
207 Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 368: „Das ist das eigentliche ‚Innen‘ und ‚Außen‘ der einander symmetrisch zugeordneten Visionspaare: Dem ‚Außen‘ der jahwefeindlichen irdischen Gewalt, die durch die himmlischen Mächte vernichtet wird, entspricht das ‚Innen‘ der Schuld der Schöpfung, der Gottlosigkeit, die von den himmlischen Mächten aus dem heiligen Bereich hinweggetragen wird. Das ist der äußere Kreis der Symmetrie. Dem ‚Außen‘ des irdischen Israel, das durch die Ausmessung der heiligen Stadt, als geschichtliches Zeichen des himmlischen Jerusalem, wieder aufgebaut wird, entspricht das ‚Innen‘ von Israels Gesetz, das durch das Gericht der die Maße des irdischen Heiligtums tragenden Fluchrolle, als geschichtliches Zeichen des endzeitlichen Gerichtes über der gefallenen Schöpfung, wiederhergestellt wird. Das ist der innere Kreis der Symmetrie.“ 208 Willi-Plein, Sacharja, 113. Zur Bedeutung des Kriegswagens in achämenidischer Zeit vgl. Uehlinger, Policy, 341f. 209 Zur Differenz zwischen MT und LXX vgl. Floyd, Minor Prophets 2, 399f. 210 Vgl. Boda, Zechariah, 360–364. Zum Bezug zu Ps 104,3f. vgl. Delkurt, Nachtgesichte, 305f. 211 Zur Übersetzung vgl. Boda, Zechariah, 375: „Since here the spirit-winds are sent out to the land of the north and to the land of the south, kol-hā’āres. must be a reference to his universal dominion over the whole world, rather than merely over a particular land.“ Zur Zentrumssymbolik vgl. Dyma, Sacharjabuch, 60–62.
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„Die Ausfahrt der vier Wagen zielt demnach nicht allein auf eine Veränderung im Inneren Judas und Jerusalems ab, sondern richtet die Blicke des Lesers auf den Horizont der gesamten wahrnehmbaren Welt aus.“212 Zentrum dieser Welt ist Jerusalem als Sitz dieses Herrschers. Ausgangspunkt der Ausfahrt der Wagen sind die ‚( הרי נחשׁתErzberge‘), die am Rande der Hemisphäre liegen und als Transitregion in den Himmel dienen.213 Bei ihnen wirkt sich die Veränderung der Biosphäre aus. „But the world has changed. International, internal, and cosmic order have been recreated. Sacred space has been restored.“214 In einer Gesamtschau aller Nachtgesichte kommt Lux zu einer Beschreibung einer mental map, die diesem Visionszyklus zugrunde liegt: „Die Grenzen im Westen und im Osten werden durch die beiden Himmels- und Horizonttore markiert, die die Schwelle vom Diesseits zum Jenseits bilden. Mit ihnen sind die Zeiterfahrungen von Abend und Morgen sowie ein Rückblick in die Vergangenheit und ein Ausblick in die Zukunft verbunden. Sie markieren die Zeitschwelle einer einzigen Nacht (1,8). Dabei ist der Abend (noch) negativ besetzt (N1). Noch hat sich JHWH seit nahezu siebzig Jahren nicht über Jerusalem und Juda erbarmt (Sach 1,12). Der Morgen hingegen wird zur Zeit des Heils, in der die Himmelswagen mit dem Geist JHWHs in das Land des Nordens und des Südens ausfahren, die Länder der Diaspora, um das im gesamten Zyklus angesagte Geschehen in Gang zu setzen (N8). Die Zeit wird danach binär strukturiert in die Zeit des Zornes JHWHs (Vergangenheit) sowie seines Erbarmens (unmittelbar bevorstehende Zukunft). Diese binären Zeitzonen von Unheil und Heil, auf deren Schwelle man steht, erfahren damit eine evaluative Einfärbung. Vergangenheit und Zukunft sind jeweils von Dunkelheit und Licht, Vernichtung und Rettung, Strafe und Erbarmen, Versagen und Umkehr Israels gekennzeichnet. Im Innenraum der hier skizzierten Grenzen fokussiert sich das Geschehen auf Juda und Jerusalem, die Vernichtung der Feinde (N2) sowie den Wiederaufbau der Stadt und des Tempels (N3). Dieses Geschehen geht einher mit einer Beschreibung der moralisch-religiösen Landkarte. Die sozialen Übel des Landes werden beseitigt (N6) und die kultischen Frevel in Gestalt von Frau Bosheit außer Landes geschafft (N7). Auf diese Weise werden Jerusalem und Juda zu
212 Lux, Sacharja 1–8, 459. Zur Diskussion um die ursprüngliche Anzahl der genannten Wagen siehe Hallaschka, Sacharja, 252–255, und Tiemeyer, Zechariah, 253–256. Den Gedanken einer nur für den Visionären sichtbaren Sphäre äußert Floyd, Minor Prophets 2, 399: „The movement of the angelic chariots in heaven becomes manifest on earth as the windlike forces that blow various changes into being.“ Elliger, Zwölf kleine Propheten, 113, hebt hervor, dass das Ziel der Geistausgießung durch die Ausgesendeten die sich in allen Himmelsrichtungen befindlichen Diaspora ist. 213 Vgl. Redditt, Zechariah, 75, und Tiemeyer, Zechariah, 249: „In my view, these biblical and ancient Near Eastern parallels suggest that Zech 6:1 depicts the effect to the divine abode through which God’s divine army sets forth.“ 214 Ollenburger, Book of Zechariah, 384.
Das neue Zentrum und seine Peripherie
einem ‚reinen Land‘, in das JHWH zurückkehren kann, um in seinem wieder errichteten Tempel Wohnung zu nehmen.“215
Abbildung 6: Schema nach Lux, Sacharja 1–8, 110.
Diese mental map überführt Lux in ein Schema (Abbildung 6), durch das ein wesentlicher Aspekt deutlich wird, den er in seiner Darstellung nicht hervorhebt. Im Schnittpunkt der Visionen steht der zum Zeitpunkt der Schauungen noch nicht wiedererrichtete Tempel. Die der vorexilischen Tempeltheologie zugrunde gelegte Vorstellung des Jerusalemer Tempels als dem Ort, an dem die beiden Realitäten räumlich ineinander fallen und an dem ein Transit aus der vertikalen in die horizontale Dimension möglich ist, wird in Sach 1–8 so aufgenommen, dass der Wiederaufbau des Tempels als Voraussetzung zur Umsetzung des schon in der göttlichen Sphäre sichtbaren Heils für Israel wird. Die zentrale Stellung des Tempels wird schließlich durch den Höhe- und Mittelpunkt des Zyklus’ in der Vision der Einsetzung Jošuas in das Amt des Hohenpriesters in Sach 3,1–10 betont. Diese erst sekundär in den Visionszyklus integrierte Schau in das Heiligtum hebt die zentrale Stellung des Tempels nochmals hervor.216 Mit ihr wird eine Szene im kosmischen Zentrum geschildert, dessen Wiederaufbau im ursprünglichen Visionszyklus vorbereitet wird. Die zentrale Stellung Jerusalems
215 Lux, Sacharja 1–8, 109f. 216 Zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes vgl. Elliger, Zwölf kleine Propheten, 103.120; Gesa, Anfang, 25; Jeremias, Nachtgesichte, 201–203; Reventlow, Sacharja, 32f.52; Redditt, Zechariah, 40f.; Behrens, Visionsschilderungen, 301–306; Willi-Plein, Sacharja, 51; Hallascka, Sacharja, 140–143; Lux, Sacharja 1–8, 57–63.
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klingt im ursprünglichen Zyklus jeweils durch die Bewegung aus dem Zentrum an die Ränder an. Dies wird anhand des Reiters, der die Tiefe des Meeres erreicht (Sach 1,5), der geflügelten Frauen, die den Tonkrug an den Rand der Hemisphäre transportieren (Sach 5,9), und den in alle Himmelsrichtungen ausziehenden Pferdegespannen (Sach 6,6f.) sichtbar. Religionsgeschichtlich betrachtet, wird das Ordnungsmuster auf diese Weise vor allem hinsichtlich einer Belebung der Atmosphäre fortentwickelt. „Die als die vier Winde gedeuteten Himmelswagen (V. 5c) sind daher der bildhafte Ausdruck der Vernetzung von Transzendenz und Immanenz. Sie stehen für die Verbindung zwischen Himmel und Erde, Abwesenheit und Anwesenheit, Ferne und Nähe Gottes. Dadurch, dass sie selbst als ‚Winde‘ ( )רחותgedeutet werden (vgl. 5,9), den ‚Geist‘ ()רוח JHWHs transportieren (V. 8c-d), sind sie einerseits klar von JHWH unterschieden, andererseits aber Metaphern für sein Wirken.“217
Wie bei der Ausgestaltung der Landesordnung im Buch Ezechiel ist die persische Großreichspolitik für die Darstellung dieses Prozesses entscheidend. Während Ezechiel die Ordnung des Reiches als Schöpfungsordnung hervorhebt, wird im Visionszyklus des Buches Sacharja die Herrschaft über die Randbereiche der Erde durch den im Zentrum thronenden Großkönig betont. Dieser schickt Gesandte aus, die durch die Atmosphäre ausziehen und seinen universalen Herrschaftsanspruch manifestieren.
5.3
Zur Entwicklung der Raumdeutung in der spätexilischen und frühnachexilischen Prophetie
Die Bücher Jesaja, Ezechiel und Sacharja handeln von der Rückkehr JHWHs nach Jerusalem und verbinden diese mit dem Wiederaufbau des Tempels. Dabei steht zunächst der Wiedereinzug JHWHs in Jerusalem im Fokus der Autor*innen, der auf späteren Redaktionsstufen mit einer Rückkehr des Volkes aus dem Exil nach Israel in Einklang gebracht wird. Die mit der Rückkehr verbundenen Vorstellungen sind die einer Restauration, sodass die Autor*innen an die überkommenen Traditionen der judäischen Königszeit anknüpfen. Dabei kommt es jedoch zu Akzentverschiebungen. Neue Aussagen über die Ausgestaltung des göttlichen Königtums auf dem Zion entstehen. Ein Charakteristikum JHWHs tritt dabei besonders in den Vordergrund: seine Schöpfermacht, die in Jes 40–48 wiederholt betont wird.
217 Lux, Sacharja 1–8, 479f.
Zur Entwicklung der Raumdeutung in der spätexilischen und frühnachexilischen Prophetie
Diese Vorstellung kann an ältere kanaanäische Traditionen anknüpfen. Sie dient, religionsgeschichtlich betrachtet, in der spätexilischen Zeit zunächst der Absetzung vom babylonischen Marduk-Kult. Dieser geriet in den Zeiten Nabonids verstärkt unter Druck und verlor in der mesopotamischen Welt zunehmend an Relevanz. Die mit ihm konkurrierende Verehrung des Mondgottes Sîn, dessen Heiligtum é.ḪulḪul Nabonid in Harran wiedererrichten ließ, wurde vom König gefördert. Die vom Wiederaufbau berichtende Inschrift der Adad-guppi-Stele erwähnt Jes 40,1–5 vergleichbar die Rückkehr der Gottheit in ihr Heiligtum. Das Wiedererscheinen JHWHs wird mit den schon in den aus vorexilischer Zeit stammenden Textanteilen des Jesajabuches, die von der Macht JHWHs über die Geschichte handeln, verbunden, nun aber mit seiner Schöpfermacht begründet. Dabei greifen die Verfasser*innen vermehrt mesopotamische Traditionen auf. Anders als in den nordwestsemitischen Religionen stellt die Vorstellung von der Weltschöpfung durch die Königsgottheit in der babylonischen Theologie ein zentrales Theologumenon dar. Der Titel bāni šamē u ers.etim (‚Schöpfer des Himmels und der Erde‘) ist seit kassitischer Zeit für Marduk belegt und findet im Epos Enūma eliš seine narrative Ausgestaltung. Motivisch schließt die Darstellung von JHWHs Schöpfungsmacht an Vorstellungen von der Trennung der kosmischen Räume ‚Himmel‘ und ‚Erde‘ als primärer Schöpfungsakt sowie von der Platzierung der Gestirne am (unteren) Himmel an. Die auf diese Weise entstehende Biosphäre besitzt in ihrer horizontalen Ausdehnung eine Zentrum-Peripherie-Struktur, für die eine Hell-Dunkel-Polarität konstitutiv ist. Der helle bzw. erleuchtete Ort wird als das Zentrum beschrieben, während die Hemisphäre als Ort kosmischer Dunkelheit verstanden wird. Das im Zentrum erstrahlende Licht geht nicht von den Gestirnen, sondern von JHWH aus. Damit schließt Jes 40–55 an Vorstellungen des göttlichen ‚Strahlenglanzes‘ ( )כבודan, wie sie in den aus der judäischen Königszeit stammenden Textanteilen des Jesajabuches belegt sind. Bereits in diesem Textstratum ist der Einfluss mesopotamischer, hier zuvorderst neuassyrischer Vorstellungen auf die Ausbildung der Bildwelt des Buches sichtbar. Die Lichtthematik wird in Jes 40,1–5 mit dem Wiedererstrahlen des göttlichen כבודeingeleitet und ist über die einzelnen Fortschreibungen hinweg bis zum Erstrahlen des Zion im Glanze der zum Heiligtum gebrachten Kostbarkeiten (Jes 60,1–3) als verbindendes Motiv präsent. Innerhalb der Biosphäre kommt es durch die Rückkehr JHWHs zum Zion und seiner Reinthronisierung zu einer Verschiebung des kosmischen Zentrums. Liegt dieses anfänglich noch in der mesopotamischen Diaspora, in der JHWH seinem Volk erscheint, wird es nach Jerusalem verlagert. Dabei kommt es nicht nur zu einer Belebung der zwischen dem Zweistromland und Israel liegenden Wüsten- bzw. Steppengebiete, sondern auch zu einer Verdunkelung des vormaligen kosmischen Zentrums (Jes 47,5). Die Erleuchtung Jerusalems wird mit der Gabe von ‚Frieden‘ ( )שׁלוםfür JHWHs Volk
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verbunden. Zur weiteren Ausbildung der jesajanischen Tradition gehört die Verbindung von der Rückkehr JHWHs zum Zion und der Rückführung der Exilierten nach Israel. Auch für diesen Prozess wird Lichtmotivik verwendet, indem der Gottesknecht zur ‚Erleuchtung‘ der Völker in die Hemisphäre gesendet wird. Wesentlich für die Ausgestaltung des Raumes ist die mit dem Zug einsetzende Transformation der Wüste. Ist diese in der Exodusüberlieferung eine Transitzone zwischen Ägypten und Israel, die temporär zum Lebensraum des Volkes wird, verändert sie sich in der Botschaft Deuterojesajas in einen dauerhaft bewohnbaren Raum. Die vorübergehende Möglichkeit von Nahrung, Wasserversorgung und Bewahrung vor Feinden, wie sie in Ex 16–18 dargestellt wird, ist kein punktuelles Handeln Gottes mehr. Vielmehr verändert er diese Region in einen neuen Lebensraum, in dem Mensch und Tier neben- und miteinander existieren können. Damit verliert auch das mesopotamische Weltbild, das eine Dreiteilung der Biosphäre in die Bereiche ‚Stadt – Steppe/Wüste – Berge‘ kennt, seine Relevanz, gilt die Steppe/Wüste nicht mehr als Ort, an dem das Dasein des Menschen gefährdet ist. In der neuen Deutung entsteht eine Trennung zwischen dem als ‚hell‘ charakterisierten Bereich, in dem JHWH präsent ist, und den an den Rändern liegenden ‚finsteren‘ Regionen. Sie sind durch die Abwesenheit Gottes gekennzeichnet. Ihre ‚Beleuchtung‘ wird in den späten Redaktionsstufen des Jesajabuches beschrieben. Mit der Ankündigung der Inthronisation JHWHs in Jes 52,7–10 wird die Erwählung des persischen Königs Kyros zum Gesalbten verbunden. Diesem wird jedoch nicht die Königswürde, sondern allein die Erwählung zum Werkzeug JHWHs zugesichert. Mit diesem Motiv schließt Jes 45,1–7 zum einen an die im Jesajabuch in Jes 10 bezeugte Vorstellung des Großreichsherrschers als Erfüllungsgehilfen, zum anderen an die auch im Kyros-Zylinder sowie in den Königsinschriften seit Dareios I. belegte Tradition der Erwählung des persischen Königs durch die höchste Gottheit an. Bleibt Kyros derjenige, der mit seinem Siegeszug von der Herrschaft des ihn erwählenden Gottes zeugt, wird die Königsherrschaft JHWHs in den Fortschreibungen des Textes im Stile des persischen Großkönigtums dargestellt. Dies wird insbesondere am freiwilligen Tribut deutlich, den die ‚Könige der Völker‘ dem am Zion thronenden Gottkönig leisten werden (Jes 60). Während Jes 40–55 und seine Fortschreibungen beim Gedanken der Installation von JHWHs Königtum verbleiben, die Wiederrichtung von Stadt und Tempel jedoch nur am Rande anklingen, steht die infrastrukturelle Wiederrichtung Jerusalems und Israels im Zentrum von Ez 40–48 und Sach 1–6. In der letzten Vision des Ezechielbuches in Ez 40–48 schaut der Prophet ein neues, ihm in diesem Umfang unbekanntes Tempelgebäude. Dessen Konstruktion entspricht Skizzen, die für die Wiederrichtung des Tempelbezirks in Babylon verfasst wurden (EsagliaDokumente). Innerhalb des Tempelkomplexes sowie in der Strukturierung des Landes ergibt sich im Buch Ezechiel das Konzept der sich steigernden Heiligkeit des Ortes. Die Anordnung ‚Profanes – Heiliges – Allerheiligstes‘ wird sowohl auf
Zur Entwicklung der Raumdeutung in der spätexilischen und frühnachexilischen Prophetie
‚Umland – Land – Heiligtum‘ als auch auf ‚Stadt – äußeres Heiligtum – inneres Heiligtum‘ bezogen. Die räumliche Zentralstellung des Tempels wird schließlich auch in den Visionen des Buches Sacharja sichtbar. Dabei wird die Durchsetzung friedvoller Verhältnisse, die aus der Konstruktion des persischen Großreiches abgeleitet wird, mit der Wiedererrichtung des Tempels und einer Entsündigung des Landes Israel verbunden. Tempel und Land ergeben den Herrschaftsraum des auf dem Zion thronenden Gottkönigs. Die Verlagerung von Schuld und Sünde in die äußere Hemisphäre (Land ‚Sinear‘) und damit in die Region des Exils führt, wie dies bereits in Jes 47,5 sichtbar wurde, zu einer Polarisierung des Raumes. Während Jerusalem und das Land Israel als kosmisches Zentrum zum Herrschaftssitz des sich seinem Volk wieder zuwendenden JHWH wird, wird die Region der Großmächte, die als Werkzeug des göttlichen Gerichts dienten, zur Hemisphäre und damit zu der Region, in die eine materiell verstandene Sünde verlagert wird. Eine Gefährdung der befriedeten, auf das kosmische Zentrum in Jerusalem ausgerichteten Biosphäre kann in dieser Raumkonstruktion nur von den Randbereichen ausgehen. Damit verändert sich das aus vorexilischer Zeit überkommene Ordnungsmuster. Jerusalem stellt weiterhin das Weltzentrum dar, in dem der Gottkönig in seinem Tempel thront. In der Fortschreibung von Ez 40–43 wird die Raumkonzeption des Heiligtums auf das Land übertragen, so dass Israel als das Heiligste erscheint und erst jenseits seiner Grenzen der profane Bereich einsetzt. Jes 40–55 mit der Transformation der Wüste/Steppe in einen qualitativ hochwertigen Lebensraum sowie Sach 1–6 mit der Ausdehnung der großköniglichen Herrschaft über alle Länder deuten an, dass in dieser Zeit eine Grenzverschiebung stattfindet. JHWHs gottkönigliche Herrschaft entspricht dem persischen Großkönigtum, sodass vermittelt über die Schöpfungsvorstellung ein universaler Herrschaftsanspruch ausgedrückt wird. Damit wird, wie Jes 47 und Sach 5 anzeigen, das die Herrschaft gefährdende Chaos aus der Wüste/Steppe in die äußerste Hemisphäre verdrängt. Dies wird im Jesajabuch mit der Licht-Finsternis-Metaphorik, im Buch Sacharja mit dem Gegensatz Reinheit-Schuld ausgedrückt. Sind die Randbereiche der Horizontalen als Orte des Chaos gekennzeichnet, stellt das Zentrum das Gegenstück dazu dar. Mit der Präsenz JHWHs wird das Weltzentrum als heiliger Ort verstanden, zu dem nach Ez 41f. und Sach 3 allein die Priester dauerhaften Zugang haben. In den Textstrata der prophetischen Bücher zeichnet sich bezogen auf das Priestertum zudem eine Entwicklung ab. Sind es in Ez 41f. noch zadokidische Priester, die den Tempeldienst versehen, wird in der später dem Zyklus hinzugefügten vierten Vision in Sach 3,1–10 der Hohepriester als derjenige genannt, der Zugang zur göttlichen Sphäre besitzt. Damit nimmt das Sacharjabuch auf Vorstellungen Bezug, wie sie in der Priesterschrift zugrunde gelegt werden. Hier deutet sich ein literarischer Zusammenhang an, durch den die in der persischen Zeit verschriftlichte priesterliche Tradition Einfluss auf die prophetischen Texte und mit ihnen auf die
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mit diesen verbundene Raumdeutung nimmt. Dies gilt es nach einer Darstellung des priesterlichen Ordnungsmusters im Weiteren zu bedenken.
6.
Die priesterschriftliche Raumdeutung
6.1
Der Lebensraum des Menschen
Mit der Priesterschrift tritt in der hebräischen Literatur ein Novum auf. Erstmals wird im hebräischen Schrifttum in Form einer Kosmogonie die Ausgestaltung des menschlichen Lebensraumes Gegenstand eines Textes. Dieser Text und die Erzählung von der Schaffung der Biosphäre in sechs Tagen1 (Gen 1,1–2,4a) bildet – literaturgeschichtlich betrachtet – zunächst die Einleitung in die Priesterschrift, später dann in den Pentateuch. Die Priesterschrift wird seit Theodor Nöldekes Abhandlung Die sog. Grundschrift des Pentateuch (1869) als vormals eigenständige Pentateuchquelle beschrieben. Abraham Kuenen und Julius Wellhausen führten Nöldekes Untersuchung fort, indem sie zeigten, dass ihr ältere Quellen vorausgingen und P als jüngste Quelle den literarischen Rahmen des Pentateuch bildet. Karl Heinrich Graf kam schließlich aufgrund der Kultus-Gesetzgebung dazu, P in die persische Zeit zu datieren. Die in der Forschung weitgehend akzeptierte Unterscheidung einer priesterlichen Grundschrift (PG ) und sekundären Anteilen unterschiedlicher Textstrata (PS ) wurde auch durch Neuansätze in der Beschreibung der Redaktionsgeschichte priesterlicher Texte nicht aufgehoben, wie sie von Rolf Rendtorff und Erhard Blum unternommen wurden. Sie gehen von priesterlichem Quellenmaterial aus, das vor der Abfassung des Pentateuch bereits vorlag. Diese Texte nutzten die priesterlichen Redaktoren, um sie mit der sog. vorpriesterlichen D-Komposition zu verbinden. Zu ihnen gehört auch der Schöpfungsbericht in Gen 1, an dem sich grundlegende Strukturen eines priesterlichen Ordnungsmusters erkennen lassen. Mit der Schaffung von Himmel und Erde sowie der Schöpfung des Lebens und der Herrschaft des Menschen über die Biosphäre stellt Gen 1 die für die Raumdeutung wesentlichen Faktoren dar und ist für die Beschreibung des einen alttestamentlichen Weltbildes in der bisherigen Forschung maßgeblich. Seine Stellung sowie seine Einzigartigkeit innerhalb der alttestamentlichen Schriften führte in der Auslegungsgeschichte des Textes wiederholt dazu, dass er so behandelt wurde, als wäre er ursprünglich eigenständig. Die Erzählung ist jedoch von Anfang an auf einen weiteren Kontext bezogen, ursprünglich auf die priesterlichen Anteile des Pentateuch, im weiteren Verlauf der Literaturgeschichte dann auf den gesamten Pentateuch.2 Die Wahrnehmung von Gen 1 als einzelner Text ohne Einbezug seines
1 Zum Verhältnis von Gen 1 und der Schöpfungstradition in Jes 40–48 vgl. Blenkinsopp, Essays, 17–20. 2 Vgl. Schmid, Theologie, 269f.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
Kontextes führt in der Auslegungsgeschichte zu paradigmatischen Aussagen, die vom Kontext her zu hinterfragen sind. Prägend ist zunächst die Vorstellung einer Ordnung des Chaos (formatio), mit der die Gründung der Erde beschrieben wird. Über sie hinaus geht die Annahme einer creatio ex nihilo (erstmals in 2Makk 7,28), bei der Gott die Materie hervorruft, um sie dann zu ordnen, ebenso wie die einer creatio continua, mit der Gottes dauerhaftes schöpferisches Wirken betont wird. Gen 1 lässt sich jedoch umfänglich von keinem dieser beiden Modelle beschreiben. Während in Gen 1,1 zunächst summarisch die Schaffung von Himmel und Erde als Übergang von einer „Vorwelt“3 in einen Kosmos geschildert wird, wird im Folgenden die Erstellung der raumzeitlichen Ordnung und damit die formatio allein der Biosphäre dargelegt.4 Anders als die Ausgestaltung der raumzeitlichen Ordnung, die im Hauptteil des Textes beschrieben wird, werden die Voraussetzungen des primären Schöpfungsaktes bereits in den antiken Texten kontrovers diskutiert. In diesem Diskussionsprozess lassen sich zwei Strömungen nachzeichnen, die die weiteren theologischen Positionen bis in die heutigen Deutungen hinein bestimmen. Ein a priori des Materiellen setzt bereits Philo von Alexandrien voraus. Zwar will er das Geschaffensein der Welt durch Gott nicht in Frage stellen, doch um den Schöpfungsvorgang zu erklären, greift er auf Traditionen aus der hellenistischen Naturphilosophie zurück.5 In De opificio mundi 1; 7–25 stellt Philo die Weltbildung als einen Prozess vom idealen Urbild hin zur irdischen Realität dar (κόσμος νοητός ‚Welt der Ideen‘ vs. κόσμος ὅυτος/αἰσθητος/ὁρατος ‚reale Welt‘). Damit greift er auf ein Motiv zurück, das in Platons Timaios 37d–38b expliziert wird. Dieses platonisch-dualistische Konzept setzt die Existenz von Materie vor der Überführung von der ‚Welt der Ideen‘ zur ‚realen Welt‘ voraus. Die Schöpfung wurde möglich, da Struktur und Materie bereits existierten. Dieser Gedanke wird in der rabbinischen Literatur in BerR I,4 expliziert. Rabban Tanchuma geht von einer Präexistenz von sechs verschiedenen Elementen aus, sodass die Schaffung der Biosphäre in ihrer Raum-Zeit-Struktur nicht als eine creatio ex nihilo verstanden werden kann. Allerdings geht er nicht von Materie aus, die als Grundlage der Schöpfung diente, sondern von Elementen der Heilsgeschichte, die zum Zeitpunkt der Niederschrift teils realisiert, teils nur ideell angelegt sind. Wenn auch verlagert, zeichnet sich hier ebenfalls ein Dualismus im Sinne Platons ab. Gegen einen solchen setzen sich zur ‚Alten Kirche‘ zählende Theologen mit der Betonung der creatio ex nihilo ab. Bei ihr
3 Diesen Begriff prägt Bauks, Welt am Anfang, 1, in ihrer umfänglichen Untersuchung von Gen 1,1–3. 4 Gen 1 fokussiert sich allein auf die Biosphäre. Vgl. Emmendörfer, Gottesnähe, 80. 5 Vgl. Weiss, Kosmologie, 34.
Der Lebensraum des Menschen
„handelt es sich um eine Lehre, die ihren Ausgangspunkt in der altkirchlichen Polemik gegenüber den andersdenkenden religiösen Bewegungen (Gnosis und Judentum) genommen hat. Es geht in ihr um die Sicherung der absoluten Freiheit des Schöpfers“6 .
Bei Tatian wird die Vorstellung einer creatio ex nihilo erstmals vollumfänglich dargelegt, indem er einen zweiteiligen Schöpfungsvorgang postuliert: Gott schafft zunächst die Materie, die dann durch den ‚Logos‘ verwendet wird, um den Kosmos zu gestalten. Irenäus (135–202 n. Chr.) und Tertullian (155–220 n. Chr.) setzen Tatians Vorstellung bereits voraus, sodass sie zur altkirchlichen Tradition werden. Damit waren die Grundlagen für eine christliche Deutung der in der Allmacht Gottes erfolgenden Schöpfung gebildet.7 Dieser Gedanke besitzt auch eine Auswirkung auf das Verständnis des in Gen 1 dargebotenen Raumkonzepts. In diesem Text wird mit der Schaffung des Kosmos die Überführung aus einem vorweltlichen Nichtvorhandensein in eine Raum-Zeit-Struktur dargestellt. Dieses Diktum setzte sich in historisch-kritischen Betrachtungen des Textes fort. In der frühen Forschung ab 1750 wird Gen 1 als ein Text betrachtet, in dem eine vollumfängliche Entstehung von Himmel und Erde geschildert wird, wie es die Überschrift des Textes in Gen 1,1 nahelegt. So rekapituliert Wellhausen 1832: „Das Chaos ist seinem Begriffe nach die unerschaffene Materie, es ist ein merkwürdiger Gedanke, dass es hier im Anfang von Gott geschaffen wird. Vom Geist bebrütet ist es ferne angelegt auf Entwicklung aus sich heraus, und darin dass die Schöpfung überall als Scheidung des im Chaos schon gemischt Vorhandenen dargestellt wird, verrät sich noch jetzt die ursprüngliche Anlage; doch in der hebräischen Erzählung ist der immanente Geist dem transzendenten Gott gewichen und das Evolutionsprincip zurückgedrängt durch das fehlende Schöpferwort. Dennoch ist das Interesse des Erzählers nicht hauptsächlich ein religiöses. Hätte er bloss sagen wollen, Gott habe die Welt aus nichts geschaffen und er habe sie als gut geschaffen, so hätte er das nicht einfacher ausdrücken können und zugleich deutlicher. Er will ohne Zweifel den tatsächlichen Hergang der Entstehung der Welt naturgetreu schildern, er will eine kosmogonische Theorie geben. Wer das leugnet, verwechselt den Wert der Geschichte für uns und die Absicht des Schriftstellers.“8
Eine alternative Deutung des Raums in Gen 1 findet sich jedoch schon im antiken Judentum. Josephus verbleibt in Ant. Jud. I,27–30 näher am biblischen Text und
6 Bauks, Welt am Anfang, 26. Zur Entwicklung der Vorstellung der creatio ex nihilo vgl. May, Schöpfung, 84f. 7 Zur Deutung von Gen 1,1–3 von der Antike bis zu den Grundlagen der historisch-kritischen Forschung vgl. Bauks, Welt am Anfang, 15–64. 8 Wellhausen, Prolegomena, 301f.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
versteht Schöpfung als das Hervorholen der Erde aus ihrer Verborgenheit in der Tiefe der Finsternis.9 Er führt markante Aspekte aus, die für die Beschreibung der Raum-Zeit-Struktur der Priesterschrift wesentlich sind. Zum einen hebt er hervor, dass vor der Begründung von Himmel und Erde bereits ein Raum existierte, der jedoch aufgrund des fehlenden Lichts nicht sichtbar wurde. Dieser Raum war nach Gen 1,9 mit Wasser gefüllt, das bei der Trennung von Himmel und Erde aus der Biosphäre verdrängt wurde. Diese schon von Josephus erkannte Besonderheit von Gen 1, in dem die Weltentstehung nicht als creatio ex nihilo, sondern als ein Trennungsprozess verstanden wird, wird in der neueren Forschung durch Studien zu Bedeutung des Begriffs בראbestätigt.10 Zuletzt führte Ellen van Wolde dies aus, die בראqal mit ‚trennen‘ übersetzt.11 „Hence, the making of the earth is most commonly expressed by the verbs to indicate that God grounded or established the earth, or by כוןand יסדthe verb עשהto describe that God made or created the earth.“12 בראpi ‚aboder freischneiden‘ (vgl. Jos 17,15.18; Ez 21,24) besitzt ebenfalls eine räumliche Dimension. Eine solche wird auch in Jes 40,21–26 deutlich, wenn im Zusammenhang der Darstellung der Weltschöpfung in V. 26 die Frage מי־ברא אלהgestellt wird.13 Die in Gen 1 beschriebene Trennung von Himmel und Erde erfolgt durch die Schaffung eines ‚ רקיעFeste‘, die den Raum teilt.14 „Im Reden vom Himmel als einem [sic!] רקיעwill der Schreiber von der beschützenden Funktion des Himmels erzählen. In seiner Verwendung von רקיעgibt er das Erstaunen des Menschen über den Kosmos als einem dauerhaft gut beschützten Raum wider.“15
Aus dem von Erdboden und Feste umgrenzten Raum wird das Wasser weitgehend verdrängt.16 Es sammelt sich nach Josephus an den Rändern (Ant. Jud. I,30), so
9 Text online einsehbar unter http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext% 3A1999.01.0145%3Abook%3D1%3Awhiston%20chapter%3D1. Letzter Aufruf: 30.11.2019. 10 Siehe zu dieser Übersetzung Gesenius, Handwörterbuch18 , 120; Driver, Genesis, 3; Bernhardt, Art. ברא, 773–777; Westermann, Genesis 1, 99; Walton, Genesis 1, 128–133. 11 Abgeschwächt auch Walton, Genesis 1, 132–138, der die Konnotation ‚trennen‘ erkennt, sowie Westermann, Genesis 1, 180, der hervorhebt, dass das „Scheiden […] Gottes Schöpfungswerk im ganzen“ bestimmt. 12 Van Wolde, Separation, 613. 13 Vgl. van Wolde, Separation, 621f. Weiter zum Gebrauch von בראin Gen 1: „Whereas the act of separation by God is in Gen 1 expressed by the verb ברא, the act of creation by God is expressed by his speech acts and by the verb ( “ עשהvan Wolde, Separation, 637). 14 Vgl. Walton, Genesis 1, 160. 15 Houtman, Himmel, 230. 16 Zur Vorstellung von himmlischen Wassern vgl. Seely, Firmament.
Der Lebensraum des Menschen
dass in der Mitte der Biosphäre trockenes Land entsteht.17 In seiner Deutung geht Josephus damit über das in Gen 1,9 Geschilderte hinaus. Dort wird allein die Sammlung des Wassers ‚ אל־מקום אחדan einem Ort‘ beschrieben. Josephus entspricht in seiner Deutung altorientalischen Vorstellungen insofern, als dass er ein Zentrum-Peripherie-Verhältnis annimmt, in dem das trockene Land das Zentrum, das Meer die Hemisphäre bildet. In Gen 1 ist die altorientalische Raumkonstruktion zunächst nicht zu erkennen, auch wenn sie im weiteren Verlauf von P konstitutiv wird. Mit der Präexistenz eines Raumes hebt Josephus zugleich einen wesentlichen Aspekt der priesterschriftlichen Kosmogonie hervor. Die Schilderung in Gen 1 bleibt nach der Überschrift auf die Biosphäre beschränkt.18 Die diesen Bereich bevölkernden Lebewesen werden ebenfalls von Gott erschaffen. Sie bilden sich als ‚reine‘ Formen aus. Dies gilt auch für das Meer sowie die Atmosphäre, in denen Fische und Vögel leben.19 Die Ausgrenzung der Chaoswasser durch den רקיעführt dazu, dass die Biosphäre als abgeschlossener Raum verstanden wird, der allein von den von Gott geschaffenen Lebewesen bewohnt wird.20 Mit anderen kosmischen Räumen assoziierte Entitäten werden ausgeschlossen. Transitzonen, durch die das Chaoswasser in die Biosphäre eindringen kann, stellen die erst in Gen 7,11; 8,2 erwähnten ‚( מעינת תהום רבהBrunnen der großen Tiefe’) und die ‚( ארבת השׁמיםFenster des Himmels‘) dar. Anders als Josephus die entstehende Biosphäre deutet, versteht der priesterliche Autor sie zunächst als dezentralen Raum. Während dieser Raum nach oben durch den רקיעbeschränkt wird, wird eine Abgrenzung nach unten nicht dargestellt. Vielmehr wird die Biosphäre als zwischen der Himmelsfeste und dem Trockenen ( )יבשׁהvom Chaoswasser umgebener Raum gezeichnet. Die sich oberhalb sowie 17 MT gibt nur einen unspezifischen Ort an (‚ אל־מקום אחדan einem Ort‘), während LXX in der berichteten Ausführung (V. 9b) mehrere Orte (εἰς τὰς συναγωγὰς αὐτῶν ‚an ihre Orte‘) im Blick hat. Vgl. Carr, Genesis 1–11, 59. 18 Vgl. Bührer, Am Anfang, 107: „Gen 1,2 beschreibt also die Welt, wie sie nicht ist.“ 19 Einzig ‚ התנינם הגדליםgroße Seeschlangen‘ könnten als mythische Wesen verstanden werden (so z. B. Walton, Genesis 1, 173). Ex 7,9f.12; Ps 91,13 legen jedoch nahe, dass es sich um eine Schlangenart handelt. Erst in Jes 51,9 wird תניןmit רהבgleichgesetzt, so dass eine Deutung der התנינם הגדליםals mythische Wesen erst in Übertragung des Bedeutung aus dem Jesajabuch in die Genesis entsteht. Die Aufzählung ‚und Gott trennte die großen Seeschlangen und alles Lebendige, das lebt und sich bewegt, welches im Wasser schwimmt‘ zeigt, dass der priesterliche Autor große und kleine Meeresbewohner beschreiben will. Hi 7,12 nimmt dann die Deutung als mythisches Wesen auf und interpretiert auf diese Weise Gen 1. Der P-Text setzt ein solches Verständnis jedoch nicht voraus. In Hi 7,12 wird תניןzudem als ‚Wächter‘ ( – )מרמdamit wohl im Sinne einer Schlange – und nicht als Meeresbewohner gedeutet. Der priesterliche Schöpfungsbericht beschreibt dementsprechend also allein die Entstehung von Wesen einer ‚reinen‘ Art, nicht aber von Mischwesen. 20 Schmid, Theologie, 276, bezeichnet die abgeschlossene Biosphäre als „Luftblase inmitten von Wasser“. Vgl. Carr, Genesis 1–11, 58.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
unterhalb befindlichen Räume werden von P allein als Orte dargestellt, an die die Chaoswasser verdrängt werden. Im Weiteren wenden sich die Verfasser*innen der Ausgestaltung des (unteren) Himmels zu. Die Astralkörper werden in Gen 1,14–18 zur Trennung von Helligkeit und Dunkelheit, zur Beleuchtung der Biosphäre sowie in ihrer kalendarischen Funktion als Zeichen für Tag und Nacht, für Festzeiten und zur Bestimmung des Jahres geschaffen. „Wenn die Gestirne hier am Anfang Leuchten genannt werden, so ist damit von vornherein die Funktion der Gestirne zu ihrer Bezeichnung geworden.“21 Damit übernehmen sie Funktionen, die ihnen auch in Enuma eliš zugewiesen werden. Anders als in Ee V Z. 1–22 sind sie jedoch keine Repräsentanten von Gottheiten am unteren Himmel, die von der in der Biosphäre präsenten Gottheit beherrscht werden. „Gen 1,14–16 verwendet offenbar bewusst nicht die hebräischen Begriffe für ‚Sonne‘ ( שׁמשׁšemeš) und ‚Mond‘ ( ירחyāreah.), möglicherweise um Assoziationen an die jeweiligen Gottheiten zu vermeiden […].“22 Die Biosphäre ist nach priesterlichem Verständnis ein Bereich, der von den anderen kosmischen Regionen und ihren Repräsentanten abgegrenzt ist. Damit werden in Gen 1 drei Ordnungsgrößen genannt, die im Zusammenhang mit der Schaffung der Biosphäre stehen: die Trennung von Dunkelheit und Helligkeit, von Wasser und Trockenem sowie die Erschaffung von Zeit, die sich aufgrund des Lichts und der astralen Erscheinungen am unteren Himmel nur innerhalb der Biosphäre wahrnehmen lassen. Dunkelheit, Wasser und Konnektivität werden damit zu typischen Merkmalen der kosmischen Räume außerhalb der Biosphäre erhoben. Weitere Charakteristika von Himmel und Unterwelt werden nicht benannt. Das das Chaos symbolisierende Wasser wird in die Räume um die Biosphäre verdrängt, ohne dass eine Übergangsregion in den von Gott geschaffenen Lebensraum erwähnt wird. Nach Gen 1 erscheint die Biosphäre in Form einer Halbkugel als nach außen hin abgeschlossener Raum.
6.2
Der Mensch als Herrscher über die Biosphäre
Verbunden mit der Entstehung der Biosphäre als abgeschlossenem Raum wird in Gen 1 die Herrschaftsordnung. Dem Menschen wird in V. 26 eine Prägung zugesprochen, die ihn zur Herrschaft über die Biosphäre befähigt. Die Bildung des Menschen ‚( בצלמנו כדמותנוals unsere Repräsentation nach unserer Erscheinung‘)
21 Westermann, Genesis 1, 179. 22 Schmid, Theologie, 277; ebenso Hamilton, Genesis 1–17, 127, und Carr, Genesis 1–11, 62.
Der Mensch als Herrscher über die Biosphäre
impliziert eine göttlichen Wesen gleiche Gestalt ()צלם23 sowie eine dementsprechende äußere Erscheinung/Erkennbarkeit ()דמות24 . „Wie die neuere Forschung deutlich gemacht hat, bedeutet ‚ צלםStatue, Rundplastik‘ […], wobei ein Relief/eine reliefierte Stele, eine kleinere oder eine größere Rundplastik gemeint sein kann.“25 Verbunden wird die Gestalt mit einer „machtvolle[n] Repräsentation des Dargestellten“26 . Mit der Formel wird der geschaffene Mensch also als königliches Wesen und damit als Repräsentant Gottes beschrieben, der für andere Lebewesen als solcher auch erkennbar ist. Diese in den Altertumswissenschaften häufig statisch bzw. ontologisch gedachte Form der Repräsentation löst Bahrani in seiner Studie zum Königsbild in den mespotamischen Kulturen prozessual auf (vgl. Abbildung 7).
Abbildung 7: Schema nach Bahrani, Graven Image, 129.
Der in Gen 1,26 mit der Formel angedeutete Prozess der Wesensbildung findet in einem Ritual statt. „The s.almu can be a valid substitute only after a process
23 Vgl. Bahrani, Graven Image, 123, bezeichnet s.almu als „not a natural replica of the king but a conventionally coded, culturally mediated, idealized representation“ und im Folgenden als „signrepresentation that takes its place in the realm of the real“ (126f.). 24 Zur Bedeutung des Begriffs דמות, der in weiteren Texten des Alten Testaments (so 2Kön 16,10; Jes 13,4; 40,18; Ez 1,5.10.13.16.22.26.28; Ps 58,5; Dan 10,16 u. ö.) das von außen Sichtbare und damit die Wirkung der Erscheinung beschreibt. Vgl. Westermann, Genesis 1, 202f.; Carr, Genesis 1–11, 68. 25 Janowski, Lebendige Statue, 189. Weiter dazu vgl. Schroer, Bilder, 322f. 26 Schroer, Bilder, 324. Weiter vgl. Schellenberg, Mensch, 85–117, sowie Schellenberg, Bild, 42f.: „Sie [die Verfasser von P TW] haben dabei auf ältere Vorstellungen zurückgegriffen, konkret die
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
of transformation that appears to have required contiguity, resemblance, and a performative utterance.“27 Das im Neuassyrischen auf den König bezogene Ritual vermittelt eine Existenz in beiden Sphären; das vergöttlichte Standbild wird im Tempel Teil des Pantheons,28 während der König als Mensch in der Biosphäre interagiert. Anders als andere Menschen besitzt der König so Zugang zu beiden Realitäten. Die Beschreibung des Menschen als ‚( בצלמנו כדמותנוals unsere Repräsentation nach unserer Erscheinung‘) deutet darauf hin, dass diese Vorstellung in Gen 1,26 auf den von Gott uranfänglich geschaffenen Menschen übertragen wird. Er tritt in die Rolle des Königs ein und unterscheidet sich in dieser von allen anderen geschaffenen Wesen. Ihm bleibt auf diese Weise der Gotteskontakt vorbehalten. Diese Beschreibung des Menschen als das Wesen, das in den Gotteskontakt treten kann, entwickelt die Priesterschrift im weiteren Verlauf auf den Kult bezogen fort.29 Anders als in der assyrischen Königsideologie wird der Repräsentanzgedanke in P nicht auf die eine Person des Königs beschränkt, sondern auf die gesamte Menschheit bezogen.30 Diese Eigenschaft bleibt dem Menschen auch nach der Sintflut erhalten (Gen 9,6). Was nach ihr jedoch nicht weiter gewährleistet bleibt, ist die Erkennbarkeit des Menschen als Repräsentant Gottes. Der Begriff דמותerscheint in den Texten, in denen die Gottebenbildlichkeit des Menschen postuliert wird, außer in Gen 1,26 nur noch in der ersten Toledot des Menschen in Gen 5,1. Im Anschluss setzt sich hingegen die Vorstellung der Präsenz des Erzeugers in der von ihm geschaffenen Statue fort. In Gen 5,3 wird Seth zu einer Statue, in der sein Vater präsent ist. Die Formulierung ‚( בצלמנו כדמותנוals unsere Statue nach unserer Erscheinung‘), die bei der Schaffung des Menschen verwendet wird, wird hier nicht nur verdreht ()בדמותו כצלמו, sondern der Gedanke einer Präsenz Gottes wird
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Tradition eines königlichen Menschen, die Vorstellung einer Gestaltähnlichkeit zwischen Gott und Mensch, das altorientalische Verständnis von Kultbildern, nach dem solche Bilder bzw. Statuen nicht Abbilder sind, sondern machtvolle Repräsentationen der Gottheit, und ev. die v. a. in Ägypten bezeugte Tradition, dass auch der König und z. T. gewöhnliche (meist hochgestellte) Menschen als ‚Bild Gottes‘ bezeichnet werden, weil sie als irdische Stellvertreter (des Schöpfer-)Gottes oder sonst in irgendeiner Form als gottähnlich verstanden sind.“ Zu den traditionellen Auslegungstraditionen vgl. Westermann, Genesis 1, 205–214. Bahrani, Graven Image, 132. Das Verhältnis von s.almu und Person fasst er weiterhin: „S.almu is not simply image as in statue since its material can also be flesh and blood, shadow, or reflection. […] The world of appearance and the world of essence are the same“ (Bahrani, Graven Image, 134). Vgl. Die Stellung der königlichen Statuen im Tempel, wie sie z. B. in ABL 1098 Z. 9–13 zur Rechten und zur Linken der Hauptgottheit, in diesem Fall Ištars, bezeugt ist (Transliteration und Übersetzung in SAA XIII, 111). Vgl. Janowski, Lebendige Statue, 192, mit Textbeispielen. Vgl. Westermann, Genesis 1, 211, und Hamilton, Genesis 1–17, 135.
Der Mensch als Herrscher über die Biosphäre
zugunsten einer Sichtbarkeit des Vaters im Sohn aufgegeben.31 Damit ändert sich die Wahrnehmung des einzelnen Menschen. In Seth erkennt ein anderer Mensch nicht mehr Gott, sondern allein Seths Vater Adam, auch wenn Seth wie alle anderen Menschen als Statue Gottes dient. Die Wirkung des Menschen verändert sich in der Generationenfolge schließlich so weit, dass in Gen 6,11–13 die menschliche Präsenz in der Biosphäre andere Folgen hervorruft: Und die Erde war verderbt vor dem Angesicht Gottes und die Erde war voll des Übels. Und Gott sah die Erde und siehe, sie war beschädigt, denn alles Fleisch hatte seinen Weg auf Erden beschädigt. Und Gott sprach zu Noah: Ein Ende allen Fleisches vor mir ist gekommen, denn die Erde ist voll des Übels von ihnen her. Und siehe, ich zerstöre sie zusammen mit der Erde.
In späteren Texten, in denen der Verlust der Gottebenbildlichkeit erwähnt wird, wird dabei immer auf die nicht mehr Erkennbarkeit von דמותBezug genommen,32 während der Mensch in seiner Generationenfolge ontologisch צלםGottes bleibt. Dies wird in Gen 6,13 damit begründet, dass von ‚allem Fleisch‘ ()כל־בשׂר ‚( חמסÜbel‘) ausgeht, der zu einer ‚Beschädigung‘ ( )שׁחתder Erde führt. „Daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß sie hier nicht den Sinn allgemeiner Sündenbegriffe haben, sondern zur Bezeichnung von etwas Außerordentlichem, Einmaligem gemeint sind. Es soll eine Übersteigerung, ein Gipfel des Frevels und der Verderbnis dargestellt werden, eine Übersteigerung, die das Vernichtungsgericht notwendig macht.“33
Das Handeln von Mensch und Tier wird bei der Begründung der folgenden Strafe nicht weiter differenziert. Eine Unterscheidung findet sich erst in der Neubegründung des Herrschaftsauftrags in Gen 9,1–3 wieder. Mit der Einschränkung, dass nur geschächtete Tiere verzehrt werden dürfen (V. 4), bereitet der Verfasser an dieser Stelle des priesterlichen Flutberichtes die Zubereitung von Opfern für die Kulthandlungen vor.
31 Vgl. Hamilton, Genesis 1–17, 134; Schellenberg, Mensch, 73–84, und Carr, Genesis 1–11, 67. Dieser Gedanke wird in verschiedenen hebräischen Handschriften unterdrückt, indem Gen 5,3 an Gen 1,26 angeglichen wird. 32 Vgl. Schellenberg, Bild, 55–59, zeigt, dass sich dies bis in Qumran bezeugte Schriften hin auswirkt. In 4Q504 und 4Q506 wird von Adam berichtet, dass [‚ יצרתה בדמות כבוד]כהdu ihn gebildet hast in der Erkennbarkeit deiner Herrlichkeit‘. 33 Vgl. Westermann, Genesis 1, 559.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
„Man kann wohl sagen, daß aus diesem Satz das Verbot des Blutgenusses folgt; aber in dem Satz selbst ist es nicht ausgesprochen. Er macht vielmehr eine Aussage, die das Essen von Tieren bzw. das Essen von Tierfleisch beschränkt auf solches Fleisch, das nicht mehr sein Leben hat.“34
Bleibt das Verbot von Blutgenuss an dieser Stelle zunächst ein reines Postulat, wird es in der späteren Fortschreibung von P in Lev 17,10–14 (H) weiter begründet. In der Einleitung des Heiligkeitsgesetzes wird festgehalten, dass die נפשׁjedes Lebewesens in seinem Blut ist. Das Blut bleibt deswegen der Verwendung in rituellen Praktiken vorbehalten. Die Darbringung von Blut dient dabei allein zur Entsühnung von Menschen (V. 11). Damit wird nicht nur der Blutgenuss verboten, sondern zugleich ein wesentlicher Aspekt des priesterlichen Menschenbildes betont. Der Mensch verliert in seiner Umwelt seine Reinheit und bedarf der kultischen Reinigung. Die Kultordnung sieht eine solche Reinigung vor, wenn der Mensch sich dem Heiligen nähern will. So werden zwei markante Unterschiede zwischen der priesterlichen Urgeschichte und der weiteren Darstellung innerhalb von P sichtbar: Zum einen erscheint die Biosphäre in den P-Anteilen von Gen 1–9 als dezentraler Raum, zum anderen wird die Menschheit, der die Herrschaft über die Biosphäre zugesprochen wird, zwar durch die Flut in ihrem Bestand stark dezimiert, doch behält sie ihre Funktion als Herrscher über den von Gott geschaffenen Raum bei. Allein die Funktion der Tiere verändert sich nach der Flut. Sie dienen nun als Nahrung für den Menschen. Eine Gefährdung des Menschen durch Tiere oder andere Wesen wird in der priesterlichen Urgeschichte nicht thematisiert. Sie ist jedoch in anderen Teilen von P erkennbar.
6.3
Der Mensch als gefährdetes Wesen
Die in der priesterlichen Urgeschichte angelegte Anthropologie weicht dahingehend vom Verständnis des Menschen in den weiteren zu P gehörigen Texten ab, als dass er zunächst in seiner Funktion als herrschendes Wesen als Gottesbild eingeführt wird. Mit der Einsetzung des Kultes wird dann jedoch seine Sühnebedürftigkeit sichtbar. Die Formulierung in der Fluterzählung bleibt bezüglich des Verderbens der Erde im Gegensatz zur nP-Fassung uneindeutig. Von Ex 1 an wird der Mensch als gefährdetes Wesen beschrieben. Unklar bleibt, wer oder was die Gefährdung des Menschen verursacht. Im Vergleich mit der altorientalischen Umwelt wäre hier ein Wirken von Dämonen zu erwarten, doch umgeht P im Weiteren den Gedanken,
34 Westermann, Genesis 1, 622.
Der Mensch als gefährdetes Wesen
dass derartige Wesen in die Biosphäre eindringen können. Allerdings scheint genau diese Vorstellung den P-Texten vorausgesetzt zu sein. „Sucht man im Alten Testament nach Hinweisen auf eine Dämonologie, muß man auf weiten Strecken Fehlanzeige verbuchen. Das ist umso erstaunlicher, als nicht nur die beiden großen Nachbarkulturen Ägypten und Mesopotamien ausgesprochen differenzierte Vorstellungen von dämonischen Aktivitäten in der dies- bzw. jenseitigen Welt haben. Nein, es verwundert umso mehr, da die Dämonen auch in der neutestamentlichen und antiken jüdischen Literatur eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere die Renaissance des Dämonenglaubens im Frühjudentum verbietet es, das weitgehende Fehlen einer ohne Polemik verhandelten Dämonologie im Alten Testament ausschließlich auf den sich in Palästina ausprägenden Monotheismus zurückführen zu wollen. Es ist m. E. davon auszugehen, daß dämonische Konzeptionen und Konstellationen auch in den alttestamentlichen Texten belegt sind.“35
Dies gilt auch für die P-Texte, in denen die Differenzierung von Reinheit und Unreinheit erläutert werden. Aus diesem Fehlen schließt Seebass: „Eine atl. Besonderheit ergibt sich erst damit, daß Unreinheiten nicht auf böse, dämonische Mächte zurückgeführt werden, sondern dem Alltag angehören wie der plötzliche Befall durch eine Hautkrankheit oder eine Totenbeschwörung in engster Verwandtschaft.“36
Ein Verzicht auf die Rückführung von Unreinheit auf dämonisches Wirken in der priesterschriftlichen Darstellung bedeutet jedoch nicht, dass P die Vorstellung der
35 Bauks, Dämonische im Menschen, 239. Als Dämonen wird ein „supernatural being that exists or operates independent from Yahweh“ verstanden. „Demons cause physical, mental and moral harm. They are not worshipped and do not receive sacrifice“ (Blair, De-Demonising, 10). FreyAnthes, Unheilsmächte, 21–25, nennt drei wesentliche Zugänge: Aussehen (Mischwesen), Herkunft (depotenzierte Götter) und Ort (Gegenwelt). Zum Begriff und den mit ihm verbundenen Entitäten vgl. Frey-Anthes, Concepts, 38f. 36 Seebass, Numeri 1,1–10,10, 112. Vgl. Milgrom, Leviticus 1–16, 43. Im Weiteren führt er aus: „To be sure, the demons disappeared from the official religion, but not the demonic – it continued in man. Impurity was now given an added component: moral failing as well as physical infirmity. The former represented Israel’s disobedience – their violation of God’s prohibitive commandments. In physical impurity too, the demonic continued to reside. It was no longer an autonomous force but was inherent in the very nature of impurity“ (Milgrom, Leivitcus 1–16, 766f.). Der von Milgrom als Konsequenz des Monotheismus postulierte Prozess wäre nur dann als ein solcher verständlich, wenn die Ursachen für Unreinheit und fehlende körperliche Integrität in den Texten benannt werden würden. In den priesterlichen Texten werden jedoch nur Auswirkungen geschildert, die Ursachen jedoch nicht thematisiert.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
Existenz von gegenweltlichen37 Wesen in der Biosphäre nicht bekannt gewesen wäre. Vielmehr findet sich innerhalb von P eine implizite Aufnahme derartiger Vorstellungen.38 Handlungsmuster,39 die auf das Wirken von Dämonen hinweisen, sind in P in unterschiedlichen Formen zu erkennen: 1. In P werden Zeichenhandlungen beschrieben, die Gottes Macht und die Ohnmacht der ägyptischen Götter darstellen sollen. 2. Mose wird in Ex 7,1 von Gott zum אלהיםerhoben und Aaron ihm als Prophet zugeordnet. „Die zur Gottesbezeichnung alternativen Verwendungen von ’Elohîm umfassen Bedeutungen wie ‚Schutzgottheit‘ (1Sam 2,25) bzw. ‚Hausgott‘ (Gen 31,30.32) oder ‚Totengeist‘ (1Sam 28,13), sowie andere zwischenmenschliche Wesen und niedere Gottheiten, die wir im modernen Sprachgebrauch als ‚Geister‘, ‚Engel‘, ‚Dämonen‘ oder ‚Halbgötter‘ umschreiben.“40 3. Die ersten drei Plagen waren Zeichenhandlungen, die dazu dienten, die Ignoranz der ägyptischen Magier anzuzeigen, „Aaron zu kopieren ohne mitzuberücksichtigen, daß sie das eigene Volk schädigen“41 . Sie lassen sich als Schauwunder kategorisieren. 4. Der eigentliche Götterkampf findet mit der vierten und fünften Plage zwischen Mose und dem Pharao statt. „Im Angesicht des Pharao erzeugt Mose mittels von Ofenruß Geschwüre an den Zauberern und allen Ägyptern. Wie ein Krankheit bringender Dämon wird Mose von YHWH eingesetzt, in der Intention ‚mit großen Gerichtstaten die Kinder Israels aus Ägypten zu führen‘ (7,4). Konzediert man, daß im Pg -Textbestand das Motiv der Tötung der Erstgeburt fehlt, liegt die Brisanz dieses letzten Schlags vor der Heranführung der Ägypter – neben dem Angriff auf die körperliche Integrität der Ägypter – in der Ausschaltung ihres magischen Apparats.“42 5. Mittel des magischen Handelns ist das Erheben einer Hand, wie es mehrfach in der Plagenerzählung, im Anschluss auch in der Meerwundergeschichte geschildert wird.43
37 Zum Begriff ‚Gegenwelt‘ vgl. Schmid, Theologie, 266–269. 38 So weist Angelini, L’imaginaire, 21, darauf hin, dass das in den biblischen Texten entstehende Bild das Ergebnis einer Selektion der Schreiber ist. 39 Vgl. Bauks, Dämonische im Menschen, 240: „So plausibel die These erst einmal scheint, ist es dennoch auffallend, daß trotz der Reduktion auf menschliche Protagonisten in den biblischen Texten gewisse magische Techniken zur Abwehr von Dämonisch-Unheilvollem überliefert ist, die auf übermenschliche Handlungsmuster hinweisen.“ 40 Bauks, Dämonische im Menschen, 246. 41 Bauks, Dämonische im Menschen, 244. 42 Bauks, Dämonische im Menschen, 245. 43 Vgl. Bauks, Dämonische im Menschen, 247–250.
Der Mensch als gefährdetes Wesen
Während P in den auf den Kult bezogenen Texten versucht, die Macht des Dämonischen auf die Biosphäre zu leugnen, indem „a progressive reduction of contagious impurity in all three primary human sources: scale disease, pathological flux, and corpse contamination“44 belegt ist, ist die Vorstellung der Existenz von Dämonen implizit vorhanden, da sie als Erzählmuster beim Leser aufgerufen wird. Das Erzählmuster schließt an Vorwissen an, das beim Leser aktiviert wird. „In what kind of texts can we expect to find references to demons? Are they (primary) texts giving immediate voice to expressions of faith, doubt, fear or menace, or are they the kinds of (secondary) texts in which theological reflection and reinterpretation play a large role? […] Secondary religion is distinguished from primary by being about a system of convictions and duties that have normative value and that everyone (in the group) is expected to subscribe to.“45
Die von Vreugdenhil als secondary religion gekennzeichnete Dimension wird erst in der Korrelation von Text und der hinter dem Text sichtbaren Lebenswelt deutlich.46 Einen Zugang zur ‚Welt hinter dem Text‘ bietet zunächst die materielle Kultur Palästinas. Aus dieser sind verschiedene Objekte bekannt, die Menschen Schutz vor dämonischen Wesen durch wirkmächtige Repräsentationen von Schutzgottheiten bieten, denen eine apotropäische Funktion zugesprochen wird.47 Eine solche besaßen vor allem Amulette und Siegelamulette. Diese seit der MBZ in Palästina verbreiteten ursprünglich ägyptischen Kunstformen48 wirken sich positiv auf das Ergehen des Menschen aus. „Die ägyptische Kultur verstand Amulette wie den Zauber (h.k3) generell analog etwa zu Heilpflanzen u. ä. als Mittel, das die Schöpfergottheit den Menschen gegeben hatte, um sich gegen Unheil jeder Art zu wehren (vgl. die Lehre für Merikare P XIII,6 bzw. C V,10f […]).“49
44 Milgrom, Leviticus 1–16, 44. 45 Vgl. die Differenzierung bei Vreugdenhil, Psalm 91, 22. 46 Zu Wesen und Ursprung einer Dämonologie des Alten Testaments vgl. den Überblick bei Angelini, L’imaginaire, 21–34. 47 Mit der apotropäischen Funktion wird die durchaus gegensätzliche Wirkung solcher dämonischer Wesen deutlich: „On the one hand, they can be bearers of powers noxious to man and of sickness, accidents, death and other types of suffering; on the other, (some) demons can also have an apotropaic function on amulets and in pictures“ (Vreugdenhil, Psalm 91, 18). 48 Vgl. Keel, Corpus Einleitung, 260–262. Zur Bedeutung der Amulette vgl. auch Angelini, L’imaginaire, 34f. 49 Keel, Corpus Einleitung, 265.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
Neben einer apotropäischen besitzen Siegelamulette im Gegensatz zu einfachen Amuletten auch eine juridische Funktion. „Auf dieser Linie kann auch der Abdruck eines beliebigen Siegelamuletts im Sinne der Markierung durch etwas ganz Persönliches Präsenz und einen Besitzanspruch signalisieren und Rechtscharakter haben.“50 Beide Formen sind in der EZ II ebenso wie in der EZ III in Palästina vielfach belegt.51 In der materiellen Kultur ist zwischen EZ II und EZ III so kein markanter Bruch zu erkennen.52 Vielmehr betont Niehr, „that immediately after 586 BCE and even after 539 BCE there was no considerable change in the religious history of Judah (and Yehud)“53 . Die Analysen der materiellen Hinterlassenschaften – insbesondere der Kleinkunst – zeigen, dass sich zwar die Motivwelt in der EZ III verändert, dass die Formen, die mit ihnen verbundenen Funktionen dieser Gegenstände und damit die hinter den Bildern sichtbar werdenden lebensweltlichen Vorstellungen aber weitgehend erhalten blieben. Das Verhältnis der in der Bildwelt Palästinas sichtbar werdenden Vorstellungswelt zu den P-Texten wird in der Forschung häufig mit einer Differenzierung zwischen einer religiösen und einer kultischen Funktion von Bildern/Artefakten und Texten umschrieben. Während die Bildwelt eine Alltagsreligiosität abbilden soll, in die auch volkstümliche Vorstellungen einflossen, sind die Texte Zeugnisse des sich ausbildenden Monotheismus, der den Gedanken an weitere wirkmächtige Wesen außer Gott ausschloss. Diese Distinktion beruht auf der Einsicht, dass die religiöse Alltagspraxis zumindest teilweise von der Tempelpraxis abwich. Diese wird in den Überlegungen zum Text-Bild-Verhältnis in Herrmanns Studie zu den in Palästina gefundenen ägyptischen Amuletten nochmals expliziert. Herrmann führt aus, dass das Alte Testament als Begriffe für Amulette solche ausweist, die mit einer negativ bewerteten religiösen Praxis behaftet sind. So nennt er die Begriffe ( בתי הנפשJes 3,20) und ( גלולEz 14,3). Über diese prophetische Kritik hinausgehend kann Herrmann jedoch auch eine positive Rezeption von Amuletten in Ps 91,4.13 aufweisen:
50 Keel, Corpus Einleitung, 269. 51 So weist die Datenbank der Sammlung Bibel + Orient (www.bodo.ch) für Palästina 445 Amulette und 418 Siegelamulette bzw. -abdrucke für die EZ III aus. 52 Vgl. Schmitt, Bildersturm, 193–198, der eine kontinuierliche Entwicklung aufweist. Die aus der EZ II überkommenen Formen sind auch in der EZ III nachweisbar, während sich verändernde wirtschaftliche Zusammenhänge zu einer Ausweitung führen. Sowohl der Gebrauch von Münzgeld als auch die erhöhte Einfuhr von Waren aus dem hellenistischen Kulturraum sorgen für diese Veränderung. 53 Niehr, Religio-Historical Aspects, 239. Weiter zur Kontinuität vgl. Lipschits, Persian Period, 198–206. Einzig eine astrale Symbolik, wie sie noch im 8./7. Jh. v. Chr. ikonographisch breit belegt ist, ist ab dem 6 Jh. v. Chr. auf Siegeln und Rollsiegeln nicht mehr nachzuweisen; dazu vgl. Grabbe, Boundaries, 33.
Der Mensch als gefährdetes Wesen
„Einem Amulettträger der EZ II aus Palästina/Israel, der diesen Psalm las oder hörte, mußte es wahrscheinlich so vorkommen, als sei JHWH das Amulett des zu beschützenden, denn all dies erhoffte er sich vom jeweiligen Amulett, das er trug oder in seiner Behausung aufstellte, so daß man diesem Psalm den Namen ‚Amulettpsalm‘ geben könnte. Ganz besonders erinnert V. 13 an das Patäkenamulett der späten EZ IIA aus Megiddo, wo die kleine Gottheit auf Krokodile trampelt und auf Schlangen beißt. V. 4 erinnert an die kleinen geflügelten Patäken der EZ IIB-Perserzeit aus Megiddo, Bet-Schemesch, Lachisch, Aschkelon, Achsib und Tell el-‘Ağul, deren Flügel durch das darüber abgebildete Kuhgehörn mit Sonnenscheibe als jene der Isis gekennzeichnet sind und den kleinen dämonenvernichtenden Volksgott vor Rückenangriffen schützen […].“54
Die mit den Amuletten verbundene apotropäische Funktion bleibt in der EZ III nicht auf die von Herrmann als Amulette klassifizierten Objekte beschränkt.55 Auch die ‚pillar figurines‘ konnten als Schutz vor Dämonischem dienen.56 Solche Figurinen sind für Juda sowohl für die EZ II als auch für die EZ III nachgewiesen. In seiner Auswertung der Funde der EZ III führt de Hulster insgesamt 51 Figurinen oder Figurinenfragmente auf, die bei Ausgrabungen in Jerusalem in perserzeitlichen Schichten gefunden wurden. „Probably the most important argument for attributing these figurines to the ‚indigenous population‘ of Jerusalem is the continuity of the figurines with the Iron Age.“57 Die genannten Beispiele zeigen, dass die auch für die EZ III nachgewiesene Bildwelt Judas von der der Großreiche kaum abweicht, so dass zu allen Zeiten der Kulturgeschichte Palästinas mit Außeneinflüssen zu rechnen ist. Diese setzen sich auch in der Präsenz von Abbildungen von Dämonen fort.58 54 Herrmann, Ägyptische Amulette 1, 94. Zu diesen Amuletten gehört auch ein in der Braginsky Sammlung, Zürich, aufbewahrtes Silberamulett, auf dem nach dem Še ma Jisrael Psalm 91,1 zitiert wird. Vgl. Vreugdenhil, Psalm 91, 5f. mit Abb. 1.1. 55 Zur Wirkung der Amulette ebenso wie auch anderer Objekte mit apotropäischer Wirkung vgl. Frey-Anthes, Concepts, 39: „The function of the amulets is to protect the wearer. This protection against mischief can be granted in two different ways. On the one hand, positive powers are activated reinforcing the wearers’ own power. The positive protecting power of the seal is shown by good wishes for the wearers as well as by images of creatures with protecting attributes. On the other hand, evil powers are warded off by confrontation with other or with the same evil forces.“ 56 Vgl. Grabbe, Boundaries, 32. Zur Produktion von Figurinen im Palästina der EZ III vgl. De Hulster, Figurines, 85–87. 57 De Hulster, Figurines, 85. 58 Der numismatische Befund weisst jedoch in eine andere Richtung. Apotropäische Symbolik findet sich in der Perserzeit auch auf Münzen: „Die philisto-arabischen Münzen, die vor allem in den drei philistäischen Städten Aschdod, Aschkelon und Gaza, aber auch in Samaria und Judäa im 4. Jh. v. Chr. geprägt wurden, weisen einen stark griechischen Einfluss auf. Sie zeigen Athene, Janus, Zeus oder Herkules, aber auch als ägyptischen Einfluss Bes oder fratzenhafte Masken sowie den persischen König“ (Tilly/Zwickel, Religionsgeschichte, 111). Allerdings sind Münzen, auf denen
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Wesen und Wirkung von dämonischen Mächten wird in der nordsyrischen, vor allem aber der mesopotamischen Kultur mehrfach abgebildet und beschrieben.59 They are gloomy, their shadow dark, no light is in their bodies, ever they slink along covertly, walk not upright, from their claws drips bitter gall, their footprints are (full of) evil venom.60
Mit dieser Charakterisierung werden Dämonen auch auf bildlichen Darstellungen als solche erkennbar. Auf einer Gipssteintafel aus Arslan Taş (Nordsyrien, 7. Jh. v. Chr., Aleppo-Museum 1329)61 sind zwei Dämonen zu sehen, von denen der untere ein Lebewesen verschlingt.62 Häufiger treten Dämonen auf Schmuckgegenständen auf. „Jewellery is used to adorn the wearer, but it is known that it was also used as an amulet or lucky charm, which with its supposed magical powers was supposed to protect the wearer and ward off evil spirits.“63 Auf einem in Palmyra gehandelten Amulett (8.–6. Jh. v. Chr., AO 22205), dessen Herkunft unbekannt ist, wird im vierten Register Lamaštu abgebildet, die den im Register darüber liegenden Kranken befallen haben soll. Am zweiten Register erscheinen sieben Personen, die Tiermasken tragen. Diese sollen wohl einen Schutz vor den sieben Dämonen(arten) darstellen.64 Diese auf dem Amulett sichtbare Sieben-Zahl von Dämonen ist in mesopotamischen Texten vielfach belegt. In einer Anrufung werden derartige Dämonen näher charakterisiert:
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60 61 62
63 64
Bes in seiner apotropäischen Funktion erscheint, in Juda nicht belegt. Vgl. Cornelius, Tale, 226, und Tal, Coinages, 448f. Dafür sind andere Bes-Darstellungen nachgewiesen. Im Einzelnen vgl. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 45–49. Zu den griechisch anmutenden Münzen vgl. Cornelis, Tale, 222: „The Athenian imagery might have been copied unintentionally when the coins were introduced from the West; the same motifs also occur on coins of other regions, so they were simply copied without any specific meaning involved.“ Derartige Darstellungen finden sich auch vereinzelt in Palästina, so z. B. das Elfenbeinblatt aus Megiddo (Megiddo Ivories Taf. 5 Nr. 4), das im Oriental Institute in Chicago aufbewahrt wird. Eissfeldt, Elfenbeinarbeiten, 1–4, bemerkt schon, dass auf dieser Abbildung ein Steinbock von einem dämonischen Wesen überwältigt wird. Text 22 I Z. 31–35 aus Nies/Keiser, Texts, 23–25. Auch zitiert von Vreugdenhil, Psalm 91, 39. Vgl. KAI 1, 6 Text 27. In Umzeichnungen sind die Artefakte bei Keel, Psalmen, 73f. Abb. 97 und 97a, publiziert. Siehe auch Röllig, Amulette, 18; Janowski/Wilhelm, Bock, 121f.; Vreugdenhil, Psalm 91, 68f., und Frey-Anthes, Unheilsmächte, 59f. Beischrift transkribiert und übersetzt bei Röllig, Amulette, 29. Vreugdenhil, Psalm 91, 86. Das Amulett ist abgebildet auf http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=4161. Letzter Aufruf: 19.05.2019. Weitere Beispiele aus Palästina/Israel werden von Vreugdenhil, Psalm 91, 87–96, besprochen.
Der Mensch als gefährdetes Wesen
They are seven, they are seven, They are seven in the springs of the depth. They are seven, adorned in heaven. They grew up in the springs of the depths, in the cella. They are not male, they are not female. They are drifting phantoms. They take no wife, they beget no son. They know neither spring of life nor mercy, they had no prayers nor entreaties. They are steeds that grew up in the mountains, they are the evil ones of Ea, they are the prefects of the gods. They loiter in the side streets to make trouble on the highway. They are evil, they are evil! They are seven, they are seven, they are twice seven! Be conjured by heaven, be conjured by the netherworld.65
Die Beschreibung weist Dämonen als Wesen aus, die der Unterwelt entstammen und in der Biosphäre wirken.66 Ihnen wird das Wissen um lebensförderliche Aspekte abgesprochen, sodass ihr Handeln keinen ethischen Prinzipien folgen kann. Stattdessen wurden sie als Wesen geschaffen, die dem Menschen Verderben und Leid bringen sollen. Als solche leben sie vor allem in Transitregionen, durch die die kosmischen Räume miteinander in Kontakt sind.67 Diese räumliche Verbindung von Dämonen mit den Orten der Biosphäre, an denen ein Übergang zur Unterwelt besteht, weist auf ihre Funktion hin. Sie sind keine am Rand der Hemisphäre existierenden Wesen mit einem eigenständigen Machtbereich, denen Menschen Opfer darbringen, sondern dienen dazu, Lebende in den Bereich des Todes zu überführen.68 Daher sind sie in Regionen angesiedelt, in denen ein Übergang von der
65 Übersetzung des Textes aus Foster, Days, 407. Weiter vgl. CT 16,13 III:13–28, abgedruckt bei Horowitz, Cosmic Geography, 219. 66 Zur Typologie von Dämonen seit dem 3. Jt. v. Chr. vgl. Katz, Sumerian Image, 126–192. Sie leitet die Aufgabenbereiche der einzelnen Dämonen aus der Organisation der sumerischen Stadtstaaten ab: „The relationship between the mythological descriptions and the essence of these offices delineates the developments on the perception of the netherworld during the third millennium“ (Katz, Sumerian Image, 126). Weiter vgl. Wiggermanns, Scenes, 214f. Eine Aufzählung aller Dämonen bietet Angelini, L’imaginaire, 39f.: „À côté des grands démons tels que Lamaštu et Pazuzu qui ont une iconographie bien établie, nous trouvons des démons moins déterminés de type utukku, rabis.u, gallu, alu, et d’autres encore; les types sedu ou lamassu qui peuvent etre protecteurs ou menacants; les groupes de demons tels que les Sibitti: ils forment un ensemble complexe mais jamais vraiment systématisé, qui ne connaît pas d’équivalent au Levant.“ 67 Vgl. Hutter, Demons, 30. Über die von Hutter genannten Regionen können Dämonen sich auch in den Bereichen des Hauseingangs aufhalten, wie es in der Sammlung utukkū lemnūtu Taf. 3:18–26 belegt ist. Vgl. Vreugdenhil, Psalm 91, 39: „The threshold [oder der Zelteingang TW] is a place where demons lie in wait.“ Ihr Aufenthalt in Höhlen ist auf Taf. B Z. 19–22 dieser Omen-Serie belegt. 68 Vgl. Hutter, Demons, 25f.: „When we try to generalize Ancient Near Eastern thoughts about demons we should also mention their physiognomy. While gods in many cases are described in a human form, sometimes also with wings and to be differentiated from humans in their attributes, ‚Demons‘ are described having a mixed body – they can have an animal’s head with a human body, sometimes their body is composed of parts of humans, four-legged animals and birds, or to a human body a
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Unterwelt in die Biosphäre möglich ist. Dies gilt vor allem für die Wüste/Steppe.69 „In the desert and in deserted places, they are beyond the reach of amulets, figurines and house-gods.“70 Dort besitzen sie die Funktion als Transithelfer, wie der Ritualtext VAT 8237 Z. 1–31 zeigt. In einem Ritual, das beim Sterben eines Menschen durchgeführt wird, wird die Funktion von Dämonen sichtbar, Lebende in den Bereich des Todes zu überführen: Wenn einen Menschen der Totengeist erfaßt hat, in seinem Leibe sit[zt und nicht weicht] und Geister-Schreck [ihn] permanent befällt, [. . . . . . . . .]: Ritual dafür: Bei Einbruch der Dämmerung fegst du den Fußboden, versprengst reines Wasser, stellst ein Räucherbecken mit Wacholder auf. Du libierst Feinbier, mischst Lehm aus der Lehmgrube, Talg (und) Wachs zusammen und fertigst eine Figur des Schreckensgeistes. Dieser setzt du Stierhörner auf, stellst sie vor den Menschen hin. Seinen Namen schreibst du auf die linke Schulter der Figur des Geistes: ‚Schreckensdämon, böse Krankheit, die NN, Sohn des NN, erfaßt hat.‘ Vor Schamasch hält der Patient diese Figur mit der Linken hoch und knüpft mit seiner Rechten einen Knoten. Die Beschwörung ‚Schamasch, dies ist die Figur des Schreckensdämons‘ läßt du ihn dreimal sagen, dann stellst du sie in einer großen Opferschale ab. Eine Fackel hebst du hoch und rezitierst die Beschwörung ‚Girra, du bist unwiderstehlich, bist aggressiv‘ dreimal und löst vor ihr den Knoten. Du wirfst dich nieder und wirfst dann die Verbrennungsreste in die Wüste. Dann wird er gesund. Beschwörung: Schamasch, dies ist die Figur des Schreckensdämons, dies ist die Figur jeglichen Bösens, das in meinem Körper, meinem Fleisch und meinen Sehnen sitzt, meine Stirn mißhandelt, mein Gesicht dauernd hin und her zucken läßt, meinen Gaumen austrocknet, mein Fleisch lähmt, die rechte Seite meines Leibes und die linke Seite meines Leibes auseinanderteilt, hinter mir herläuft, sich anschickt, mein Leben abzuschneiden: Schamasch, vor dir habe ich ihn mir vorgenommen, mich gegen ihn gewandt: Seine Person ist wie meine Person, sein Fleisch ist wie mein Fleisch. Ton vom heiligen Berge, Schmalz, Wachs habe ich gemischt und (daraus) seine Figur geformt. (Das habe ich getan,) Schamasch, weil er mich ausgesucht hat, mir nachgestellt hat, mich täglich am späten Abend, um die Mitternacht und frühmorgens nicht aus den Augen ließ, mich in Tränen hielt, mich in Lähmung hielt, und mich todkrank machte, Tag und Nacht an mir haftet und mich dauernd verfolgt! Jetzt, vor deiner großen Gottheit, werde ich Tag und Nacht frohlocken. Nicht möge er mich nochmals in seine Gewalt bringen! Schamasch, heute finde ich Rettung bei dir! Ea und Asalluchi haben mich zu dir geschickt, damit du mir das Leben schenkst, bin ich gekommen! Schenke mir Leben, befiehl, daß ich
tail or horns of claws added. This corporeal form refers to their strength, which is much bigger than that of a human being, but also refers to their danger.“ 69 Vgl. Taf. 7 Z. 152–167 der Sammlung utukkū lemnūti, abgedruckt bei Gellet, Healing Magic, 288–292. Vgl. auch Frey-Anthes, Unheilsmächte, 79. 70 Vreugdenhil, Psalm 91, 50.
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gesund weiterleben kann! – Beschwörungsformel. Beschwörung, um den Schreckensgeist unschädlich zu machen. Beschwörung: Girra, du bist unwiderstehlich, bist aggressiv. [Du leitest] Götter und Fürsten [recht], entscheidest im Prozeß der Männer und Frauen, denen unrecht getan wurde. [In meinem Prozeß] steh mir bei wie der Held Schamasch! Entscheide meinen Prozess, fälle eine Entscheidung für mich! Reiß [die Krankheit] aus meinem Körper aus: Dann will ich den Preis deiner Göttlichkeit singen.71
Die dem Ritualtext zugrunde liegende Verbindung von Krankheit, die zum Tode führt, und dem Dämon, der das Gebrechen in den menschlichen Körper brachte, wird auch in der Benennung von unterschiedlichen Dämonen sichtbar.72 Dieses in der altorientalischen Tradition mit dämonischem Wirken verbundene menschliche Ergehen wird in den P-Texten vorausgesetzt, aber nicht erklärt.73 Dies ist an verschiedenen Textstellen, zunächst an Lev 1674 zu beobachten. In V. 7 werden zwei Böcke erwähnt, die am יום כפורgeopfert werden sollen. Während der erste Bock innerhalb des Heiligtums JHWH dargebracht wird, wird der zweite Bock in den Bereich außerhalb des Lagers, d. h. in die Wüste/Steppe geschickt. Durch diesen Bock wird Sühne vollzogen (V. 10). In den V. 21f. wird der dazu stattfindende Ritus weiter ausgeführt: Aaron legt seine beiden Hände auf den Kopf des Bockes und überträgt die Verfehlungen Israels durch Handauflegung und Aussprechen auf den Bock.75 Im Anschluss wird der Bock durch einen Israeliten in die Wüste
71 Übersetzung des Textes aus TUAT II, 260f. 72 Vgl. Hutter, Demons, 28. Vergleichbar schildert Ps 59,2–8 das Ergehen des Beters, ohne dass Dämonen explizit erwähnt werden: „In Babylon, witches, sorcerers and demons are portrayed in the same way as in this psalm“ (Vreugdenhil, Psalm 91, 79). 73 Vgl. Steck, Welt, 72: „P betont […], daß eine andere, außerhalb der Beziehung Mensch-Tier und Mensch-Mensch liegende Gefahr vorzeitiger Beendigung des Lebens durch Gewalt für die Lebewesen in ihrer Gesamtheit nicht gegeben ist: Eine Sintflut kehrt nie wieder (Gen 9,8–17). So ist es nur konsequent, daß P den Bereich ‚Welt‘, den sie in Gen 1,1–2,4a vor der Menschenwelt erfaßt, völlig frei sieht von chaotischen Gegenmächten, die Leben bedrohlich werden könnten.“ 74 Redaktionsgeschichtlich betrachtet, besteht Lev 16 aus drei Teilen. V. 1 entstammt der Buchredaktion, die diesen als einen Rückgriff auf Lev 10 beschreibt. Die V. 2–28.34b.c sind priesterliches Material, dessen Ursprung nicht mehr rekonstruiert werden kann (vgl. Nihan, Priestly Torah, 362; FreyAnthes, Concepts, 47f.). Mit der Annahme einer solchen Fortschreibung wenden sich Nihan und Frey-Anthes gegen eine Aufteilung, wie sie Elliger, Levitikus, 200f., und Janowski, Sühne, 266–271, annehmen, die von zwei ursprünglich eigenständigen Sühnefeiern ausgehen, von denen die ältere eine Entsühnung von Priesterschaft und Volk, die jüngere von Heiligtum und Altar behandeln. Eine solche Entwicklung, die sich auf einer rein redaktionsgeschichtlichen Basis nicht rekonstruieren lässt, stimmt mit der zunehmenden Abgrenzung des Raumes, in dem sich das Heiligtum befindet, überein. Redaktionsgeschichtlich spät sind die V. 29–34a, die als Anhang formuliert sind (vgl. Milgrom, Leviticus, 1–16, 1065; Nihan, Priestly Torah, 347–350; Hieke, Levitikus 16–27, 568f.). 75 Zur Übertragung von Schuld auf den Sündenbock vgl. Janowski, Sühne, 207–221.
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hinausgeführt, in der er dann Asasel76 übereignet wird. Die Identität Asasels, der innerhalb des Alten Testaments nur an dieser Stelle erwähnt wird, ist unklar. „Obwohl sie im biblischen Text blass bleibt, weist die Gestalt des Azazel eine reiche Wirkungsgeschichte sowohl in Qumran als auch der zwischentestamentlichen Literatur auf. In Qumran (11QT 26,13; 4Q180 I,7f.) wird aus עזאזלder Name[n sic!] עזזאל. 1Hen nennt ihn ebenfalls Azael: In 1Hen 10,4ff wird Azael als ein Dämon bezeichnet, der in der Wüste in Finsternis haust. Er war beim Abfall der Göttersöhne durch deren Verkehr mit den Menschentöchtern (1Hen 6,7, vgl. 4Q180 I,7–8) dabei, lehrte die Menschen praktisches Wissen (Waffen- und Schmuckherstellung) und die ewigen Geheimnisse (1Hen 8,1.6), hat die Erde verdorben (1Hen 10,8) und ist Urheber der Sünde (1Hen 9,6). Ihm wird das Gericht angekündigt (1Hen 13,1), und er soll mit seinem Herrn vernichtet werden (1Hen 54,5). Ausführender der Bestrafung Azaels ist der Engel Rafael […]. 1Hen 69,2 zählt Azael unter den Engeln auf. ApkAbr identifiziert ihn mit der Schlange, die zwischen Adam und Eva steht, menschliche Hände und Füße sowie sechs Flügel hat und für die Gottlosigkeit steht.“77
Versuche, sein Wesen von der Bedeutung des Namens abzuleiten, bleiben uneindeutig.78 Die parallele Formulierung ‚( גורל אחד ליהוה וגורל אחד לעזאזלein Los für JHWH und ein Los für Asasel‘) weist darauf hin, dass es sich bei Asasel um ein Wesen und nicht um einen Ort handelt (vgl. auch bJom 39a.67b).79 Diese Deutung wird zunächst von 1Hen, in der Folge dann von verschiedenen Midraschim vertreten.80 So schließt bereits Duhm, dass es sich bei Asasel um einen „in der Wüste hausende[n] Kakodämon“81 handelt. Wohlstein erkennt in ihm den „Fürst der Bocksdämonen“82 . Auch wenn aufgrund der unklaren Semantik die spezifische Ausprägung des mit dem Namen Asasel zu verbindenen Dämonen nicht eindeutig
76 Zur Bedeutung des Namens vgl. Loretz, Leberschau, 54–57. Nach der Götterliste in KTU 1.102 Z. 15–28 gehört ein zz l der Götterversammlung an. „Die großen Götter El und Baal, die sich mit anderen Gottheiten zur Versammlung der Götter zusammentaten, waren selbst wiederum von dienstbaren göttlichen Wesen, den inš ilm ‚Mannen, Dienern der Götter‘, umgeben, deren Namen ihre Beziehung zu El oder Baal zum Ausdruck bringen und denen selber Opfer zugedacht werden (vgl. KTU 1.106:2–5)“ (Janowski/Wilhelm, Bock, 132). 77 Frey-Anthes, Unheilsmächte, 218. Weiter dazu Angelini, L’imaginaire, 91–93. 78 Vgl. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 223–227. 79 Milgrom, Leviticus 1–16, 1018, zeigt, dass der zu Asasel gesendete Bock kein Opfer darstellt, sondern einzig als Trägertier dient. Dazu vgl. das in Megiddo gefundene Elfenbeinrelief, abgebildet bei Keel/ Uehlinger, GGG, 89 Abb. 90b, und Frey-Anthes, Unheilsmächte, 313 Abb. 45. 80 Vgl. Tawil, Prince, 45–47. 81 Duhm, Geister, 56. 82 Wohlstein, Tier-Dämonen, 487. Zu den Ableitungen des Namens עזאזלaus der hebräischen Semantik vgl. Frey-Anthes, Art. Sündenbock/Asasel, 1.2.
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bestimmbar ist, stellt er einen „Vertreter einer Antiwelt“83 dar. Da diese Beschreibungen der Identität Asasels allein auf die antike Wirkungsgeschichte hin ausgelegt sind, kann seine Rolle in Lev 16 nicht über derartige Spekulationen, sondern nur über seine Funktion innerhalb des Textes bestimmt werden. In Lev 16,5 ergeht zunächst die Aufforderung ‚( יקח שׁני־שׂעירי עזים לחטאתnimm zwei männliche Böcke, um zu opfern‘). Ein Opfern von Böcken wird neben Lev 16,5 innerhalb von P wiederholt beschrieben (vgl. Num 7,16.22 u. ö.). Ein auf männliche Böcke bezogener Kult wird dabei auch kritisch betrachtet, wie Lev 17,7 zeigt. Hier wird eine auf männliche Böcke bezogene Kulthandlung als Fremdgötterverehrung verstanden. Eine solche Deutung ist Lev 16,10.21f. hingegen fremd. Vielmehr ist der „Ziegenbock […] keine Opfergabe für eine Gottheit, sondern ein Werkzeug oder eine Methode, die Unreinheiten und Sünden Israels buchstäblich wegzuschaffen“84 . Dabei handelt es sich um eine Praxis „kontaminöser Magie, die magische Übertragung des Unheils auf ein Lebewesen, das als ritueller Unheilsträger in die Wüste weggeschickt wird und so das stofflich verstandene Böse räumlich entfernt“85 . In Lev 16 besteht die Elimination darin, die stofflich gedachte Verunreinigung mitsamt dem Bock durch den Dämon aus der Hemisphäre in die Unterwelt zu verbannen.86 Derartige Reinigungsrituale unterscheiden sich grundsätzlich danach, ob ein Ort oder eine Person gereinigt werden soll. Den Bezug des 83 Frey-Anthes, Art. Sündenbock/Asasel, 2.2. Für die Annahme, bei Azazel handele es sich um einen Dämon, spricht auch, dass die Wüste in Jes 13,21f.; 34,11–15 als Ort von Dämonen verstanden wird. Weiter vgl. Tawil, Prince, 47–52, Rudman, Azazel-goat, 396f., und Blair, De-Demonising, 55–62. Weiter vgl. Janowski, Art. Azazel, 130. 84 Hieke, Levitikus 16–27, 579. 85 Janowski, Sühne, 219. Vgl. weiter Janowski, Geschenk der Versöhnung, 17, mit Bezug zu Frazer, Goldene Zweig, 738f., und Frey-Anthes, Unheilsmächte, 234–237. 86 Vgl. Jacobsen, Treasurers, 12f. Noth, 3. Mose, 107, führt zur Einordnung Asasels in der Forschung aus: „Meist sieht man in ihm einen ‚Wüstendämon‘, der durch Zusendung des Ziegenbocks befriedigt und damit unschädlich gemacht werden sollte.“ Diese Einordnung Asasels geht auf die Vorstellung einer Depotenzierung von in der Umwelt Israels bekannten Gottheiten zurück. Ihnen wird eine eigene Wirk- und Machtsphäre zugesprochen, die Dämonen als solche fremd ist. Sie sind ihrer Natur nach von Unterweltsgottheiten abhängig und führen Lebewesen der Biosphäre deren Machsphäre zu. Vgl. die Bedeutung von κακοδαιμονία in Hesiod, Erga 252–255, dargelegt von Riley, Art. Demon, 236. Zu den Eliminationsriten in der Umwelt Israels vgl. Milgrom, Leviticus 1–6, 1072; Gorman, Ideology, 98; Burkert, Structure, 59–77, sowie Pritchard, ANET, 394–396. Zur Bezeichnung ארץ ‚ גזרהabgeschnittenes Land‘ vgl. Görg, Art. גזרgzr, 1003f., der die Region durch die parallele Stellung zu ‚ מדברSteppe, Wüste‘ als ‚unfruchtbares Land‘ versteht. Nach Janowski, Geschenk der Versöhnung, 19, bezeichnet er „raumsymbolisch die Sphäre des Todes bzw. die Gegenwelt“. Vgl. weiter Wenham, Leviticus, 233f. Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits in der sumerischen Serie udug hul, in der verschiedene Exorzismen beschrieben werden: „Go out, evil udug-demon, to a distant place (ki bad-ra2 -še3 ), go out, evil ala-demon, to the desert (a-ri-a-še3 )“ (Text aus Konstantopoulos, Disciplines, 11; vgl. auch Angelini, L’imaginaire, 87). Der entfernte Ort bzw. die Steppe stellen eine Transitzone dar, so dass die Aussendung des Sündenbocks zugleich seine Überführung in
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Jom-Kippur-Reinigungsritus auf den Menschen deutet Janowski dann im Sinne einer Stellvertretung: „Weil der Opfernde durch das Aufstemmen seiner Hand auf das Opfertier an dessen Tod realiter partizipiert, indem er sich durch diesen symbolischen Gestus mit dem sterbenden Tier identifiziert, geht es im Tod des Opfertieres weder um dessen auf die satisfactio vicaria des Sünders zielende Straftötung noch um die Beseitigung oder Vernichtung des Tieres als eines rituellen Sündenträgers, sondern um den eigenen, von dem sterbenden Opfertier stellvertretend übernommenen Tod des Sünders. Darum ist das Wesentliche bei der kultischen Stellvertretung nicht die Übertragung, die ‚Abwälzung‘ der materia peccans auf einen rituellen Unheilsträger und dessen anschließende Beseitigung, sondern die im Tod des Opfertieres, in den der Sünder hineingenommen wird, indem er sich mit diesem Lebewesen durch die Handaufstemmung identifiziert, symbolisch sich vollziehende Lebenshingabe des homo peccator.“87
Der Übergang der materia peccans auf das in die Wüste/Steppe gesendete Tier führt dazu, dass die Schuld aus dem Zentrum in die Peripherie verbracht wird. „Derartige Übergangsriten richten sich an Grenzmarkierungen aus, die einen Übergang raumsymbolisch darstellen.“88 Dabei ist zwischen Riten, die keine genauere Ortsangabe aufweisen, und solchen, die einen Ort benennen, der mit der Unterwelt in Verbindung steht, zu trennen. Nur an diesen „gibt es die Möglichkeit, den Unheilsträger in der Vertikalen zu entsorgen. So kann das Vergraben des Unheilträgers in der Erde oder das Hinwerfen des Unheilträgers in eine Grube, die die Unterwelt symbolisiert, eine wichtige Rolle spielen“89 .
Die auf eine horizontale Bewegung hin konzipierten Eliminationsrituale, in denen das Schuld tragende Objekt außerhalb der Stadt oder des Lagers verbrannt oder hingerichtet bzw. ins Gebirge als Ort der Feinde oder der Dämonen geschickt wird, scheint keine vertikale Ausrichtung zu besitzen. Während die Übergangsorte in der inneren Peripherie gesondert ausgewiesen sind (Verbrennungsplatz, Tal/Bach, Gräberfeld), ist ein Übergang an der äußeren Peripherie lokal überall möglich. Innerhalb der von Mauern umgebenen Städte stellen Erdlöcher, Brunnen und Schwellenbereiche Transitzonen dar. Die Aussendung des Bocks für Azazel in die
die Unterwelt beschreibt. Die auf den Bock geladene Verunreinigung geht mit עזאזלin diesen kosmischen Raum über. 87 Janowski, Sühne, 220f. 88 Dietrich, Schuld, 246. 89 Dietrich, Schuld, 248.
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äußere Peripherie,90 die Lev 16 schildert, ist demnach nur auf eine Elimination der Schuld ausgelegt, ohne dass die Wüste als Ort mit direkter Verbindung in die Unterwelt zu denken ist. P erläutert den Verbleib der Schuld nach seiner Übergabe an Azazel nicht weiter, sodass der Ritus der Vorstellung einer abgeschlossenen menschlichen Lebenswelt nicht widerspricht. Der Fokus der Darstellung liegt allein auf der Entsühnung der im Lager lebenden Menschen und damit der Reinhaltung des Ortes. Das Verbleiben der materia peccans und das mit der Vorstellung verbundene räumliche Ordnungsmuster lassen sich aus dem geschilderten Ablauf nicht spezifisch bestimmen. Neben der Aussendung des Bocks zu Azazel in Lev 16 findet sich ein weiteres Beispiel, in dem die Vorstellung dämonischen Wirkens in der Biosphäre vorausgesetzt wird. Dieser Textabschnitt wurde erst mit der Pentateuchredaktion RP mit den P-Texten verbunden, wurde dann aber auf das priesterliche Ordnungsmuster bezogen. Wie P in Lev 16 ‚verschleiert‘ auch Ex 12 das Wirken eines Dämons. Die in diesem Text geschilderte Einsetzung des Pessach bildet den Abschluss eines Erzählbogens, der mit der Androhung der Ermordung aller erstgeborenen Söhne durch den Pharao in Ex 1,15f. einsetzt und sich bis zur Tötung der ägyptischen Erstgeborenen erstreckt. Während in Ex 1,15f. die Hebammen zur Tötung der erstgeborenen Israeliten aufgefordert werden, wird in Ex 12,21–23 ein apotropäischer Ritus geschildert, der die Israeliten vor einem Wirken JHWHs als Dämon schützen soll.91 Wiederholt wurde in der Forschung ein Widerspruch in V. 23 beobachtet. In diesem Vers wird geschildert, dass JHWH umherzieht, um die Ägypter zu schlagen, er zugleich aber dem ‚Verderber‘ ( )משׁחיתden Zugang zu den Häusern der Israeliten verwehrt. Da sich diese Spannung nicht literarkritisch lösen lässt, deutet sie wohl auf die Verarbeitung einer älteren Tradition hin, in der ein Dämon als ‚Verderber‘ von Haus zu Haus zog, den abzuwehren JHWH den Israeliten zusagt. „The relationship between Yahweh and the Destroyer in this passage is hardly extraordinary in the context of the ancient near East. One is to picture Yahweh, accompanied by a retinue of assistants, going against his enemies in judgement. Both Yahweh and his entourage can be depicted as active in the same conflict, and if Yahweh decides to restrain his weapons, he must also give orders to desist to the supernatural warriors that accompanied him. In Exodus 12, therefore, Yahweh and at least one supernatural assistant are responsible for the deaths of the Egyptian first-born (cf. Ps 78:49); when Yahweh
90 Dietrich, Schuld, 251, weist darauf hin, dass die Berge als Peripherie in der alttestamentlichen Literatur nicht genannt werden, „da sich dort die Berge aufgrund der Besiedlungslage raumsymbolisch als Zielort der Elimination (unkultivierte Gegend, Feindesland und Sitz der Dämonen) eignen“. 91 Vgl. Frey-Anthes, Concepts, 43f.
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sees lamb’s blood on door-posts, not only does he not kill, but he gives orders to the accompanying Destroyer to exercise similar restrain […].“92
Ob diese durch den Redaktor mit dem P-Anteil von Ex 12 verbundene ältere Tradition P bekannt gewesen ist, ist nicht eindeutig zu klären. In den jetzigen Textzusammenhang drang sie erst durch die redaktionelle Überarbeitung des Textes ein, ist mit der literarischen Konzeption von P aber durchaus vereinbar. „Der Textbestand der Plagenerzählungen dürfte aber als Verstehenshintergrund mitbedacht werden müssen, wenn man Pg zwar als eigenständig, aber nicht als vom nichtpriesterlichen Textbestand unabhängig verfaßt ansieht. Pg ist m. E. nach in und als Auseinandersetzung mit den nicht-priesterschriftlichen Texten (in Ex 4 und Ex 7–12) zu lesen.“93
Lev 16 sowie Ex 12 deuten also darauf hin, dass die Verfasser*innen von P um die Existenz von Dämonen in der Alltagskultur ihrer Leser*innen wissen, sie aber bewusst unterdrücken. Ein solches Vorgehen ist auch bei der Beschreibung der Kultfähigkeit von Priestern zu beobachten. Während die Physis des Menschen in altorientalischen Quellen als von Dämonen beeinflusst verstanden wird, wie es im Folgenden dargelegt wird, verbleiben die in der Fortschreibung von P durch H94 ausgebreiteten Regelungen rein bei der Beschreibung von Symptomen, die zum Ausschluss vom Kultdienst führen, ohne Ursachen für ihr Auftreten zu nennen. Dies wird in den Regelungen über die Reinheit der am Altardienst beteiligten Mitglieder priesterlicher Familien in Lev 21,16–24 erörtert.
92 Meier, Art. Destroyer, 241. 93 Bauks, Dämonisches im Menschen, 241. Das Motiv des Eingreifens einer übermenschlichen Gestalt fehlt also im Pg zugewiesenen Stratum. Gegen ältere Thesen, dass es sich bei משׁחיתum einen Wüstenoder Nachtdämon handelt (vgl. Dumm, Geister, 15; Jirku, Dämonen, 32; Keel, Erwägungen) führt Frey-Anthes, Concepts, 44, aus: „The fact that the destroyer ‚beats‘ during the night rather reminds us of the nightly activities of the Mesopotamian Lil-Ghosts or the Lilith in Rabbinic literature. It is also reminiscent of the Mesopotamian incantations against the evil demons Udug and Ala, which are to prevent them from crossing the threshold of a house and to send them back in the mountains or the steppe.“ 94 Der Bezug von H und P wird in der alttestamentlichen Forschung schwerpunktmäßig redaktionsgeschichtlich betrachtet. Bis in die neueren Forschungen hinein wurde H als eigenständige literarische Größe, die sekundär mit P verbunden wurde, angesehen. Seit der Studie von Christophe Nihan wird diese These infrage gestellt. Er zeigt, dass H von Anfang an kein eigenständiger Text, sondern eine sukzessive Fortschreibung von P darstellt. Vgl. Nihan, Priestly Torah, 545f.; Hieke, Levitikus, 16–27, 569, beobachtet an der Fortschreibung von Lev 16* durch die V. 29–34a, dass in diesem Anhang ein Übergang von P und seiner Ausrichtung auf das Heiligtum hin zu H stattfindet.
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Und JHWH redet zu Mose folgendermaßen: Rede zu Aaron: Ein jeder von Deinem Geschlecht auf ihre Generationen hin, der an sich einen Fehler aufweist, soll sich nicht nähern, um seinem Gott Brot zu opfern. Denn ein jeder Mann, der einen Fehler aufweist, soll sich nicht nähern, ein jeder blind, lahm, spaltnäsig oder missgebildet. Oder ein jeder, der einen verkrüppelten Fuß oder eine verkrüppelte Hand besitzt, der einen Buckel hat, abgemagert ist, dessen Augen befleckt sind, der Ausschlag, Flechte oder beschädigte Hoden hat. All die, die eine Beschädigung haben, vom Geschlecht Aarons, des Priesters, sollen sich nicht nähern, um Feueropfer für JHWH darzubringen, hat er eine Missbildung. Brot seines Gottes soll er nicht heranbringen, um es zu opfern. Brot seines Gottes aus dem Allerheiligsten und dem Heiligsten kann er essen. Doch zum Vorhang soll er nicht kommen und zum Altar soll er sich nicht nähern, denn er hat eine Missbildung. Und er soll mein Heiligtum nicht verunreinigen, denn ich, JHWH, heilige sie. Und Mose redet zu Aaron und zu seinen Söhnen und allen Israeliten.
Mit dieser Regelung beschränkt P den Zugang zu Heiligtum und Altardienst auf diejenigen Mitglieder priesterlicher Familien, die keine Missbildungen aufweisen. „The idea emerges clearly that holiness finds physical expression in wholeness and normality.“95 Ausschlag ( )גרבund Flechte ( )ילפתwerden dabei nicht als temporäre Krankheiten, sondern als den Menschen dauerhaft missbildend angesehen. Ursachen für diese Erkrankungen wären, altorientalischen Traditionen folgend, im Wirken von dämonischen Mächten zu suchen. In der Omenserie šumma izbu (VAT 13617) wird ein Zusammenhang zwischen der Missbildung eines Menschen und dem Dämonenbefall des Hauses aufgezeigt. Im Falle der Geburt eines missgebildeten Kindes ist dieses nicht nur zu eliminieren, sondern auch das Haus mittels eines namburbi-Ritus zu reinigen (Z. 1–5.29–33): Gesetzt, im Hause eines Menschen [zeigt sich] die Missgeburt entweder [von einem Schafe,] oder von Kleinvieh, oder vom Rind oder [vom Esel,] oder vom Pferd, oder vom Hund, oder [vom Schwein] oder vom Menschen, um dieses Böse vorübergehen zu lassen, sollst du zwei Menschen aus Ton (?) [machen]. […] [das Böse di]eser [Missgeburt] lass [an mir vorübergehen,] das Böse möge nicht herankommen, (mir) nicht nahen, [(mich) nicht bedrängen!] [Jenes] Böse möge sich aus [meinem] Leibe [entfernen,] täglich will ich(!) zu dir beten, die mich sehen, mögen für ewig dir huldigen!96
95 Wenham, Leviticus, 292. 96 Text und Übersetzung in Ebeling, Beiträge, 86–90; Einleitung und vollständige Sammlung bei Leichty, Šumma Izbu. Neben dem Nachkommen von Menschen werden auch missgebildete Föten anderer Lebewesen beschrieben und die mit ihrer Geburt drohenden Folgen ausgeführt.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
Der Textauszug verdeutlicht, dass „eine ontologische Verbindung zwischen der missgebildeten Person und dem durch die Missbildung sichtbar werdenden Übel“97 besteht. Dabei handelt es sich nicht um Symptome von Krankheiten, sondern um körperliche, d. h. von außen sichtbare Merkmale. Diese werden von einem Dämon hervorgerufen und sind daher als Zeichen für eine Verunreinigung des jeweiligen Menschen zu betrachten. Menschen mit derartigen körperlichen Ausprägungen wird in Lev 21,16–24 der Altardienst untersagt. Allen weiteren kultischen Vorgängen können sie beiwohnen. Als Grund für den Ausschluss wird in V. 23 konstatiert, dass sie durch ihre Anwesenheit das Heiligtum ‚profanieren‘ ( )חללwürden. Der Fokus dieser Regelungen liegt anders als in der mesopotamischen Tradition also nicht auf der Verunreinigung des Hauses, sondern auf der Reinheit des Heiligtums.98 Dies stimmt mit der Erzählperspektive von Lev 16 überein, die ebenfalls auf die Reinheit von Gemeinde und Heiligtum fokussiert ist. Dieselben Regelungen bezüglich der Unversehrtheit, die für die Priester gelten, werden auch auf die Opfertiere angewendet (Lev 22,17–25).99 Die Opfertiere werden nach körperlichen Merkmalen auf ihre Reinheit bezogen in ‚ תמיםfehlerlos‘ und ‚ מוםgebrechlich‘ unterteilt.100 Eine Begründung für die Ablehnung von gebrechlichen bzw. geschädigten Tieren wird in V. 25 geboten. ‚ משׁחתVerderbnis‘ und ‚ מוםGebrechen‘ sind diesen Tieren eigen. משׁחתgeht auf den ‚ שׁחתverdorben sein‘ zurück. Im Kausativ, von dessen Partizip die Nominalbildung abgeleitet wird, bezeichnet der Begriff ein äußeres Einwirken auf eine Person oder einen Gegenstand, der zur Verderbnis führt. Dies wird dann in der Verwendung der Präposition בsichtbar, mit der ausgedrückt wird, auf wen dieser Einfluss ausgeübt wird. Die Beobachtung eines äußeren Einflusses lässt sich auch für den Begriff מוםtätigen. ( מוםauch )מאוםbeschreibt in Kombination mit der Präposition בeine von außen sichtbare Schädigung (Lev 21,21.23). In Lev 24,19 wird schließlich die Ursache für
97 Wagner, Individualität, 238. 98 Vgl. Nihan, Priestly Torah, 483: „A major obstacle to understanding this has been the failure to perceive that these various rules for the priests define together a specific conception of holiness, this time not of the community as in ch. 18–20 but of the sanctuary.“ 99 Vgl. Wenham, Leviticus, 295. 100 Als einzige Ausnahme körperlicher Unversehrtheit erscheint die Ausprägung von Extremitäten. Sind diese zu kurz oder zu lang, so kann das Tier für ein freiwilliges Opfer, nicht aber zur Erfüllung eines Schwurs dargebracht werden (V. 23). Diese Regelung fällt jedoch nicht nur inhaltlich aus den grundsätzlich strengen Vorschriften für Opfertiere heraus. Die Verwendung der 2. pers. sg. in einem Textabschnitt, der im Weiteren im Plural formuliert ist, deutet auf eine redaktionelle Überarbeitung hin, durch die das Opfergesetz zumindest hinsichtlich freiwilliger Opfergaben entschärft wurde. Im Grundbestand des Textes war dementsprechend eine strikte Trennung zwischen ‚ תמיםfehlerlos‘ und ‚ מוםgebrechlich‘ vorgesehen.
Der Mensch als gefährdetes Wesen
die Schädigung mit der Formel ‚ נתן מום בein Gebrechen zufügen‘ bezeichnet.101 Lev 22,25 führt als Begründung für die Ablehnung derartiger Tiere also ein äußerliches Einwirken auf diese Lebewesen an, ohne den Verursacher ihrer Schädigung zu benennen. Diese kann durch Menschen erfolgen, wie dies z. B. bei der in Lev 22,24 angeführten Kastration denkbar ist, kann aber auch solche betreffen, die nicht von Menschen hervorgerufen werden können.102 Diese in den Regelungen erkennbare Uneindeutigkeit hinsichtlich der Ursachen für die Zustände von Mensch und Tier zeigt sich als ein Charakteristikum von P. Sie ist auch hinsichtlich der Ursache für das Verderben der Erde in den P-Anteilen der Fluterzählung zu beobachten. Hier ist zunächst zu bemerken, dass zwischen Gen 6,9 und H ein semantischer Bezug besteht, der darauf hindeutet, dass auch hier eine Außeneinwirkung mitgedacht wird. Der in P häufig zur Bezeichnung von Reinheit verwendete Begriff ‚ תמיםfehlerlos‘ wird in Gen 6,9, dem Beginn des P-Fadens der Sintflutgeschichte genutzt, um Noah zu charakterisieren: צדיק תמים ‚( היה בדרתיו את־האלהים התהלך־נח אלה תולדת נח נח אישׁDies ist die Toledot Noahs: Noah war ein gerechter Mann, fehlerlos war er in seiner Generation‘). Mit צדיקund תמיםwerden zwei Charakteristika als Grund angeführt, warum Noah vor der Flut gewarnt und schließlich gerettet wird.103 Dies erscheint als Kontrast zum Zustand der Erde (Gen 6,11f.). Dieser wird durch die Verwendung von שׁחתin V. 12 als von außen hervorgerufen beschrieben. Der Eindruck, dass Ursache der Verunreinigung ein intuitives Handeln von Menschen und Landtieren gewesen ist, wird erst durch Gen 6,12b erweckt. Christoph Levin nimmt diese Beobachtung zum Anlass, die Kohärenz der priesterlichen Grundschicht in Gen 6,12 zu hinterfragen. Dabei zeigt er auf, dass 6,11a eine antithetische Entsprechung zu Gen 1,31a darstellt, die zur Grundschrift gehört. V. 12b wiederholt dann, was in V. 11a bereits festgehalten wird. Allerdings variiert diese Wiederholung das Motiv: „Die Erde ist nicht mehr wie in V. 11a.12a Gegenstand der Verderbnis, sondern ihr Schauplatz. Stattdessen hatte alles Fleisch,
101 מוםkennzeichnet in späteren Texten dann ein ethisches Fehlverhalten (Qoh 9,7; Hi 11,15; 31,7), sodass in ihnen eine Transformation der Vorstellung zu beobachten ist. In P wird der Begriff jedoch einzig für eine von außen herrührende, sichtbare Schädigung verwendet. 102 Wiederholt wurde in der Forschungsgeschichte der Bezug von Lev 22,17–25 zu Lev 7,11–18 und der in den V. 19–21 anschließenden Regelungen beobachtet (vgl. Knohl, Sanctuary, 119; Nihan, Priestly Torah, 493). Allerdings fällt auf, dass Lev 22,17–25 eine andere Terminologie für ‚rein – unrein‘ verwendet. Während Lev 7 mit ‚ טמאunrein‘ und ‚ טהורrein‘ zwei Termini gebraucht, die innerhalb von P wiederholt zur Beschreibung von Kultfähigkeit eingesetzt werden, wählt der Verfasser von Lev 22,17–25 mit ‚ תמיםfehlerlos‘ und ‚ מוםgebrechlich‘ zwei Begriffe, die in den Regelungen in Lev 3–5 von Bedeutung sind. An diesem Gebrauch wird also der komposite Charakter von Lev 22,17–25 deutlich. 103 Vgl. Hamilton, Genesis 1–17, 277.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
das hier zum ersten Mal als Akteur genannt wird, seinen Weg verderbt, […]“104 . Dasselbe Motiv wird im Vernichtungsbeschluss V. 13 verwendet, der in V. 17 in anderer Formulierung nochmals erscheint. In V. 17 wird aber nicht die Erde durch die Flut ‚verderbt‘, sondern die Flut kommt über die Erde, um die Lebewesen zu treffen. Ob allerdings, wie Levin vermutet, die Formulierung קץ בא הקץaus Ez 7,2 übernommen wurde und sich damit auch von Ez 7,3.8 die Ursache für die Vernichtung des Menschen ableiten lässt, ist fraglich. Bereits Rudolf Smend weist darauf hin, dass es sich in Ez 7 um die Aufnahme eines Amoswortes (Am 8,2) handelt, das auch von P rezipiert wird.105 Eine direkte Ableitung aus Ez 7, wie Levin sie annimmt, erscheint dahingehend problematisch, als dass bei der Flut auch die Landtiere getötet und, wie die spätere Ergänzung zeigt, als ‚Verderber‘ verstanden werden. Diese Entwicklung zeigt sich dann auch in Gen 7,17. Erst mit dem Nachtrag in V. 17aβ wird auf das Verderben des Fleisches hingewiesen. In den der Grundfassung zuzurechnenden V. 17aα.b wird im Stile von P ( ;גהוvgl. Gen 7,21; 25,8.17; 35,29) zunächst nur das Umkommen aller Lebewesen angekündigt. Da שׁחתein äußeres Einwirken meint, Mensch und Tier in PG jedoch nicht als diejenigen benannt werden, deren Handeln eine solche Verderbnis hervorrufen, bleibt die Ursache für den Zustand der Erde unklar. So ist Eckard Otto zuzustimmen, wenn er konstatiert: „Die Priesterschrift läßt es […] offen, wie die Gewalttat des Menschen in Gottes gute Schöpfung kam.“106 Die Ursache für die Füllung der Erde mit חמסkann also einzig aus der Charakterisierung Noahs abgeleitet werden. In Gen 6,9 wird er als ‚ תמיםfehlerlos‘ bezeichnet. Als Gegensatz dazu wird, wie oben gezeigt, in der priesterlichen Literatur ‚ מוםgebrechlich‘ verwendet, sodass alle anderen Lebewesen auf diese Weise zu charakterisieren wären. Ein solches Gebrechen wird in priesterlicher Perspektive durch eine äußere Einwirkung und nicht durch Fehlverhalten hervorgerufen. Auch an dieser Stelle bleibt P also bewusst uneindeutig.107 Den Verfasser*innen scheint es einzig darum zu gehen, den Menschen als gefährdetes Wesen, das der Sühne bedarf, um am Heiligtum in Gottesgemeinschaft leben zu können, zu charakterisieren. 104 Levin, Ende alles Fleisches, 55 105 Vgl. Smend, Ende, 154f., sowie Emmendörffer, Gottesnähe, 108. 106 Otto, Paradieserzählung, 190. Weiter vgl. Carr, Genesis 1–11, 252: „Where Gen 1 concluded with God ‚seeing‘ that all that was created was good (Gen 1:31), now God ‚sees‘ that the earth was corrupt and full of violence (Gen 6:12). This ‚violence‘ represents an ultimate degradation of the peaceful order that God established at the end of Gen 1. There God provided a blessing that humans fill the earth and rule its creatures (1:28) and reinforced peace between creatures by assigning humans and animals different parts of vegetation for food (1:29–30). Now creation is ‚filled‘ not by sovereign humans, but by global violence. Violent disorder reigns where humans were supposed to.“ 107 Vgl. Carr, Genesis 1–11, 252.
Die priesterschriftliche Raumordnung
6.4
Die priesterschriftliche Raumordnung
Die sich in der priesterschriftlichen Anthropologie abzeichnende Konzentration auf die Kultfähigkeit des Menschen spiegelt sich in P auch in der Raumordnung wider. Dies wird zunächst durch die Verwendung des Verbes בדלdeutlich, das sowohl für die Trennung der kosmischen Räume als auch für die priesterliche Unterscheidung von rein und unrein sowie heilig und profan verwendet wird. „Die Taxonomien der Priesterschrift sind weltbildgebunden. […] wenn die Priester zwischen heilig und profan, rein und unrein unterscheiden sollen (bādal; Lev 10,10; 11,47; vgl. 20,25), dann sind ihre Taxonomien in die Schöpfungswelt eingepasst und selbst ein schöpfungsgemäßer Akt.“108
Die auf diesem Vier-Kategorien-Schema aufbauende Weltordnung ist auf das Heiligtum bezogen und grenzt den Bereich des Profanen vom Bereich des Heiligen ab. „‚Profanität‘ (hebräisch ḫol) bezeichnet nichts Negatives, sondern den alltäglichen Lebensraum vor und außerhalb der Tempelsphäre, ‚Heiligkeit‘ (hebräisch kodæs) hingegen all das, was dem Tempel und seiner göttlichen Sphäre zugehört. ‚Rein‘ (hebräisch t.āhôr) bezeichnet all das, was mit der heiligen Sphäre in Kontakt kommen darf, ‚unrein‘ (hebräisch t.ām’e) all das, was die heilige Sphäre nicht berühren darf und was den profanen Lebensbereich bei Kontakt mit dem Unreinen selbst unrein werden lässt. Unreinheit stellt damit eine Gefahr für den alltäglichen, profanen Lebensbereich dar, der normalerweise in seinem reinen Zustand mit dem Heiligen in Kontakt kommen darf.“109
Dieses Vier-Kategorien-Schema ist innerhalb von P in drei unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen, die sich einzelnen Redaktionsstufen zuweisen lassen. Die zur Grundschicht PG gehörigen Texte schließen dabei zunächst an die aus der vorexilischen Zeit überlieferte -Peripherie-Konstellation an. Diese Konstellation ist jedoch nicht von Anfang an gegeben, sondern ist das Ergebnis eines geschichtlichen Prozesses, der mit dem Schöpfungsakt beginnt und erst mit der Heiligtumsgründung endet. Das mit der Abgrenzung von Trockenem und Wasser zunächst erkennbare Bild eines dezentralen Raumes, der nur nach außen hin abgegrenzt ist, erweist sich im Sinne Josephus’ bei der weiteren Betrachtung von P als eine auf ein Zentrum bezogene Struktur. Zunächst wird in der Fluterzählung der menschliche Lebensraum eingeengt, indem die Biosphäre auf den Innenraum
108 Dietrich, Listenweisheit, 377. 109 Dietrich, Listenweisheit, 378.
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der Arche beschränkt wird, während der weitere Raum ‚( תחת השׁמיםunter dem Himmel‘) wieder von Wasser gefüllt wird. Dieses läuft am Ende der Fluterzählung ab. Im ihrem weiteren Verlauf kommt es innerhalb von P in Verbindung mit den adaptierten nP-Anteilen in Gen 10 zu einer Differenzierung der irdischen Räume.110 Zunächst werden die Völker an der Küste und auf den Inseln ( אייםV. 2–5), also in der Hemisphäre, daran anschließend nach den vier Himmelsrichtungen Süden, Osten, Westen und Norden geordnet genannt. Das Zentrum dieser Darstellung bildet Palästina, aus dessen Perspektive der relative Ort der Siedlungsräume beschrieben wird. Dabei bilden die ‚Söhne Noahs‘ den Ursprung menschlichen Lebens in der Biosphäre: „[…] P’s post-flood genealogy describes how the descendants of Noah’s sons – empowered by God’s creation and post-flood multiplication blessing (Gen 1:28; 9:1, 7) – naturally multiply into diverse social groups across various regions and thus (implicitly) fill the earth.“111
Diese in Gen 10 angelegte Zentrum-Peripherie-Perspektive dient zugleich als Grundlage der Raumkonstellationen des Exodusbuches. Der Ägyptenaufenthalt Israels wird in P als Existenz in einer vom Wasser umgebenen Region beschrieben. Dieses wird insbesondere an der Aufnahme des traditionellen Stoffes vom Durchzug durch das Meer deutlich. Diese wird in der priesterlichen Darstellung der Beschreibung des Weges durch das Wasser in Ex 14,22 (//V. 29) an die in Gen 1 verwendete Terminologie angepasst.112 Auf der nP-Fassung der Erzählung vom Durchzug durch das Meer basierend, wird in P der Weg von der Hemisphäre in das Zentrum beschrieben. Die Zentrum-Peripherie-Vorstellung wird im Weiteren der Priesterschrift ausgedeutet, wobei jeweils das Lager das Zentrum darstellt.113 Auch wenn Gen 10 und Ex 14 Palästina gedanklich als irdisches Zentrum voraussetzen, wird als irdisches Zentrum und als Ort der Gegenwart JHWHs anders als in den Texten der Königszeit nicht Jerusalem genannt. Dies weist auf die Heiligtumskonstruktion ab Ex 25 voraus. Das in der Wüste errichtete Heiligtum ist transportabel, sodass sich das irdische Zentrum mit ihm verschiebt. Was dauerhaft bestehen bleibt, ist die relative Zuordnung des heiligen zum profanen Bereich. Die Zuordnung basiert auf einer Trennung zwischen dem Lager als Bereich des Heiligen und dem Umfeld des Lagers, der als profan gilt. Innerhalb des Lagers ergibt sich dann eine weitere Differenzierung zwischen dem Heiligtum in seiner Mitte 110 Zur Redaktionsgeschichte und der Verbindung von P- und älteren nP-Textanteilen vgl. Levin, Jahwist, 124, und Carr, Genesis 1–11, 294–299. 111 Carr, Genesis 1–11, 307f. 112 Vgl. Utzschneider/Oswald, Exodus 1–15, 315. 113 Vgl. das Schema in Janowski, Anthropologie, 401.
Die priesterschriftliche Raumordnung
und den Zelten der Gemeinde. Das Heiligtum wiederum besitzt eine Aufteilung, die wie die Tempelkonstruktion in Ez 40–43 an überkommene Traditionen aus der Königszeit anschließt. In der Mitte des Zeltes entsteht ein nach allen Seiten hin abgegrenzter Bereich, der mit einem Vorhang abgetrennt wird. Auf diese Weise wird das ‚Allerheiligste‘ ( )קדשׁ הקדשׁיםvom ‚Heiligen‘ ( )הקדושׁgeschieden (Ex 26,12–37). Das Allerheiligste darf der Priester nach V. 2–4 nicht zu jeder Zeit betreten. Dies ist nach V. 29 nur zum Sühneritus am Jom-Kippur, also am zehnten Tag des siebten Monats und damit einmal jährlich möglich. Das ‚Heilige‘ ist wiederum der Ort, an dem der Priester abgeschieden von der Volksgemeinschaft täglich tätig ist. Umgeben wird das als ‚Begegnungszelt‘ ( )אהל מועדkonstruierte Heiligtum von einem Vorhof (Ex 27,9–19). Während in der Anleitung zum Bau der Ort, an dem der Brandopferaltar stehen soll, nicht benannt wird, gibt Ex 40,6 den Standort לפני ‚( פתח משׁכן אהל־מועדvor der Öffnung des Begegnungszelts‘) an. Der Vorhof dient zugleich als Transitzone zwischen dem Lager und dem Heiligtum. Bezogen auf den Opferkult wird die ‚Öffnung des Begegnungszeltes‘ ( פתח אהל מועדLev 17,5 u.ö.) zu dem Ort, an dem die Mitglieder der Volksgemeinschaft ihre Opfertiere oder -gaben dem Priester übergeben.114 Zutritt und Verlassen des Bereiches des Heiligtums sind für die Priester an Riten gebunden. Dies wird in den Regelungen für den יום כפורsichtbar. Nach Lev 16,23–28 muss der Hohepriester nach den Opferhandlungen im Allerheiligsten seine Kleider im Heiligtum zurücklassen und sich nach dem Ritus waschen. „Seine Waschungen dienen nicht der Entfernung von Unreinheit, sondern dazu, Abstand vom Zustand der Hoch-Heiligkeit zu gewinnen. Die kipper-Riten von Lev 16, die der Hohepriester als ureigene Aufgaben vollzieht, machen diesen nie unrein.“115
Ein vergleichbarer Ritus wird auch beim Übergang zwischen der Wüste/Steppe und dem Lager vorausgesetzt. So müssen diejenigen, die zum einen den Bock für Asasel in die Wüste bzw. in eine ‚( ארץ גזרהabgeschittenes Land‘) führen (Lev 16,22), zum anderen den Jungstier und den Bock außerhalb des Lagers verbrennen, vor ihrer Rückkehr ins Lager und damit in die Volksgemeinschaft, sich und ihre Kleider waschen. Dies ist als Schutz für die Gemeinschaft und des Raumes vor materia peccans nötig. Dieselbe Intention ist auch in den gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit Unreinem in Lev 13,1–14,32 zu entdecken. In Lev 13,46 wird der Zusammenhang
114 Zur Raumkonstellation in P vgl. Rudman, Azazel-goat, 398–400, der das Heiligtum als „microcosmos of creation“ (Rudman, Azazel-goat, 398) und die Wüste als „home of chaos“ (Rudman, Azazel-goat, 399) und damit als Kontrastelemente versteht. 115 Hieke, Levitikus 16–27, 593.
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zwischen dem kultischen Status eines Menschen und dem Raum, in dem er sich aufhalten darf, sichtbar. Alle Tage, die der Ausschlag an ihm ist, gilt er als unrein, da er unrein ist. Allein soll er lagern, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein.
Die Einleitung ‚( כל־ימי אשׁרalle Tage, an denen‘) zeigt, dass der Zustand nur temporär ist und damit der Bereich des Profanen wieder verlassen werden kann. Das Abklingen des Ausschlags und eine Reintegration in die Lagergemeinschaft116 ist nach Lev 14,1–13 dann durch einen priesterlichen Ritus möglich, wenn der Priester zunächst an der Lagerstätte des Aussätzigen die Heilung feststellt, er anschließend einen Reinigungsakt vollzieht und der zuvor Ausgeschlossene danach sich und seine Kleider reinigt.117 Dieser Ritus markiert eine liminale Phase, durch die zunächst ein Statuswechsel vom Unreinen zum Reinen und dann ein Raumwechsel vom Profanen zum Heiligen ermöglicht wird. Dies zeigt, dass die Raumkonstruktion in PG vom Kult in der Wüste her gedacht ist. Dies ändert sich mit den späteren Schichten, die auf den Erfahrungen des Lebens im Land aufbauen und eine derart kategoriale Trennung nicht mehr kennen.118 In der Erweiterung von Lev 13,1–14,32 durch Lev 14,33–54 wird die Aussonderung von unreinen Lebewesen auf Material übertragen. Die Zäsur zwischen Lev 14,32 und V. 33 ist zunächst durch die in V. 32 gebotene Torahformel (‚ זאת תורת אשׁרdies ist die Torah, die …‘) als Kennzeichen des Textabschlusses sowie die neue Anrede ‚( וידבר יהוה אל־משׁהund JHWH sprach zu Mose‘) in V. 33 sichtbar.119 Perspektivisch ist Lev 14,33–54 dann nicht mehr vom Aufenthalt in der Wüste geprägt, sondern setzt mit den Anweisungen zur Reinigung von aussätzigen Immobilien ein Leben im Land voraus.120 In dem Fall, dass Häuser von einem Aussatz befallen sind, erfolgt kein Reinigungsritus. Stattdessen müssen die betroffenen Flächen erneuert werden. Das befallene Material muss nach Entfernung vom Gebäude an einem unreinen Ort außerhalb der jeweiligen Stadt entsorgt werden (V. 39f.). Dies stimmt mit der priesterlichen Taxonomie insofern überein, als dass das Unreine ( )טמאin
116 Noth, 3. Mose, 90f., vermutet, dass der Hinweis auf das Lagern außerhalb des Lagers eine spätere Kontextualisierung des Gebots bezogen auf die in P geschilderte Wüstenwanderung ist. 117 Vgl. Wenham, Leviticus, 209: „For seven days the man had to live outside his tent (v. 8). In other words, his reintegration into the covenant community was not complete, until on the eighth day he was permitted to bring sacrifice in the tabernacle.“ 118 Gorman, Ideology, 62. Weiter zu den Räumen, die in Lev 16 erwähnt werden, vgl. Gorman, Ideology, 72f. 119 Vgl. Hieke, Levitikus 1–15, 509–512. 120 Diese gesetzliche Regelung setzt bereits die Einnahme des Landes voraus und ist als spätere Ergänzung von Lev 14 zu deuten. Vgl. Wenham, Leviticus, 211f.
Die priesterschriftliche Raumordnung
den Bereich der Profanität ( )חולüberführt werden muss, damit es nicht mehr mit dem Heiligen ( )קודשin Kontakt kommt. Dabei wird in Lev 14,40 aber nicht einfach zwischen dem Lager und seinem Umfeld geschieden, sondern ein Bereich des Profanen als ‚unreiner Orte‘ ( )מקום טמאausgesondert.121 Damit wird deutlich, dass zwar die Stadt als Ort des Heiligen gilt, das Umfeld dann aber ein locus permixtus ist, der einzelne Orte umfasst, die als unreine ausgewiesen werden. Profanität wird damit nicht mehr grundsätzlich als unreiner Bereich verstanden. Vielmehr spricht aus dieser Regelung eine Notwendigkeit menschlicher Sozialisation, da sich Verunreinigungen nicht vermeiden lassen.122 Der Bereich des Profanen wird in PS als ein Ort verstanden, in dem lebens- und gegenweltliche Orte nebeneinander platziert sind, es aber nicht per se zu einer Verunreinigung des Menschen kommt.123 So ist ein Transfer zwischen der Stadt und dem Umfeld möglich, ohne dass Menschen eine liminale Phase mit Reinigungsriten durchleben müssen. Lev 14,33–54 deutet sich eine graduelle Differenzierung innerhalb des profanen Bereichs an, die in den Texten des Heiligkeitsgesetzes für die Beschreibung des Lebens im ‚heiligen Land‘ grundlegend ist. Zu diesen Texten gehören Lev 18 und Lev 20, die Regelungen zum Schutz der Entheiligung der Volksgemeinschaft durch kollektive Schuld mit der Folge einer Verunreinigung des Landes (Lev 18,24–30; 20,22–26)124 umfassen. Um eine solche zu vermeiden, wird nach Lev 18,25 eine Trennung herbeigeführt, auf dass im Land nur noch Israeliten und Fremde, die sich an die Gebote Gottes halten, leben dürfen.125 Durch diese Regelung wird das Land als ‚heiliges Land‘ zu einem abgegrenzten Bereich, das nur nach einer in der Darstellung von H einmaligen liminalen Phase betreten werden darf.126 Die zu ihr gehörigen Riten werden in Lev 19,23–25 121 Vgl. Milgrom; Leviticus 1–16, 872, und Hieke, Levitikus 1–15, 517, der darauf hinweist, dass es den Begriff מקום טמאnur an dieser Stelle gibt. Er sieht ihn als Pendant zu ‚( מקום טהורreiner Ort‘), an dem nach Lev 4,12; 6,4 Abfälle von Opfern gelagert werden. Dieser Ort liegt außerhalb des Lagers. Nihan, Priestly Torah, 276, zeigt, dass Lev 14,33–53 trotz des Unterschieds Lager/Stadt zur Grundschicht von P in Lev gehören und auf älteres Material zurückgehen: „Once P included the older collection on scale disease in his own narrative and hermeneutical framework, the instruction of houses, contrary to those on persons and fabrics, did no longer fit into the wilderness setting; hence the need to preface it with a reference to the entry into the promised land (v. 34).“ 122 Vgl. Hieke, Levitikus 1–15, 517. 123 Vgl. Gorman, Ideology, 55–57. 124 Vgl. Wenham, Leviticus, 260f. 125 Vgl. Hieke, Levitikus 17–26, 693: „Er muss sich nicht an bestimmte kultische Gebote halten, die seiner Religion widersprechen würden – aber er muss sich an bestimmte Verbote halten, die die gesamte Lebensgemeinschaft in einem Gebiet betreffen.“ 126 Regelungen für einen einfachen Austausch zwischen dem ‚heiligen Land‘ und anderen Ländern werden in Lev 17–26 nicht genannt. Der Übergang in das Land wird in H als ein einmaliges geschichtliches Ereignis dargestellt. Ein späteres Verlassen und wieder Hineinkommen sind nicht angedacht.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
formuliert. Sie müssen eingehalten werden, damit die Produkte des Landes konsumiert werden dürfen. Zugleich wird von den Bewohnern ein besonderes Verhalten erwartet. Weitere Regelungen für das ‚heilige Land‘ werden in Lev 19,9f. mit dem Verbot des zweiten Schnitts und Lev 25 mit dem Sabbatjahr (V. 1–7), dem Erlassjahr (V. 8–22), den Bestimmungen für die Einlösung von Grundbesitz (V. 23–34), dem Zinsverbot (V. 35–38) und den Bestimmungen über die Einlösung von Schuldsklaven (V. 39–55) genannt. Als Grund für diese besonderen Regelungen wird in Lev 25,55 die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten angeführt. Mit diesen in H dokumentierten Regelungen für das Leben im Land wird ein weiterer Entwicklungsschritt in der priesterlichen Raumordnung deutlich: Während PG mit der Etablierung eines Heiligtums im Zentrum im Laufe der Wüstenwanderschaft eine kategoriale Trennung von heiligem Lager und profanem Umfeld als Ort alles Unreinem annimmt, die Ergänzung in Lev 14,33–54 sich bereits auf ein Leben in Städten bezieht und das Umfeld als locus permixtus versteht, stellt H das Land als heiligen Bereich dar, der nach außen und damit vom Profanen abgegrenzt ist. Hier gehen dann Kultregelungen und Sozialordnung ineinander über und führen so zu einer Raumordnung. „The cultic order and the social order are part of – reflecting in their own structure and in turn helping the structure – the cosmological order.“127
6.5
Das Symbolsystem des priesterschriftlichen Heiligtums
Verändert sich die Raumordnung im Laufe der Redaktionsgeschichte priesterlicher Texte, so bleibt die Deutung des Heiligtums und mit ihm des räumlichen Zentrums durch alle Schichten hindurch konstant. Der Lage des Heiligtums entsprechend, ist der in ihm vollzogene Sühneritus für das Leben Israels von zentraler Bedeutung.128 Diese wird in vollem Umfang erst durch die Veränderung des Symbolsystems des königzeitlichen Tempels sichtbar. Die Transformation des Systems wird zunächst durch eine abweichende Verwendung des Begriffs ‚( שׁכןsich niederlassen, wohnen, einwohnen‘) deutlich. Während der Begriff in der vorexilischen Tempeltheologie die dauerhafte Einwohnung JHWHs in sein Heiligtum beschreibt, mit der seine Präsenz als thronende Gottheit hergestellt ist, ergibt sich von Ex 25,8; 29,45f. her ein andersartiges Verständnis. שׁכןwird an diesen Stellen zusammen mit יעדni. (‚begegnen‘) verwendet. Das ‚sich Niederlassen‘ hat eine Begegnung zur Folge. Das Heiligtum wird dementsprechend als ‚( אהל מועדZelt der Begegnung‘) bezeichnet. שׁכןmeint demnach also nicht einen dauerhaften Vorgang, sondern bezeichnet die Bewegung Gottes in das Heiligtum
127 Gorman, Ideology, 44. 128 Vgl. Blum, Studien, 332.
Das Symbolsystem des priesterschriftlichen Heiligtums
hinein, die auf eine Begegnung zielt. Diese erfolgt zunächst am Sinai, um Mose zu instruieren, wie er das Heiligtum errichten soll, im Anschluss dann oberhalb der ‚( כפרתSühnemal, Sühneort‘129 ). Die כפרתist eine Goldplatte, die auf einem offenen Kasten platziert wird und auf der die Begegnung zur Sühne des Volkes am Jom Kippur (Lev 16) stattfindet. „In theologischer Hinsicht markiert diese den Ort der Gottesnähe, an dem JHWH nach Ex 25,22 Mose begegnen und mit ihm alles reden wird, was er ihm für die Israeliten auftragen wird.“130 Die Lade, auf der die כפרתruht, dient allein als Transportuntersatz. Seitlich sind auf ihr zwei Keruben aufgebracht, die als „Grenze zur göttlichen Sphäre“131 dienen. Auf ihnen kommt JHWH einmal im Jahr an diesen Ort, um dem Priester im Heiligtum zur Sühne des Volkes zu begegnen. Im Gegensatz zur dauerhaften Präsenz JHWHs im vorexilischen Tempel deuten die Symbole der göttlichen Sphäre auf eine temporäre Epiphanie und den Sühneritus hin. Teil des Symbolsystems des Sühnekults sind auch drei Gegenstände des priesterlichen Ornats. 1. Der ‚( אפדEphod‘) trägt die zwölf Namen der Stämme Israels und soll daran erinnern, dass sie das Heiligtum errichteten. 2. In der „Brusttasche lagern die Steine ‚Urim‘ und ‚Tummim‘, durch die „das gerechte, im Gesetz niedergelegte, der göttlichen Weltordnung gemäße Verhalten der Israeliten“132 bezeugt wird. 3. Das Diadem des Kopfbundes des Priesters trägt die Inschrift ‚( קדשׁ ליהוהheilig für JHWH‘), durch das eine Zuordnung des Priesters zu JHWH erfolgt. Die Farbgebung des priesterlichen Ornats entspricht der des Heiligtums, sodass der Priester als Repräsentant Israels zugleich als „Teil der göttlichen Sphäre“133 erscheint. Die Funktion der Gegenwart JHWHs und der Gottesbegegnung erfährt durch die Priesterschrift damit eine wesentliche Neuerung. Gott tritt seinem Volk gegenüber Sühne schaffend auf. Die mit der dauerhaften Präsenz im Heiligtum verbundene juridische Funktion, die vor allem durch die Thronträger symbolisiert wurde,134 wird auf den Sühnekult konzentriert. JHWH erscheint nach P in einem von ihm geordneten Kosmos zur Befreiung seines Volkes von חטא. Dies wird erst in späteren
129 130 131 132 133 134
Vgl. Janowski, Sühne, 279–341; Janowski, Wanderung, 28. Janowski, Wanderung, 28f. Janowski, Wanderung, 29. Utzschneider, Raum, 30. Utzschneider, Raum, 29; vgl. weiter Janowski, Wanderung, 31. Vgl. Keel/Uehlinger, Sonnengottheit, 293: „Jahwe hat sich im 10. Jh. als Garant des Jerusalemer Königshauses etabliert und damit eine Rolle des Sonnengottes - sei es des hurrithisch-hethitischen, des ägyptischen oder der Jerusalemer Sonnengottheit - übernommen.“
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
Zusätzen zu P in Lev 10,1f.; Num 16,31f. mit der Beschreibung eines göttlichen Gerichts bei illegitimen Kultpraktiken auf weitere Rechtsfälle ausgeweitet. Mit dem Symbolsystem des Heiligtums wird die sich in der Raumordnung abzeichnende Struktur theologisch begründet. Die Welt wird als ambivalenter Raum wahrgenommen, in dem es zur Verunreinigung von Menschen kommen kann. Diese zu überwinden ist Aufgabe des priesterlichen Kultes. Dazu ist das Heiligtum vor Verunreinigung zu schützen, um den in ihm vollzogenen Sühnekult dauerhaft möglich werden zu lassen. Der Sühnekult führt dann dazu, dass der Mensch von Sünde befreit wird und so als von Gott geschütztes Wesen in einer ihn gefährdenden Welt lebt.
6.6
Das priesterschriftliche Zeitschema
Das Erscheinen JHWHs über den Keruben einmal im Jahr am zehnten Tag des siebten Monats setzt ein Zeitschema voraus, dessen Entstehung in der priesterschriftlichen Darstellung mit der Schaffung der Biosphäre in Gen 1 verbunden wird.135 Tag und Nacht werden Himmelskörper zugewiesen, die den Tag (Sonne) und die Nacht (Mond und Sterne) beleuchten (V. 14–17).136 Die Tageszählung wird in Gen 1 mit dem an jedem einzelnen Tag geleisteten Schöpfungswerk in Verbindung gebracht. Damit wird eine altorientalisch geprägte Bedeutung des Tages auch in der alttestamentlichen Kosmogonie sichtbar. „Ein besonderes Merkmal dieser frühen schriftlichen Repräsentation der gezählten Zeit besteht in der Anbindung des chronometrischen Systems an die Meta-Kategorie der ‚Arbeit‘ bzw. der ‚Leistung‘.“137 Die Funktion der Zeit wird in Gen 1 dann über den Tagesrhythmus ausgedehnt, indem an die Gestirne der jahreszeitliche Rhythmus gebunden wird (Gen 1,14b). Aus dem Ablauf der Schöpfung wird mit der Woche als Abstand von Sabbat zu Sabbat schließlich eine letzte kalendarische Einheit auf endredaktioneller Ebene abgeleitet (Gen 2,2f.). Der Aufbau der Erzählung zeigt, dass die Aufteilung der Erschaffung der für die Zeitbestimmung relevanten Himmelskörper und die Beschreibung ihrer Bedeutung an den Tagen 1, 4 und 7 die gesamte Erzählung gliedert.138
135 Vgl. Guillaume, Re-Readings, 61. 136 Zur redaktionellen Gestaltung von Gen 1 vgl. die Beobachtungen von Berner, Sabbat, 573–575, der aufzeigt, dass Gen 1,3–5 sowie Gen 2,2–4a eine spätere Ergänzung des Textes sind. Vergleichbare Beobachtungen auch bei Levin, Tatbericht, und Krüger, Schöpfung. 137 Cancik-Kirschbaum, Zeit, 33. 138 Vgl. Guillaume, Re-Readings, 61.
Das priesterschriftliche Zeitschema
Durch die Schaffung der Gestirne wird die in der Biosphäre ablaufende Zeit in Tage, Wochen, Jahreszeiten und Jahre bestimmt.139 Mondphasen werden im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht nicht berechnet, was wohl als bewusste Absetzung von zeitaktuellen babylonischen Traditionen zu verstehen ist. „The conspicuous absence of months in the calender units listed in Gen 1:14 signals in no ambiguous terms a break from the Babylonian lunar month, a break that could have been motivated by Nabonidus’ devotion to the moon-god Sîn from Haran.“140
Diese bewusste Abkehr von dem sich am Neumond orientierenden Kalendern, wie sie aus der phönizisch-kanaanäischen sowie der aramäischen Kultur bekannt sind, wird zunächst an der Bedeutung des Tages als Zeit der Arbeit, dann auf endredaktioneller Ebene an der Hochwertung des siebten Tages als Ruhe- und Gedenktag deutlich. Diese Beschränkung fällt im Vergleich mit 2Kön 4,23; Jes 1,13, Hos 2,13; Am 8,5 besonders auf, nennen diese Texte neben dem Sabbat den Neumond als Festtag. Zum anderen sind mit den Monaten Abib, Ziv, Etanim, Bul und u. U. S.ah. im Alten Testament Monatsnamen belegt, von denen zumindest auch Etanim (KAI 37A Z. 1.3;141 41 Z. 4), Bul (KAI 14 Z. 1; 32 Z. 1; 38 Z. 2)142 und S.ah. (Tel Arad C 287 Z. 4) auch in kanaanäischen bzw. phönizischen Inschriften und damit im Zusammenhang mit Mondkalendern belegt sind.143 Die breite Bezeugung im Alten Testament sowie in der Umwelt Israels zeigt, dass die Nichterwähnung der Mondphasen im priesterschriftlichen Schöpfungsbericht auffällig ist.144 Die sich in P zunächst ausbildende Konstruktion einer Bindung der Zeit an die Arbeitsleistung (Tag) und dann in der Fortschreibung in eine Unterteilung der Tage in Arbeits- und Ruhephasen, woraus sich schließlich eine aus sieben Tagen bestehende Woche ergibt, führt zu einer Monatslänge von 28 Tagen. Würde sich eine priesterschriftliche Monatszählung, die im Festkalender Lev 23 zugrundeliegt, auf ein solches Regelsystem beziehen, wäre dies weder mit dem Sonnenjahr
139 Vgl. Müller, Zeitkonzepte, 222. 140 Den Verzicht auf eine Angabe von Mondphasen deutet Guillaume, Re-Readings, 61, als eine Unterdrückung babylonischer Traditionen. 141 KAI 1, 8 Text 37A. 142 KAI 1, 3 Text 14; KAI 1, 7 Text 32; KAI 1, 8 Text 38. 143 Vgl. Albani, Feste, 115–119. Gegen diese Bezeugung legt der Festkalender in Lev 23 zwar diese babylonischen Monatsnamen zugrunde, folgt dabei aber einer Zählung von Monaten, die keine Monatsnamen aufweist. Nach Albani, Feste, 124–127, lässt sich diese Zählweise auf verschiedene Kalendertypen beziehen. 144 Der Mondkalender besaß in dieser Zeit eine hohe Bedeutung für den profanen Alltag sowie für den Kult, da „dessen Rhythmen kleinteilig und der Beobachtung verhältnismäßig leicht zugänglich sind“ (Cancik-Kirschbaum, Zeit, 34).
159
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
noch mit den Mondphasen in Einklang zu bringen. Das Sonnenjahr wird in einem auf 28 Tage basierenden Kalender nicht vollständig abgebildet, würde dieser 12-Monatsrhythmus eine Jahresdauer von nur 336 Tagen und nicht 364 bzw. 365 Tage ergeben.145 Gegen diese nicht an den Himmelsgestirnen orientierte Monats- und Jahreseinteilung weist die mesopotamische Tradition im 1. Jt. v. Chr. eine Synchronisierung von Mondkalender, der in Mesopotamien durch mul.apin repräsentiert wird und eine 360-Tage-Dauer für ein am Mondlauf orientiertes Jahr vorsieht, und Sonnenjahr auf.146 mul.apin als in seiner Grundlage lunarer Kalender (12 x 30 Tage mit dem ersten Tag zu Neumond, dem 15. Tag zu Vollmond) wurde auf diese Weise zu einem idealen Kalender fortentwickelt, indem der Mondkalender mit dem Sonnenverlauf synchronisiert wurde. Sonnenwende und Tagundnachtgleiche werden mit dem 15. Tag in den Monaten 1, 4, 7 und 12 verbunden.147 „This artificial scheme was used for administrative purposes, to calculate durations rather than actual dates.“148 Die aus dem Ablauf der Mondphasen entstehende Differenz zum Sonnenjahr wurde durch einen 13. Monat in jedem dritten Jahr interkaliert. Innerhalb der priesterschriftlichen Tradition zeigt sich eine andere Entwicklung des Kalenders, da der Mondkalender scheinbar bewusst ignoriert wurde. So wird allein die Differenz zwischen dem priesterlichen Idealkalender,149 der sich rein am Sabbat orientiert, und dem Sonnenlauf durch Interkalierung ausgeglichen. Die Angleichung erreichten die Verfasser*innen von P, indem sie zu den Monaten 3, 6, 9 und 12 jeweils drei, in den weiteren Monaten jeweils 2 Tage auf insgesamt 364 Tage ergänzten.150 Legt man die Schöpfung der Himmelsgestirne an Tag 4 der Schöpfung zugrunde, beginnt die Zählung drei Tage vor dem Sabbat (s. Tabelle 2).151
145 Zur Entwicklung des Sonnenkalenders vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 163: „A true astronomical calendar eliminates the shortcomings of both the solar and lunar calendars. It is much easier to monitor the movement of the stars at night than the apparent motion of the Sun during the day, and the stars return to their original positions every 365 days, eliminating the need to intercalate leap years as in the lunar calendar. […] Hence, an ideal astronomical calendar of twelve months of 30 days came into being. It must be stressed, however, that a better approximation of the true astronomical and solar years was known by the Neo-Assyrian period. In Mul-Apin II ii 11–12, the year is said to consist of twelve months plus ten additional days.“ 146 Vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 151f. Diese Zählung ist bereits seit der Wende vom 4. zum 3. Jt. v. Chr. üblich; vgl. Cancik-Kirschbaum, Zeit, 33. 147 Vgl. Hunger/Pingree, mul.apin, 139f. 148 Guillaume, Re-Readings, 60. 149 Albani, Feste, 132, erkennt in ihm eine Loslösung von astronomischen Beobachtungen und damit eine Abkehr von mesopotamischen Wissenschaftstraditionen. 150 Vgl. Albani, Feste, 133, und Guillaume, Re-Readings, 61. 151 Vgl. Guillaume, Re-Readings, 61: „This calendar is used in the Pentateuch, Ezekiel, Haggai, Zechariah, Chronicles, Ezra-Nehemiah, in some Dead Sea scrolls, and in the books of 1 Enoch and Jubilees. The biblical flood begins on a Sunday (Gen 7:11), and the arch rests on Ararat on a Friday, in order to respect the Sabbath (Gen 8:4). This resembles the redactional dates in Assyrian
Das priesterschriftliche Zeitschema
Tabelle 2: Guillaume, Re-Readings, 61. Vgl. Tabelle III bei Albani, Feste, 133. Weekday Wednesday Thursday Friday Sabbath Sunday Monday Tuesday
1 2 3 4 5 6 7
Months I, IV VII, X 8 15 22 29 9 16 23 30 10 17 24 11 18 25 12 19 26 13 20 27 14 21 28
1 2 3 4 5
Months II, V, VIII, XI 6 23 20 27 7 14 21 28 8 15 22 29 9 16 23 30 10 17 24 11 18 25 12 19 26
Months III, VI, IX, XII 4 11 18 25 5 12 19 26 6 13 20 27 7 14 21 28 1 8 15 22 29 2 9 16 23 30 3 10 17 24 31
Die Einteilung des Jahres in 364 Tage weist eine Diskrepanz zum in neuassyrischer Zeit dokumentierten 365 Tage-Sonnenjahr auf, sodass weitere Korrekturen vorgenommen werden mussten. Dies wird an einer Besonderheit des priesterschriftlichen Festkalenders in Lev 23 deutlich. In ihm werden der Sabbath als wöchentlicher Festtag (V. 3) und danach die an Monaten und Tagen orientierten Feste genannt: Pessach am 14. Tag des ersten Monats (V. 5) ‚Gedächtnis‘ ( )זכרוןam ersten Tag des siebten Monats,152 Jom Kippur am zehnten Tag desselben Monats (V. 27; vgl. Lev 16,29) sowie vom 15. Tag des siebten Monats das Laubhüttenfest, das sich über sieben Tage erstreckt (V. 34). Der Beginn des siebten Monats, in dem die Mehrzahl der Feste abgehalten wird, wird nach Lev 23,24 durch das Blasen des Horns als Signal für den Festmonat eingeleitet. Die Woche, zu deren Beginn das Horn geblasen wird, bleibt bezogen auf den Jahresablauf jedoch variabel und kann so von Jahr zu Jahr verschoben werden.153 Auf diese Weise werden die für den Ablauf des Sonnenjahres in der um einzelne Tage ergänzten Sieben-Tage-Zählung
annalistic texts that correspond to favorable days in hematological lists. The travels of the Patriarchs respect the seventh-day rest, and during their exodus, the children of Israel do not start off or arrive on a Sabbath day (Exod. 12:31; 16:1). The perfect seven-day structure of the calendar reflects creation as it is described in Genesis 1.“ Weiter verweist er darauf, dass der sich auf den Sabbath ausrichtende Kalender der zoroastrischen Tradition entspricht: „Instead of an irregular succession of lunar months of 29 or 30 days, the sabbatical calender opted for the succession of Egyptian 30-day months corrected with the addition of one day at the end of each trimester. The attribution of the additional days of the Zoroastrian calendar to Ahura Mazda as creator increases the likelihood that the religious legitimating of the sabbatical calendar in Genesis 1 is of Zoroastrian inspiration […]“ (Guillaume, Re-Readings, 66). 152 Kohl, Sanctuary, 20, verweist auf die identische Zählweise in Ex 12,18. 153 Vgl. Guillaume, Re-Redings, 65f.: „The reason for blowing the trumpet on the day of Teruah is to signal to the population the beginning of month seven, something that is not obvious if one or two weeks are added at the end of the month six during leap years. As leap years occurred only every seventh year, hearing the trumpet on the morrow of the last day of month six let the people know that the current year was an ordinary with 52 weeks. When they heard the trumpet seven or fourteen days after the last day of month six, they knew that the current year was a leap year of 53
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
fehlenden Tage interkaliert, indem alle sieben Jahre eine Woche, alle 28 Jahre eine weitere zusätzliche Woche hinzugefügt wird.154 Verbunden mit der Entwicklung der Zeiteinteilung ist auch eine Fortentwicklung der Raumordnung, die mit den sich verändernden Lebensbedingungen einhergeht. Sind die Regelungen in P mittels der älteren Festkalender (Ex 23; Dtn 16) zunächst auf die ursprüngliche Raumordnung mit einem in der Mitte des Wüstenlagers bestehenden Heiligtum bezogen, verändern sich diese in Lev 23. Dies wird vor allem im Vergleich der Beschreibung der Jahresfeste mit dem Festkalender Dtn 16,1–17 deutlich. Dtn 16 sieht eine Feier der Feste allein am Heiligtum in Jerusalem vor. Dies gilt sowohl für das Pessach/Mazzot (V. 2) als auch für das Laubhüttenfest (V. 15). Lev 23 löst diese örtliche Bindung auf. Pessach wird als Familienfest, Mazzot als Fest in der Gemeindeversammlung gefeiert. Das Wohnen in Laubhütten derjenigen, die zum Sukkot nach Jerusalem kommen (Dtn 16,15), wird zu einem Gemeindefest, das an jedem Ort gefeiert werden kann. „Die Festzeiten JHWHs werden in einer Weise beschrieben, wie sie auch ohne Heiligtum vollzogen werden können.“155 Eine Wiederaufnahme von Wallfahrtstraditionen, die durch die Eintragung des redaktionellen Stückes Lev 23,39–43 möglich wird,156 wird damit nicht ausgeschlossen, auch wenn das Fest der ersten Gabe (V. 9–14) nicht mehr als ‚( חגWallfahrtsfest‘) gefeiert wird.157 „Aus den Hütten für die Wallfahrer nach Jerusalem entsteht das Gebot für alle, sieben Tage lang in Laubhütten zu wohnen (V. 42a). Dieses Tun ist nun überall möglich, auch weit weg vom Heiligtum in der Diaspora.“158 Diese in Lev 23,39–43 zu beobachtende Transformation der Festbestimmungen aus Dtn 16,13–15 führt also dazu, dass das Fest an jedem Ort zur gleichen Zeit gefeiert wird. Damit erhält die Zeit eine für die Gemeinschaft konstitutive Funktion. Das gleichartige Handeln an unterschiedlichen Orten ist ein Zeichen für die Zugehörigkeit
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157 158
oder 54 weeks, respectively.“ Weiter vgl. Knohl, Sanctuary, 29, und Nihan, Calenders, 218, die auch auf das Signal zu Jahresanfang in Lev 25,9 hinweisen. Damit nimmt H die Unterteilung des Jahres in zwei Halbjahre auf, die auch in Ez 45 bezeugt ist. Zur Korrespondenz der beiden Monate, in denen die Hauptfeste gefeiert werden, in Lev 23 vgl. Dyma, Wallfahrtsfeste, 80, der das Mazzenund das Laubhüttenfest mit „Frühjahrs- und Herbstäquinoktium“ verbindet. Dieses Schema entspricht den Kalendern, die in 4Q319 und 4Q503 dargestellt werden. Hieke, Levitikus 16–27, 929. Mit Lev 23,39.41 wird das Laubhüttenfest als Wallfahrtsfest gekennzeichnet (vgl. Dyma, Wallfahrtsfeste, 81). Zur redaktionellen Stellung von Lev 23,39–43 vgl. Nihan, Calenders, 187f.: „That Lev 23 was edited can hardly be denied. Vv. 39–43, which repeat vv. 34–36 while expanding them and come too late after the subscript in vv. 37–38, are probably an interpolation“ (mit weiterer Literatur). Vgl. Nihan, Calenders, 218. Hieke, Levitikus 16–27, 928. Knohl, Sanctuary, 23, verweist darauf, dass die Verwendung des Begriffs ‚( יוםTag‘) anstelle von ‚( חגFest‘) darauf hindeutet, dass keine kultische Feier am Heiligtum gemeint ist.
Das priesterschriftliche Ordnungsmuster
zur JHWH-Gemeinde und damit ein Akt der Vergewisserung einer kollektiven Identität aller JHWH-Gläubigen.159
6.7
Das priesterschriftliche Ordnungsmuster
Das von P entwickelte Ordnungsmuster schließt direkt an vorexilische Vorstellungen an, verändert diese jedoch aufgrund zeitaktueller Gegebenheiten. Dies gilt auch für das räumliche Verständnis des Tempels, als dessen Teil eine himmlische Sphäre verstanden wird, in der Gott thront.160 Mit dem Aufbau des Heiligtums inmitten des Lagers, der Beschreibung Ägyptens als Hemisphäre und der Wüste als Transitzone, einer strikten Abgrenzung des Profanen vom Heiligen, einer Beschränkung priesterlichen Wirkens auf das Heiligtum und der Einwohnung Gottes in dieses Zentrum vervollständigt PG die in Gen 1 angelegte Kosmologie, indem in der Biosphäre ein Zentrum und damit ein Ort der Gegenwart JHWHs ausgebildet wird. Dieses Zentrum ist dann aber nicht lokal gebunden, da das Heiligtum nicht mit einem einzelnen Ort verbunden wird, sondern als relationales Raummodell angelegt. Dort, wo der אהל מועדaufgestellt wird, ist das kosmische Zentrum angesiedelt; das Lager umgrenzt den heiligen Raum, während außerhalb des Lagers die profane Peripherie beginnt. Diese stellt einen Ort dar, der kategorial vom Heiligen zu scheiden ist und an den Unreines überführt wird. Die auf die Schöpfung bezogene priesterliche Taxonomie (Trennung von heilig/profan und rein/unrein) erhält auf diese Weise einen räumlichen Bezug, der sich allerdings nicht direkt nach der Schöpfung, sondern erst nach der Installation des Heiligtums ergibt. Diese Raumordnung wird in den Fortschreibungen variiert, indem die Peripherie zunächst als locus permixtus verstanden wird, der unheilige Orte enthält, in
159 Guillaume, Re-Reading, 62f., deutet die Erstellung des priesterschriftlichen Kalenders im Zusammenhang mit einer Kalenderreform im persischen Reich, die sich an den Bedingungen früherer Festkalender orientiert und mit der eine weitere Transformation überkommener Traditionen in persischer Zeit sichtbar wird: „In the third year of Cambyses (527 BCE), Persian scribes were using the Babylonian system of intercalation stabilized by the intercalation of three months over an eight-year cycle. In 503 BCE, the 19th regnal year of Darius I corresponded to the end of the third octaeteris. At this point, instead of starting a fourth octaeteris, the more elaborate Metonic system was introduced. The Metonic cycle involves the intercalation of seven months over a nineteen-year cycle, and this system was generalized after 485 BCE. By contrast, the sabbatical calendar is based on the intercalation of whole weeks. Intercalating whole weeks produces a perpetual calendar that preserves the sanctity of the Sabbath by making sure, for instance, that the day for the preparation of the Passover meal does not fall on a Sabbath, when every kind of work is prohibited.“ Zur Einführung des zoroastrischen Kalenders vgl. Boyce, History, 243–250. 160 Vgl. Koch, Himmlische Wohnstatt, 205.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
späteren Texten dann das gesamte Land als heilig gilt und der Übergang in andere Länder als Überschritt vom Heiligen in das Profane gekennzeichnet ist. In Absetzung von der Lebenswelt, in der die priesterlichen Autor*innen ihre Texte verfassten, vermeiden sie die Darstellung der mit dem Chaos verbundenen dämonischen Wesen, auch wenn sie, wie es die Erzählstrukturen ihrer Texte anzeigen, offenbar um die Vorstellungen wissen. Diese Abgrenzung wird in Gen 1 räumlich begründet, indem das Chaos in die Regionen außerhalb der Biosphäre verbannt wird. Einzig in der Sintfluterzählung dringen die Chaoswasser nochmals in die Biosphäre ein, sodass der Schöpfungsraum auf die Arche reduziert wird. Nach dem Ablaufen der Wasser und durch das Verschließen der ‚Brunnen der Tiefe‘ und der ‚Fenster des Himmels‘ wird die Biosphäre wieder hermetisch abgeriegelt. Damit wird deutlich, dass sich die priesterliche Taxonomie auf drei Ebenen auswirkt: „The separation of conceptual categories focuses on three areas in the Priestly ritual material – space, time, and status – and Priestly ritual functions within the context of nearly defined and demarcated categories of space, time, and status. Each of these conceptual categories is given concrete expression through a foundational image of separation: space in the separation of the holy of holies from all over areas; time in the separation of the Sabbath from all other days; status in the separation of the priests from all other persons. Each of these is said to be ‚set apart‘ and categorically distinct by the Priestly traditions. Thus, the central conceptual element of the Priestly world view that is present in the cosmological, existential, and praxeological elements of the world view, and is operative within the framework of the cosmological, societal, and cultic orders, is the idea that order is established through the careful observation of categorical divisions, through the recognition and maintenance of boundaries.“161
Auf eben diese Trennung ist der am Sinai eingeführte priesterschriftliche Kult als Sühnekult ausgelegt, dessen Symbolsystem im Heiligtum und dessen Zeitschema im kultisch orientierten Jahreskalender sichtbar wird. Auch wenn der Schöpfungsbericht den Menschen als königliche Gestalt kennzeichnet, so verliert der Mensch Anteile seiner Gottebenbildlichkeit im Laufe seiner Geschichte. Nach Gen 5,3 ist im Sohn nicht mehr das Bild Gottes, sondern das Bild seines Vaters zu erkennen. So wird der Mensch im Laufe der Erdengeschichte zu einem gefährdeten Wesen. Anders als nP begründen die priesterschriftlichen Autor*innen diesen Vorgang nicht mit dem ambivalenten Wesen des Menschen, sondern wählen Begriffe zur Darstellung des sich Ereignenden aus, die auf äußere Einflüsse hindeuten. Die Ursache der Verfehlungen bleibt allerdings uneindeutig, wie dies nicht nur an der Begründung der Sintflut in Gen 6,11f., sondern auch an den Eliminationsriten sowie am
161 Gorman, Ideology, 44f.
Das priesterschriftliche Ordnungsmuster
Symbolsystem des Heiligtums zu beobachten ist. Das Ziel des kultischen Handelns ist die Eliminierung von Sünde und damit der Erhalt der Gottesgemeinschaft, die nur dann möglich ist, wenn der Mensch rein und heilig ist. Im Hintergrund einer derartigen Ausrichtung des Kults steht offenbar die Erfahrung des Zerbrechens der Gemeinschaft und der Gottesferne. Das von PG entworfene Ordnungsmuster basiert jedoch nicht nur auf Exilserfahrungen, sondern nimmt auch zeitaktuelle Gegebenheiten auf. Dies wird zunächst an der Rolle des Menschen als Herrscher über die Schöpfung sichtbar. Während P mit dem Herrschaftsauftrag an den Menschen allein sein Verhältnis zu Pflanzen und Tieren beschreibt, fehlt ein politischer Machthaber. Nach P übt kein Mensch Herrschaft über einen anderen aus. Die Führung der JHWH-Gemeinde wird so nicht einem politischen Herrscher, sondern dem Hohepriester zugesprochen. Mit der Konzentration auf den Kult weist PG eine von machtpolitischen Interessen losgelöste Gemeindestruktur auf. Diese orientiert sich allein an der Kultfähigkeit des Menschen. Diese Entpolitisierung scheint mit den Machtverhältnissen der persischen Zeit in Einklang zu stehen. „For P, the Persian period is – to use an anachronistic saying – the end of history: God’s political will has become clear with Achaemenid rule over the world.“162 Diese Position wird in weiteren Teilen der Hebräischen Bibel mit der Berufung Kyros’ II. zum ‚Gesalbten‘ ( משׁיחJes 45,1), der Schau des befriedeten Landes (Sach 1,11) sowie der Ausgrenzung eines neuen davidischen ‚( נשׂיאFürsten‘ Ez 34,24; 44,3) aus dem Tempelbezirk163 und seiner Ansiedlung in der Peripherie zum Ausdruck gebracht und scheint PG vorgegeben zu sein. Vor allem die Vermeidung des מלך-Titels im Buch Ezechiel sowie die politische Entmachtung des irdischen Führers deuten auf die Akzeptanz der persischen Herrschaft hin. P führt diese Entwicklung mit der Ausgestaltung des priesterlichen Gewands in Ex 28f. und der Stellung des Hohepriesters innerhalb des Kultes fort. Dabei wird die in der assyrischen Tradition begründete Vorstellung des Königs als Wesen, das Zugang zur göttlichen sowie zur menschlichen Sphäre besitzt, allein auf den Hohepriester übertragen, auch wenn der Mensch in Gen 1 im Stile der assyrischen Königideologie als Ebenbild Gottes geschaffen wird. Diese Spezifizierung des Hohepriesteramtes wird in den Fortschreibungen des Sacharjabuchs in Sach 3,1–10; 6,9–15 fortgeführt. In diesen Abschnitten erhält der Hohepriester königliche Attribute und wird zugleich als derjenige dargestellt, der Zugang zur göttlichen Sphäre besitzt. Damit werden in P und den von der priesterschriftlichen Tradition beeinflussten Texten Transformationen eines aus der mittleren und späten Königszeit stammenden Weltbildes hervorgerufen, die vor allem von drei Faktoren bestimmt sind:
162 Schmid, Judean Identity, 4f. 163 Zur Kritik am Königtum in Ez 40–48 vgl. Stevenson, Transformation, 109–123.
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Die priesterschriftliche Raumdeutung
1. dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie, 2. dem Abschluss der Biosphäre gegenüber der Unterwelt und 3. dem Wirken des Menschen als Herrscher über diesen Raum. Diese drei Faktoren werden in der weiteren Literaturgeschichte in den P reflektierenden Texten aus unterschiedlichen Perspektiven fortgedeutet. Dies erfolgt in verschiedenen Kontexten und mit variierenden Motiven, doch wird sich im Folgenden zeigen, dass sich in der Auseinandersetzung mit P gemeinsame Tendenzen aufweisen lassen, durch die ein weitgehend übereinstimmendes Ordnungsmuster entsteht.
7.
Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
7.1
Auswirkungen auf die Prophetie
Die aufgezeigten Entwicklungen priesterschriftlicher Kult- und Festregelungen auf ein gemeindliches Gedenken an den Ursprung der Gottesbeziehung und die Fokussierung des richterlichen Handelns Gottes auf die Schaffung von Sühne wirken sich innerhalb der hebräischen Texte nicht nur auf die Kulttheologie, sondern auch auf die eingangs betrachteten prophetischen Schriften aus. Sie beinhalten Fortschreibungen, in denen die Redaktor*innen auf die priesterliche Theologie und das sich aus dieser ergebende Ordnungsmuster reagieren. So ist im Folgenden zunächst nach den Auswirkungen priesterlicher Theologie auf die Entwicklung der Prophetie zu fragen, bevor weitere Schriftbereiche betrachtet werden. Redaktionelle Fortschreibungen, die auf die priesterliche Theologie reagieren, finden sich innerhalb des Buches Sacharja. Dies wird zunächst in Sach 6,9–15 deutlich. Diese redaktionelle Erweiterung des Visionszyklus, die in direktem Zusammenhang mit der Einfügung der vierten Vision in Sach 3,1–8 und seiner Fortführung in den V. 9f. steht,1 überträgt mit ‚( צמחSpross‘) einen Titel auf den Hohepriester (Sach 6,12), der in anderen prophetischen Schriften mit dem König verbunden ist.2 Durch die Integration Jošuas in den göttlichen Thronrat in Sach 3,1–8, „werden auf
1 Vgl. Hanhart, Sacharja 1, 421. In Sach 3,1–7 wird dazu auf eine mit der persischen Administration verbundene Konstellation zurückgegriffen, wie Silverman, Vetting, 20, hervorhebt: „The temporal authority which the satrap had to install and confirm priests as a royal proxy is in Zechariah transferred to the heavenly realm, where the Angel of YHWH fulfills the same role vis-à-vis YHWH himself. In other words, Zech 3 would represent a court of a lower scale than in the pre-exilic period; the king is now only involved by proxy, and so is YHWH.“ 2 Vgl. Lux, Sacharja 1–8, 508: „Bereits das indeterminierte Nomen ( אישׁMann) macht deutlich, dass die Identität der damit angesprochenen Person auch in Sach 3,8 noch unbestimmt und offen ist. Parallel dazu wird in V 13d ebenfalls indeterminiert von ‚einem Priester‘ ( )כהןgesprochen. Es geht daher in dem der Zeichenhandlung (V 10–11) folgenden Redeauftrag (V 12–13) um zwei Funktionen, die eines künftigen ‚Sprosses‘ und eines ‚Priesters‘, nicht aber um namentlich bekannte und als solche bereits identifizierte Personen. Mit dem Titel ‚Spross‘ ( )צמחliegt eine Anspielung auf den in Jer 23,5; 33,15 verheißenen Nachkommen auf dem Thron Davids vor, von dem bereits in Sach 3,8 als einer noch nicht vorhandenen, sondern erst für die Zukunft zu erwartenden Gestalt die Rede war.“ V. 12bβ fehlt LXX und den syrischen Textfassungen. Gegen die lectio brevior ist hier jedoch nicht mit einer nachträglichen Texterweiterung, sondern mit einer bewussten Korrektur zu rechnen, obwohl im Text unklar bleibt, wer der zu erwartende Spross ist. Mit dieser in der späteren Tradition als zukünftige Heilsfigur erwarteten Person wird nicht der Erbauer des nachexilischen Tempels verstanden.
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
eine priesterliche Gestalt königliche und prophetische Merkmale übertragen“3 . Allerdings ist er nicht mit dem ‚Spross‘ identisch, wird dieser doch als ein Kommender charakterisiert (Sach 3,8).4 „Ist der Hohepriester in Sach 3,7 mit der Funktion Moses als Verwalter des Hauses Jahwes in Num 12,7 assoziiert worden, so wird sogar die in Sach 3,8b angekündigte Gestalt ganz wie Mose in Num 12,7 als ‚ עבדיmein Knecht‘ bezeichnet. Dies kann nur bedeuten, daß die in Sach 3,7 dem Hohenpriester übertragenen Funktionen der Oberaufsicht über den Tempel und des unmittelbaren, mosaisch-prophetischen Zutritts zum himmlischen Thronrat durch Sach 3,8b für ein Provisorium bis zum Kommen der in V. 8b angekündigten Gestalt gehalten werden, die nach ihrem Erscheinen das Königliche und das Prophetische aus Num 12,7f. vollgültig übernehmen wird.“5
Auf diese Weise wird in Sach 3; 6 das von P konzipierte Amt eines Hohepriesters auf einen erwarteten Daviden übertragen,6 der jedoch anders als der Stammvater nicht kriegerisch aktiv werden soll.7 Semantische Bezüge zu P ergeben sich nicht allein durch die Bezeichnung הכהן ‚( הגדולHohepriester‘) in Sach 3,8; 6,11. „Joshua is legitimized by his ancestral link to the priestly line within the tribe of Levi, which was established by Aaron, Moses’ brother.“8 Die Bezeichnung ‚( הכהן הגדולHohepriester‘) findet sich innerhalb von P zunächst in Lev 21,10 und wird ob des Kontextes mit dem aaronitischen Priestertum in Verbindung gebracht (vgl. V. 1). Im RP zuzurechnenden Text Num 35,16–34 wird der Titel erneut verwendet, wenn in der Gesetzgebung über fahrlässige Tötung der Aufenthalt des Verursachers in den Freistädten erörtert wird. Die Einsetzung der Aaroniten als einziges Priestergeschlecht, das zum Kult im Allerheiligsten berechtigt ist, wird in Lev 21 bereits vorausgesetzt und wird innerhalb von P in Ex 28 (Ausstattung) sowie Lev 8f. (Einsetzung) geschildert. „Although Joshua’s cleaning recalls the rites of purification for priestly investiture (Lev 8:6–10), Joshua is already the high priest.“9 Die Verfasser*innen von Sach 3,1–7; 6,9–15 setzen bei
3 Pola, Sacharja, 203. 4 Traditionsgeschichtlich kann die Formulierung auf Jer 23,1–6; 33,6–13 zurückgeführt werden (vgl. Pola, Sacharja, 207–213; Boda, Zechariah, 254–259.399). Silverman, Engagements, 205–209, deutet sie konsequent im Sinne einer achämenidischen Motivik, in der die Prosperität im Vordergrund steht, und versteht Dareios I. als ‚Spross‘. 5 Pola, Sacharja, 205. 6 Vgl. Boda, Zechariah, 405. 7 Zum Bezug zur Dynastie Davids vgl. Boda, Zechariah, 386. Delkurt, Nachtgesichte, 175f., weist auf die literarische Nähe von Sach 3,6f. zu 1Kön 2,3f. hin. 8 Boda, Zechariah, 231. 9 Ollenburger, Zechariah, 765. Weiter vgl. Rignell, Nachtgesichte, 105f.
Auswirkungen auf die Prophetie
ihren Leser*innen offensichtlich die Kenntnis dieser Vorgänge voraus, indem sie den Titel הכהן הגדולohne weitere Erklärungen verwenden. In Sach 3,1–7 finden sich darüber hinaus zwei weitere semantische Beziehungen zu priesterschriftlichen Texten. Ein zunächst schwacher Bezug zeigt sich durch die Verwendung von עוןmit Suffix (V. 4). Auswirkungen und Elimination einer an eine Person gebundene ‚Sünde‘ wird in P wiederholt behandelt (Lev 5,1.17; 7,18; 16,22; 17,16; 19,18; 20,17.19; 26,39.43), wird aber auch jenseits der Priesterschrift innerhalb der alttestamentlichen Schriften häufig gebraucht (so in der Prophetie z. B. in Jes 6,7; 13,11; Jer 2,22; 3,13; Ez 3,18; 4,4 u. ö.). Deutlicher auf P verweist die Verwendung des Begriffs ‚( צניף טהורreiner Kopfbund‘). Während צניףallein in nachexilischen Schriften, dann aber nicht in Zusammenhang mit priesterlicher Kleidung erscheint (Jes 62,3; Hi 29,14), wird טהורin den priesterlichen Texten gebraucht, um Kultfähigkeit anzuzeigen. Dies gilt sowohl für die Ausstattung des Heiligtums (Ex 25,11.17.24.29.31.36.38 u. ö.), für Orte (Lev 4,12; 6,4), für Kultteilnehmer (Lev 13,13.17.37.39–41 u. ö.) als auch für Opfertiere (Lev 7,19; 20,25). Im dtn Gesetz werden Tiere, die zur Speise möglich sind, mit diesem Begriff bezeichnet (Dtn 12,22; 14,11; 15,22). Ez 22,26 nimmt die priesterlichen Regelungen ebenfalls auf und klagt darüber, dass die Priester ihrem Auftrag, zwischen ‚ טמאunrein‘ und ‚ טהורrein‘ zu unterscheiden (vgl. Lev 10,10), nicht nachkommen. Der Gebrauch von טהורzur Bezeichnung eines priesterlichen Bekleidungsstückes schließt offensichtlich an diese Tradition an, auch wenn sie in Sach 3,5 verändert wird. „Das Bildgeschehen: der Wechsel der Gewandung beim Sühneritus des Versöhnungstages, ist in der sacharjanischen Vision der Sphäre kultischer Handlung, der Abgrenzung des Heiligen vom Profanen, enthoben – darum hat das einzige Motiv, das in der priesterlichen Tradition hinsichtlich des Gewänderwechsels mit Verschuldung verbunden ist, die Gefahr der Übertragung der Heiligkeit des priesterlichen Gewandes auf das nichtpriesterliche Volk (Ez 44,19), in der prophetischen Deutung, sowohl bei Haggai als auch bei Sacharja, keine Bedeutung mehr; darum ist auch das Tragen des unreinen Gewandes selbst als Verschuldung, ( עוןLev 17,15–16), kein Element der Vision –; der Gewänderwechsel ist lediglich noch Symbol, Gleichnishandlung, für die Rechtfertigung des Sünders, Sühnung seiner in der Unreinheit seines eigenen Gewandes symbolisierten Schuld.“10
Zugleich betont Sach 3,1–10 die Bedeutung der zadokidischen Priesterlinie durch einen engen Bezug zu Ez 44,11 nimmt aber mit der Bezeichnung ‚Spross‘ ( )צמחin 10 Hanhart, Sacharja 1, 187. Zu den Differenzen zwischen der P-Tradition und Sach 3, die als Transformationen einer vorgegebenen priesterlichen Tradition zu verstehen sind, vgl. Hanhart, Sacharja 1, 186–189. 11 Vgl. Boda, Zechariah, 247: „Ezekiel 40–48 has emerged regularly as a passage with similar language to the four conditions of the commission articulated by the heavenly messenger in 3:7. Zechariah
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
Sach 3,8 auch einen Terminus auf, der auf Jer 23; 33 hindeutet.12 Damit fließen in Sach 3,1–8 drei Traditionen zusammen: Die königliche Tradition wird in die priesterliche integriert, sodass der Hohepriester die kultischen Funktionen des Königs übernehmen kann. Der damit einhergehende Verzicht auf ein judäisches Königtum in persischer Zeit schlägt sich auch im Ordnungsmuster nieder. Prophetie als kritisches Korrektiv des Königtums scheint in der vorexilischen Form nicht mehr nötig zu sein, da nur die kultischen Aufgaben des Königs fortexistieren und vom Hohepriester übernommen werden. Allein er besitzt Zugang zur göttlichen Sphäre, auch wenn dieser auf den Jom Kippur reduziert wird. Prophetische Schauungen, wie sie in Jes 6 oder Ez 1–3 mit dem Blick in den göttlichen Thronraum geschildert werden, scheinen hingegen nicht mehr möglich13 und aufgrund des Sühnekults nicht mehr nötig zu sein. So wird die Prophetie in der weiteren Ausbildung der hebräischen Schriften auf eine Fortschreibung tradierter Texte beschränkt. Dieses ist zunächst am Prophetengesetz in Dtn 18,9–22 zu beobachten. In diesem Textabschnitt wird die Prophetie auf eine Übermittlung von göttlichen Worten beschränkt. Damit wird eine Interpretationen von Geschautem untersagt (V. 18).14 Diese Forderung wird in der Fortschreibung des Sacharjabuches so umgesetzt, dass Sach 13,2–6 in einem Gottesspruch das Ende des Auftretens von Propheten ()נביאים, die Visionen haben und diese deuten, verkündet. Auch dieser Text weist terminologische Nähe zu den P-Texten auf, was auf den Einfluss priesterlicher Traditionen auf die spätere Schriftprophetie hindeutet. In Sach 13,2 kennzeichnen die Verfasser*innen das prophetische Handeln als unrein.15 Das angekündigte
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has drawn from his key prophetic tradition that envisioned a future for the Zadokite line through the darkness of the exile (Ezekiel 44).“ Boda, Zechariah, 257f.: „On the one side, it is clear in Zechariah 3 as well as 6:9–15 that Zechariah draws on the Jeremianic hope related to the ‚Levitical priests‘, without reference to Zadok. This echoes the broader emphasis of the Deuteronomic tradition in relation to priestly/Levitical service. On the other side, Zechariah 3 focusses on the reinstatement of a Zadokite priest, which does bring to mind the affirmation given to the Zadokites in Ezekiel 44, where a distinction is clearly made between ‚Levites‘ who went astray (44:10–14) and the Zadokite ‚Levitical priests‘ who kept charge of Yahweh’s sanctuary (44:15–31). While Zechariah here is clearly following the Ezekielian affirmation of the Zadokites through the vision report, the clear allusion to the broader ‚Levitical priests‘ tradition in Jeremiah (via Jeremia 33) suggests some distancing from the Ezekielian agenda. This connection to Jeremiah and distancing from Ezekiel also may be discerned in the fact that the men of a sign are not identified with Joshua, but rather with his associates who sit before him, which may be a reference to the broader Levitical group under his command.“ Zur Einblicknahme in die göttliche Sphäre in den visionären Texten alttestamentlicher Prophetie vgl. Wagner, Jesaja 6, 72f. Vgl. Ollenburger, Zechariah, 831. Vgl. Boda, Zechariah, 723, und Redditt, Sacharja 9–14, 128. Dyma, Sacharjabuch, 117, weist darauf hin, dass in V3b keine Differenzierung vorgenommen wird und daher alle Propheten gemeint sind.
Auswirkungen auf die Prophetie
Ende wird mit dem von den Propheten praktizierten Götzendienst begründet.16 Die Götzen werden aus dem Land verbannt, ebenso der Geist der Unreinheit ()רוח הטמאה, so dass eine Prophetie, wie sie bisher in Israel bekannt war, nicht mehr möglich ist. In seiner Negativwertung von Prophetie wird in diesem Text damit vor allem auf das Phänomen der falschen Prophetie Bezug genommen (vgl. Dtn 18,20).17 Hier zeigen sich erneut redaktionelle Querverbindungen. Eine Verbindung zum dtr Prophetengesetz stellt bereits Sach 3,1–10 durch die Referenz auf Jer 23,16–22 her.18 In einem Gottesspruch, der sich gegen die falsche Prophetie in Samaria und Jerusalem wendet, stellt JHWH in V. 18.22 die Frage nach der Legitimität ihrer Weissagungen. Ihre falschen Weissagungen werden von JHWH hervorgerufen, um den bereits von ihm beschlossenen Untergang Jerusalems zu erwirken. In Sach 13,2–6 wird dieses Motiv nun genutzt, nicht um Prophetie per se, sondern die spezifische Form visionärer Prophetie zu verwerfen.19 Mit Sach 3,1–10 wird schließlich deutlich, dass Prophetie nicht nur mit Schriftkundigen, sondern auch mit dem Hohepriesteramt verbunden ist. Der Zugang zum Allerheiligsten und damit zum göttlichen Thronrat, den in früheren Zeiten Propheten in ihren Visionen besaßen, fällt nun Jošua und seinen Nachfolgern zu.
16 Vgl. Schott, Sacharja 9–14, 187: „Um die Identität der Propheten wurde viel gestritten: Beschränkt sich die Vernichtung auf bestimmte Ausprägungen der Prophetie? Schon die Versionen scheinen eine solche Deutung nur durch Präzisierungen wie ‚Propheten des Lügengeistes‘ (T: )ית נביי רוח שקרא oder ‚Lügenpropheten‘ (LXX: τοὺς ψευδοπροφήτας) sichern zu können. Der Text selbst gibt für derartige Differenzierungen keinen Anhalt. Vielmehr scheinen die Propheten in toto Träger und damit berufsbedingt auch Multiplikatoren des Geistes der Unreinheit zu sein, der in diesem Kontext nicht nur die Neigung zum Götzendienst bezeichnet (vgl. z. B. Ez 36,17.25.29; 39,24; Esr 6,21; 9,11; 2Chr 29,16), sondern auch dem gottgeschenkten Geist des Erbarmens und Flehens (Sach 12,10) diametral entgegenstehen dürfte.“ 17 Vgl. Boda, Zechariah, 728f. 18 Vgl. Pola, Sacharja, 185f.; Nurmela, Prophets, 64f. 19 Dazu vgl. Dyma, Sacharjabuch, 118. „Hier deutet sich nicht unbedingt ein Ende der Prophetie insgesamt an. Vielmehr geht es um das Auftreten von Propheten ( נבאN-Stamm) und die Art und Weise des Offenbarungsempfangs: Es wird eine Prophetie abgelehnt, die durch Vision zu ihren Verkündigungen kommt, die Prophetenauftritte notwendig hat, Propheten, die als Wundertäter herumziehen (dies könnte mit dem härenen Mantel gemeint sein, der an Elisa erinnert) oder sich der Ekstase hingeben. Interessant ist, was hier nicht gesagt wird und welches Prophetenideal sich daraus ergibt. Nicht abgelehnt wird demnach eine Prophetie, die als Auslegerin der Thora sowie der weiteren Schriften erscheint. Prophetie wird dort mit Schriftgelehrsamkeit praktisch in eins gesetzt.“ Vgl. weiter Floyd, Minor Prophets 2, 532.536f, der die zukünftige Prophetie als „something disruptable“ bezeichnet. Willi-Plein, Sacharja, 210, geht von einem bereits existierenden und normativen Schriftprophetencorpus aus, als die von ihr als sekundär erkannten V. 3.5f. hinzugefügt wurden. Zur Funktion der Überlieferung über frühere Prophetie für die spätere vgl. Ben Zvi, Mnemonic/Imagined Worlds, 15f. Zu den Propheten der nachexilischen Zeit als Schriftkundige vgl. Blenkinsopp, Essays, 180–184.
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
Diese Deutung spiegelt eine Transformation der Prophetie wider. „The ritual statements by the prophets Haggai and Zechariah allowed for reinterpretations of old faith and a replacement of older hierarchies with new ones.“20 Damit ist mit Sach 13,2–6 das Ende der visionären Prophetie erreicht. Auf das Ordnungsmuster hat diese Veränderung eine wesentliche Wirkung. Ist in der Königszeit noch ein Zugang zur göttlichen Sphäre für Visionäre möglich, bedarf es nun Mittlergestalten, wie sie z. B. der Hohepriester, im Visionszyklus Sach 1–6 auch der angelus interpres darstellen. Sach 3,1–10 verweist damit auf eine zweifache Verortung des Hohepriesters. Er ist Teil des göttlichen Thronrats und der irdischen Kultgemeinde. Als solcher vermittelt er keine Botschaft, sondern bittet JHWH am Jom Kippur um Sühne.
7.2
Der göttliche Garten und die menschliche Lebenswelt
Neben der priesterlichen Kosmogonie bietet die alttestamentliche Urgeschichte mit der Erzählung über die Anthropogonie im Paradiesgarten in Gen 2,4b–3,24 einen weiteren Text, in dem von der Ausgestaltung der Biosphäre berichtet wird.21 In seiner endredaktionellen Fassung wird diese Erzählung mit der vorausgehenden priesterlichen Kosmogonie als Explikation der Schöpfungstage 3–6 durch Gen 2,4b–5 verbunden.22 Auf die in V. 5 genannten auf den Feldern wachsenden Pflanzen nimmt das die Erzählung beschließende Strafwort in Gen 3,17f. Bezug, in dem die Aussage nun auf die Gebiete außerhalb des Gartens angepasst wird. Diese Rahmung des Textes, die sich literarkritisch nicht abheben lässt und entsprechend zur Grundschicht gehört,23 deutet bereits darauf hin, dass die Erzählung als Fortschreibung des priesterlichen Schöpfungstextes Gen 1,1–2,3 verfasst wurde.24 Eine solche nachpriesterschriftliche Abfassung aufgrund der Sprachgestalt des Textes nimmt Eckard Otto an, der aufzeigt, dass Gen 2f. in seiner vorliegenden
20 Berquist, Judiasm, 142f. 21 Zu Gen 2,4a als redaktionelle Überleitung vgl. Bührer, Am Anfang, 204f. Ska, Genesis 2–3, 20f., versteht Gen 2,4b als Entsprechung zu Gen 1,1 und versteht die beiden Schöpfungserzählungen nicht als Kontinuum, sondern als unterschiedlich akzentuiert (Kosmogonie und Anthropogonie). 22 Auf die ‚als-noch-nicht‘-Struktur der Einleitung weisen Westermann, Genesis 1, 269, und Blum, Gottesunmittelbarkeit, 10, hin. Schmid, Unteilbarkeit, 37f., hebt hervor, dass Gen 2f. von Anfang an auf einen größeren Zusammenhang bezogen war. 23 Vgl. Witte, Urgeschichte, 158–166. 24 Zur Abgrenzung vgl. Otto, Paradieserzählung, 187–189.
Der göttliche Garten und die menschliche Lebenswelt
Form frühestens dem 6. Jh. v. Chr. zuzurechnen ist.25 Darauf deutet dann auch die Rezeption des Textes hin: „Der Garten Eden wird neben Gen 2–3 erst in später prophetischer Überlieferung in Jes 51,3; Ez 31,9.16.18; 36,35; Joel 2,3 und Ez 28,12ff. erwähnt, wobei Gen 2–3 nicht vorausgesetzt ist. Das gilt auch für das Motiv des Lebensbaumes, das in den Proverbien mehrfach belegt ist, dort aber Gen 2–3 nicht voraussetzt. Erst nachkanonisch in Test. Levi 18,10f.; 4 Esra 8,52; 4 Makk 16,18; Apc 2,7; 22,1f.14.19 wird diese Verbindung hergestellt.“26
Weiter deutet der Bezug zur Weisheitsliteratur, der vor allem durch Paronomasien und andere Wortspiele deutlich wird, auf eine Entstehung in nachexilischer Zeit hin.27 Zudem ist die Darstellung der Schöpfung des Menschen in Gen 2,7 von der priesterschriftlichen abhängig.28 Mit dem Paradiesgarten und dem Erdboden außerhalb des Gartens werden in Gen 2f. zwei getrennte Lebensbereiche erwähnt, die sich in ihren Lebensbedingungen grundlegend voneinander unterscheiden. Während der Erdboden innerhalb des Gartens dergestalt ist, dass Nutzpflanzen (Gen 2,9) in ihm wachsen und der Mensch einzig zur Pflege und Bewahrung des Pflanzenbestands aufgefordert wird (V. 15), wird dem Menschen außerhalb des Gartens die Bewirtschaftung des Erdbodens (Gen 3,17) zugewiesen, der von selber nur ‚( קוץ ודרדרDornen und Disteln‘, V. 19) wachsen lässt. Die für die Ernährung nötigen Erträge sind vom Menschen durch Anbau und Pflege zu erwirtschaften. Da der Erdboden außerhalb des Gartens
25 Vgl. weiter Stordalen, Eden, 205–213, der ebenfalls zu einer Einordnung in die persische Zeit gelangt. In den in dieser Zeit entstehenden weisheitlichen Diskurs ordnet Schmid, Unteilbarkeit, 30f., den Text ein. Ska, Genesis 2–3, 16–20, fasst alle wesentlichen Argumente der Diskussion zusammen. 26 Otto, Paradieserzählung, 174. Bereits Steck, Paradiesgeschichte, 47, hält die Endgestalt der Erzählung für nachpriesterlich. 27 Vgl. Otto, Paradieserzählung, 175f. Bereits Westermann, Genesis 1, 262, weist auf den besonderen Charakter der Erzählung hin, in der das Gott-Mensch-Verhältnis, das zentrales Thema weisheitlicher Texte ist, im Vordergrund steht. Zur Entwicklung der Weisheitstheologie in persischer Zeit vgl. Berquist, Judaism, 164. 28 Vgl. Otto, Paradieserzählung, 185f.: „Gen 1,27 beinhaltet das ‚Daß‘ der Schöpfung des Menschen, während daran anknüpfend Gen 2,7 das ‚Wie‘ entfaltet. Dieser Zusammenhang wird durch eine weitere Eigentümlichkeit dieser Verse unterstrichen. Gen 2,7b verläßt die Erzählebene und konstatiert die Schöpfung des Menschen mit den Worten waje hî hā’ādām l e næpæš h.ajjāh. Diese Formulierung knüpft an die Vollzugsbestätigung der priesterschriftlichen Geschehensformel wajehî ken in Gen 1,3.7.9.11.15.24.30 an. Bei der Menschenschöpfung der Priesterschrift fehlt eine derartige hinter Gen 1,26 zu erwartende Formel.“ Anders wertet Witte, Urgeschichte, 166, den Befund, der in der endredaktionellen Form keine Reaktion auf P erkennt.
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
keinen Eigenertrag hervorbringt, setzen die Autor*innen also eine Unterscheidung von Natur und Kultur voraus. Der in der biblischen Urgeschichte mit Gen 2f. initialisierte Prozess einer Entwicklung aus dem geordneten Zentrum des Gartens hin zu einer Kultivierung des Umfelds, in dem dann die menschliche Kultur entsteht, nimmt verschiedene antike vorderasiatische Traditionen auf, mit denen von der Entstehung der menschlichen Zivilisation erzählt wird. Diese Traditionen sind in der altorientalischen Literatur nicht miteinander verbunden, so dass in der biblischen Urgeschichte eine einzigartige Abfolge geschildert wird. Ursprung menschlicher Zivilisation ist nach Gen 2f. ein Paradiesgarten. Ihren Anfang nimmt diese Tradition in der altorientalischen Königsideologie, in der der geordnete (Gottes-)Garten Teil des Palastgebietes war.29 Mit den Parkanlagen wird die Prosperität königlicher Herrschaft sichtbar: „Lebensfülle und lebensspendende Potenz des Königs werden im Garten nicht nur versinnbildlicht, sondern sie entstehen gleichsam dort auch.“30 Zugleich ist der königliche Garten ein Begegnungsort von König und Gottheit.31 Mit der Ausweisung aus dem Garten in Gen 2f. geht nicht nur der Verlust der Unmittelbarkeit Gottes, sondern auch der königlichen Rolle des Menschen einher. Der Verlust der in Gen 1,26 begründeten und in Gen 2f. implizierten Königsrolle des Menschen wird durch die Urmensch-Motivik, die in der Paradieserzählung aufgenommen und verarbeitet ist, nochmals verstärkt. In der zweiten Rede Eliphas’ in Hi 15,7f. spielt dieser in Bezug auf Gen 2f. auf einen ersten Menschen als denjenigen an, der die Weisheit an sich riss. „In this context, the wisdom of the first human being is the quality that was sized by the first man in the divine council.“32 Durch diese Tat wird der in Gen 2f. als Bewohner des Gartens gezeichnete Mensch zu einem ambivalenten Wesen, das zwei Züge in sich vereint. In der mesopotamischen Tradition bleiben diese beiden Wesen getrennt, wie John Van Seters mit Bezug zum im Neubabylonischen verfassten Text VAT 17019, dem an den Atraḫasis-Mythos
29 Vgl. dazu Rüterswörden, Paradiesvorstellungen, sowie Stordalen, Eden, 94–104. Zur persischen Tradition des Paradiesgartens vgl. Silverman, Kingship, 178–183. Stordalen, Heaven, 36–40, zeigt auf, dass die Paradiesgartenvorstellung eine biblische Utopie ist und daher nicht mit einem im Osten liegenden Garten in Verbindung zu bringen ist. 30 Rüterswörden, Paradiesvorstellung. Zugleich wird das Weltganze im königlichen Garten symbolisiert: „First, a royal park illustrated the co-existence of distant parts of the empire. It served as an emblem of conquest, perhaps also of the binding forces in the Assyrian empire. Just as Assyrian emperors during campaigns erected their stelae at the ‚borders of the world‘, they brought back plants from these borders to the gardens of their central places. Secondly, the construction of ever more spectacular gardens exemplifies the ‚I-did-it-first‘ pattern in Neo-Assyrian ideology“ (Stordalen, Eden, 95). 31 Vgl. Fauth, Gärtner, 23.31f.; Hutter, Adam, 260, und Rüterswörden, Paradiesgarten. 32 Mettinger, Eden Narrative, 92.
Der göttliche Garten und die menschliche Lebenswelt
anklingenden ‚Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs‘ aufweist.33 Der Mythos erzählt von einer zweifachen Schöpfung des Menschen, der als lullû- (‚gewöhnlich sterblicher-‘) und als māliku- (‚überlegend-entscheidender-‘) Mensch gebildet wird (Z. 8–41).34 Wir wollen eine Lehmfigur schaffen, [ihr die Fronarbeit] auferlegen; von der Müdigkeit wollen wir sie (=die Götter) ausruhen lassen für i[mmer]. Ea hub an zu sprechen, indem er an Bēlet-ilī das Wo[rt richtete]: [Bēlet]-ilī, die Herrin der großen Götter, bist du. [……………]…………später; […]………[……]…seine Hände. Da kniff Bēlet-ilī den Lehm für ihn (=den Menschen) ab; [……]… sie handelte kunstfertig. [……rei]nigte sie und mischte den Lehm für ihn. […………] schmückte seinen Leib, […………] seine ganze Gestalt. […………]……setzte er/sie, […………]……setzte er/sie, […………]……setzte er/sie, […………]……setzte [seinen] Leib. […………]……Enlil, der Held der großen Götter, [als…………]… er ihn sah, strahlte [sein] Ge[sicht], […… in der Ver]sammlung der Götter schaute er [……] von allen Seiten an, [………]… seine Leibesform vo[llendete er]. [………En]lil, der Held der großen Götter, [lullû-Mensch (?)]machte er zu seinem Namen; [die Fron]arbeit der Götter ihm aufzuerlegen befahl er. Ea hub an zu sprechen, indem an Bēlet-ilī das Wort richtete: „Bēlet-ilī, die Herrin der großen Götter bist du. Du hast den lullu-Menschen geschaffen: bilde nun den Konig, den uberlegend-entscheidenden Menschen! Mit Gutem umhülle seine ganze Gestalt, gestalte seine Züge harmonisch, mach schön seinen Leib!“ Da bildete Bēlet-ilī den König, den überlegend-entscheidenden Menschen. Es gaben dem König den Kampf die [großen] Götter. Anu gab ihm die Krone, Enlil ga[b ihm den Thron], Nergal gab ihm die Waffen, Ninurta g[ab ihm gleißenden Glanz], Bēlet-ilī gab [ihm ein schönes Aus]sehen. Anweisung gab Nusku, erteilte Rat und sta[nd ihm zu Diensten].35
Die Darstellung der Erschaffung des Menschen als māliku-Mensch sieht Van Seters als eine Parallele zur zweiten alttestamentlichen Erzählung über den Ausschluss aus dem Garten Eden in Ez 28,11–19. In dieser wird der König von Tyros als Bewohner Edens beschrieben, der aufgrund seiner Hybris aus dem Garten ausgeschlossen wird.36 Van Seters’ Versuch, diese Erzählung als direkte Parallele des neubabylonischen Textes zu verstehen, Ez 28* auf einen das Königtum begründenden Text zu reduzieren und die Ausweisung aus dem Paradies als spätere Ergänzung zu deuten, setzt eine Ursprungserzählung voraus, deren Rekonstruktion jedoch nicht
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Vgl. Van Seters, Prologue, 61f., und Van Seters, Creation, 337–339. Zur Übersetzung von lullû und māliku vgl. Weippert, König, 25f. Übersetzung aus Mayer, Mythos, 57f. Vgl. Westermann, Genesis 1, 335. Zum Verhältnis von Ez 28,11–19 zu Gen 2f. vgl. Saur, Tyros, 317–322.
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durch literarkritische Beobachtungen gestützt werden kann.37 Ein Vergleich von VAT 17019 mit den alttestamentlichen Eden-Texten weist vielmehr auf einen anderen Aspekt hin: Der Mensch hat von der Schöpfung an eine zweifache Natur. Während in der babylonischen Tradition mit dem lullu- und dem māliku-Menschen zwei Typen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Aufgaben gebildet werden,38 weisen sowohl Gen 2f. als auch Ez 28,11–19 auf eine temporäre Differenzierung und damit auf einen Entwicklungsprozess hin. Der von Gott geschaffene Mensch lebt zunächst in einem Garten und nimmt dort eine königliche Rolle ein, verliert diese jedoch und muss im Anschluss in Form eines lullu-Menschen als Arbeiter leben und nach Gen 3,17–19 Fronarbeit übernehmen. Die Ausweisung aus dem Garten geht also mit dem Verlust seiner königlichen Rolle sowie eines von Güterfülle bestimmten Lebens einher (Gen 3,17–19). Die Ankündigung eines kargen bäuerlichen Lebens wird in der weiteren Urgeschichte mit der Vorstellung vom Menschen als Kultur schaffendes Wesen verbunden, wie es bereits in altbabylonischer Zeit im Atraḫasis-Epos belegt ist. Dabei wird in Atr. I Z. 194–197 zunächst der Fokus auf die Arbeitskraft des Menschen gelegt: Du bist der Mutterleib, der die Menschheit erschafft; erschaffe den Urmenschen. Er nehme das Joch auf sich, den Tragkorb des Gottes, daß er das Joch auf sich nehme; das Werk des Enlil trage der Mensch!39
Im Schöpfungsakt wird der Mensch jedoch mit t.ēmum (‚Planungsfähigkeit‘) der Gottheit Geštu’e ausgestattet (Atr. I Z. 223f.), so dass er eigenständig in der Lage ist, Kultur schaffend zu agieren. Neben dem Bau von Kanälen zur Bewirtschaftung von Feldern (Atr. I Z. 338f.) wird die Anlage von Städten als Lebensraum der Menschen zwar nicht expliziert, jedoch im weiteren Verlauf des Epos (Atr. II Z. 20) vorausgesetzt. Anders als in den mesopotamischen Epen wird in Gen 2f. nicht die Stadt, sondern der Garten als Zentrum der menschlichen Lebenswelt verstanden. Die Gründung
37 Zur Kritik an Van Seters vgl. Otto, Paradieserzählung, 117f. Bührer, Am Anfang, 362f., weist darauf hin, dass in Ez 28 keine Urmensch-Thematik erkennbar ist. 38 Vgl. Van Seters, Prologue, 120, und Van Seters, Creation, 338: „This Babylonian myth makes it entirely clear, therefore, that behind biblical texts of Genesis, Ps 8 and Ez 28 there are two quite distinctive conceptions of creation, that of the creation of mankind to do the hard labor of the gods, and that of the creation of the king who rules the common people in splendor as a superior being and agent of the gods. There is no basis for reconstructing a primitive myth about an Urmensch who is the origin and patriarch of both mankind in general and the king in particular.“ 39 TUAT III, 623.
Der göttliche Garten und die menschliche Lebenswelt
von Städten als kulturelle Zentren wird erst im Zuge der Zerstreuung der Menschheit über die Erde als eine Form der Dezentralisierung erwähnt (vgl. Gen 4,16f.).40 Gen 2f. verbindet den Garten und den Lebensraum des Menschen mit dem im Paradiesgarten entspringenden Fluss. Er dient innerhalb des Gartens zunächst der Bewässerung. Zwar wird im Weiteren nicht erwähnt, dass er diese Funktion auch für die Länder besitzt, durch die er fließt bzw. die er umfließt, doch scheint dieses von den Verfasser*innen impliziert zu werden. Erst eine Bewässerung des Erdbodens außerhalb des Gartens ermöglicht dem Menschen ein Leben in diesen Regionen (Gen 2,10–14). Mehrfach wurde in redaktionsgeschichtlichen Studien darauf verwiesen, dass Gen 2,10–14 sekundär in den Text eingefügt wurde.41 Diese Beobachtung ist für die Entwicklung der Raumdeutung maßgeblich. Erst auf der redaktionellen Ebene wird durch sie eine dauerhafte Verbindung zwischen dem Paradiesgarten und der Lebenswelt der Menschen geschaffen, während die ursprüngliche Fassung eine strikte Trennung dieser beiden Bereiche vorsieht. Dabei wird auch eine Verortung des Gartens mitgedacht, da „die Flüsse, die im/beim Garten Eden entspringen, mitsamt Assur nach Mesopotamien, die genannten Länder in den Süden [weisen]: In der Mitte liegt nun tatsächlich Israel – und damit der Jerusalemer Tempel“42 . Zudem wird der Mensch im Prozess der Bewässerung seines Ackers mit seinem Ursprung in Verbindung gebracht.43 40 Schmid, Unteilbarkeit, 35, verweist darauf, dass der Mensch durch die erworbene Weisheit zur Kulturleistung befähigt wird: „Zuerst erfindet der Mensch die Bekleidung, und Gen 4 wird dann vom beginnenden Städtebau, der einsetzenden Musik und der Schmiedekunst berichten (4,17.21f.). Damit zeitigt nicht nur die von Gott verfügte Minderung der menschlichen Lebenswelt ihre Folgen, sondern auch die erworbene Weisheit des Menschen.“ 41 Zur Forschungsgeschichte vgl. Stordalen, Eden, 270f. Zur redaktionellen Einfügung vgl. Witte, Urgeschichte, 83f.: „Über die Zuweisung von 3,24 an den Redaktor läßt sich auch die Herkunft des literarkritisch aus dem Kontext herausfallenden Abschnitts in 2,10–15 klären. Die ‚kleine Geographie‘ in 2,10–14 unterbricht den Erzählduktus von 2,8–9a.16–17 und bemüht sich um eine bestimmte Lokalisierung des Geschehens, das nach der ursprünglichen Angabe in 2,8 in mythischer Ferne ( )מקדםim ‚Wonneland‘ ( )עדןspielt. Sie erweist sich durch die Wiederaufnahme des Gedankens als Versetzung des Menschen in den Garten (2,15) als Einschub.“ 42 Bührer, Am Anfang, 220. Vgl. Auch Blum, Gottesunmittelbarkeit, 10: „Mit der Anlage des Gartens scheint diese Vorweltsituation der allgemeinen Bewässerung erledigt zu sein: der Mensch wird sie beim Verlassen des Gartens nicht mehr vorfinden, und der Garten selbst wird nach 2,10–14 von einem gewaltigen Strom bewässert, der in Eden entspringt und sich nach dem Garten in die vier Weltströme teilt.“ 43 Westermann, Genesis 1, 294: „Wir haben […] in 2,10–14 eine räumliche Parallele zu der zeitlichen Struktur, die sehr häufig begegnet: daß alles Geschehende von einem Urgeschehen, wie z. B. in Gn 5 die Generationenreihe, von der Erschaffung des Menschen hergeleitet wird. Dann ist die eigentliche Absicht der Einfügung von 2,10–14 nicht, die Lage des Paradieses zu bestimmen, wie das die meisten Ausleger annehmen. Die Absicht ist vielmehr, an der Stelle, an der zum ersten Mal ein Land genannt wird, das Land Eden, in dem der Garten liegt, in einer Parenthese darauf hinzuweisen,
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Bezogen auf die drei für die Ausbildung des Weltbildes wesentlichen Faktoren ist damit Folgendes festzuhalten: 1. Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie stellt sich in Gen 2f. derart dar, dass im Zentrum des Kosmos44 ein göttlicher Garten angesiedelt ist, den der Mensch verlassen muss, um in der Peripherie zu siedeln. Der mit der Ausgrenzung einsetzende Zivilisationsprozess führt zu einer Dezentralisierung des menschlichen Lebensraumes, in dem verschiedene lokale Zentren entstehen. Ihre Verbindung zum göttlichen Garten besteht durch den aus ihm strömenden viergeteilten Fluss. Dies beeinflusst auch 2. die Bewahrung des Lebensraumes. Der Mensch verliert zwar seinen ursprünglichen Ort im Zentrum, kann dann aber in der Peripherie siedeln. Die im Garten vorhandene ‚natürliche‘ Prosperität fehlt in der Peripherie und muss durch menschliches Wirken kompensiert werden. 3. Der Mensch verliert seinen Status als Herrscher über den Lebensraum, indem er von einem königlichen zu einem Arbeitswesen transformiert wird. Die am Eingang des Gartens platzierten Cheruben, die diesen bewachen sollen, erscheinen in der mesopotamischen Tradition als Palastwächter, symbolisieren also den Eingang in den Königspalast45 oder einen anderen abgegrenzten Bereich. Als solche Bereiche sind ‚Obstgärten‘ (paradises) in der persischen Kultur von Mauern umgeben und damit von der Umwelt geschieden.46 Nach Gen 3,24 halten sie den transformierten Menschen davon ab, den Garten nochmals zu betreten. Während sein Auftrag im Garten das ‚Bebauen und Bewahren‘ war, wird ihm die Strafe auferlegt, sich mit ‚Mühsal‘ ( )עצבוןzu ernähren. Als Ursprung menschlichen Lebens wird nach Gen 2f. demnach der Verlust einer königlichen Stellung des Menschen gedeutet. Im Zentrum der Welt befindet sich der göttliche Garten, in den der Mensch nicht mehr zurückkehren darf. Seine Lebenswelt liegt von nun an in der Peripherie.
7.3
Krankheit und Leid als Erfahrungen der Gottesferne
Das menschliche Leben außerhalb des Gartens ist nicht nur durch die Fronarbeit, sondern auch durch die Erfahrung von Krankheit und Leid gekennzeichnet. In Klagen wird sie wiederholt als Grund für die Not des/der Betenden genannt. Was in
daß die ‚Lebensadern‘ aller Länder der Erde ihren Ursprung in dem Strom haben, der das Paradies bewässert.“ Weiter vgl. Stordalen, Eden, 274: „The river emerges from עדן. It goes forth to the garden, which is conceived as a more restricted area in Eden (cf. 2:8). With the river the garden becomes a גן־עדןalso in the adjectival sense, taking part in the lubricant qualities of Eden.“ 44 Dazu vgl. Stordalen, Eden, 284–286. 45 Zu den Funktionen von Cheruben im Vorderen Orient vgl. Westermann, Genesis 1, 373f. 46 Vgl. Silverman, Engagements, 209. Eine solche Vorstellung scheint Gen 2f. vorgegeben, besäße der Garten ansonsten keine einzelne Zuwegung.
Krankheit und Leid als Erfahrungen der Gottesferne
den Klagegebeten anklingt,47 wird im Buch Hiob bezogen auf einen leidenden Gerechten expliziert. Dies erfolgt in einer Form, die innerhalb des biblischen Zeugnisses einzigartig ist. Das Hiobbuch stellt ein Kompendium altorientalischer sowie judäischer Traditionen dar, dessen Bezüge bisher noch nicht umfänglich erfasst sind.48 Seine mannigfachen Verbindungen, die sich in den Positionen der einzelnen Gesprächspartner spiegeln, weisen darauf hin, dass die Verfasser*innen dieses Buches mit den großen literarischen Werken Mesopotamiens und Ägyptens, aber auch Israels/Palästinas zutiefst vertraut waren.49 Sie setzen bei ihren Leser*innen eine ähnliche Kenntnis dieser Schriften voraus, zitieren nicht aus ihnen, sondern gestalten ihre Texte aus einer Vielzahl von Allusionen. Diese versetzen kundige Leser*innen in die entsprechenden Textwelten. Die Dialogform, in der der Hauptteil des Hiobbuches verfasst ist, ermöglicht so die Korrelation verschiedener Texte und ihrer Traditionen. „[I]in chp. 3–14 Eliphaz, Bildad, and Zophar represent three different aspects of Biblical traditions pointing to various juridical, cultic, and sapiential positions. They all emphasize fate as the consequence of divine justice and imply that God is just. Job challenges their assumptions by alluding to ANE traditions of humankind as the labour force for the divine. Human fate is the result of God’s arbitrariness, which leads on to contingency. Comparing the textual representations of the tradition to which all interlocutors point, one has to recognize that there is a form-critical distinction: whereas Eliphaz, Bildad, and Zophar refer to positions based on human reflection, Job points to mythological ideas in which the interaction of deities and mankind are determined by emotions and covert intentions.“50
47 Zur Aufnahme von Klagespsalmen vor allem in Hi 16 vgl. Dell, Sceptical Literature , 130–138. 48 Vgl. dazu Uehlinger, Hiobbuch, 97–163, der die Breite rezipierter altorientalischer und ägyptischer Texte aufzeigt. Die daneben noch bestehenden Allusionen sind noch nicht vollständig erfasst, so dass die literarische Tiefe des Buches erst nach und nach in der gegenwärtigen Forschung sichtbar wird. 49 Zur Bedeutung der Weisheit im Bildungssystem vgl. Berquist, Judaism, 161–173. 50 Wagner, Contingency, 6. Vgl. Berquist, Judaism, 164: „The book seems to negate the priestly assumptions of efficacious sacrifices and rewards for moral action and theological devotion to God.“ Zur Funktion der unterschiedlichen Traditionen ist auf die von van Oorschot, Grenze, 197, verwendete Kritik verwiesen, die dem Hiobdialog implizit ist und in Hi 40,2f.8 von Gott geäußert wird: „Mit diesen Fragen prangert die Rede Gottes an, daß Hiob und die drei Freunde aus einem Wissen um Gott ein Wissen über Gott gemacht haben und damit auf die abschüssige Bahn eines Weges weisheitlicher Theologie geraten sind, der im Bereich der Lebensweisheit mit einfachen Erfahrungssätzen begann […], die dann in Beziehung zu Gott gesetzt bei allem Vertrauen auf die Gültigkeit des gewonnenen Wissens doch einen letzten Vorbehalt einschlossen […]“.
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
Einen der wesentlichen Bezugstexte für das Hiobbuch stellt Ps 8 und die Einsetzung des Menschen in sein königliches Dasein dar. An den aus ihm stammenden Motiven entfaltet sich die Anthropologie des Buches, in der Krankheit und menschliches Leid zentraler Bestandteil sind. Die Aufnahme von Ps 8 wird in Hi 7,1–3 mit der Beschreibung der conditio humana als Dasein eines ‚Tagelöhners‘ ( )שׂכירmit einem negativen Vorzeichen versehen. Der Mensch muss ein Leben fristen, aus dem ihn nur sein Tod befreien kann (vgl. Hi 3,19). „Dem Bild vom עבדwerden 7,1 der Dienst und das Tagelöhnerdasein vorangestellt, wobei es weniger um die mühevolle Arbeit als um die Fremdbestimmung geht.“51 Im weiteren Verlauf von Hi 7 wird Ps 8,5 paraphrasiert, indem Hiob die Frage aufnimmt, מה־אנושׁ כי־תזכרנו ובן־אדם כי ‚( תפקדנוWas ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst, und der Sohn des Menschen, dass du auf ihn achtest?‘). Anders als in Ps 8,6, in dem die Frage mit einer Aussage über Krönung des Menschen mit ‚( כבוד והדרGlanz und Hoheit‘) beantwortet wird, führt Hiob aus: ‚( ותפקדנו לבקרים לרגעים תבחננוUnd du suchst ihn am Morgen heim, zu jedem Augenblick prüfst du ihn.‘). „[I]n a parody of Psalm 8 which extols God’s exaltation of humanity to the position of king over creation, Job, the suffering and embittered slave, accuses God of singling him out for malicious attack.“52 Dieser Raub menschlicher Würde wird in Hi 19,8f. weiter ausgeführt. „In Hi 19,8 liegt eine genaue Umkehrung vor: Hiobs ‚Ehre‘ ( )כבודist ihm entrissen, seine Krone ( )עטרist ihm genommen. Gottes Nähe erhöht nicht, sondern erniedrigt. Hier wird die Antwort auf die Frage von 7,17/Ps 8,5 gegeben. Was ist der Mensch, den Gott heimsucht und prüft? Ein nacktes Nichts ohne Würde und Ansehen.“53
Hiob nimmt seine Position aufgrund des von ihm erfahrenen Leides ein. Dieses expliziert Hiob in einem Rückblick auf sein früheres Leben in Hi 29. Dort spielt er erneut auf Ps 8,5 an und beschreibt sich als Mensch, der anfänglich nur wenig unter Gott stand (Hi 29,20.25), verkehrt die Erfahrung in Hi 30,16–19 dann aber in ihr Gegenteil: „Hierbei steht im Zentrum, daß Gott Hiob das Gewand entreißt und ihn mit dem Gürtel ‚würgt‘. Hiobs einstige Größe ist in Gottes Hand zum Folterinstrument geworden. Gegen-
51 Köhlmoos, Auge Gottes, 169. Perdue, Wisdom, 127f., weist darauf hin, dass mit עבד, צבאund שׂכירdrei Begriffe verwendet werden, mit denen das Sklavendasein Hiobs umschrieben werden. Weiter Frevel, Ps 8, 260f.: „Damit ist Wort für Wort der positive Sinn der Aussage gekippt und die Aufnahme von Ps 8 zur Parodie unter der Hand mutiert. Das fürsorgliche Kümmern ist zur überprüfenden Last geworden, das ‚seh ich den Himmel‘ des Beters zur ‚verletzenden Anschauung‘ Gottes geworden.“ 52 Perdue, Wisdom, 121. Zur Königswürde vgl. weiter Frevel, Ps 8, 252–256. 53 Köhlmoos, Auge Gottes, 268.
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über Kap. 19 ist der Verlust der Würde noch gesteigert, wenn Hiob nackt und zerstört in den Dreck geworfen wird.“54
Diesen Zustand nimmt Hiob als ungerechtfertigt wahr, deuten sowohl sein eigenes Verhalten als auch die im Psalm geäußerte Wahrnehmung des menschlichen Geschaffenseins auf einen anderen Status des Menschen hin. „Die pragmatische Funktion der Aufnahme von Ps 8 ist die Rechtfertigung der Klage Ijobs gegenüber Gott.“55 Das königliche Dasein des Menschen erweist sich in Hiobs Leid als das eines missachteten Knechts.56 Neben Ps 8 dient Ps 104 als Referenztext für das Hiobbuch.57 Durch diesen Bezug erhält Hiobs Klage eine räumliche Dimension. Eine erste Anspielung findet sich in Hi 9,6 mit der Beschreibung Gottes als einem, ‚der die Erde von ihrem Ort her erschüttert und ihre Säulen erzittern lässt‘ (המרגיז ארץ ממקוםה ועמודיה )יתפלצון. Damit verkehren die Verfasser*innen des Hiobbuches Ps 104,5. Im Psalm wird dauerhafte Stabilität verheißen. In Hi 9,7 wird die Beschreibung Gottes mit ‚( האמר לחרס ולא יזרח ובעד כוכבים יחתםder Sonne gebietet, nicht aufzugehen, und hinter den Sternen versiegelt er‘) fortgesetzt. Damit spielen die Verfasser*innen auf Ps 104,2 an.58 Hier klingt erneut eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung realer Lebenswelt und überkommener Tradition an.
54 Köhlmoos, Auge Gottes, 314. Strauß, Hiob 2, 204, verweist darauf, dass diese Szene auf das Leiden in der Nacht anspielt (V. 17). 55 Frevel, Ps 8, 269. 56 Vgl. Perdue, Wisdom, 130f.: „Humanity, including Job, is no royal figure or exalted creature, chosen to rule over God’s creation und confident in a gracious providence. Rather humans are slaves, victimized by the destiny allotted them and the terrors wrought by a cruel and suspicious sovereign.“ Weiter hebt er hervor: „In a striking repudiation of an anthropology in which humans are kings in God’s creation (see Psalm 8), Yahweh speaks of sustaining a world hostile to human life (see Isa. 13:9–22; 32:13–14; 34:8–15; Jer. 50:39–40). The anthropological tradition grounded in the metaphor of humanity as king is shattered. Dwelling in a reality that is not anthropocentric, Job receives no divine commission to go forth and subdue the cosmos“ (Perdue, Wisdom, 174). 57 Frevel, Secrets, 158, bezeichnet Ps 104 als einen ‚hypotext‘ neben dem Buch Hiob. „This is accompanied by the assumption that the function of the textual relationship is to enhance and deepen the understanding of the argument of the book of Job.“ 58 Vgl. Perdue, Wisdom, 135; Köhlmoos, Auge Gottes, 177 A2. Frevel, Secrets, 159–164, erkennt neben diesem Bezug weitere Allusionen innerhalb des Hiobbuches, mit denen Ps 104 als Bezugstext beim Leser aktiviert wird. Bei der Zusammenstellung ist jedoch zu bedenken, dass die Elihu-Reden in Hi 32–37 eine späte Zufügung zum Buch darstellen, so dass die Anspielung auf eine Hütte in den Wolken in (Hi 36,29f. mit Bezug zu Ps 104,2f.) darauf hindeutet, dass die Korrespondenz zu Ps 104 durch alle literarischen Schichten des Buches hindurch hergestellt wurde. „Thus, generalizing the results regarding Ps 104, we can assume that the authors of Job were ‚readers‘ of the psalms within the growing Psalter (in whichever state)“ (Frevel, Secrets, 167).
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Ps 104 nimmt als Schöpfungspsalm vergleichbare Motive wie der priesterschriftliche Schöpfungsbericht Gen 1 auf, akzentuiert diese aber andersartig. Der Beter des Psalms lobt JHWH für die von ihm erschaffene und geordnete Biosphäre. Dabei wird das lebenserhaltende Handeln Gottes in den Vordergrund gestellt.59 „Wie Jahwe alles Leben auf der Erde mit Wasser und pflanzlicher Nahrung versorgt, teilt er auch allem Leben in täglichem Rhythmus seine Zeit zu – und ernährt auch die Löwen in der Nacht! Dabei zeigt sich im Wechsel von Tag und Nacht, den Jahwe durch Sonne und Mond herbeiführt, ebenso wie im Regen (V. 13), eine Beziehung zwischen den kosmischen Regionen Himmel und Erde, die demnach nicht streng voneinander getrennt sind.“60
Anders als Gen 1 sieht Ps 104 keine Abschottung der Biosphäre von den anderen kosmischen Räumen vor. „Die Grenze zwischen den kosmischen Regionen Himmel und Erde ist also durchlässig, und die Trennung zwischen Erde und Wasser ist eine relative.“61 Zum Übergang zwischen Biosphäre und Himmel in Ps 104 passt die Verortung Gottes im Atmosphärischen (Ps 104,2–4), ohne dass eine Trennung zwischen dem oberen Luftraum und dem Himmel zu erkennen ist. „Er ist damit als ein kosmischer Bereich von ‚immanenter Transzendenz‘ qualifiziert […]. In dieser ‚immanenten Transzendenz‘ ermöglicht Jahwe Leben und gewährt ihm zugleich einen – relativen – Freiraum, der insbesondere vom Menschen auch zum Widerspruch gegen Jahwe mißbraucht werden kann – ohne daß dadurch der Bestand des Kosmos im Ganzen in Gefahr geraten könnte (V. 34f).“62
In seiner Klage hebt Hiob mit seinen Anspielungen auf Ps 104 die Macht Gottes hervor, die sich auch gegen den Menschen wenden kann, wie Hi 9,29 zeigt. In Versteil aα ist nicht der natürliche Sterbevorgang, sondern ein Strafhandeln Gottes gemeint. Als einen Gott, der sich zurückgezogen hat, nimmt Hiob JHWH wahr; er
59 Vgl. Krüger, Kosmo-theologie, 72: „Im Gegensatz zu beiden Fassungen der ‚Urgeschichte‘ in Gen 1–11 läßt Ps 104 nichts von einem tiefgreifenden Bruch zwischen ursprünglicher Schöpfung Gottes und gegenwärtiger Erfahrungswirklichkeit erkennen. ‚Schöpfung‘ vollzieht sich nach V. 30 ungebrochen weiter in der fortwährenden ‚Erneuerung‘ der Welt.“ 60 Krüger, Kosmo-theologie, 55f. 61 Krüger, Kosmo-theologie, 55f. Vgl. weiter Houtman, Himmel, 219. 62 Krüger, Kosmo-theologie, 60. Damit weist Ps 104 eine Raumvorstellung auf, die der vorexilischen Zeit entstammt (vgl. Hartenstein, Wolkendunkel, 166). Hossfeld/Zenger, Psalmen 101–150, 88, weisen den Grundbestand des Psalms, in dem die Raumvorstellungen behandelt werden, der Exilszeit zu. Carr, Genesis 1–11, 50, deutet Ps 104 als Prätext von Gen 1, geht aber nicht weiter darauf ein, warum der Autor von Gen 1 wesentliche Aspekte verändert haben soll.
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ist für die Menschen trotz seines Tempels nicht erreichbar.63 Vielmehr ist er für den Menschen im Schöpfungsraum verborgen. Die Bedeutung des Tempels, den Zophar als Ort göttlicher Präsenz versteht, negiert Hiob und verweist darauf, dass der Ort von Gottes Aufenthalt unbekannt ist (Hi 13,3). Für Hiob liegt die Welt im Dunkeln: „Der 2. und eigentliche Gegenstand der Gottesrede ist der Plan, der Weltplan, bzw. die (inkompetente) Kritik an diesem Plan, das Anschwärzen dieses Plans. Mit dem Vorwurf des Verdüsterns und Verwischens knüpft die Gottesrede an die Rede Ijobs an, die den Streit mit den Fremden eingeleitet und in der Ijob seine eigene und alle leidvolle Existenz in das Dunkel vor der Schöpfung zurückgewünscht hat (3,4.5.9; vgl. dazu 18,18). Ijob hat damit die Existenz eines Plans, d. h. einer sinnvollen Welt bestritten. Die Gottesrede muß als Streitrede auf diesen Vorwurf reagieren und versuchen, die Welt als Plan und d. h. die Welt als Kosmos, wieder sichtbar zu machen und ins rechte Licht zu rücken.“64
Dies erfolgt jedoch nicht im Zentrum der Welt, sondern in der Hemisphäre. Diese stellt den Ort dar, an dem es zu einer Begegnung kommen kann. Hiobs Klage über die Abwesenheit und Unerreichbarkeit Gottes65 nimmt dieser in seinen beiden Antworten an Hiob auf. Gott wird in Hi 38,1 im ‚Sturmwind‘ ( )סערהverortet, so dass unklar bleibt, wo er innerhalb der Biosphäre aufzufinden ist. Gott führt Hiob anschließend gedanklich in alle Grenzbereiche des Kosmos, den Gott schuf. In seiner ersten Rede nennt er die ‚( יסדי־ארץGründungen der Erde‘ Hi 38,466 ), die auf ‚( אדניהihren Pfeilern‘67 ) und ‚( אבן פנתהihrem Grundstein‘ V. 668 ) liegen.69 Die Vorzeitigkeit des Gründungsereignisses wird dadurch betont, dass allein die ‚( כוכבי בקרMorgensterne‘) sowie ‚( כל־בני אלהיםalle Göttersöhne‘ V. 7) anwesend waren. „The precision and stability of the earth convey a majestic order,
63 Zum Tempelbezug der Vorstellung von Gottes Thronen oberhalb des Himmelszeltes vgl. Krüger, Kosmo-theologie, 68f. 64 Keel, Ijob, 53f. 65 Vgl. Wagner, Contigency, 9: „Even though Job is positioned in the cultural center, his suffering is caused by God’s absence and his elusiveness (Job 29). In other words, Job laments the absence of the divine from his life, the presence of which could bring about justice as a principle for human fate. Instead of justice mankind suffers the force of demonic entities belonging to the netherworld afflicting mankind with diseases and sorrow.“ 66 Vgl. Ex 26,19; Hld 5,15. 67 Vgl. Ps 104,5. Dazu vgl. Frevel, Secrets, 163. 68 Vgl. Ps 118,22; Jes 28,16; Jer 51,26. 69 Hartley, Job, 494f., versteht die Frage als Rückführung in eine Vorzeit, sieht jedoch nicht den mit ihr verbundenen räumlichen Aspekt. Anders vgl. de Joode, Metaphorical Landscape, 207f., der JHWH als Architekten des Weltgebäudes bezeichnet.
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an elegant aesthesis that evokes praise by the divine council.“70 Dieser von Gott geschaffene Raum wird durch die ‚( דלתים יםTore des Meeres‘ V. 8) und ‚( בריהRiegel‘ V. 10) aus dem Schöpfungsraum ferngehalten. „Besonders dieses hochpoetische Bild vom Meer als Neugeborenes und den Wolken als dessen ‚Windeln‘ verdeutlicht, daß es auch hier um die geordneten Wassermassen geht.“71 Begrenzt werden die ‚( כנפות הארץEnden der Erde‘ V. 13) durch den Sonnenlauf, sodass die Biosphäre als nach außen abgetrennter Bereich beschrieben wird.72 In den Zeiten der Abstinenz der Sonne werden am unteren Himmel die Gestirne sichtbar, die von Gott dort platziert wurden (V. 31–33).73 Deutlich wird, dass nicht die Abwesenheit der Sonne dazu führt, dass die Welt als finster empfunden wird. Stattdessen wird zunächst das mit der Morgenröte verbundene Gericht als ‚Abschütteln von Frevlern‘ (V. 13) verstanden.74 Danach wird die Finsternis als Charakteristikum der kosmischen Räume jenseits der Biosphäre genannt (V. 16f.). Mit dem Abschluss der Biosphäre, wie P sie im Gegensatz zu Ps 104 vorgibt und wie sie auch in den Reden des Hiobbuches vorausgesetzt wird,75 sind die Übergangsregionen zwischen den kosmischen Räumen für den Menschen nur noch bei seinem Ableben zugänglich. Die Tore des Todes werden in der Zusammenstellung der beiden parallelismen membrorum mit dem Meeresgrund in Verbindung gebracht, ohne dass sie dort angesiedelt sind. Vielmehr wird hier angedeutet, dass die Transitzonen für Hiob nicht zugänglich sind,76 solange er lebt. Damit konterkariert Gott die Klage Hiobs in Hi 7; 14, sein Leben bereits als Todeserfahrung wahrzunehmen. Nachdem Gott gedanklich mit Hiob die Grenzbereiche des Kosmos abgeschritten ist, wendet er sich der von ihm initialisierten Ordnung von Bergen und Wüste, die vom Menschen als Peripherie seines Lebensraums wahrgenommen werden, zu (Hi 38,34–39,30).77 Das, was dem Menschen als lebensfeindlich erscheint, ist ein von Gott geordneter Bereich, in dem er den nicht-domestizierten Tieren Leben ermöglicht.
70 Perdue, Wisdom, 206. 71 Podella, Chaoskampfmythos, 311. 72 Die Vorstellung einer festen und von Gott gesetzten Grenze findet sich auch in Prov 8,27–29. Vgl. Podella, Chaoskampfmythos, 312. 73 Zur Herrschaft über die Sterne vgl. Keel, Ijob, 59. 74 Zum Motiv vgl. Keel, Ijob, 56. 75 Vgl. de Joode, Metaphorical Landscape, 210f., der die Begrenzung des Raumes und den am Rand der Hemisphäre angesiedelten Chaoskampf betont. 76 Vgl. Hartley, Job, 497. 77 Vgl. Perdue, Wisdom, 214f.
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„Der erste Teil der ersten Gottesrede bestreitet also zusammenfassend einerseits Ijob die Kompetenz, Gott und seine Welt zu verurteilen, weil ihm die dazu nötige daat fehlt. Andererseits stellt sie dem Vorwurf Ijobs, die Welt sei ein Chaos, Jahwe als den gegenüber, der die Erde gründet, das Meer als Chaos in die Schranken weist, jeden Morgen das Dunkel als Raum des Bösen aufhebt, Wüste in fruchtbares Land verwandelt, die vorbildhaften Ordnungen des Himmels garantiert und in Weisheit den Niederschlagshaushalt so gestaltet, daß das Kulturland nicht wieder zur Wüste wird.“78
Ohne es zu explizieren, weisen die Verfasser*innen der ersten Gottesrede dem Menschen somit ein Leben im Zentrum zu. Nach einer Entgegnung Hiobs in Hi 40,1–5 hebt Gott in Hi 40,6–41,26 zu einer zweiten Rede an, in der Gott sein Handeln für den Menschen jenseits der Begründung der Schöpfung und ihrer Ordnung anzeigt. Anders als in P besteht dieses nicht in einer Begegnung mit dem Menschen im Sühnekult, sondern in einem dauerhaften Chaoskampf gegen Behemoth und Leviathan.79 Während Behemoth in Hi 40,15 als Geschöpf Gottes gilt, wird dieses von Leviathan im Hiobbuch nicht gesagt. Ein erneuter Bezug zu Ps 104 zeigt, dass auch Leviathan als Geschöpf Gottes anzusehen ist (Hi 40,26b). „Gegenüber der nahen Parallele Ps 74,13f. mit ihrer Chaoskampfmotivik klingt der Chaoskampf nur von Ferne an, weil er schon längst entschieden ist und das Chaosmonster Leviathan zum Spielzeug des Schöpfers entmachtet ist.“80
Was sich in Ps 104,26 nach einem gut kontrollierbaren Wesen anhört, wird in Hi 40 anders dargestellt. Mit Behemoth und Leviathan treten zwei Wesen auf, die den Bestand des Kosmos dauerhaft gefährden (Hi 40,16–19). Dabei repräsentiert Behemoth ein Tier, dessen körperliche Konstitution der anderer Geschöpfe über-
78 Keel, Ijob, 61. 79 Van Oorschot, Grenze, 159, zeigt, dass Hi 40,15–24 „aus dem Bereich der Naturweisheit“ stammt. Mythische Bilder, die vielfach als Deutung für Behemoth und Leviathan verwendet werden, würden dem Stil des Absatzes widersprechen. Zugleich verweist van Oorschot, Grenze, 169–171, darauf, dass die Beschreibung von Behemoth und Leviathan sekundär in den Text eingedrungen ist. Er versteht die Erwähnung der beiden Wesen im Sinne von Ps 104,26 als Depotenzierung von Chaoswesen, die der göttlichen Schöpfung zugewiesen werden und „nur noch in den hyperbolischen Beschreibungen den alten Hintergrund ahnen lassen“ (van Oorschot, Grenze, 170f.). 80 Hossfeld/Zenger, Psalm 101–150, 84. Uehlinger, Leviathan, 521f., verweist mit der Deutung altsyrischer Siegel darauf, „dass das ruhige Hin und Her der Schiffe auf dem Meer (V. 26a) positiv mit der Entmachtung Leviathans (V. 26b) korrespondiert. Die beiden Aspekte verhalten sich reziprok zueinander; sie charakterisieren das Meer als befriedeten, in den Kosmos integrierten Lebensraum und sind so Ausdruck der umfassenden Schöpfermacht JHWHs“.
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legen ist. „Indeed Behemoth, not Job as Primal Man, is Lord of the Creatures.“81 Als solcher nimmt er die Stellung des Königs ein.82 Ähnlich wird auch Leviathan charakterisiert, der ebenfalls von Gott beherrscht und zum ‚ewigen Knecht‘ (לעבד )עולםwird (V. 28). Ein derartiges hierarchisches Verhältnis setzt die Präsenz eines Herrn voraus. „Thus, Job’s (or humanity’s) inability to take Behemoth with rings speaks of man’s insignificance and impotence even within the scale of the natural, created world of which he is a part.“83 Wiederholt wurde in der Forschung diskutiert, ob Behemoth und Leviathan als Tiere oder als mythische Wesen zu verstehen sind. „However, it must be appreciated that the distinction between ‚real‘ and ‚mythological‘ creatures is not one which the ancient Israelites would have been likely to have recognized.“84 Keel weist diesbezüglich auf eine religionsgeschichtliche Parallele hin. Die Jagd auf Nilpferde und Krokodile wird in der ägyptischen Tradition wiederholt dargestellt. Aus ihr rührt die Beschreibung der beiden in der Hemisphäre lebenden Wesen her.85 Anders als die Nilpferdjagd ist die Jagd auf Krokodile in den ägyptischen Quellen jedoch nur selten belegt, besitzt dabei aber einen dem roten Nilpferd vergleichbaren Charakter: „Das Krokodil ist hier also ähnlich wie das Nilpferd als Repräsentant
81 Perdue, Wisdom, 226. 82 Vgl. Perdue, Wisdom, 177: „A creature made by God, Behemoth is the ‚first of God’s works‘, an honor reserved for Woman Wisdom in Proverbs 8:22 and for the first man in Genesis 2:4b–7. Here chaos is the first and presumably the most important element of creation. Now it is Behemoth, not wisdom or humanity, who reigns as a king over a domain of wild beasts, accepting tribute form the mountains, the supporting pillars of the earth. This ‚king of the beasts‘ dwells in marshes and streams and knows no fear.“ 83 Watson, Chaos Uncreated, 338. 84 Watson, Chaos Uncreated, 333 mit A260 (dort weitere Literatur zum Thema). 85 Keel, Ijob, 132: „Es scheint mi[r sic!] meinerseits sehr unwahrscheinlich, daß ein israelitischer Weiser einigermaßen genaue Vorstellungen vom Nilpferd hatte, ohne aus ebenso glaubhaften Quellen von der erfolgreichen Jagd der Ägypter auf dieses Tier gehört zu haben. Die Alten interessierte doch die Jagd auf das Tier viel mehr als das Tier als solches. Wenn Gott es für Ijob (einen Menschen) als unüberwindlich schildert, so deshalb, weil er nicht das zoologische Nilpferd im Auge hat, sondern das als Einzelgänger lebende, männliche, rote Nilpferd als Symbol des Bösen. Hier liegt gerade die Pointe. Ohne diesen Hintergrund ist der Abschnitt nicht zu verstehen und von daher erklärt sich erst der Name Behemoth, der schon früh zu einer rein mythischen Deutung verleitet hat. Das konkrete Nilpferd aber nicht als solches, sondern als Symbol des Bösen zu jagen und zu überwinden, ist dem Menschen nicht möglich. Es war in Ägypten zu allen Zeiten Aufgabe des göttlichen Königs und des Königsgottes Horus.“ Die mit Horus verbundene Vorstellung der Nilpferdjagd führt Keel, Ijob 132–141, aus.
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des Bösen verstanden.“86 Als solcher wird das Krokodil in Ägypten analog zum Nilpferd als Feind des Gottes Horus dargestellt und von diesem überwunden.87 Dieser von Keel aufgewiesene Bezug der zweiten Gottesrede zur ägyptischen Horus-Tradition besitzt nicht nur eine theologische – JHWH als Horusgestalt –, sondern auch eine räumliche Implikation. Beide Tierarten stammen nicht aus Israel, sondern sind fest mit dem Nil (vgl. Ez 29,4) verbunden,88 der in der ägyptischen Antike als Transitzone zwischen dem Land der Lebenden und dem Totenreich westlich des Nils verstanden wurde. Er liegt in der Perspektive der Autor*innen des Hiobbuches in der äußersten Hemisphäre.89 Eine Existenz der beiden Tiere in der Transitzone wird bereits Hi 3,8 angedeutet. In der Klage Hiobs wird Leviathan als Wesen geschildert, das mit dem Tod in direkter Verbindung steht.90 Mit dem Bild seiner Herrschaft über diese beiden Tiere, das Gott in seiner zweiten Rede zeichnet, wird zugleich Hiobs Frage nach dem Aufenthaltsort Gottes beantwortet. Er ist dauerhaft in der Peripherie gebunden, um die Wesen, die die von ihm geschaffene Ordnung gefährden, zu kontrollieren. Würde er dies unterlassen, würden sie ihre körperliche Übermacht nutzen, um Chaos in die Biosphäre zu bringen. Mit der Kontrolle dieser Wesen demonstriert Gott seine Mächtigkeit.91 Seine Position zu Hiobs Klagen bringt Gott schließlich in rhetorischen Fragen in Hi 40,24–31 durch einen weiteren Bezug zu Ps 104 zum Ausdruck. „The concluding plea of Ps 104:35, that sinners be consumed from the earth and the wicked be no more, forms a striking correspondence with the challenge of Job 40:11–13, and indicates that a correlation should be assumed between the natural and moral orders in each case. In the second divine speech, there are three possible ways to which this could be interpreted. The first is that God has crushed Behemoth and Leviathan, but Job cannot.
86 Strauß, Hiob 2, 384: „Noch in der Unterwelt vermag nach bereits frühgeschichtlicher Auffassung das Krokodil den Verstorbenen auch seiner mächtigen Zauber zu berauben.“ 87 Keel, Ijob, 143. Gemeinsam werden Nilpferd und Krokodil auf den Reliefs der Mastabas des Alten Reiches als Götterfeinde dargestellt, die einen gemeinsamen Lebensraum besitzen. Vgl. Keel, Ijob, 151 mit A416 (weitere Literatur). 88 Vgl. Hartley, Job, 524. 89 Der Bezug zum Jordan in Hi 40,23 ist nur als Vergleich gedacht, dient aber nicht der Lokalisierung der beiden Wesen. 90 Weiter zum Lebensort dieser Wesen vgl. Watson, Chaos Uncreated, 319–327. Auch wenn Strauß, Hiob 2, 353f., gegen Keels These des Ursprungs der Behemot- und Leviatan-Motive in der ägyptischen Kultur anführt, die Stempelsiegel Israels/Palästina wiesen auch Darstellungen von nilpferdund krokodilgestaltigen Gottheiten auf, spricht dies nicht gegen einen Ursprung und Bezug zur ägyptischen Kultur. Auch hier liegen Referenzen auf ägyptische Vorstellungen vor. 91 Vgl. Perdue, Wisdom, 207: „The metaphor indicates that God has established an order at creation which gives chaos its own place to exist, but denies the power and opportunity to overwhelm the earth. The world exists by the restraining power of divine decree.“
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However, this is belied by the divine pride in and creation of these creatures. The second, that Job cannot control them, and neither can God, would comprise a surprising and unparalleled conclusion for a work in the Hebrew Bible, and is also subject to the same objections as the first possibility just considered. The third option, that Job might wish to overcome these animals (possibly to render them useful to man, rather than simply through a desire to exterminate such fearful beasts) but cannot, whilst God will not, but rather delights in them no less than he might in man, follows the grain of the text, and results in a startling challenge to Job’s blithe certainties and anthropocentricity.“92
Die erste vorgeschlagene Lösung kommt der Beschreibung Gottes durch Hiob nahe. Gott erweist sich als der mächtige Souverän, dem die gesamte Welt Untertan ist. Hiobs Klage, dass niemand über Gott richten kann, wird hier bestätigt und in das Bild der Beherrschung von Behemoth und Leviathan transformiert. „Damit liegt Hi 38 insofern auf der Linie psalmentheologischen Denkens, als dort der Mensch im Licht der Gegenwart Gottes seine Geschöpflichkeit selbst wahrnimmt (vgl. Ps 8; 19; 104; 139), und zwar wesentlich eher als Teilhabe an Gottes Herrlichkeit denn als Geschaffen-Sein. […] JHWHs Schweigen zum Menschen in der Schöpfung zwingt Hiob zur Neuinterpretation dieses Verhältnisses. Gleichzeitig gibt JHWH Hiob keine andere Deutekategorie an die Hand als die Schöpfung selbst, geordnet und vollständig, aber nicht zielgerichtet.“93
Bezogen auf die drei für die Ausgestaltung der Raumdeutung wesentlichen Faktoren ist aus der Darstellung des Hiobbuches Folgendes zu erkennen: Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie spiegelt das Mensch-Gott-Verhältnis wider. Während der Mensch in den kultivierten Bereichen der Biosphäre lebt und dort seinem Werk nachgeht, befindet sich Gott in der Hemisphäre, um die in Zentrum (Menschenwelt) und Peripherie (Tier- und Pflanzenwelt) herrschende Ordnung zu sichern. Damit erklärt sich über den Aufenthaltsort auch das zur Bewahrung des Lebensraums nötige Wirken und die Rolle des Menschen. In beiden Gottesreden erscheint Gott als Souverän, der die kosmische Ordnung erschuf und sie dauerhaft durch sein Wirken bewahrt. Der Mensch, der sich im Lobpreis auf Gottes Schöpfung selber als königliches Wesen wahrnimmt, stellt im Leid fest, dass er diese Rolle im Laufe seines Lebens verliert. In der Erfahrung von Endlichkeit wird er von einem königlichen Wesen zu einem Knecht.94 Die Transformation findet also nicht, wie dies an Gen 2f.
92 Watson, Chaos Uncreated, 361. 93 Köhlmoos, Auge Gottes, 339f. 94 Vgl. Perdue, Wisdom, 215: „The anthropological tradition grounded in the metaphor of humanity as king is deconstructed and left in pieces. In its place, Yahweh sets forth in no uncertain terms the
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
zu beobachten ist, kategorial durch den Verlust eines Lebens im göttlichen Garten, sondern durch den Verlust von Jugend, menschlicher Vitalität und herrschaftlicher Stellung gegenüber den Tieren statt. Dem kurzen Aufblühen in Jugendzeiten folgt der körperliche und seelische Niedergang eines Wesens, das sich im Leid selbst als Sklave seines Schöpfers wahrnimmt. Gottes Zusage der Bewahrung der Schöpfung vor kosmischen Katastrophen, die mit dem Hereinbrechen der Wassermassen sowie dem Loslassen von Behemoth und Leviathan zu verbinden wären, ermöglicht dem Menschen eine Existenz im Zentrum des Kosmos. Damit ergibt sich eine Dreiteilung der Biosphäre. Der Mensch lebt im Zentrum, während die Tiere in der Peripherie ein Leben nach Gottes Ordnung führen. In der Hemisphäre sind die die Schöpfung gefährdenden Wesen angesiedelt, die Gott dort dauerhaft kontrolliert.95 Während das Hiobbuch nach den Reden Gottes mit der Wiederaufrichtung des Leidenden endet, bleibt die von Hiob auch gestellte Frage nach der Bedeutung menschlichen Lebens und Wirkens ungeklärt. Diese wird mit dem Fokus auf die Erkenntnisfähigkeit des Menschen im Buch Kohelet in einer weiteren Schrift behandelt.
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Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
Mit dem Buch Kohelet nimmt ein späteres Werk der Hebräischen Bibel priesterliche und nicht-priesterliche Traditionen über die Ausgestaltung der Welt nochmals in den Blick und reflektiert die in Gen 1 beschriebene Schaffung von Biosphäre und Mensch hinsichtlich der in diesem Raum dem Menschen möglichen Erkenntnis.96 Seine literaturgeschichtliche Stellung innerhalb der hebräischen Schriften ist jedoch nicht eindeutig bestimmbar, setzt das Buch bereits griechisch-philosophische Traditionen voraus, nimmt dann aber vergleichbar der sich ausbildenden apokalyptischen Literatur auch persische Vorstellungen auf. Eine Datierung des Buches in das 3. Jh. v. Chr. allein aufgrund seiner Beziehungen zur griechischen Philosophie
radical sovereignty of God and the providential sustenance of animal life that may even be hostile to human existence.“ 95 Wird das Einwirken von chaotischen Mächten, die sich in der Hemisphäre aufhalten, auf das menschliche Leben von Gott kontrolliert, wird die Ursache für Leid innerhalb des Hiobbuches exemplarisch auf die Wirkung des göttlichen ‚Widersachers‘ ( )השׂטןauf Hiobs Ergehen zurückgeführt. Zur Ausprägung dieser Vorstellung s. u. 96 Vgl. Fischer, Skepsis, 184.
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ist mehr als fraglich.97 Vielmehr ist mit einer Entstehung im Übergang von der persischen zur griechischen Oberherrschaft über Palästina zu rechnen.98 Für diese Studie ist das Buch Kohelet dahingehend von Interesse, als dass es Raum und Zeit als Grenzen des menschlichen Wirkens und Verstehens ansieht. Zur Beschreibung des menschlichen Lebensraumes greifen die Verfasser*innen des Buches auch auf den priesterschriftlichen Schöpfungsbericht zurück, wie es in der alttestamentlichen Forschung wiederholt beobachtet wurde. So formuliert schon Hans Wilhelm Herzberg 1963 in seiner Kommentierung des Buches: „Das Buch Qohelet ist geschrieben mit Gen 1–4 vor den Augen des Verfassers; die Lebensanschauung Qohelets ist an der Schöpfungsgeschichte gebildet.“99 In seiner Aufnahme wird der Schöpfungsbericht Gen 1 in zwei wesentlichen Aspekten gedeutet: 1. Der Mensch ist in der Biosphäre beheimatet, allerdings auch auf sie beschränkt. 2. Der Mensch ist ein von Gott geschaffenes Wesen, dessen Lebenszeit begrenzt ist. Diese beiden Gedanken führen Kohelet dazu, menschliches Erkennen und Wirken kritisch zu reflektieren.100 Die Beschränkung des Lebensraumes wird bereits in der Einleitung zum Buch in Koh 1,3–7 durch die Beschreibung von Naturkreisläufen sichtbar.101 Welchen Gewinn hat der Mensch von seiner ganzen Mühe, welche er unter der Sonne vollbringt? Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt, aber die Erde besteht für die Ewigkeit. Und auf geht die Sonne und unter geht die Sonne, und zu ihrem Ort strebt sie, dort geht sie auf. Er geht nach Süden und dreht nach Norden, sich ständig drehend geht der Wind und durch sein Drehen kehrt der Wind zurück. Alle Flüsse fließen zum Meer, aber das Meer wird nicht voll. Zu dem Ort, von dem aus die Flüsse gehen, dorthin kehren sie zurück, um wieder zu gehen.
Damit stellen die Verfasser*innen des Buches die folgende Beschreibung der menschlichen Existenz „in einen kosmischen Horizont, der eine zweifache, d. h. eine räumliche und eine zeitliche Begrenzung besitzt. Die räumliche Begrenzung ist auf irdische Begebenheiten bezogen, was in den V. 5–7 sichtbar wird: Die Sonne zieht am Firmament von Osten nach Westen
97 Vgl. z. B. Bühlmann, Kohelet, 605. 98 Vgl. Köhlmoos, Kohelet, 71. 99 Herzberg, Prediger, 230; relativierend Dell, Intertextual Links. Für Koh 3,11 vgl. auch Krüger, Kohelet, 175f. 100 Vgl. Berquist, Judaism, 219. 101 Vgl. Weippert, Welterfahrung, 11.
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und beginnt ihren Zug am nächsten Morgen wieder am selben Ausgangspunkt; der Wind zieht über die Oberfläche der Erde von Norden nach Süden und von dort wieder zurück; das Wasser fließt von der Quelle ins Meer, ohne dass es das Meer füllt, kehrt zu seinem Ausgangspunkt zurück, um dort von Neuem zu fließen. Mit den genannten Koordinaten umschreibt Kohelet die Ausdehnung der den Menschen sichtbaren Welt, indem er den Raum von Osten nach Westen, von Norden nach Süden und vom Zentrum zur äußeren Hemisphäre abgrenzt“102 .
Diesen Raum bezeichnen die Verfasser*innen des Buches als תחת השׁמשׁ.103 Verbunden ist er mit einer dualen Zeitstruktur. Während die Erde nach Koh 1,4 ‚auf Dauer‘ ( )לעולםbesteht,104 ist das Leben des Menschen auf die Dauer einer ‚Generation‘ ( )דורbegrenzt, auf die die nächste Generation folgt.105 Der Gedanke der Generationenfolge in einem dauerhaft angelegten Kosmos findet sich auch in ägyptischen Texten des Neuen Reiches, die Qohelet als Vorlage gedient haben können, wie Christoph Uehlinger in einer Untersuchung zur altorientalischen Weisheitsliteratur aufzeigt. Unter ihnen führt er zwei ‚Harfnerlieder‘ an, an denen dieses Verständnis menschlichen Lebens sichtbar wird. Das erste Lied entstammt dem Grab des Neferhotep (1319–1292 v. Chr.) in Theben: Generationen vergehen seit der Zeit des Gottes, doch Nachwuchs tritt an ihre Stelle. Re zeigt sich am frühen Morgen, und Atum geht unter im Westgebirge. Männer zeugen, Frauen empfangen, jede Nase atmet den Lufthauch – der Morgen kommt, und schon sind ihre Kinder an ihre Stelle getreten.106
Dieser Gedanke wird auch im zweiten Lied, das wenig jünger ist und in einem Grab der 20. Dynastie aufgefunden wurde, geäußert: Geschlechter vergehen seit der Zeit des Gottes, junge Generationen treten an ihre Stelle. […] Der Nil fließt nordwärts, der Wind weht südwärts, jedermann hat seine Stunde.107
102 Wagner, Gott, 267f.; vgl. Lohfink, Kohelet, 22; Krüger, Kohelet, 113; Schoors, Ecclesiastes, 56–58, und Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 163–166. Dell, Intertextual Links, 7, weist darauf hin, dass nicht der Zyklus, sondern Dauerhaftigkeit ausgedrückt werden soll. 103 Zur Bezeichnung תחת השׁמשׁim Buch Kohelet vgl. Seow, Ecclesiastes, 113f., und in Texten der Levante vgl. Dahood, Background; Lauha, Kohelet, 33, sowie Wagner, Gott, 268f., mit weiterführender Literatur. 104 Zu לעולםvgl. Schoors, Ecclesiastes, 61. 105 Vgl. Krüger, Zeit, 23–25, sowie Schellenberg, Erkenntnis, 128f. 106 Übersetzung des Textes aus Uehlinger, Qohelet, 214. 107 Übersetzung des Textes aus Uehlinger, Qohelet, 214.
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Die Verbindung von Naturkreislauf und Generationenfolge wird in diesem Lied hergestellt, auch wenn sie an anderen Phänomenen aufgezeigt werden. Uehlinger hält fest, dass diese Lieder „in einer bestimmten Reihenfolge gelesen“108 wurden, so dass die Naturphänomene miteinander verbunden sind. Zwar wurden diese Texte in erheblicher zeitlicher Distanz zum Buch Kohelet verfasst, so „daß dabei auch die besondere Quellenlage mitbedacht werden [muss]: Aus der Zeit nach der 20. Dyn. sind uns keine Harfnerlieder mehr bekannt, weil von da an keine Felsgräber mehr angelegt, die Toten vielmehr in Holzsärgen bestattet wurden. Die Harfnerlieder kamen für die Sargdekoration, die ja mit erheblich weniger Fläche auskommen und sich auf das für den jenseitigen Weg der Toten Wesentliche beschränken mußte, nicht in Frage. Wir dürfen aus dem scheinbaren Abbrechen der Überlieferung nicht den Schluß ziehen, es habe im 1. Jt. keine Harfnerlieder mehr gegeben, erst recht nicht, deren Topik sei damals in Ägypten nicht mehr bekannt gewesen. Gegen diese Annahme spricht zunächst die Tatsache, daß zumindest das Anteflied ja auch im Verein mit Liebesliedern auf einem Papyrus überliefert ist. Daß Liebeslieder wie die des Pap. Harris 500 auch noch im 1. Jt. gesungen wurden, zeigt indirekt das mit diesen in Vielem eng verwandte Hohelied. Vor allem aber beweisen die Inschrift des Gaufürsten Nebneṯeru aus der 22. Dyn., die der Tehen aus der früh-ptolemäischen und die der Taimhotep aus der römischen Zeit, daß die Topik der Harfnerlieder das Neue Reich lange überlebt hat“109 .
Auch wenn diese ägyptische Parallele zu Koh 1,4–11 eine Messung menschlicher Zeit anhand von Generationen aufweist, kann durch sie die weitere Unterteilung von Zeit im Buch Kohelet nicht vollumfänglich erklärt werden. Koh 3,1–15 gliedert eine ‚Generation‘ als Zeiteinheit in weitere kleinere Abschnitte. Als solche erweisen sich ‚ זמןZeitpunkt‘ und ‚ עתZeitabschnitt‘,110 denen einzelne, das menschliche Leben prägende Ereignisse zugewiesen werden können. Dieses Zeitverständnis liegt auch Ps 31,16 zugrunde, wenn der Beter Gott als diejenigen bezeichnet, der ‚meine Zeiten‘ ( )עתתיin Händen hält.111 Im Buch Kohelet steht diesen Zeitabschnitten die göttliche Zeit insofern gegenüber, als dass diese längere Zeiträume einschließt.
108 Uehlinger, Qohelet, 214. 109 Uehlinger, Qohelet, 219f. 110 Zur spezifischen Bedeutung der Begriffe im semantischen Feld ‚Zeit‘ vgl. Seow, Ecclesiastes, 170; Schoors, Ecclesiastes, 231–236, sowie Janowski/Grund, Erfahrung, 509. Kaiser, Zeit, 14f., beschreibt die in Koh 3 beschriebene als ‚erlebte Zeit‘. Zur poetischen Struktur vgl. Loader, Structures, 29–33, und Ogden, Qohelet, 52. 111 Vgl. Janowski/Grund, Erfahrung, 510f.
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„Mit מראשׁ ועד־סוףwird dabei die göttliche Zeit näher bestimmt. Sie umfasst den Zeitraum von der Schöpfung bis zu ihrem Ende.“112 Diese in Koh 1,4; 3,1–15 sichtbare Konzeption von Zeit ist aus der judäischen Literatur trotz der Parallele in Ps 31 nur teilweise ableitbar. „Alles, was Kohelet beobachtet, hat Anfang und Ende, ohne daß dadurch je und je etwas grundsätzlich Neues entstünde noch daß durch ein Ende etwas Schöpfungsbedingtes, Lebenserhaltendes fehlen würde.“113 Die in Koh 1,4 vorgenommene Unterteilung in die Beschreibung der langen Dauer göttlicher Schöpfung mittels des Terminus עולםsowie der Gedanke der Unterteilung der Raumzeit finden sich in den literaturgeschichtlich vorausgehenden Werken nur in Ansätzen.114 „Kohelet ist davon überzeugt, dass Gott nicht nur den Urzustand der Welt einschließlich der Zeit als Rahmen des Weltgeschehens geschaffen hat, wie es Gen 1 im Rahmen der Urgeschichte erzählt, sondern dass er auch ihren weiteren Verlauf bestimmt. Dementsprechend können auch gegenwärtige und zukünftige Sachverhalte als Schöpfungsakt Gottes verstanden werden, wie es in der Hebräischen Bibel insbesondere bei Deuterojesaja der Fall ist.“115
Den Gedanken einer creatio continua verbindet Kohelet mit dem Konzept einer göttlichen, lang andauernden und einer menschlichen, vorübergehenden Zeit. Parallelen zu diesem Zeitkonzept finden sich weder in der hebräischen Literatur, noch, wie wiederholt in der Forschung vermutet, in griechischen Traditionen.116
112 Wagner, Gott, 270f.; vgl. Perdue, Wisdom, 208f., und Schellenberg, Kohelet, 76. Zur grammatischen Konstruktion vgl. Schoors, Ecclesiastes, 254. Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 268, betont den temporalen Aspekt der Formulierung: „Damit wird der Ort des Menschen zwischen Zeit und Ewigkeit bestimmt. Er lebt in einer Zeit und unterliegt ihren Gesetzen (3,1–8), aber geht nicht in ihr auf. In das Herz des Menschen hat Gott die Ewigkeit gelegt. Das bedeutet aber nicht, dass der Mensch sie ‚erfassen‘ könnte. Alles Geschehen ist göttliches Geschehen. Aber der Mensch kann es nicht vom ‚Anfang bis zum Ende‘ finden.“ 113 Schubert, Schöpfungstheologie, 135. 114 Vgl. Perdue, Wisdom, 210.216–218. 115 Krüger, Zeit, 41. Vgl. Seow, Ecclesiastes, 54. 116 Anders als Platon (Tim. 37c–38b) versteht Kohelet αἰών – so auch die Übersetzung von עולםin der QohLXX – nicht als ‚Unzeitlichkeit’, sondern als göttliche Zeit. Zum Zeitverständnis bei Platon vgl. Mesch, Zeit. Seine Vorstellung wird von Plotinos 3,7, und Aristoteles, De caelo A9 279a, fortentwickelt. Sie verstehen αἰών als umfängliche Existenz (Plotinos), die das Telos von Zeit und Unendlichkeit umfasst (Aristoteles). Zwei weitere Zeitkonzepte treten in der antiken griechischen Literatur auf. Sie basieren auf einer Identifizierung von Zeit mit den sie repräsentierenden Gottheiten. Χρόνος ‚Zeit‘ bezeichnet ein in der orphischen Kosmogonie begründetes Zeitkonzept, in dem der Ursprung der Raumzeit in der Vorzeit geschildert wird. Die Raumzeit wird als eine Fortsetzung der Zeit der göttlichen Sphäre im menschlichen Lebensraum verstanden. Mit καἰρός (‚Augenblick‘) wird seit dem Hymnus Ion von Chios’ (Paus. 5,14,9) der günstige Zeitpunkt bezeichnet (vgl. von
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Stattdessen erscheint die zoroastrische Zeitvorstellung, die im Zurvanismus seit Entstehen der jungavestischen Texte dokumentiert ist, den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Vorstellung Kohelets zu bilden.117 Auch wenn es nach wie vor unklar ist, ob religiöse Traditionen, die auf Zarathustra zurückgeführt werden, von der achämenidischen Herrschaft vertreten wurden,118 breiteten sich diese Vorstellungen im Westen des persischen Reiches ab dem 5. Jh. v. Chr. aus. Dokumentiert wird dieses von griechischen Autoren, die vom Wirken von μάγοι (‚Magern‘) im Westen des persischen Herrschaftsgebietes berichten. Erstmals wird diese Gruppe vom Dichter Aischylus (525–456 v. Chr.) in Persae, 318, mit dem Magier Arabus erwähnt, der an der Schlacht bei Salamis teilgenommen haben soll. Etwa zeitgleich (ca. 500 v. Chr.) werden sie in einem Fragment von Heraklit genannt. Im 5. Jh. v. Chr. werden sie dann ausführlicher von Herodot (480–425 v. Chr.) in seinem Werk ἱστορίαι (‚Historien‘) in Buch 1,132 dargestellt. Er verwendet den Begriff jedoch mit zwei Bedeutungen. Zum einen bezeichnet er mit ‚Magern‘ einen der sechs medischen Volksstämme (z. B. Herodot, Hist. 7,114.191), zum anderen iranische Priester, ohne sie einem bestimmten Volksstamm zuzuweisen. In Hist. 1,131f. beschreibt Herodot „the Persian religion as it was in his time, that is roughly in the middle of the fifth century BCE“119 . Nach der Beschreibung von Opferpraktiken erwähnt Herodot: And when he has arranged it, a Magus who stands close by sings a theogony – such do they say the invocation is; for without a Magus it is not their custom to sacrifice.120
Zudem führt er aus, Xerxes „did not undertake any important decisions without preliminary advice of the Magi“121 (Hist., 7,19.37). Neben Herodot erwähnt auch
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Heintze, Art. Kairos, Sp. 1459). Lohfink, Kohelet, 31, und Schoors, Ecclesiastes, 232, weisen darauf hin, dass das im klassischen Griechisch mit καιρός verbundene Konzept in Koh 3 nicht gemeint ist. Boyce, History II, 259–261, vermutet einen Einfluss der zoroastrischen Zeitvorstellungen auf die Platonrezeption bereits in früher Zeit. Sie leitet die in den bereits in den Schriften Aristoteles’ geäußerten Gedanken von periodischen Zyklen aus dem Zurvanismus ab. Eine derartige Vorstellung ist bei Kohelet (noch) nicht ersichtlich. Dazu vgl. die Diskussion bei Yamauchi, Persia, 419–436. Skjærvø, Oral History, 12–15, zeigt auf, welchen Einfluss zoroastrische Vorstellungen auf die altpersischen Königsinschriften gehabt haben können. Er verwendet zwar den Begriff ‚Zitat‘, schränkt aber ein, dass es sich um Anspielungen auf mündliche Vorformen handelt. Methodisch ist dies als Allusion zu verstehen. Bei der Zusammenstellung fällt auf, dass es sich durchweg um Inschriften Dareios I. handelt, darüber hinaus aber keine direkten Bezüge aufgewiesen werden können. De Jong, Tradition, 88. Die Übersetzung von Herodots Historien 1.132 findet sich bei de Jong, Traditions 92. Dandamayev, Art. Magi.
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
Xenophon in seinem Werk Kyropädia iranische Priester, die am Hof des Königs tätig sind.122 Aufgrund dieser Überlieferungen zieht Mary Boyce den Schluss, dass es zoroastrischen Einfluss auf das sich ausbildende Judentum nicht nur auf die in der babylonischen Diaspora lebenden Judäer,123 sondern ab dem 5. Jh. v. Chr. auch im Westen des persischen Reiches gab, auch wenn die griechischen Quellen ein Auftreten von zoroastrischen Priestern nur für die Gebiete nördlich von Palästina/Israel dokumentieren.124 Im Osten ist ein solcher Einfluss zoroastrischer Vorstellungen auf biblische Texte zumindest punktuell, so z. B. mit dem Auftreten des Dämonen Asmodeus in Tob 3,8; 8,3 nachvollziehbar. Dieser ist auf den iranischen aešma dæva zurückzuführen.125 „The period of influence is placed much later than that assumed by most scholars. The detailed parallels appear during Parthian and not during Achaemenid era.“126 In Palästina/Israel sind vergleichbare Entwicklungen erst in hellenistischer Zeit nachzuvollziehen.127 Bis zum Ende der Achämenidenzeit prägten sich altavestische (Gāθās Zarathustras Y. 28–34; 43–51 sowie der priesterliche Abschnitt Yasna Haptaŋhāiti Y. 35–41128 ) sowie jungavestische Traditionen (Yashts129 ) mündlich aus, die in der Sassanidenzeit (224/6–642/51 n. Chr.) verschriftlicht wurden.130 Zum Ende des 5. oder zu Anfang des 4. Jh. v. Chr. entstand im mündlichen Traditionsstrom des jungavestischen Zoroastrismus mit dem Zurvanismus ein Vorstellungskomplex,
122 Vgl. Dandamayev, Art. Magi: „Besides, the Magi were not only expert performers of worship rites but also tutors and teachers of the sons of the Persian kings and took part in the coronation ceremonies of each new king (see, e. g., Xenophon, Cyropaedia 4.5.14 and 8.3.11–12).“ 123 Vgl. Neusner, Jews and Judaism, 162. 124 Vgl. Winston, Iranian Component, 192; Boyce, History II, XII. 125 Vgl. Yamauchi, Persia, 460. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 282, versteht den Namen des Dämons als eine Kombination der persischen Begriffe aēšma- und daēuua-, die mit ‚Dämon der Wut‘ übersetzt werden kann. Schüngel-Straumann, Tobit, 133, versteht die Flucht ‚in das obere Ägypten‘ (εἰς τὰ μέρη Αἰγύπτου) als „das äußerste Ende der damals bekannten Welt im Süden“. Zugleich „ist die Wüste der Ort, wo Dämonen gemeinhin hausen“. 126 Hinnells, Zoroastrian Influence, 14. 127 Vgl. Hinnells, Zoroastrian Influence, 7–10. 128 Vgl. Yamauchi, Persia, 403f. Zu den mündlichen Vorformen, vgl. Skjærvø, Oral Traditions. 129 Vgl. Gershevitsh, Avestan Hymn, 22; Yamauchi, Persia, 407; Skjærvø, Zoroastranism, 2–5. 130 Vgl. Rezania, Zeitvorstellungen, 4; Yamauchi, Persia, 404f.; Hutter, Literatur, 550–553. Innerhalb des Avesta gibt es einen Bruch, der dadurch entstand, dass „Zoroastrianism as reflected in the Younger Avesta consistently presents itself as the religion that took shape through the revelation of Ahura Mazdā’s words to Zarathustra and through Zarathustra’s activities as a teacher“ (de Jong, Traditions, 48). Skjærvø, Oral Tradition, 12f., zeigt, dass die altpersischen Inschriften Anspielungen auf Avesta-Texte beinhalten.
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dessen Gegenstand eine spezifische Zeitkonzeption ist.131 Die ursprünglich medische Gottheit Zurwān stellt nach dem Zurwān-Mythos im persischen Pantheon als Schöpfergott den Vater Ahura Mazdās dar und gilt als Personifikation von Zeit und Ewigkeit.132 Der mittelpersische Begriff zurwān leitet sich vom avestischen zruvā-, altavestisch zruuan-, in Inschriften häufig in seiner konsonantischen Schreibung als zrw(n) (Zeit) ab.133 In dieser Form wird der Begriff bereits in verschiedenen altavestischen Texten verwendet. Trotz einer Bezeugung von zruuan- seit altavestischer Zeit, stellt ein wesentlicher Unterschied in den beiden Epochen die Verwendung unterschiedlicher Zeitbegriffe dar. In altavestischen Texten wird zruuan- zunächst nicht regelmäßig gebraucht. Vielmehr weisen die aus dieser Zeit stammenden Texte (Gāθās und Yasna Haptaŋhāiti) eine eigene Zeitvorstellung auf. Altindischen Vorstellungen der R.gveda entsprechend, wird in ihnen der indoiranische Begriff yu- in seinen vedischen Derivaten āyu- und āyus- verwendet. „Im Altavestischen setzt sich die Anwendung dieses indoiranischen Wortes fort. Viele mit ‚Dauer‘ in Verbindung stehende Begriffe sind mit ihm gebildet.“134 Die im Altavestischen wiederholt verwendete Formel yauuōi vīspāi, die häufig mit ‚Lebensdauer‘ übersetzt wird, trägt die „eigentliche Bedeutung […] ‚für das ganze Leben‘ bzw. ‚für die ganze Lebensdauer‘ […], die sich oft auch durch ein Possessivpronomen ergänzen lässt“135 . Mit ihr werden Zeitabschnitte des menschlichen Lebens benannt, deren Verhältnis zur Raumzeit zunächst nicht weiter gedeutet wird. Eine Trennung der Zeit findet sich in dieser frühen Phase jedoch zwischen dem profanen und dem rituellen Leben, wie Yt. 33.5 zeigt: Der ich dir allergrößte Hörbereitschaft durch Zuruf kundtun will bei dem Losbinden (der Fesseln der Sünde), nachdem ich das lange Leben (dargō.jiiāitīm), die Herrschaft
131 Boyce, History II, 231, geht von einer Dreiteilung der Zeit aus, wobei das Eschaton mit der Zeit der Schöpfung identisch ist. Beide werden als zruuan- akaran- (‚die grenzenlose Zeit‘) bezeichnet. Weiter zum Zurwān-Mythos vgl. Mayer, Monotheismus, 50–52, und de Jong, Traditions, 63–68. Der Einfluss des Zurwān-Mythos auf Vorstellungen im Judentum ist in zwei außerbiblischen Texten belegt. Die Zeitvorstellung von 1QS III,13-IV,26 nähert sich dem Mythos an. „In der zurvanistischen und der qumranischen Anschauung stellt sich eine Dreiheit dar: Zurwān, Ohrmazd und Ahriman im Zurwān-Mythos und Gott, Geist der Wahrheit und Geist des Frevels in der Qumrangemeinde“ (Rezania, Zeitvorstellung, 161). Allerdings betont 1QS den Determinismus, während der ZurwānMythos die Vorstellung menschlicher Freiheit, die im Zoroastrismus grundgelegt ist, hervorhebt. In den zoroastrischen Schriften geht mit der zeitlichen auch eine räumliche Entgrenzung einher. 132 Vgl. Koch, Dareios, 283. 133 Vgl. Yamauchi, Persia, 440f. 134 Rezania, Zeitvorstellung, 37. 135 Rezania, Zeitvorstellung, 43.
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
des guten Denkens, erreicht habe, die der Wahrheit gemäß geraden Pfade, auf denen der weise Herr wohnt.136
In diesem Text wird eine doppelte Daseinsform der Menschen angesprochen, durch die der Mensch eine besondere Beziehung zur Dauer von Zeit entwickelt. Bei der Beschreibung der Lebenszeit muss dem Dichter „ein Vergleich mit dem normalen alltäglichen Leben im Sinn gewesen sein. Er muss die Lebensdauer gedehnt wahrgenommen haben, wenn er ein Ritual durchführte. […] So gibt es für ihn scheinbar zwei unterschiedliche Sphären: Eine ist die profane Sphäre, in der das Leben der normalen Gesetzbarkeit unterworfen ist; die andere ist die rituelle Sphäre, in der die Lebensdauer im Vergleich zum profanen Lebensbereich ‚lang‘ ist“137 .
Von der durch das Ritual ermöglichten Loslösung von den Sünden wird die Gesamtexistenz des Menschen, die aus einer leiblichen und einer mentalen Daseinsform besteht, betroffen. So wird es dem Menschen möglich, die Pfade zum Wohnort Ahura Mazdās zu beschreiten, wofür man leiblich und mental rein sein muss. Neben einer zeitlichen leiblichen Existenz werden mit den amša spn.tas unsterbliche Daseinsformen erwähnt. „Sie sind die Wesen, die für ihr ganzes Leben gegen die Daēuuas aktiv sein können, im Gegensatz zu den Menschen, die sich lediglich während ihres leiblichen Daseins engagieren können.“138 Diese ‚Ewigkeit‘ stellt keine Unzeitlichkeit, sondern eine immerwährende Gegenwart dar, die Attribut göttlichen Lebens ist. Dieses Phänomen wird im altavestischen mit dem Begriff yauuaētāitē beschrieben, das in Y. 28.11 Ahura Mazdā zugesprochen wird. Diese auf den Raum bezogene Vorstellung von Zeit entwickelte sich in den jungavestischen Schriften weiter fort. Im Zentrum der Zeitkonzeption steht in dieser Epoche der Begriff zruuan-. „Seine Bedeutung erstreckt sich dabei von ‚Zeitpunkt‘ über ‚Zeitspanne‘ bis hin zu einem religiös-kosmologischen Sinn.“139 Die Belege in Y. 46.11 und Y. 62.3 zeugen davon, dass der Begriff vergleichbar dem Hebräischen עתals ‚Zeitabschnitt‘ verwendet wird. Seine religiös-kosmologische Bedeutung erhielt der Begriff in achämenidischer Zeit vor allem durch „die Zentralisierung und Universalisierung der achämenidischen Herrschaft“140 . Da Zurwān im zoroastrischen Kalender in der Liste der 30 wichtigsten Yazatas zur Mitte des 5. Jh.s v. Chr. noch fehlt, ist von einer Etablierung des Zeitprinzips erst
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Übersetzung des Textes aus Rezania, Zeitvorstellung, 47. Rezania, Zeitvorstellung, 48. Rezania, Zeitvorstellung, 52. Rezania, Zeitvorstellung, 61. Rezania, Zeitvorstellung, 65.
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in der zweiten Hälfte der achämenidischen Epoche auszugehen.141 Die Bedeutung des Zeit- sowie des mit ihm verbundenen Raumprinzips142 hebt in späterer Zeit der Neuplatoniker Damaskios in seiner Schrift Περι των πρωτων αρχων hervor, der sich dabei auf eine Aussage des Eudemos von Rhodos (ca. 370–300 v. Chr.) bezieht: Von den Weisen und der ganzen arischen Rasse, wie auch Eudemos schreibt, nennen die einen das Ganze, was verständlich und einheitlich ist, Ort, und die anderen Zeit; von diesen haben sich entweder ein guter Gott und ein böser Dämon getrennt, oder Licht und Finsternis vor diesen, wie einige sagen.143
Ab der jungavestischen Epoche werden zwei Zeitformen differenziert, die der in Koh 3,1–15 geäußerten Vorstellung von durch Ereignisse im menschlichen Leben geprägten Zeitabschnitten entspricht. Yt. 10.55 verdeutlicht die inhaltliche Differenzierung von Zeit: Wenn mich die Menschen mit einem Yasna verehrt hätten, in dem (mein) Name ausgesprochen wird, ebenso wie die anderen Yazatas mit einem Yasna verehrt werden, in dem (ihre) Namen ausgesprochen werden, dann hätte ich mich für die Dauer der gestalteten Zeit (θβarštahe zrū) zu den wahrhaften Männern begeben, aus der ungestalteten (+aθβarštahe), meinem eigenen sonnenhaften unsterblichen Leben wäre ich gekommen.144
Die Verehrung durch ein Yasna-Ritual verweist auf eine kultische Situation, in der die Zeit des Ritual-Raums angesprochen wird. Dies verdeutlicht, dass die beiden Zeitformen unterschiedlichen Realitäten angehören. „Während die gestaltete Zeit die Zeit des menschlichen Lebens repräsentiert, stellt die ungestaltete Zeit die Zeit des göttlichen Lebens dar. Die menschlichen Aktivitäten finden dabei in der gestalteten Zeit statt, die der Gottheiten vornehmlich in der ungestalteten Zeit.“145
141 Vgl. Rezania, Zeitvorstellung, 68. Trotz seiner Bedeutung für das Verständnis von Raum und Zeit wird Zurwān nicht durch kultische Akte verehrt. Dazu vgl. Rezania, Zeitvorstellungen, 95. 142 Zum Ursprung des Raumkonzepts vgl. Rezania, Raumkonzeptionen, 53f.: „Die Tatsache, dass im Avestischen sowohl der statische Ort als auch der dynamische Weg in ein und demselben Wort Ausdruck finden können, mag mit der halbnomadischen Lebensweise des Avesta-Volkes zusammenhängen.“ 143 Publikation des griechischen Textes bei Zaehner, Zurvan, 447. 144 Übersetzung des Textes aus Rezania, Zeitvorstellungen, 69f. 145 Rezania, Zeitvorstellungen, 70.
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
Der Übergang zwischen den beiden Zeitformen ist dem Priester im Ritual vorbehalten. Dabei ist ein Austausch zwischen den Räumen und den ihnen zugehörigen Zeitformen möglich. So kann nicht nur der Priester den profanen Raum verlassen, er kann auch die Wesen des sakralen in den profanen Raum bitten.146 Die Scheidung der Zeiten besitzt nicht nur einen räumlichen, sondern auch einen kinetischen Aspekt. Die Schöpfung wird in einen ersten, das Statische des Kosmos schaffenden, und einen zweiten, das Prozessuale des Kosmos in Gang setzenden Akt unterteilt (vgl. Yt. 13.53–58). Mit dem als Gottheit verbundenen Zeitprinzip Zurwān wird die Regelmäßigkeit der dynamisierten Zeit, die in Zeitabschnitte gegliedert ist, zum Ausdruck gebracht. Dieser regelmäßige Verlauf wird als zruuandarγō- xvaδāta- (‚die lang ihrer eigenen Bestimmung folgende Zeit‘) bezeichnet, während der statische Zustand als zruuan- akaran- (‚die grenzenlose Zeit‘) beschrieben wird.147 Erfahren werden kann das Statische nur im Ritual, während das profane Leben vom Dynamischen geprägt ist. Damit ergibt sich eine zweifache Verbindung der Zeitbegriffe: zruuan- akaran- (‚die grenzenlose Zeit‘)148 ist mit zruuanaθβaršta- (‚ungestaltete Zeit‘) identisch, während zruuan- darγō- xvaδāta- (‚die lang ihrer eigenen Bestimmung folgende Zeit‘) in die zruuan- θβaršta- (‚gestaltete/ profane Zeit‘) hineinfällt.149 „Die sakrale Zeit ist eine uneingeteilte und ungestaltete Zeit ohne Abschnitte, Gliederung und Begrenzung. Bei der profanen Zeit dahingegen handelt es sich um eine eingeteilte und gestaltete Zeit mit Abschnitten, Gliederung und Grenze. Sie hat nicht nur Anfang und Ende, vielmehr ist sie durchschnitten und erst durch ihre Abschnitte messbar.“150
Eine Partizipation des Menschen an der sakralen oder göttlichen Zeit ist durch das Ritual möglich; ebenso wirkt das Göttliche auf die profane Zeit ein, indem sie diese durch ihre Anwesenheit spiritualisiert, wobei die Teilhabe des Göttlichen nur mittels göttlicher Wesen, nicht aber durch Ahura Mazdā selber möglich ist.151 Die ‚grenzenlose Zeit‘ zeichnet sich als undynamisierte Zeit durch den Zustand der Ruhe aus.152 Da sie nicht unterteilt ist und weder ein Vor- noch ein Nachher kennt, ist sie als Zeitlosigkeit zu verstehen.153 Durch das Ritual wird nicht nur die
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Vgl. Panaino, Remarks, 198. Vgl. Junker, Quellen, 132–137, und Rezania, Zeitvorstellungen, 80. Zur Grenzziehung vgl. Rezania, Raumkonzeption, 59–69. Vgl. de Menasce, Reflections, 183, sowie Panaino, Remarks, 196–198. Rezania, Zeitvorstellungen, 81f. Vgl. Rezania, Zeitvorstellungen, 82. Vgl. Junker, Quellen, 137. Vgl. Rezania, Zeitvorstellungen, 88.
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Zeitlosigkeit in der Zeit, sondern auch der sakrale Raum im profanen erfahrbar, so dass die beiden Zeitformen als Raumzeiten zu verstehen sind. „Die Rezitation des ewigen Gebets in der zeitlichen Zeit verbindet […] Zeitlichkeit und Ewigkeit. […] Durch das Ritual und die Rezitation des ewigen Gebets reintegriert sich die Ewigkeit ständig in die Zeitlichkeit. Durch dieses Mittel ist die Zeitlichkeit zu transzendieren, um in die Ewigkeit eintreten zu können.“154
Die Trennung der Raumzeiten, einer den göttlichen Raum zugehörigen ‚grenzenlosen Zeit‘ und einer der Biosphäre eigenen, in Zeitabschnitte gegliederten ‚begrenzten‘ Zeit entspricht dem Gegenüber von עתund עולםim Buch Kohelet. Mit dieser Zeitstruktur wird im Buch Kohelet eine Trennung des Raumes verbunden. Die in Koh 1,4–11 dargestellte Ordnung der Wege von Sonne, Wind und Wasser, die für den Menschen bis zur Hemisphäre, aber nicht über diese hinaus nachvollziehbar sind, deutet auf die räumliche Beschränkung des Menschen hin. Der Mensch, der alles Irdische erforscht, bleibt allerdings auf die mit dem Raum verbundenen Begebenheiten beschränkt, so dass er Gottes Schöpfungswerk nur innerhalb der Grenzen תחת השׁמשׁwahrnehmen kann.155 „For Qohelet, the divine world is impervious to human perception.“156 Die menschliche Wahrnehmung wird mit der wiederholten Verwendung von ‚( ראיתיich sah‘ in Koh 1,14 u. ö.) betont.157 Partiell kann der Mensch seinen Erfahrungsraum ausweiten, da die mit dem göttlichen Raum verbundenen Aspekte der Zeitlosigkeit in die Raumzeit hineinfallen. Dies wird im Buch Kohelet neben der Beobachtung von Naturkreisläufen, deren Wahrnehmung jedoch auf ihre Anteile in der Biosphäre beschränkt bleiben, vor allem durch die Hochwertung von Essen und Trinken sowie im Vergleich von Trauer- und Festhaus (Koh 7) expliziert.
154 Rezania, Zeitvorstellungen, 90, mit Bezug auf Vd. 19.9. 155 Leuenberger, Erfahrungstheologien, 50f., betont, dass Kohelet keinen Einblick in die göttliche Sphäre kennt, wie dies die prophetische Literatur als Möglichkeit des Erkenntniserwerbs noch voraussetzt. 156 Perdue, Wisdom, 211. So auch Backhaus, Zeit, 149: „Den gleichbleibenden Lauf der einzelnen Naturvorgänge (1,4–7) kann der Mensch erkenntnismäßig nicht umfassend begreifen. So kommt er entsprechend seinem begrenzen Erkenntnisvermögen (1,10) nie an ein Erkenntnisziel, welches für ihn einen bleibenden Gewinn bedeuten würde.“ 157 Dazu vgl. Schellenberg, Erkenntnis, 44: „Durch die Betonung seines eigenen ‚Ich‘ als Erkenntnissubjekt stellt sich Qohelet einerseits kritisch der Tradition gegenüber; ihm reicht es nicht mehr, dass gewisse Einsichten seit Generationen unbezweifelt sind, er muss diese Erkenntnisse selbst (etwa durch eigene Beobachtungen) machen. Andererseits relativiert er mit der Betonung des ‚Ich‘ aber auch seine eigenen Erkenntnisse, da diese nun nicht mehr die Erkenntnisse aller sind, sondern explizit als seine individuellen ausgegeben werden.“
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
Koh 3,12f. verdeutlicht, dass der Konsum von Nahrungsmitteln als eine Form der Teilhabe am göttlichen Schöpfungswerk verstanden wird. Dies wird sowohl an der Herkunft der Nahrungsmittel deutlich, die in der altorientalischen Ikonographie häufig von einer Gottheit/einem Priester an eine*n Kultteilnehmer*in übergeben werden,158 als auch den Orten, an denen sie konsumiert werden. Dies gilt sowohl für kultische Mahle im Tempel als auch in Grabkammern. Die im Grab des Jason in Jerusalem aufgefundene Inschrift εὐφραίνεστε οἱ ζῶντες ἀδελφο[ι] πεῖν ὄμα φα[γεῖν] (‚Genießt, ihr lebenden Brüde[r], Trinken und zugleich E[ssen],) deutet darauf hin, dass festliches Essen und Trinken auch in den Regionen, in denen sich die Unterwelt in die Biosphäre erstreckt, erfolgte.159 In den Bereich des Übergangs von der Biosphäre in das Totenreich verweist auch die Hochwertung von Trauerriten in Koh 7,1–4.160 In V. 3 heben die Verfasser*innen den Wert der Trauer für den Erkenntnisprozess hervor. Das Eindringen des Todes in die Biosphäre und die Überführung des Menschen in die Unterwelt versteht Kohelet als Perspektiverweiterung, so dass der Mensch mit dem Tod in die Lage versetzt wird, den kosmischen Raum jenseits der Biosphäre zu ergründen. Im Trauerprozess kommt die*der Trauernde mit dieser Sphäre in Kontakt, so dass eine Kongruenz zwischen dem Zustand des Herzens und der Erfahrung entsteht.161 „Während Menschen die Erfahrung machen, dass die Sphäre des Todes in die irdische hineinragen kann und der Mensch in Krankheit oder anderen Krisensituationen an den Rand dieser Welt und damit in die Übergangsbereiche herangeführt wird, ist ein Austausch der Lebenden mit den Toten und damit ein Wissen um die erst im עוָֹלםerfahrbaren Aspekte des göttlichen Wirkens nicht mehr gegeben. Der Mensch kann zwar an den Randbereichen seiner Existenz Phänomene dieser Sphäre erleben und damit Weisheit partiell erwerben, doch bekommt er dort noch keinen vollen Einblick in die kosmischen Prozesse, die sich zwischen den Räumen ereignen, wie etwa der Gang der Sonne oder der Lauf des Wassers.“162
Die dem Menschen fehlende Außenperspektive wird durch einen Vergleich des Buches Kohelet mit kynischen Schriften noch deutlicher. Wiederholt wurde in der alttestamentlichen Forschung hervorgehoben, dass der das Buch einleitende Satz
158 Vgl. das Rollsiegel VR 1981.199 (Anšan, 20./19. Jh. v. Chr.). Weiter dazu vgl. Wagner, Gott, 276f. 159 Zur Tradition eines Austausches zwischen Unterwelt und Biosphäre vgl. die Darstellung bei Wagner, Gott, 276–279, mit weiterführender Literatur. Zur phönizischen Bestattungskultur vgl. zudem Lipiński, Cult Expressions, 298–300. 160 Zur den Bezügen von V.1 zu V. 3 und V. 2 zu V.4 vgl. Loader, Structures, 33f. Weiter vgl. Ogden, Qohelet, 102. 161 Vgl. Wagner, Gott, 275. 162 Wagner, Gott, 282f.
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‚( הבל הבלים אמר קהלת הבל הבלים הכל הבלHöchstmögliche Nichtigkeit, sagt Kohelet, höchstmögliche Nichtigkeit, alles ist nichtig‘) mit einer Grundüberzeugung der kynischen Weltsicht übereinstimmt.163 Diesbezüglich wird in der Forschung auf die Aussage des Kynikers Monimos (ca. 340 v. Chr.) verwiesen, der nach Menander, Hippokomos, die Aussage τὸ γὰρ ὑποληφθὲν τῦφον εἶναι πάντ᾽ ἔφη (‚er meint nämlich, dass alles, was angenommen wird, Windhauch ist‘)164 , getätigt haben soll. So gibt es auch Diogenes Laertius in Leben und Meinungen berühmter Philosophen Bd. 6 wieder, wenn er Leben und Werk des Monimos’ beschreibt.165 Im kynischen Schrifttum findet sich zudem die Tendenz, das Irdische aus einer Außenperspektive zu beschreiben. So werden bei Lukian Teile des Werkes Menippos’ von Gadara (Ostjordanland südlich des Jarmuk) überliefert, der dort in der ersten Hälfte des 3. Jh.s v. Chr. lebte. In Ikaromenippos oder die Luftreise berichtet Menippos einem Nachbarn von seiner Reise zunächst in die Atmosphäre, dann in den Götterhimmel. Dabei legt er auch seine Intention, den Weg in den Himmel zu suchen, dar. Seitdem ich das menschliche Leben genauer zu beobachten anfing und in allem, worauf die Menschen den meisten Wert legen und worin ihre Habsucht, ihr Ehrgeiz und ihre Neigung zum Herrschen sich zu befriedigen sucht, so viel Lächerliches, Kleines und Unsicheres wahrnahm, seitdem wurden mir diese Dinge verächtlich. Ich betrachtete die Bemühungen um sie als ebensoviel verlorene Zeit für das, was wahrhaftig der Mühe wert ist, und versuchte also, meinem Geist eine höhere Richtung zu geben und alle meine Aufmerksamkeit auf die Betrachtung des Ganzen zu wenden. Aber hier befand ich mich gleich anfangs in keiner kleinen Verlegenheit, was ich mir von dem, was in der Sprache der Weisen die Welt oder das All heißt, für einen Begriff zu machen hätte. Denn ich konnte unmöglich herausbringen, weder wie dies besagte All entstanden, noch wer dessen Baumeister, noch was der Anfang, noch was das Ende davon sein könnte.166
163 Vgl. Krüger, Kohelet, 102f. mit A7; Amir, Einfluss, 41; Köhlmoos, Kohelet, 77f.; Schellenberg, Kohelet, 46f. 164 Menander, Frg. 214 Z. 7. 165 Dazu vgl. Braun, Kohelet, 46: „Wenn Kohelet, wie aus seiner zeitgeschichtlichen und persönlichen Situation als Chakam mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, über die Kenntnis der zeitgenössischen griechischen Philosophie verfügte, besteht die Möglichkeit, anzunehmen, daß er im Gebrauch des ihm durch die nachexilische Weisheit vorgegebenen Begriffs חבלvon einem synonymen Begriff der hellenistischen Bildung seiner Umwelt, dem man aufgrund seiner Verbreitung bis in die Spätantike doch eine gewisse Bedeutung beimessen darf, angeregt worden ist. Die wörtliche Parallele zu Monimos läßt vermuten, daß hier mehr als eine zufällige Parallelität zweier weisheitlicher Reflexionsbereiche vorliegt, die zudem etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben müßte, da Monimos als früherer Zeitgenosse Kohelets angesehen werden kann.“ 166 Übersetzung des Textes aus Lukian, Werke, 115.
Die Begrenzung menschlichen Wirkens und Erkennens durch Raum und Zeit
Menippos betont in diesem Abschnitt die Notwendigkeit, eine umfassende Außenperspektive einzunehmen, um die irdischen Zusammenhänge mitsamt ihrer Details verstehen zu können. Ein solches deduktives Verfahren ist nach Kohelet nicht möglich, da der Mensch die Biosphäre erst posthum verlassen kann. Daraus folgert er, dass menschliches Wirken bezogen auf das Schöpfungswerk Gottes irrelevant ist. Da der Mensch das Schöpfungswerk Gottes nicht in vollem Umfang wahrnehmen kann, kann er sein Handeln nicht an diesem orientieren und an ihm mitwirken.167 Diese Beschränkung menschlichen Schaffens wird innerhalb des Buches in Koh 1,12–2,26 in der sog. ‚Königs- bzw. Salomofiktion‘ thematisiert. In Koh 2,11f. heben die Verfasser*innen hervor, dass ein königliches Dasein für einen Menschen nicht zu Ertrag führt.168 Diese Einsicht Kohelets bezieht sich auf den Ertrag seines Suchens. „Qohelet conceives of knowledge as a product of thought and discovery, not as an entity independent of the individual mind. He does not phrase his idea in this way, of course, but such a notion is implied by his description of what happens when he reaches the boundaries of knowledge.“169
Bestimmt die Zeit seines Königtums Kohelets Suchen und Ansammeln von Besitz, tritt im Anschluss die Erkenntnis ein: Obwohl der König innerhalb der menschlichen Gesellschaft eine herausgehobene Stellung einnimmt,170 ist der von ihm gesammelte kein ihm dauerhaft zufallender Besitz.171 Er wird an seinen Nachfolger 167 Vgl. Schoors, God, 265.; weiter Wagner, Gott, 283–287. 168 Krüger, Zeit, 26f., verortet die Erkenntnis des suchenden Königs in dessen erste Jahre als König. Weiter weist er darauf hin, dass V. 12b „eine crux interpretum“ ist. Zahlreiche hebräische Handschriften lesen an an dieser Stelle עשׂהוanstelle von ( עשׂוהוKrüger, Kohelet, 128). Dabei handelt es sich offenbar schon um eine Interpretation des MT. LXX übersetzt ἐποίησεν αὐτήν und verbleibt damit bei der Lesung, die im MT bezeugt ist. Eine stillschweigende Ergänzung von יעשׁה, wie Krüger, Kohelet, 128, mit Verweis auf Gesenius/Kautzsch/Bergsträsser, Grammatik, 530 §167a (Stilfigur Aposiopese), sie für V. 12bα vornimmt, ist durch keinen handschriftlichen Befund gedeckt. 169 Fox, Qohelet, 94. Weiter vgl. Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 182: „Dabei werden in 1,13–2,2 drei Lebensentwürfe durchgespielt: ein auf Praxis ausgerichtetes Leben (1,13–15), ein Leben, das sich der Theorie widmet (1,16–18), und ein Leben, das sich ganz dem Vergnügen hingibt (2,1–2).“ Zudem führt er aus: „Dem Anspruch nach verband sich mit dem König im Alten Israel und darüber hinaus im gesamten Alten Orient die Vorstellung von Weisheit, Reichtum und Gerechtigkeit. Der König besitzt die Macht und das Wissen, Welt zu gestalten, und zwar so zu gestalten, dass er und sein Volk in Wohlstand und Sicherheit leben können“ (Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 188). 170 Herzberg, Prediger, 87, vermerkt die Nähe zur Paradiesvorstellung von Gen 2f. sowie Ez 28. 171 Gattungskritisch betrachtet, lehnt sich die Königs- bzw. Salomofiktion an altorientalische Königsinschriften an. „Sie werden aufgegriffen und demonstriert. Kohelet eignet sich in 2,3–11 das Selbstverständnis altorientalischer Könige in emphatischer Weise an, doch das dabei erzielte Resul-
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
übergeben werden (V. 18). Menschlicher Ertrag ist demnach nur temporär, wie dies auch in Ps 49,11 betont wird.172 Die zu Beginn des Buches vom König erkannte und vom ‚nach-königlichen‘ Kohelet173 explizierte Ertraglosigkeit seines Handelns entwickelt sich innerhalb des Buches Kohelet zu der grundlegenden Einsicht fort, dass das gesamte Handeln des Menschen bezogen auf das Schöpfungswerk Gottes und die ihm zukommende Dauerhaftigkeit irrelevant ist. Dieser Gedanke ist erneut von der räumlichen und zeitlichen Beschränkung menschlichen Lebens geprägt.174 Nach Koh 3,14 besitzt der Mensch keinen eigenen Anteil am Schöpfungswerk Gottes, so dass sein Wirken temporär bleibt.175 „Das dem Menschen vorgegebene Schöpfungswerk Gottes begrenzt zugleich seine Möglichkeiten, die Wirklichkeit durch sein eigenes Handeln zu verändern.“176 Dasselbe gilt auch für die Einsichtsfähigkeit des Menschen, deren Grundlage die Empirie ist.177 Mit der Beschränkung der Teilhabe des Menschen am schöpferischen Handeln Gottes wird des Menschen Erkenntnisfähigkeit und mit ihr der Wert seiner Aus-
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tat bleibt weit hinter dem erhobenen Anspruch zurück. So besteht die Funktion der Königstravestie gerade darin, einen ‚königlichen Lebensentwurf ‘ durchzuspielen, der seinen Protagonisten in die Krise führt und anschließend einer kritischen Revision unterzogen wird“ (SchwienhorstSchönberger, Kohelet, 56f.). Backhaus, Zeit, 150, weist darauf hin, dass zwischen der Königs- und der Salomofiktion zu unterscheiden ist, da der Bezug zu Salomo erst durch die redaktionelle Zufügung von Koh 1,1 hervorgerufen wird. Weiter zur Salomofiktion vgl. Koh, Autobiography, 25–71. Zur Kritik am Königtum vgl. Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 190f. Krüger, Kohelet, 146: „Der Tod markiert nicht nur in dem Sinne eine Grenze der Verfügungsgewalt des Menschen über seinen Besitz, dass er ihn danach nicht mehr selbst genießen kann. Er kann nicht einmal zuverlässig darüber bestimmen, wer nach seinem Tod über die Früchte seiner Arbeit verfügen wird. Offenbar würde es der König – ungeachtet seiner bisherigen Überlegungen zum Thema ‚Weisheit und Torheit‘ – vorziehen, wenn sein Nachfolger weise wäre. Dass ein Tor über Besitz verfügt, widerspräche nämlich seinem Postulat, dass der Mensch sich ein gutes Leben mit Weisheit selbst erarbeiten kann und muss (vgl. V. 21).“ Vgl. Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 190: „In 1,12–2,26 erzählt Kohelet von den Erfahrungen seines früheren Lebens ‚als König‘. Sie führten ihn zu Einsichten und Erkenntnissen, die er nun seinem Leser/Hörer mitteilt.“ Longman, Solomon, 49, hebt hervor, dass sich Qohelet an verschiedenen Stellen (Koh 4,1; 5,7f.; 10,20) so äußern würde, als wäre er kein König (mehr). Schellenberg, Erkenntnis, 67f., sieht als nach-königliche Existenz die des Weisen an. „Während die Reflexionen des ‚Königs‘ in 1,12–2,26 erst nach und nach die Begrenztheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit vor Augen führten, ist dieses Wissen im nächsten Buchteil 3,1–6,9 von Anfang an vorausgesetzt. Es bildet den Ausgangspunkt mehrerer Gedankengänge, in denen Qohelet beispielhaft vor Augen führt, wie Erfahrungen und Reflexionen im Bereich des Irdischen zu neuen Erkenntnissen führen können“ (Schellenberg, Erkenntnis, 68). Weiter vgl. Longman, Ecclesiates, 96f. Vgl. Wagner, Gott, 271f. S. auch Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 267f. Zur Aufnahme der ‚Kanonformel‘ (Dtn 4,2; 13,1) in Koh 3,14 vgl. Krüger, Rezeption, 309f. Krüger, Kohelet, 170. Vgl. Krüger, Zeit, 24.
Adaptionen und Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters
sagen begrenzt.178 Dies wäre für den Menschen unproblematisch, hätte Gott ihn nicht als ein Wesen geschaffen, das um die Begrenzung seines irdischen Lebens wüsste (Koh 3,11):179 Alles machte er schön zu seinem Zeitpunkt, auch gab er Ewigkeit180 in ihr Herz, nur kann der Mensch das Geschaffene, das Gott schuf vom Anfang bis zum Ende, nicht ergründen.
Der Mensch weiß folglich um die andere Existenzform außerhalb seiner eigenen Lebenswelt.181 So kann er Gott als denjenigen erkennen, der umfängliche Erkenntnis erlangen kann. Er ist nicht nur der Schöpfer, der ‚( עולםEwigkeit‘) herbeiführte, sondern auch derjenige, der seine Schöpfung aus der Außenperspektive wahrnehmen kann. Damit erlangt er einen umfassenden Blick, durch den Erkenntnis erst möglich wird.182 Diese kategorische Geschiedenheit Gottes vom Menschen drückt Kohelet schließlich in Koh 5,1b in einer räumlichen Trennung aus: Gott ist im Himmel, aber du auf Erden; darum sollen deine Worte wenige sein.
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Adaptionen und Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters
Das priesterschriftliche Ordnungsmuster, wie es durch die Kosmogonie in Gen 1, die Neuordnung der Schöpfung nach der Sintflut und die Errichtung des Kultortes im Weltzentrum entsteht, wurde in hebräischen Texten, die einem weisheitlichen Diskurs der sog. ‚Krise der Weisheit‘ entstammen, aufgenommen und hinterfragt. Dabei weisen Gen 2f., das Buch Hiob sowie das Buch Kohelet jeweils spezifische Reinterpretationen der priesterschriftlichen Texte auf. Die Analyse der Texte zeigt
178 Schellenberg, Erkenntnis, 125–131, versteht das Handeln Gottes als Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit. 179 Zum Zusammenhang von V. 11 und V. 14 innerhalb der Untereinheit Koh 3,10–15 vgl. Loader, Structures, 88–90; Seow, Ecclesiastes, 172f., und Backhaus, Zeit, 144, der Koh 3,11 zugleich als Wiederaufnahme von Koh 1,13 und Koh 3,1 versteht. 180 MT bietet an dieser Stelle die defektive Schreibung עלם, während verschiedene griechische Handschriften gegen LXX πάντα, hebr. כלlesen. Die Emendation beruht wohl auf einem Unverständnis, wie αἰών (Koh 3,11LXX) in das menschliche Herz gelangen soll. Ein vergleichbares Verständnisproblem weist auch Fischer, Skepsis, 236f., auf, der עלםin ‚( עמלMühsal‘) verändern möchte, ohne dabei auf handschriftliche Befunde rekurrieren zu können. 181 Vgl. Ogden, Qohelet, 56–58, sowie Schellenberg, Kohelet, 49, die davon spricht, dass Gott „dem Menschen einen Sinn für ‚Ewigkeit‘ ins Herz gegeben hat“. 182 Zur Außenperspektive, die auch in den Schriften des Menippos von Gardara belegt sind, vgl. Wagner, Gott, 286f.
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
dabei drei Faktoren, die von den Autor*innen der späteren Zeit bezogen auf die eigene Weltwahrnehmung problematisiert werden. Als diese drei Faktoren erweisen sich a. das Verhältnis von Zentrum und Peripherie, b. die Bewahrung des Lebensraumes, und c. das Wirken des Menschen als Herrscher über diesen Raum. a. Das Verhältnis von Zentrum und Peripherie: Während sich im Buch Kohelet keine Verhältnisbestimmung von Zentrum und Peripherie findet, da das menschliche Leben nicht räumlich differenziert und die göttliche Sphäre außerhalb der Biosphäre gedacht wird, ist diese Relation in Gen 2f. sowie im Hiobbuch ein zentrales Thema. Gen 2f. verlegt die Ursprünge des menschlichen Lebens in einen im Weltzentrum angesiedelten Garten, der nicht nur als Lebensraum des Menschen, sondern auch als der JHWHs verstanden wird. Seine Präsenz im Garten wird in der Auslegungsgeschichte oftmals als ein Synonym für den Jerusalemer Tempel gedeutet. Die Symbolik des Lebensflusses, der aus dem Garten strömt und sich in die vier großen Flüsse der Welt teilt, spricht für eine derartige Interpretation. Wesentlich für das Verhältnis von Zentrum und Peripherie ist die Ausweisung der Menschen am Ende der Erzählung. Das Weltzentrum bleibt Gott vorbehalten, während der Mensch in der Peripherie leben muss. Der ätiologische Charakter, den diese Erzählung besitzt, deutet auf eine dauerhafte Trennung der menschlichen und der göttlichen Lebensbereiche hin, so dass dem Menschen ein Zugang zu Gott verwehrt bleibt. Kultische Handlungen werden in diesem Text nicht erwähnt, doch weist der weitere Verlauf der Erzählung in Gen 4 darauf hin, dass der Ertrag menschlicher Arbeit, der zum Teil als Opfer dargebracht wird, nicht im Heiligtum, sondern in der Peripherie, in der der Mensch lebt, für Gott gegeben wird. Im weiteren Verlauf seiner Geschichte findet der Mensch keinen Zugang zum kosmischen Zentrum, sondern muss sein Dasein in der Peripherie verbringen. Die Erzählung begründet also eine dauerhafte räumliche Trennung von Gott und Mensch. Eine solche wird auch im Buch Hiob beklagt. Hiob, der in seinen Redegängen Gott zum Rechtsstreit aufruft, konstatiert eine dauerhafte Unzugänglichkeit Gottes für den Menschen. Obwohl der Tempel im kosmischen Zentrum verortet ist und Hiob von seinen Freunden aufgefordert wird, Gott dort anzurufen und den kultischen Riten zur Entsühnung zu folgen, lamentiert er über die erfahrene Gottesferne. In Hi 38–41 tritt Gott dann in Erscheinung, indem er im Stile judäischer Tradition (Ex 24; 1Kön 8; Ez 1–3) in einer Wolke erscheint und aus dieser zu Hiob spricht. Dabei gibt sich Gott als derjenige zu erkennen, der aus menschlicher Perspektive die Existenz der Zivilisation gefährdenden Peripherie wohl ordnete und auf diese Weise einen Lebensraum für Mensch und Tier schuf, in dem beide ein gesichertes Leben führen können. Eine Gefährdung dieser Schöpfung geht allein von den in der Hemisphäre lebenden Wesen Behemoth und Leviathan aus. Diese stellen keine gegenweltlichen Entitäten, sondern von Gott geschaffene Wesen dar. Für deren Beschreibung greifen die Autor*innen auf Vorstellungen über Flusspferde und Krokodile zurück, die vor allem im ägyptischen Horus-Mythos belegt sind.
Adaptionen und Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters
Mit diesen Tieren verweisen die Verfasser*innen des Buches lokal auf den Nil, in dem diese Tiere leben. Behemoth und Leviathan werden durch diese Beschreibung der Transitzone zum Totenreich zugewiesen und symbolisieren als dort lebende Wesen die Gefährdung der Schöpfung von den Randbereichen der Biosphäre her. Diese unterbindet Gott, indem er die beiden Wesen dauerhaft unter seiner Gewalt hält. Die Aussagen, die Gott über seine Herrschermacht tätigt, deuten darauf hin, dass er sich dauerhaft in der Hemisphäre aufhält. Damit stehen die im Zentrum und der Peripherie bestehende göttliche Ordnung, in der menschliche und tierische Existenz unbedroht möglich sind, und Gottes herrscherliches Auftreten zur Besiegung von Chaosmächten in der Hemisphäre ergänzend nebeneinander. Hiobs eigentliches Anliegen bleibt jedoch unerfüllt. Er muss in Hi 38–41 einsehen, dass er als im Zentrum der Biosphäre lebender Mensch nicht von sich aus die Möglichkeit besitzt, mit Gott in Kontakt zu treten, da sich dieser dauerhaft in der Hemisphäre aufhält. Mit dieser Raumkonstellation wird ein wesentlicher Faktor der priesterschriftlichen Kosmogonie aufgenommen. Erscheint die Biosphäre in der Darstellung von P als ein abgeschlossener Raum, zeigen die Verfasser*innen des Hiobbuches diese Vorstellung ergänzend, dass eine Gefährdung der göttlichen Schöpfung aus ihr selbst hervorgeht. Die Herrschaftsausübung Gottes besteht in einer dauerhaften Bändigung der von ihm geschaffenen feindlichen Wesen. Auf diese Weise wird ein für die Ausbildung der Raumdeutung wesentlicher Aspekt sichtbar. Die Biosphäre ist nach außen geschlossen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie ungefährdet ist. Vielmehr existieren die Wesen, die die menschliche Existenz bedrohen, innerhalb des Himmel-Erde-Raumes. Dies wird dann auch in Hi 1f. mit dem Auftreten des Widersachers ( )השׂטןdeutlich, der zum Thronrat Gottes gehört und freien Zugang zur Biosphäre besitzt. So wird ein weiteres Spezifikum der priesterschriftlichen Theologie fortentwickelt. Weist die materielle Kultur in der persischen Zeit darauf hin, dass die Vorstellung von aus der Unterwelt in die Biosphäre eindringenden Dämonen aufgrund der hohen Anzahl an Objekten mit apotropäischer Wirkung weiterhin präsent ist, umgeht P derartige Vorstellungen, indem Existenz und Wirkungen solcher Wesen nicht thematisiert werden. P konzentriert sich in seiner Beschreibung auf den nach außen abgeschlossenen Raum, der aus Himmel und Erde gebildet wird, nimmt jedoch verschiedentlich Vorstellungen auf, die traditionell mit dem Wirken von Unterweltswesen in Verbindung gebracht werden. P verbleibt rein bei der Kultpraxis und umgeht auf diese Weise Aussagen über einen Einfluss anderer kosmischer Räume und ihrer Herrschaftsstrukturen auf die Biosphäre. Der Abschluss der ‚Brunnen der Tiefe‘ sowie der ‚Fenster des Himmels‘ nach Beendigung der Sintflut deuten darauf hin, dass es keinen Einfluss chaotischer Mächte auf den von Gott geschaffenen Lebensraum für Mensch und Tier gibt. Zugleich konzentriert sich P auf ‚reine‘ Lebensformen, die von Gott nach Gen 1 geschaffen wurden, während die aus der materiellen Kultur sowie den Epen bekannten Mischwesen unerwähnt bleiben. Sie sind nicht Teil der
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Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters in Texten der persischen Zeit
göttlichen Schöpfung und werden in P nicht bedacht. Diese Konstellation spiegelt sich auch im Buch Hiob wider, wird der Tod in Hi 14 als ein Verwesen in der Erde beschrieben, während die Möglichkeit einer Postexistenz in einem anderen komischen Raum nicht erwähnt wird. Deutlich wird, dass mit dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie zugleich eine Distanz von Gott und Mensch impliziert wird. Damit erhält der Raum eine theologische Bedeutung. Die Abgrenzung der Aufenthaltsorte von Gott und Mensch führt dazu, dass Gott dem Menschen als fern erscheint. b. Die Bewahrung des Lebensraumes: Klingt im Handeln Gottes in Hi 38–41 bereits der herrscherliche Akt Gottes an, den Lebensraum des Menschen vor dem Eindringen von chaotischen Wesen zu bewahren, wird dieser Gedanke in Gen 2f. und im Koheletbuch andersartig expliziert. In Gen 2f. wird der Erhalt der Biosphäre mit der Kultivierung von Ackerflächen verbunden. Der Mensch, aus dem Paradies ausgewiesen, muss seine Nahrungsmittel durch Ackerbau erwirtschaften. Das göttliche Strafwort, das ein Wachsen von ‚Dornen und Disteln‘ verheißt, weist auf eine wesentliche Problematik hin: Der Ertrag kann nur durch harte menschliche Arbeit gewährleistet werden. Die zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen werden auch von ungenießbaren Pflanzen genutzt. Als wesentliche Ressource gilt in Gen 2f. das Süßwasser, das durch den aus dem Paradies kommenden und sich dann in vier Flüsse trennenden Strom sichergestellt ist. Über den Strom bleibt die Peripherie zudem mit dem Zentrum verbunden und der Mensch kann zumindest durch die Bewässerung seiner gegenwärtigen Lebenswelt an den Konditionen des göttlichen Gartens partizipieren. Bezogen auf die Ausbildung des Raumes bedeutet dies, dass sich die Lebensbedingungen außerhalb des Weltzentrums für den Menschen verschlechtern, sodass die menschliche Existenz als ambivalent erscheint. Die Verfasser*innen des Buches Kohelet beschreiben diese Ambivalenz auf andere Weise, doch bleibt sie auch in ihrer Darstellung bestehen. Bei seiner Suche erkennt Kohelet, dass es eine kategoriale Differenzierung von göttlichem und menschlichem Handeln gibt. Während Gottes Schöpferhandeln auf Dauerhaftigkeit ausgelegt und auf diese Weise der menschliche Lebensraum mit seinen Konditionen gesichert ist, ist der Ertrag menschlicher Tätigkeit zeitlich begrenzt, so dass der Mensch keinen Anteil am göttlichen Schöpfungswerk besitzt. Dies drückt sich durch zwei Aspekte aus. Zum einen wird zwischen der Dauerhaftigkeit menschlichen und göttlichen Wirkens unterschieden, indem das menschliche Handeln als zeitlich begrenzt ()עת, das göttliche als dauerhaft ( )עולםverstanden wird. Zum anderen ist die Wirkung unterschiedlich. Das menschliche Handeln wird als ertraglos ()חבל gedeutet, womit das göttliche Handeln implizit als ertragreich angesehen wird. Die Existenz des Menschen wird durch das ertragreiche Wirken Gottes sichergestellt, so dass keine Gefährdung auftritt. Zugleich wird das menschliche Vergehen als Teil seiner Existenz und nicht als Folge des Einwirkens von anderen Entitäten auf den Menschen verstanden. Die zeitliche Begrenzung des menschlichen Lebens
Adaptionen und Deutungen des priesterschriftlichen Ordnungsmusters
ist demnach Bestandteil des göttlichen Schöpfungshandelns, so dass es zu einer stetigen Generationenfolge kommt, durch die die Existenz der Menschheit auf Erden gewahrt wird. Dieser Aspekt klingt nicht erst im Koheletbuch, sondern schon in den Strafworten der Paradieserzählung Gen 2f. an, wenn Eva das Gebären unter Schmerzen in Kombination mit einer Ätiologie ihres Namens mitgeteilt wird (Gen 3,20). Die Fortexistenz des Individuums, die durch die Frucht vom Baum des Lebens möglich gewesen wäre, wird in eine fortdauernde Existenz der Menschheit, in der im Sohn das Bild des Vaters sichtbar wird, überführt. c. Das Wirken des Menschen als Herrscher über die Biosphäre: Der in Gen 1,28 übermittelte Herrschaftsauftrag des Menschen, der in P im Stile einer Königsherrschaft dargestellt wird, wird bereits in P nach der Sintflut auf den Priester beschränkt. Das menschliche Leben scheint zudem als gefährdet. In den auf P folgenden Texten wird das Bild der königlichen Stellung des Menschen dahingehend aufgelöst, dass er diese Position verliert. Dieses wird zunächst anhand von Gen 2f. im Vergleich mit Ez 28,11–19 und dem Mythos von der Erschaffung des Menschen und des Königs (VAT 17019) sichtbar. Während der in neubabylonischer Fassung vorliegende Text die Existenz von zwei Menschenarten, dem lullû- (‚gewöhnlichsterblicher-‘) und dem māliku- (‚überlegend-entscheidender-‘) Menschen, ausgeht, wird dies in der biblischen Überlieferung als zeitliches Nacheinander verstanden. Der im Paradies lebende Mensch wird als māliku-Menschen geschaffen. Durch die Ausweisung aus dem Garten wird er dann in den Zustand eines lullû-Menschen überführt. Dieser Prozess wird in Gen 2f. mit einem Verstoß gegen das göttliche Gebot, in Ez 28,11–19 mit der Hybris des Menschen begründet. Dieser Verlust der Königswürde des Menschen ist auch im Hiobbuch zu beobachten. In diesem wird wiederholt Bezug zur Anthropologie von Ps 8 genommen. Die in Ps 8 geschilderte Königswürde des Menschen wird negiert. In der Aufnahme von Ps 8,5 wird die Existenz des Menschen als die eines Knechts dargestellt, der von seinem Herrn tagtäglich misshandelt wird. Hi 19,8 betont in Bezug zu Ps 8,6 den Verlust der Königswürde, die motivisch am Entreißen der Krone expliziert wird. Der Mensch ist, dem Erfahrungsspektrum Hiobs folgend, nicht der königliche Mensch, den Ps 8 besingt, sondern ein Gott geplagtes Wesen, dessen Existenz prekär ist. Einen anderen Argumentationsweg schlägt das Koheletbuch ein, indem in der Königstravestie des Buches (Koh 1,13–2,26) die Existenz des Königs als vom materiellen Reichtum, der eine temporäre Erscheinung bezogen auf das Individuum bleibt, und der Existenz des Weisen, der als ‚nach-königlicher‘ Mensch erscheint, getrennt wird. Damit wird der Weise als derjenige qualifiziert, der um die Beschränkung des eigenen Lebens und die damit sinnvolle Ausrichtung seiner Existenz weiß. Natürlich bleibt das Erkenntnisinteresse des Weisen an den Schöpfungstaten Gottes bestehen, auch wenn dieses Interesse nur partiell befriedigt werden kann. Erst postmortal wird der Mensch in der Lage sein, die Zusammenhänge des eigenen Lebens
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zu verstehen, da er erst dann das gesamte Schöpfungswerk Gottes überblicken kann. Auf diese Weise erhält der Raum erneut eine theologische Dimension, wird das Streben des Menschen nach Erkenntnis und damit in ihm nicht zugängliche kosmische Räume als Teil seiner Suche nach Gott verstanden. Diese drei genannten Faktoren in ihren vorliegenden Deutungen führen dazu, dass sich die Wahrnehmung des Raumes nachhaltig verändert. Stellt P den Himmel-Erde-Raum als abgeschlossenes System dar, zeichnet sich in den auf P reagierenden Texten eine Entwicklung ab. Wird als Ort Gottes in Gen 2f. noch der Garten im Zentrum der Welt angenommen, hebt Hiob bereits die Gottesferne und seinen Aufenthalt in der Hemisphäre hervor. Die Aufnahme von P durch die späten prophetischen Texte des Buches Sacharja zeigen, dass es der Vermittlung der göttlichen Welt durch Boten bedarf, damit der Mensch Kenntnis erlangen kann. Hier bleibt noch undeutlich, was dann im Buch Kohelet explizit wird. Gott wird in ihm als räumlich vom Menschen getrennt beschrieben. Kohelet hebt hervor, dass der Mensch auf Erden, aber Gott im Himmel wohnt. Ursprünge, Entwicklung und Auswirkungen dieser Vorstellung werden im folgenden Kapitel betrachtet.
8.
Der kosmische Himmel als Wohnort Gottes
8.1
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
Die Aussage Kohelets, der Mensch sei auf Erden, aber Gott im Himmel (Koh 5,1), ist direkt mit der in hebräischen Schriften wiederholt erscheinenden Bezeichnung JHWHs als אלהי השׁמיםzu verbinden. Ihre Verwendung ist Zeichen eines veränderten Gottesbildes. JHWH wird mit ihr als eine im kosmischen Himmel wohnende Gottheit beschrieben. Dieses sowie ihm verwandte Epitheta finden sich innerhalb der hebräischen Literatur an insgesamt 22 Stellen. Von diesen erscheint an sieben Stellen ( אלהי השׁמיםJon 1,9; Esr 1,2; Neh 1,4.5; 2,4.20; 2Chr 36,23)1 ; an einer weiteren Stelle wird אל השׁמיםverwendet (Ps 136,26). Insgesamt zwölfmal wird das aramäische ( אלה שׁמיאDan 2,18.19.37.44; Esr 5,11.12; 6,9.10; 7,12.21.23[2x]) gebraucht. Außerbiblisch ist die Bezeichnung JHWHs als Himmelsgott in den aus persischer Zeit stammenden Papyri aus Elephantine belegt ( יהו אלה שׁמיםin AP 27,15; 30,28; יהו מרא שׁמיםin AP 30; אלה שׁמיםin AP 3,2; 31,27; 32,4; 38,3.5; 40,1)2 . Die Belegstellen konzentrieren sich auf Texte, die in nachexilischer Zeit verfasst wurden.3 Dabei wird das Epitheton mit Ausnahme von Ps 136 stets in der Kommunikation mit Nicht-Israeliten gebraucht. In Esr 1,2; 2Chr 36,23 begründet Kyros
1 Zwei weitere Belege finden sich in Gen 24,3.7, die jedoch Teil einer andersartigen Formel sind. Gen 24,3 überliefert die Schwurformel ‚( ביהוה אלהי השׁמים ואלהי הארץ ואשׁביעךund ich schwöre dir im Namen JHWHs, des Gottes des Himmels und des Gottes der Erde‘), die in V. 7 mit der Bezeichnung יהוה אלהי השׁמיםwieder aufgenommen wird. Das Fehlen des zweiten Gliedes wurde in der LXX bereits als problematisch wahrgenommen, so dass der Übersetzer auch in V. 7 κύριος ὁ θεὸς τοῦ οὐρανοῦ καὶ ὁ θεὸς τῆς γῆς (‚der Herr, der Gott des Himmels und der Gott der Erde‘) formuliert. Cod Sev lässt in V. 7 אלהי השׁמיםaus, was ebenfalls darauf hinweist, dass die Formel als unvollständig wahrgenommen wurde. Westermann, Genesis 2, 471, deutet auf die Nähe zur Formel יהוה אל עליון קנה שׁמים וארץin Gen 14,19.22 hin. Einen perserzeitlichen Ursprung von Gen 14 weist Granerød, Abraham, auf. Blum, Vätergeschichte, 383–389, bestätigt eine solche Datierung auch für Gen 24. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die verwendete Formel in Beziehung zu den weiteren Bezeugungen von ‚( אלהי השׁמיםGott des Himmels‘) steht. Andrews, Yahweh, 49, verweist hinsichtlich der vollständigen Formel in Gen 24,3 auf religionsgeschichtliche Parallelen aus dem Aramäischen. Bereits in der Inschrift des Zakkur von Hamath werden in der Schlussformel Z. 25f. die „Götter des Himmels und die Götter der Erde“ (TUAT I, 627f.) genannt. Die Formel drückt „his lordship over the whole universe of heaven and earth“ (Andrews, Yahweh, 49) aus und zeigt, dass die so bezeichnete Gottheit „über die anderen Götter hervorragt“ (Eissfeldt, Baalšamēm, 174). Die Verehrung Baalšamems ist in dieser Form für das gesamte 1. Jt. v. Chr. belegt. Vgl. Niehr, Gott, 24–41. 2 Text siehe Cowley, Aramaic Papyri, und Houtman, Himmel, 98f. 3 Vgl. Berquist, Judaism, 136f.
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Der kosmische Himmel als Wohnort Gottes
sein Edikt damit, dass ‚( יהוה אלהי השׁמיםJHWH, der Gott des Himmels‘) ihn mit dem Tempelaufbau beauftragt habe. Esr 5,7–17 gibt einen Brief wider, den Tatenai, der Satrap von Transeuphrat, an den persischen König Dareios schickte; Esr 6,6–12 ist als Antwort des persischen Königs formuliert; Esr 7,12–26 erwähnt einen Brief des Königs Artaxerxes an Esra, mit dem er ihn auffordert, das Gesetz in Jerusalem zu verlesen. In den Texten des Esra-Buches entsteht folglich der Eindruck, dass אלהי השׁמיםals Bezeichnung des Jerusalemer Gottes gebräuchlich ist. Neh 1,4–11 sowie Dan 2,17–24 berichten von Gebeten, die Juden, die außerhalb Palästinas in den Residenzstätten der Großkönige leben, an ihren Gott richten. Auch Gen 24 (Kanaanäer) sowie Jon 1,9 (phönizische Seeleute) weisen auf Außenbezüge hin. Zwar richten sich die Texte nicht an nicht-jüdische Leser, doch deuten die Autor*innen an, dass dem jeweiligen fiktiven nicht-jüdischem Gegenüber die Bezeichnung JHWHs als ‚Gott des Himmels‘ geläufig ist. Auf das Außenverhältnis weist auch die Frage in Ps 115,2 ‚( למה יאמרו הגוים איה־נא אלהיהםWarum sagen die Nationen: Wo ist ihr Gott?‘), sowie die Antwort in V. 3 ‚( ואלהינו בשׁמים כל אשׁר־חפץ עשׂהAber unser Gott ist im Himmel. Alles, was ihm gefällt, macht er.‘) hin.4 Der Gebrauch des Titels in den Papyri aus Elephantine bestätigt diesen Eindruck. Die Ursprünge der mit dem Epitheton verbundenen Vorstellung sind außerhalb Israels zu suchen. Ihre Herkunft ist jedoch umstritten. In die ältere, d. h. noch vorexilische Zeit verweist Herbert Niehr, der in dem Epitheton ein Erbe der Verehrung der Gottheit Baalšamem entdeckt.5 Dieser wurde in den Gebieten nördlich von Israel bereits zu Beginn des 1. Jt.s v. Chr. als Himmelsgott verehrt.6 Erstmal schriftlich bezeugt ist die Bezeichnung בעל שׁמיםin der phönizischen Inschrift Jehimlik von Byblos (ca. 950 v. Chr.).7 In einem Vertrag Assarhaddons mit König Baal von Tyros (683/2 v. Chr.) wird als Gott von Tyros ba-al-sa-me-me neben zwei weiteren Ba’al-Gottheiten genannt.8 Die Assyrer verstanden בעל שׁמיםoffensichtlich als Eigennamen einer Gottheit. Im Aramäischen ist die Bezeichnung ebenfalls belegt, so u. a. in der Inschrift Zakkur von Hamaths (ca. 800 v. Chr.)9 und im Papyrus Amherst 63.10 Die Adaption der mit Baalšamem verbundenen Vorstellung in die JHWH-Verehrung besitzt ihren religionsgeschichtlichen Ort mit der Ansiedlung 4 Vgl. Houtman, Himmel, 335. 5 Niehr, Ba alšamem, 185f. Auf einer Scherbe ist der Vermerk [‚( ]ל[בעלשמ]מfür Ba’alšamem‘) aus persischer Zeit belegt, was auf die fortdauernde Verehrung dieser Gottheit auf der Levante hinweist; vgl. Rainey, Lord, 381f. Weiter s. auch Blenkinsopp, Essays, 50f. 6 Niehr, JHWH, 307–311. Zu der älteren These, das Epitheton entstamme einer Annäherung an eine achämenidische Religion, vgl. den Forschungsüberblick bei Granerød, God of Heaven, 4–6. 7 KAI 1, 1 Text 4; TUAT II, 584. Weitere phönizische Inschriften, in denen das Epitheton erscheint, stammen aus Karatepe (KAI 1, 5 Text 26; TUAT I, 644). 8 Vgl. TUAT I, 158f. 9 Abgedruckt in KAI 1, 37 Text 202; TUAT I, 626–628. 10 TUAT II, 933.
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
nordsyrischer Bevölkerung, die nach 2Kön 17,24–41 auch aus der Region rund um Aleppo und aus Hamath stammte.11 Nach Esr 4,2.10 kam es sowohl unter Asarhaddon als auch unter Assurbanipal zu weiteren Umsiedlungen, so dass Samarias Religionsgeschichte durch diese Bevölkerungsanteile mitgeprägt wurde.12 Die Texte aus Elephanite, in denen neben יהו אלה שׁמיםauch die aus Nordsyrien stammenden Gottheiten Bethel und Anat-Bethel genannt werden, zeugen von diesem Prozess.13 „In [die] Zeit der Ersterwähnung der Gottheiten Bethel und Anat-Bethel in den Verträgen von 676 und 672 v. Chr. fällt die militärische Unterstützung, die König Manasse von Juda seinem Oberherrn Asarhaddon in den Ägyptenfeldzügen von 671 und 669 v. Chr. gewährte. Möglicherweise gelangten in diesem Zusammenhang judäo-israelitische Söldner nach Ägypten, deren Nachfahren von 525 v. Chr. einen Jahu-Tempel in Elephantine errichteten.“14
Die Verwendung von אלה שׁמיםbzw. מרא שׁמיםerfolgt jeweils appositionell, was darauf hinweist, dass kein Synkretismus zwischen JHWH und Baalšamem entstand. Papyrus Amherst deutet vielmehr darauf hin, dass Baalšamem in Elephantine bekannt war. Gard Granerød führt gegen Niehrs These an, eine Ableitung von der phönizischen Baalšamem-Tradition sei problematisch, da „it is in the context for Elephantine in the fifth century BCE that we find the first explicit examples of texts that identify YHW with ‚the God of Heaven‘“15 . Er leitet das Epitheton aus der Religionsgeschichte Ägyptens und Persiens ab. Für die in Elephantine lebende Gruppe nimmt er eine Integration der Vorstellung aus dem Horus-Mythos an. „The myth tells how Horus Behdety, at the behest of the Majesty and his father Re-Horakhty, ‚the Lord of Heaven‘, subdues the enemies who are under the guise of a crocodile and a hippopotamus.“16 Ikonographischen Ausdruck findet der Mythos in der Repräsentation des Gottes Behdety als Falke, der mehrfach am Hinterkopf oder oberhalb des 11 Niehr, JHWH, 317f., geht schon von einem früheren Einfluss aus: „Die Nennung des ‚JHWH von Samaria und seiner Aschera‘ auf der Inschrift des Pathos A von Kuntillet Ağrud läßt sich in Verbindung zu der in I Reg 16,32f erwähnten Aschera setzen, die hier die Paredra des als Baalšamem verehrten Staatsgottes JHWH zu sein scheint und der es gelang, die Revolution des Jehu unbeschädigt zu überstehen.“ Bereits Eissfeldt, Baalšamēm, 188f., geht von einem Einfluss auf die Religionspolitik der Omriden aus. 12 Zur Entwicklung in Samaria nach 722 v. Chr. vgl. Hensel, Juda und Samaria, 149–162. 13 Vgl. Niehr, Gott, 47. 14 Niehr, Ba alšamem, 190. Hensel, Juda und Samaria, 166, weist darauf hin, dass in dieser Gemeinde „eine Facette der religiösen Erscheinungsformen des Jahwismus in nach-exilischer Zeit“, zu finden ist, die sich an den verschiedenen Orten unterschiedlich ausprägten. 15 Granerød, God of Heaven, 18. 16 Granerød, God of Heaven, 8.
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Pharaos abgebildet wird.17 „Other presentations depict Behdety as hovering above the king in the form of a winged sun disk.“18 Eine Parallele zu dieser Darstellungsform erkennt er in dem Emblem der geflügelten Sonne, die in der achämenidischen Königstradition verwendet wird. Dieses sieht er als polyvalentes Zeichen an, dem in den einzelnen Phasen achämenidischer Herrschaft unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden konnte. Für die Zeit Dareios I. nimmt Granerød an, dass die Verwendung der geflügelten Sonne in einem achämenidisch-ägyptischen Kontext als Repräsentation der Gottheit Ahura Mazdā zu verstehen ist. „The textual and iconographic references to the winged sun disk in the hybrid AchaemenidEgyptian artefacts mentioned above are noteworthy. A winged symbol hovering above the king dominates both the ‚Egyptian‘ and the ‚Persian‘ panels of the Suez Canal Stelae. The image also appears on the wooden naos door that depicts Darius I as an Egyptian pharaoh. In particular, the statue of Darius from Susa offers a textual reference to the winged symbol that calls to mind the identification in the Horus myths from the temple of Edfu of the winged sun disk with ‚the Great God, Lord of heaven‘.“19
Granerød sieht in der Adaption der achämenidisch-ägyptischen Tradition zunächst eine lokale Ausbildung des Epithetons אלה שׁמיםin Elephantine, das dann auch in weiteren Texten der persischen Zeit verwendet wird. Allerdings bleiben zwei Aspekte unklar: Aus der persischen Religionsgeschichte nach Dareios I. ist die weitere Verwendung der Vorstellung durch achämenidische Herrscher belegt. In späteren Inschriften wird Ahura Mazdā jedoch nie als ‚Gott/Herr des Himmels‘ bezeichnet. Daraus ist wohl zu schließen, dass eine Identifikation mit dem HorusMythos über die Vorstellung des persischen Königs als Pharao ein auf Dareios I. bezogenes Phänomen bleibt. Zugleich fällt auf, dass in der biblischen Literatur die Bezeichnung immer mit Personen verbunden wird, die JHWH an Orten außerhalb des Landes anrufen. Dies ist bereits in den aus Elephantine stammenden Dokumenten zu erkennen. Neben der Bezeichnung als ‚Gott des Himmels‘ wird JHWH mit יהו אלהא ביב ‚( בירתאJHWH, der in der Festung Jeb [ist]‘) bzw. ‚( יהו אלהא שכן יב ברתאJHWH, der in der Festung Jeb wohnt‘) ein weiteres Epitheton zugedacht. Diese Vorstellung einer lokalen Manifestation der Gottheit wird in Elephantine nicht nur mit ihm, sondern auch mit dem Hauptgott Khnum verbunden.20 „Das Wohnen Jahus in Elephantine ist der Ausdruck für seine Präsenz im Kultbild des Tempels, vielleicht 17 Vgl. die Statue von Pharao Khafre in Gressmann, Texte und Bilder, 2.113 Abb. 231, jetzt abgedruckt bei Granerød, God of Heaven, 9. 18 Granerød, God of Heaven, 8. 19 Granerød, God of Heaven, 18. 20 Zur Gruppe der YHW-Verehrer auf Elephantine vgl. Schipper, Elephantine, 65–73.
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in Gestalt einer Massebe.“21 Die Bezeichnungen אלה שׁמיםbzw. מרא שׁמיםbesitzen also eine andere Funktion, als die Präsenz der Lokalgottheit anzuzeigen. Sie treten in den Texten aus Elephantine jeweils in Grußformeln auf,22 die offiziellen Charakter besitzen können.23 Die Bezeichnung wird also nicht auf die Manifestation einer göttlichen Präsenz im Tempel bezogen, sondern im Austausch entweder mit der persischen Administration oder zwischen unterschiedlichen Orten der JHWHVerehrung verwendet.24 Deutlich wird, dass mittels der Epitheta zwischen einer lokalen Manifestation und der Universalität einer Gottheit differenziert wird.25 Die Verwendung der Epitheta weist zudem auf unterschiedliche lokale Manifestationen JHWHs hin, die nebeneinander existierten. Aus den schriftlichen Quellen sind solche aus Jerusalem, Samaria und Elephantine bekannt. Darüber hinaus wurden bei Ausgrabungen in Palästina Tempelanlagen in Jaffa, Makmisch und Lachisch nachgewiesen.26 Zumindest das letzte der genannten Heiligtümer wurde erst in der Zeit achämenidischer Herrschaft begründet.27 Die aus der Perserzeit stammenden Kultstätten sind jedoch unterschiedliche Typen. Eine solche Diversität in Gestaltung und Ausgestaltung ist über die Tempel hinaus auch bei weiteren Objekten religiöser Praxis zu beobachten.28 Der sich in
21 Niehr, Ba alšamem, 194. Weiter dazu vgl. Becking, Yehudite Identity, 413f. 22 Die einzige Ausnahme bildet „die Errettung des Mauziah aus der Haft durch die seitens der Ägypter erfolgten Intervention beim Gouverneur“ (Niehr, Ba alšamem, 193), die der Hilfe des אלה שׁמיםzugeschrieben wird. 23 Vgl. Granerød, God of Heaven, 3. 24 Zur Rolle der in den Texten erwähnten Personen Hannanja und Jedanja vgl. Granerød, Yahwism, 33–37. 25 Silverman, Engagements, 201–205, deutet Sach 2,15; 8,20–23 als Zeichen einer sich in persischer Zeit ausbildenden Wallfahrtstradition und deutet den Jerusalemer Tempel als wesentlichen Bestandteil der judäischen Ökonomie. „Pilgrims provide cash, and being a prestigious pilgrimage site brings significant economic impact. For a location such as Jerusalem – not on a major imperial network, nor directly controlling substantial natural resources nor large populations – other avenues for imperial attention are necessary. […] One option for the suitable apparatus, following the Egyptian and Mesopotamian models, is temples“ (Silverman, Engagements, 203). Mit den Wallfahrten wird zugleich die Verbindung der Provinz Juda zu den in der Diaspora Lebenden gestärkt, ohne dass politische Interessen, die dem persischen Großkönigtum und seinem Herrschaftsanspruch widersprechen würden, gefördert würden. So folgert Silverman, Engagement, 205: „This is potentially appealing to the imperial masters for three reasons: by being apolitical in the strict sense, by being ecumenical in a social sense, and by being potentially lucrative.“ 26 Vgl. Stern, Material Culture, 61. 27 Vgl. Starkey, Excavations, 203f. Zu den Tempelgründungen in persischer Zeit vgl. Balentine, Politics, 140: „It was also Persian policy to support the construction and maintenance of regional cult sites. […] They were supersede by a coalition of Perisan-appointed temple personnel and local community leaders whose mutual financial interests provided the framework for a ‚citizen-temple‘ economy.“ 28 Zu den perserzeitlichen Räucherkästchen vgl. Frevel/Pyschny, Räucherkästchen; zu Figurinen vgl. de Hulster, Figurines.
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der Zeit persischer Herrschaft in Israel ausbildende Monotheismus führte offenbar zunächst nicht zu einer Vereinheitlichung kultischer und religiöser Praktiken an den einzelnen Orten, sondern ließ eine Mehrzahl an voneinander unabhängigen JHWH-Tempeln zu.29 Dies gilt auch für das Nebeneinander der Heiligtümer auf dem Zion und auf dem Garizim. „The establishment of both of these temples – whether as a result of Judean/Samarian requests for them, or part of a more centrally mandated development of the two median – can safely be said to have experienced the four impacts listed above: the presence of a new institution, the presence of new cultic personnel, presence of administrators, taxes, and labor, and the resultant interactions with pre-existing local elites. At a very minimum, this would likely mean further administrative integration. At a maximum, this could mean a substantial shift in lite culture as well as in patterns of peasant labor.“30
Als gemeinsame Vorstellung erscheint die Verehrung des im Himmel thronenden JHWH, die sich in der Verwendung des Epitheton אלהי השׁמיםausdrückt. Die Nähe zur persischen Großreichspolitik und der Gebrauch des Titels in der Korrespondenz mit Nicht-JHWH-Verehrern führt in der Forschung wiederholt zu der Annahme, dass seine Verwendung in Zusammenhang mit der Verehrung Ahura Mazdās durch die achämenidischen Machthaber stehen könne. Gegen die Vorstellung einer solchen captatio benevolentiae31 sprechen jedoch zwei Aspekte: Zum einen wird das Epitheton auch im innerjüdischen Austausch verwendet, zum anderen wurde Ahura Mazdā nicht als Himmelsgottheit verehrt.32 Wenn die Verwendung des Epitheton nicht als captatio benevolentiae zu verstehen ist und der Grund für den Gebrauch nicht außerhalb der Texte liegt, ist seine Funktion aus den Texten zu erschließen. Mit dem Epitheton betonen die Sprechenden jeweils ihre persönliche Beziehung zu JHWH sowie seine Wirkmächtigkeit, mit der er Einfluss auf die Machthaber und damit auf die Geschichte nimmt. Deutlich wird, dass nicht nur die Betenden, sondern auch die Machthabenden eine persönliche Beziehung zu JHWH als אלהי השׁמיםbesitzen (vgl. das Kyros-Edikt in Esr 1,2–4).33 Dabei ist im Kyros-Edikt von einer Rückkehr der Judäer nach
29 Die Unabhängigkeit des Tempels in Elephantine hebt Granerød, Yahwism, 58–73, hervor. Da Samaria und Jerusalem ebenfalls koexistierten, ist dies auch für die weiteren JHWH-Heiligtümer in persischer Zeit anzunehmen. 30 Silverman, Engagement, 241. 31 Vgl. Lidzbarski, Art. Balsamen; Andrews, God of the Heavens; Houtman, Himmel, 100; Boling, Temple; Trotter, Hosea, 151–153; Berlejung, Geschichte, 175. 32 Vgl. Niehr, Ba alšamem, 190–194; Cornelius, Art. Himmelsgott, Abs. 4. 33 Die Wiederaufnahme des Edikts in 2Chr 36,23 beschränkt dieses auf die ersten beiden Verse und lässt die Spende von Gütern durch die Ortschaften, in denen judäische Bevölkerung in fremder
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
Jerusalem, wie sie Thema des Buches Esra ist, keine Rede. Vielmehr werden die in der Golah lebenden Menschen aufgefordert, allein zum Tempelbau nach Jerusalem hinaufzuziehen. Ein dauerhafter Verbleib wird nicht intendiert. Hier könnte ein Hinweis für den ‚Sitz im Leben‘ des Epithetons liegen. Dieses wird wiederholt im Zusammenhang mit Menschen verwendet, die in der Golah leben. Der Tempelbau in Jerusalem dient als Zeichen einer lokalen Manifestation des Gottes JHWH (vgl. Esr 1,3). Jenseits des Ortes wird dieser Gott jedoch als יהוה אלהי השׁמיםbezeichnet und damit seine universale Wirkmächtigkeit vorausgesetzt. Sie wird in V. 2 zur Vergabe von Herrschaft über ‚( כל ממלכות הארץalle Königreiche der Erde‘) ausgedehnt. Über die Texte, in denen das Epitheton verwendet wird, ist eine solche Entwicklung auch in der Fortschreibung von 1Kön 8 zu beobachten. Während die Rahmenerzählung in den V. 1–11.62–66, die aus einer Erzählung über die Ladeeinbringung (V. 1.3–9) und einer Weiheerzählung in den V. 2.12f.62–66 gebildet wird,34 sowie der erste Teil des Weihgebets in den V. 14–21 die Vorstellung eines zentralen Heiligtums voraussetzen, in dem JHWH ‚auf Dauer Wohnung nehmen wird‘ ( לשׁבתך עולמיםV. 14), wird in den V. 22–30 Gottes Anwesenheit im Himmel postuliert. Die Gegenwart des Namens, die in Dtn 12,11 mit einem zu gründenden Heiligtum verbunden und in 1Kön 8,29 auf den salomonischen Tempel bezogen wird, wird durch die Einfügung hervorgerufen als lokale Manifestation des im Himmel thronenden Gottes verstanden.35 Der Tempel wird zu einem Ort des Gebets, dem JHWH sich zuwenden kann, um das Gebet in seinem himmlischen Heiligtum zu hören (V. 30). In V. 38 wird diese Vorstellung durch die Möglichkeit des Gebets zum Tempel, in V. 44 zur Stadt sowie in V. 48 zum Land hin expliziert. Damit wird ein auf den Jerusalemer Tempel bezogenes religiöses Leben von jedem Ort der Welt aus möglich. Die in 1Kön 8 dargestellte und an Dtn 12,1–31 anschließende Konzentration auf einen Kultort, die erst durch die Lesung von יבחרals Imperfekt in Dtn 12,5MT möglich wird,36 führt dazu, dass der Tempelbau in Jerusalem als Erfüllung dieser
Umwelt lebt, aus. Vgl. Williamson, Ezra, Nehemiah, 15: „This phrase does no more make explicit (albeit by means of a rather involved construction, not unparalleled in legal documents) that each ‚colony‘ of Jews should support any from their own group who might be undertaking the return.“ 34 Zur Unterteilung vgl. Wagner, Gottes Herrlichkeit, 382f. 35 Vgl. Jooß, Raum, 159f. Zur Kritik an Jooß, die in der Sagittalen die Polarität von Nähe und Ferne Gottes auflöst, vgl. Theißen, Problem, 32f. Weiter Janowski, Mitte, 132: „Diese Differenz zwischen der wirksamen Präsenz des Jahwenamens auf Erden/im himmlischen Heiligtum und dem Wohnen Gottes im Himmel war ein Ergebnis theologischer Reflexion, die – unter den Existenzbedingungen des Exils – eine angemessene Antwort auf die Frage nach der Unverfügbarkeit und Freiheit Gottes suchte.“ 36 Der Samaritanus liest an dieser Stelle בחרperf.
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Forderung angesehen wird.37 Diese spätere textgeschichtliche Entwicklung, die erst in hellenistischer Zeit vollzogen wurde, überzeichnet eine mit den שׁם- und כבוד-Konzepten in exilischer Zeit angelegte Möglichkeit der Überführung von der Vorstellung eines Präsenzheiligtums hin zum Gedanken lokaler Manifestationen JHWHs an unterschiedlichen Orten. Eine dauerhafte Gegenwart des ursprünglich als Namenskartusche38 gedachten שׁםoder des als Strahlenglanz erlebten כבוד, die beide Emanationen des Göttlichen darstellen, kann an mehreren Heiligtümern gleichzeitig erfolgen. Zudem zielt die priesterschriftliche Konzeption darauf, dass ein Wechsel des Präsenzortes JHWHs möglich ist,39 wie dies, wenn auch im Sinne eines Epochenwechsels, in Ps 78,67–69 dargestellt wird. Der bereits priesterschriftliche Exodustexte voraussetzende Psalm deutet die Wahl eines Präsenzortes als zeitlich begrenzt.40 Während die Lösung von einem spezifischen Ort als Mittelpunkt des Kosmos, wie P ihn bei der Konstruktion des Zeltheiligtums hervorruft, ein erster Schritt zur Transformation der Tempeltheologie ist, stellt die Universalisierung religiöser Praxis das Verständnis eines Heiligtums als lokale Manifestation einen zweiten Schritt dar.41 Die Loslösung der Gottespräsenz von einem spezifischen Ort in der Biosphäre ermöglicht dann auch einen kultischen Gotteskontakt außerhalb des Heiligtums. Während in 1Kön 8,46–52 das Schuldbekenntnis der Exilierten nach V. 44 gen Tempel und damit durch das Heiligtum zum himmlischen Wohnort JHWHs hin erfolgt, berichtet Neh 1,4–11 in einem weiteren Schuldbekenntnis von einer andersartigen Konstellation. Sein Schuldbekenntnis richtet Nehemia in der babylonischen Diaspora an יהוה אלהי השׁמים. Es findet sich im Einleitungsteil des Gebets in den V. 5f. Und ich sprach: Bitte, JHWH, Gott des Himmels, der große und furchtbare Gott bist Du, der den bewahrt und Gnade denjenigen gibt, die ihn lieben, die seine Gebote bewahren. Mache Deine Ohren aufmerksam und Deine Augen seien offen, um das Gebet Deines Knechts zu hören, das ich vor Dir bete tagelang, Tag und Nacht über die Israeliten, Deine
37 Hensel, Diversity, 29, mit weiterer Literatur. 38 Die Tradition der Verehrung einer Gottheit/einer Person mittels ihrer Namenskartusche ist mehrfach ikonographisch belegt, so u. a. auf ÄS 1992.1 aus der Zeit Ramses II. Abrufbar unter: http://www. bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=5631. Letzter Zugriff: 27.12.2020. 39 Zum Zusammenfließen der dtr und priesterlichen Tempelvorstellungen in der Chronik vgl. Nihan, Cult Centralization. 40 Zu Ps 78 und der Aufnahme der Pentateuchtraditionen vgl. Wagner, Recounting, mit weiterer Literatur. 41 Zeugnis dieses Prozesses ist eine Vielzahl von JHWH-Heiligtümern in der persischen Provinz Jehud und den umliegenden Regionen, die einzeln im Sammelband von Frevel/Pyschny, Religious Revolution, mit ihren lokalen Ausprägungen untersucht werden. Zum die persische Zeit kennzeichnenden Poly-Jahwismus vgl. Granerød, Yahwism, 325.
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
Knechte, und die Verfehlungen der Israeliten bekenne, die sie an Dir begingen. Ich und das Haus meines Vaters verfehlten uns.
Das Schuldbekenntnis Nehemias entspricht dem in 1Kön 8,46–52 erwähnten kollektiven Gebet der Exilierten, nur wird es in Neh 1,4–11 von einer einzelnen Person exemplarisch geäußert. Nehemia bekennt stellvertretend die Verfehlungen aller Israeliten. In einem weiteren Bußgebet wird die in Neh 1,5 erwähnte Präsenz JHWHs im Himmel in Neh 9,6 expliziert. Du allein bist JHWH. Durch deine Hand schufst du den Himmel, die Himmel des Himmels und alle ihre Heere, die Erde und alles, was auf ihr ist, die Meere und alles, was in ihnen ist. Du machtest sie alle lebendig und das Heer des Himmels, sie verehren dich.
Der Universalität von JHWHs Wirken und seiner Verehrung entspricht, dass der folgende Geschichtsrückblick zwar die Begebenheiten des Exodus, der Wüstenzeit und des Abfalls in der Königszeit darstellt, der Tempel als Ort seiner Präsenz jedoch nicht erwähnt wird. Stattdessen wird JHWH im Himmel angesiedelt. So heißt es in V. 13 ‚( ועל הר־סיני ירדת ודבר עםהם משׁמיםauf den Sinai stiegst du hinab und sprachst mit ihnen vom Himmel her‘) sowie in V. 28 וישׁובו ויזעקוך ואתה משׁמים תשׁמע ותצילם ‚( כרחמיך רבות עתיםund sie bekehrten sich und flehten dich an und Du hörtest sie vom Himmel her und errettest sie nach deiner großen Barmherzigkeit wiederholte Male‘). Das Bußgebet in Neh 9 setzt über die Vorstellung der Präsenz Gottes im Himmel zwei Vorstellungen voraus, die zwar mit dem Epitheton אלהי השׁמיםverbunden sind, die sich aber nicht direkt aus dessen Herkunft ableiten lassen. Zum einen wird die Vorstellung eines himmlischen Heiligtums sichtbar, zum anderen werden mit dem ‚Heer des Himmels‘ Wesen der Thronsphäre JHWHs genannt, die in den vorher betrachteten Texten nicht erwähnt wurden. Die gedankliche Ausgestaltung eines himmlischen Heiligtums ist als ein weiterer Schritt in der Transformation der Raumdeutung zu verstehen. Die Entwicklung der Vorstellung vom himmlischen Heiligtum lässt sich in narrativen Texten der nachexilischen Zeit auch durch die Aufnahme und Aktualisierung von älteren Psalmtexten nachvollziehen. Bezogen auf das Wohnen JHWHs im kosmischen Himmel wird eine solche Transformation mittels eines Vergleichs von Ps 18 und seiner Aufnahme in 2Sam 22 deutlich.
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V. 8
V. 11
V. 14
V. 16
Ps 18 Und die Erde bebt und erzittert und die Grundfesten von Bergen ( )הריםschwingen und schaukeln, denn er war zornig. Und er ritt auf einem Kerub und er flog ( )ויעףund er segelt auf den Flügeln eines Windes. Und JHWH donnerte am Himmel ( )בשׁמיםund der Höchste erhob seine Stimme, Hagel und Feuerglut ()ברד וגחלי־אשׁ. Und sie sahen Meeresströme (אפיקי )מיםund die Fundamente des Erdkreises wurden aufgedeckt von deinem Schelten ()מגערתך, JHWH, vom Atem des Geistes deines Zorns.
2 Sam 22 Und die Erde bebte und erzitterte und die Grundfesten des Himmels ( )השׁמיםschwingen und schaukeln, denn er war zornig. Und er ritt auf einem Kerub und er erschien ( )ויראauf den Flügeln des Windes. Und JHWH donnerte vom Himmel ( )מן־שׁמיםund der Höchste erhob seine Stimme. Und sie sahen Wasserströme und die Fundamente des Erdkreises wurden aufgedeckt durch das Schelten ( )בגערת יהוהJHWHs, vom Atem des Geistes seines Zorns.
Während Ps 18 JHWH als Wettergottheit darstellt, dem der atmosphärische Bereich zugewiesen wird, versteht ihn 2Sam 22 als Himmelsgottheit, die vom Himmel herab auf die Biosphäre einwirkt.42 Die anhand von 2Sam 22 festzustellenden Veränderungen des Ordnungsmusters von einer Wettergottheit, die durch atmosphärische Phänomene erkennbar ist, zu einer Himmelsgottheit, die aus dem oberen kosmischen Raum auf die Biosphäre einwirkt, werden dann auch in späteren Psalmentexten sichtbar. So wird die Ausbildung des himmlischen Heiligtums in einer Fortschreibung von Ps 102 in den Zusammenhang mit der Wiedererrichtung des Heiligtums auf dem Zion gestellt.43 Der himmlische Tempel in V. 20 wird als der Ort beschrieben, von dem aus JHWH auf die Erde herabschaut: Denn er schaut herab von der Höhe seines Heiligtums, JHWH vom Himmel auf die Erde blickt er, um das Seufzen eines Gefangenen zu hören, um Tote loszubinden, so dass sie auf Zion den Namen JHWHs verkünden und ihn loben in Jerusalem.
42 Vgl. Schmid, Himmelsgottheit, 115f. 43 Vgl. Ego, Gottes himmlisches Thronen, 558: „Der individuellen Klage des Beters über sein persönliches, von Not und Krankheit gezeichnetes Schicksal in V. 2–12 und V. 24–25a steht – wohl in einer kollektivierenden Neuinterpretation und Fortschreibung des ursprünglichen Textes – in V. 13–23.26–28 ein Gebet um die Wiederherstellung des Zion gegenüber, das geradezu hymnische Züge trägt.“
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
Die Nähe Gottes zu seinem Volk Israel findet ihren Ausdruck in seiner Zuwendung aus ‚der Höhe seines Heiligtums‘ ()ממרום קדשׁו, das in V. 20 mittels eines parallelismus membrorum mit dem Himmel gleichgesetzt wird. Mit dem ‚Herabschauen aus dem Himmel‘ wird mit der Sagittalen eine neue Achse eingeführt, die für das Gott-Mensch-Verhältnis entscheidend ist. Die im Zentrum sich treffenden Vertikale und Horizontale, die in einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis stehen, werden durch die Sagittale als variable Achse abgelöst. Das mit der Sagittalen verbundene direkte Einwirken JHWHs auf sein Gegenüber bezieht sich dann nicht nur auf die Armen, wie dies Ps 102 darstellt, sondern auf den gesamten Geschichtsverlauf. Diese Vorstellung wird mit Ps 2 dem Psalter vorausgestellt und ist in dessen redaktioneller Endgestalt für das Gott-Israel-Verhältnis grundlegend. In V. 4 wird über JHWHs Verhalten bei Versuchen von Königen, gegen seine Herrschaft aktiv zu werden, ausgesagt: ‚( יושׁב בשׁמים ישׂחק אדןי ילעג־למוEr sitzt im Himmel, er lacht, der Herr spottet über sie‘). V. 5 kündigt im Anschluss das göttliche Gericht gegen diese Feinde an.44 Die in V. 6 geschilderte Inthronisation des Königs auf dem Zion wird schließlich von allen Königen der Erde getragen. Akzeptanz und Unterstützung seiner Herrschaft durch alle Völker und ihre Herrscher führt zu einer Stabilisierung seiner königlichen Herrschaft.45 Der auf diese Weise entstehende universale Charakter der Königsherrschaft wird schließlich in V. 8 hervorgehoben. Sein Reich wird sich bis zu den ‚( אפסי־ארץEnden der Erde‘) erstrecken. Seine Herrschaft basiert auf dem Respekt der Völker. Mit der Ausdehnung wird zugleich das Verhältnis von himmlischem Heiligtum und Biosphäre deutlich. Im himmlischen Heiligtum nimmt JHWH eine Position ein, die es ihm erlaubt, jeden Ort der Biosphäre zu überblicken und aus dem Himmel heraus an ihnen direkt intervenieren zu können. Zwar stellt der Zion weiterhin den Mittelpunkt der Biosphäre dar, doch verändert sich die Vorstellung von JHWHs Einwirken auf die Biosphäre. Dieses erfolgt nicht mehr durch die vertikale axis mundi und damit in der Horizontalen vom Zentrum aus in die Peripherie. Vielmehr setzt Ps 2 die Sagittale als direkte Verbindung von JHWH und dem in den Blick genommenen irdischen Ort voraus. Das in V. 4 erwähnte Lachen JHWHs über die sich gegen ihn verbündenden Völker ist dabei ein Zeichen seiner universalen Macht (vgl. auch Ps 115,3), die sich in der Herrschaft seines Erwählten, den er in der Mitte der Biosphäre platziert, konkretisiert. Vergleichbare Vorstellungen über das Wohnen JHWHs in einem statisch gedachten kosmischen Himmel finden sich auch in Ps 33,13; 103,19; 123,1. Eine direkte Zuweisung der kosmischen Räume an Gott und Mensch, wie sie bereits in 44 Vgl. Hartenstein/Janowski, Psalmen I, 93. 45 Vgl. Hartenstein/Janowski, Psalmen 1, 68. Die in Ps 2 gewählte Statik schließt sich Vorstellungen an, wie sie mit dem ‚Achämenidischen Völkerthrongestell‘ (vgl. oben 5.1.3. Die neue Herrschaft) dargestellt wird.
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Koh 5,1 sichtbar wurde, erfolgt schließlich in Ps 115,15f.46 Die Verbindung von Begründung und Zuweisung des Raumes zielt im Rückgriff auf die V. 4–8 auf die in der Biosphäre sichtbar werdenden Gottheiten. Diese wurden von Menschenhand geschaffen und sind aus Edelmetallen gefertigte kunsthandwerkliche Gebilde (V. 4).47 Die Trennung zwischen JHWH und Götterbildern impliziert, dass JHWH auf die Biosphäre einwirkt, die Menschen ihn verehren, es aber eine grundsätzliche räumliche Trennung zwischen den Präsenzorten gibt. Damit wird eine Distanz zwischen Schöpfer und Schöpfung erwirkt, die Gott im Gegenüber zur Welt erscheinen lässt. Diese Entwicklung in der Deutung des Raumes führt dann auch zu einer Veränderung des Gottesbildes, sodass „Gottes himmlisches Thronen […] seine Ubiquität und Universalität“48 impliziert. Diese Vorstellung wird in vier Texten weiter gesteigert. Ps 108,5f.; 113,4; 1Kön 8,27 und Jes 66,1f. deuten auf die Vorstellung hin, dass JHWH resp. sein כבודsich oberhalb des Himmels befinden.49 Ps 113,4 formuliert ‚( רם על־כל־גוים יהוה על השׁמים כבודוErhaben über alle Nationen ist JHWH, über dem Himmel sein )‘כבוד. Vergleichbar formuliert Ps 108,5f. und nimmt dabei in V. 6 Ps 57,8–12 auf, wodurch die Fortentwicklung des Gedankens und eine weitere „Kosmotheisierung“50 hervorgerufen wird. Ein letzter Schritt der Entwicklung wird schließlich mit 1Kön 8,27 sichtbar. Die Verfasser*innen dieses Textes lassen Salomo gegen die in den V. 32.39.43.49 betonte Anwesenheit JHWHs im Himmel fragen: Denn wohnt Gott wirklich auf der Erde? Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel ( )השׁמים ושׁמי השׁמיםkönnen dich nicht fassen. Wie sollte es das Haus, das ich baute?
In diesem späten Zusatz zu 1Kön 8,27 wird Gottes Mächtigkeit so weit gesteigert, dass der Himmel ebenso wie der irdische Tempel als zu klein erscheinen, um Gott als Wohnstätte zu dienen. Das Motiv eines Raums oberhalb des Himmels wird schließlich in Jes 66,1f. in die Vorstellung eines Thronraums überführt, in dem das von JHWH Geschaffene als Thron dient. Mit der Beschreibung der kosmischen Räume als Teile des göttlichen Throns wird die ontologische Scheidung von JHWH und seiner Schöpfung schließlich so überhöht,51 dass der gesamte Kosmos zur Sphäre göttlicher Macht wird.
46 Zu Ps 115 vgl. Schmid, Himmelsgottheit, 123f., der darauf hinweist, dass die „explizite Verbindung Gottes mit dem Himmel […] auf seine Nichtabbildbarkeit“ hinzielt. 47 Vgl. Hossfeld/Zenger, Psalmen 101–150, 287. 48 Ego, Gottes himmlisches Thronen, 562. 49 Zum motivischen Zusammenhang dieser Texte vgl. Wagner, Gottes Herrlichkeit, 318–320. 50 Schmid, Himmel, 128. 51 Jes 66,1f. steht im Kontext des Jesajabuches in Korrespondenz zu Jes 63,7–64,11: „Der Aufforderung Gottes, von seiner himmlischen Wohnung auf sein Volk herabzublicken (V.15a) entspricht die Bitte,
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
„Gott ist keine nur im Himmel thronende Größe, sondern der Kosmos insgesamt ist durch ihn affirmiert und Bestandteil seines ‚Heiligtums‘. Genauer noch: Der Kosmos entspricht dem Innersten seines ‚Heiligtums‘, nämlich seinem Thron und Schemel.“52
Der Verfasser will also nicht die überkommenen räumlichen Dimensionen auflösen. Das himmlische Thronen JHWHs ist somit als Konsequenz des Gedankens einer universalen Herrschaft zu verstehen. Eine solche Herrschaft ist nur von oberhalb der Biosphäre zu gewährleisten, führt eine Präsenz im Zentrum der Biosphäre doch dazu, dass Begebenheiten in der Peripherie nicht von ihm bestimmt werden könnten. Dies drückt sich an der Betonung der Sagittalen als Achse zwischen dem himmlischen Heiligtum und dem jeweiligen Ort, an dem JHWH einwirken will, aus. Neben der Anwesenheit JHWHs wird in Neh 9 seine Verehrung durch das himmlische Heer erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass mit der Transformation der Wohnortvorstellung auch eine Veränderung des göttlichen Thronraums einsetzt. Treten in diesem in Jes 6 geflügelte Seraphen, in Ez 1 geflügelte Keruben auf, werden in späteren Texten andere Wesen erwähnt, die in diesem Raum leben. Mit dem צבא השׁמיםwird in Neh 9,6 ein seit neuassyrischer Zeit in Israel/Palästina bekanntes Motiv genutzt, um die lobende Gemeinde zu bezeichnen. Diese Vorstellung ist das Resultat einer Transformation, die in einem früheren Stadium in 1Kön 22,19–22 zu beobachten ist. Der Text beschreibt eine Szene in JHWHs himmlischem Thronrat, der als צבא השׁמיםbezeichnet wird: Und er sprach: Darum höre das Wort JHWHs. Ich sah JHWH auf seinem Thron sitzen und das gesamte Heer des Himmels ( )כל־צבא השׁמיםstand um ihn herum, rechts neben ihm und links neben ihm. Und JHWH sprach: Wer will Ahab überreden und er wird hinaufziehen und in Ramot in Gilead fallen. Und dieser sagte so und jener sagte so. Aber ein Geist ging aus und er stellte sich vor JHWH und er sprach: Ich will ihn überzeugen. Und JHWH sprach zu ihm: Auf welche Weise? Und er sprach: Ich will ausgehen und will ein Lügengeist sein im Mund aller seiner Propheten. Und er sprach: Du sollst ihn überreden und du wirst es schaffen. Geh und mach es so.
Die motivischen und semantischen Parallelen dieses Textes zur Thronvision in Jes 6 sind unübersehbar. Die Einleitung in V. 1 ‚( ראיתי את־יהוה ישׁב על־כסאוIch sah JHWH auf seinem Thron sitzen‘) ist mit dem Auftakt zur Visionschilderung in Jes 6,1 ‚( אראה את־אדני ישׁב על־כסא רם ונשׂאIch sah den Herrn sitzen auf einem hohen
daß Gott sich diesem nicht länger fernhalten (V.15b) und sich ihm und seinem Heiligtum wieder zuwenden soll (Jes 64,19ff.)“ (Ego, Gottes himmlisches Thronen, 564). 52 Schmid, Himmel, 131.
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und erhabenen Thron‘) nahezu identisch. Während in Jes 6 geflügelte Seraphen als dienstbare Wesen auftreten, wird in 1Kön 22,19 das ‚Heer des Himmels‘ (צבא )השׁמיםals Versammlung der Wesen der göttlichen Thronsphäre genannt.53 Mit צבא השׁמיםwerden in den anderen hebräischen Texten in neuassyrischem Stil die Sterne beschrieben, deren Verehrung abgelehnt wird (vgl. Dtn 4,19; 17,3; 2Kön 17,16; 21,3.5; 23,4f.; Jer 8,2; 19,13; Zeph 1,5; 2Chr 33,3.5 u.ö.). Ikonographisches Zeugnis dieser Vorstellung sind die Reiterstatuetten, die vereinzelt ab dem beginnenden 8. Jh. v. Chr., in höherer Anzahl ab sargonidischer Zeit belegt sind.54 1Kön 22,19–22 spiegelt nun eine andere Vorstellung wider, wie sie für die vorexilische Zeit untypisch ist. Dies erweckt den Eindruck, der Text könne anders, als es die frühere Forschung annimmt, nicht Vorlage für Jes 6, sondern vielmehr von diesem Text abhängig sein. „Diese Möglichkeit wurde freilich noch kaum ernsthaft erwogen. Das hing zum einen Teil mit der traditionellen Deutung der beiden Texte zusammen. Wenn man die MichaErzählung (nicht weit von den berichteten Ereignissen entfernt) im 9. Jh. ansetzt, kann eine literarische Abhängigkeit nur auf Seiten des Propheten Jesaja liegen. Das aber konnte nicht im Sinne eines persönlichkeitsorientierten Prophetenbildes sein, das in einem Text wie Jes 6 den untrüglichen Beweis für die Originalität der Gotteserfahrung fand: Was Jesaja hier wiedergibt, muß er selbst erlebt haben; es kann unmöglich aus zweiter Hand stammen.“55
Zudem zeigt Ernst Würthwein auf, dass 1Kön 22,19–22 sekundär in seinen jetzigen literarischen Kontext eingefügt wurde und Parallelen zu Hi 1,6–12 aufweist.56 Auch in Hi 1,6–12 wird eine Szene im himmlischen Thronrat geschildert, nur wird dieser im Text nicht als צבא השׁמים, sondern als Kreis der ‚( בני האלהיםGöttersöhne‘) bezeichnet.57 In diesem Text wird eine Zusammenkunft der ‚Gottessöhne‘ geschildert, in der ‚( השׂטןder Widersacher‘) die Rechtmäßigkeit göttlicher Wohltätigkeiten
53 Vgl. Albani, Gott, 182–195, der צבא השׁמיםals Heer der Verstorbenen versteht, die astral divinisiert wurden. Zur Entwicklung des Epithetons צבאותvgl. Wagner, Gottes Herrschaft, 95–99, mit weiterer Literatur. 54 Das älteste Objekt, das in Palästina nachgewiesen ist, ist ein Pferdeköpfchen mit Sonnenscheibe, das aus einer Grabung in Hazor, Str. IX B (ca. 900 v. Chr.) stammt. Dies ist allerdings ein Einzelstück. Breiter belegt sind derartige Objekte erst in der Zeit sargonidischer Oberherrschaft über Palästina. „Der Gebrauch von Pferden und Götterwagen ist typisch für die assyrische Divination in der Sargonidenzeit (Ende 8./7. Jh.), bei der gerade der allwissende Sonnengott Schamasch eine zentrale Rolle spielte. Die Pferde dienten somit wohl als Medien für die Divination, die Wagen setzten den unsichtbaren Gott gegenwärtig“ (Keel/Uehlinger, GGG, 394). 55 Becker, Jesaja, 66f. 56 Zur Datierung in die nachexilische Zeit vgl. Würthwein, Könige II, 254. 57 Zum Bezug vgl. Horst, Hiob 1, 12.
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
anzweifelt. Wird in Hi 1 der Ort des Zusammenkommens nicht spezifiziert, so ergibt sich dieser für die Leser*innen zumindest intertextuell. Mit ( בני האלהיםLXX οἱ ἄγγελοι τοῦ θεοῦ; LXX Gen 6,2.4 jedoch οἱ υἱοὶ θεοῦ) bzw. ( בני אליםPs 29,1; 89,7 LXX οἱ υἱοὶ θεοῦ) wird ein Kreis von Wesen der göttlichen Thronsphäre bezeichnet, der, typologisch betrachtet, bereits in der ugaritischen Literatur als bn.qdš (‚Söhne des Heiligen‘) (KTU 1.2 I Z. 19–21) bezeugt ist. „Das Lob der Himmel (in Ps 89 TW) setzt sich fort in der ‚Versammlung der Heiligen‘. Nach ugaritischem Sprachgebrauch wird damit wie mit dem Begriff ‚Gottessöhne‘ die Götterversammlung Els bezeichnet.“58 Beim Vergleich von Ps 29 und Ps 89 ist ein Wandel in der Verortung der Thronsphäre zu erkennen.59 Während Ps 29 eine Tempelszene schildert, die mit dem irdischen Tempel in Verbindung gebracht werden kann, ist Ps 89 auf eine Anwesenheit JHWHs im kosmischen Himmel ausgerichtet (vgl. V. 7).60 In diesem Psalm wird JHWH jedoch noch nicht als thronende Gottheit verstanden, deren Söhne zum Lobpreis aufgerufen werden, sondern JHWH erscheint als primus inter pares dieses Kreises. Seine Rolle ändert sich dann in Hi 1f. In diesem Text werden die בני האלהיםals seine Söhne angesehen.61 Erscheint die Darstellung des göttlichen Thronrats in 1Kön 22,19–22 noch aufgrund des Kontextes am davidischen Königshof orientiert, liegen Hi 1f. Vorstellungen zugrunde, die aus dem Gefüge des persischen Königshofes und der Organisation des Großreiches abgeleitet werden können.62 „As monarchic states developed, the administration of the state came to be presented and seen as unified system of which the king was the head. ‚Monarchy‘ could in a sense come to be a corporate and shared exercise. Members of the royal family, officials, and members
58 Hossfeld/Zenger, Psalmen 51–100, 590. 59 Zum Thronrat in den nordwestsemitischen Religionen als direkte, oftmals familiäre Umgebung des höchsten Gottes vgl. Niehr, Gott, 71–88. 60 Vgl. Niehr, Gott, 71–88, der verschiedene religionsgeschichtliche Stufen bei der Entstehung des Thronrates JHWHs unterscheidet: 1. JHWH als eines der Mitglieder des Thronrates (Ps 82,1); 2. JHWH als Königsgott (Jes 6); 3. Ausbildung des Thronrates JHWHs (Ps 89,6–8). 61 In dieser Form werden sie auch in Gen 6,2.4 erwähnt. In der im Endtext als Vorgeschichte der Sintflut erscheinenden Ätiologie halbgöttlicher Wesen (‚ גבריםHelden‘) wird ihnen untersagt, sexuelle Beziehungen zu den ‚( בנות האדםMenschentöchter‘) zu unterhalten. Damit werden die בני האלהיםauf ihren eigenen Kreis beschränkt. 62 Vgl. Berquist, Judaism, 135f.: „Perhaps nowhere was this semiroyal ideology clearer than in the case of the governor. The role of governor was exalted as God’s special chosen one, at least from the time of Zerubbabel (Haggai 2:2ß–23). The very preservation of members of Ezra and Nehemiah, two later governors, argues for the positive perception of these figures, even apart from the content of their books. The literature records the great deeds of these two in sharp detail and the highest terms; they are persons of prayer and dedication to God who undertake their activities with no consideration for personal safety or gain but think only of service to God and to the Persian emperor with whose backing they labor.“
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of the court shared the royal authority and status. They were agents, representatives of the king, part of his personal government. He, or his authority, was present in them and in their duties. In cases where a divine monarchy was envisaged, this same perception extended to the heavenly regime.“63
In Hi 1f. werden zwei Szenen innerhalb des göttlichen Thronrates geschildert, die eine Auseinandersetzung zwischen JHWH und einem seiner Thronratsmitglieder beschreiben.64 Der im Zentrum der Darstellung stehende Gottessohn nimmt die Rolle eines ‚Widersachers‘ ( )השׂטןein. Die Wurzel ‚ שׂטןwidersprechen, widerlegen‘ charakterisiert ihn als einen solchen Opponenten.65 Mit der Wurzel wird auch das Verhalten von göttlichen Boten gegen Menschen (vgl. Num 22,22.32) oder von Herrschern gegeneinander (1Sam 29,4; 2Sam 19,22; 1Kön 5,4; 11,14.23 u. ö.) bezeichnet. In der Einleitung zur ersten Szene Hi 1,6f. wird mit seiner Aufgabe, die Erde zu durchstreifen ( )שׁוטund auf ihr herumzugehen ( הלךhitp.), eine spezifische Funktion des ‚Widersachers‘ deutlich, die mit einem in persischer Zeit bezeugten Amt zu verbinden ist. „The appearance of the Satan in Job 1–2 has also ties with an administrative context beyond just a general divine council, if one accepts the link between the Watchers and the King’s Eye. When YHWH asks the Satan what he has been doing, he replies ‚I have been roaming the earth and going to and from upon it‘ (Job 1:7, 2:2: משוט בארץ ומתהלך )בה. The verb ‚roam‘ ( )שוטused here is the same as that used for the ‚Eyes of the Lord‘ in 2 Chr 16:9 and in Zech 4:10b, both of which can be connected to the King’s Eye’s method of surveillance.“66
Wie im weiteren Dialog des Hiobbuches deutlich wird, ist השׂטןfür die Menschen nicht sichtbar und wird dementsprechend nicht von ihnen wahrgenommen. השׂטןerscheint zunächst als derjenige, der die menschliche Gottesfurcht in Frage stellt und sich damit gegen Gottes Perspektive auf das Verhalten Hiobs wendet.67 Im weiteren Verlauf des Prologs wird seine Machtausübung über Hiob und seinen
63 Davies, Monotheism, 27. Im selben Sinne auch Houtman, Himmel, 355: „Die Vorstellung des himmlischen Hofstaates verfolgt offensichtlich den Zweck, der Vorstellung von JHWH’s Königsherrschaft Gestalt zu verleihen; […].“ 64 Gnuse, God, 244f., versteht die Mitglieder des göttlichen Thronrats als depotenzierte Götter und verbindet diesen Vorgang mit dem sich ausbildenden Monotheismus. 65 Silverman, Vetting, 6f., verweist diesbezüglich auch auf den in Esr 4,6 verwendeten Begriff ‚( שׂטנהAnklage‘). 66 Silverman, Vetting, 7. Vgl. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 264. 67 Vgl. White, Yahweh’s Council, 115.
Der Gott des Himmels und sein himmlisches Heiligtum
Besitz dargestellt (Hi 1,12), so dass er sich nicht nur auf Erden bewegt, sondern auch auf das Leben Hiobs negativ einwirkt. Eine solche Wirkweise wird in der altorientalischen Tradition aus der Gegenwelt stammenden dämonischen Wesen zugesprochen. Ihre Funktion übernimmt in Hi 1f. ein Mitglied des göttlichen Thronrates. Damit wird der Abschluss der Biosphäre, wie P ihn schildert, der ein Eindringen dämonischer Mächte nicht mehr zulässt, dahingehend spezifiziert, als dass eine sich negativ auf das Leben der Menschen auswirkende Macht himmlischen Ursprungs ist. Eine derartige Verschiebung ist zeitgeschichtlich parallel in iranischen Vorstellungen belegt. Die im Zoroastrismus mit der Verehrung Ahura Mazdās einsetzende Degradierung anderer Ahuras zu mainyava dæva führt dazu, dass die Widersacher des Menschen nicht aus der Gegenwelt, sondern aus der göttlichen Sphäre entstammen (Yt. 10.68). „There are six arch-demons: Aka Manah, Indra, Sauru, Nanhaitya, Taurvi, Zairic, who together with Aeshma make up the usual list of seven. Not only specific diseases even the various types of sin are personified. So we have for example, Arast (falsehood), Azi (greed), Araska (malice), Taromaiti (arrogance), Vareno (lust), Bushyasta (lethargy and sloth), Push (miserliness), Spazga (slander), and Ereshi (envy).“68
Diese sieben Wesen wirken zunächst auf das Verhalten des Menschen ein, besitzen darüber hinaus aber auch Einfluss auf das Somatische sowie auf die seine gesellschaftliche Position und ökonomische Situationen betreffenden Aspekte. Ein derart breiter Einfluss auf das menschliche Leben ist auch mit den in Hi 1f. geschilderten Handlungen des ‚Widersachers‘ an Hiob zu beobachten. Zudem übernimmt השׂטןinnerhalb des Götterkreises die Rolle des königlichen Informanten.69 Diese Funktion leitet sich von zwei Ämtern ab, die am Hofe des persischen Großkönigs ausgeübt werden. Neben den Satrapen als regionale Verwaltungsleiter setzten die persischen Könige Informanten ein, um Nachrichten sowohl über Zustände in ihrem Reich als auch über das Wirken ihrer Beamten zu erhalten. „The satraps themselves underwent regular inspections by other officials, called ‚the king’s eyes‘ or ‚the king’s ears‘ who traveled all over the empire (accompanied by troops sufficient for immediate action), paid unexpected visits for examination of the satraps’
68 Winston, Iranian Component, 193. Die Siebenzahl der gegen Gott Rebellierenden wird in der apokalyptischen Literatur weiter ausgebreitet. 1Hen 108,14 berichtet davon, dass sieben Sterne sich gegen Gottes Ordnung auflehnen. 69 Vgl. Oppenheim, Eyes, 173–180. White, Yahwe’s Council, 114, hebt hervor, dass sich diese Kontrollfunktion in Hi 1f. auf die menschliche Gottesfurcht beschränkt.
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conduct or other representatives’ administration (e. g., at the immense royal estates), and reported directly back to the king. These royal inspectors or controllers, confidants to the king (to avoid saying his spies) normally stood in strained relations to satraps and local authorities.“70
Die Organisation des persischen Reiches mit einem Großkönig, der lokal durch seine Satrapen vertreten wird, zu denen er mittels Boten Kontakt hält, wird in der Form auf das göttliche Königtum übertragen, dass den Mitgliedern des Thronrates Funktionen der königlichen Beamten zugewiesen werden. Eine solche Aufgabe übernimmt in Hi 1f. der ‚Widersacher‘. Aus den dabei gesammelten Erkenntnissen leitet er seine Kritik am göttlichen Heilswirken ab. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den königlichen Beamten und den Wesen des himmlischen Hofstaates bleibt jedoch bestehen, der eine weitere Entwicklung der Vorstellung hevorruft. Während sich die persischen Beamten innerhalb des Großreiches und damit in der Horizontalen bewegen, müssen die Mitglieder des Thronrates JHWH die Distanz vom himmlischen Heiligtum zur Biosphäre, also die Atmosphäre überbrücken. Dies ist nur geflügelt möglich, so dass die Ausbildung des himmlischen Heiligtums mit einem als צבא השׁמיםoder als בני האלהיםbezeichnet Kreis, der den Thronrat JHWHs bildet, die Vorstellung geflügelter Wesen impliziert. Hi 1f. setzt diese Vorstellung von geflügelten Wesen als Mitglieder der göttlichen Thronsphäre aufgrund der geschilderten räumlichen Verhältnisse offenbar voraus, auch wenn die körperlichen Merkmale der Thronratsmitglieder im Text nicht erwähnt werden. Von den als geflügelt beschriebenen Seraphen (Jes 6) und Keruben (Ez 1), die in den frühesten Texten, in denen die Thronsphäre erwähnt wird, wird diese Vorstellung implizit auf alle in späteren Texten genannten Wesen des Thronrates übertragen. Dessen Mitglieder können sich nur so im Raum zwischen Himmel und Erde vertikal bewegen.71
8.2
Die Belebung der Atmosphäre
Explizite textliche Erwähnungen von geflügelten Wesen finden sich in den aus persischer Zeit stammenden alttestamentlichen Texten nicht. Allein die Vorstellung eines sich ausbildenden göttlichen Thronrats, dessen Mitglieder auch in der Biosphäre wirken, legt nahe, dass diese Wesen geflügelt sind. Zudem deuten die in Jes 6 und Ez 1 auftretenden sechsflügeligen Seraphen und vierflügeligen Keruben
70 Vgl. Schmitt, Art. Achemenid Dynasty, II. The Empire. 71 Die Richtung unterscheidet sich von der in Ez 8,3; Sach 5,9 geschilderten Bewegung בין הארץ ובין ‚( השׁמיםzwischen Himmel und Erde‘), die als rein horizontale in der Atmosphäre gedacht ist.
Die Belebung der Atmosphäre
darauf hin, dass weitere Wesen der göttlichen Thronsphäre Flügel tragen. Ikonographisch lässt sich die Vorstellung von geflügelten Wesen der göttlichen Welt in Palästina/Israel für diese Zeit jedoch umfangreich nachweisen.72 Bei der Ausbildung dieser Vorstellung können die Autor*innen der persischen Zeit auf Traditionen zurückgreifen, die in der vorderasiatischen Antike seit früher Zeit mit dem Königtum verbunden sind. Die Besiegung von wilden Tieren gehört zum Bildrepertoire des vorderasiatischen Königtums. Das häufig als ‚Herr der Tiere‘ (heroic encounter) bezeichnete Sujet, das einen Menschen zeigt, der zwei gleichartige Tiere mit jeweils einem Arm festhalten kann, ist bereits auf einem Siegelabdruck auf einem Gefäßkörper oder Gefäßrand, das vermutlich aus dem Keramischen Neolithikum (7500–6500 v. Chr.) aus Jericho stammt, bekannt73 und durchgehend bis in die Perserzeit belegt. Bereits in neubabylonischer Zeit findet sich mit dem Rollsiegel VR 1981.128 ein Objekt, auf dem dieses Motiv auf Mischwesen übertragen wird. Auf dem babylonischen Rollsiegel wird ein vierflügeliges Wesen gezeigt, das „im Herr-der-Tiere-Schema zwei geflügelte Sphingen (Keruben) mit ebenfalls kalottenförmiger Kappe an den Vorderbeinen“74 packt und sie so beherrscht. Bei diesem Siegel ist eine Transformation des Motivs von der Biosphäre in die mythische Sphäre zu erkennen. In der Zeit achämenidischer Herrschaft über den antiken Vorderen Orient wird das Motiv, wie im Folgenden zu sehen ist, wiederholt verwendet.75 Im Zentrum des Sujets steht in dieser Epoche der an seiner Krone erkennbare königliche Held. Dieser beherrscht allerdings nur auf wenigen Objekten die Tiere der Biosphäre.76
72 Konzeptuell fließt hier neben der Vorstellung vom himmlischen Hofstaat auch die Gestalt des „in menschenähnlicher Gestalt auftretenden göttlichen Boten“ (Ahn, Grenzgänger, 3) ein. Aus dieser Kombination resultiert schließlich die Figur des Engels. 73 Eine Abbildung der Siegelabdrucks ist dauerhaft abrufbar unter: http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=4493. Letzter Aufruf :17.01.2021. 74 http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=433. Letzter Aufruf: 17.01.2021. 75 Vgl. die Zusammenstellung bei Schroer/Lippke, Samaria-Bullen, 319–321. Zu weiteren Parallelen: „Es fällt auf, dass im Archiv von Daskyleion der König in dieser Konstellation nie als Herr der Löwen, die er an den Schwänzen emportreibt, erscheint, sondern nur als ein Herr der (geflügelten) Mischwesen, die ihm als mächtige Gegner entgegentreten“ (Schroer/Lippke, Samaria-Bullen, 321). 76 Dieses Motiv wird auf dem aus Babylon oder der Persis stammenden Rollsiegel VR 1981.134 (http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=568. Letzter Aufruf am 17.01.2021) sowie auf den Siegelabrollungen VT 1981.7 (http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details. php?bomid=565. Letzter Aufruf am 17.01.2021) und VT 1981.6 (Persepolis, motivische Variation http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=562. Letzter Aufruf am 17.01.2021) abgebildet.
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Häufiger ist hingegen das Sujet ‚königlicher Held‘ (heroic combat) belegt, das einen König zeigt, der Mischwesen (meist geflügelte Stiere oder Löwen) besiegt.77 „However, the hero’s royal qualities are so evident that an interplay of meaning is probably intended. As we shall see, certain seal engravers would stress the royal features of the hero to such an extent that he must be perceived as generally embodying Achaemenid royalty, and sometimes as a depiction of the king in person.“78
Das Rollsiegel BM ANE 89781 (Abbildung 8) zeigt einen Übergang von der Biosphäre in die Atmosphäre. Das Sujet ist auf der Abbildung der Abrollung jedoch nicht korrekt sequenziert. Die Motivkonstellation des einen Löwen mit einem Kurzschwert besiegenden Königs, das vor allem auf neuassyrischen Königssiegeln belegt ist, wird auf diesem Siegel mit einem anderen Motiv kombiniert. Die auf der Abrollung im Zentrum abgebildete Dattelpalme dient als Szenentrenner, sodass die Motivreihenfolge Tier – königlicher Held – Mischwesen mit jeweils vom im Zentrum stehenden Menschen mit abgewendeten Köpfen eine Aufnahme des ‚Herr-der-Tiere-Sujets‘ darstellt. Damit werden zwei königliche Motive miteinander verbunden. Das Siegel betont, dass der persische König die irdische Tierwelt bereits befriedete, während die Mischwesen noch bekämpft werden müssen. Vollumfänglich ist das Sujet ‚Herr über die Tiere‘ auf dem wohl aus Lydien stammenden Rollsiegel VR 1981.13779 zu sehen (Abbildung 9). Der königliche Held wird auf diesem Siegel in typischer Haltung mit zwei geflügelten Stieren dargestellt.80 Über ihm ist eine geflügelte Sonne zu sehen, die als farnah/xvarenah (‚göttliche Herrlichkeit‘) zu deuten ist. Die Dattelpalme begrenzt die Szene.
77 Zu den Rollsiegeln aus der Schatzkammer in Persepolis, auf denen dieses Motiv abgebildet wird, vgl. Schmidt, Persepolis II, 7f. Für Samaria ist dieses Motiv mit der Münze MQ 020 (abgebildet in Wyssmann, Vielfältig geprägt, 145f.) belegt. Datiert wird diese Münze in die Zeit 360–350 v. Chr. 78 Uehlinger, Persianism, 147. Dusinberre, Imperial Style, 103, verweist darauf, dass diese Siegel nicht nur vom König, sondern auch von hohen Beamten verwendet wurden. Uehlinger, Persianism, 150, zeigt auf, dass sich das Motiv „Master of Mischwesen“ vom „Master of lions“ kategorisch unterscheidet. „‚Heroic combat‘ is distinguished from ‚heroic encounter‘ or ‚heroic control‘ in two respects: the hero faces only one opponent; the confrontation is more violent, since the hero is usually armed with a dagger. The hero’s identity is again variable according to cultural traditions and seal workshops“ (Uehlinger, Persianism, 153). 79 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=566. Letzter Aufruf am 17.01.2021. Vgl. auch Keel/Keel-Leu, Sammlung, 47 Abb. 54. 80 Uehlinger, Persianism, 146f., untersucht mehrere Siegelabdrücke, auf denen der königliche Held als Besieger von Mischwesen dargestellt wird: „This refers to the Assyrian tradition of Mischwesen which accompany the higher gods, acting both as pedestal animals, guardians, and helpers for their divine patron and emphasizing the latter’s might since with all their fierceness they are submitted to the god’s power“ (Uehlinger, Persianism, 146).
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Die Verbindung von farnah/xvarenah und König wird durch die Gravur des Rollsiegels VR 1981.13681 nochmals deutlicher. Das Sujet ‚Herr über die Tiere‘ ist hier in eine Adorationsszene überführt (vgl. Abbildung 10). Die Mischwesen treten dabei nicht mehr als Feinde des Königs, sondern als seine Verehrer auf. Der Kampf des Königs gegen mythische Wesen wird im Palästina der Perserzeit vor allem durch das auf den Großkönig übertragene neuassyrische Königsmotiv des einen Löwen besiegenden königlichen Helden vermittelt.82 Dabei fällt auf, dass in der neuassyrischen und neubabylonischen Glyptik bei dieser Komposition häufiger ein geflügelter Held auftritt, in der achämenidischen Form der königliche Held jedoch immer ohne Flügel abgebildet wird. Dies deutet auf eine Konzentration des Motivs auf den König hin.83 Auch wenn das Kurzschwert auf diesem Abdruck nicht erkennbar ist, so weist die Armhaltung darauf hin, dass der König das am Hals gehaltene Hybridwesen mit dem Kurzschwert besiegen will.84 Dieses Sujet wird auch auf einem Siegelabdruck auf einer Bulle verwendet, die in Wadi ed-Dalije gefunden wurde.85 Diese wird von der IAA unter der Inventarnummer 959 (Abbildung 11) aufbewahrt. Die abgebildete Person ist aufgrund der Zinnenkrone als persischer König zu identifizieren. Dieses Motiv ist über das gesamte persische Reich verbreitet nachgewiesen und kann als standardisiertes Königssiegel angesehen werden,86 auch wenn es in der Glyptik Palästinas/Israels
81 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=572. Letzter Aufruf am 17.01.2021. 82 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=10898. Letzter Aufruf am 17.01.2021. Zum Motiv vgl. Uehlinger, Policy, 332. Ein vergleichbares Motiv findet sich bei Keel, Corpus II, 370 mit Abb. 55f., und bei Cornelius, 229 Abb. 2a. 83 Vgl. Keel, Ijob, 99. Eine umfänglichere Deutung bietet Wyssmann, Vielfältig geprägt, 146: „Die Bedeutung von heldenhaften Kämpfen ist sehr vielschichtig. Im Allgemeinen kann das Motiv als Visualisierung einer Interaktion und eines Kräfteverhältnisses zwischen Mensch und Tier beschrieben werden, wobei der Mensch die Szene dominiert. Übertragen auf eine politische Ebene ist der gebieterische Kampf als Symbol für Macht und Souveränität zu deuten. Der Held kann als Herrscher, archetypischer Heros oder Gott verstanden werden und nimmt die Rolle einer ordnenden Macht ein. Als Kämpfer gegen alles Lebensfeindliche wird er zum Garanten für einen intakten Kosmos. Bei der Darstellung von Kämpfen gegen Mischwesen geht der Bildtypus über den politischen Bereich hinaus und umfasst den Schutz gegen die chaotischen Mächte der überirdischen Welt. Das Motiv kann somit auch als apotropäisch bzw. allgemeiner als schutz- und segenspendend charakterisiert werden.“ 84 Dasselbe Motiv in anderer Ausfertigung bietet ein Skaraboid, der auf Tell Keisan gefunden wurde. Vgl. Keel, Corpus V, 591 Abb. 19. Eine Umzeichnung des Abdrucks ist unter http://www.bible-orientmuseum.ch/bodo/details.php?bomid=18312 dauerhaft abrufbar. Letzter Aufruf am 17.01.2021. 85 Detaillierte Karte der Funde publiziert von Lapp/Lapp, Discoveries, pl. 41 und 44. 86 Vgl. Garrison/Root, Seals; Wyssmann, Vielfältig geprägt, 137. Uehlinger, Persianism, 143, weist darauf hin, dass der ‚königliche Held‘ in der zypriotischen Tradition mit Herakles verbunden wird.
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vergleichsweise selten belegt ist.87 „To the extent that the physical presence of Persian origin was probably limited to military officers and administrators, Persian culture remained a largely foreign element in Palestine.“88 Ein weiteres, auf die Atmosphäre als Handlungsort verweisendes Motiv ist der Vogelmann, der auf den aus Samaria stammenden Münzen MQ 013, MQ 084 und MQ 100 sichtbar wird. „Der Vogelmann bildet das letzte Motiv, das unter den Darstellungen von Männern im persischen Hofgewand aufgeführt ist. Bei ihm handelt es sich genau besehen um ein Mischwesen mit anthropo- und theriomorphen Anteilen. Seine Bedeutung erschliesst sich in erster Linie aufgrund der menschlichen Halbfigur, weshalb er hier bei den anthropomorphen Kronenträgern eingereiht ist.“89
Neben den aus der mesopotamischen Tradition abgeleiteten Sujets treten aber in der persischen Spätzeit (ab dem 5. Jh. v. Chr.) vermehrt Motive des griechischen Kulturraums in der Bildwelt Palästinas/Israels auf, wie sie am Übergang zwischen persischem und griechischem Kulturraum häufig belegt sind.
Abbildung 8: Rollsiegel BM ANE 89781, 500–400 v. Chr. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
87 Vgl. Uehlinger, Persianism, 171. 88 Uehlinger, Persianism, 172. 89 Wyssmann, Vielfach geprägt, 149.
Abbildung 9: Rollsiegel VR 1981.137, Lydien, 504–00 v. Chr. © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
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Abbildung 10: Rollsiegel VR 1981.136, Ende 6./5. Jh. v. Chr., aus der Persis © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Abbildung 11: Siegelabdruck auf Bulle, 375–335 v. Chr., Wadi ed-Dalije, Jerusalem IAA Nr. 937 © Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Abbildung 12: Siegelabdruck auf Ton, Samaria, Rockefeller Museum Jerusalem, 32.2282, persische Zeit ©Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
Abbildung 13: Siegelabdruck auf Bulle, 375–335 v. Chr., Wadi ed-Dalije, Jerusalem IAA Nr. 943 ©Stiftung BIBEL + ORIENT, Fribourg.
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„There has been occassion to remark that in the Classical period much of the East Greek world and Cyprus, areas involved in the production of engraved gems and finger rings, was on the borders of the Persian Empire if not within it. There is, moreover, both archaeological and epigraphical evidence that Greek artists worked in the courts of the Achaemenid Persian kings. In glyptic this association of Greeks and Persians is represented by a very large class of so-called Greco-Persian gems which are identified on grounds of style, shape and motif.“90
Unter diese aus dem griechischen Kulturraum stammenden Hybridwesen gehören auch Darstellungen von geflügelten Pferden, wie sie auf den aus Samaria stammenden Münzen MQ 001, MQ 002 und MQ 017 abgebildet sind.91 Geflügelte anthropomorphe, Wesen werden auf den in Wadi ed-Dalije gefundenen Bullen 66+ sichtbar. Auf diesen sind wiederholt Wesen zu sehen, die aus der griechischen Mythologie bekannt sind.92
90 Broadman, Greek Gems 303. Garrison/Jones/Stolper, Administrative Tablets, 7–12, beschreiben die auf der Rückseite von BM 108963 (Persepolis) eingerückte Darstellung von zwei geflügelten Wesen mit menschlichen Körpern, die von ihnen als Atlanten bezeichnet werden. „Whether one atlantids or two, the design is striking. Atlantids figures, both winged und unhinged, are well documented in Persepolitan glyptic. The most common format consists of two atlantids, almost always animalhuman composites, generally bull-men, disposed one to each side of a stylized tree. These atlantids generally hold a winged disk of a partial figure in a winged device over the tree“ (Garrison/Jones/ Stolper, Administrative Tablets, 9). Auch Keel/Uehlinger, Jahwe-Visionen, 214 Abb. 166, weisen ein achämenidisches Siegel auf, auf dem geflügelte Atlanten abgebildet werden. Abweichend von griechischen Darstellungen geflügelter Gottheiten sind die Atlanten hier vierflügelig. Frey-Anthes, Unheilsmächte, 306 Abb. 1–4, stellt mehrere Darstellungen von vierflügeligen Gottheiten zusammen, an denen dieselbe Flügelform wie bei den Atlanten von BM 108963 zu erkennen sind. Diese weichen in ihrer Form wesentlich von der Darstellung auf IAA 937 und IAA 943 ab. 91 Vgl. Wyssmann, Vielfach geprägt, 200–206, der neben geflügelten Pferden auch Münzen mit geflügelten Stieren und Cerviden darbietet. Dieser weist auf den Ursprung der Motive auf Münzen aus Samaria hin: „Relativ häufig auf den perserzeitlichen Münzen Samarias zu finden sind Pferde, Pegasen und Hippokampen. Viele der Motive stammen ursprünglich aus Kleinasien und wurden von Satrapenprägungen übernommen. Sie verdeutlichen die wichtige Rolle, die das Tier bei den Persern spielte, sei es als Statussymbol der Elite oder als Repräsentant der persischen Herrschaft.“ 92 Die Verbreitung griechischer Handelsware im perserzeitlichen Palästina ist bei Stern, Material Culture, 137–141.151–153.156f.180–182.198.217f., dokumentiert. Blekinsopp, Essays, 91, führt aus, dass diese Ware eher untypisch war: „Greek ware, greatly superior to local products, is in evidence unevenly and sparsely throughout Judah, but to what extent it indicates a knowledge of Greeks and the Greek way of life among Judaeans remains uncertain. More direct, if transient, contact would have been by way of Greek mercenaries, renowned through the Near East, especially during the frequent military campaigns in the region.“ So verwundert es nicht, dass die Siegelabdrucke mit menschengestaltigen Wesen mit Flügeln, die in Wadi ed-Dalije gefunden wurden, eine seltene Bezeugung griechischer Ikonographie im (spät-)perserzeitlichen Palästina sind.
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Der von der IAA unter der Inventarnummer 937 geführte, in DJD XXIV als WD 40 notierte Abdruck eines Metallfingerrings (Abbildung 12)93 zeigt einen geflügelten nackten Eros, der auf dem Boden kniet und diesen mit seinen Händen berührt.94 Die Flügel sind Zeichen seiner Göttlichkeit, die sich darin äußert, dass er sich zwischen Himmel und Biosphäre hin und her bewegen kann. Neben ihm sind in Wadi ed-Dalije die Abbildung der Göttin Νίκη (‚Nike‘)95 sowie der Götterbote Ἑρμῆς (‚Hermes‘)96 belegt, die auf hellenistischen Einfluss bereits vor dem Feldzug Alexander d. Gr. hinweisen. Ein spezifisch auf die Dynamik der Gottheiten hinweisendes Motiv stellt der Pferdewagen mit einer Gottheit als Lenker dar. Der Abdruck eines Siegelrings IAA Nr. 943/WD 46 (Abbildung 13)97 wird ein solches Gespann in Frontalansicht dargestellt. Lenkerin der Quadriga ist die Göttin Νίκη (‚Nike‘).98 „The chariot, invisible behind the horses, is stationary.“99 Dieses Motiv ist vor allem in der griechischen Welt im 4. Jh. v. Chr. weit verbreitet und gelangte wie auch IAA 937/WD 40 durch den Handel nach Palästina.100 Nike steht in enger Verbindung zur Göttin Τύχη (‚Tyche‘)101 und ist somit motivisch auch der mit dem persischen Königtum verbundenen ‚göttlichen Herrlichkeit‘ (farnah/xvarenah) nahe. „The equation of Farnah/Tyche/GDH was natural enough, for the three deities hypostasized the same idea, namely, the good fortune divinely bestowed upon an individual and special to him and appearing in all aspects of his life, and the three were invoked as powerful, wise and noble gods, and were worshipped as patron deities of distinct persons
93 Keel, Corpus II, 354 mit Abb. 27. Abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details. php?bomid=27877. Letzter Aufruf: 17.01.2021. 94 Vgl. Leith, DJD XXIV, 114. Schroer/Lippke, Samaria-Bullen, 336, weisen auf vergleichbare Darstellungen aus Karthago (MDAI 141–142) und Daskyleion (DS 161 Pl. 423–425) hin. Der Typ ‚Eros‘ ist ebenfalls auf dem Skaraboid LHG 20 (Boston, publiziert bei Boardman, Greek Gems, Taf. 333) abgebildet. Dieser besitzt zudem geflügelte Füße, durch die seine Botenfunktion weiter betont wird. 95 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=27880. Letzter Aufruf: 17.01.2021. Vergleichsobjekte werden von Schroer/Lippke, Samaria-Bullen, 337, ausgewiesen. Vgl. weiter die Zusammenstellung bei Boardman, Greek Gems, 229–231. 96 Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/details.php?bomid=27822. Letzter Aufruf: 17.01.2021. Abgebildet bei Lapp/Lapp, Discoveries, pl. 62. 97 Keel, Corpus II, 358 mit Abb. 33. Dauerhaft abrufbar unter http://www.bible-orient-museum.ch/ bodo/details.php?bomid=16838. Letzter Aufruf: 17.01.2021. Abgebildet bei Lapp/Lapp, Discoveries, pl. 63. Vergleichbare Darstellungen finden sich bei Boardman, Greek Gems, Taf. 639, und bei Naville, Monnaises, 66 Abb. 156. 98 Vgl. Leith, DJD XXIV, 137; Keel, Corpus II, 358f. mit Abb. 33. 99 Leith, DJD XXIV, 137. 100 Vgl. Leith, DJD XXIV, 115f.140. 101 So schon Rathgeber, Nike, 48. Zur Fortentwicklung des Verhältnisses von Tyche und Nike in parthischer Zeit vgl. Ellerbrock, Religiöse Ikonographie.
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and the source of their welfare and achievements. Now, in Post-Alexander periods the Greek Tyche (or a divinity similar to her, such as Nike) assumed the position and function within in Achaemenid contexts belonged to the human winged symbol, appearing above Iranian princes and bestowing the attribute of royalty (a wreath or diadem upon them). This means that the Achaemenid winged human figure and Tyche both represented the same divinity, namely, the Farnah ‚Fortune‘, and it explains why in Post-Achaemenid period we seldom meet the winged figure so popular in earlier times.“102
Mit der Verbindung persischer und griechischer Motive auf den Siegelabdrucken aus Wadi ed-Dalije wird ein fließender Übergang zwischen den Traditionen sichtbar, der sich auf die Vorstellungswelt auch in Israel auswirkt.103 Dabei ist die Lokalisierung der Götter im kosmischen Himmel wesentlich. Bereits Hesiod, Theogonie 71 beschreibt Zeus als ὃ δ᾽οὐρανῷ ἐμβασιλεύει (‚der, der im Himmel herrscht‘). Platon nennt Zeus in Phaedros 246e μέγας ἡγεμὼν ἐν οὐρανῷ Ζεύς (‚Zeus, der große Herrscher im Himmel‘). „Cleanthes’ stoic ‚Hymn to Zeus‘ spoke about the δαῖμον without whom not a single deed takes place on earth nor in ‚the divine ethereal vault of heaven‘ (SVF 1,537 [3], 1. 15–16: κατ᾽ αἰθέριον θεῖον πόλον).“104 Ihren Ursprung in der griechischen Tradition nimmt schließlich auch die im 3. Jh. v. Chr. von Menippos von Gadara (Umm Quais, Ostjordanland) verfasste Erzählung Ikaromenippos oder die Luftreise, die von Lukian überliefert wird.105 Die in ihr geschilderte vertikale Bewegung verdeutlicht nochmals, dass unter dem griechischen Einfluss mit οὐρανός (‚Himmel‘) die Region oberhalb der Atmosphäre und nicht eine Tempelsphäre gemeint ist.
102 Shabazi, Achaemenid Symbol II, 135. Die Kenntnis einer Gottheit GDH setzt Shabazi für Jes 65,11 (‚ גדדGeschick/Schicksal‘) voraus. „Indeed, the worship of gdh became popular before the return of the exiles. It follows, therefore, that the adoration of Farnah also was performed upon roofs and involved tables heaped with food and other necessaries“ (Shabazi, Achaemenid Symbol II, 135). 103 Die in Wadi ed-Dalije aufgefundenen Siegelabdrücke sind in Keel, Corpus II, 340–379, gesammelt und annotiert. Vgl. vor allem die Objekte Nr. 6–26, 31 und 37, die Menschen in unterschiedlichen Perspektiven zeigen. 104 Beyerle, God of Heaven, 30f. 105 Übersetzung in Lukian, Werke, 115.
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Die auf resp. in den erwähnten Zeugnissen dargestellten geflügelten Menschen106 und Tiere sowie die mit ihnen verbundenen Mythen symbolisieren demnach die Verbindung des kosmischen Himmels mit der Biosphäre, indem diese Wesen die Atmosphäre als Transitzone besiedeln.107 „Finally […] there is evidence here on an early set of wings added to the cultural crucible that transformed mal’akîm (biblical ‚messengers‘) into angels.“108 Trotz Handelsbeziehungen zwischen Griechenland und Palästina bereits in den frühen Zeiten, wird die von griechischen Traditionen beeinflusste Motivwelt erst ab der späten persischen Zeit in Palästina sichtbar.109 Dieser Einfluss ist in der Fortentwicklung der Bildwelt in persischer Zeit erkennbar. Während in der frühen Phase geflügelte theriomorphe Genien vielfach belegt sind, finden sich bis zum Eindringen griechischer Motive jedoch nur wenige geflügelte menschliche Wesen. Ein auf Tel Gamma gefundenes Hammer- bzw. Faustsiegel (J. 990, vermutlich EZ IIB) bildet eine der wenigen Ausnahmen. Es zeigt eine menschliche Gestalt, die „ein knielanges Kleid und im Gürtel ein schräg nach hinten gerichtetes Schwert“110 trägt. Ein vierflügeliger, anthropomorpher Genius, der ein knöchellanges Kleid
106 Geflügelte, menschengestaltige Wesen erscheinen auch schon in früherer Zeit, vor allem in der syro-mitannischen Glytptik der Mitte des 2. Jt.s v. Chr.(vgl. BM 89783). Porada, SiegelzylinderAbrollung, 134f., deutet sie als Unterweltsgöttin mit herabhängenden Flügeln. Auf dem Rollsiegel VAT 9035 (Assur, 14. Jh. v. Chr.) hat die Göttin die Arme von Dämonen gefasst, „offensichtlich, um sie zurückzuhalten. Die Funktion dieser Göttin ist hierbei bildlich ausgedrückt: sie wehrt die Todesgefahr ab, über die sie Herrin ist“ (Porada, Siegelzylinder-Abrollung, 137). Als solche identifiziert Porada sie mit der Göttin Ištar, die sich zwischen Unterwelt und Biosphäre bewegen kann. 107 Unter den aus Wadi ed-Dalije bezeugten Siegelabdrucken sind neben den oben besprochenen Hybridwesen auch geflügelte Tiere belegt, so ein Wildschwein (Keel, Corpus II, 361 Abb. 38) sowie zwei Pferde (Keel, Corpus II, 367, Abb. 48). 108 Leith, DJD XXIV, 116. 109 Vgl. Stern, Israel, 53: „In the Persian period imported ware streamed into Palestine from East Greece (mainly Rhodos), Cyprus and especially Athens, according to which of the various areas of Greece dominated the international trade at the time. At the end of the seventh and the sixth century B.C., the East-Greek and Cypriot wares were predominant in Palestine.“ Jedoch schränkt Wenning, Einfluss, 56, ein: „Im Moment scheint mir der archäologische Befund nur zu belegen, dass griechische Produkte ins Land kamen, dass man sich in phönizischen Werkstätten mit Griechen austauschte, aber Elemente eines Vorhellenismus in dem Sinne, dass griechische Lebensweise oder auch nur griechische Produkte als vorbildhaft angenommen wurden, suche ich in Palästina noch vergebens. Sieht man von der Keramik ab, bleiben die wenigen griechischen Importe in Palästina isoliert und waren nicht kulturprägend. Was für Sidon gelten mag, scheint nicht übertragbar auf andere Städte und Regionen. Zudem sublimierte der starke phönizische Einfluss auch das, was an Waren und Kontakten aus Griechenland herüberkam. Griechen mögen längst an phönizischer Kultur partizipiert und sie mitgestaltet haben, was allenfalls einen gräzisierenden Phönizismus, aber keinen Hellenismus beschreibt.“ 110 Keel, Corpus IV, 44 mit Abb. 99.
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trägt ein knöchellanges Kleid trägt, ist auf einem Stempelsiegel von Tell el-Fara Süd (ohne Sammlungsnummer) eingraviert. Der Fundkontext des Siegels weist von der EZ IIC bis in die Perserzeit, das Siegel wird in die EZ IIB-C datiert.111 Eine wiederum zweiflügelige, anthropomorphe Gestalt wird auf einem Stempelsiegel aus Bet Šemeš (Tel Ğemme) dargestellt (IAA J. 237, EZ IIB), nur dass diese Person schreitet.112 Dasselbe Motiv findet sich auf dem Stempelsiegel IAA I.1067, das auf Tell el-Fara Süd gefunden wurde, allerdings in einer schematischen Darstellung.113 Keel verweist darauf, dass in der frühen Eisenzeit Baal-Seth in dieser Form abgebildet wird. Er erscheint in der EZ IIB eigentlich vierflügelig,114 jedoch finden sich keine anderen Vergleichsobjekte in der judäischen Ikonographie. Die geringe und sehr disparate Bezeugung geflügelter Genien zeigt, dass die Vorstellung einer ‚Belebung der Atmosphäre‘ hier noch nicht in der Perspektive der Künstler*innen zu liegen scheint. Dies ändert sich dann erst mit den oben erwähnten, in Wadi ed-Dalije gefundenen Siegelabdrucken, die geflügelte menschliche Wesen im griechischen Stil aufweisen. Diese Bilder konnten an Vorstellungen anschließen, die Leser*innen anhand von Jes 6 und Ez 1; 10 sowie an Texten gewinnen, in denen Boten Gottes erwähnt werden. „As post-exilic Jewish factions, for a variety of theological reasons, made new use of the ancient imagery of YHWH’s divine court, the heavenly population exploded, as it were, with new messengers and extra-terrestrial intermediaries.“115
Während in den alttestamentlichen Schriften Boten Gottes nicht explizit als geflügelt beschrieben werden, ihre Darstellung eine solche Vorstellung jedoch auch nicht unterbindet, werden in den apokalyptischen Texten der hellenistischen Zeit zumindest Landtiere mit Flügeln erwähnt (vgl. Dan 7,2–8). Geflügelte Keruben116 und Seraphen werden in der weiteren Literatur dieser Epoche als Wesen des göttlichen Thronrates verstanden, die JHWH Ehre erweisen.117 Dies wird in 11Q17
111 112 113 114 115 116
Abgebildet in Keel, Corpus III, 198 mit Abb. 397. Keel, Corpus II, 298 mit Abb. 188. Keel, Corpus III, 130 mit Abb. 238. Vgl. Keel, Corpus IV, 44. Leith, DJD XXIV, 140f. Erst im Targum Pseudo-Jonathan werden die Keruben als Wesen beschrieben, die sich zwischen der himmlischen und der irdischen Sphäre bewegen können, so dass sie als Boten JHWHs auftreten. Allein in Ez 1LXX werden die Keruben als Hermes ähnliche Wesen beschrieben. Dazu vgl. Wagner, Textüberlieferung. 117 Vgl. Wagner, Textüberlieferung, 183f.
Die Belebung der Atmosphäre
Z. 9–14 sichtbar. In diesem Text werden Ez 1, Jes 6 und Sach 6,1–7 so miteinander verbunden, dass ein Bild des Hofstaates entsteht. „Neben Ez 1 verwendet der Verfasser dieses Hymnus zwei weitere Texte, durch die die Funktion der חיותgedeutet wird. Zum einen erscheinen sie, hier Keruben genannt, als diejenigen, die Gott lobpreisen. Damit erinnern sie an die Seraphen aus Jes 6, die das Trishagion anstimmen. Außerdem greift der Verfasser auf die Vision von den vier Wagen, die mit den Winden des Himmels identifiziert werden, aus Sach 6,1–7 zurück. Er setzt das in Ez 1 geschaute Räderwerk ( )אופניםmit den Wagen, die Sacharja zu sehen bekommt, gleich und lässt die חיותzu Bestandteilen der רחותwerden. Diese Spiritualisierung der חיותzeigte sich bereits bei der Analyse von Ez 1,4LXX . Die Aufnahme von Sach 6,1–7 zeigt, dass die Wagen und Wesen als göttliche Boten dienen.“118
Wesentlich für die in Texten der hellenistischen Zeit beschriebenen Himmelsreisen ist der aus den אופניםgebildete Wagen, der dazu dient, die Seher in den Himmel zu transportieren. Dies wird in 1Hen 52,1 berichtet und schließt an die Anlehnung an Motive der griechischen Mythologie in spät-persischer Zeit an. Bezogen auf die in Wadi ed-Dalije gefundenen Siegel wird durch die Zeugnisse der späteren persischen Zeit deutlich, dass in der weiteren Traditionsbildung der aus dem hellenistischen Kulturraum stammende Gedanke eines Götterwagens, mit dem Wesen zwischen dem Himmel und der Erde hin und her reisen können, mit den hebräischen Überlieferungen durchaus in Einklang gebracht werden kann, so dass in der Rezeption der biblischen Texte in hellenistischer Zeit Beschreibungen über die himmlischen Gefilde entsteht. Die Entwicklungen der persischen Zeit mit der Transformation der Raumdeutung und den sich ausbildenden Vorstellungen vom אלהי השׁמיםund seinem ihm umgebenden צבא השׁמים, die zu einer Belebung der Atmosphäre führen, sind dafür grundlegend.
118 Wagner, Textüberlieferung, 183.
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9.
Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess
9.1
Die Raumdeutung der Königszeit und ihr kanaanäisches sowie mesopotamisches Erbe
Das den Texten der judäischen Königszeit vorausgesetzte Ordnungsmuster schließt motivisch an Vorstellungen an, die in Texten aus Kanaan, in der späteren Königszeit vermehrt in den Zeugnissen der mesopotamischen Großreiche belegt sind. Zu diesen gehören zuvorderst die Gliederung der Lebenswelt (Horizontale) in ein kosmisches Zentrum (Berg, Stadt) und die diese umgebende Peripherie, die sich bis zur Hemisphäre erstreckt. Als Hemisphäre werden in den mesopotamischen Kulturen die Berge gedeutet, an denen die Sonne aufgeht (östliche Hemisphäre) bzw. an denen sie untergeht (westliche Hemisphäre). Jenseits der Hemisphäre erstreckt sich das die Erde umgebende Wasser. Das Meer und die ihm innewohnenden chaotischen Mächte, die den Lebensraum der Menschen gefährden können, sind in der mesopotamischen Kultur vor allem als Flut aus Norden oder Süden bekannt. Hier drohten Überschwemmungen in wasserreichen Monaten vor allem durch Euphrat und Tigris sowie ganzjährig durch den Persischen Golf. Von diesen Sturmfluten waren die südlichen Regionen Mesopotamiens betroffen. Anders als die mesopotamische kennt die kanaanäische Kultur eine Ausrichtung nach Norden, da in diesen Gebieten der Götterberg gelegen ist. Dieser stellt wie in der mesopotamischen Kultur später die Tempelbezirke in Nippur, Babylon und Assur eine axis mundi und damit das kosmische Zentrum dar. Mit dem Tempel(berg) wird das Thronen der höchsten Gottheit verbunden, deren Wohnort auf dem Berg bzw. im auf dem Berg existierenden Heiligtum angesiedelt ist. Stellt in der kanaanäischen Tradition der Berg den Thron dar, werden in den mesopotamischen Kulturen über dem ‚Urhügel‘ (du6 .ku) Tempel errichtet, die ihrerseits als Berg dienen und als solcher die kosmische Achse bilden.1 Die judäischen Verfasser*innen lehnten sich in den Frühphasen der Traditionsbildung an die Vorstellung eines kosmischen Zentrums und einer auf dieses bezogenen Raumstruktur an. „Israelite thought was not in diametric proposition to the ancient Near East; rather, it drew heavily upon existing thought forms to create a new synthesis. While almost any aspect of Israelite or Jewish faith may be found in the ancient world, it is the overall synthesis of
1 Vgl. die Bezeichnung des Tempels Ḫur.sag.an.ki (‚Berg von Himmel und Erde‘) in Nippur.
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Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess
these elements and particular emphases given to certain aspects of thought that makes the biblical worldview an evolutionary advance over the beliefs found in its contemporary world.“2
Die in Palästina/Israel lebenden Schriftsteller*innen orientierten sich dabei zunächst an kanaanäischen Traditionen. Das Meer mit seinen Inseln bildet die äußere Hemisphäre; der Berg bzw. die Berge werden hingegen mit dem Zentrum verbunden. Ihre Basis setzt in der Unterwelt an und sie reichen bis in den kosmischen Himmel. So ist das Thronen JHWHs auf der ‚Urflut‘ ein Ausdruck dieser Raumdeutung (Ps 29,10). Damit stellen sie eine vertikale Achse im kosmischen Zentrum dar, durch die die drei Räume ‚Unterwelt – Biosphäre – Himmel‘ miteinander verbunden sind. Teil des Tempels ist der ‚Urhügel‘ (du6 .ku),3 auf dem ein Tempel aufsetzt, durch den der ‚Urhügel‘ bis in den Himmel verlängert. Bildet der ‚Urhügel‘ zunächst eine Erhebung aus „den vorzeitlichen Urwassern, so glaubte man, habe sich zu Anbeginn der Welt der Urhügel, eben jener ‚heilige Hügel‘, erhoben, und aus ihm sei wie aus einer Keimzelle alles Weitere entstanden“4 . Die Einbindung dieser Vorstellung in die Konstruktion des kosmischen Gebäudes führte dazu, dass der ‚Urhügel‘ zu einem Teil der vertikalen Achse wurde und im Tempel eine Ausdehnung bis in den Himmel erhält. Eine solche Verbindung von Berg- und Tempeltradition ist in der Jerusalemer Kulttradition in der Königszeit zu beobachten. Wie in der frühen Forschung zum Thema zuvorderst Metzger an Ps 48 zeigen konnte, wurde der Zion und mit ihm der auf ihm stehende Tempel als Thronsitz JHWHs gedeutet. Darauf verweist dann auch Jes 6, wie Hartenstein in seiner Studie zum Text expliziert. Im 8. Jh. v. Chr. setzt mit der Präsenz der Assyrer in Palästina/Israel eine stärkere Adaption mesopotamischer Traditionen ein. Hartenstein zeigt, dass die Vorstellung eines sich in der Vertikalen erstreckenden Heiligtums die Tradition einer axis mundi nicht wie im Kanaanäischen mit dem Gottesberg, sondern den mesopotamischen Vorstellungen entsprechend mit dem Heiligtum verbunden ist. Zwar weisen Ps 46; 48 darauf hin, dass der aus der nordwestsemitischen Welt entlehnte Gedanke eines Götterberges (‚Zaphon‘), der als Thronsitz der höchsten Gottheit angesehen wird, weiter verwendet und auf den Zion übertragen wird, doch erfolgte dies im Wissen, dass der Zion nicht die höchste Erhebung in Jerusalem sowie im sichtbaren Umfeld ist. Erst zusammen mit dem Tempel, der der mesopotamischen Tradition entsprechend als Verlängerung des Berges bis in den Himmel angesehen wird, ergibt sich eine vertikale Achse, durch die die Gründung der Erde in der Unterwelt, die Biosphäre und der kosmische Himmel verbunden sind.
2 Gnuse, Gods, 229. 3 Vgl. Hruška, Heiliger Hügel. 4 Maul, Schöpfungsmythen, 47.
Die Raumdeutung der Königszeit und ihr kanaanäisches sowie mesopotamisches Erbe
Hartensteins Deutung des Jerusalemer Tempels nimmt mit dem Gedanken einer ‚hintergründigen Thronsphäre‘ eine weitere mesopotamische Vorstellung auf, die auf der Verbindung von Orthogonalität und Sphäre basiert und die die Halbkugel als grundlegende geometrische Figur annimmt. In dieser geometrischen Konstruktion existieren mehrere Realitäten simultan in einem Raum. Der von Hartenstein verwendete Begriff ‚hintergründig‘ impliziert eine räumliche Trennung des vordergründig Sichtbaren und des hinter diesem Liegenden. Bachmann zeigt in seiner Analyse jedoch auf, dass die Simultaneität der Realitäten eben keine räumliche Anordnung meint. Vielmehr ist zwischen der Vorstellung einer Wahrnehmbarkeit und einer Nicht-Wahrnehmbarkeit zu differenzieren. Damit erklärt Bachmann nicht nur, warum Tempel als Orte einer zweifachen Realität verstanden wurden, sondern auch, warum in prophetischen Visionen das Faktum der Schau oder des Hörens derart hervorgehoben wird. Die Betonung der sinnlichen Wahrnehmung deutet auf eine grundsätzliche Nicht-Wahrnehmbarkeit der göttlichen Realität für den Menschen hin, die für Propheten temporär überwunden werden kann. Die Visionen und Auditionen der judäischen Propheten bis zur Transformation des Raumverständnisses sind Zeugnisse einer Überwindung der Beschränkung menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit auf die Realität, in die der Mensch von Gott hinein geschaffen wurde. Die Simultaneität von Realitäten wird in der Hebräischen Bibel in Bezug auf das Raumkonzept des Tempels sichtbar. In der Königszeit wird das Himmlische als im Tempel simultan mit dem Irdischen Vorhandene verstanden, sodass Tempelbesucher mit beiden Realitäten in Kontakt kommen. Sichtbar wird die himmlische Realität für den Betrachter durch die Kultsymbolik, die auf sie verweist. Innerhalb des Jerusalemer Kultes deuten die Keruben, auf denen JHWH nach 1Kön 8,12 im Dunkeln thront, sowie die in die Wände eingravierte Schöpfungssymbolik auf diese göttliche Realität hin. Diese Symbolik wird in Ez 1 derart transformiert, dass Kerubenthron und Wolkendunkel vom Tempel losgelöst in der Diaspora erscheinen. Zur Darstellung einer immanenten göttlichen Sphäre greifen die Verfasser*innen, wie Hartenstein und Koch vermuten, auf Motive eines kosmischen Himmels zurück, die in AO 8196 Z. 20–225 sowie in KAR 307 Z. 30–38 bezeugt sind. Dort findet sich die Vorstellung eines dreischichtigen Himmels. Hartenstein und Koch verstehen die in Ez 1 beschriebene Thronsphäre JHWHs im Stile des ‚mittleren Himmels‘ (šamû qablûtu), die Platte, auf der der Thron steht, als ‚unteren Himmel‘ (šamû šaplûtu). Das in einem Text der babylonischen Zeit verwendete Motiv ist in
5 Zum Text vgl. Horowitz, Cosmic Geography, 152: „According to the lists for heavens in KAR 307 and AO 8196, the level of the stars and constellations is the lowest of the three heavens. The sun, moon, and planets are not considered in the lists, but they too almost certainly belong to his level, because they cannot be placed in the Heaven of Anu or the Heaven of the Igigi and Bel’s cella. Thus all astronomical activity presumably takes place in the lowest heavens.“
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Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess
Mesopotamien jedoch nur in assyrischen Texten bezeugt, so dass, sollte Ezechiel darauf anspielen, wohl ein Erbe neuassyrischer Herrschaft über Palästina/Israel sichtbar wird. Da zumindest AO 8196 aus dem Umfeld von Texten stammt, die sich mit Phänomenen des Sternenhimmels beschäftigen, KAR 307 dann als Kommentartext zur assyrischen Fassung von Enūma eliš verfasst wurde, in dem die Ausgestaltung des Sternenhimmels auf Marduk resp. in der assyrischen Fassung auf Aššur zurückgeführt wird,6 zielt die Tradition weniger auf eine Beschreibung des kosmischen Himmels als vielmehr auf eine Darstellung des gesamten Kosmos. Als ein solches Konstrukt erscheint dann auch die in KAR 307 Z. 30–38 bezeugte erweiterte Fassung, in der auch die obere, mittlere und untere Erde beschrieben werden. Ez 1 lehnt sich an diese Tradition an, verwendet sie aber, um ein atmosphärisches Phänomen darzustellen. Ein Übergang zur Vorstellung eines kosmischen Himmels ist darin, wie Koch festhält, nicht zu erkennen. Mit der Übernahme und Transformation von Enūma eliš in eine assyrische Fassung, die dann von KAR 307 kommentiert wird, ist die Vorstellung vom kosmischen Himmel für die mesopotamische Raumdeutung des ausgehenden 2. Jt.s und des 1. Jt.s v. Chr. auch für das neuassyrische Reich belegt. Durch die antibabylonische Politik der Sargoniden, die sich in der Verwerfung Marduks zu einer Unterweltsgottheit und der Übernahme seiner Rolle innerhalb des babylonischen Mythos 6 Zur assyrischen Fassung von Enūma eliš vgl. Kämmerer/Metzler, Weltschöpfungsepos, 28f.: „Vermutlich geht die Version auf die sogenannte Reformation der Theologie Aššurs unter Sanherib zurück, der aufbauend auf bereits vorhandene Tendenzen Aššur immer weiter in den Vordergrund rückte und ihn intensiver als zuvor und als andere Götter, auch als Marduk, als alleinigen Herrscher und als Alleinigen inszenierte; alleinig in dem Sinne, daß er leichter als andere Götter auf Genealogie und mythologische Erzählungen verzichten konnte, nicht im Sinne eines monotheistischen Gottes, sondern als höchster Gott, Gott, der sui generis Herrscher über alle andere Götter und über alles sonstige ist und der der Schicksalsentscheider ist. Im Zusammenhang mit dieser Reform akzentuierte er das Akītu-Fest von Aššur in Assur neu und integrierte Elemente des babylonischen Akītu-Festes v. a. den Kampf gegen Tiamtu, den nun Aššur führt – wobei allerdings das für den babylonischen Raum und das Epos Enūma eliš zentrale Mythologem der sich im an den Kampf anschließenden Schöpfung von Himmel und Erde aus der Leiche Tiamtus vermutlich ausgeblendet wurde. In diesem Kontext einer partiellen, fragmentarischen Übernahme babylonischer Elemente in den assyrischen Raum dürfte auch das Epos Enūma eliš auf Aššur umgeschrieben worden sein.“ Weiter dazu vgl. Frahm, Sanherib-Inschriften, 285: „Mit dem manipulierten Enūma eliš schuf sich Sanherib das theologische Fundament für seine Reform. Gleichzeitig machte er sich an die Herstellung des baulichen Rahmens, der erforderlich war, um in Assur dem babylonischen Akitu-Fest nachempfundene Feierlichkeiten abhalten zu können. Dabei wurde die Kulttopographie Babylons kopiert. Den offensichtlichsten Akt der Nachahmung stellte der Bau des vor der Stadt gelegenen Festhauses dar, das den Mittelpunkt der auf Assur zugeschnittenen Akitu-Feier bilden sollte.“ Die Verdrängung Marduks gelang jedoch nicht dauerhaft, worauf von Soden, Übernahme, 179, hinweist: „Die Stellung Marduks unter den Göttern, die in Assyrien wirklich angerufen und verehrt wurden, war viel zu stark, als daß ein Sanherib sie ernstlich hätte erschüttern können.“ Zur Übertragung der Charakteristika Marduks auf Aššur vgl. Frahm, Sanherib, 114–117.
Die Raumdeutung der Königszeit und ihr kanaanäisches sowie mesopotamisches Erbe
durch Aššur äußert, nähern sich die assyrischen Residenzstädte dem babylonischen Raumkonzept an, ohne diesem baulich zu entsprechen. Die Verortung von Tempelund Palastbezirk jeweils im Norden der Stadt wird trotz allem mit der Vorstellung vom kosmischen Zentrum und der dieses umgebenden Peripherie verbunden. Auf die Ausbildung der judäischen Tradition hat dieser Prozess nur dahingehend eine Auswirkung, als dass die genannten Motive aus den assyrischen Kommentartexten in Ez 1 verwendet und transformiert werden. Innerhalb der Forschung wurde wiederholt darauf rekurriert, dass die priesterschriftliche Kosmogonie auf dem babylonischen Schöpfungsmythos aufbauen würde und dazu dient, babylonische Gottheiten zu depotenzieren. Dieses wurde mit der Beschreibung von Sonne und Mond als ‚Lampen‘ begründet, da die priesterlichen Autor*innen offensichtlich die Erwähnung von Götternamen an dieser Stelle vermeiden wollen. Die vorliegende Analyse von Gen 1 kann zwar die Vermeidung von Götternamen, die auf der Levante auch bereits vor dem Exil bekannt waren, im priesterschriftlichen Text bestätigen, kann aber keine weitere Aufnahme des babylonischen Schöpfungsmythos durch Gen 1 erkennen. Allein die Tatsache, dass das Chaos mit der Urflut verbunden wird, erscheint identisch, doch wird diese in Gen 1 nicht personifiziert. Enūma eliš ist anders als andere Texte der altorientalischen Umwelt durch eine Personifikation von kosmischen Räumen gekennzeichnet. Die Platzierung der Gestirne am Himmel, die in Ee V der Herrschaft Marduks über die Biosphäre und den unteren Himmel unterstellt sind, besitzt in Gen 1 allein die Funktion der Zeitmessung. Ließe sich diese Veränderung noch als eine ‚cultural translation‘ verstehen, so ist der in Enūma eliš sowie in Gen 1 geäußerte Herrschaftsanspruch bzw. -auftrag derart unterschiedlicher Natur, dass kaum mehr an eine Textaufnahme und Transformation zu denken ist. Während Marduk als Götterkönig in Enūma eliš die Macht über die Biosphäre erhält, wird der Mensch in Gen 1 beauftragt, diesen seinen Lebensraum zu beherrschen. Die priesterschriftlichen Verfasser*innen nehmen dazu auf die assyrische Königsideologie Bezug, sodass Gen 1 eher auf Einflüsse assyrischer Vorstellungen wie z. B. der Sternenlehre, wie sie in mul.apin bezeugt und in Enūma Anu Enlil aufgenommen ist, als auf eine Rezeption von Enūma eliš zurückzuführen ist.7 Deutlicher sind Bezüge zu der in Enūma eliš bezeugten Marduk-Tradition in Jes 40–55 zu erkennen. JHWH wird in diesem Buchabschnitt im Stile Marduks als Schöpfer von Himmel und Erde bezeichnet. Zudem wird sein Königtum postuliert
7 Vgl. die Zusammenstellung von Omina und ‚Astrolabs‘ in SAA VIII. Teil dieser Entwicklung ist auch das Kompendium mul.apin, „in dem man sowohl die regelmäßigen Vorgänge im astralen Bereich aufgezeichnet findet, zugleich aber auch die Sternbilder den Göttern des Pantheons zugeordnet werden“ (Albani, Gott, 62). Der Form nach stellt bereits Enūma Anu Enlil bereits ein Kompendium von ‚Astrolabs‘ und Omen-Serie dar. Vgl. Rochberg, Heavenly Writing, 219–236, Horowitz, Comic Geography, 175, und Brown, Astral Divination, 76–82; Text publiziert bei Hunger/Pingree, mul.apin.
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(Jes 52,7–10). Anders als in Enūma eliš wird in Jes 40–55 jedoch kein Epos erzählt, in dem sich JHWH in einem Götterkampf gegen andere Götter durchsetzt. Eine Negation anderer Götter sowie das Postulat des wahren Gottseins heben die Botschaft Deuterojesajas wesentlich von Enūma eliš ab. Das Alleinstellungsmerkmal JHWHs als Schöpfer und damit die ontologische Trennung von Gott und Götzen kann kaum mit den in Ee VII dargestellten Gleichsetzungen Marduks in Einklang gebracht werden. Zieht Marduk Funktionen anderer Gottheiten auf sich, werden die anderen Götter in Jes 40–55 als ‚Nichtse‘ bezeichnet, so dass sie trotz der ihnen zugewiesenen Funktionen keine Wirkung auf die Biosphäre ausüben können. Auch für Jes 40–55 stellt sich daher die Frage, ob die rezipierten Vorstellungen eher als eine bewusste Absetzung vom Marduk-Kult im Stile der Förderung des Sîn-Kults in der Zeit Nabonids und weniger als Überbietung zu verstehen sind. Dies gilt nicht nur für die Art und Weise, in der die Schöpfung in Jes 45,9 als Werk eines Töpfers dargestellt wird, darauf weisen auch die Rezeptionen anderer mesopotamischer Vorstellungen hin. Die Verfasser*innen von Jes 40–55 greifen zur Beschreibung der Rückkehr JHWHs wiederholt auf das Motiv der Erleuchtung der Biosphäre durch den Strahlenglanz einer Gottheit zurück. Werden in den neuassyrischen Inschriften melammu, puluḫtu und namriru als Glanzphänomene benannt, mit denen die assyrischen Herrscher ihre Feinde besiegen, wird in Jes 40,1–5 vom Wiedererscheinen des כבודJHWHs berichtet, durch den ‚Licht‘ in die ‚Dunkelheit‘ des Exils gebracht wird. Laut Ehring wird in Jes 40,1–5 eine aus der Zeit Nabonids bekannte Vorstellung genutzt, um die Rückkehr JHWHs zu seinem Volk zu beschreiben. In der Adad-guppi-Stele wird von der Rückkehr Sîns zur Neuerrichtung seines Heiligtums in Harran berichtet. Jes 40,1–5 baut auf der Vorstellung des Rückzugs einer Gottheit in den kosmischen Himmel und seiner Rückkehr in die Biosphäre auf und bezieht diese auf das Verhältnis JHWHs zu seinem Volk in Exilszeiten. Verbunden ist diese Tradition mit einer Hell-Dunkel-Polarität. Diese wird von neuassyrischen Königen wiederholt genutzt, um Feldzüge gegen Regionen jenseits der assyrischen Oikumene zu beschreiben. Durch den dem König von Aššur verliehenen Glanz werden diese Regionen erleuchtet und damit als Teil seines Herrschaftsbereichs gekennzeichnet. Die Verfasser*innen von Jes 40–55 nehmen dieses Motiv auf und deuten es dahingehend, dass Jerusalem als dunkler Ort beschrieben wird, der durch die Rückkehr JHWHs wieder erleuchtet wird. Durch die Präsenz JHWHs in Jerusalem, die in Jes 52,7–10 als Errichtung seiner Königsherrschaft beschrieben wird, wird Zion zum kosmischen Zentrum. Mit der Verlagerung des Zentrums geht dann in der weiteren Fortschreibung eine Verdunkelung Babylons einher, so dass dieser Ort nun Teil der Hemisphäre ist. Zur Hemisphäre gehören dann die ‚Inseln‘ und damit die Regionen, die aus judäischer Perspektive am Rand der Biosphäre liegen. Sie werden durch den von JHWH ausgesendeten Knecht erleuchtet, die Botschaft der Rückkehr JHWHs nach Jerusalem wird auch dort verkündet. Zugleich wird mit der Transformati-
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on der Steppe/Wüste in Jes 40–55 der Lebensraum Israels ausgedehnt, so dass die aus der altorientalischen Umwelt übernommene Zentrumsmetaphorik in eine Hell-Dunkel-Polarität überführt wird. Soweit sich das vom Zion ausgehende Licht erstreckt, ist der Lebensraum des Volkes ausgedehnt. Die sich mit der persischen Machtübernahme über Babylon 539 v. Chr. und der Organisation der Satrapie Transeuphrat einsetzende tolerante Religionspolitik, in deren Rahmen es möglich wurde, lokale Heiligtümer zu gründen, ohne dass die Großmacht intervenierte, führte auch in Jerusalem zur Tempelgründung, d. h. zum Wiederaufbau des JHWH-Heiligtums auf dem Zion. Fest mit dieser Tradition verbunden ist ein göttlicher Auftrag, den Tempel zu errichten, wie er in Ez 40–43 sowie in Sach 1 geäußert wird. Ez 40–43 baut dabei auf Vorstellungen über die räumliche Struktur des Tempels auf, wie sie auch in den Esaglia-Dokumenten belegt sind. In diesen werden die Maße von Vorhöfen und Tempelgebäuden genannt, die mit denen in Ez 40–43 (zweidimensionale Ausdehnung) gegen die Beschreibung des salomonischen Tempelkomplexes in 1Kön 6 übereinstimmen. Allein die Ausgestaltung des inneren Tempels, d. h. des Allerheiligsten und der dieses umgebenden Gebäudekomplexe mit Räumen für die Priester, nimmt auf 1Kön 6,5f. Bezug. Diese Aufnahme ist nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch von Interesse, lässt sich an ihr erkennen, wie überkommene Vorstellungen der Königszeit mit Motiven aus der Umwelt Israels verbunden werden. Von seiner Sprachgestalt her schließt Ez 41,5–7 an den für die Visionen Ezechiels typischen fragmentarischen Stil an, in dem Satzteile partiell unverbunden nebeneinander stehen und damit der Eindruck geweckt wird, der Prophet würde temporär Geschautes äußern, ohne den Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen ergreifen zu können. Dabei nehmen die Verfasser*innen tradierte Vorstellungen auf. In diesem Fall ist der Tempelbaubericht 1Kön 6 grundlegend. Dieser wird dahingehend verändert, als dass ein die mesopotamischen Tempeltradition prägendes Element aufgenommen und integriert wird. Wird der das Allerheiligste umgebende Gebäudekomplex in 1Kön 6,5f. als sich nach oben hin verjüngend dargestellt, erscheint er in Ez 41,5–7 als auf dem Kopf stehend. Betrachtet man auf diese Weise das als Kubus angelegte Allerheiligste und den dieses direkt umgebenden Komplex, so erscheint dieser als eine umgedrehte Zikkurat. Auf diese Weise fließen tradierte judäische Vorstellungen mit zeitgeschichtlich relevanten mesopotamischen Traditionen zusammen. So werden überkommene Traditionen der judäischen Königszeit aktualisiert, die für die Volksgemeinschaft identitätsstiftend sind. Eine solche Adaption von Traditionen ist dann auch in den hebräischen Schriften der persischen Zeit an unterschiedlichen Stellen zu beobachten.
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9.2
Adaptionen judäischer Traditionen der Königszeit
Die Rückkehr nach Jerusalem, die in Jes 40–55 sowie in Ez 40–48 und Sach 1–6 erwartet und mit dem Tempelwiederaufbau verbunden wird, schließt an die aus der Königszeit überkommene Tradition der Erwählung Zions durch JHWH an. In den Grundschichten der Psalmen Ps 46 und Ps 48 wird Zion in Anschluss an die Errettung nach der assyrischen Belagerung 703–701 v. Chr. im Stile des Zaphon als Götterberg stilisiert. Dieser Gedanke findet sich mit der Rekonstitution des Königtums JHWHs in Jes 52,7–10 und dem Wiederaufbau des kosmischen Zentrums in Jerusalem. Die Erfahrung der Errettung Jerusalems vor dem assyrischen Heer (Jes 36–39/ /2Kön 18–20) wird in nachexilischer Zeit aufgenommen und die Stadt wird als Ort von Völkerwallfahrt und Völkersturm als geschütztes Zentrum dargestellt. Ebenfalls mit dem Jerusalemer Heiligtum fest verbunden ist die in Dtn 12 bezeugte Vorstellung der Erwählung eines Ortes, an dem JHWH seinen Namen wohnen lässt. Wird diese Tradition in der Königszeit mit den Kultreformen unter den Königen Hiskija und Josia in der Form gedeutet, dass Jerusalem zunächst zum einzigen Kultort JHWHs, dann zum einzigen Heiligtum in Juda wird, verändert sich die Interpretation in der nachexilischen Zeit derart, dass verschiedene JHWH-Heiligtümer innerhalb und außerhalb der Provinz Jehud gegründet bzw. betrieben werden, die als lokale Manifestationen des im (kosmischen) Himmels angesiedelten JHWHs gelten. Spielt ‚( שׁםName‘) in Dtn 12* auf die Tradition von Namenskartuschen in Tempeln an, die verehrt werden, wird es im Nebeneinander verschiedener JHWH-Tempel als Epitheton einer lokalen Manifestation neben anderen verstanden. Die Rezeption des Dtn auch in Samaria deutet darauf hin, dass auch das JHWH-Heiligtum auf dem Garizim als ein Ort verstanden wird, an dem diese Manifestation präsent ist. Niehr weist in seinen Studien zum JHWHHeiligtum auf der Nilinsel Elephantine darauf hin, dass dort die Bezeichnung יהו ‚( אלהא ביב בירתאJHWH, der in der Festung Jeb [ist]‘) resp. יהו אלהא שכן יב ברתא (‚JHWH, der in der Festung Jeb wohnt‘) als lokale Manifestation zu verstehen ist. In den Elephantine-Papyri wird neben der als lokale Manifestation zu deutenden Bezeichnung eine weitere Benennung JHWHs verwendet, die sich auch innerhalb der hebräischen Schriften der nachexilischen Zeit findet. JHWH wird wiederholt אלה שׁמיםgenannt. Dieses Epitheton entstammt ursprünglich der in den Gebieten nördlich des Nordreiches Israel ab dem Beginn des 1. Jt.s v. Chr. bezeugten Verehrung Baalšamems, die sich von dort in den folgenden Jahrhunderten im Vorderen Orient verbreitete. 2Kön 17,24–41 berichtet von der Ansiedlung nordsyrischer Bevölkerung in Samaria zum Ende des 8. Jh.s v. Chr., so dass sich die Verehrung des Himmelsgottes auch dort findet. Da die auf Elephantine lebenden JHWH-Verehrer aus dem Nordreich Israel nach Ägypten kamen, ist mit einer Übernahme dieser Tradition zu rechnen, da auch die im Nordreich bekannten Gottheiten Bethel und Anat-Bethel in den Papyri von Elephantine belegt sind.
Adaptionen judäischer Traditionen der Königszeit
Direkt mit der Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels in frühnachexilischer Zeit wird eine Fortsetzung der David-Tradition verbunden. Wird in Ez 34 ein neuer Herrscher erwartet, der aus judäischem Hause stammen wird, überträgt Jes 45,1–7 die Herrschererwartung, die in Jes 9,1–6; 11,1–5 bereits geäußert wird, auf den Perserkönig Kyros II. Damit wird die Verheißung des ewigen Bestehens der davidischen Dynastie in 2Sam 7,16 aufgehoben. Stattdessen wird die Vorstellung vom göttlichen Königtum stärker in den Vordergrund gerückt, wie es in Jes 52,7–10 und in der Fortschreibung Jes 60,1–3 sowie in Ps 1f. betont wird. Der König wird zum irdischen Repräsentanten des im bzw. auf dem Himmel thronenden Gottkönigs (Jes 66,1–4) erhoben. Nach Jes 45,1–7 dienen Kyros’ Feldzüge dazu, die Macht JHWHs zu bezeugen und weltweit bekannt zu machen. Damit schließt Jes 45,1–7 nicht nur an die judäische Königstradition, sondern auch an die in den früheren literarischen Strata des Jesajabuches bezeugte Geschichtsmächtigkeit JHWHs an. In Jes 10,5–34 wird der assyrische König als Werkzeug JHWHs gedeutet, der sein Gericht ausführt. In der sog. Assur-Redaktion wird der Niedergang der assyrischen Herrschaft dann dahingehend gedeutet, dass die Hybris des assyrischen Königs zum Verfall seiner Macht führt. An die Verehrung JHWHs als ‚Himmelsgott‘ wird die Vorstellung eines den thronenden Gott umgebenden Hofstaates gebunden. Weisen Jes 6 und Ez 1 auf geflügelte Hybridwesen hin, die zur ‚hintergründigen Thronsphäre‘ im Heiligtum gehören, so übertragen Hi 1f.; Sach 3 und 1Kön 22,19–22 die Thronsphäre in ein himmlisches Heiligtum und nehmen an Ps 82 anschließend die ‚Göttersöhne‘ bzw. die ‚Söhne des Höchsten‘ als Thronrat an. Diese werden dann nicht mehr als Hybridwesen beschrieben, besitzen aber die Möglichkeit, sich zwischen dem kosmischen Himmel und der Biosphäre bewegen zu können. „Once the shift of attributes was made, the messengers could be seen as dissenting from and rebelling against Yahweh. The evils of the world could then be attributed ‚angels‘ who were in rebellion against God. A number of biblical passages, foremost among them Gn 6:1–4, could be brought into alignment with this interpretation and an entire mythological tradition developed concerning these ‚fallen angles.‘ The disobedient angels not only were seen as being in conflict with the will of Yahweh, but also became almost a mirrorimage of the divine realm. The ambiguous figure of the ‚adversary‘ in Job, Zechariah, and 1 Chronicles became the leader of angels in revolt and defiance against Yahweh. This ‚fallen‘ angel became the antithesis of Yahweh in heaven and the source of all evil, carried through his own gang of messengers (‚fallen angels‘), who became known generally as ‚demons‘.“8
8 Handy, Host, 166f.
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Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess
Mit der Verschiebung der Thronsphäre in das Himmlische setzt zugleich das Ende der visionären Prophetie ein. Wird dieses in Sach 13 damit begründet, dass Propheten Falschaussagen treffen, verändert sich Prophetie in der Folgezeit zur Schriftauslegung. „It is unclear whether this indicates a decline or cessation in the occurrence of prophecy after the reign of Artaxerxes I. or whether conditions for the recording of prophecy changed radically, perhaps correlating to the changing role of scribes within the society. Regardless of the reasons for the canon’s relative lack of prophets after the middle of the fifth century, there were other visions that gained currency within Yehud. These visions shared a character different from those offered by the prophets and participated in a notably different social reality. These apocalyptic visions gain in prominence through the Persian period and become substantial expressions of Yahwistic faith through the Hellenistic and Roman periods. Perhaps it is only the very beginnings of apocalyptic thought that appear in these Persian period texts, but the structure of apocalyptic takes hold in Persian Yehud, setting the standard forms for this type of expression in the following centuries.“9
Visionäre, die Einblick in die göttliche Thronsphäre nehmen können, treten im Anschluss vor allem in den Berichten über Himmelsreisen in der zwischentestamentlichen Literatur auf. Teil des göttlichen Thronrats ist nach Sach 3 nicht der Prophet, sondern der Hohepriester. Allerdings bleibt seine Gegenwart im Thronrat auf seine Reinigung beschränkt und wird nicht mit einer Botschaft verbunden. In den frühen Texten der persischen Zeit erscheint die Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels zunächst als Fortsetzung der mit Jerusalem verbundenen königszeitlichen JHWH-Verehrung, die auch seine Präsenz im Heiligtum umfasst, auch wenn sich in Jes 40–55; Ez 40–48 und Sach 1–6* Modifikationen aufweisen lassen, die den zeitgeschichtlichen Ereignissen geschuldet sind. Erst mit der Verlagerung des göttlichen Thronraums in den kosmischen Himmel werden die aus der Königszeit stammenden Vorstellungen überwunden. Die Redaktionsgeschichte von 1Kön 8 mit den Fortschreibungen des salomonischen Tempelweihgebets zeugen von diesem Prozess. Parallel zur Fortentwicklung dieser Tempeltradition entstand mit den P-Anteilen des Pentateuch ein weiterer Textcorpus, der Traditionen aus der Königszeit fortentwickelte. Dabei weisen die priesterschriftlichen
9 Berquist, Judaism, 178.
Adaptionen judäischer Traditionen der Königszeit
Texte auf eine sich auch raumkonstitutiv auswirkende Veränderung in der Deutung überkommener Vorstellungen hin. In den P-Texten des Pentateuch werden mit der Sintflut, dem Exodus, der Wüstenwanderung und der Gesetzesgabe am Sinai ältere nP-Traditionen aufgenommen und neu gedeutet. Dabei orientiert sich P an einer Zentrumsmetaphorik, verlagert Ägypten in die Hemisphäre und versteht die Wüste als das Zentrum, d. h. den das Lager der Israeliten umgebenden Raum. Die mit dem Aufenthalt am Sinai verbundene priesterschriftliche Heiligtumsgründungserzählung stellt einen zweiten Schritt innerhalb der von Gen 1 an berichteten Ausbildung der Biosphäre dar. Diese wird anders als in der Jerusalemer Tempeltradition nicht mehr nur vom kosmischen Zentrum her gedacht. In Gen 1 wird zunächst der Schöpfungsraum erstellt, der nach außen hin abgeschlossen ist. Als Transitzonen dienen allein die ‚Brunnen der Tiefe‘ und die ‚Fenster des Himmels‘, die jedoch nach der Schöpfung sowie nach der Flut dauerhaft verschlossen bleiben. Die Begründung des Zentrums wird nicht als Schöpfungsakt, sondern als ein Teil der Volksgeschichte verstanden. Diese findet in der Gründung des Heiligtums sowie in der Gabe des Gesetzes für die um die Stiftshütte lebende Gemeinschaft ihr Ziel. Die Ausgestaltung des Heiligtums lehnt sich an das Symbolsystem des Jerusalemer Tempels, wie es in 1Kön 6; 8 und Jes 6 sichtbar wird, an und entwickelt dieses fort. In der Transformation des Kultes, in dem die Erlangung von Sühne zum wesentlichen Faktor wird, wird vor allem die Vorstellung des Thronens JHWHs über den Keruben, das nach 1Sam 4,4 bereits mit dem Heiligtum in Silo verbunden war, so verändert, dass zwischen den Keruben mit der כפרתder Ort benannt wird, über dem JHWH zur Sühne des Volkes einmal im Jahr erscheint (Lev 16). Die Konzentration auf den Sühnekult schlägt sich in der Ausgestaltung des Gesetzes nieder. Im Gegensatz zu den älteren Gesetzescorpora steht die Regelung der Kultvorgänge im Fokus der Verfasser*innen. Der mit dem Sühnetag verbundene Ritus nimmt auf die Raumordnung Bezug. Der Bock für Azazel wird in die Steppe/Wüste außerhalb des Lagers gesendet. Unklar ist, was dort mit ihm geschieht. Ebenso werden Menschen oder Gegenstände mit Verunreinigung in die Peripherie an gesonderte Orte verbracht. Dabei gehen die Regelungen des Heiligkeitsgesetzes bereits vom Leben im Land aus. Dasselbe gilt auch für die Übertragung der Festregelungen, die die priesterlichen Autor*innen aus dem Festkalender Dtn 16 adaptierten. Bei der Übertragung nach Lev 23 werden diese nicht allein auf eine in Palästina/Israel lebende Gemeinschaft, sondern auch auf Diasporagemeinden bezogen, die die Festtage nicht am Heiligtum, sondern im Familienkreis verbringen können. Das Heiligkeitsgesetz ebenso wie die prophetische Tradition zeugen also insgesamt von einer sich an der Schrift orientierenden Gemeinschaft, die Traditionen adaptierte und in neue Lebensvollzüge übertrug.
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„To sum up, it may suffice to state for the present purposes that the complex of ideas and ideological issues expressed by and developed around the idea of exile provided the community of Yehud with general theology, self-understanding, and a theological agenda. Those were substantially different from those of monarchic Judah. It was Yehud, not monarchic Judah, that had the potential to ‚produce and consume‘ such books as those present today in the Hebrew Bible, and at the same time to construe itself theologically through this process.“10
9.3
Einfluss persischer Vorstellungen
Als ein wesentlicher Faktor auf das sich wandelnde Ordnungsmuster in persischer Zeit ist neben einer Übernahme altorientalischer Motive und einer Adaption von Traditionen der judäischen Königszeit der Einfluss persischer Vorstellungen auf die Verfasser*innen der hebräischen Schriften anzusehen. Dieser Prozess setzt bereits in der spätexilischen Zeit in Jes 45,1–7 ein. Die Übertagung des משׁיח-Titels auf den Achämeniden Kyros und seine Erwählung durch JHWH verbindet diesen nicht nur mit der königszeitlichen David-Tradition, sondern schließt zugleich an Vorstellungen an, die auch im Text des babylonischen Kyros-Zylinders verwendet werden. Der Gedanke einer Erwählung des Königs durch eine Gottheit ist ebenso in der persischen Königsideologie in den Inschriften ab Dareios I. präsent. Nachdem er sein Königtum sichern konnte, bezeichnet sich Dareios I. in der Behistun-Inschrift DB I 5 als vašnā Auramazdāha (‚Erwählter Ahura Mazdās‘). Wie in Jes 45,1–3 JHWH Kyros den Weg zur Herrschaft über die Völker ermöglicht, preist Dareios I. in DB I 13 Ahura Mazdā, ihm das Königreich geschenkt zu haben (xšaçam frābara). Seinen bildlichen Ausdruck findet die Begründung des persischen Weltreiches im Tributzug der Völker, der in der apadāna (‚Audienzhalle‘) in Persepolis abgebildet wird. Dabei werden nicht nur an den Wänden die friedlich heranziehenden Völker dargestellt; auch das Throngestell des persischen Großkönigs wird von Angehörigen der Völker getragen. Damit wird zum einen eine Multiethnizität innerhalb des Reiches, zum anderen die Loyalität gegenüber der großköniglichen Herrschaft symbolisiert. Ist es in den Inschriften und Bildwerken der Zeit Kyros’ II. nicht eindeutig, welcher Gottheit er sich zugehörig fühlt, besteht ab Dareios I. eine Verbindung zwischen dem im Zoroastrismus als höchste Gottheit verehrten Ahura Mazdā und dem Königshaus. Dies wird sowohl in der Behistun-Inschrift mit der Erwählung durch Ahura Mazdā als auch in der bildlichen Darstellung in den von Dareios I. in Perspepolis errichteten herrscherlichen Gebäuden sichtbar. Die Abbildung der
10 Ben Zvi, Yehud, 37f.
Einfluss persischer Vorstellungen
farnah/xvarenah (‚göttlichen Herrlichkeit‘) oberhalb des Bildes des Königs weist auf seine Yima-Gestaltigkeit hin, die ihn zur Herrschaft befähigt. In Yt. 19 wird Yima als erster König und zugleich als Idealbild des Königtums dargestellt, der über die sieben Erdteile sowie über alle in ihnen vorhandenen Lebewesen herrschte, bevor er der Lüge verfiel und das Königtum verlor. Die Übertragung der herrscherlichen Yima-Gestaltigkeit auf sein Reich führt zur Ausbreitung von ‚Freude und Wonne‘ unter den Völkern. Die mit der persischen Herrschaft verbundene Motivwelt wird in verschiedenen Texten der Fortschreibung des Jesajabuches aufgenommen. Die Ausbreitung von ‚( שׂשׂון ושׂמחהFreude und Wonne‘) wird in Jes 51,3 mit dem Wirken des Gottesknechts verbunden, wenn dieser als ‚ אור עמיםLicht von Völkern‘ die Botschaft von der Rückkehr JHWHs zu seinem Volk und zur Rekonstitution seines Gottkönigtums auf dem Zion verkündet. Im Sinne der persischen Königsinschriften drückt שׂשׂון ושׂמחהdie Ordnung der Schöpfung aus, durch die die Menschen in die Lage versetzt werden, ein materiell und vor äußeren negativen Einflüssen gesichertes Leben zu führen. Der Ertrag dieser Herrschaftsform wird dann im Tribut der Könige an den in Jerusalem thronenden Gottkönig sichtbar. Im Stile des in der Audienzhalle in Persepolis abgebildeten Tributzugs der Völker wird in der frühen Fortschreibung von Jes 40–52* in Jes 60 die Darbringung von materiell sehr hochwertigen Gaben vor JHWH durch alle Könige dargestellt. Mit ihrem Tributzug erkennen die Herrscher der Nationen das Großkönigtum JHWHs an und stellen sich freiwillig unter seine Herrschaft. Anders als es noch in assyrischer Zeit mit der Herrschaft JHWHs über die Geschichte und mit der Durchsetzung seines Gerichts an Israel durch fremdländische Machthaber betont wird, führt nicht die kriegerische Unterwerfung der Völker zur Konstituierung einer Oberherrschaft, sondern ihre freiwillige Anerkennung aufgrund der vom Großkönig geschaffenen guten Lebensbedingungen. Dieser das Reich kennzeichnende Friede wird auch in der ersten Vision des Sacharjabuches in Sach 1,7–15 betont. Nach der Vorstellung des Sacharjabuches kann dieser Friede erst nach dem Tempelwiederaufbau und der Rückkehr JHWHs zum Zion in der menschlichen Realität erlebt werden, obwohl er in der göttlichen Sphäre bereits existiert. An der Darstellung des Sacharjabuches wird deutlich, dass der Tempel als Ort simultan existierender Realitäten gedacht wird und es durch ihn eine Verbindung von der göttlichen zur irdischen Realität gibt. Die Zustände in der irdischen Realität werden dabei als Auswirkungen von Begebenheiten in der göttlichen Sphäre gedeutet. Die Verbindung der frühen Zeit persischer Herrschaft zur sich zunächst im Osten des Reiches ausbildenden zoroastrischen Tradition bleibt unklar. Im Westen des Großreiches finden sich erst ab dem 5. Jh. v. Chr. Hinweise auf ein Wirken zoroastrischer Priester (μάγοι) in diesen Gebieten. Bei Aischylos, Heraklit und Herodot wird deutlich, dass sie in engem Kontakt zum Königshaus standen und Einfluss auf die Entscheidungen des Großkönigs nahmen. Mit ihrer Präsenz im
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Westen des persischen Reiches werden auch Gehalte der zoroastrischen Religion verbreitet. Aufnahmen dieser Vorstellungen sind in der judäischen Literatur nur punktuell zu beobachten. Der in Tob 3,8; 8,3 erwähnte Dämon Asmodeus ist auf die iranische Bezeichnung aešma dæva zurückzuführen, ohne dass damit ein religiöser Gehalt des Zoroastrimus verbunden wird. Ein solcher wird dann aber innerhalb des Buches Kohelet sichtbar. Die von Kohelet zur Beschreibung des menschlichen Lebens gewählte Form der Periodisierung von Lebenszeit ist mit dem sich in der mittleren achämenidischen Herrschaftszeit ausbildenden Zurvanismus in Einklang zu bringen, der in jungavestischen Texten bezeugt ist. Wesentlich für das von Kohelet erdachte Raum-Zeit-Konzept ist, dass dem göttlichen Raum, der über die Biosphäre hinausgeht, eine eigene Zeitform ( )עולםeigen ist, an der der Mensch durch Schöpfung und Ordnung der Welt partizipiert, sein eigenes Dasein allerdings von aufeinander folgenden Abschnitten ( )עתgeprägt ist und damit bezogen auf die ‚Ewigkeit‘ ( )עולםwirkungslos. Kommt der Mensch nach den Darstellungen in den jungavestischen Texten mittels der kultischen Sphäre in Kontakt mit der Ewigkeit, besitzt der Kult im Koheletbuch keine adäquate Funktion. Allein im Trauerritus wird עולםerfahrbar, wie die Verfasser*innen in Koh 7,1–4 ausführen. Damit wird jedoch eher ein räumliches Phänomen beschrieben, ragt im Vollzug der Trauer die Unterwelt in die Biosphäre hinein. עולםbezeichnet nicht nur eine Zeitform, sondern beschreibt auch den Raum außerhalb der Biosphäre, der in zyklischen Umweltprozessen in die Biosphäre hinein ragt. Auf das menschliche Leben bezogen bedeutet dies, dass es räumlich begrenzt bleibt und erst sein Sterben dem Menschen Zugang zu den kosmischen Räumen jenseits der Biosphäre ermöglicht. Was sich für Kohelet als Problem zur Erlangung von Erkenntnis darstellt, ist von der priesterschriftlichen Kosmogonie her gedacht und von dem von ihr beschriebenen Abschluss der Biosphäre von den weiteren kosmischen Räumen bestimmt. Mit der Rezeption priesterlicher Raumvorstellungen unter Aufnahme zurvanistischer Vorstellungen durch das Buch Kohelet wird die Grenze der Adaption zoroastrischer Traditionen sichtbar. Das aus drei Sphären bestehende zoroastrische Ordnungsmuster, das neben der irdischen und der himmlischen auch die kultische Sphäre als eigenständigen Raum kennt,11 der als Bereich Ahura Mazdās und seiner amša spn.tas gilt und von dem aus das Göttliche auf die irdische Sphäre Einfluss nimmt, stellt eine Vorstellung dar, die sich auch mit dem von der Priesterschrift konzipierten Kult verbinden ließe. Dennoch lehnen sich die priesterschriftlichen Autor*innen an die Vorstellungen simultan existierender Sphären der judäischen Königszeit an und verstehen dem Kult als liminalen Raum. Koch weist in seinen Studien darauf hin, dass P weiterhin von einem im Heiligtum präsenten Himmel ausgeht, so dass keine gesonderte kultische Sphäre entsteht. Diese Grenze
11 Zur kultischen Sphäre vgl. Rezania, Raumkonzeptionen, 225–327.
Einfluss persischer Vorstellungen
überschreiten die hebräischen Autor*innen auch nicht, nachdem zoroastrische Traditionen im Westen des persischen Reiches vermehrt aufgenommen wurden. In vollem Umfang werden diese adaptierten Traditionen dann erst in zwischentestamentlicher Zeit in einzelnen Schriften aus Qumran ebenso wie in der sich ausbildenden frühjüdischen Apokalyptik sichtbar. Die diesen Schriften zugrundeliegende Vorstellung von Wesen, die den Raum zwischen Himmel und Erde eigenständig überbrücken können, was sich faktisch als eine Bewegung in der Atmosphäre darstellt, deutet sich in der späten persischen Zeit allein in der Bildwelt Israels/Palästinas an. Mit den in Wadi ed-Dalije gefundenen Siegelabdrucken auf Bullen treten erstmals geflügelte anthropomorphe Wesen in Form griechischer Gottheiten (Eros und Nike) auf. Derartige Darstellungen finden sich in früherer Zeit nicht nur im griechischen Kulturraum, sondern auch auf Artefakten und Objekten, die in Persepolis gefunden wurden. Bereits beim Aufbau ihrer Herrschaftsmetropole griffen die persischen Großkönige auf griechische Kunsthandwerker zurück, die die Bildwelt ihrer Heimat mit in den Osten brachten. Früheste Zeugnisse griechischer Kultur sind in Persepolis damit schon ab dem Ende des 6. Jh.s v. Chr. belegt. Für Palästina/Israel ist die Adaption griechischer Motive in späterer Zeit nachweisbar. Studien zur Ausbildung der samarischen Ikonographie in persischer Zeit zeigen, dass sich in der spätpersischen Zeit in Israel/Palästina eine levantinischpersisch-griechische Motivkoine ausbildete, in der die Bildwelt aller drei Kulturbereiche sichtbar wird. Dies ist vor allem an den Funden aus Wadi ed-Dalije zu beobachten. Diese weisen eine derartige Motivkombination auf, was darauf hindeutet, dass altorientalische, persische und griechische Vorstellungen miteinander verschmelzen. Für die Raumdeutung ist in dieser Zeit maßgeblich, dass ein Transit zwischen den Räumen in den Texten und Bildern der persischen Zeit den zur göttlichen Thronsphäre gehörenden Wesen vorbehalten bleibt. Der Himmel als kosmischer Raum bleibt hier noch undifferenziert. Erst die späteren Erzählungen vom Fall der Engel, wie sie z. B. in 1Hen 6–36 unter Einschluss der Himmelsreisen Henochs dargestellt werden, deuten darauf hin, dass auch der Himmel in ein Zentrum und eine Hemisphäre unterteilt wird. Die himmlische Hemisphäre stellt dann entsprechend der irdischen den Ort dar, den die widergöttlichen Kräfte bewohnen. Von dort wirke sie auf die Biosphäre ein. Derartige Vorstellungen klingen in den Texten der persischen Zeit (noch) nicht an, doch sind mit den dualistischen Vorstellungen der persischen Religion und der Ausbildung des göttlichen Thronrats im Stile eines Pantheons, in dem sich auch Opponenten gegen den göttlichen Willen finden (Hi 1f.), Grundlagen für eine solche Darstellung der himmlischen Welt gelegt.
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Die Entwicklung des Ordnungsmusters hebräischer Schriften als multifaktoraler Prozess
9.4
Die Veränderung der Raumdeutung als multifaktoraler Prozess
Raumdeutungsmuster in antiken Kulturen entstehen als mental maps und „bieten Antworten auf Fragen nach der Genese der Welt, geographischen, klimatischen, physiologischen oder sozialen Lebensbefindlichkeiten, der Stellung des Menschen im Kosmos, dem Gerechtigkeitsausgleich, den Postmortalitätsvorstellungen u. a. m.; dazu bedienen sie sich komplex miteinander verwobener sozio-, techno- oder biomorpher Erklärungsmodelle“12 .
Die Komplexität derartiger Ordnungsmuster entsteht jedoch nicht nur aus der Vielzahl an Fakten und Vorstellungen, die vom Individuum zu einem individuellen Bild zusammengesetzt werden, sondern auch durch den reziproken Prozess, der der Ausbildung eines solchen Musters zugrunde liegt. Ordnungsmuster sind kulturimmanent und als solche jedem Individuum vorgegeben. Die erlernten Zusammenhänge und die diesen zugehörigen Ordnungen eignen sich Menschen im Laufe ihrer Primärsozialisation an, um in einem stetigen Prozess Dissonanzen, die durch Perzeption entstehen, zu unterminieren oder in das bestehende Bild zu integrieren. So unterliegt die Raumdeutung einem ständigen Wandel und das einst Erlernte entwickelt sich, bis ein Mensch dieses Ordnungsmuster als kulturelles Erbe an die Folgegeneration weitergeben kann, entscheidend fort. Sein auf den Raum bezogenes Ordnungsmuster prägt sich im Menschen als mental map aus. Eine mental map ist, wie Rosa es in seinen Studien aufweisen kann, ein kognitiv-repräsentationales Konzept, das trotz seiner kulturellen Vermittlung ein individuelles Konzept bleibt. Die mental map entsteht in der Form eines template schema, das dem Menschen die Möglichkeit bietet, neue Informationen jederzeit einzubeziehen. So lange sich die für das template schema grundlegende Ordnung nicht verändert, ist ein Mensch in der Lage, einzelne Variablen in seine mental map zu integrieren oder sie, so sie dissonant erscheinen, aber keine wesentlichen Auswirkungen auf den Lebensvollzug nehmen, zu unterminieren. Transformationen der mental map setzen demnach dann ein, wenn das grundlegende Ordnungsmuster durchbrochen wird. Derartige Prozesse setzen, historisch betrachtet, bei Veränderungen innerhalb des Naturkreislaufs durch Umweltkatastrophen oder beim Wechsel von Machtverhältnissen ein. Als das archaischen Kulturen zugrundeliegende Ordnungsmuster erwies sich in verschiedenen religionswissenschaftlichen Studien eine Zentrum-PeripherieOrdnung, in der der Mensch sich und seinen eigenen Lebensraum als Zentrum der Welt und den sich um ihn ausbreitenden weiteren Raum als konzentrisch
12 Janowski, Art. Weltbild, 1407.
Die Veränderung der Raumdeutung als multifaktoraler Prozess
gegliederte Peripherie deutet. Dabei wird der menschliche Lebensraum als vom Sonnenlauf begrenzt wahrgenommen. Der tägliche Weg der Sonne von Osten über den Süden nach Westen in Form eines Bogens deutet für den Mensch darauf hin, dass sich der Raum oberhalb des Erdbodens als eine Halbkugel ausdehnt. Da die Sonne am folgenden Morgen wieder im Osten aufgeht, setzt sich diese Form auch unterhalb des Erdbodens fort, so dass der sich aus Himmel, Erde und Unterwelt ergebende Raum als Kugel betrachtet werden kann. Gedanklich ist dieser Raum nicht abgeschlossen, sondern weist an seinen Randbereichen, d. h. jenseits des Sonnenlaufs eine Hemisphäre auf, die in den antiken Kulturen als Transitzone zwischen dem Raum mythischer Wesen und der Biosphäre wahrgenommen wird. Eine Verbindung zwischen Himmel, Erde und Unterwelt existiert allerdings nicht nur in der Hemisphäre, in der die drei Räume lokal zusammenfallen, sondern auch im Zentrum der Biosphäre. In dieser befindet sich in der Vorstellung des antiken Menschen eine axis mundi, die mit einem Kultort in Verbindung gebracht wird. Die schon im Sumerischen belegte Vorstellung von kosmischen Bändern, die mit den Tempeln verbunden werden, deutet darauf hin, dass die Existenz der Biosphäre als gefährdet angesehen wurde, dienen diese Bänder doch dazu, Unterwelt und Himmel in einem gleichbleibenden Abstand zu halten und auf diese Weise die räumliche Ausdehnung der Biosphäre zu erhalten. Diese Vorstellung zeugt vom Selbstverständnis des Menschen, der sich als Wesen zwischen den beiden sein Leben bestimmenden Sphären, dem Himmel und der Gegenwelt, und als gefährdet durch die über diese Räume herrschenden Machthaber und ihre Gehilfen wahrnimmt. Das ursprünglich seine traditionsgeschichtlichen Wurzeln in der kanaanäischen Umwelt nehmende judäische Raumordnungsmuster, das mit der Übertragung der Berg-Tradition (Zaphon) auf den Zion ein konstitutives Element besitzt, nähert sich mesopotamischen Vorstellungen dahingehend an, als dass die königszeitliche Jerusalemer Tempelsymbolik verstärkt mesopotamische Traditionen integrierte. Dieses ist durch die einzelnen Textstrata zu beobachten, weisen die Veränderungen doch wiederholt Adaptionen mesopotamischer Motive auf. Die historischen Ereignisse vor allem der Belagerung Jerusalems durch die Assyrer Ende des 8. Jh.s v. Chr. sowie die Zerstörung von Tempel und Stadt in neubabylonischer Zeit zu Beginn des 6. Jh.s v. Chr. führten dazu, dass sich das Ordnungsmuster immer wieder anpasste. Die Präsenz JHWHs im Tempel (Jes 6) in Form einer Gewitterwolke (1Kön 8) wird aufgelöst, so dass die göttliche Realität als vom Tempel losgelöst dargestellt wird (Ez 1). Hier deutet sich schon an, was für die Fortbildung in nachexilischer Zeit bedeutsam wurde. Das Verhältnis göttlicher Gegenwart zum Tempelkult wird für die Ausbildung eines Ordnungsmusters in nachexilischer Zeit zu einem bestimmenden Faktor, der in den einzelnen Schriften jeweils unterschiedlich bestimmt wird. Ist in der frühnachexilischen Zeit noch das Bemühen erkennbar, die aus der judäischen Königszeit überkommene Vorstellung einer im Tempel thronenden Gottheit JHWH wieder zu installieren (Jes 40–52*; Ez 40–48; Hag/Sach), so wird das Verhältnis in
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den späteren Schriften wiederholt problematisiert. In den sich ausbildenden priesterschriftlichen Texten wird das ‚Begegnungszelt‘ zum Ort göttlicher Gegenwart, doch im Stile der in persischer Zeit mit verschiedenen Heiligtümern verbundenen Vorstellung einer lokalen Manifestation einer himmlischen Gottheit wird in P (Ex 40,34f.) die Einwohnung der göttlichen ‚Herrlichkeit‘ ( )כבודpostuliert. Der Aufenthaltsort JHWHs, der am Jom Kippur oberhalb des Sühnedeckels ()כפרת erscheint, bleibt uneindeutig. Erst in der LXX-Fassung der P-Texte wird die Stiftshütte zum reinen Erscheinungsheiligtum. Dies ist in der MT-Fassung so (noch) nicht gegeben. Die P-Konzeption, die ein bewegliches Heiligtum in der Mitte des Volkes vorsieht, wird durch ihre Fortschreibungen auf einen lokalen Tempelkult angewendet. In den späteren Textstrata tritt zunächst eine Stadtperspektive hervor, die auf ein Leben an festen Orten hindeutet, dann wird ein Bezug auf das gesamte ‚heilige Land‘ hergestellt. Im Festkalender Lev 23 wird dann auch das Leben außerhalb des Landes und die mit diesem zu verbindenden Riten sichtbar. Die zwar von der Symbolik des königszeitlichen Jerusalemer Tempels her angelegte Konzeption ist zunächst von einem einzelnen lokalen Heiligtum unabhängig. Sie kann auf unterschiedliche Heiligtümer bezogen werden. Dies trifft im Spezifischen auf die Heiligtümer auf dem Zion und dem Garizim zu, die in der Folgezeit beide mit der Kultstiftung im P-Stratum des Pentateuch in Verbindung gebracht werden.13 Hier erweist sich in späteren Textformen das dtn Gesetz mit der in ihm beschriebenen Wahl eines Ortes als für Jerusalem maßgeblich. So wird der Garizim verschiedentlich aus den Texten der masoretischen Tradition getilgt. Der Vergleich mit den elephantinischen Papyri und die Aufnahme des Titels אלחי השׁמיםund seiner Varianten weisen darauf hin, dass auch bedingt durch die Neugründung von JHWH-Tempeln in der Satrapie Transeuphrat ein Nebeneinander lokaler Manifestationen des mit dem kosmischen Himmel verbundenen JHWH entsteht. JHWH als Himmelsgott wird in seiner jeweiligen lokalen Ausprägung in den Tempeln verehrt (‚Poly-JHWH-ismus‘). Die Vorstellung einer Himmelsgottheit mit ihren lokalen Manifestationen deutet auf die Transformation eines weiteren grundlegenden Verhältnisses hin. War die judäische Königszeit von der Hoffnung des Wiederaufbaus eines davidischen Großreiches geprägt und wurde der König der jeweils herrschenden Großmacht als derjenige angesehen, der einer solchen Rekonstitution im Wege steht, wird der persische König in den hebräischen Texten als Friedensherrscher verstanden, so dass die Bestrebung politischer Eigenständigkeit unter einem regional agierenden König in den Texten nicht mehr aufzufinden ist. Die Akzeptanz der persischen Oberherrschaft setzt bereits in der Frühzeit persischer Herrschaft ein (Jes 45,1–7) und
13 Dies spiegelt sich dann in der Textgeschichte von MT und Samaritanus wider. Dazu vgl. Kreuzer, Garizim.
Die Veränderung der Raumdeutung als multifaktoraler Prozess
prägt die hebräischen Texte von dort ausgehend. Dies löst innerhalb der Rezeption überkommener Traditionen verschiedene Prozesse aus. Zum einen werden königliche Traditionen auf den Hohepriester (Sach 3) übertragen. Zum anderen wird das aus neuassyrischer Zeit stammende Königsideal auf den Menschen angewendet (Gen 1). Diese Vorstellung gerät in der auf das priesterschriftliche Ordnungsmuster reagierenden Literatur anschließend in Kritik. Desweiteren wird die Vorstellung vom göttlichen Königtum von der persischen Königsideologie bestimmt, indem JHWH als Großkönig dargestellt wird (Jes 60), dessen Verhältnis zum irdischen König das des Großkönigs zum Satrapen ist (Ps 2). Mit dem Verhältnis von fremdländischer Herrschaft und Gottkönigtum wird so ein weiterer Faktor sichtbar, der die nachexilische Raumdeutung bestimmt. Aus der Vorstellung des den Geschichtsverlauf lenkenden Himmelsgottes wird die Ausbildung seiner himmlischen Welt abgeleitet. Das in Texten der judäischen Königszeit belegte ‚Heer des Himmels‘ ()צבא השׁמים, mit dem ursprünglich das Verhältnis JHWHs zu den Gestirnen dargestellt wird, wird mit den ‚Göttersöhnen‘, wie sie in der kanaanäischen Tradition ebenso wie in Ps 82* belegt ist, sowie mit der in Jes 6 und Ez 1 dargestellten Thronsphäre verbunden, so dass die himmlische Welt als Hofstaat eines Großkönigs gezeichnet wird.14 Bestimmend ist hier das Verhältnis von himmlischer und irdischer Welt, die die Raumdeutung prägt. Verbunden mit der Ausbildung des himmlischen Hofstaates wird ein durch die priesterschriftliche Kosmogonie hervorgerufenes und wiederholt in den hebräischen Schriften reflektiertes Phänomen. P stellt die Biosphäre als einen nach außen abgegrenzten Raum dar, in den nach Verschluss der Transitzonen keine das menschliche Leben gefährdenden Wesen eindringen können. Negative Auswirkungen können daher nur aus dem aus Himmel und Biosphäre entstehenden Raum herrühren. Hi 1f. schildert exemplarisch eine solche Auswirkung, die von einem der Göttersöhne ausgeht. Hi 40 nennt mit Behemoth und Leviathan zwei Wesen, die von Gott geschaffen wurden, die aber, so er sie nicht beherrscht, das Leben in der Biosphäre gefährden würden. Die irdische Welt wird ihrerseits in den Texten der nachbiblischen Zeit in zweifacher Form gedeutet und damit ins Verhältnis gesetzt. Zum einen wird das Land Israel in den Büchern Josua, Ezechiel und Sacharja als heiliger Raum und damit als
14 Erst in einer späteren Phase der Religionsgeschichte Israels werden diese sich neu ausbildenden Wesen von hoher Bedeutung: „Diese ‚Engel‘ konnten daraufhin allmählich zu Schlüsselfiguren einer in hauptsächlich apokalyptischen Kreisen entstandenen, neuen Anthropologie und Kosmologie stilisiert werden, die das aus der Umwelt Israels geläufige Welterklärungsmodell von der göttlichen belebten Natur aufgriff und transformierte. […] Diese Engel fungieren in der Überlieferung der hellenistischen Zeit sowohl als Überbringer und gleichzeitige Deuter der göttlichen Botschaften wie auch als Reisebegleiter und Beschützer des Menschen sowie als Totenführer und Seelengeleiter“ (Ahn, Grenzgängerkonzepte, 3f.).
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Lebensraum für alle, die JHWH verehren, beschrieben. In der prophetischen Botschaft wird dazu die priesterliche Trennung von Heiligem und Profanem genutzt, so dass die Grenzen zum ‚heiligen Land‘ als liminale Räume dargestellt werden, deren Überschreitung in Richtung Israel Reinigungsprozesse nötig werden lässt. Der Raum innerhalb dieser Grenzen wird im Buch Josua als der Ort gekennzeichnet, in dem ein Leben entsprechend der Torah möglich ist. Über das ‚heilige Land‘ hinaus geht die Perspektive der Schriften, die die priesterliche Tradition kritisch reflektieren. Während Hiob die Biosphäre als von Anfang an von JHWH abhängigen Lebensraum des Menschen versteht, in dem der Mensch dauerhaft von den göttlichen Machterweisen gegen die die Ordnung innerhalb der Biosphäre gefährdenden Entitäten angewiesen ist, hebt Kohelet die Beschränkung des menschlichen Lebensraumes als problematisch hervor, da der Mensch an der göttlichen Schöpfung zwar partizipieren, aber nicht an ihr mitwirken kann. Wesentlich für die P kritisch reflektierenden Schriften ist der Verlust der menschlichen Königswürde, womit ein weiterer Faktor zur Ausbildung der nachexilischen Raumdeutung genannt ist. Das Verhältnis JHWHs zum Menschen, das in den Anthropogonien als das des Schöpfers zu seinem erwählten königlichen Geschöpf dargestellt wird, wird von verschiedenen Autor*innen der persischen Zeit als das eines allmächtigen, aber abwesenden Gottes zu seinem Knecht gedeutet. Während die kultische Kommunikation durch das Priestertum geregelt durchgeführt wird, sind weitere Kontakte nur durch Boten, die sich zwischen Himmel und Erde bewegen können, möglich. So wird die Atmosphäre sukzessive von einer Transitzone zu einem eigenständigen Raum. Die Anfänge dieser Entwicklung zeichnen sich am Ende der persischen Zeit ab, werden dann aber erst unter dem verstärkten Einfluss griechischer Traditionen ausgebildet. Mit ihnen entwickelt sich das Ordnungsmuster in der nächsten historischen Epoche fort.
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Stellenregister
Schriften des hebräischen Kanons Gen – 1 33, 34, 52, 123–128, 152, 158, 163, 165, 182, 190, 207, 245, 251, 259 – 1,1 33, 124, 125 – 1,1–2,3 50, 172 – 1,1–2,4 123 – 1,9 126, 127 – 1,14 158 – 1,14–17 158 – 1,14–18 128 – 1,26 128–130, 174 – 1,28 209 – 1,31 149 – 1–9 132 – 2,1 33 – 2,2f. 158 – 2,4 33 – 2,4b–3,24 172 – 2,4b–5 172 – 2,7 173 – 2,9 173 – 2,10–14 177 – 2,15 173 – 2f. 172–174, 176–178, 188, 205, 206, 208–210 – 3,17 173 – 3,17f. 172 – 3,17–19 176 – 3,19 173 – 3,20 209 – 3,24 178 – 4 206 – 4,16f. 177 – 5,1 130
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5,3 130, 164 6,2 225 6,4 225 6,9 149, 150 6,11 149 6,11f. 149, 164 6,11–13 131 6,12 149 6,13 131, 150 6,17 150 7,11 127 7,17 150 7,21 150 8,2 127 9,1–3 131 9,4 131 9,6 130 10 152 10,2–5 152 10,10 111 14,19 33 14,22 33 17 58 24 212 25,8 150 27,17 150 28,10–22 35, 47 35,29 150 49,25 38
Ex – 1 132 – 1,15f. 145 – 7,1 134
304
Stellenregister
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Lev – – – – –
12 145, 146 12,21–23 145 12,23 145 13,17 169 13,37 169 13f. 59 14 152 14,22 152 14,29 152 15 88 15,21 88 16,29 153 16–18 120 20,11 33 23 162 24 206 24–40 50 25 152 25,8 46, 156 25,11 169 25,17 169 25,22 157 25,24 169 25,29 169 25,31 169 25,36 169 25,38 169 26,12–37 153 27,9–19 153 28 168 28f. 165 29,45 110 29,45f. 156 40,34f. 258
4,12 169 5,1 169 5,17 169 6,4 169 7,18 169
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
7,19 169 8f. 168 10,1f. 158 10,10 169 11,14 112 13,1–14,32 153, 154 13,13 169 13,39–41 169 13,46 153 14,1–13 154 14,32 154 14,33 154 14,33–54 154–156 14,39f. 154 14,40 155 16 141, 143, 145, 146, 148, 157, 251 16,5 143 16,7 141 16,10 141, 143 16,21f. 141, 143 16,22 153, 169 16,23 148 16,23–28 153 16,29 161 17,5 153 17,7 143 17,10–14 132 17,11 132 17,16 169 18 155 18,24–30 155 18,25 155 19,9f. 156 19,18 169 19,23–25 155 20 155 20,17 169 20,19 169 20,22–26 155 20,25 169 21 168
Schriften des hebräischen Kanons
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
21,10 168 21,16–24 146, 148 21,21 148 21,23 148 22,17–25 148 22,24 149 22,25 148, 149 23 159, 161, 162, 251, 258 23,3 161 23,5 161 23,9–14 162 23,24 161 23,27 161 23,34 161 23,39–43 162 24,19 148 25 156 25,1–7 156 25,8–22 156 25,23–34 156 25,36–38 156 25,39–55 156 25,55 156 26,39 169 26,43 169
Num – 7,16 143 – 7,22 143 – 16,31f. 158 – 22,22 226 – 22,32 226 – 35,16–34 168 Dtn – – – – – –
4 88 4,1 45 4,19 33, 224 12 248 12,1 45 12,1–31 217
– – – – – – – – – – – – – – – – Jos – – – – – – –
12,5 217 12,11 217 12,22 169 14,11 169 14,18 112 16 162, 251 16,1–8 63 16,1–17 162 16,2 162 16,13–15 162 16,15 162 16,16f. 63 17,3 224 18,9–22 170 18,18 170 18,20 171
3f. 58 3–5 59 5 59 5,2–6 58 5,5 58 17,15 126 17,18 126
1Sam – 4,4 251 – 17,46 33 – 29,4 226 2Sam – 7,16 249 – 19,22 226 – 22 220 – 22,8 42 – 22,8–16 42 – 22,14 42 1Kön – 5,4
226
305
306
Stellenregister
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
6 247, 251 6,5f. 247 7,23–26 54 8 206, 217, 251, 257 8,1 217 8,1–11 217 8,2 217 8,3–9 217 8,12 109, 243 8,12f. 41, 42, 217 8,13ff. 36 8,14 217 8,14–21 217 8,15–61 45 8,22–30 217 8,27 222 8,27–30 45 8,29 217 8,30 217 8,32 222 8,38 217 8,39 222 8,43 222 8,44 217, 218 8,46–52 218, 219 8,48 217 8,49 222 8,62–66 217 11,14 226 11,23 226 21,3 224 21,5 224 22,19 224 22,19–22 223–225, 249 23,4f. 224
2Kön – 4,23 159 – 17,16 224 – 17,24–41 213, 248 – 18f. 57
– 18–20 248 – 19,15 35 Jes – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
1,13 159 1–39 90 2,2–4 37 3,20 136 6 36, 41, 42, 50, 170, 223, 224, 228, 238, 239, 242, 249, 251, 257, 259 6,1 41, 43, 223 6,1–4 41, 76, 114 6,7 169 8,18 35 9,1 90 9,1–4 93 9,1–6 249 10 120 10,5–34 249 11,1–5 249 13,10 33 13,11 169 14,13 38 29,10 38 35,10 80 36f. 57 36–39 248 37,16 78 40,1–5 83, 119, 246 40,12 71–73 40,12–17 73 40,12–31 48 40,18f. 71 40,21–26 73, 74, 126 40,22 48, 71, 72, 75, 78 40,26 75, 76, 126 40,27–31 73, 76 40,28 71, 72, 76, 77 40–48 118 40–52 92, 93, 253, 257
Schriften des hebräischen Kanons
– 40–55 71, 72, 78, 81, 84, 86, 90–92, 99, 105, 119–121, 245–248, 250 – 41,5 77 – 41,9 77 – 42,5 71, 77 – 42,5–9 86 – 42,6f. 86 – 42,14–16 87 – 42,15 71 – 42,15f. 85 – 43,16–21 87 – 43,19 87 – 43,20 71 – 44,1–5 90 – 44,24 71, 78, 79, 85 – 44,26f. 71 – 45,1 91, 93, 165 – 45,1–3 252 – 45,1–7 85, 91, 92, 98, 120, 249, 252, 258 – 45,3 91 – 45,5f. 92 – 45,7 85 – 45,9 246 – 45,12 71, 78, 79 – 45,18 71, 78, 79 – 45,18f. 79, 81, 86 – 45,19 79 – 47 121 – 47,1–15 86 – 47,5 86, 119, 121 – 48,12 81 – 48,12f. 80 – 48,13 71, 80 – 48,21 71 – 49,1 81 – 49,6 79, 86 – 49,8–13 86 – 49,19f. 108 – 50,2f. 71 – 51,3 80, 253
– – – – – – – – – – – – – – – –
51,4 79 51,9f. 88 51,9–11 71 51,11 80 52,1f. 85, 86 52,7–10 84, 85, 91, 120, 246, 248, 249 54,2 108 60 57, 120, 253, 259 60,1–3 84, 98, 119, 249 62,3 169 65,17–25 51 66 57 66,1 36, 51 66,1f. 222 66,1–4 249 66,22 51
– – – – – – – – – – –
2,22 169 3,13 169 7,9 110 8,2 224 10,12 33, 78 19,13 224 23 170 23,16–22 171 23,18 171 23,22 171 33 170
Jer
Ez – 1 49, 114, 223, 228, 238, 239, 243, 244, 257, 259 – 1,1 43 – 1,4–14 50 – 1,4–28 49 – 1,15–21 50 – 1,22 50 – 1,26 50 – 1,27f. 50
307
308
Stellenregister
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
1–3 170, 206 3,18 169 4,4 169 7 150 7,2 150 7,3 150 7,8 150 8,1–6 114 8,3 114 10 238 14,3 136 21,24 126 22,26 169 28 175 28,11–19 175, 176, 209 29,4 187 34 249 34,24 165 40 108 40,1 99 40,2 99 40,3 108 40,4 108 40,5 101 40,10 108 40,21 108 40–43 99, 108, 153, 247 40–48 100, 105, 106, 120, 248, 250, 257 41,4 100 41,5–7 247 41f. 121 42,20 101 43,1–9 50 43,7 101, 102 43,12 103 44 169 44,3 165 44,11 102 44,13 102 45,2–6 103
– 45–47 104, 105 – 48,10–12 103 Hos – 2,13
159
Am – 7,1 – 8,2 – 8,5
43 150 159
Jon – 1,9
211, 212
Zeph – 1,5
224
Hag – – – –
1,1 91 1,12 91 1,14 91 2,23 91
Sach – – – – – – – – – – – – – – – – –
1 247 1,5 118 1,7 106 1,7–15 253 1,12 107, 109 1,16 108 1,16f. 107 1,17 107 1–6 106, 120, 121, 172, 248, 250 1–8 99, 117 2,5 108 2,5–9 108, 109 2,9 109 2,14 109, 110 2,16 110 3 168, 249, 250, 259 3,1–7 168, 169
Schriften des hebräischen Kanons
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
3,1–8 167, 170 3,1–10 117, 121, 165, 169, 171, 172 3,4 169 3,5 169 3,8 168, 170 3,9f. 167 4,6 91 4,7 91 4,9 91 4,10 91 5 115, 121 5,1 114 5,1–4 110 5,4 110 5,5–11 111, 114 5,6 111 5,8 111 5,9 114, 118 6 168 6,1–7 239 6,1–8 115 6,6f. 118 6,9–15 165, 167, 168 6,11 168 6,12 167 13 250 13,2 170 13,2–6 170–172 14 57
– – – – – – – – – –
1f. 249 2 221, 259 2,4 221 2,5 221 2,6 221 2,8 221 8 180, 181, 209 8,5 180, 209 8,6 180, 209 9,12 35
Ps
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
18 220 18,7 42 18,8–16 42 18,11 42 18,14 42 18,17 42 29 225 29,1 225 29,10 242 31 193 31,16 192 33,13 221 46 57, 242, 248 48 57, 242, 248 48,2f. 35 48,3 39 49,11 204 68,9 39 68,18 39 68,30–32 57 76 57 78,67–69 218 82 249, 259 84,9–13 63 89 225 89,7 225 91,4 136 91,13 136 93 40, 41 99,1 35 102 220, 221 102,20 220, 221 103,17 33 103,19 221 104 33, 181, 182, 184, 185, 187 104,2 181 104,2–4 182 104,5 181 104,26 185 108,5f. 222 108,6 222
309
310
Stellenregister
– – – – – – – – – – – – – –
113,4 222 115,2 212 115,3 212, 221 115,4 222 115,4–8 222 115,15 78 115,15f. 222 121,2 78 123,1 221 132,13f. 35 136 211 136,26 211 137 33 146,6 78
Spr – 8,26
78
Hi – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
1 225 1,6f. 226 1,6–12 224 1,12 227 1f. 207, 225–228, 249, 255, 259 3,8 187 3,19 180 7 184 7,1–3 180 9,6 181 9,7 181 9,29 182 13,3 183 14 184, 208 15,7f. 174 19,8 209 19,8f. 180 26,13 39 28 33 29 180 29,14 169 29,20 180
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Koh – – – – – – – – – – – – – – – –
29,25 180 30,16–19 180 34,13 33 38,1 183 38,4 183 38,6 183 38,7 183 38,8 184 38,10 184 38,13 184 38,16f. 184 38,31–33 184 38,34–39,30 184 38–41 33, 206–208 40 185, 259 40,1–5 185 40,6–41,26 185 40,15 185 40,16–19 185 40,24–31 187 40,26 185 40,28 186
1,3–7 190 1,4 191, 193 1,4–11 192, 200 1,12–2,26 203 1,13–2,26 209 1,14 200 2,11f. 203 2,18 204 3,1–15 192, 193, 198 3,11 205 3,12f. 201 3,14 204 5,1 211, 222 7 200 7,1–4 200, 254 7,3 201
Schriften des hebräischen Kanons
Dan – – – – – –
2,17–24 212 2,18 211 2,19 211 2,37 211 2,44 211 7,2–8 238
Esr – – – – – – – – – – – – – – – – –
1,2 211, 217 1,2–4 216 1,3 217 2,2 91 3,2 91 3,8 91 4,2 213 4,10 213 5,2 91 5,7–17 212 5,11 211 5,12 211 6,6–12 212 6,9 211 6,10 211 7,12 211 7,12–26 212
– 7,21 – 7,23 Neh – – – – – – – – – – – –
211 211
1,4 211 1,4–11 212, 218, 219 1,5 211, 219 1,5f. 218 1,20 211 2,4 211 7,7 91 9 219, 223 9,6 219, 223 9,13 219 9,28 219 12,1 91
1Chr – 16,30 – 16,32 – 29,10
33 33 33
2Chr – 33,3 224 – 33,5 224 – 36,23 211
311
312
Stellenregister
Weitere Schriften des griechischen Kanons Tob – 3,8 – 8,3 2Makk – 7,28
195, 254 195, 254
124
SapSal – 11,22 – 18,24
33 33
Sir – 16f. 52 – 46 52
Jüdische Schriften 1QGenAp 52 1QH – 22
– 52,1
52
4QEnGiantsb – 1,2,16 52 11Q17 – Z. 9–14
239
Philo, Ant. Jud. – I,27–30 125 – I,30 126 Philo, De opificio mundi – 1 124 – 7–25 124 1Hen – 6–36
255
AP – – – – – – – – –
239
3,2 211 27,15 211 30 211 30,28 211 31,27 211 32,4 211 32,5 211 38,3 211 40,1 211
BerR – I,4
124
bJom – 39a 142 – 67b 142
Akkadische Texte
Texte aus Ägypten EA – 287 Z. 60f. 44 – 288 Z. 5–7 44
Papyrus Amherst – 63 212
Texte aus der Südlevante KAI – – – –
– 41 Z. 4 14 Z. 1 159 32 Z. 1 159 37A Z. 1.3 159 38 Z. 2 159
Tel Arad C – 287 Z. 4
159
159
Akkadische Texte KTU – 1.2 I Z. 19–21 225 – 1.3 III Z. 29–31 35 – 1.105 Z. 7–10 39 – 1.105 Z. 7–10 39 Atr. – – – –
I Z. 194–197 176 I Z. 223f. 176 I Z. 338f. 176 II Z. 20 176
Enūma eliš – I Z. 101–104 83 – V 245 – V Z. 1–22 128 – VII 246
KAR 50, 244 – 307 Z. 30–33 – 307 Z. 30–38
49 243, 244
AO 6555 100 AO 8196 244 – Z. 20–22 243 VAT – 1361 Z. 1–5.29–33 147 – 8237 Z. 1–31 140 – 17019 Z. 8–41 175 Inschriften Nabonids – Adad-guppi-Stele II Z. 17ff. 49 – H1 Kol. I 45
313
314
Stellenregister
Texte aus Persien DB – I 5 94, 252 – I 13 94, 252 – I 61–71 104 DNa – 1f 80 – 30–38 104 DNb – 1 80 DNs – 3–5 94 DSe – 30–42 DT – 109 – 114 MNB – 1848
104
73 73
XPh – 6
80
BM – 90920, Z. 11–15 Yasna – 28.11 197 – 28–34 195 – 35–41 195 – 43–51 195 – 46.11 197 – 62.3 197 Yt. – – – – – –
10.55 198 10.68 227 13.53–58 199 19 97, 98, 253 19,2 97 33.5 196
73
Griechische Texte Herodot, Hist. – 1,131f. 194 – 1,132 194 – 7,19 194 – 7,37 194 – 7,114 194 – 191 194
Hesiod, Theogonie – 71 236 Aischylus, Persae – 318 194 Platon, Phaedros – 246e 236 Platon, Timaios – 37d–38b 124
93
Sachregister
A Achämeniden 65, 195, 252 Adaption 20, 37, 53, 64–66, 68, 69, 71, 80–82, 98, 100, 104, 105, 212, 214, 242, 247, 252, 254, 255 Ägypten 24, 37, 58, 59, 61, 63, 88, 120, 152, 156, 163, 179, 187, 213, 248, 251 Ahura Mazdā 80, 94, 97, 196, 197, 199, 214, 216, 227, 252, 254 akītu 73, 81 Allerheiligste 99–102, 105, 120, 153, 168, 171, 247 Ambivalenz 208 angelus interpres 107, 172 apadāna 94, 252 Asasel 142, 143, 153 Assur 177, 241, 249 Aššur 84, 244–246 Atmosphäre 39, 114, 115, 118, 127, 202, 228, 230, 232, 236–239, 255, 260 axis mundi 26, 37, 47, 99, 221, 241, 242, 257 B Babylon 27, 81, 86, 112, 120, 241, 247 Babylonische Weltkarte 27–29 Begegnungszelt 36, 46, 153, 258 Bet-El 38, 47 Biosphäre 11, 12, 23, 26, 28, 37, 38, 48–50, 53, 56, 71, 73, 74, 77, 78, 80–85, 89, 90, 92, 115, 116, 119–121, 123, 124, 126–128, 130–135, 139, 140, 145, 151, 152, 158, 159, 163, 164, 166, 172, 182–184, 187–190, 200, 201, 203, 206–209, 218, 220–223, 227–230, 235, 237, 242, 245, 246, 249, 251, 254, 255, 257, 259, 260
C Chaos 28, 37, 52, 54, 56, 63, 84, 88, 89, 121, 124, 127, 128, 164, 185, 187, 207, 245 cultural translation
67, 68, 81, 100, 245
D Dämon 97, 132, 134, 135, 137–148, 164, 195, 207, 227, 254 Dareios 94, 104, 106, 120, 212, 214, 252 Diaspora 119, 162, 195, 218, 243, 251 Dunkel 41–44, 82–85, 87, 90, 119, 128, 183, 243, 246, 247 E Elephantine 211–215, 248 Elimination 143–145, 164, 169 Emanation 34, 36, 218 Erbbesitz 35, 103–105, 110 Erdboden 23, 26, 27, 36, 39, 42, 114, 126, 173, 177, 257 Erde s. a. Erdboden, 11, 23, 26, 33, 35, 37, 38, 46, 47, 49–52, 72, 75–79, 82, 107, 114, 115, 118, 119, 123–126, 131, 132, 149, 150, 164, 177, 181, 183, 184, 191, 207–211, 217, 220, 221, 226–228, 239, 241, 242, 244, 245, 255, 257, 260 Exil 11, 49, 50, 52, 59, 61, 64, 69, 71, 79, 81, 85, 86, 90, 100, 105, 111, 118, 120, 121, 165, 218, 219, 245, 246 F farnah 97, 230, 231, 235, 253 Fest 53, 62–64, 73, 81, 126, 128, 159, 161, 162, 167, 200, 251, 258
316
Sachregister
Finsternis 77, 79, 82, 83, 85, 86, 90, 91, 121, 126, 184 Fläche 24, 27, 96, 154, 208 Flügel 42, 49, 96, 112, 113, 229, 231, 235, 238 – geflügelt 112–115, 118, 214, 223, 224, 228–231, 234, 235, 237, 238, 249, 255 Flut 37, 38, 130–132, 149–152, 164, 205, 207, 209, 241, 242, 245, 251 G Gegenwelt 30, 134, 155, 206, 227, 257 Gottesferne 90, 165, 206, 210 H Halbkugel 23, 26, 27, 29, 128, 243, 257 Heiligtum s. a. Tempel, 11, 12, 35, 36, 38, 40, 41, 44–51, 54, 57, 76, 81, 99–105, 110, 117, 119, 121, 141, 147, 148, 150–153, 156–158, 162–165, 169, 206, 217–221, 223, 228, 241, 242, 246–251, 254, 258 Hemisphäre 29, 77, 81, 82, 84, 86, 87, 90, 105, 112, 115, 116, 118–121, 127, 139, 143, 152, 163, 183, 186–189, 200, 206, 207, 210, 241, 242, 246, 251, 255, 257 Himmel s. a. Himmelsgewölbe, 11, 12, 15, 23, 26, 27, 29, 33–39, 41–43, 45–53, 60, 63, 72, 74, 75, 77, 78, 81–83, 114–116, 119, 123–128, 152, 164, 182, 184, 202, 207, 210–212, 214, 216, 217, 219–222, 224, 225, 228, 235–237, 239, 242–246, 248–251, 254, 255, 257–260 Himmelsgewölbe 26, 38, 76, 77 Horizont 15, 23, 26, 49, 74, 116 Horizontale 25–27, 29, 33, 39, 41, 47, 53, 54, 114, 115, 117, 119, 121, 144, 221, 228, 241
I Insel 77, 152, 242, 246, 248 Inthronisation 84, 120, 221 J Jerusalem 11, 31, 33–38, 40–44, 46, 47, 49, 53, 54, 56, 57, 64, 84–87, 90, 92, 99, 100, 107–110, 114, 116–121, 137, 152, 162, 171, 201, 206, 212, 215, 217, 242, 243, 246–251, 253, 257, 258 Juda 41, 91, 107, 110, 116, 137, 248 – judäisch 249, 252, 254, 257–259 K Kerub 35, 45, 49, 50, 54, 157, 158, 223, 228, 229, 238, 243, 251 Komos 16, 34, 42, 54, 71, 74, 80–82, 86, 90, 124, 125, 157, 178, 183–185, 189, 191, 199, 218, 222, 244 König 65, 72, 82, 84, 90–98, 102, 105, 118–120, 129, 130, 165, 167, 170, 174, 175, 186, 195, 203, 204, 209, 212, 214, 221, 227, 230, 231, 246, 248, 249, 252, 253, 255, 258–260 – königlich 31, 83, 95, 98, 121, 129, 164, 165, 168, 170, 174, 176, 178, 180, 181, 188, 203, 204, 209, 221, 227–231 Kosmologie 36, 41, 47, 55, 163 Krankheit 134, 141, 147, 148, 178, 180 Kultur 11, 12, 14–23, 29–31, 34, 37, 55, 59, 65–69, 81, 100, 129, 135–138, 146, 159, 174, 176–178, 207, 232, 234, 239, 241, 255–257 Kyros 78, 85, 86, 91–93, 98, 120, 165, 211, 216, 249, 252 L Land 31, 33, 49, 57–62, 64, 77, 79, 81, 84, 86, 87, 98, 101, 103–105, 110, 111, 119–121, 127, 153–156, 164, 165, 171, 187, 202, 214, 236, 251, 258–260
Sachregister
Lebenswelt 12, 14, 17, 21, 23, 27, 28, 33, 58, 82, 98, 135, 136, 145, 164, 176–178, 205, 208, 241 M Marduk 37, 49, 72, 73, 81–84, 119, 244–246 Meer 27, 38, 54, 58, 77, 87–90, 118, 127, 134, 152, 184, 241 mental map 17, 18, 20, 116, 117, 256 Mesopotamien 23, 25, 37, 81, 82, 87, 160, 177, 179, 241, 244 – mesopotamisch 23, 26, 35–37, 45, 47, 49, 50, 52, 53, 65, 67, 71, 77, 84, 115, 119, 120, 138, 148, 160, 174, 176, 178, 232, 241–244, 246, 247, 257 Mischwesen 49, 115, 207, 229–231 Monat 102, 153, 158–161, 241 Mythos 174, 175, 196, 206, 213, 214, 244, 245 – mythisch 28, 34, 37, 63, 88, 89, 114, 186, 229, 231, 257 N Nacht 83, 116, 128, 158, 160 Natur 20, 23, 31, 34, 67, 124, 174, 176, 190, 192, 200, 245, 256 Neumond 159, 160 O Ordnungsmuster 15–17, 19–23, 53, 64, 68, 69, 71, 80, 81, 83, 87, 90, 118, 121–123, 145, 163, 165–167, 170, 172, 205, 220, 241, 252, 254, 256, 257, 259, 260 orthogonal 24–26, 243 P Palästina 46, 84, 87, 88, 111, 112, 135–137, 152, 179, 190, 195, 212, 215, 229, 231, 232, 235, 237, 242, 244, 251, 255
Peripherie 25, 26, 29, 30, 54, 56, 90, 105, 119, 127, 144, 145, 151, 152, 163, 165, 166, 178, 184, 187–189, 206–208, 223, 241, 245, 251, 256, 257 Persepolis 94, 95, 252, 255 Perser 215, 229, 231, 249 – persisch 137, 250, 252–255, 258–260 Pessach
63, 145, 161, 162
R Raum 11–17, 20–29, 33–35, 37, 39, 41–44, 46–48, 51–53, 56–59, 61–64, 71, 74, 77, 79, 80, 86, 87, 90, 91, 100, 102, 105, 114, 115, 120–128, 132, 151–154, 158, 163, 164, 166, 170, 176–178, 182–184, 188–191, 193, 196–201, 206–208, 210, 219, 220, 222, 223, 228, 239, 241–245, 247, 250, 251, 254–257, 259, 260 – mentaler Raum 17, 20 – Raumordnung 52, 82, 104, 105, 151, 156, 158, 162, 163, 251 Realität 14, 18, 26, 34, 43, 44, 55, 56, 117, 124, 130, 243, 253, 257 Reinheit 110, 121, 132, 133, 146, 148, 149 Reinigung 111, 132, 143, 144, 154, 155, 250, 260 Resonanz 16, 68, 81, 100 Ritus 63, 112, 141, 144, 145, 147, 153, 154, 156, 157, 251, 254 S Sagittale 11, 221, 223 Schöpfer 34, 50, 71–74, 76–80, 82, 83, 88, 90, 118, 119, 124, 189, 196, 204, 205, 222, 245, 246, 260 Schöpfung 20, 34, 37, 48, 50, 52, 54, 63, 73, 75, 76, 78–82, 85, 118, 119, 121, 123–126, 150, 151, 158–160, 163–165, 172, 173, 175, 176, 182–185, 188–190,
317
318
Sachregister
193, 199–201, 203–210, 222, 243, 245, 246, 251, 253, 260 Sonne 49, 83, 96, 114, 128, 158–161, 181, 184, 200, 214, 230, 241, 245, 257 Sphäre 11, 12, 25, 26, 34, 37, 40, 41, 43, 50, 52–54, 76, 97, 114, 117, 121, 130, 157, 163, 165, 170, 172, 201, 206, 219, 222, 224, 225, 227–229, 236, 243, 249, 250, 253–255, 257, 259 Stadt 27, 29, 39, 44, 54, 56, 98, 99, 102, 108, 109, 120, 121, 144, 154, 155, 176, 217, 241, 245, 248, 257, 258 Sterne 158, 181, 183, 224 Symbolsystem 31, 33, 34, 53, 55, 156–158, 164, 165, 251 T Tempel s. a. Heiligtum, 11, 12, 31, 33–42, 44–47, 49–51, 53, 54, 56, 63, 64, 84, 99–109, 114, 117, 118, 120, 121, 130, 136, 153, 156, 157, 163, 165, 183, 201, 206, 212, 214–220, 222, 225, 236, 241–243, 245, 247–251, 253, 257, 258 Theophanie 36, 42, 45 Thron 11, 35, 36, 38–41, 43, 45, 48–50, 54, 56, 76, 95, 96, 110, 114, 157, 170, 219, 222–225, 228, 229, 241–243, 249–252, 255, 259 – Thronrat 167, 171, 172, 207, 223–228, 238, 249, 250, 255 Transformation 11, 12, 20–22, 40, 44, 46, 48, 49, 51, 53, 71, 72, 87, 88, 120, 121, 156, 162, 165, 172, 188, 218, 219, 223, 229, 239, 243–245, 247, 251, 256, 258 Transit 59, 89, 90, 116, 117, 120, 139, 140, 144, 153, 163, 184, 187, 207, 237, 251, 255, 257, 259, 260 U Unterwelt 27–29, 39, 47, 56, 77, 89, 128, 139, 140, 143–145, 166, 201, 207, 242, 244, 254, 257
V Vertikale 26, 27, 33, 39, 41, 47, 49, 53, 54, 117, 144, 221, 236, 242 Vision 43, 49, 99, 106–108, 110, 111, 114–118, 120, 121, 167, 170–172, 223, 243, 247, 250, 253 Völker 57, 73, 80, 92, 94–96, 98, 104, 105, 120, 152, 221, 248, 252, 253 W Weltbild 11–14, 20, 21, 29–31, 33, 39, 99, 105, 115, 120, 123, 165, 178 Welterfahrung 14–17, 20 Weltwahrnehmung 14, 20, 37, 40, 206 Wildnis 29, 87 Wolke 41–44, 46, 114, 184, 206, 243, 257 Wüste 58–60, 87, 88, 90, 119–121, 140–145, 152–154, 156, 162, 163, 184, 219, 247, 251 Y Yima
97, 98, 253
Z Zaphon 36, 39, 47, 242, 248, 257 Zentrum 11, 17, 25–27, 29, 33, 39, 54, 56–58, 81–87, 90, 98, 100, 105, 110, 115–121, 127, 144, 151, 152, 156, 163, 166, 174, 176, 178, 183, 185, 188, 189, 197, 205–208, 210, 221, 223, 226, 229, 230, 241, 242, 245–248, 251, 255–257 Zion 35, 37–40, 45–47, 54, 71, 80–82, 85, 90, 92, 98, 109, 118–121, 216, 220, 221, 242, 246–248, 253, 257, 258 Zivilisation 29, 30, 174, 178, 206 Zoroastrismus 65, 195, 227, 252 Zurvanismus 194, 195, 254