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German Pages 518 [524] Year 2008
„Im Reich der Arbeit“
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Ordnungssysteme Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit
Herausgegeben von Dietrich Beyrau, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael Band 21
R. Oldenbourg Verlag München 2008
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Thomas Großbölting
„Im Reich der Arbeit“ Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1914
R. Oldenbourg Verlag München 2008
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Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort sowie der Jungen Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar.
© 2008 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Umschlagbild: Roman Clemens: Spiel aus Form, Farbe, Licht und Ton (1929) © Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: Typodata GmbH, München Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach ISBN 978-3-486-58128-7
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Inhalt A.
B.
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte: Industrialisierung und industrialisierte Gesellschaft . . . . . . . . II. Jenseits der Great Exhibition: Industrie- und Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert . . . III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse: Methodische Überlegungen und theoretische Einordnung . . 1. Ausstellungsgeschichte als Repräsentationsgeschichte . . . 2. Kommunikation durch Inszenierung und Partizipation: Ausstellungen als soziale und kommunikative Praxis . . . . IV. Das Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Quellen der Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Medium Ausstellung in der Kommunikationsrevolution des 19. Jahrhunderts: Grundstrukturen und Entwicklungen . . . . . . I. Industrie- und Gewerbeausstellungen im Medienkontext: Museum, Ausstellung, Industrie- und Gewerbeausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Genese der modernen Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Emanzipation der Ausstellung vom Museum: Kunstgewerbe, Kunstgewerbemuseen und Industrieausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Markt, Messe und Ausstellung: Die Entwicklung der modernen Industrie- und Gewerbeausstellung. . . . . . . II. Die Anfänge der Industrie- und Gewerbeausstellungen bis in die 1840er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das französische Vorbild: „Revolutionäres Fest“ und Instrument der Gewerbeförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Erziehung zum Gewerbefleiß“: Frühindustrielle Industrie- und Gewerbeausstellungen zwischen praktischer Aufklärung und staatlicher Gewerbeförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bürgerliche Selbstorganisation und neu entstehende Öffentlichkeit: Ökonomische Sozietäten, polytechnische Vereine und Gewerbevereine als Träger des Ausstellungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Massenmedium Ausstellung von den 1840er Jahren bis 1910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form- und Funktionswandel: Industrie- und Gewerbeausstellungen zwischen Gewerbeförderung, Spektakel und Kommerzialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
2. Die Ausstellungen und ihre Organisatoren: Der Aufstieg einer neuen Gesellschaftsschicht . . . . . . . . . . 3. „Ausstellungsmüdigkeit“? – Funktionswandel und neue Medienstruktur . . . . . . . . . . . . Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.
D.
Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Ausstellung sehen – Publikumslenkung, Wahrnehmungsmodelle und Rezeptionsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besucher und Besucherlenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausstellung sehen, oder: Der Besucher vor dem Warenmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ordnung der Dinge: Klassifikationen zwischen Gewerbeförderung und Konsumanreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deutung und Bedeutung: Die Inszenierung der Ware und die Ästhetisierung der Dinge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Belehrung, Vergnügung, Partizipation – die Schaffung des Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vom „königlichen Gebäude“ zu „Glaspalast“ und „Märchenschloss“: Kommunikation durch Architektur . . . . . VI. Hierarchie und Konsens: Die Repräsentation der industrialisierten Gesellschaft in den Festen der Ausstellung 1. Die Industrie- und Gewerbeausstellung als Fest. . . . . . . . . 2. Der Thron, die „leitenden Herren der Ausstellung“ und das Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsensformeln: Technik und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themen der Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Repräsentation der Arbeit, ihrer Akteure und ihrer Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Arbeit und ihre Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Befriedung der Klassengesellschaft: Der Arbeiter als Objekt von Bildungsbemühungen und Sozialfürsorge . 3. „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis“ – Arbeit, Moral und Ikonographie . . . . . . . . . II. Industrieller Fortschritt und Technik in der Repräsentation der Industrie- und Gewerbeausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gewaltige, gehorsame Geschöpfe aus Menschenhänden und –gedanken“: Maschinen in den Industrie- und Gewerbeausstellungen . 2. „Dunkles Licht“ und „strahlende Helle“: Elektrizität als Technik und Sozialvision. . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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3. Der Fortschritt und seine Legitimation: Mythos und Tradition in der „Kuppelhalle“ . . . . . . . . . . . . III. Kunstgewerbe und Kunst in den Industrie- und Gewerbeausstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reformbewegung und Konsumanreiz – das Kunstgewerbe in den Industrie- und Gewerbeausstellungen . . . . . . . . . . . 2. Sozialutopie und Legitimation – Kunst und kunsthistorische Altertümer in den Ausstellungen. . . . . . . IV. Die Visualisierung des Fortschritts in der industrialisierten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Deutscher Stil“, „deutsche Arbeit“, „deutsches Reich“ – Nation und Nationalismus in den Industrie- und Gewerbeausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutschland in der Welt, die Welt in Deutschland – Nationale Repräsentation im In- und Ausland . . . . . . . . . . 3. „Welch ein Abstand!“ – Die Verortung des Fortschritts in Zeit und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913 . . . . . II. Archive und Archivquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Archive des Bundes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Landes- und Staatsarchive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreis- und Stadtarchive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaftsarchive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bildarchive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Handschriftliche Unikate/Rara in Bibliotheken . . . . . . . . . III. Zeitungen und Zeitschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . .
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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung „Kommt mit, wir wollen die Arbeit zusammen ansehen!“ Mit diesen Worten begann der linksliberale und fest im Protestantismus verwurzelte Reichstagsabgeordnete Friedrich Naumann seine „Ausstellungsbriefe“, in denen er seinen Lesern über den Besuch verschiedener nationaler und internationaler Industrie- und Gewerbeausstellungen berichtete: Nicht den Experten, den Techniker und Ingenieur, sondern den interessierten Laien wollte er an die Hand nehmen und mit der industriellen Arbeitsweise und ihren Erzeugnissen bekannt machen. Die Arbeit und ihre Produkte galten ihm als zentrale Sinnbilder der Zeit, denn: „Niemand begreift die Gegenwart, der für ihre Arbeitsweise keinen Sinn hat“. Da man aber „die Arbeit in ihren geschlossenen Räumen nur selten und unvollkommen beobachten kann, müssen wir sie dort suchen, wo sie selber sich zu zeigen bestrebt ist. Kommt mit auf die Ausstellungen!“1) Naumann warb nicht nur in seinen „Ausstellungsbriefen“, sondern auch in vielen Artikeln und kleineren Schriften für den Besuch von allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen, die in Deutschland seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts etabliert waren und ihren Höhepunkt auf der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erreichten. Was erklärt die Faszination des Politikers und Intellektuellen für die Expositionen, die nach bescheidenen Anfängen in der staatlichen und halbstaatlichen Gewerbeförderung mit immer größerem Aufwand Produkte von Industrie und Gewerbe präsentierten? Auf den Ausstellungen, so erläuterte Naumann seinem Publikum, „entscheidet sich ein Teil der deutschen Zukunft. Dort, wo ein großes internationales Volk um den Glanz aller Gewerbe sich drängt, spielt sich mehr ab als nur ein Schaustück. Dort wird Volkswirtschaft verstanden.“ Die Bedeutung, die er den Expositionen beilegte, verteidigte er gegen Vorbehalte, die diesen Großund Massenveranstaltungen insbesondere aus intellektuellen und bildungsbürgerlichen Kreisen entgegenschlugen. Rhetorisch geschickt band er die Kritik in seine Argumentation ein: Nur „dumme Menschen“ gingen noch auf Ausstellungen, so zitierte Naumann aus einem (fiktiven) Zwiegespräch anlässlich des Evangelisch-sozialen Kongresses. „Was werden Sie nun von mir behaupten, der seit der elektrischen Ausstellung von 1890 an fast alle größeren deutschen Provinzial-Ausstellungen und Gewerbe-Ausstellungen besucht, der 1900 Paris gesehen hat, und dennoch der Ausstellungen noch nicht müde geworden ist?“ Wo Naumann auf der einen Seite um die Gunst des Freundes rhetorisch bangte – „ich zittere um den Platz, den ich bis jetzt in Ihrer Wertschätzung zu haben glaubte, und nur das Bangen vor einem Versetztwerden
1)
Friedrich Naumann, Im Reiche der Arbeit. Neue unveränderte Auflage der Ausstellungsbriefe, Berlin 1913.
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A. Einleitung
auf die letzte Bank Ihrer Achtung drückt mir die Feder in die Hand“ –, so pries er doch andererseits die Möglichkeiten und das intellektuelle Potenzial, welches ein Ausstellungsbesuch seiner Meinung nach eröffnete. Zur Verdeutlichung diente ihm der Vergleich mit dem Besuch eines Museums: „Sagen Sie, Verehrtester, was will eigentlich unsereiner in einem Museum, wenn er kein Geld hat, in Bildern zu spekuliren? Er will sehen lernen, er will nichts als recht buchstäblich seinen Gesichtskreis erweitern. Dabei wird er die meisten einzelnen Bilder baldigst vergessen; was ihm aber bleibt, ist eine Gewöhnung an die Methode der Anschauung, in der sich die Künstler berufsmäßig üben. Der Besuch einer Bildergalerie ist Schwimmstunde für das Auge. Und der Besuch [der Industrie- und Gewerbeausstellung] Düsseldorf? Schwimmstunde für volkswirtschaftliches Denken!“ Naumann galten die Ausstellungen als „Illustrationen“ der um die Wende zum 20. Jahrhundert zu beobachtenden wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche sowie der zahlreich verlegten populären und wissenschaftlichen Literatur zu diesen volkswirtschaftlichen Fragen. „Ich bin durch die Gewerbehallen gegangen, als ob ich ein unendlich vielseitiges, großes historisch-volkswirtschaftliches Kolleg hörte“, so die Summe seiner Erfahrungen von Ausstellungsbesuchen. Die „Ausstellungsbriefe“ galten ihm als „anschauliche Ergänzung“ seiner ‚Neudeutschen Wirtschaftspolitik‘ und anderer populärwissenschaftlich-volkswirtschaftlicher Publikationen.2) Das euphorische Plädoyer des Ausstellungsenthusiasten Naumann führt nicht nur das Medium ein, welches im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen stehen wird: die allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen nationalen, regionalen und lokalen Zuschnitts, welche in Deutschland im Verlaufe des langen 19. Jahrhunderts veranstaltet wurden. Zugleich geben die Ausführungen Naumanns bereits wichtige Hinweise zur Bedeutung, zur Rezeption und zur Wirkung dieses Mediums: „Vergegenwärtigt man sich unvoreingenommen die Ereignisse, die die Menschen im [19.] Jahrhundert, vor allem in seiner zweiten Hälfte, besonders bewegt haben“, so Schmidt mit Blick auf die Weltausstellungen, „so wird man mit an erster Stelle die Ausstellungen nennen“ müssen. „Das Interesse, das diesen Veranstaltungen entgegengebracht wurde, die Hoffnungen und Erwartungen, die man daran knüpfte, ihre Bedeutung für das gesamte Zeitgeschehen überhaupt, sind heute kaum noch zu ermessen.“3) In absoluten Zahlen erreichten auch einzelne in Deutschland abgehaltene National- und Provinzialausstellungen Dimensionen, die an die kleineren Weltausstellungen heranreichten. Die größten Veranstaltungen
2) Vgl. dazu Traugott Jähnichen, Neudeutsche Kultur- und Wirtschaftspolitik – Friedrich Naumann und der Versuch einer Neukonzeptualisierung des Liberalismus im Wilhelminischen Deutschland, in: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.), Friedrich Naumann in seiner Zeit, Berlin/New York 2000, S. 151–166. 3) Willi Schmidt, Die frühen Weltausstellungen und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Technik, in: Technikgeschichte 34 (1967), S. 164–178, S. 165.
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A. Einleitung
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wurden von bis zu acht Millionen Besuchern gesehen. In ihrer innerdeutschen Wirkung übertrafen die im Zentrum stehenden Industrie- und Gewerbeausstellungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sogar ihre mondialen Pendants: Die Summe der Besucher, ihr publizistischer Widerhall und der damit verbundene Wirkungsgrad führen vor Augen, dass die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe als eines der erfolgreichsten Massenmedien des 19. Jahrhunderts gelten können.4) Ihre Popularität erklärt sich damit, dass sie in einer Mischung aus Unterhaltung und Belehrung gravierende Veränderungen und Umbrüche visuell thematisierten, denen sich die deutsche Gesellschaft mit der Industrialisierung und Hochindustrialisierung ausgesetzt sah. Die Expositionen waren – so die zentrale These der Arbeit, die im Folgenden auszuführen ist – Deutungsangebote und Erfahrungsorte für den technischen und industriellen Fortschritt, die Ausbildung der Konsumgesellschaft, die Verlockungen und Angebote einer entstehenden Freizeitindustrie. In der Summe ihrer Inszenierungen boten sie Modelle der sich industrialisierenden und der industrialisierten Gesellschaft: Sie boten eine Interpretation der Beziehungen zwischen Produktion und Konsum, indem sie die zunächst anonyme industrielle Ware über vielfältige Rahmungen sowohl in ein Ordnungssystem eingliederten als auch in den Sinnhorizont von Konsumenten einführten. Sie wiesen einzelnen Sozial- und Statusgruppen ihren Platz in der gesellschaftlichen Hierarchie der industrialisierten Gesellschaft zu. Sie ließen die Ausstellungsbesucher in Ritualen und Zeremonien an der Praxis der industriellen Gesellschaft teilhaben. Der hohe Grad an öffentlicher und intellektueller Aufmerksamkeit, den die Expositionen auf sich zogen, ist vielfach belegt: Die Ausstellungen waren auf das Engste eingebunden in die Medienlandschaft der Zeit. Zeitungen, Zeitschriften und die Illustriertenpublizistik berichteten ausführlich in Text und Bild. Nicht nur Kataloge und offizielle Dokumentationen, sondern auch zahlreiche Ausstellungsführer, humoristische Skizzen und wissenschaftliche Abhandlungen traten hinzu.5) Wie stark selbst einzelne Personen von den Expositionen angerührt waren, belegen persönliche „Erinnerungsalben“, die zum Teil mit größtem Aufwand angefertigt wurden: „Eine Collection artiger Schriftstücklein, die Gedenkblätter sein sollen“, hatte der Bielefelder Otto Westermann anlässlich der Detmolder Gewerbe-Ausstellung 1881 angefertigt und durch zahlreiche Fotografien, Zeitungsberichte und persönliche Notizen ergänzt.6) „Ein geradezu hungriges Interesse an der Ausstellungskultur und
4)
Vgl. dazu Anhang 1: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. 5) Vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen zu den „Quellen der Ausstellung“ in Kapitel IV. 6) Lippische Landesbibliothek Detmold: Otto Westermann, Gewerbe-Ausstellung der beiden Fürstentümer Lippe und Schamburg Lippe, Detmold 1881, L 5846.
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A. Einleitung
der Welt, die sie wollte“7), trieb einen Frankfurter Buchbinder dazu, sich der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung von 1891 anzunehmen.8) Die gesammelten Souvenirs, Fotos und Zeitungsausschnitte zeugen davon, dass der Handwerker Iffland und seine Frau das Ausstellungsangebot intensiv genutzt hatten: Sie hörten Vorträge des Elektrotechnikerkongresses, lauschten am Edison’schen Phonographen, standen vor dem „Berliner’schen Grammophon“ und zahlten den Obolus, um der Fernübertragung eines Konzertes aus München lauschen zu können. Gesammelt wurde alles, was Bezug zu der Ausstellung hatte: Entwertete Eintrittskarten aller Attraktionen gehören zum Album wie die Nähnadeln, die am Stand von Uhl & Staedtler elektrisch betrieben produziert und verteilt wurden. Fortschrittsoptimistische Vertreter feierten die Ausstellungen als „Manifeste des Fortschritts“, „Gradmesser unserer Gesammtcultur“ und „Feste der Arbeit“ oder wiesen ihnen gar die Bedeutung zu, „Meilenzeiger des geistigen und materiellen Fortschritts der Leistungs- und Konsumtionsfähigkeit“ und damit „Markstein für das Glück und das Gedeihen des Landes“ zu sein.9) Selbst Beobachter des Ausstellungswesens, die den rituell-überschwänglichen Schilderungen vom „idealen Werth“ skeptisch gegenüberstanden, welcher in Konversationslexika und feierlichen Eröffnungsreden beschworen wurde, zeigten sich doch von der Wirkung der Ausstellung überzeugt: „Die Tausende, welche zu der Ausstellung in Beziehung treten, [nehmen doch] viele Anregungen und Belehrungen mit nach Haus; ihr Wissen wird vermehrt und gefestigt. Wer möchte behaupten, daß irgend ein intelligenter Geschäftsmann von dem Besuch einer Ausstellung ohne Nutzen heimgekehrt wäre?“10) Zivilisations- und industrialisierungskritische Publizisten und Intellektuelle11) lassen sich ex negativo als Zeugen für die Aufmerksamkeit heranziehen, welche die Expositionen auf sich zogen: Wenn sie die Expositionen als „Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware“ ablehnten oder ihre ephemeren Großbauten und Parkanlagen gar mit dem „Turmbau zu Babel“ verglichen, dann verweist ihr Eifer zugleich auf die emotionale Wirkung der Ausstellungen.12) Besonders populär wurde die Äußerung des 33-jährigen Karl Marx zur Londoner 7)
„Eine neue Zeit…“. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, konzipiert von Jürgen Stehen, Frankfurt a. M. 1991, S. 390. 8) Vgl. Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt: Erinnerungsalbum von Carl Iffland. Roter Kallikoeinband mit einer Ansicht der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung von Westen, 1891. 9) Karl Gutzkow, Unterhaltungen am häuslichen Herd, zitiert nach Wilhelm Roscher, Die Industrieausstellungen, ihre Geschichte und ihr Einfluß auf die Culturentwicklung, in: Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, Leipzig 1856, S. 470–534, S. 470. 10) Franz C. Huber, Die Ausstellungen und unsere Exportindustrie, Stuttgart 1886, S. 11. 11) Zu dem in der Forschung wenig beachteten Strang der Zivilisations-, Fortschritts- und Technikkritik vgl. Rolf Peter Sieferle, Fortschrittsfeinde? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart, München 1984. 12) Walter Benjamin, Illuminationen, Frankfurt a. M. 1969, S. 190.
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A. Einleitung
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Ausstellung 1851, der seine Kritik mit einer weitgehenden Zukunftsprognose zum kapitalistischen System verknüpfte. Die erste Weltausstellung galt ihm als „schlagender Beweis von der konzentrierten Gewalt, womit die große moderne Industrie überall die nationalen Schranken niederschlägt und die lokalen Besonderheiten in der Produktion, den gesellschaftlichen Verhältnissen, dem Charakter jedes einzelnen Volks mehr und mehr verwischt.“ Die Bourgeoisie der Welt „errichtet durch diese Ausstellung im modernen Rom ihr Pantheon, worin sie ihre Götter, die sie sich selbst gemacht hat, selbstzufrieden ausstellt.“ Diese industrialisierungskritische Position verband sich im Denken von Marx mit der Gewissheit, dass die bürgerliche Gesellschaft in all dem Triumphalismus der Ausstellung auch den Keim ihres eigenen Untergangs präsentiere. „Die Bourgeoisie feiert dieses ihr größtes Fest in einem Augenblick, wo der Zusammenbruch ihrer ganzen Herrlichkeit bevorsteht, ein Zusammenbruch, der ihr schlagender als je nachweisen wird, wie die von ihr erschaffenen Mächte ihrer Zucht entwachsen sind.“13) Mögen die Expositionen als „Fortschrittsbarometer“ begrüßt oder als „Tempel des Fetischs Ware“ abgelehnt worden sein – immer waren es die in den Ausstellungen vorgenommenen Visualisierungen ökonomischer, industrieller und technischer Zustände, Entwicklungen und Zukunftsentwürfe, die im Positiven wie im Negativen auf Interesse stießen und damit die Anziehungskraft der Ausstellungen ausmachten. In den Expositionen fanden Auseinandersetzungen um die Deutung entscheidender Zukunftsfragen – die Freisetzung der Arbeit, die Industrialisierung von Wirtschaft und Gesellschaft inklusive des sozialen Ausgleichs sowie die Facetten des Fortschritts – ihren sicht- und streitbaren Ausdruck. Die Inszenierungen gaben Anlass zur Akklamation wie zum Protest; in jedem Fall forderten sie vielfältige Diskussionen heraus. In der Medien- und Kommunikationsrevolution des 19. Jahrhunderts14) waren die Expositionen von Industrie und Gewerbe derjenige Strang, der am engsten mit der Industrialisierung und der Entstehung der Marktgesellschaft verbunden war.15) Die Industrialisierung brachte nicht nur neue Produkte hervor, sondern führte zu einer räumlichen und sozialen Trennung von Produkt und Bedarfsdeckung. Damit entstand ein Bedürfnis nach Institutionen, die den Entscheidungsraum von Konsumenten zu bilden und zu strukturieren halfen. Zugleich erforderte die Entstehung von Produktionsregimes, die über die häusliche Wirtschaft hinausgriffen, einen öffentlichen Kontext, in dem diese neue Formen als legitime Formen der Organisation von Arbeit und Güterproduktion dargestellt und vermittelt werden konnten.
13)
Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue, Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke Bd. 7, Berlin 1964, S. 431. 14) Vgl. dazu die jüngste Skizze von Friedrich Lenger, Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, Stuttgart 2003, S. 96–103. 15) Kenneth W. Luckhurst, The Story of Exhibitions, London/New York 1951, S. 5.
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A. Einleitung
Insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschränkten sich die Ausstellungen nicht mehr darauf, Gewerbefleiß anzuregen und den Austausch zwischen Fabrikanten, Gewerbetreibenden und potenziellen Käufern zu fördern. Zusätzlich weckten sie Konsumbedürfnisse, erschlossen neue Märkte und popularisierten wissenschaftliche oder technische Innovationen. Auf diese Weise waren in ihren visuellen Inszenierungen sowie in ihrer rituellen Praxis Deutungsangebote angelegt, in denen die Umbrüche der Epoche und insbesondere die sozioökonomischen Veränderungen gedeutet und erfahrbar wurden.16) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen fungierten als Repräsentationen sozialen und ökonomischen Wandels, die ihrerseits dessen Wahrnehmung prägten und auf dessen Gestaltung zurückwirkten.17) Im Folgenden soll es darum gehen, die kommunikativen und gesellschaftlichen Kreise, die die Ausstellungen zogen, zu rekonstruieren und die Diskurs- und Praxisfelder auszuloten, die sich mit den Expositionen verbanden. Die Ausstellungen werden dabei nicht nur als Zeichen für die Industrialisierung betrachtet, sondern als ein Vehikel analysiert, welches den gesellschaftlichen Wandel beförderte. Sie waren „part of an attempt to […] forge a society that was receptive to a certain form of industrialisation.“18) Die Expositionen dienen somit als ein Zugang zu den Wahrnehmungen und den Kommunikationsprozessen, mit denen sich die Gesellschaft über die Strukturen, in denen sie lebte, und die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Veränderung im Prozess der Industrialisierung verständigte. Bevor ein methodischer Zugriff erarbeitet wird, der die Analyse im beschriebenen Sinn leitet, muss die skizzierte Problemstellung – die Wahrnehmung, Diskussion und Popularisierung ökonomischer und sozialer Veränderungen im Medium der Industrie- und Gewerbeausstellungen – im Kontext der Wirtschafts- und speziell der Industrialisierungsgeschichte wie auch der Medien- und speziell der Ausstellungsgeschichte positioniert werden. Die Industrialisierung und die Ausbildung der industriellen Gesellschaft waren (und sind) das zentrale Thema der Wirtschafts- und der Sozialgeschichte, wobei allerdings die angesprochenen Fragen nach Wahrnehmung, Popularisierung und Verständigung über den damit verbundenen Wandel meist unberücksichtigt blieben. Im Bereich der Ausstellungsgeschichte haben insbesondere die Weltexpositionen bereits das Interesse der Forschung gefunden, sind aber – so wird im Folgenden zu zeigen sein – nur auf bestimmte Facetten hin analysiert 16)
So im Kontrast zu Ingeborg Cleve, Dem Fortschritt entgegen. Ausstellungen und Museen im Modernisierungsprozess des Königreichs Württemberg (1806–1918), in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1 (2000), S. 149–170. 17) So war die Gründung des „Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen“ nicht zuletzt dem Impuls entsprungen, auch der Arbeiterschaft zu gedenken. Vgl. Jürgen Reulecke, Sozialer Frieden durch soziale Reform. Der Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen in der Frühindustrialisierung, Wuppertal 1983, S. 45–87. 18) Jeffrey Auerbach, The Great Exhibition of 1851. A Nation on Display, New Haven/ London 1999, S. 98.
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worden. Das nationale Ausstellungswesen hingegen ist kaum wahrgenommen worden. In beiden Forschungssträngen dominieren Analysen einzelner Ausstellungen, die als Ereignis dargestellt, aber nicht auf bestimmte Problemstellungen hin befragt werden. Während die Frage nach den Formen und Gehalten und – damit verbunden – nach den Kommunikationsleistungen in einigen Studien zum internationalen Ausstellungswesen zumindest anklingt, sind die Studien zum Ausstellungswesen in Deutschland meist als Organisations- und Institutionengeschichte konzipiert. Die Ergebnisse aus den genannten Forschungsfeldern gilt es im Sinne der skizzierten Fragestellung aufzunehmen und methodisch wie inhaltlich weiterzudenken.
I. Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte: Industrialisierung und industrialisierte Gesellschaft Historiker haben, so führt der italienische Wirtschaftshistoriker Carlo Cipolla aus, das Wort „Revolution“ oft gebraucht und missbraucht, in einem Fall aber treffe diese Bezeichnung zweifelsfrei zu: „Keine Revolution war je so dramatisch revolutionär wie die Industrielle Revolution“.19) Die in periodischen Abständen immer wieder geführte Diskussion darüber, ob diesem Prozess ein revolutionärer Charakter zu attestieren sei, kreist mehr um die Frage nach der Geschwindigkeit und dem Zäsurcharakter, als dass Dichte und Reichweite des Umbruchs selbst in Frage gestellt sind.20) In der Wirtschaftsgeschichtsschreibung ist die Industrialisierung lange Zeit vorrangig als ein sozialökonomischer Prozess beschrieben worden. Im Vordergrund standen (und stehen) Fragen nach ökonomischen Voraussetzungen und Entwicklungsschüben, nach Wachstumsprozessen und technischen Innovationen, nach der Rolle von Unternehmern und dem Einfluss des Staates. Aus diesen Forschungen lässt sich eine ökonomische Beschreibung der Industrialisierung ableiten: Trotz einer steigenden Bevölkerungszahl etablierte sich ein zwar konjunkturellen Schwankungen unterliegendes, aber dauerhaftes ökonomisches Pro-Kopf-Wachstum, welches nicht mehr auf die extensive Erhöhung des Einsatzes von Produktionsfaktoren zurückzuführen war, sondern sich über die Vermehrung des Faktoreneinsatzes hinaus beschleunigte und 19)
Carlo M. Cipolla, Die Industrielle Revolution in der Weltgeschichte, in: ders./Knut Borchardt (Hrsg.), Europäische Wirtschaftsgeschichte, Bd. 3: Die Industrielle Revolution, Stuttgart/New York 1985, S. 1–10, S. 2. 20) Vgl. Lenger, Revolution, S. 31 f.; Hans-Werner Hahn, Die industrielle Revolution in Deutschland, München 1998, S. 51–58; John Komlos, Ein Überblick über die Konzeptionen der Industriellen Revolution, in: VSWG 84 (1997), S. 461–511; wichtig David S. Landes, The fable of a Dead Horse; or, The Industrial Revolution Revisited, in: Joel Mokyr (Hrsg.), The British Industrial Revolution. An Economic Perspective, Boulder/San Francisco/Oxford 1993, S. 132–170, S. 170; Maxine Berg/Pat Hudson, Rehabilitating the Industrial Revolution, in: EconHR 2 (1992), S. 24–50.
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verstetigte. Technisch-organisatorische Neuerungen und wissenschaftliche Strategien zur Entwicklung neuer Produktionsmöglichkeiten verbesserten nicht nur die Produktionseffizienz, sondern führten auch zu einer dauerhaft hohen Investitionsquote.21) Über diese ökonomische Perspektive hinaus steht der Begriff der Industrialisierung im Folgenden aber für einen umfassenden Prozess sozialen und kulturellen Wandels vom „Agrarland“ zu einer Industriegesellschaft. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts veränderten sich insbesondere die westeuropäischen Gesellschaften nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern grundlegend:22) Mit der Marktwirtschaft und der Revolutionierung des Produktionsprozesses setzte sich nicht nur eine neue Wirtschaftsordnung durch. „Auch die alte, durch ständische Privilegien strukturierte Feudalgesellschaft wurde von der wesentlich durch den Besitz oder Nichtbesitz von Kapitalgütern strukturierten Marktgesellschaft abgelöst.“ Die Herausbildung von Marktklassen tangierte zwar auch die ständischen Formationen des Adels und des Bürgertums. „Das Charakteristikum der Marktgesellschaft des 19. Jhs. war aber das Vordringen der Lohnarbeit und damit die Herausbildung der sozialen Klassen der Fabrikarbeiterschaft.“23) Mit dem sozioökonomischen Wandel verband sich eine „kulturelle Umwälzung sondergleichen“.24) Die Erfahrung einer Beschleunigung der Zeit, der Schrumpfung des Raums steht ebenso für diesen Umbruch wie die Diskussionen um eine Neudefinition und -bewertung menschlicher Arbeit oder die Legitimität des Eigennutzes in einer sich industrialisierenden Gesellschaft.25)
21)
Vgl. Kenneth D. Barkin, The Controversy over German Industrialization 1890–1902, Chicago 1970, S. 1. Vgl. Jürgen Kocka, Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart 2001, S. 49 f. Vgl. Lenger, Industrielle Revolution, S. 31. Stark auf die konsumgeschichtliche Dimension beschränkt sich Wolfgang Ruppert, so dass seine Definition der industriellen Moderne hier keine Anwendung findet. Vgl. Wolfgang Ruppert, Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, in: ders. (Hrsg.), Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge, Frankfurt a. M. 1993, S. 14–37, S. 27: Industrielle Moderne umfasst die „Aspekte, die im Gefolge der Industrialisierung und ihrer forcierten Arbeitsteilung entstanden sind, und gerade auch die industriell gefertigen Objekte der materiellen Kultur“. 22) Für die deutsche Forschung vgl. Hans-Ulrich Wehler, Bismarck und der Imperialismus, Köln 4. Auflage 1976, S. 16. Vgl. Wolfram Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871, München 1995, S. 167; Eric Hobsbawm, Industrie und Empire, Bd. 1: Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750, Frankfurt a. M. 1969, S. 14; eine aktuelle Einführung unter Nennung der zahlreichen Literatur von Hans-Werner Hahn, Die industrielle Revolution. 23) Dieter Ziegler, Das Zeitalter der Industrialisierung 1815–1914, in: Michael North (Hrsg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, München 2000, S. 192–281, S. 281. 24) Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, S. 54. 25) Vgl. zum Beispiel Peter Borscheid, Zeit und Raum. Von der Beschleunigung des Lebens, in: Reinhard Spree (Hrsg.), Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, München 2001, S. 23–49; Wolfgang Schivelbusch, Geschichte der Eisenbahnreise. Zur In-
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Die Vorstellung von der Robinsonade des einsamen Industriepioniers, aus dessen Streben die Überlegenheit der Marktwirtschaft erwachsen wäre, ist ebenso ad acta gelegt wie die Idee von einem sich seiner eigenen Klasse immer bewusster werdenden Proletariat. Soziale Wertordnungen, Verhaltensformen und Kulturtraditionen mussten sich wandeln, um der faktischen Ausprägung der Industriegesellschaft den Weg zu bereiten.26) Damit stellt sich die Frage umso dringender: Wie gelang es einer Gesellschaft und den in ihr zusammengefassten Individuen, die allenfalls auf eine geringfügige Modifikation traditioneller sozialer Imperative konditioniert war, in ihre Organisationsform und in ihren Wertekonsens die „exotischen“ Werte des Kapitalismus zu implementieren?27) Wie konnte eine traditionelle Gesellschaft in der Industrialisierung veränderte Werte hervorbringen und Handlungsmuster evozieren, bevor sie generell anerkannt waren?28) Das in den letzten fünfzehn Jahren lebhaft erwachte Interesse der Geschichtswissenschaft an der subjektiven Dimension von Geschichte, an „Erfahrung“, an Mustern der Selbst- und Fremdwahrnehmung, an gesellschaftlichen Disparitäten und entsprechenden Diskursen ließe ebenso wie die seit 1995 von Vertretern der Wirtschafts- und Sozialgeschichte geführte Debatte um das Selbstverständnis der eigenen Disziplin vermuten,29) dass die Erfahrungs-, Repräsentations- und Ideengeschichte von Wirtschaft ein reich bestelltes Feld sei. Im Gegenteil aber zeigt sich, dass neben der klassischen ökonomischen Dogmengeschichte nur in wenigen Segmenten tatsächlich Anstrengungen in diese Richtung unternommen wur-
dustrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1995; Joachim Radkau, Das Zeitalter der Nervosität, München/Wien 1998; Jürgen Kock/Claus Offe (Hrsg.), Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt a. M. 2000; Winfried Schulze, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: HZ 243 (1986), S. 591–626; Hubert Treiber/Heinz Steinert, Die Fabrikation des zuverlässigen Menschen. Über die „Wahlverwandtschaft“ von Kloster- und Fabrikdisziplin, München 1980. 26) Vgl. Knut Borchardt, Europas Wirtschaftsgeschichte – ein Modell für die Entwicklungsländer?, in: Rudolf Braun/Wolfram Fischer/Helmut Großkreutz/Hans Volkmann (Hrsg.), Gesellschaft in der industriellen Revolution, Köln 1973, S. 343–366, S. 353; auch Rudolf Boch, Grenzenloses Wachstum? Das rheinische Wirtschaftsbürgertum und seine Industrialisierungsdebatte 1814–1857, Göttingen 1991, S. 14 f. 27) Diese Fragen enthalten einen Forschungsanstoß, der in der historischen Schule und in der Nationalökonomie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vielfältig thematisiert wurde, in der aktuellen deutschsprachigen Forschung aber kaum Beachtung findet. Vgl. Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik XX./XXI. (1905), S. 1–110, S. 60; Werner Sombart, Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus, München 1927, S. 26 f. 28) Joyce Appleby verfolgt diese Fragen anhand der Analyse ausgewählter Autobiographien zwischen 1765 und 1805. Vgl. Joyce Appleby, New Cultural Heroes in the Early National Period, in: Thomas L. Haskell/Richard F. Teichgraber III (Hrsg.), The Culture of the Market. Historical Essays, Cambridge 1993, S. 163–188, S. 164. 29) Vgl. dazu die Beiträge in der VSWG 82 (1995), S. 387–422, S. 497–510.
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den.30) „To de-economize economic history and to re-economize social history“, forderten Louise, Charles und Richard Tilly bereits 1991.31) In seltener Einmütigkeit mahnen ein Gesellschafts- wie ein Ideenhistoriker eben solche Forschungen an: Hans-Ulrich Wehler hat jüngst beklagt, dass „die Wirtschaft als ein eigenes, längst rechtlich, politisch, sozialpsychisch tief verankertes Institutionengefüge mit eigenen Entwicklungsrhythmen und einer eigenen mentalitäts- und verhaltensprägenden Kraft“ in der „‚neuen Kulturgeschichte‘“ völlig an den Rand gerückt sei. „Nicht einmal die Diskursanalyse der Entscheidungsprozesse, etwa über den Aufbau und die Ausdehnung der neuzeitlichen Marktwirtschaft und der Marktgesellschaft oder über folgenreiche wirtschaftspolitische Entscheidungen“ stießen mehr auf Interesse. Lucian Hölscher hat bereits vor über zehn Jahren reklamiert, dass neben den ‚klassischen‘, problematischerweise als „Realproblemen“ etikettierten Forschungsgegenständen der historischen Sozialwissenschaften „der politisch-soziale Diskurs, in dem sich die Zeitgenossen über die Gesellschaftsstruktur, in der sie lebten, und die Möglichkeiten ihrer Veränderung verständigten“, zu kurz gekommen sei.32) Unbekannt sei immer noch, so monierte Jürgen Reulecke in seinen Studien zur frühbürgerlichen Sozialreform 1983, in welcher Weise ‚Spielregeln‘ der Marktgesellschaft, aber auch Mechanismen des Interessenausgleichs „erfunden“ und popularisiert wurden.33) Auf der kulturellen und
30)
Zum Forschungsstand vgl. Hartmut Berghoff/Jakob Vogel, Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Ansätze zur Bergung transdisziplinärer Synergiepotentiale, in: dies., Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte, Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt a. M. 2004, S. 9–42; Keith Tribe, Governing Economy. The Reformation of German Economic Discourse 1750–1840, Cambridge 1988; zum Forschungsstand vgl. ebd., S. 4: „There is in the following, for example, no systematic discussion of the Historical School, Younger or Older, no exposition of Austrian economics; nor of the social question articulated by von Stein und Schäffle. It is not as though we were already awash with studies of these topics; important as they are for an understanding of the genesis of the social sciences, the number of useful articles, let alone monographs, dedicated to such themes can be counted on the fingers of one hand.“ Klassisch ideenhistorisch, allerdings mit einer immensen Erweiterung der Quellenbasis Clemens Picht, Handel, Politik und Gesellschaft. Zur wirtschaftspolitischen Publizistik Englands im 18. Jahrhundert, Göttingen 1993. 31) Louise, Charles und Richard Tilly, European Economic and Social History in the 1990s, in: JEEH 3 (1991), S. 645–671, S. 647. 32) Hans-Ulrich Wehler, Das Duell zwischen Sozialgeschichte und Kulturgeschichte. Die deutsche Kontroverse im Kontext der westlichen Historiographie, in: Francia 28 (2001), Nr. 3, S. 103–110, S. 104; Lucian Hölscher, Wie begrenzt ist die Sozialgeschichte? Diskutiert am Beispiel des Industrialisierungsdiskurses, in: Manfred Hettling u. a. (Hrsg.), Was ist Gesellschaftsgeschichte? Positionen, Themen, Analysen, München 1991, S. 312–322, S. 314; aus der Perspektive der historischen Anthropologie benennt dieses Defizit Jakob Vogel, Historische Anthropologie, in: Christoph Cornelißen (Hrsg.), Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, Frankfurt a. M. 2000, S. 295–306, S. 303. 33) Vgl. Reulecke, Friede, S. 26.
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ideengeschichtlichen Seite der Industrialisierung, so hat auch Jürgen Kocka konzediert, „bleibt noch vieles zu erforschen.“34) Methodische Anregungen und inhaltliche Anstöße finden in dieser Weise ausgerichtete Studien in der deutschen, vor allem aber in der britischen und amerikanischen Geschichtsschreibung, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften.35) Insbesondere im englischen Sprachraum wird zunehmend nach der „Kultur des Marktes“, der „Wirtschaftskultur“ oder – weiter gefasst – nach der „Marktgesellschaft“ gefragt.36) Exemplarisch dafür steht der Soziologe Berger, der den Zusammenhang kultureller und ökonomischer Faktoren mit dem Begriff der „Wirtschaftskultur“ beschreibt. Damit charakterisiert er den „soziokulturellen Kontext“ politischer, sozialer und mentaler Strukturen, von dem wirtschaftliche Tätigkeiten und Einrichtungen geformt und gestaltet werden.37) Auf historischer Seite waren es vor allem Vertreter der Annales-Schule, der von ihr stark beeinflussten historischen Anthropologie sowie der Alltags- und der Geschlechtergeschichte, die gezeigt haben, dass es nicht ‚anonyme Kräfte‘ waren, die die Genese der Marktgesellschaft vorantrieben, sondern dass ihre Entwicklung immer wieder von der Summe individueller Entscheidungen vorangetrieben oder auch blockiert wurde.38) Die umfassende Diskussion der
34)
Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, S. 55. Diese sozioökonomische Verengung, die die Erforschung der Industrialisierung in den vergangenen Jahrzehnten kennzeichnete, ist umso erstaunlicher, da insbesondere die deutsche Forschungstradition einen Ansatz nahe legt, der auch kulturelle Aspekte wirtschaftlichen Wandels thematisiert: Eine ganze Generation deutscher Nationalökonomen – und gerade Max Weber und Werner Sombart – haben in der Änderung der „Wirtschaftsgesinnung“ sogar Antrieb und Ursache für den Siegeszug des modernen Kapitalismus gesehen. 35) Hinweise darauf bei Clemens Wischermann, Vom Gedächtnis und den Institutionen. Ein Plädoyer für die Einheit von Kultur und Wirtschaft, in: Eckart Schremmer (Hrsg.), Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Gegenstand und Methode, Stuttgart 1998, S. 33; Berghoff/Vogel, Wirtschaftsgeschichte, S. 9–47; zentrale Impulse erhielt die Forschung aus der Proto-Industrialisierungsdebatte. Vgl. Peter Kriedte/Hans Medick/Jürgen Schlumbohm, Industrialisierung vor der Industrialisierung. Gewerbliche Warenproduktion auf dem Land in der Formationsperiode des Kapitalismus, Göttingen 1977; zur deutschsprachigen Konsumgeschichte siehe die einleitenden Bemerkungen zu Kapitel C IV in dieser Studie. 36) Thomas L. Haskell/Richard F. Teichgraber III, Introduction: The Culture of the Market, in: diess. (Hrsg.), Culture, S. 1–39; Peter L. Berger, Die kapitalistische Revolution. Fünfzig Leitsätze über Wohlstand, Gleichheit und Freiheit, Himberg 1991, S. 42 f.; zum Konzept der „Marktgesellschaft“ siehe den Literaturbericht von Paul Nolte, Der Durchbruch der amerikanischen Marktgesellschaft. Wirtschaft, Politik und Kultur in der frühen Republik (1790–1850), in: HZ 265 (1998), S. 695–716. 37) Peter L. Berger, The Capitalist Revolution. Fifty Propositions about Prosperity, Equality and Liberty, New York 1986, S. 24. „Economic Institutions do not exist in a vacuum but rather in a context of social and political structures, cultural patterns, and indeed structures of consciousness (values, ideas, belief systems).“ 38) Ein Forschungsüberblick bei Berghoff/Vogel, Wirtschaftsgeschichte, S. 9–47; daneben seien genannt die Beiträge in Haskell/Teichgraber (Hrsg.), Culture; Allan Kulikoff, The Agrarian Origins of American Capitalism, Charlottesville/London 1996.
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amerikanischen Forschung zur Ideen- und Mentalitätsgeschichte des Kapitalismus hat die deutschsprachige Forschung nur am Rande zur Kenntnis genommen.39) Die Wirtschaftswissenschaften haben sich neben der Evolutionsökonomie und der Unternehmenskulturforschung vor allem mit dem Instrumentarium der neuen Institutionenökonomie (NIÖ) dem Zusammenhang von ökonomischen Prozessen und kulturellen Prägungen geöffnet: „Institutions matter“, so das zentrale Credo der NIÖ, welches in der Weiterentwicklung durch die Überzeugung „history matters“ ergänzt wurde. Was im Sinne der NIÖ als „Institution“ zu fassen ist, ist auch im engeren Kern ihrer Anhänger immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Als kleinster gemeinsamer Nenner hat sich eine Definition herausgeschält, die die Institution als „ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente“ beschreibt, deren Zweck es ist, „das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern.“ Auf diese Weise „strukturieren sie unser tägliches Leben und […] verringern dessen Unsicherheiten.“40) Dass die formellen Institutionen allenfalls einen Teil der Erklärung bieten, hat insbesondere Douglass North im Laufe der neunziger Jahre entwickelt.41) Ob und wie diese funktionieren, darüber entscheiden maßgeblich informelle Institutionen. Fundamentale Überzeugungen, Werthaltungen und Gewohnheiten sind historisch gewachsen und vor allem kulturell determiniert. Wo die Theoretiker der NIÖ die Funktion von Institutionen maßgeblich damit bestimmen, dass Informationen koordiniert werden, da führen Nieberding und Wischermann die Größe „Kultur“ ein: Diese „kann man auch als Chiffre für kollektiv geteilte Sinnmuster bezeichnen, die individuelles Denken und Handeln – auch im ökonomischen Rahmen – bestimmen.“ Nach wirtschaftlichem Wandel zu fragen heißt dann, nicht mehr allein Institutionen zu untersuchen, sondern die „Institutionalisierungsprozesse von Sinnentwürfen und ihren Regeln in den Mittelpunkt“ zu stellen. Dass die wirtschaftshistorische wie die ökonomische Debatte darüber noch ganz in den Anfängen steckt, streichen Nieberding und Wischermann deutlich heraus. Es wäre zu begrüßen, wenn sich ihre Prognose erfüllt, dass „wir auf diesem Feld die schärfsten Auseinan-
39)
Vgl. Paul Nolte, Durchbruch der amerikanischen Marktgesellschaft, S. 695–716. Vgl. aber Rudolf Boch, Grenzenloses Wachstum? Boch skizziert die rheinische Unternehmerschaft als eine soziale Gruppe, die sich als wirtschaftsbürgerliche Elite in einer führenden Industrieregion bereits Anfang der 1830er Jahre über den Erwartungshorizont eines prinzipiell grenzenlosen Wachstums verständigte. 40) Rudolf Richter, Institutionen ökonomisch analysiert. Zur jüngeren Entwicklung auf einem Gebiet der Wirtschaftstheorie, Tübingen 1994, S. 2. 41) Douglass C. North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992, S. 167 f., vgl. dazu auch Birger P. Priddat, Historische Methode und moderne Ökonomie. Über das Methodische in der Historischen Schule und das Historische in der Neuen Institutionenökonomie, in: Berghoff/Vogel, Wirtschaftsgeschichte, S. 99–116.
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dersetzungen zwischen Wirtschafts- und Kulturwissenschaften noch vor uns haben“.42) Bisherige Forschungen, die sich auf Bergers Definition und verwandte Ansätze beziehen, zielen vor allem darauf ab, ökonomische Prozesse in ihrer Abhängigkeit von sozialen, kulturellen und politischen Dispositionen zu zeigen und damit zu kontextualisieren: Kultur, so ließe sich die gemeinsame Grundüberzeugung verkürzt zusammenfassen, beeinflusst Ökonomie und wirtschaftliches Verhalten. Vertreter des cultural turn haben auf eine zweite Beziehung von Wirtschaft und Kultur aufmerksam gemacht, die die skizzierte Perspektive übersteigt: Auch die Wirtschaft selbst ist eine kulturelle Größe, die durch Wahrnehmung und Beschreibung dieser Prozesse vermittelt wird. Wirtschaftliches Handeln und Marktaktivitäten sind keine natürlichen, sondern soziale Ereignisse. Auch diese sind auf Bedeutungs- und Sinnstiftung angewiesen und kommen daher nicht ohne Bilder, Symbole und Rituale aus.43) „We need to shift our focus away from concerns of contextualization und embedding, and towards the representational and discursive constitution of economic life“, so die Anregung des britischen Sozialgeographen Philip Crang.44) Für die Economics, die Ökonomie als Wissenschaft, ist die Frage nach der diskursiven Konstituierung von Wirtschaft aufgenommen worden,45) nicht aber für andere Medien und Organe, in denen sich eine Gesellschaft darüber verständigte, was Wirtschaft eigentlich ist und sein soll, auf welchen Grundlagen sie beruhen und welche gesellschaftlichen Konsequenzen sie haben soll oder darf. Grundannahmen und Überlegungen der skizzierten Forschungsansätze haben die nachfolgende Studie in vielem inspiriert. Natürlich ‚bewegen‘ Turbinen und Konjunkturen, Eisenbahnen und technologische Innovationen die Geschichte. Habitusformen und Ideologien, Erziehungsstile und Befindlichkeiten sind aber mehr als nur Begleitwerk, sondern ein konstitutiver Bestandteil der Wirtschaft und wirtschaftlichen Handelns. Eine „Kulturgeschichte der Wirtschaft“ oder eine „ökonomische Anthropologie“, die sich diesen Fragen widmet, scheint ein „besonders vernachlässigtes Feld“ zu sein, welches nicht nur zwei auseinander laufende Stränge der Historiographie miteinander ver-
42) Clemens Wischermann/Anne Nieberding, Die institutionelle Revolution. Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2004, S. 29. Programmatisch Wischermann, Gedächtnis, in: Schremmer (Hrsg.), Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 33. 43) Vgl. z. B. Christel Köhle-Hezinger (Hrsg.), Der neuen Welt ein neuer Rock. Studien zu Kleidung, Körper und Mode an Beispielen aus Württemberg, Stuttgart 1993; aus der Perspektive der Volkskunde vgl. Ira Spieker, Ein Dorf und sein Laden. Warenangebot, Konsumgewohnheiten und soziale Beziehungen um die Jahrhundertwende, Münster 2000. 44) Phillip Crang, Introduction. Cultural Turns and the (re)constitution of Economy Geography, in: Roger Lee/Jane Wills (Hrsg.), Geographies of Economies, London 1997, S. 3–15. 45) Vgl. den Forschungsstand zusammenfassend Don Slater/Fran Tonkiss, Market Society. Markets and Modern Social Theory, Cambridge 2001, S. 191–195.
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knüpft, sondern auf dem auch empirisch „eine reiche Ernte winkt“.46) Das zentrale Medium, an welchem die umrissenen Problemkomplexe in dieser Studie empirisch untersucht werden sollen, sind die Industrie- und Gewerbeausstellungen. In einem zweiten Zugriff sollen deshalb die auf dem Feld der Medien- und Ausstellungsgeschichte einschlägigen Forschungen auf ihren methodischen und inhaltlichen Nutzen für die hier untersuchte Fragestellung hin analysiert werden.
II. Jenseits der Great Exhibition: Industrie- und Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert 1983 noch konstatierte Jürgen Reulecke, daß die Bedeutung der Gewerbeausstellungen für den industriellen Entwicklungsprozess „bisher fast gänzlich übersehen worden“ sei. Mittlerweile ist diese Einschätzung zu relativieren, dennoch aber beschränkt sich die Ausstellungsforschung zeitlich, räumlich und typologisch auf wenige ausgewählte Segmente47): Die Mehrzahl der Studien ist von den Weltausstellungen fasziniert.48) Wenig gewagt ist die Progno-
46)
Paul Nolte, Georg Simmels Historische Anthropologie der Moderne. Rekonstruktion eines Forschungsprogramms, in: GG 24 (1998), S. 225–247, S. 246. Ähnlich Thomas Welskopp, Die Sozialgeschichte der Väter. Grenzen und Perspektiven der Historischen Sozialwissenschaft, in: GG 24 (1998), 173–198, 191 f. Aus Sicht der historischen Anthropologie vgl. mit ähnlichen Forderungen Fredrik Barth, Economy, Agency and Ordinary Lives, in: Social Anthropology 5 (1997) S. 233–242, S. 242: „To develop the models of culture and economy that will allow us to analyse the interdependence of human lifes, social relations and macro-systems of economy and politics“; auch Reinhard Johler, Bäuerliches Kreditwesen im Alpenraum. Vorbemerkung zu einer „economic anthropology“, in: HA 7 (1999), Heft 1, S. 146–153, S. 147: „Es lohnt aber, Ökonomie und Kultur wieder gemeinsam zu behandeln!“ 47) Eine in Abständen aktualisierte Bibliographie bietet die Internetressource von Alexander C. T. Geppert/Jean Coffey/Tammy Lau, International Exhibitions, Expositions universelles and World’s Fairs, 1851–1951: A Bibliography, bereitgestellt unter anderem auf den Internetseiten von Wolkenkuckucksheim: Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur (Special Issue 2000). 48) Zur Geschichte der Weltausstellungen vgl. neben dem Forschungsüberblick von Alexander C. T. Geppert, Welttheater: Die Geschichte des europäischen Ausstellungswesens im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Forschungsbericht, in: NPL 1 (2002), S. 10–61, S. 11, die eher essayistischen Publikationen von Winfried Kretschmer, Geschichte der Weltausstellungen, Frankfurt a. M. 1999; Martin Wörner, Die Welt an einem Ort. Illustrierte Geschichte der Weltausstellungen, Berlin 2000; Thomas Schriefers, Für den Abriss gebaut? Anmerkungen zur Geschichte der Weltausstellungen, Hagen 1999; einen wissenschaftlichen Anspruch haben unter anderem Eckhardt Fuchs, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, Leipzig 2000 (Themenheft der Zeitschrift Comparativ); Brigitte Schröder-Gudehus/Antoine Rasmussen, Les Fastes du Progrés. Le Guide des Expositions universelles 1851–1992, Paris 1992; Robert W. Rydell, The Books of the Fairs. Materials about World’s Fairs 1834–1916, Chicago/Washington 1992; Linda Aimone/Carlo Olmo, Le esposizioni universali 1815–1900. Il progresso in scena, Turin 1990; John Allwood, The great exhibi-
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II. Jenseits der Great Exhibition
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se, dass sich ihre Attraktivität noch steigern wird. In diesem Leitmedium des 19. Jahrhunderts scheinen sich „die historischen Vorläufer einer Vielzahl aktueller Entwicklungen en détail beobachten und in nuce studieren“ lassen. Prozesse wie die Internationalisierung und Globalisierung der Welt wie auch die Medialisierung, Visualisierung und Virtualisierung unserer heutigen Wirklichkeiten haben sich vermeintlich in diesem historischen Vorläufer kondensiert und lassen sich dort konzentriert studieren. Zudem können die Ausstellungen als Untersuchungsfelder par excellence gelten für diejenige Art visueller Konsumkultur und verdichteter, hochgradig komplexer urbaner Räume, die als spezifisch für die Moderne und die Nachmoderne erachtet werden. Wo die internationale, insbesondere die englischsprachige Forschung sich schon seit mehreren Jahrzehnten des Ausstellungsthemas angenommen hat, da ist in Deutschland das Interesse an der Exposition speziell im Umfeld der Weltausstellung 2000 in Hannover gestiegen. Trotzdem reicht die Zahl der Studien, die der verhaltene Boom hervorgebracht hat, nicht an die Dichte vor allem der britischen und amerikanischen Forschung heran. Traditionell sind die Expositionen von der Technikgeschichte als wichtige Umschlagbörsen für Innovationen gewürdigt worden.49) Für an der Geschichte der internationalen Beziehungen interessierte Wissenschaftlern galten und gelten diese als wichtige Kommunikations- und Repräsentationsorte für die Staatengemeinschaft wie auch für nichtstaatliche transnationale Organisationen.50) Bei Vertretern der politischen Geschichtsschreibung sind es vor allem die Ausstellungen in den Diktaturen und deren Beiträge zu den Weltausstellungen, die auf ihre symbolischen Gehalte und kulturpolitischen Bedeutungen hin analysiert wurden.51) Vor allem der Nationalismusforschung gelten die Weltausstellungen als wichtige Ausdrucksformen nationaler Selbstdefinition und Selbstrepräsentation und wurden dementsprechend als Identitätssurro-
tions, London 1977; Paul Greenhalgh, Ephemeral Vistas. The Expositions Universelles, Great Exhibitions and World’s Fairs 1851–1939, Manchester 1988. 49) Vgl. Schmidt, Weltausstellungen. 50) Vgl. den Forschungsüberblick bei Eckhardt Fuchs, Nationale Repräsentation, kulturelle Identität und imperiale Hegemonie auf den Weltausstellungen: Einleitende Bemerkungen, in: Comparativ 5/6 (1999), S. 8–14, sowie die sich anschließenden Beiträge des Heftes; Madeleine Herren, Hintertüren zur Macht. Internationalismus und modernisierungsorientierte Außenpolitik in Belgien, der Schweiz und den USA, München 2000. 51) Mit neuer Literatur Hans-Ulrich Thamer, Geschichte und Propaganda. Kulturhistorische Ausstellungen in der NS-Zeit, in: GG 24 (1998), S. 349–381; ders., Die Repräsentation der Diktatur: Geschichts- und Propagandaausstellungen im nationalsozialistischen Deutschland und im faschistischen Italien, in: Christof Dipper (Hrsg.), Faschismus und Faschismen im Vergleich. Wolfgang Schieder zum 60. Geburtstag, Greifswald 1998, S. 229–246; Stefanie Schäfers, Vom Werkbund zum Vierjahresplan. Die Ausstellung ‚Schaffendes Volk‘ Düsseldorf 1937, Düsseldorf 2001; Christoph Kivelitz, Die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen. Konfrontation und Vergleich: Nationalsozialismus in Deutschland, Faschismus in Italien und die UdSSR der Stalinzeit, Bochum 1999.
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gate analysiert.52) Ethnographische volkskundliche Zugriffe haben diese Studien ergänzt um die Analyse von Fremdheitsdarstellungen und -erfahrungen auf den internationalen Ausstellungen,53) nicht ohne dabei konzeptionelle Kritik zu provozieren, die sich vor allem an der analytischen Schwäche des angewandten Konzeptes der kollektiven Identitäten stieß.54) Nur am Rande und meist eher assoziativ sind dabei auch die innenpolitischen und – im weiteren Sinne – gesellschaftlichen Implikationen der Ausstellungsprojekte thematisiert worden. Lediglich die (Welt-)Ausstellungen im englischsprachigen Raum sind bereits in dieser Hinsicht interpretiert worden. „Ever since London’s 1851 Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations, expositions have reflected profound concerns about the future and deflected criticism of the established political and social order.“55) So stand der Kristallpalast ebenso für den Erhalt der etablierten Ordnung wie gegen demokratische Erhebungen auf dem Kontinent und gegen die innenpolitische Herausforderung durch die Chartisten.56) Die amerikanischen Weltausstellungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts waren laut Rydell „organized responses“ auf die während und im Nachklang der Wirtschaftskrise 1873 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs andauernde Zunahme von Klassen- und Verteilungskonflikten. Ulrike Weber-Felber interpretiert in ihren „Assoziationen zum Thema Weltausstellung“ verschiedene Expositionen des 19. Jahrhunderts global unter dem Aspekt der sozialen Befriedung zwischen den entstehenden Klassen.57) Vor allem die Integration von Schichten, Klassen und Interessengruppen, die man sich von den Ausstellungen erhoffte, macht ver-
52)
Vgl. dazu Abschnitt D IV 3 in dieser Studie. Vgl. Wolfram Kaiser, Vive la France! Vive la République? The Cultural Construction of French Identity at the World Exhibitions in Paris 1855–1900, in: National Identities 1 (1999), 3, S. 227–244; Bernhard Stier, Wahrnehmung Großbritanniens, deutsche Selbstdarstellung und nationale Frage. Südwestdeutschland auf den Londoner Weltausstellungen der Jahre 1851 und 1862, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 149 (2001), S. 263–316. 53) Beispielgebend Timothy Mitchell, The World as Exhibition, in: Comparative Studies in Society and History 31 (1989), Heft 2, S. 217–236; ders., Colonising Egypt, Berkeley 1991, insbesondere das 1. Kapitel. Als jüngstes deutschsprachiges Beispiel vgl. Martin Wörner, Vergnügen und Belehrung. Volkskultur auf den Weltausstellungen 1851–1990, Münster/ München 1999. Vgl. dazu auch die wichtigen Hinweise in der Internetrezension von Alexander C.T. Geppert auf dem Server H-Soz-u-Kult vom 14. 9. 1999 (http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=35). 54) Vgl. Alexander C. T. Geppert, Exponierte Identitäten? Imperiale Ausstellungen, ihre Besucher und die Frage der Wahrnehmung, 1876–1937, in: Ulrike von Hirschhausen/Jörn Leonhard (Hrsg.), Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich, Göttingen 2002, S. 181–203. 55) Robert W. Rydell, All the World is a Fair: Visions of Empire at American International Expositions, 1876–1916, Chicago 1984, S. 5. 56) Weitere Anmerkungen bei Wolfram Kaiser, Die Welt im Dorf. Weltausstellungen von London 1851 bis Hannover 2000, in: PolZG B 22–23 (2000), S. 3–10. 57) Vgl. Ulrike Weber-Felber, Manifeste des Fortschritts – Feste der Klassen? Assoziationen zum Thema Weltausstellung, in: Beiträge zur historischen Sozialkunde 4 (1987) S. 107–112.
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ständlich, mit welchem Aufwand Unternehmerkreise und staatliche Stellen diese Ausstellungen organisierten und betrieben.58) Im heutigen Geschichtsbild und in der wissenschaftlichen Literatur ist es unter den Weltausstellungen allen voran die Londoner Great Exhibition of the Works of all Nations des Jahres 1851, welche zu einem monumentalen Großereignis und zum „founding spectacle of the world fair genre“ avancierte.59) Die nach damaligen Maßstäben atemberaubende Konstruktion des Kristallpalastes wurde immer wieder kopiert und zitiert. „No building in modern times, up to that time, seems to have had the Crystal Palace’s capacity to excite people.“60) Mittels einer geschickten Inszenierung der Ausstellung selbst sowie durch eine gezielte Erinnerungspolitik hat sich in Großbritannien, aber auch weit darüber hinaus eine „nearly religious aura“ um die Weltausstellung von 1851 gebildet, welche sich tief in das Geschichtsbild eingegraben hat.61) Bei aller Berechtigung, mit der der Londoner Weltausstellung eine besondere Stellung zugesprochen wird, hat die durch die Forschung zusätzlich forcierte Popularität der ersten Weltausstellung den Blick auf eine blühende Ausstellungskultur jenseits der mondialen Großveranstaltungen verstellt, die sich weder zeitlich auf die zweite Hälfte des Jahrhunderts noch auf die Institution Weltausstellung beschränkte. Sicher, die Ausstellung von 1851 war für die Verbreitung und die Popularität des Mediums von großer Bedeutung und strahlte weithin auch auf andere Stränge des Expositionswesens aus. Dementsprechend ist sie nicht nur von der Forschung umfassend gewürdigt und analysiert, sondern von einzelnen Wissenschaftlern gar zum Höhepunkt der Ausstellungsgeschichte erklärt worden.62) Diese Wertung zu übernehmen hieße aber, den zeitgenössischen wie retrospektiven Stilisierungen aufzusitzen: Nicht einmal für Großbritannien lässt sich die weit verbreitete Vorstellung von der überragenden Bedeutung der ersten Weltausstellung halten. Im Vergleich mit den britischen Nationalexpositionen des letzten Jahrhundertdrittels nahm sich die „Mutter aller Ausstellungen“, blickt man auf das Besucheraufkommen, die Ausstellungsfläche wie auch auf ihr öffentliches Echo, eher bescheiden 58)
Rydell, World, S. 5 f. Zitiert nach Carlo A. Breckenridge, The Aesthetics and Politics of Colonial Collecting. India at World Fairs, in: Comparative Studies in Society and History 31 (1989), Heft 2, S. 195–216, S. 201. Zur Forschung über die Weltausstellung 1815 vgl. neuerdings Franz Bosbach/John R. Davis (Hrsg.), Die Weltausstellung von 1851 und ihre Folgen, München 2002; Louise Purbrick (Hrsg.), The Great Exhibition of 1851: New interdisciplinary Essays, Manchester 2001. 60) Marshall Berman, All That Is Solid Melts Into Air. The Experience of Modernity, Harmondsworth 1988, S. 238. 61) Peter H. Hoffenberg, An Empire on Display. English, Indian, and Australian Exhibitions from the Crystal Palace to the Great War, Berkeley/Los Angeles/London 2001, S. 5. Die Destruktion dieses Mythos ist eines der Anliegen der Studie von Auerbach, Exhibition, S. 1–2. Vgl. auch Geppert, Welttheater, S. 10–61, S. 44. 62) Vgl. Die jüngste Veröffentlichung dazu mit einem Resümee des Forschungsstandes bei Purbrick (Hrsg.), The Great Exhibition. 59)
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aus. Die Great Exhibition war ein wichtiger Anstoß, aber nicht einmal der Ausgangspunkt für eine blühende Ausstellungskultur. Das golden age des Expositionswesens lässt sich nicht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts terminieren, sondern erstreckte sich vom Ende der 18. Jahrhunderts mindestens bis ins erste Jahrzehnt nach der Wende zum 20. Jahrhundert.63) Blickt man über die britischen Inseln hinaus, so erhält die relativierende Beurteilung der Great Exhibition zusätzlich an Gewicht: Auch in Deutschland war die Londoner Weltausstellung von 1851 von großer, aber nicht überragender Bedeutung. Aufmerksamkeit in breiteren Kreisen sicherte ihr vor allem die Berichterstattung der Presse, bei der den kulturhistorischen Skizzen, die Lothar Bucher in der Nationalzeitung veröffentlichte, eine Leitfunktion zukam.64) In der öffentlichen Diskussion machte das Londoner Großereignis das Medium Ausstellung zusätzlich bekannt, ohne dieses Medium aber mit durchweg positiven Vorzeichen zu verbinden.65) Für die deutschen Kleinstaaten war das Ergebnis desaströs: Ihre Produkte und vor allem ihre Präsentation hatten nicht den erhofften Beifall, sondern Spott geerntet. Der im Londoner Kristallpalast mögliche Vergleich mit dem industriellen Stand der anderen Nationen hatte die Defizite in der industriellen Entwicklung schonungslos aufgedeckt. Die Beteiligung der Zollvereinsstaaten an der ersten Weltausstellung ist daher eher als ein unvollkommener Probelauf und allenfalls in seiner Funktion als negatives Exempel denn als ein Markstein für die weitere Entwicklung zu charakterisieren.66) Dennoch entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland eine eigene Ausstellungskultur, die keinesfalls nur als Kompensation dafür zu werten ist, dass in Deutschland selbst bis zum Jahr 2000 keine Weltausstellung stattfand.67) Nationale, regionale und lokale Industrie- und Gewerbeausstellungen bildeten ein eigenes Öffentlichkeitssegment und ein eigenes Profil, welches in ähnlicher Weise die Zeitgenossen faszinierte und zum Teil auch polarisierte, wie es für die Weltausstellungen beobachtet wurde. „Nichts, 63)
Paul Greenhalgh, Education, Entertainment, and Politics: Lessons from the Great Exhibitions, in: Peter Vergo (Hrsg.), The New Museology, London 1989, S. 74–98, S. 74–76. 64) Vgl. die spätere Buchfassung Lothar Bucher, Kulturhistorische Skizzen aus der Industrieausstellung aller Völker, Frankfurt a. M. 1851. 65) Vgl. zum Beispiel die Ausführungen zur Rezeption des Kristallpalastes im Kapitel C V. Zur Aufnahme der Ausstellung in Deutschland siehe auch die Auswertungen in GHStA Berlin, Rep. 120, E XVI, Nr. 2 a, Bd. 1. Ausstellungen im Auslande [Berichte von der Londoner Gewerbeausstellung 1851]. 66) Vgl. Abigail Green, The Representation of the German States at the Great Exhibition, in: Bosbach/Davis (Hrsg.), Weltausstellung, S. 267–278. 67) Vgl. Heinz-Alfred Pohl, Die Weltausstellungen im 19. Jahrhundert und die Nichtbeteiligung Deutschlands in den Jahren 1878 und 1889. Zum Problem der Ideologisierung der außenpolitischen Beziehungen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 97 (1989), S. 381–425; Alexander C. T. Geppert, Ausstellungsmüde: Deutsche Großausstellungsprojekte und ihr Scheitern, 1880–1930, in: Wolkenkuckucksheim 5 (2000), Heft 1, ohne Paginierung.
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was in der Außenwelt Merkwürdiges sich begebe, weder die beispiellose Art, wie der Minister Eichhorn bei der dreihundertjährigen Jubelfeier der Königsberger Albertina behandelt worden, noch die Nachricht vom Frieden zwischen Frankreich und Marocco, oder die zum hundertsten Male aufgewärmte Lüge von Abdelkaders Gefangennahme, noch andere derlei wichtige Neuigkeiten finden bei den Berlinern heuer ein Ankommen“, so der anonym bleibende Verfasser eines offenen Briefes aus dem Jahre 1844. Stattdessen beschäftige nur ein Ereignis jetzt das Nachdenken der Berliner Bevölkerung und mache sie „unempfänglich gegen alles Andere“, nämlich die erste deutsche Nationalausstellung für Industrie und Gewerbe in Berlin im Jahr 1844.68) Spätestens mit dieser ersten von den Zollvereinsstaaten getragenen Nationalexposition etablierte sich das Medium auch in Deutschland und zog bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein wachsende Aufmerksamkeit auf sich.69) Dabei veränderten die Expositionen ihren Charakter grundlegend und entwickelten sich von frühindustriellen Gewerbe- und Industrieausstellungen, auf denen das technische Erzeugnis im engsten Sinne des Wortes dominierte, zu kulturellen Demonstrations- und Repräsentationsveranstaltungen, auf denen Vertreter von Industrie und Gewerbe, aber auch staatliche Stellen, private Vereine, zum Teil auch Künstler und Wissenschaftler sich selbst wie auch ihre Tätigkeiten und Produkte darstellten.70) Die Ausstellungen avancierten nicht nur zu einem der erfolgreichsten Massenmedien des 19. Jahrhunderts, sondern erhielten in diesem Wandel auch inhaltlich eine andere Façon: Die Veranstaltungen zielten nicht mehr vorrangig auf den Informationsaustausch unter den Gewerbetreibenden und die Gewerbeförderung, sondern auf die Demonstration und Popularisierung eines neuen Gesellschaftsideals. Damit richtete man sich auch an ein verändertes Publikum: In ihren frühindustriellen Ausstellungen hatten die Organisatoren, die Ausstellenden und die Kommentatoren zunächst auf heimische Gewerbetreibende, potenzielle Mitbewerber und Kunden gezielt. Die Ausstellungen in der zweiten Jahrhunderthälfte hingegen versuchten ein breites, potenziell unbeschränktes Publikum für ihre Darbietungen zu interessieren. Das nationale Ausstellungswesen stand dabei ohne Zweifel in einem engen Wechselverhältnis zu den internationalen Expositionen, was sich an den Inszenierungs- und Präsentationstechniken ebenso ablesen lässt wie an der Aufnahme einzelner Themen. Darüber hinaus aber setzten die unterhalb der 68)
Anonym [Wilhelm Gustav Werner Völkl], Die Berliner Gewerbeausstellung und die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier mit besonderer Bezugnahme auf den Rongeschen Brief. Ein Brief aus Berlin von einem Protestanten, Münster 1845. 69) Vgl. dazu Anhang I: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. Wichtige Grundinformationen, auf denen diese Studie aufbaut, bietet Uwe Beckmann, Gewerbeausstellungen in Westeuropa vor 1851. Ausstellungswesen in Frankreich, Belgien und Deutschland. Gemeinsamkeiten und Rezeption der Veranstaltungen, Frankfurt a. M. 1989, S. 85. 70) Schmid, Weltausstellungen, S. 168.
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internationalen Ebene organisierten Ausstellungen andere Schwerpunkte als die mondialen Großveranstaltungen: Auch auf deutschen Ausstellungen suchte man die nationalen Qualitäten gegenüber europäischen und transatlantischen Mitbewerbern stark zu machen, ohne aber sich direkt dem Vergleich mit dem internationalen Wettbewerb zu stellen.71) Auch auf deutschen Ausstellungen wurden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts indigene Völker, ihre Kultur und die in Kolonien hergestellten Produkte gezeigt, ohne aber die Exposition im Ganzen mit der Spannung von Mutterland und Kolonie zu dominieren.72) Inszenierungen zu nationalen, sozialen und (wirtschafts-)politischen Gehalten zielten zunächst nach innen, dann erst auf ausländische Besucher und Beobachter. Bei den nationalen, regionalen und lokalen Ausstellungen handelte es sich um ein, vielleicht sogar das „wichtigste Medium der Popularisierung des neuesten wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Wissens“ und der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Konsequenzen. Wie kaum ein anderes Ereignis haben die Ausstellungen in verschiedenen Inszenierungen und mit unterschiedlichen Techniken den Zeitgenossen den so häufig beschworenen „‚Fortschritt‘ vor Augen geführt und damit wichtige, sozialpsychologisch zu verstehende Impulse zur Überwindung traditionalen Denkens und Wirtschaftens“ gegeben.73) Die Inszenierungen und Visualisierungen des industriellen und technischen Fortschritts beschränkten sich keinesfalls auf die Ökonomie im engeren Sinne. Wo bei den Weltausstellungen Völkerverständigung und immerwährender Frieden zumindest auf der offiziellen Agenda standen, da zeigten die nationalen, regionalen und lokalen Ausstellungsprojekte in der von ihnen gestifteten Öffentlichkeit Inszenierungen des industriell-technischen Fortschritts und Modelle der industrialisierten Gesellschaft. Sie entwarfen Wunschbilder einer Warenund Konsumgesellschaft, zeigten die Beziehung von Produzent, Arbeiter und Produkt und interpretierten aktiv in ihren Festen und Ritualen die soziale und kulturelle Hierarchie. Das Interesse an den weltumspannenden Großveranstaltungen hat den Blick darauf verstellt, dass auch im Deutschen Bund beziehungsweise im Deutschen Reich um die sozioökonomische Verfasstheit der Gesellschaft mit besonderer Verve gerungen wurde74) und dabei die Ausstellungen ein wichtiges und bildmächtiges Medium dieser Debatten waren. „Eine Geschichte der deutschen Gewerbeausstellungen“, so hatte Wilhelm Treue 1969 konstatiert, „gibt es weder auf der Provinz- noch auf der Länderebene.“75) Insbesondere die Geschichte der industriellen Ausstellungen in der
71)
Vgl. dazu Abschnitt D IV 1 in dieser Studie. Vgl. dazu Abschnitt D IV 2 in dieser Studie. 73) Reulecke, Frieden, S. 36. 74) So die Einschätzung von Paul Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000, S. 25 ff. 75) Wilhelm Treue, Gewerbeförderung und technische Entwicklung zur Zeit der Frühindustrialisierung in Preußen, in: Technikgeschichte 36 (1969), S. 68–74, S. 71. 72)
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zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei bisher kaum beachtet, so Georg Friedrich Koch 1982.76) Geändert hat sich dieser Zustand nur geringfügig: Gesamtdarstellungen zum (deutschen) Ausstellungswesen existieren nur in der zeitgenössischen Literatur der Wende vom 19. und 20. Jahrhundert. Allein verschiedene zeitgenössische, vor allem volkswirtschaftliche Studien und populäre Darstellungen thematisieren das deutsche Ausstellungswesen, ohne aber über eine Darstellung der Organisations- und Institutionengeschichte des Mediums hinaus zu gehen.77) Aus der modernen Forschung ist die Studie von Ingeborg Cleve hervorzuheben. Sie analysiert in ihrer vergleichenden volkskundlichen Dissertation zur Gewerbeförderung und Geschmacksbildung in Frankreich und Württemberg zwischen 1805 und 1845 die Bedeutung der Expositionen für die Etablierung eines Verständigungszusammenhangs von Produzenten und Konsumenten.78) Diese Arbeit sticht schon dadurch aus der Literatur hervor, dass sie einen problemorientierten Zugang zu den Ausstellungen entwickelt und diese in ihrer Wirkung als Medium der „Geschmacksbildung“ untersucht. Sonstige regional und lokal ausgerichtete Studien, die das Bild von der deutschen Ausstellungskultur des 19. Jahrhunderts ergänzen, sind in der Regel als Organisations- und Institutionenanalysen konzipiert. Nicht die Kommunikationsleistungen der Ausstellungen, sondern die Verwaltungsvorgänge um die Veranstaltungen stehen im Mittelpunkt.79) In ihrer Summe liefern sie damit grundlegende Informationen zur Entwicklung des Mediums. Der eigentliche Ausstellungsbetrieb, das Ausstellen und das Sehen der Ausstellung, bleiben dabei allerdings im Hintergrund.80) So tauchen die Exponate, Ausstellungsinszenierungen und ihre Rezeption in der Regel nur über die überlieferte Statistik der Veranstalter auf.
76) Georg Friedrich Koch, Die Bauten der Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902 in der Geschichte der Ausstellungsarchitektur, in: Ekkhard Mai/Hans Pohl/Stephan Waetzoldt (Hrsg.), Kunstpolitik und Kunstförderung im Kaiserreich. Kunst im Wandel der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Berlin 1982, S. 149–165, S. 151. 77) Hier sind zunächst nur einige „Klassiker“ zu nennen: Alfons Paquet, Das Ausstellungsproblem in der Volkswirtschaft, Jena 1908; Huber, Ausstellungen; Siegfried Giedion, Space, Time and Architecture. The Growth of a New Tradition. The Charles Eliot Norton Lectures for 1938–1939, Cambridge 1997. 78) Vgl. Ingeborg Cleve, Geschmack, Kunst und Konsum. Kulturpolitik als Wirtschaftspolitik in Frankreich und Württemberg (1805–1845), Göttingen 1996, dazu dies., Geschmacksbildung im Entstehungsprozeß der Konsumgesellschaft: Ein Versuch zur pädagogischen Lösung ökonomischer Probleme auf der Grundlage ästhetischer Theorie im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Historische Bildungsforschung 4 (1998), S. 139–164; dies., Dem Fortschritt entgegen, in: JbWG 1 (2000), S. 149–169. 79) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen; Oliver Korn, Hanseatische Gewerbeausstellungen im 19. Jahrhundert. Republikanische Selbstdarstellung, regionale Wirtschaftsförderung und bürgerliches Vergnügen, Opladen 1999. 80) Vgl. Alice von Plato, Präsentierte Geschichte. Ausstellungskultur und Massenpublikum im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M./New York 2001.
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Neben Studien aus der allgemeinen Geschichte wie auch der Kulturgeschichte sind bedeutende Beiträge zu den Ausstellungen insbesondere auch von Kunst-, Architektur- und Stadthistorikern wie von Geographen, Politologen, Volkswirtschaftlern und Ethnologen geleistet worden, die sich mit ihrem je eigenen wissenschaftlichen Instrumentarium dem Gegenstand näherten. Die wissenschaftliche Durchdringung des Ausstellungswesens hat von dieser Interdisziplinarität eindeutig profitiert. Zugleich wurden aber die Geschichtsschreibung zu den Ausstellungen weithin fragmentiert und Ergebnisse aus den jeweiligen Nachbardisziplinen nur unzureichend rezipiert. Eine wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit der Ausstellungskultur hat erst in den letzten Jahren eingesetzt, für den deutschen Raum zudem nur in sehr bescheidendem Umfang. Zu erklären ist dieser Umstand nicht allein mit der disparaten Quellen- und Forschungslage.81) „Es scheint“, so vermutete jüngst Geppert in seinem Forschungsüberblick zum europäischen Ausstellungswesen, „als könnten die sich in den Ausstellungen selbst repräsentierenden Gesellschaften und die damit verbundenen Manifestationen von Fortschritt und Modernität erst in dem Maße analysiert werden, in dem sich die entsprechenden Begriffe selbst als fragwürdig erwiesen haben.“82)
III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse: Methodische Überlegungen und theoretische Einordnung Schon Werner Sombart beobachtete 1908, daß die Ausstellung als „Kulturphänomen deshalb so hervorragend interessant“ sei, „weil sie in ganz verschiedener Bedeutung erscheint, unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten gewertet werden, in durchaus verschiedenen Zusammenhängen eingeordnet werden kann.“83) Wegen ihres Reichtums an Facetten und Bildern und ihres umfassenden Repräsentationsanspruchs laden die Expositionen zur ornamentalen Verwendung auch in wissenschaftlichen Studien ein: Bunter, farbenprächtiger und eingängiger wurde kaum einmal das britische Selbstverständnis illustriert als auf der Londoner Exposition 1851; nationalsozialistische Großmannssucht posierte vis à vis mit stalinistischem Selbstdarstellungspomp auf der Pariser Ausstellung 1937 – viele weitere Beispiele ließen sich anführen. Wenn Franz Schnabel die Londoner Weltausstellung als Ausdruck der „Einheit der abendländisch-nordamerikanischen Wirtschaftkultur“84) feierte oder Theodor Schieder die Weltausstellung als „grandioses Fest einer sich an
81)
Siehe dazu unten Abschnitt V in dieser Studie. Geppert, Welttheater, S. 12. 83) Werner Sombart, Die Ausstellung, in: Morgen. Wochenschrift für deutsche Kultur Nr. 9 vom 28. 2. 1908, S. 249–256, S. 249. 84) Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 3, Freiburg ³1954, S. 439 f. 82)
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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ihren enormen Erfolgen berauschenden, aufblühenden technischen Weltzivilisation“85) skizzierte, so steht dahinter kein analytischer Anspruch. Der Rekurs dient zumeist lediglich dazu, sich eines schmückenden Ornaments zu versichern und eine bereits erarbeitete These mit dem Verweis auf die Ausstellung zu illustrieren. Aber auch in vielen anderen Studien, denen die Ausstellungen nicht nur als Aperçu dienen, sind auf Grund einer methodisch nicht abgesicherten Vorgehensweise der kontroversen und kaum miteinander zu vermittelnden Deutung einzelner Ausstellungen Tür und Tor geöffnet. Viele aus einer fortschrittskritischen oder fortschrittsbejahenden Perspektive verfassten Studien kranken daran, dass die Autorposition die Analyse der tatsächlichen Kommunikationsund Popularisierungsleistung des zeitgenössischen Mediums überlagert.86) Anhand der Great Exhibition von 1851 hat die Kunsthistorikerin und Feuilletonistin Uta Kornmeier die Instrumentalisierung der Ausstellungen karikiert. Konservative Historiker „verklärten die Ausstellung zum leuchtenden Beispiel für viktorianisches Streben nach Friede, Fortschritt und Wohlstand“; marxistische Historiker „verdammten die Ausstellung als verherrlichendes Symbol der Industrialisierung und Verewigung der Klassenschranken“; und „Postmodernisten gilt sie als imperialistisches und konsumorientiertes Spektakel der Dinge.“87) In der ihr eigenen Mischung von „unauflösbarer Flüchtigkeit und Vermächtnis schaffender Beharrungskraft“ stellt die Ausstellung für die Wissenschaft allgemein wie auch für die Geschichtswissenschaft im Speziellen ein ungewohntes Terrain dar.88) Dem quantitativen Anstieg der Forschung zu einigen Ausstellungssegmenten hinkt die methodische Entwicklung hinterher. Trotz eines Ausstellungsbooms in den vergangenen Jahren89) wie auch der Etablierung einer wissenschaftlichen Museologie90) wurde ausstellungstheoretischen Fragen in den Geistes- und Kulturwissenschaften bislang eine „vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit“ geschenkt.91) An Alfons Paquets Urteil von 1908, so konstatierte Geppert noch im Jahr 2002, habe sich deshalb nichts geändert: Der „Dürftigkeit in der theoretischen Durchdringung des
85)
Theodor Schieder, Staatensystem als Vormacht der Welt 1848–1918, Frankfurt a. M. 1982, S. 69. 86) Vgl. Werner Plum, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. Schauspiele des sozio-kulturellen Wandels, Bonn/Bad Godesberg 1975. 87) Uta Kornmeier, Der gute Prinz und die Dinosaurier, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 164 vom 18. 7. 2001, N 6. 88) Geppert, Welttheater, S. 12. 89) Vgl. Anna Schober, Montierte Geschichten. Programmatisch inszenierte historische Ausstellungen, Wien 1994, S. 20 f. 90) Vgl. ebd., S. 7; exemplarisch sei angeführt Vergo (Hrsg.), Museology, London 1989. 91) Cornelia Brink, „Auschwitz in der Paulskirche“. Erinnerungspolitik in Fotoausstellungen der 60er Jahre, Marburg 2000, S. 9.
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A. Einleitung
Gegenstandes“ stehe „eine Überfülle oft ganz unkritischer, d. h. rein beschreibender Veröffentlichungen“ gegenüber.92) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen sind bereits häufig als kollektive Repräsentationen interpretiert worden. Sie „verkauften nicht nur Güter“, so der amerikanische Anthropologe Burton Benedict, „sie verkauften Ideen über die Beziehung zwischen den Nationen, die Verbreitung von Bildung, den Fortschritt der Wissenschaft, die Gestalt von Städten, die Natur häuslichen Lebens, über die Stellung der Kunst in der Gesellschaft.“93) Wie aber, so die für eine theoretische und methodische Grundlegung entscheidende Frage, vermittelten Ausstellungen diese ‚Botschaften‘? Wie kommunizierten sie Deutungen, aktualisierten diese und machten sie diskutierbar? In verschiedenen Studien wurden die Expositionen als direktes Abbild und damit als ein unvermittelter Einblick in die sich ausstellende Gesellschaft betrachtet.94) „Ganz bildlich wurde eher an einen Spiegel als an ein Prisma gedacht – mit all den Schwierigkeiten, die eine naive Reflexionsmetaphorik mit sich bringt.“95) Parallel zu den Axiomen einer traditionellen Geistesgeschichte, wonach Texte, Werke oder auch kulturelle Repräsentationen einen „innerlichen, absoluten, einzigen Sinn besitzen“, wurde die ‚Aussage‘ dann hergeleitet96) und – von der Überzeugung getragen, dass in dem kleinen Ereignis die große Geschichte zum Vorschein käme97) – für allgemein oder zumindest typisch erklärt. Schon in älteren Forschungsarbeiten wurde gefordert, andere Wege zu beschreiten, um zu einer methodisch abgesicherten Deutung der Ausstellungen zu kommen. „Sozialpsychologisch“ seien die Impulse zu verstehen und zu deuten, die die Ausstellungen zur „Überwindung traditionellen Denkens und Wirtschaftens“ gaben, so Jürgen Reulecke 1983.98) Utz Haltern hat bereits 1971 interdisziplinäre „ikonologische“ und „ideologiekritische Vorarbeiten“ angemahnt, um die Ausstellungen in ihrer Funktion „als eine symbolische
92)
Geppert, Welttheater, S. 19 mit Bezug auf Paquet, Ausstellungsproblem, S. VII f. Burton Benedict, The Anthropoloy of World’s Fairs, in: ders. (Hrsg.), The Anthropology of World’s Fairs. San Francisco’s Panama Pacific International Exposition of 1915, London/Berkeley 1983, S. 1–65, S. 2. 94) Werner Hofmann galten die Ausstellungen als „Visitenkarten“, auf denen die Signatur der Zeit abzulesen sei. Vgl. Werner Hofmann, Das irdische Paradies. Kunst im neunzehnten Jahrhundert, München 1960, S. 151. 95) Geppert, Welttheater, S. 12. 96) Roger Chartier, Kulturgeschichte zwischen Repräsentationen und Praktiken, in: ders., Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung, Berlin 1989, S. 17–34, S. 22. Günther Lottes, „The State of the Art“. Stand und Perspektiven der „intellectual history“, in: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.), Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag, Paderborn 1996, S. 27–46. 97) Vgl. dazu Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur (1973), in: ders., Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. ²1991, S. 7–43, S. 31 f. 98) Reulecke, Frieden, S. 46. 93)
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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Übersetzung des ihr unterliegenden sozialen Systems“ und als „kulturelle Erscheinungsform der Gesellschaft“ analysieren zu können.99) Wie lässt sich den angeführten Schwierigkeiten entgehen und eine methodisch abgesicherte Analyse erreichen? Eine umfassende „Theorie des Ausstellens“, wie sie jüngst als Grundlage für die Analyse von Ausstellungsprojekten gefordert wurde, und – so müsste dringend ergänzt werden – eine Theorie des Sehens (oder zumindest eine der Rezeption von Ausstellungen) ist in der aktuellen museumswissenschaftlichen und kunsthistorischen Diskussion nicht in Sicht.100) In zwei Schritten soll deshalb im Folgenden versucht werden, die Studie theoretisch und methodisch zu verorten. Zunächst wird das Konzept der Repräsentationsgeschichte, wie es führend der Annales-Historiker Roger Chartier vertritt, herangezogen, um spätere Vorgehensweisen methodisch zu begründen und von anderen Ansätzen abzusetzen. Anschließend wird vor allem volks- und museumskundliche sowie medientheoretische Literatur dazu genutzt, die Kommunikationsstruktur der Ausstellungen zu erarbeiten. 1. Ausstellungsgeschichte als Repräsentationsgeschichte Die Sensibilität für die skizzierte Frage nach der Wahrnehmung und Deutung gesellschaftlichen Wandels ist mit der kulturhistorischen Öffnung der Geschichtswissenschaft gewachsen. Mit der Entwicklung kulturgeschichtlicher Ansätze und Verfahren wird verstärkt diejenige Wirklichkeit verändernde Kraft in die Analyse einbezogen, die nicht schlechthin vom Wirtschaftlichen, Politischen, Sozialen, sondern die umgekehrt von den Wahrnehmungen ausgeht, die Menschen über Wirtschaft, Gesellschaft und Politik hatten und haben. Nichts „läßt sich begreifen, beschreiben oder erklären, ohne die Bedeutungen, Wahrnehmungsweisen und Sinnstiftungen der zeitgenössischen
99)
Utz Haltern, Die „Welt als Schaustellung“. Zur Funktion und Bedeutung der internationalen Industrieausstellung, in: VSWG 60 (1973), S. 1–41, S. 38. 100) Ein solcher Aufriss ist selbst in modernen Entwürfen zur Museumskunde nicht erkennbar. Vgl. Margarete Erber-Groiß/Severin Heinisch/Hubert Chr. Ehalt/Helmut Konrad (Hrsg.), Kult und Kultur des Ausstellens. Beiträge zur Praxis, Theorie und Didaktik des Museums, Wien 1992; Reesa Greenberg/Bruce W. Ferguson/Sandy Nairne (Hrsg.), Thinking about Exhibitions, London/New York 1996; Ulrike Weber-Felber/Severin Heinisch, Ausstellungen. Zur Geschichte eines Mediums, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 4 (1991), S. 7–24, S. 8. Vgl. zum aktuellen Forschungsstand die Beiträge in Angela Schorr (Hrsg.), Publikums- und Wirkungsforschung. Ein Reader, Wiesbaden 2000. Vor allem am gegenwärtigen Ausstellungsbetrieb interessiert, für die vorliegende Untersuchung lediglich hinsichtlich der Begriffsdifferenzierungen von Interesse sind Hans-Joachim Klein/Barbara Wüsthoff-Schäfer, Inszenierung an Museen und ihre Wirkung auf Besucher, Berlin 1990, S. 16–22. Einen interessanten Versuch zu einer historischen Wirkungsforschung unternimmt Manon Niquette, Meet me at the Fair. Sociability and Reflexivity in Nineteenth-Century World Expositions, in: Canadian Journal of Communications 22 (1997), Nr. 1, S. 1–24.
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Menschen in das Verstehen, Beschreiben oder Erklären einzubeziehen“, so hat Ute Daniel ihr kulturgeschichtliches Credo formuliert.101) „Wie zu verschiedenen Zeiten und Orten eine gesellschaftliche Realität faßbar, denkbar, lesbar geworden ist“102) – diese Aufgabenstellung hat der Annales-Historiker Roger Chartier zur Grundfrage einer Geschichte der Repräsentationen erklärt: Wenn die neue Kulturgeschichte „nach den Prozessen [forscht], durch die ein Sinn gebildet wird“, muss die Tätigkeit des Historikers konsequenter als bisher auf eine rückwärts gerichtete Konstruktion von Weltauslegung zielen. Im Folgenden soll hergeleitet werden, wie eine Analyse der Industrie- und Gewerbeausstellungen dazu beitragen kann, vergangene Welterfahrungen und Weltauslegungen zu eruieren. Dazu gilt es zunächst, das Verhältnis der Ausstellungen zur ,Realität‘ zu bedenken. Die Ausstellung selbst bildete ein eigenes Wirklichkeitssegment, zugleich aber lebte sie von dem Anspruch, durch ihre authentischen Exponate auf einen anderen Realitätsbereich – in unserem Fall den der Industrie und des Gewerbes – zu verweisen und diesen zu repräsentieren. Die „reale Welt“ außerhalb des Ausstellungsbereichs, für welche die authentischen Exponate stehen und auf welche diese verweisen, ist in ihr ebenso mitzudenken wie die „synthetische Welt“ in ihrem Inneren.103) In diesem Sinne waren Ausstellungen zugleich Erfahrungsorte wie auch Deutungsangebote für die Wirklichkeit.104) Grenzlinien und Überschneidungen zwischen beiden Bereichen waren gelegentlich bewusst angelegt und inszenierten eine eigene Wirklichkeit. Damit sind in den Ausstellungen ‚subjektive‘ Strukturen und ‚objektive‘ Wahrnehmungen gleichermaßen aufgehoben: Individuell koordiniert der Expositionsbesucher Wahrnehmung, Deutung und Handeln. Medial und durch die Inszenierung der Ausstellung vorgegeben sind die Ausdrucksformen, die Sprache und die Traditionen, die als soziokulturell objektivierte Rahmenbedingungen der subjektiv erfahrenen Wirklichkeit vorgelagert sind und auf sie zurückwirken. Damit waren die Ausstellungen nicht nur Erfahrungsorte und Wahrnehmungsfilter für ihre Besucher. Zugleich schlugen sich über die Schwerpunktsetzungen und ihre Präsentationsweisen in ihr zeitspezifische Tendenzen und Auffassungen nieder.
101)
Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001, S. 17. 102) Hierzu und im Folgenden Chartier, Kulturgeschichte, S. 10 f. Anfänge dieser Forschungsrichtung sind mit der Gründung der Zeitschrift Representation an der Universität Berkeley zu verorten. Als Beispiele für frühe Studien vgl. Hanna F. Pitkin, The Concept of Representation, Berkeley/Los Angeles 1967 103) Vgl. Peter L. Berger/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 1974, S. 137. 104) Aleida Assmann, Externalisierung, Internalisierung und kulturelles Gedächtnis, in: Walter M. Sprondel (Hrsg.), Die Objektivität der Ordnungen und ihre kommunikative Konstruktion, Frankfurt a. M. 1994, S. 422–435.
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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Für die Geschichtswissenschaft hat der Annales-Historiker Roger Chartier den wissenssoziologischen Anstoß aufgenommen und in Auseinandersetzung mit anderen ideen- und kulturgeschichtlichen Ansätzen Überlegungen zu einer Geschichte der Repräsentationen entwickelt. Einige ihrer Prämissen und methodischen Empfehlungen sollen im Folgenden für eine Interpretation der Ausstellungen fruchtbar gemacht werden: Mit dem Begriff „Repräsentation“ fasst Chartier drei Aspekte medial vermittelter Sinndeutungen:105) Zunächst stehen Repräsentationen für kollektive Wahrnehmungen und Bewertungen, Klassifizierungen und Beurteilungen; zweitens bezeichnet er damit „Formen, die das soziale Lebewesen und die Macht so zeigen, wie sie sich durch Zeichen oder symbolische Ausdrücke zu erkennen geben (Bilder, Riten oder das, was Weber die ‚Stilisierung des Lebens‘ genannt hat)“. Drittens umfasst die Repräsentation die „‚Vergegenwärtigung‘ einer kollektiven Identität oder einer politischen Macht (die dadurch Dauer und Stabilität erlangt) in einem Repräsentanten (der individuell oder kollektiv, konkret oder abstrakt sein kann).“106) Die Vorstellung von einer Kluft zwischen der Objektivität von Strukturen und der (vermeintlichen) Subjektivität von Vorstellungen lässt Chartier nicht gelten und wendet sich deshalb gegen eine erkenntnistheoretische Abwertung der Repräsentationen gegenüber sozialen oder ökonomischen Faktoren. Er plädiert dafür, „daß man die Schemata, welche die gruppen- oder milieuspezifischen Klassifikationen und Perzeptionen hervorbringen, als wirkliche gesellschaftliche Institutionen auffaßt, die in Gestalt mentaler Kategorien und kollektiver Vorstellungen die Einschnitte der gesellschaftlichen Organisation verkörpern.“107) Auf dem Hintergrund dieser Prämisse stellt diese Studie zur Ausstellungsgeschichte das Medium in den Mittelpunkt. Von dort her wird das in diesem Fall bunt gemischte Feld analysiert, in dem die Exposition und ihre Repräsentationen kommuniziert wurden. Mit dieser Vorgehensweise sind zugleich Abgrenzungen zu anderen Vorgehensweisen verbunden: Aneignung, Deutung und Interpretation kultureller Konstrukte sind nicht, wie es eine Sozialge105)
Verschiedentlich ist auf die Übersetzungsprobleme aufmerksam gemacht worden: Neben ‚Vorstellung‘ kann Repräsentation auch ‚Vertretung‘, ‚Entsprechung‘, ‚Ausdruck‘, ‚Bild‘ usw. bedeuten. Der Artikel „Repräsentation“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel, Bd. 8, Basel 1992, beginnt mit der Feststellung: „Das vom (klassisch) lateinischen Verb ‚repraesentare‘ abgeleitete Wortfeld ‚Repräsentation‘ hat im mittelalterlichen Latein und in den modernen Sprachen, in denen es nicht als Fremdwort wirkt (frz. ‚représentation‘, engl. ‚representation‘, ital. ‚rappresentazione‘) eine weitere Bedeutung als im Deutschen, wo es – je nach Kontext – mit ‚Vorstellung‘, ‚Darstellung‘, ‚Abbild‘, ‚Bild‘ oder ‚Stellvertretung‘ wiedergegeben werden kann.“ Vgl. Christoph Conrad/Martina Kessel (Hrsg.), Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zur aktuellen Diskussion, Stuttgart 1994, S. 96 f. 106) Roger Chartier, Zeit der Zweifel. Zum Verständnis gegenwärtiger Geschichtsschreibung, in: Conrad/Kessel, Geschichte schreiben, S. 83–97, S. 91. 107) Chartier, Kulturgeschichte, S. 11.
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A. Einleitung
schichte der Ideen voraussetzt, vorrangig von der Klassenlage der Rezipienten determiniert. Nicht die sozioökonomischen Grundlagen sind die Folie, auf der die Wirkungsgeschichte von Ideen und die Rezeption ihrer materiellen Vergegenwärtigungen zu analysieren sind, sondern den kulturellen Konstrukten kommt eine eigene Wirkungsmacht zu, mit der sie ihrerseits Gesellschaft prägen.108) Auf der anderen Seite soll aber auch nicht einer „seriellen Geschichte der dritten Ebene“ (Peter Schöttler) das Wort geredet werden. Allzu reduktionistisch wird dabei die Assimilation von Denkinhalten zu Kulturgegenständen verdinglicht. Ihre quantifizierenden Verfahren setzten voraus, „daß die analysierten kulturellen und geistigen Tatsachen von Anfang an Ensembles von Objekten sind (z. B. Bücher, deren Titel statistisch untersucht werden können, Bilder, deren Motive man inventarisieren kann) oder daß sich kollektive Gedanken, die in ihren stereotypisch sich wiederholenden unpersönlichsten Ausdrucksformen eingefangen werden, ‚objektivieren‘, d. h. auf eine begrenzte Zahl von Formeln reduzieren lassen, so daß man nur die Häufigkeit ihres Auftretens in den einzelnen Bevölkerungsgruppen untersuchen muß.“109) Stattdessen wird nach dem Vorbild der Repräsentationsgeschichte die in vielen ideengeschichtlichen Zugriffen klaffende Lücke zwischen der Produktion und dem Konsum ‚geistiger Erzeugnisse‘ überbrückt, indem die bei den Ausstellungen zu beobachtenden Praktiken und Deutungen sowohl auf Seiten der Medienproduzenten – sprich: der Veranstalter und Aussteller – wie auch auf der der Rezipienten ins Zentrum der Analyse gerückt werden. Auf vielfältige und widersprüchliche Weise legten Veranstalter, Aussteller und Besucher der Welt, wie sie in den Ausstellungen präsent war, Bedeutung bei, und handelten entsprechend. „Aus dem Handeln selbst die Selbstverständlichkeiten, die subjektiv nicht bewußten Werte, Normen, kulturellen Annahmen und Sinnhorizonte und die personalen Strukturen herauszuarbeiten, die es historisch bestimmen“, so lautete die Empfehlung Thomas Nipperdeys.110) Für die Analyse der Ausstellungskultur bedeutet dieses vor allem die dem Ausstellen und dem Besuch der Ausstellung unterliegenden Praxisund Handlungsformen zu untersuchen. Dazu zählen auf der Seite der Ausstellungs‚macher‘ neben den Klassifikationssystemen, mit denen die Exponate eingeteilt und hierarchisiert wurden, die Formen der Visualisierung und Inszenierungsformen, auf der Seite der Rezipienten die Verhaltensformen
108)
Roger Chartier, Die Welt als Repräsentation, in: Matthias Middell/Steffen Sammler (Hrsg.), Alles Gewordene hat Geschichte. Die Schule der Annales in ihren Texten, Leipzig 1994, S. 320–347, S. 332. 109) Roger Chartier, Geistesgeschichte oder histoires des mentalités?, in: Dominick LaCapra/Steven L. Kaplan, Geschichte denken. Neubestimmungen und Perspektiven moderner europäischer Geistesgeschichte, Frankfurt a. M. 1988, S. 11–44, S. 26. 110) Thomas Nipperdey, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, historische Anthropologie, in: VSWG 55 (1968), S. 145–164, S. 158.
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und Wahrnehmungsstrategien. Text- und Bildzeugnisse geben darüber Auskunft, wie die Zeitgenossen die Ausstellungen als Erfahrungsorte und Deutungsangebote genutzt, beschrieben und ihrerseits interpretiert haben.111) Kulturelle Praktiken der Repräsentation und ihre Aneignungen sind „unterschiedliche Interpretationsformen“ und soziale Praxisformen, welche durch ihre medialen Eigengesetzlichkeiten wie auch durch ihre Einbettung in die Gesellschaft begrenzt sind. Sie sind einerseits eingewoben in ihre sozialstrukturellen Kontexte und damit auch interpretatorisch in ein weites Beziehungsgeflecht von Politik, Ökonomie und Kultur einzuordnen.112) Der Blick ‚hinter die Kulissen‘ einer Ausstellung offenbart, welche Interessen ihre Macher leiteten und welche kulturellen, sozioökonomischen oder politischen Kontexte ihre Agenda beeinflussten. Andererseits muss „man sich die Eigenarten des Raums der kulturellen Praktiken, der keineswegs mit dem der gesellschaftlichen Hierarchien und Einteilungen deckungsgleich ist, vergegenwärtigen.“113) Für die Ausstellungen bedeutet dieses, die Eigengesetzlichkeiten des Mediums und ihre Einbettung in die Medienlandschaft insgesamt zu beachten: Die Expositionen standen in einer (meist langen) künstlerischen, literarischen oder publizistischen Tradition und rekurrierten ihrerseits auf Varianten ihrer Gattung: Ähnlich wie das Buch nur bestimmte Kommunikationsstrukturen eröffnet und seinerseits auf eine austarierte Erwartungshaltung des Publikums trifft, war auch die Ausstellung thematisch und formal gebunden. Ihre Kommunikationsstruktur und -leistung ist wesentlich determiniert durch die Darstellungs- und Zeigbarkeitregeln.114) Warum, so ist abschließend nach dem erkenntnistheoretischen Stellenwert zu fragen, sind die Ausstellungen mehr als nur der schöne Schein eines doch von sozioökonomischen Strukturen bestimmten und politisch durchmachteten Gesellschaftssystems?115) Oder, in die Formulierung eines bereits getätig-
111)
Damit positioniert sich die Geschichte der Repräsentationen und ihrer sozialen Praxis auch anders als eine Diskursgeschichte: Eine Analyse diskursiver Praktiken, die auf die Formation von Begriffen oder die Konfiguration des Äußerungsfeldes zielt, bleibt notwendigerweise im Horizont aufeinander verweisender Texte. Die Analyse von Repräsentationen und die ihnen unterliegenden symbolischen Systeme und Praktiken aber enthalten „erkenntnistheoretisch das Versprechen […], daß das Symbol als Repräsentant von etwas anderem dem Forschenden den Zugang verschafft zur Bedeutung gesellschaftlichen Handelns, zur Sinnkonstruktion von Personen etc.“ Carola Lipp, Kulturgeschichte und Gesellschaftsgeschichte – Mißverhältnis oder glückliche Verbindung, in: Paul Nolte/Manfred Hettling/Frank-Michael Kuhlemann/Hans-Walter Schmuhl (Hrsg.), Perspektiven der Gesellschaftsgeschichte, München 2000, S. 25–35, S. 31. 112) Vgl. Geertz, Dichte Beschreibung, S. 39–41 und S. 43. 113) Ebd., S. 19. 114) Chartier, Kulturgeschichte, S. 22. 115) So ist insbesondere die Weltausstellung 1851 gelegentlich als ein Element bürgerlichnationalistischer Propaganda interpretiert worden, welche lediglich wachsende soziale Ungleichheit und Verelendung zu verschleiern hatte. Vgl. John R. Davis, Book Review. The Great Exhibition of 1851: A Nation on Display, in: History in Focus: The Victorian
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A. Einleitung
ten Einwandes gekleidet: Beraubt sich die Historikerzunft nicht ihres „gesellschaftskritischen Potentials“, wenn sie sich in einer Zeit „gravierendster sozio-ökonomischer Umstrukturierungsprozesse auf die dritte Ebene des Symbolischen“ zurückzieht?116) Ohne Zweifel stellten die Industrie- und Gewerbeausstellungen und insbesondere die Weltausstellungen „gigantische neue Rituale der Selbstfeier“117) und damit auch „affirmativ-geglättete Selbstbilder der Industriekultur“ dar.118) Aber ihre Repräsentationen des Sozialen waren keine neutralen Reden oder Darstellungen, im Gegenteil: „Sie erzeugen Strategien und soziale, pädagogische, politische Praktiken, die Autorität beanspruchen – und zwar auf Kosten anderer, denen sie abgesprochen wird –, ein Reformvorhaben legitimieren oder – gegenüber den Individuen selbst – ihre Entscheidungen und Handlungen rechtfertigen sollen.“119) Repräsentationen waren (und sind) ein integraler Bestandteil von Konkurrenz- und Wettbewerbssituationen, bei denen um Macht und Herrschaft gerungen wurde. Repräsentationen sind als Matrix eigenständiger Reden und Praktiken aufzufassen, in denen es um die Konstruktion der gesellschaftlichen Welt geht. Indem Kulturgeschichte sich mit dem Kampf um die Repräsentationen beschäftigt, entfernt sie sich zweifellos von einer allzu starken Abhängigkeit von einer rein sozioökonomisch orientierten Sozialgeschichte. Doch sie kehrt auch auf fruchtbare Weise zum Sozialen zurück, „denn sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf die symbolischen Strategien, welche Positionen und Beziehungen determinieren und die für jede Klasse, jede Gruppe oder jedes Milieu eine wahrgenommene Daseinsweise konstruieren, die für ihre Identität konstitutiv ist.“120) Kulturgeschichte auf diese Weise zu betreiben heißt dann, „den Betrieb der Repräsentationen untersuchen, d. h. die Klassifizierungen und Ausschließungen, die – in ihrer radikalen Verschiedenheit – die für eine Zeit und einen Raum eigentümlichen gesellschaftlichen und begrifflichen Konfigurationen ausmachen.“121) Dabei wird der Entwurf sozialer Identitäten als Ergebnis eines Kräfteverhältnisses verstanden, das zwischen den verordneten Repräsentationen derjenigen, die die Macht zum Klassifizieren und Bezeichnen
Era, http://www.ihrinfo.ac.uk/ihr/Focus/Victorians/davisJ.htm, Zugriff vom 3. 7. 2002. Für die Ausstellungen im Allgemeinen vgl. Weber-Felber, Manifeste, S. 109; Plum, Weltausstellungen. 116) Welskopp, Sozialgeschichte, S. 191. 117) Eric Hobsbawm, Die Blütezeit des Kapitals. Eine Kulturgeschichte der Jahre 1848–1875, München 1977, S. 127. 118) Vgl. Elke Krasny, Zukunft ohne Ende – das Unternehmen Weltausstellung, in: Brigitte Felderer (Hrsg.), Wunschmaschine Welterfindung. Eine Geschichte der Technikvisionen seit dem 18. Jahrhundert. Ausstellungskatalog, Wien/New York 1996, S. 314–338, S. 314. 119) Chartier, Kulturgeschichte, S. 11. 120) Chartier, Welt, S. 335. 121) Chartier, Kulturgeschichte, S. 18 f.
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haben, und der folgsamen oder resistenten Definition besteht, die jede Gemeinschaft von sich selbst entwirft.122) Im 19. Jahrhundert hatten die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe an diesem Prozess der symbolischen Konstruktion von Wirklichkeit einen hervorragenden Anteil.123) In einem ebenso anregendem wie suggestivem Artikel hat der britische Soziologe Tony Bennett die Wirkung eines auf der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstehenden Exhibitionary Complex beschrieben: Parallel zu den Institutionen der Kontrolle, des Strafens und des Normierens, welche Foucault als Elemente der Moderne analysiert hat,124) entwickelte sich ein weitreichender Ausstellungskomplex aus historischen und naturwissenschaftlichen Museen, Dioramen und Panoramen, Arkaden und Warenhäusern sowie Ausstellungen im engeren Sinne.125) Beide Institutionengeflechte, sowohl die der Bestrafung und der Kontrolle als auch die des Sammelns und Exponierens, sowie die ihnen verbundenen Praxis- und Diskursformen zielten auf unterschiedliche Weise darauf, die Relationen von Macht und Wissen (neu) zu formieren. Der exhibitionary complex, so argumentiert Bennett, „was a response to the problem of order, but one which worked differently in seeking to transform that problem into one of culture – a question of winning hearts and minds as well as the disciplining and training of bodies.“ Der Ausstellungsbetrieb kehrte die Perspektive der modernen disziplinierenden Institutionen um: Der Einzelne wurde nicht einer unsichtbaren und auf Dauer internalisierten Kontrolle unterworfen. Der exhibitionary complex „sought to allow the people to know and thence to regulate themselves; to become, in seeing themselves from the side of power, both the subjects and objects of knowledge, knowing power and what power knows, and knowing themselves as (ideally) known by power.“126) So anregend der Zugriff auf das Phänomen Ausstellung ist, so groß war die Kritik im Einzelnen.127) Im Folgenden soll nur ein zentraler Einwand entwickelt werden, um die eigene Analyse daran zu schärfen: Bennetts Analyse ist ganz der Perspektive der „cultural clerisy“ verpflichtet, deren Absichten er ideologiekritisch dekodiert. Die mit der Ausstellung einer breiten Masse demonstrierte Fähigkeit, die Dinge zu ordnen und zu hierarchisieren, ist ihm Be-
122)
Ebd. Vgl. dazu den eng an Foucault angelehnten Ansatz von Tony Bennett, The Exhibitionary Complex, in: Nicholas B. Dirks/Geoff Eley/Sherry B. Ortner (Hrsg.), Culture/Power/ History. A Reader in Contemporary Social Theory, Princeton 1994, S. 123–154. 124) Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1994, S. 278. 125) Vgl. Bennett, Exhibitionary Complex, S. 131. 126) Tony Bennett, The Exhibitionary Complex, in: New formations (1988), Nr. 4, S. 73–102, S. 76. 127) Vgl. unter anderem Vanessa R. Schwartz, Spectacular Realities. Early Mass Culture in Fin-de-Siècle Paris, Berkeley 1998, S. 6; Robert A. Baron, Review of Tony Bennett, The Birth of the Museum, in: Culturefront 5 (1996), Nr. 1, S. 66. 123)
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A. Einleitung
weis genug für die disziplinierenden Machtspiele der Herrschenden, unabhängig davon, was und wie etwas ausgestellt und rezipiert wird. Wie Foucault begreift auch Bennett das Ausstellen als Instrument der Institutionalisierung von Herrschaft und Macht unter dem Deckmantel der „Aufklärung“. Im Folgenden wird hingegen ergebnisoffen davon ausgegangen, dass sich in und an den (von den Interessen ihrer Macher bestimmten) Inszenierungen durchaus kontroverse Debatten und Kontroversen zu gesellschaftlich relevanten Themen entfalteten.128) Die Kommunikationsstruktur der Ausstellung war, so wird im Folgenden gezeigt, keinesfalls so eindimensional angelegt, wie es der Entwurf Bennetts suggeriert. Um die Repräsentationsleistungen der Ausstellungen rekonstruieren zu können, sind über die grundlegenden Überlegungen Chartiers hinaus Einsichten der Volks- und der Museumskunde sowie der Ausstellungsdidaktik von Nutzen. Sie leiten dazu an, Techniken der Inszenierung zu entschlüsseln und Strategien der Wahrnehmung zu rekonstruieren. 2. Kommunikation durch Inszenierung und Partizipation: Ausstellungen als soziale und kommunikative Praxis Weder vergangene noch moderne Ausstellungen kommunizieren in Clios üblichem Idiom: Wo Texte per se narrative Zusammenhänge herstellen zwischen Handlungen, Orten und Personen, da vermitteln Ausstellungen Erkenntnis „qua Anschauung“ von Objektarrangements und (begehbaren) Bildern.129) In historischen Untersuchungen zu Ausstellungen ist dieser „dreidimensionale Aspekt“ bislang nicht ausreichend beachtet worden.130) Eine Auseinandersetzung mit der Ausstellungstheorie und der Ausstellungsdidaktik soll dazu anleiten, diesen Fehler zu vermeiden, und zugleich die folgende empirische Analyse anleiten. Der Kultur- und Museumswissenschaftler Severin Heinisch hat die Konzeption einer Ausstellung mit einer „linguistischen Operation“ verglichen. Die hinzugezogenen Objekte sind, gemessen an ihren Herkunftszusammenhängen, fragmentarisch und „sprachlos“. Sie können, selbst wenn sie in Beziehung zueinander präsentiert werden, keine Geschichte im Modus einer narrativen Struktur „erzählen“.131) Erst mit dem Aufbau entsteht ein Arrangement „aus
128)
Vgl. Peter Schöttler, Sozialgeschichtliches Paradigma und historische Diskursanalyse, in: Jürgen Fohrmann/Harro Müller (Hrsg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Frankfurt a. M. 1977, S. 159–199, S. 177. 129) Gottfried Korff, Speicher und/oder Generator. Zum Verhältnis von Deponieren und Exponieren im Museum, in: Moritz Csáky/Peter Stachel (Hrsg.), Speicher des Gedächtnisses. Bibliotheken, Museen, Archive. Teil 1: Absage an und Wiederherstellung von Vergangenheit – Kompensation von Geschichtsverlust, Wien 2000, S. 41–52, S. 47. 130) Vgl. John R. Davis, Book Review. The Great Exhibition of 1851. 131) Vgl. Jan Gerchow, Museen, in: Michael Maurer (Hrsg.), Aufriß der historischen Wissenschaften Bd. 6: Institutionen, Stuttgart 2002, S. 316–400, S. 321.
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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Bildern, Objekten und Schautafeln, aus Vitrinen, Anordnungen, Inszenierungen und festgelegten Wegen“.132) Diese offene Kommunikationsstruktur macht dem Historiker den Zugang zu Expositionen sperrig, begründete zugleich aber den Erfolg des Mediums im 19. Jahrhundert: Die Möglichkeit der flexiblen Kontextualisierung ließ die moderne Exposition zu einem besonders einflussreichen Instrument der Vermittlung von Wissen und Weltdeutung aufrücken. Denn wie kein anderes Medium vermochte die Ausstellung fremde und unvertraute Sachverhalte zu ‚rahmen‘, in Beziehung zueinander zu setzen und damit zu präsentieren, zu interpretieren und zu diskutieren.133) Diese Möglichkeiten der (relativ) offenen Arrangements trafen in vielfacher Hinsicht die Bedürfnisse einer „Gesellschaft im Aufbruch“134), in der wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwälzungen in das Leben größerer Kreise der Bevölkerung eingriffen, Traditionen und hergebrachte Bindungen in den Hintergrund drängten und die Erfahrung der Beschleunigung zum Allgemeingut wurde.135) Auf Grund dieses Potenzials avancierte die Ausstellung zu einem wichtigen Ort der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung moderner Gesellschaften.136) Vergleichbar den Museums- und Kunstausstellungen kommunizierten die Industrie- und Gewerbeausstellungen primär über Exponate. Vor den Erläuterungen des Katalogs oder des Expositionsführers stand die „sinnliche Anmutungsqualität“ der materiellen und dreidimensionalen Ausstellungsgegenstände.137) Das Objekt hatte dabei nicht nur einen funktionalen Zeugnisund Dokumentationswert, sondern – diesen Aspekt dachte der zeitgenössische
132)
Severin Heinisch, Ausstellungen als Institutionen (post-)historischer Erfahrung, in: Zeitgeschichte 15 (1988), S. 337–342, S. 339. 133) Ich greife hier auf die Argumentation von Peter Sloterdijk zurück, mit der dieser in der zeitgenössischen Kulturdiskussion für das Museum als „Schule des Befremdens“ wirbt. Dieser Gedankengang lässt sich mit Blick auf das 19. Jahrhundert vortrefflich umkehren und somit die Ausstellung als „Schule der Aneignung“ charakterisieren. Vgl. Peter Sloterdijk, Museum: Schule des Befremdens, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Magazin vom 17. März 1989, S. 57–66. 134) Wolfram Siemann, Gesellschaft im Aufbruch. Deutschland 1849–1871, Frankfurt a. M. 1990. 135) Vgl. Thomas Nipperdey, Probleme der Modernisierung in Deutschland, in: Saeculum 30 (1979), S. 292–303, S. 292; Louis Bergeron/François Furet/Reinhart Koselleck (Hrsg.). Das Zeitalter der europäischen Revolutionen 1780–1848, Frankfurt a. M. 1969, S. 303. Vgl. die mentalitätsgeschichtliche Skizze bei Angela Schwarz, Der Schlüssel zur modernen Welt. Wissenschaftspopularisierung in Großbritannien und Deutschland im Übergang zur Moderne (ca. 1870–1914), Stuttgart 1999, S. 13–22; Martin Doerry, Übergangsmenschen. Die Mentalität der Wilhelminer und die Krise des Kaiserreichs, Weinheim/München 1986. 136) Korff, Speicher, S. 43. 137) Gottfried Korff/Martin Roth, Einleitung, in: diess. (Hrsg.), Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt a. M./New York 1990, S. 9–37, S. 17.
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A. Einleitung
„Vorbilderglaube“ des 19. Jahrhunderts immer mit138) – war zugleich auch Instrument der Didaktik. Erkenntnis organisierte sich beim Ausstellungsbesuch in aller Regel über den Sehsinn, zusätzlich aber boten sich Möglichkeiten der Wahrnehmung über das Gehör, den Tast- oder den Geruchssinn.139) Die Aura des Originals und die damit verbundene „Ästhetik der Anwesenheit“ boten den Ausstellern bei der Präsentation ihrer Produkte und Dienstleistungen handfeste Vorteile gegenüber anderen Medien der Werbung oder der Information.140) Gleichgültig, ob die Industrie- und Gewerbeausstellungen als Instrument der Gewerbeförderung oder als kommerzielles Massenspektakel konzipiert waren: Über Maschinen und Produktionsprozesse, über Waren und ihre Qualitäten ließ sich abstrakt nur in Näherungen oder mittels aufwändiger und doch notdürftiger Beschreibungen und Skizzen diskutieren. Viel mehr leistete dort für den potenziellen Geschäftspartner und Käufer das Ansehen und Betasten des Produkts, für den an Unterhaltung und am Spektakel interessierten Besucher das unmittelbare Bestaunen der Innovation. Die direkte Anschauung sollte nicht nur den Handwerker dazu bewegen, neue Techniken einzusetzen. Auch der Fortschrittskritiker im Allgemeinen oder der Gegner der Elektrifizierung im Speziellen ließ sich angesichts der faszinierenden Maschinenparks oder gar im elektrischen Licht der Ausstellung besonders nachhaltig überzeugen.141) Trotz authentischer Exponate waren Ausstellungen nicht Wirklichkeit, sondern verwiesen lediglich auf diese und interpretierten sie. Um dieses zu leisten, mussten die aus ihrem Entstehungszusammenhang gelösten Ausstellungsobjekte in einen vermittelnden Bezugsrahmen gestellt werden.142) Die Ausstellungen inszenierten einen Zusammenhang zunächst durch die räumliche Anordnung der Dinge. Damit konnten sie „Wahrnehmungsordnungen schaffen, die das Mit- und Ansehen steuern und steigern, die Aha-Effekte und Choques, wie Benjamin die blitzhafte Erkenntnis nannte, herstellen.“143) Inszenierung bezeichnet dabei „die Pointierung und Markierung einer Wahrnehmungsorganisation, die sich aus der Installation der Dinge im Raum, aus dem Zusammenfügen von Objekten zu bildhaften Ensembles ergibt.“ Mittels
138)
Vgl. die kurze Bemerkung von Barbara Mundt, Die deutschen Kunstgewerbemuseen im 19. Jahrhundert, München 1974, S. 13. 139) Wolfger Pöhlmann, Ausstellungen von A bis Z. Gestaltung – Technik – Organisation, Berlin 1988, S. 19. 140) Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a. M. 1970, S. 18. 141) Vgl. beispielsweise zur Stuttgarter Elektrizitätsausstellung von 1899 Beate Binder, Elektrifizierung als Vision. Zur Symbolgeschichte einer Technik im Alltag, Tübingen 1999. 142) Gottfried Korff, Die Eigenart der Museumsdinge. Zur Materialität und Medialität des Museums, in: Kirstin Fast (Hrsg.), Handbuch museumspädagogischer Ansätze, Opladen 1995, S. 17–28, S. 22. 143) Korff, Speicher, S. 47.
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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ihres rhetorischen Apparates ‚übersetzten‘ Ausstellungen ein bestimmtes Wissen respektive inhaltliche Intentionen in visuell entschlüsselbare und erlebbare Konstellationen. Neben der Anordnung im Raum wurden dabei „Werkzeugobjekte“ wie Vitrinen, Sockel, Schrifttafeln, Beleuchtungselemente, aber auch Stellwände, Bühnen und andere materiale Objekte genutzt, die nicht als Originale ausgewiesen waren. Auch die Ausstellungshalle selbst und ihre architektonische und innere Gestaltung zählten dazu.144) Für die Industrie- und Gewerbeausstellungen lässt sich die Bedeutung der Inszenierung an wenigen Beispielen aus der Praxis der Ausstellungsmacher und Ausstellungsorganisatoren illustrieren: Ihre wesentliche Leistung lag darin, Ordnung durch Anordnung zu stiften. Nach bestimmten Schemata und Klassifikationen wurden Einzelprodukte und Exponate zu Ensembles gruppiert und bestimmten Ausstellungsflächen zugeordnet: das optische Instrument zu den als fortschrittlich erachteten wissenschaftlichen Geräten, das Produkt des Silberschmieds zu den kunstgewerblichen Altertümern und die Erzeugnisse des Sattlers an den Rand.145) Umgekehrt reproduzierten sich Klassifizierungen bei der Vergabe von Medaillen, Auszeichnungen und lobenden Anerkennungen: Dem Tapetenhersteller wurde eine Medaille zugesprochen, nicht etwa, weil seine Ware besonders gut gearbeitet, wohl aber, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis nach Ansicht der Juroren stimmig und der Posten damit verkäuflich war.146) Oder es waren – wie auf der Detmolder Ausstellung 1881 von nicht bedachten Ausstellern gemutmaßt wurde – andere soziale Kriterien von Bedeutung, so dass der protestantische Hoflieferant, nicht aber der von auswärts kommende Konditormeister eine Medaille erhielt.147) In diesen und anderen Akten der Inszenierung sowie des Klassifizierens, des Honorierens und des Abwertens generierten sich die Ordnungsvorstellungen, die dem Denken der Ausstellungsmacher und der Ausstellenden unterlagen. Über diese symbolischen Akte, aber auch die Visualisierungen in der Ausstellung konkretisierten sich nicht nur ökonomische Taxonomien, sondern es wurden gesellschaftlich virulente und diskutierte Vorstellungen thematisiert.148) Der in der Ausstellung verwendete „Präsentationssprache“ gilt deshalb die besondere Aufmerksamkeit der empirischen Analyse.149)
144)
Schober, Montierte Geschichten, S. 12 f. Vgl. STA Düsseldorf, XVIII [Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902], Nr. 58, S. 60 f. 146) Vgl. dazu HSTA Düsseldorf, Regierung Aachen, Nr. 8072 [Die öffentliche Ausstellung vaterländischer Fabrikate 1850–1906], S. 30. 147) Vgl. StA Detmold, L 115, Nr. 44, Ausriss aus dem Herforder Kreisblatt No. 97. 148) Benedict, Anthropology, S. 2. 149) So die Begrifflichkeit des tschechischen Museumstheoretikers Zbynek Z. Stránský, Die Prinzipien der musealen Ausstellung, in: Neue Museumskunde. Theorie und Praxis der Museumsarbeit 24 (1981), S. 33–40. Vgl. dazu Korff, Eigenart, S. 24. 145)
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A. Einleitung
Gegenüber herkömmlichen Ausstellungsanalysen ist in unserem Fall eine Einschränkung wichtig: Die Inszenierungsmöglichkeiten auf den Expositionen von Industrie und Gewerbe waren nicht mit denen einer Kunstausstellung oder einer Exposition historischer Objekte gleichzustellen. Im Gegensatz zur Museumsausstellung, die idealtypisch mit der Platzierung eines jeden Exponates ein in sich stimmiges Gesamtkonzept erschafft, konnten die Organisatoren der gewerblichen Ausstellungen nur basale Vorgaben machen, da die Realisierung einzelner Ausstellungspräsentationen in den Händen der Aussteller lag.150) Die Gestalt der Ausstellung leitete sich daher nicht direkt aus der Intention ihrer unmittelbaren Träger ab, sondern ist als Summe der Praxis vieler Akteure zu beschreiben. Hinzu tritt eine weitere Eigenart, die die Industrie- und Gewerbeausstellung deutlich von anderen Institutionen des Ausstellens und gerade vom Museum des 19. Jahrhunderts unterschieden: Die Ausstellungen waren nicht nur Inszenierungen, in denen der Wandel thematisiert wurde, sondern sie fungierten zugleich als „Agenten des Wandels“.151) Sie waren nicht nur Orte der Inszenierung, sondern zugleich auch der Erfahrung und des Mitvollzugs. In den Eröffnungsfeierlichkeiten, Festzügen und sonstigen öffentlichen Veranstaltungen animierten sie Aussteller und Besucher dazu, an einem als natur gegebenen stilisierten ökonomischen und sozialen Arrangement zu partizipieren. Vergleichbar der Missa solemnis, waren die Ausstellungen nicht nur Ausdruck, sondern auch Vollzug von Haltung und Handlung. Sie ermöglichten es ihren Besuchern, die veränderten Produktions-, Distributions- und Konsumverhältnisse und die damit verbundenen neuen Werte und Spielregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens kennen zu lernen, mitzumachen und – so die Idealvorstellung von den Gewerbeförderern der 1830er Jahre bis hin zu den kommerziellen Veranstaltern zu Beginn des 20. Jahrhunderts – letztlich zu verinnerlichen.152) Diese zentrale Funktion erklärt nicht nur die Mühen und den Aufwand, den die Organisatoren und Aussteller betrieben, sondern auch das hohe Maß an Aufmerksamkeit, welche dieses Medium im Kontext der „Kommunikationsrevolution“ (Siemann) des 19. Jahrhunderts für sich verbuchen konnte. Im Folgenden wird daher insbesondere auf diese Partizipationsund Praxisformen abgehoben. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Frage nach der Rezeption und der Wirkung von Ausstellungen. Konkret ist danach zu fragen, welche Eindrücke ein Besuch der Ausstellung hinterließ: Wurden die intendierten Eindrücke akzeptiert und übernommen? Welche Themen zogen Kreise und stießen Debatten an? Welche Bilder – tatsächliche wie auch mentale – der Ausstellung kursierten? Gab es Ansichten, die sich davon unterschieden, und wenn ja, aus welchen Gründen? Wie formierte sich Gegenöffentlichkeit? 150)
Vgl. dazu das Kapitel C III. Hoffenberg, Empire, S. 27. 152) Vgl. Benedict, Anthropology. 151)
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III. Ausstellungsgeschichte und Ausstellungsanalyse
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Quellen, die Antworten auf diese Fragen erlauben, reichen von autobiographischen Zeugnissen über publizistische Kommentare bis hin zu Buchpublikationen. Diese Überlieferung dient der Rekonstruktion der Denkfiguren, Bilder und Vorstellungen, mit denen sich die Zeitgenossen im Medium Ausstellung über den industriellen und gesellschaftlichen Wandel verständigten.153) Exemplarisch kann gezeigt werden, dass die Aneignung von Exponaten und Inszenierungen viel eigensinniger erfolgte, als es den Veranstaltern und Ausstellern recht sein konnte. Die offene Kommunikationsform der Ausstellung brachte Unschärfen mit sich und erlaubte Interpretationsspielräume, gegen die auch das schriftliche Begleitwerk wie der Katalog oder erläuternde Tafeln keine Abhilfe schufen.154) Inszenierungen und Arrangements appellierten an die sensuelle Disposition des Ausstellungsbesuchers, die Seheindrücke und Wahrnehmungen konnten ganz verschiedene Assoziationen und Interpretationen hervorrufen. Paradigmatisch für die Offenheit der Aneignung steht die physische Bewegungsfreiheit des einzelnen Ausstellungsbesuchers: Dieser konnte den in der Ausstellung platzierten Wegweisern folgen, sich der Routenempfehlung eines Ausstellungsführers anvertrauen oder – sofern er mit speziellen Interessen das Ausstellungsterrain betrat – sich gezielt bestimmten Abteilungen und Segmenten zuwenden. Möglich war es aber auch, sich von der Besuchermasse treiben zu lassen und auf diese Weise dort anzulangen, wo das größte Spektakel, das reißerischste Seherlebnis oder Ähnliches zu erwarten war.155) Dem Besucher eröffneten sich zahlreiche Möglichkeiten der Aneignung des Wahrgenommenen und Erlebten. Die Ausstellungen sind deshalb nicht im Foucault’schen Sinne als Momente der Didaktisierung und Durchsetzung von Macht zu fassen. Folgt man einer Klassifikation des Medientheoretikers Marshall McLuhan, dann ist die Ausstellung als ein „kaltes Medium“ zu charakterisieren, bei dem der Rezipient die Bedeutung aktiv zuweist.156) Rezeptionsästhetisch gewendet ist der Besucher Produzent, in der Rezeption und Aneignung der Dingarrangements wird er Sinnproduzent.157)
153)
Diese methodischen Überlegungen werden weiter ausgeführt in Thomas Großbölting, Soziale Frage und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert – Systemtheoretische Anregungen zu einer Ideengeschichte der Entstehung der Marktgesellschaft, in: Frank Becker (Hrsg.), Systemtheorie und Geschichtswissenschaft, Frankfurt a. M. 2004, S. 303–329. 154) Vgl. dazu für den Bereich der „Hochkultur“ im engeren Sinne Bernd Roeck, Visual turn? Kulturgeschichte und die Bilder, in: GG 29 (2003), S. 294–315, S. 301. 155) Pöhlmann, Ausstellungen, S. 19. 156) Die Unterscheidung von „kalten“ und „heißen“ Medien lässt sich zur Charakterisierung des Mediums Ausstellung gewinnbringend einsetzen, ist aber generell zu Recht auf Kritik gestoßen. Vgl. zur Einordnung McLuhans in die neuere Medienforschung und einer Diskussion des Ansatzes Knut Hickethier, Zwischen Gutenberg-Galaxis und Bilder-Universum. Medien als neues Paradigma, Welt zu erklären, in: GG 25 (1999), S. 146–172, S. 152 f. 157) Vgl. Korff, Speicher, S. 49.
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A. Einleitung
Soweit es die Überlieferung ermöglicht, wird anhand konkreter Rezeptionszeugnisse die Aufnahme der Ausstellungsofferten und die Aneignungen und Interpretationen der Inszenierungen rekonstruiert.158) Gemessen an der Fülle von Deutungsangeboten, die in den Inszenierungen gemacht wurden, sind Übernahme, Transformation oder Ablehnung von Interpretationen allerdings nur vereinzelt nachzuweisen. Eine methodische Überlegung der Repräsentationsgeschichte kann diese Lücke nicht füllen, hilft aber, sie zu überbrücken: Richtet man das Erkenntnisinteresse auf die Bedingungen und die Praxis von Produktion und Rezeption populären Wissens und populärer Vorstellungen, so ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Einblicke in die Wissensbestände und Vorstellungswelten moderner Gesellschaften zu nehmen. Dann nämlich erschöpfen sich populäre Repräsentationen nicht in den Endprodukten, sprich: den Lesestoffen, Bildern oder Ausstellungsexponaten. Vielmehr rückt der Prozess ihres Herstellens und Aneignens ins Zentrum des Interesses. Damit gewinnen die verschiedenartigen Medien, in denen Wissen transportiert wurde, einen eigenständigen historischen Quellenwert. „In den Tausenden von populärwissenschaftlichen Medien, die im 19. Jahrhundert ihr age d’Or hatten, sind die diskursiven Formen gespeichert, mit denen sich ‚die Leute‘ seither über die Welt verständigen“.159) Die Medien selbst, ihre Verbreitung und die mit ihrer Nutzung neu etablierte Praxis legen offen, wie dieses Wissen zirkulierte und verteilt wurde.
IV. Das Untersuchungsdesign Im Zentrum der Analyse stehen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland, welche zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und dem einsetzenden 20. Jahrhundert abgehalten wurden.160) Ein Abriss der Entwicklung des Mediums, eine damit verbundene Bestimmung des Gegenstandes sowie die Grenzen des Untersuchungszeitraumes werden im Abschnitt B ausführlich skizziert,161) so dass an dieser Stelle nur das Einsetzen und der Schlusspunkt der Studie kurz begründet werden: Den Anfang des modernen Ausstellungswesens markierte eine von der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe organisierte Veranstaltung im Jahr 1790.162) Nicht allein die hambur158)
Ein Beispiel dafür bei Jaques Ranciére/Patrick Vauday, Going to the Expo: The Worker, his Wife and Machines, in: Adrian Rifkin/Roger Thomas (Hrsg.), Voices of the People: The Social Life of ‚La Sociale‘ at the End of the Second Empire, London 1988, S. 23–44. 159) Philipp Sarasin, Arbeit, Sprache – Alltag. Wozu noch Alltagsgeschichte?, in: WerkstattGeschichte 5 (1996), S. 72–87, S. 81. 160) Vgl. dazu Anhang 1: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. 161) Vgl. dazu Abschnitt B I in dieser Arbeit. 162) Vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 24–31.
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IV. Das Untersuchungsdesign
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gische Veranstaltung, sondern vor allem das Vorbild der französischen Nationalausstellungen machte das Medium Ausstellung in Deutschland populär.163) Zu einer ersten Welle kam es erst in den 1830er Jahren, als private Gewerbevereine die Trägerschaft für diese Veranstaltungen übernahmen.164) Klagen über „Ausstellungsmüdigkeit“ setzten bereits seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein. Ungeachtet dieser Stimmen aber waren die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Blütezeit des nationalen, regionalen und lokalen Ausstellungswesens. Bis zum Ersten Weltkrieg steigerte sich das Expositionswesen quantitativ wie qualitativ kontinuierlich. Mit Anbruch des 20. Jahrhunderts traten zugleich erste Anzeichen eines Formwandels hervor: Die allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen, die einen umfassenden Repräsentationsanspruch hatten, wurden zunehmend abgelöst von Fach- und Spezialausstellungen. Diese wandten sich nicht mehr an die breite Öffentlichkeit, sondern an ein Fachpublikum. Der einsetzende Erste Weltkrieg verstärkte diese Entwicklung: Große Ausstellungsprojekte wurden gestoppt und auch nach Kriegsende in der zunächst geplanten Form nicht wieder aufgenommen. Nach 1918 entwickelte sich eine Ausstellungskultur, die zwar Kontinuitäten aufwies, aber in ihrer thematischen Ausrichtung wie auch in ihrer Form von neuen Ansätzen geprägt war.165) Um das Phänomen der Ausstellungen möglichst umfassend thematisieren zu können, wurden zwei Zugriffe miteinander kombiniert: Auf der Makroebene wurden die Verbreitung des Mediums und seine Entwicklung rekonstruiert. Auf dieser Grundlage wurde eine typologische Geschichte des Mediums Industrie- und Gewerbeausstellung in Deutschland verfasst, die die institutionellen Rahmenbedingungen skizziert. Um die Formen und Gehalte der Ausstellungen und ihre Kommunikationsleistungen analysieren zu können, wurden im Schwerpunkt Fallstudien betrieben. Diese konzentrierten sich zunächst auf Ausstellungen, die gemessen an ihrem Besucheraufkommen wie auch in der publizistischen Wahrnehmung eine große Wirkung erzielten und deshalb die Ausstellungskultur in Deutschland besonders prägten. Im Mittelpunkt stehen so Veranstaltungen in Mainz (1842), in Berlin (1844, 1879, 1896), München (1854), Düsseldorf (1852, 1880, 1902) und Hannover (1859, 1878). Insbesondere in den Fällen, wo Ausstellungen in einem lokalen oder regionalen Kontext wiederholt stattfanden, boten sich vielfältige Einblicke in die
163)
Die erste Ausstellung von Produkten des Gewerbes im Rheinland ist ebenfalls auf direkten französischen Einfluss zurückzuführen: Gewerbetreibende im Großherzogtum Berg versuchten 1811 in Düsseldorf mit der Präsentation ihrer Produkte Napoleon zur Aufhebung der Kontinentalsperre gegen England zu bewegen. Vgl. Schäfers, Werkbund, S. 22. 164) Zur Dichte der Ausstellungen vgl. die Grafik „Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland 1790–1908“ in Kapitel B dieser Studie. 165) Vgl. dazu ausführlich Abschnitt B III sowie den Ausblick im Teil E dieser Arbeit.
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A. Einleitung
Entwicklung des Mediums. Düsseldorf avancierte zum Ausstellungsplatz für das rheinisch-westfälische Industrierevier, Berlin rückte insbesondere seit der Reichsgründung zu einem wichtigen Standort auf. Für das sächsische Industriegebiet wurde vor allem die sächsisch-thüringische Gewerbeausstellung von 1897 berücksichtigt.166) Ergänzend wurden Fallstudien zu kleineren, meist auf den lokalen Raum bezogenen Expositionen angestellt, um neben den ‚Spitzenereignissen‘ dieses Mediensegments auch die Breite dieses Phänomens zu dokumentieren und auch qualitativ in die Untersuchung einzubeziehen. Diese Studien konzentrieren sich auf die rheinisch-westfälische Region, die als Vorreiterin der Industrialisierung ein reiches, in vielen Fällen aber nur spärlich dokumentiertes Ausstellungswesen entwickelte, so daß sich die Untersuchung auf die gut belegten Veranstaltungen konzentrierte (Herford 1870, Duisburg 1873, Detmold 1882, Essen 1890). Dabei fällt auf, dass sich kein partikularstaatlicher oder gar regional zu unterscheidender Ausstellungsstil entwickelt hat.167) In vielen Fällen ist eher ein trickle-down-Effekt zu beobachten, der einerseits vom internationalen Ausstellungswesen ausging, sich aber auch innerhalb des deutschen Ausstellungswesens entwickelte: National-, Landes- und Lokalausstellungen haben sowohl mit Blick auf die Formensprache als auch in ihrer Gesamtanlage viel von den Weltausstellungen übernommen und sich für ihre Belange angeeignet. Ebenso standen innerhalb Deutschlands die einzelnen Ausstellungsunternehmungen in einem regen Wechselverhältnis zueinander: Konzeptionen und Klassifikationen wurden abgeglichen, Präsentationsformen und Schaugeschäfte übernommen, im Fall der Berliner Ausstellung 1879 gar Teile des Gebäudes der Hannoverschen Ausstellung 1878 angekauft.168) Das internationale Ausstellungswesen ist mittels der publizistischen Berichterstattung sowie der Beobachtungen in die Studie eingeflossen, die die entsprechenden Stellen der einzelstaatlichen, später der Reichsregierung gemacht haben.169) Zusätzlich wurde die umfangreiche Forschungsliteratur dazu herangezogen.170) Für die Ausstellungen in Deutschland, die nicht archivalisch erschlossen werden konnten, sind Kataloge, Spezialberichte und publizistische sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen herangezogen worden. Die Auswahl der intensiver erforschten Industrie- und Gewerbeausstellungen ist nicht zur Grundlage der Gliederung geworden. Statt die Geschehnisse um einzelne Ausstellungen umfassend zu erzählen, wurde eine systematische Darstellung vorgezogen. Obwohl auf diese Weise Teile des eingesehen Mate-
166)
Vgl. dazu Abschnitt B I in dieser Studie. In dieser Hinsicht ist das Ergebnis von Korn, Gewerbeausstellungen, S. 185, auch über das hanseatische Ausstellungswesen hinaus zu bestätigen. 168) Vgl. dazu Abschnitt C III in dieser Studie. 169) Vgl. dazu den Anhang 2 „Archive und archivalische Quellen“ in dieser Studie. 170) Vgl. dazu auch den Literaturüberblick von Geppert, Welttheater, S. 29. 167)
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IV. Das Untersuchungsdesign
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rials ungenutzt bleiben, wird es dennoch – so meine Hoffnung – an Anschaulichkeit nicht mangeln. Die Studie ist in drei Teile gegliedert: Teil B wird die Geschichte des Mediums Industrie- und Gewerbeausstellung nachzeichnen. Wie alle Formen von Repräsentation waren Ausstellungen nicht nur sozial und politisch, sondern auch kulturell und medial an gattungsspezifische Traditionen und Dispositionen gebunden.171) Diese Dispositionen konstituieren die Darstellungs- und Zeigbarkeitsregeln des Mediums, die in typologischer Absicht erarbeitet werden sollen. Nicht eine oder mehrere, sondern die Ausstellung als Medium und Institution steht im Mittelpunkt der Überlegungen. Aus der oben begründeten Auswahl werden die Grundzüge der Expositionen erarbeitet, an besonders repräsentativen oder auch hervorstechenden Beispielen aufgezeigt und dann mit dem Gros der Ausstellungen abgeglichen. In dieser Weise werden zunächst die Wurzeln der Industrie- und Gewerbeausstellungen freigelegt, die Beziehungen zu verwandten Medien wie den Messen und Märkten einerseits, dem Museum andererseits bestimmt, um dann die Entwicklung des Ausstellungswesens selbst zu verfolgen. Dabei sind nicht nur Form und Gattung von Interesse, zusätzlich werden auch die sozialen Trägergruppen sowie die Intentionen, die sich mit der Veranstaltung der Ausstellungen verbanden, in ihrem zeitlichen Wandel beschrieben. Am Beispiel von Organisation und Finanzierung werden zugleich die institutionellen Rahmenbedingungen wie auch die kommunikativen Kreise aufgezeigt, die das Medium prägten. Die Veränderungen in der Ausstellungskultur, die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts andeuteten, werden aus der zeitgenössischen Diskussion sowie aus der Ausstellungspraxis der Zeit eruiert. Mit diesem Vorgehen verbindet sich ein zweites Ziel: Bei all den Schwierigkeiten, die es bereitet, Rezeption und damit die Wirkung eines Buches, eines Theaterstücks oder eben eines Ausstellungsbesuchs zu analysieren, so bietet doch die Entwicklung des Mediums selbst, der Erfolg oder Misserfolg, einen zwar groben, aber doch verlässlichen Hinweis auf die Dichte und Reichweite der transportierten Deutungen. Auch unter diesem Aspekt wird die Entwicklung des Ausstellungswesens vom frühindustriellen Instrument der Gewerbeförderung zu einer immer stärker kommerzialisierten Massenveranstaltung in den Blick genommen. Um die Deutungen und Bedeutungen freizulegen, die dem Repräsentationsmedium Industrie- und Gewerbeausstellung zu Grunde lagen, ist insbesondere die Analyse der mit der Produktion und Rezeption verbundenen Praxis angezeigt. Eine solche Untersuchung wird in Abschnitt C geleistet: Allgemeine Industrie- und Gewerbeausstellungen waren eine Schnittstelle zwischen staatlichen Organisatoren und privaten Interessenvereinigungen, Gewerbetreibenden aller Couleur und verschiedenen Segmenten aus der großen Masse
171)
Chartier, Kulturgeschichte, S. 22.
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A. Einleitung
der Besucher, die auf den Ausstellungen mit jeweils unterschiedlichen Intentionen agierten. Ausstellen bedeutet, so ist im Rückgriff auf museumstheoretische und museumspädagogische Schriften gezeigt worden, Interpretation durch Inszenierung. Die wesentliche Leistung der Ausstellungsorganisatoren, Ausstellungsmacher und der Ausstellenden bestand darin, mittels Inszenierung Ordnung zu stiften und dadurch Deutungsangebote und Erfahrungsorte zu schaffen. Die Grundannahmen und Ordnungsprinzipien, die diesem Wirken unterlagen, werden erarbeitet: Über verschiedene Formen der Publikumslenkung wie gestaffelte Eintrittspreise und Öffnungszeiten lässt sich der Wandel in der Besucherpolitik rekonstruieren, um so auf das jeweilige Wunschpublikum der Veranstalter zu schließen. Grundlegend für den Phänotyp der Ausstellung war das unterlegte Klassifikationssystem, welches sich zwischen den 1820er Jahren und 1910 charakteristisch wandelte. Strategien, den Blick und die Aufmerksamkeit der Besucher zu lenken, waren die Inszenierung der Ware, die Organisation von Vorführungen und Proben sowie die Kommunikation durch Architektur und Innenarchitektur. Eine besondere Stellung nimmt die Analyse von Feiern im Rahmen der Ausstellungen ein: In diesen Höhepunkten führten die Ausstellungsorganisatoren ein Modell der industrialisierten Gesellschaft vor und animierten das geladene Publikum zugleich, aktiv daran teilzuhaben. In den Feierlichkeiten wurden die Wirkungen von Wirtschaft und Technik dargestellt wie auch die Hierarchien in der sich industrialisierenden und der industrialisierten Gesellschaft aktiv neu interpretiert. In diesem ‚Modell‘ der industrialisierten Gesellschaft war auch dem Publikum eine eigene Rolle zugewiesen. Im Abschnitt D der Studie werden die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgerichteten Veranstaltungen als punktuell eingesetzte Sonden begriffen, um die sich an ihnen entzündenden Dispute zu registrieren und die jeweilige Gesellschaft auf einen bestimmten Themenkomplex hin „abzuklopfen“. Mehrere Problemkreise stechen hervor, die zu Beginn des jeweiligen Abschnitts ausführlich hergeleitet werden: die Repräsentation von Arbeit und ihrer Akteure, die Demonstration industriellen und technischen Fortschritts, die Beziehung von Kunst und Industrie sowie die räumliche und zeitliche Verortung des allgemeinen Fortschritts, welche in den Ausstellungen vorgenommen wurde. Dabei ist aus den oben angeführten methodischen Überlegungen ein Hinweis abzuleiten: Diskussionen um die soziale Frage, um die Wirtschaftsordnung und ähnliche weit tragende Probleme erschöpften sich nicht in den Beiträgen der Ausstellung. Die Ausstellungen sind in Hinsicht auf eine diskursivrationale Ebene für viele Problemstellungen eher als nachrangig zu werten: Wer die zeitgenössische Debatte um die soziale Verfasstheit der Gesellschaft oder die Ideologie des Freihandels in Auseinandersetzung mit der Schutzzollpolitik studieren will oder wissen möchte, wie sich Staat und Unternehmer zueinander verhielten, ist zunächst auf andere Quellen verwiesen.
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V. Quellen der Ausstellung
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Um den genuinen Beitrag der Ausstellungen zum zeitgenössischen Diskurs zu ermitteln, werden die Kommunikationsleistungen und Visualisierungen der Ausstellungen mit den Ergebnissen von Forschungen kontextualisiert, die auf einer anderen Quellenbasis betrieben wurden. Die in den Ausstellungen per Inszenierung und Visualisierung kommunizierten Bilder- und Gesellschaftsmodelle werden so in den jeweiligen gesellschaftlichen Diskurs eingeordnet: Wo reproduzierte die Ausstellung bereits vorhandene Argumentationen? In welcher Hinsicht wiesen die Expositionen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln über den herrschenden Diskurs hinaus? In Zwischenresümees werden die Ergebnisse der Großkapitel gebündelt, so dass dem Schluss (Teil E) die Aufgabe zukommt, die Erträge in aktuelle Forschungsdiskussionen einzuordnen sowie einen Ausblick auf die Ausstellungskultur und Medienlandschaft nach 1914 zu geben.
V. Quellen der Ausstellung Gleicht man die wenigen aktuellen Titel der Ausstellungsforschung mit dem Volumen der überlieferten Quellen ab, so zeigt sich rasch ein auffallendes Missverhältnis: Wo sich erst im letzten Jahrzehnt die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Ausstellungen intensiviert hat, da haben die Expositionen bei den Zeitgenossen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit gefunden. Diese hat sich in einem „nahezu uferlosen“ Fundus von Materialien zu einzelnen Ausstellungsprojekten niedergeschlagen.172) Blickt man auf diese Quellenbestände, so ist zu vermuten, dass sich die Zurückhaltung der Geschichtswissenschaft gegenüber dem Medium nicht nur mit den ungewohnten Kommunikationsstrukturen der Ausstellung und dem von daher geforderten interdisziplinären Arbeitsstil erklärt, sondern auch mit der vielfältigen und in sich disparaten Überlieferung zusammenhängt. Im Folgenden sollen verschiedene Quellengruppen zur Geschichte der Ausstellungen vorgestellt und in ihrer Bedeutung für die Analyse gewichtet werden. Da die Veranstalter von Industrie- und Gewerbeausstellungen in der Regel zwar von der Obrigkeit geförderte, aber dennoch private Gesellschaften oder Komitees waren, ist ihre Überlieferung in staatlichen und kommunalen Archiven nicht systematisch gesammelt worden.173) Ausnahmen finden sich lediglich dort, wo sich bereits früh eine Stadt als Veranstaltungsort für Messen und Ausstellungen profilierte.174) Darüber hinaus fanden Expositionsprojekte
172)
Zur Einschätzung der Quellenlage vgl. Wörner, Vergnügung, S. 8. Vgl. auch Haltern, Welt, S. 3–4; Korn, Gewerbeausstellungen, S. 16. 173) Selbst die Hinterlassenschaft des so staatsnahen und traditionsreichen „Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen“ ist deswegen nicht erhalten geblieben. 174) Zu nennen sind hier insbesondere Düsseldorf, Berlin und Hannover. Vgl. dazu das Quellenverzeichnis im Anhang.
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A. Einleitung
in diesen Archiven dann Niederschlag, wenn sie die städtischen beziehungsweise staatlichen Verwaltungs- und Politikinstanzen tangierten. Die staatlichen und kommunalen Archive enthalten daher in ihren ungedruckten Akten und Aufzeichnungen eine Fülle von amtlichen Protokollen, Katalogen und Statistiken. Diese dokumentieren vor allem Vorgänge zu Verwaltungsund Personalfragen, zu Bau- und Umbaumaßnahmen, zur räumlichen und städtebaulichen Platzierung und zu Fragen der Finanzierung der entsprechenden Vorhaben. Insbesondere dann, wenn städtische oder anderweitig obrigkeitliche Unterstützung nachgefragt oder gewährt wurde, eröffnen diese Quellen einen Blick in die Aktivitäten der Organisatoren von Ausstellungen, die der Obrigkeit gegenüber ihre Ziele, Motivationen und bisherigen Aktivitäten offen legten. Mittels dieses Überlieferungsstrangs lässt sich vor allem die Organisations- und Produktionsseite der Ausstellung rekonstruieren. Eine Statistik des modernen Messe- und Ausstellungswesens, die Auskunft zur quantitativen Dimension des Phänomens gibt, existiert für Deutschland erst seit dem Ende des Ersten Weltkriegs: Vorher verzichtete die amtliche Statistik des Deutschen Reiches darauf, dieses Segment des Wirtschaftslebens in die eigene Datenerhebung aufzunehmen. Lediglich einzelne Mitarbeiter der Behörde behandelten das Messewesen aus methodischen Gesichtspunkten.175) Erste systematische Bestrebungen zur quantitativen Erfassung von Ausstellungen gehen auf private Initiative zurück: Ein Kreis deutscher Industrieller regte 1907 die Gründung des Ausstellungs- und Messeamtes der Deutschen Industrie mit Sitz in Berlin an.176) Diese Institution gab einen Messeund Ausstellungskalender heraus, in dem dem Anspruch nach sämtliche Veranstaltungstermine und -orte verzeichnet waren. Seit den zwanziger Jahren wurde diese Publikation durch private Veröffentlichungen ergänzt.177) Daneben traten neben der zeitgenössischen Literatur vor allem landeskundliche und regionalgeographische Forschungsarbeiten, die Fragen nach der räumlichen Struktur und nach der Standortentwicklung des Ausstellungswesens aufnahmen.178)
175)
Vgl. Kurt Pröpper, Die Entwicklung des deutschen Messewesens im Jahre 1924. Eine statistische Untersuchung, Leipzig 1925; ders., Konzentration im Messewesen. Ein statistischer Rückblick auf das deutsche Messejahr 1925, Leipzig 1926; ders., Messenstatistik, in: Allgemeines Statistisches Archiv 16 (1927), S. 85–91; Ernst Schäfer, Zum Ausbau der Messestatistik, in: Die Deutsche Fertigware 2 (1934), S. 27–32. 176) Vgl. Ausstellungs- und Messe-Ausschuß der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Rückblick auf ein halbes Jahrhundert. Von der Ständigen Ausstellungskommission zum Ausstellungs- und Messeausschuß der Deutschen Wirtschaft e. V., Köln 1957. 177) AUMA-Kalender, fortlaufend seit 1918. Zusätzlich „m + a – Kalender“ wie auch diverse Messe-, Ausstellungs- und Kongressplaner. 178) Die aktuellste Arbeit mit einem ausführlichen Referat der vorangegangenen Forschung ist Holger Möller, Das deutsche Messe- und Ausstellungswesen. Standortstruktur und räumliche Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert, Trier 1989, S. 54–66.
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V. Quellen der Ausstellung
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Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren öffentliche Ereignisse, die sehr viel größere Kreise zogen, als es sich in der genannten amtlichen und verbandlichen Überlieferung niederschlägt: Für die Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts waren sie bedeutende Begebenheiten, die aus vielfältigen Gründen beachtet wurden: wegen der mit ihnen verbundenen Förderung des heimischen Gewerbes, wegen ihrer baulichen Bedeutung, die oftmals auch eine Veränderung des Stadtbildes mit sich brachte, oder als individuell tief empfundenes Bildungs- und Amüsementerlebnis. Die Aufarbeitung erleichtert wie auch erschwert haben die Bemühungen der Ausstellungsorganisatoren und -macher, das Vermächtnis der von ihnen ins Leben gerufenen Veranstaltung selber zu formen und zu bewahren. Der Großteil der Sachquellen, die herangezogen werden konnten, entstammt diesem Kontext: Vereinzelt sind städtebaulich und architektonisch interessante Ausstellungsbauten erhalten geblieben. Vielfach sind die reichlich ausgegebenen Gedenkmünzen und Zertifikate179), gelegentlich selbst exzeptionelle Exponate der Ausstellungen überliefert.180) Die Ausstellung als eines der erfolgreichsten Massenmedien im 19. Jahrhundert war ihrerseits vielfältig eingebunden in die Medienlandschaft der Zeit. Sie fungierte als ein Meta-Medium, welches zahlreiche neue Formen der Öffentlichkeit und Medien in sich barg oder hervorbrachte. Die Kommunikationsleistungen der Ausstellungen beschränkte sich nicht auf den direkten Kontakt zwischen Aussteller, Ausstellungsmacher und Ausstellungsbesucher, sondern fand darüber hinaus publizistischen und literarischen Niederschlag: Zunächst waren es die Ausstellungsorganisatoren, die in doppelter Hinsicht an einem großen Echo ihrer Bemühungen interessiert waren: Allein die Publizität im Vorfeld und während der Veranstaltung garantierte der Ausstellung ein entsprechendes Besucheraufkommen. Mehr und mehr professionalisierte sich daher die Öffentlichkeitsarbeit. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts zielte man immer weniger auf die kleine Schicht der Gewerbetreibenden, sondern zunehmend auf die breite Schicht eines Publikums, welches nach Vergnügen und Sensationen suchte. Bereits im Vorfeld suchte man die Aufmerksamkeit dieses Publikums durch entsprechende Werbung auf seine Initiative hin zu lenken. Während und nach der Veranstaltung ging es darum, das „Vermächtnis“ der und die Erinnerung an die Ausstellung zu sichern und auf diese Weise ihr Nachleben zu verlängern: Dabei bot vor allem der Katalog den Veranstaltern die Möglichkeit, die Ergebnisse der Exposition dauerhaft zu machen. In ihm verstetigten sich Kategorien und Klassifikationen, und die Träger von Aus-
179)
Zu vielen Gelegenheiten wurden mindestens die Hälfte, meist gar zwei Drittel der Aussteller prämiert. Die Verteilung einer allgemeinen Erinnerungsurkunde an alle Aussteller war gängige Praxis. 180) Zu den Ausnahmen zählt die historische Sammlung des Stadtmuseums Düsseldorf, in der die Düsseldorfer Ausstellung von 1902 durch einige Exponate repräsentiert ist.
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A. Einleitung
zeichnungen und Preisen wurden dokumentiert. Im Sinne der Gewerbeförderung sollten die Ausstellungskataloge im Idealfall die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes oder einer Region dokumentieren; im Sinne der Verkaufsförderung fungierten sie zunehmend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als weitreichender und umfassender Werbeträger. Darüber hinaus gingen die Veranstalter dazu über, nicht allein Gesamtkataloge herauszugeben, sondern eine ganze Palette von speziellen Druckerzeugnissen zu produzieren: Ausstellungszeitschriften und -zeitungen, Spezialkataloge und -führer, selbst Ausstellungspostkarten, Bilderbögen und Fotoalben wurden angefertigt, um auf diese Weise eine professionelle „Propaganda“ für die Veranstaltungen zu erreichen.181) Im Betrachtungszeitraum erreichte die Öffentlichkeitsarbeit ihre profilierteste Form bei der Düsseldorfer Ausstellung 1902: Seit 1900 ließen die Veranstalter monatlich eine Ausstellungszeitschrift produzieren, die nicht nur an zahlreichen Gaststätten und öffentlichen Orten auslag, sondern auch an die Tagespresse verteilt wurde und mit der dortigen Berichterstattung ihre Wirkung potenzierte. Eine ähnliche Funktion kam dem offiziellen Ausstellungsplakat zu: Das in einem äußerst turbulenten Wettbewerb ermittelte Motiv wurde an den Bahnhöfen des Deutschen Reiches wie auch in mehreren Städten der Niederlande, Österreichs und Belgiens plakatiert. „Das Feld der Öffentlichkeit wurde unaufhaltsam beackert, und es hat überreiche Früchte getragen“, so das Resümee des Düsseldorfer Komitees für die Ausstellungspropaganda.182) Das „Bild“ der Ausstellung und ihr Vermächtnis wurden aber nicht allein von den Veranstaltern modelliert: Neben die offizielle Ausstellungsliteratur trat eine Reihe von Privatleuten oder Institutionen, die ihrerseits Ausstellungsführer, Kataloge, Zeitungen herausgaben oder sich in der bestehenden Medienlandschaft zu den Ausstellungen äußerten.183) Das Spektrum dieser
181) Vgl. Gottfried Stoffers, Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer deutsch-nationalen Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902, Düsseldorf 1903, S. 134. 182) Vgl. ebd., S. 137 f. Ähnlich zur Berliner Gewerbeausstellung 1896 Petra Crome, Public relations und die Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Die verhinderte Weltausstellung: Beiträge zur Berliner Gewerbeausstellung 1896, Berlin 1996, S. 83–95. 183) Vgl. dazu exemplarisch den Selbstanspruch der Deutschen Ausstellungs-Zeitung. Paris 1867. Gratis Probenummer, herausgegeben von dem Bureau des Vereins Deutscher Ingenieure für die allgemeine Ausstellung zu Paris pro 1867, unter verantwortlicher Redaction von C. Kesseler-Greifswald, Paris, vom 7. März 1867: Prospectus – „Wir leben in dem grossen Zeitalter der Industrie, wo die Gewerbsthätigkeit und der Fleiss der Völker immermehr sich zu den Haupttugenden eines Staates gestalten. Von welcher Wichtigkeit daher für jeden Zeitgenossen die Weltausstellungen geworden sind, nachdem Jahrmärkte und Messen zu den längst überwundenen Standpunkten im Grossverkehr gehören, weiss Jedermann. Um aber nicht nur den deutschen Ausstellern und Besuchern, sondern auch dem grossen deutschen Publikum vor Allem die Gelegenheit zu bieten, so viel wie möglich
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V. Quellen der Ausstellung
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Literatur reicht vom Aufsatz in der Fachzeitschrift eines Verbandes oder einer Wissenschaftssparte bis zur humoristisch-satirischen Genreskizze. Die journalistischen Publikationen trugen die Ausstellung und ihre Inhalte in ein breites Publikum. Zudem gehörten Industrie- und Gewerbeausstellungen seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu den beliebtesten Postkartenmotiven. „Zu kaum einem anderen Thema wurde eine solch große Zahl sehr attraktiv aufgemachter Ansichtskarten verschickt.“184) In Text, Bild und Beschriftung der Postkarten mischten sich der persönliche Stolz, dabei gewesen zu sein, mit der kollektiven Bewunderung für die industriellen Leistungen. Selbst Musiker und Dramaturgen ließen sich durch die Ausstellungen anregen, so wenn anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung „AusstellungsKlänge“, ein „Ausstellungswalzer“ und ein „Berliner Gewerbe-AusstellungsMarsch“ komponiert sowie auf der Bühne eine „Posse in Gesang und Tanz in 3 Akten“ mit dem Titel „Reise durch die Berliner Gewerbeausstellung“ aufgeführt wurden.185) Wie stark die Ausstellungen ihrerseits ein Objekt der Öffentlichkeit und der Medien waren, zeigt sich exemplarisch an der zunehmend stärker werdenden Berichterstattung in der Presse. „Tag für Tag“, so berichteten die Veranstalter der Düsseldorfer Ausstellung 1902, „stellten sich auf dem litterarischen Bureau neue Vertreter der Presse ein, die eine Ausstellungslitteratur schufen, die schon nach wenigen Wochen unübersehbar wurde.“186) Auch wenn viele Journalisten und Autoren bereitwillig die vorformulierten Beurteilungen der Veranstalter übernahmen und deshalb zu Idealisierungen neigten, so waren dennoch kritische Beurteilungen keineswegs selten: Insbesondere aus der Distanz, in der Rückschau auf vergangene Expositionen oder aus der Feder von Berichterstattern, die den Ausstellungsorganisatoren nicht verpflichtet waren, wurden Versäumnisse angemerkt und Inszenierungen kritisiert. Nicht selten stießen die Ausstellungen auf diese Weise Debatten allgemeiner Art an. Die Ausstellungsmacher nahmen ihrerseits die Berichterstattung über die Ausstellungen auf, wenn sie diese in speziellen Ausstellungszeitungen noch einmal abdruckten und so ihre Wirkung potenzierten.187) Die über die Ausstellung zu erfahren, will es ‚das Buereau des Vereins deutscher Ingenieure‘ unternehmen, während der Dauer der Weltausstellung in Paris im Jahre 1867 eine DEUTSCHE AUSTELLUNGSZEITUNG erscheinen zu lassen, die dreimal wöchentlich im Formate dieses Prospects vor das deutsche Publikum hintreten soll, um über alle Gebiete der Ausstellung Bericht zu erstatten.“ 184) Otto May, Deutsch sein heisst treu sein. Ansichtskarten als Spiegel von Mentalität und Untertanenerziehung in der Wilhelminischen Ära (1888–1918), Hildesheim 1998, S. 217. 185) Vgl. Berlin und seine Arbeit: Amtlicher Bericht der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Zugleich eine Darstellung des gegenwärtigen Standes unserer gewerblichen Entwicklung, herausgegeben om Arbeits-Ausschuss: Fritz Kühnemann/Bernhard Felisch/Ludwig Max Goldberger, Berlin 1898, S. 198. 186) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 146. 187) Vgl. Ausstellungs-Tageblatt. Amtliches Organ der Ausstellung Düsseldorf 1902, vom 1. Mai 1902 ff.
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Rezeption und die Wirkung von Ausstellungen lässt sich gelegentlich bis in die Memoirenliteratur, in die Autobiographie oder in private Briefwechsel hinein verfolgen.188) Da die Aufnahme, die die Ausstellungen bei Kritikern und Publikum fand, einen wesentlichen Teil der skizzierten Fragestellung ausmachen, um die die folgende Studie kreist, werden die populären Texte und Bilder zu besonders privilegierten Quellen. Für die Frage nach der Popularisierung von sozialen und ökonomischen Ordnungsvorstellungen, die den Industrie- und Gewerbeausstellungen unterlagen, ist der Bereich der Publizistik von großer Bedeutung.189) Er umfasst nicht-offizielle Reise- und Ausstellungsführer, spezielle Ausstellungszeitungen sowie die journalistische Berichterstattung in der lokalen, regionalen und überregionalen Tages- und Wochenpresse.190) Ein besonderer Hinweis scheint angebracht zur Verwendung von Bildern in dieser Studie: In der Geschichtswissenschaft sind erst in jüngeren Untersuchungen die Wirkungs- und Aneignungsweisen des Visuellen im Sinne einer erneuerten Ideengeschichte erschlossen worden, indem Bildquellen in den Mittelpunkt ihrer Analysen rückten und die Deutungsleistungen sowie die Rezeption von Denkmälern, Plakaten oder Druckgraphiken analysiert wurden.191) Allgemein wird die Überzeugung geteilt, daß bildlich-visuelle Medien einen anderen kommunikativen Zugang zur sinnlichen Wahrnehmung eröffnen als verbal-sprachliche Äußerungen.192) Die Wirkmächtigkeit des Mediums Bild profitierte von ihrer kommunikativen und psychologischen Funktion, aktivierte es doch im Moment der Betrachtung kognitive wie auch emotionale Vorstellungen und Erlebnisse. Mittels einer speziellen Symbolsprache konnte das Bild schnell und eindringlich Bedeutungen darstellen und mitein188) Vgl. zum Beispiel Alfred Kerr, Wo liegt Berlin? Briefe aus der Reichshauptstadt 1895–1900, hrsg. von Günther Rühle, Berlin 21997. 189) Die zeitgenössischen Stellungnahmen und bildlichen Darstellungen sind bei der Frage nach der Ausstellungsrezeption den Aktenbeständen in den Verwaltungsarchiven in ihrem Quellenwert überlegen. Vgl. Irmgard Wilharm, Geschichte, Bilder und die Bilder im Kopf, in: dies. (Hrsg.), Geschichte in Bildern. Von der Miniatur bis zum Film als historische Quelle, Pfaffenweiler 1995, S. 7–25, S. 21; von Plato, Präsentierte Geschichte, S. 17. 190) Vgl. Haltern, Welt, S. 3. 191) Eine kulturwissenschaftliche Interpretation leistet Frank Becker, Bilder von Krieg und Nation, Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864– 1913, München 2001; allgemein Michael Maurer, Bilder, in: ders. (Hrsg.), Aufriß der historischen Wissenschaften Bd. 4: Quellen, Stuttgart 2002, S. 402–424; Reinhart Koselleck/ Michael Jeismann (Hrsg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994; Charlotte Tacke, Denkmal im sozialen Raum, Göttingen 1997; Reinhard Alings, Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal – zum Verhältnis von Nation und Staat im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, Berlin/New York 1996. 192) Zur Vorstellung, daß bildliche Informationen einen unmittelbareren Zugang zur Wahrnehmung haben, vgl. Klaus Türk, Vorbemerkungen, in: ders. (Hrsg.), Arbeit und Industrie in der bildenden Kunst. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums, Stuttgart 1997, S. 7–13, S. 8.
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ander verknüpfen, die in der verbalen Kommunikation nur mit einigem Aufwand als Kette von Feststellungen hätten beschrieben werden können.193) Diese Überlegungen sind besonders relevant für die Industrie- und Gewerbeausstellungen: Für den Besucher einer Exposition standen nicht die beschreibende Tafel, die Auflistung technischer Daten oder die verbale Schilderung des Objektes im Katalog im Vordergrund. Entscheidend und prägend war der visuelle Eindruck, den sich der Einzelne vom Objekt, von Inszenierungen wie auch der Ausstellung insgesamt verschaffte. Da die Ausstellungen ihrem eigenen Selbstverständnis nach selbst als „Bild“ der industriellen Welt fungieren wollten, lassen sich die Bildzeugnisse nicht separat analysieren, sondern werden im Folgenden bei der Analyse von Praktiken und Themen der Ausstellung integriert. Eine ‚naive‘ Interpretation führte allerdings in die Irre: Bilder bilden nicht ab, sondern sie stellen dar, sie inszenieren ihrerseits; sie präsentieren ganz bestimmte Konstruktionen von Wirklichkeit – Konstruktionen, deren Bauprinzipien selbst wieder mehr oder weniger typische Elemente genau der Wirklichkeit sind, zu denen sie im Bild etwas sagen.194) Ein Druck, ein Stich oder eine Grafik, ja selbst eine Fotografie versetzen den retrospektiven Betrachter nicht in die Lage, sich maximal in das Seherlebnis „einzufühlen“.195) Auch Bilder sind von Vorannahmen wie auch von Konventionen des Sehens und der Darstellung geprägt. „Will man das Bild als Quelle und nicht als bloße Illustration verstehen, so muß seine Zeichensprache entschlüsselt, müssen seine Themen, Motive, Bedeutungen und Mitteilungen methodisch erschlossen werden. Bilder geben nur vordergründig Zeugnis von einem historischen Ereignis, sie sind mehr als ein bloßes Abbild einer materiellen Wirklichkeit. Sie sind vielmehr Ausdruck einer kulturell und sozial vorgeprägten Sichtweise, die Wahrnehmung und Darstellung prägen.“196) In Kombination mit Textzeugnissen und für bestimmte Segmente erlaubt es das Bildmaterial, vergangene Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung zu rekonstruieren. Ihnen kommt damit Belegcharakter zu. Besonders trifft dieses bei Fragen nach der Architektur sowie Innenarchitektur der Ausstellung, der Wirkung einzelner Objekte und Inszenierungen sowie bei der Frage nach der 193)
Vgl. zu diesen Überlegungen mit der Nennung der weiteren relevanten Literatur Henning Pahl, „Der Holzschnitt redet die Sprache des Volkes“. Das Bild als Popularisierungsmedium im Dienste der Religion, in: Carsten Kretschmann (Hrsg.), Wissenspopularisierung. Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel, Berlin 2003, S. 257–280, S. 260. 194) Vgl. dazu die methodischen Bemerkungen von Klaus Türk, Arbeit in der bildenden Kunst. Ikonische Diskursformationen in der Geschichte der Moderne, in: Ulrich Bröckling/Eva Horn (Hrsg.), Anthropologie der Arbeit, Tübingen 2002, S. 33–77, S. 33 f. 195) Wichtige Hinweise zur Fotografie bei Cornelia Brink, Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher Gebrauch von Fotografien aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern nach 1945, Berlin 1998, S. 10. 196) Hans-Ulrich Thamer, Revolution, Krieg, Terreur. Zur politischen Kultur und Ikonographie der französischen Revolution, in: Hagen Keller (Hrsg.), Iconologia Sacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas, Festschriften für Karl Hauck zum 75. Geburtstag, Berlin 1995, S. 632–650, S. 635.
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ästhetischen Wirkung der Ausstellung insgesamt zu. Vorrangig gilt es danach zu fragen, in welchen Zusammenhängen sie publiziert, angeschaut und verwendet wurden und welche Deutung die Bilder zeitgenössisch erfahren haben. Die Studie ist damit einer Anregung Jean-Claude Schmitts verpflichtet, der für eine Einbindung der Bilder in eine integrierende Analyse des „imaginaire social“, der bildlichen Selbstbeschreibung einer Gesellschaft plädiert hat.197) Entsprechendes Bildmaterial ist für die Ausstellungen reich überliefert. Es findet sich zum Teil in speziellen Archiven und Sammlungen, vor allem aber in Zeitungen und Zeitschriften, denen es mit dem Fortschritt der Reproduktionstechnik immer einfacher wurde, ihre Texte zu illustrieren beziehungsweise – so die Tendenz in den weit verbreiteten Familienblättern der Zeit – ganz auf die Faszination des Bildes zu setzen. Für die Ausstellungen vor den 1880er Jahren visualisierten Drucke und Bilder Motive und Szenen der Ausstellung.198) Für spätere Ausstellungen existieren darüber hinaus zahlreiche Fotografien, die zum Teil im Original erhalten sind, zum Teil in Zeitschriften, Broschüren und Büchern veröffentlicht wurden.
197)
Vgl. Jean-Claude Schmitt, L’historien et les images, in: Der Blick auf die Bilder. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch, Göttingen 1997, S. 9–51. Vgl. dazu auch die einschlägigen Beiträge in Klaus Tenfelde (Hrsg.), Bilder von Krupp. Fotografie und Geschichte im Industriezeitalter, München 1994. 198) Zur Bedeutung der populären Druckgraphik vgl. Neil Harris, Iconography and Intellectual History: The Half-Tone Effect, in: John Higham/Paul Conkin (Hrsg.), New Directions in American Intellectual History, Baltimore/London 1979, S. 199–217.
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B. Das Medium Ausstellung in der Kommunikationsrevolution des 19. Jahrhunderts: Grundstrukturen und Entwicklungen Das 19. Jahrhundert insgesamt und insbesondere sein erstes Drittel waren von einer Kommunikations- und Medienrevolution gekennzeichnet: Die Integration der Gesellschaft durch Öffentlichkeit nahm sowohl mit Blick auf ihre Dichte als auch in ihrer Reichweite rapide zu.1) Damit wurden auch die Möglichkeiten der Vergesellschaftung und der Selbstwahrnehmung der Gesellschaft verändert:2) In der Öffentlichkeit, so hat Kurt Imhoff aufgezeigt, spiegelt und erkennt sich eine Gesellschaft und vergewissert sich ihrer selbst.3) Die Voraussetzung dafür, dass „Öffentlichkeit“ zur zentralen Instanz der Selbstreferenz avancierte, war eine kommunikative Mobilisierung der Gesellschaft.4) Das dichter werdende Verkehrs- und Nachrichtennetz ermöglichte es, physische Distanz zu überwinden und Kontakt miteinander aufzunehmen.5) Das Vereinswesen überspannte nach und nach die deutschen Staaten und ihre Kleinräumigkeit, es brachte Individuen gleicher Interessen zusammen und organisierte deren Ziele.6) Insbesondere die Revolution von 1848 erscheint aus der Perspektive einer historischen Öffentlichkeitsforschung nicht ausschließlich als Misserfolg eines bürgerlichen politischen Projektes, 1)
Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 12–35. Vgl. Lucian Hölscher, „Öffentlichkeit“, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 413–467; Lucian Hölscher, Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979; anders Peter von Moos, Die Begriffe „öffentlich“ und „privat“ in der Geschichte und bei den Historikern, in: Saeculum 49 (1998), S. 161–192; literarhistorisch Peter Uwe Hohendahl, Öffentlichkeit – Geschichte eines kritischen Begriffs, Stuttgart 2000. 3) Vgl. Kurt Imhof, „Öffentlichkeit“ als historische Kategorie und als Kategorie der Historie, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 46 (1996), S. 3–25, S. 4. 4) Vgl. Rolf Walter, Die Kommunikationsrevolution im 19. Jahrhundert und ihre Effekte auf Märkte und Preise, in: Michael North (Hrsg.), Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, Köln/Weimer/Wien 1995, S. 179–190. 5) Vgl. unter anderem Wilhelm Treue, Neue Verkehrsmittel im 19. und 20. Jahrhundert. Dampf-Schiff und -Eisenbahn, Fahrrad, Automobil, Luft-Fahrzeuge, in: Hans Pohl (Hrsg.), Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft, Stuttgart 1989, S. 321–357; Hans-Jürgen Teuteberg/Christian Neutsch (Hrsg.), Vom Flügeltelegraphen zum Internet. Geschichte der modernen Telekommunikation, Tübingen 1995. 6) Vgl. insbesondere Klaus Tenfelde, Die Entfaltung des Vereinswesens während der industriellen Revolution in Deutschland (1850–1873), in: Otto Dann (Hrsg.), Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, München 1984, S. 55–114. Zur Rolle des bürgerlichen Vereinswesens als Motor der Nationalbewegung vgl. Andreas Biefang, Politisches Bürgertum in Deutschland 1857–1868. Nationale Organisationen und Eliten, Düsseldorf 1994. 2)
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sondern als ein bis dahin beispielloser Politisierungs-, Mobilisierungs- und Kommunikationsprozess.7) Die Revolutionierung der Printmedien, aber auch neue und erneuerte Öffentlichkeitsformen wie die Museen, die bürgerlichen Theater, Dioramen und Panoramen und auch die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe entgrenzten die personale und lokale Kommunikation zunehmend. Obwohl einige von Habermas’ Thesen zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“8) inzwischen relativiert worden sind,9) so ist doch daran festzuhalten, dass öffentliche Diskussion und öffentlicher Austausch im 19. Jahrhundert für das Selbstverständnis und den Weltbezug zunächst der bürgerlichen, dann immer weiterer Gesellschaftsschichten eine herausragende Bedeutung gewannen.10) Unter den Medien sind als Schrittmacher und Vorreiter dieser Entwicklung Zeitungen und Zeitschriften bereits mehrfach gewürdigt worden,11) und dies aus gutem Grund: Insbesondere der Buch- und Zeitungsdruck erweiterte das Forum der geistigen Kommunikation und stiftete eine an politischen, (natur-) wissenschaftlichen, aber auch sozialen und ökonomischen Fragen orientierte Öffentlichkeit.12) Das Phänomen der „Kommunikationsrevolution“ deshalb mit einer „Leserevolution“ gleichsetzen zu wollen, verkürzte aber diesen Prozess unstatthaft. Dafür sprechen zunächst einige Differenzierungen, die mit Blick auf den boomenden Markt der Printprodukte zu treffen sind:13) Auch wenn immer größere Bevölkerungsteile Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben erwar-
7)
Vgl. Frank Lorenz Müller, Die Revolution 1848/49, Darmstadt 2002, S. 143. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Frankfurt a. M. 1990. 9) So zur Antizipation der politischen durch eine literarische Öffentlichkeit sowie zum Schriftmonopol der bürgerlichen Publizisten gegenüber einer weitgehend nichtliteraten, auf Repräsentation setzenden höfisch-feudale Öffentlichkeit. Vgl. dazu Falko Schneider, Öffentlichkeit und Diskurs. Studien zur Entstehung, Struktur und Form der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Bielefeld 1992, S. 14–18; Andreas Gestrich, Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994, S. 16–24. 10) Vgl. Werner Faulstich (Hrsg.), Konzepte von Öffentlichkeit. 3. Lüneburger Kolloquium zur Medienwissenschaft, Bardowick 1993; Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen, Opladen 1994; Hölscher, Öffentlichkeit, S. 451; Günter Bentele/Manfred Rühl (Hrsg.), Theorien öffentlicher Kommunikation. Problemfelder, Positionen, Perspektiven, München 1993. 11) Vgl. Jörg Requate, Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: GG 25 (1999), S. 5–32, S. 16–26. Die quantitative Forschung zum Zeitungsmarkt bis 1848 fasst prägnant zusammen Bernhard Schneider, Katholiken auf die Barrikaden? Europäische Revolutionen und deutsche katholische Presse 1815–1848, Paderborn 1998, S. 44. 12) Zum neuerdings untersuchten Strang der Popularisierung von Naturwissenschaften vgl. Schwarz, Schlüssel; Andreas W. Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848–1914, München 1998. 13) Vgl. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1991, S. 587. 8)
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ben, so war insgesamt gesehen doch nur ein Bruchteil dieses Personenkreises zu einem „verständigen, freizügigen Umgang mit Wort und Schrift“ imstande.14) Für das zweite Jahrhundertdrittel schätzten Zeitgenossen den Anteil dieser Personen an der Bevölkerung mit großen regionalen Variationen auf zwischen fünf und zwanzig Prozent der Bevölkerung.15) Die Lesepraxis begrenzte die Wirkung der „Leserevolution“ zusätzlich. Das regelrechte „Halten“ einer Zeitung oder Zeitschrift wurde selbst in den bürgerlichen Schichten erst im letzten Jahrhundertdrittel allgemeiner Usus, so dass sich die Auflagenzahlen der Publizistik bis dahin durchaus bescheiden ausnahmen und auch deren Breitenwirkung trotz Bibliotheken und Lesegesellschaften nicht zu hoch angesetzt werden darf.16) Verkaufspreise und Verbreitungszahlen verweisen darauf, dass es vor allem Kolportageliteratur, populärwissenschaftliche und eingängige religiöse Traktate und Bilderbögen waren, die über den begrenzten Kreis der Zeitungsleser hinaus ein breiteres Publikum erreichten. Erst mit dem Siegeszug der Familienblätter entwickelte sich die nun um die Bebilderung erweiterte Zeitung vom Leitmedium einer sozial eng begrenzten bürgerlichen Gesellschaft zu dem Medienerzeugnis in der „Epoche der Massenpresse“, welches nun verschiedene Leserschichten integrierte.17) Ein weiteres Argument kann verdeutlichen, wie begrenzt der alleinige Blick auf die Presse und die Buchkultur wäre, um das Phänomen der Kommunikationsrevolution zu fassen: Ein zentrales Charakteristikum der Öffentlichkeit der Printmedien ist deren Tendenz zur Abstraktion: Die Schreib- und Lesekommunikation war vorrangig nach den „Prinzipien des Linearen, Diskursiven, Abstrakten“ organisiert, während „Konkret-Anschauliches, Visuelles, Sinnliches […] aufs Äußerste zurückgenommen“ wurde.18) Sich nun auf Formen der schriftlichen Kommunikation zu beschränken, ginge an der Struktur
14) Vgl. Rolf Engelsing, Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft, Stuttgart 1973. 15) Vgl. Wolfgang von Ungern-Sternberg, Medien, in: Christa Berg (Hrsg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. III 1800–1870: Von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches, München 1987, S. 379–415. 16) Vgl. Horst Heenemann, Die Auflagenhöhen der deutschen Zeitungen. Ihre Entwicklung und ihre Probleme, Leipzig phil. Diss. 1929. 17) Alfred Estermann, Zeitschriften, in: Horst Albert Glaser (Hrsg.), Deutsche Literatur Bd. 8, Frankfurt a. M. 1982, S. 86–101, S. 89; Georg Jäger, Medien, in: Berg (Hrsg.), Handbuch, Bd. IV: 1870–1918. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, München 1991, S. 473–499, S. 477 f.; York-Gothart Mix, Kulturelles Kapital für 20, 50 oder 80 Pfennige. Medialisierungsstrategien Leipziger Verleger in der frühen Moderne am Beispiel der ‚Universal-Bibliothek‘, der ‚Insel-Bücherei‘ und der Sammlung ‚Der Jüngste Tag‘, in: AfKG 1 (2000), S. 191–210, S. 192; Dieter Barth, Das Familienblatt – Ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts. Beispiele zur Gründungsund Verlagsgeschichte, in: Allgemeines Börsenblatt des deutschen Buchhandels 15 (1975), Sp. 121–316, Sp. 207. 18) Vgl. Werner Faulstich, Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700–1830), Göttingen 2002, S. 256 f.
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der (historischen) Öffentlichkeit vorbei. Vernachlässigt wird dadurch die Dimension der nicht auf Wort und Schrift, sondern auf Visualität, Ritual und Emotionalität beruhenden Kommunikation.19) Selbst im engeren Bereich der Druckerzeugnisse ist der Erfolg der Familienblätter eben darauf zurückgeführt worden, dass sie über eine umfangreiche Bebilderung auch bisher leseferne Schichten an das Medium herangeführt haben.20) Neben Foren wie dem (national-)politischen Fest, dem modernen Museum oder – mit Blick auf die 1848er Revolution wie auch das Ende des 19. Jahrhundert – der politischen Versammlung waren die Ausstellungen ein Segment der Kommunikationsrevolution, welches das Bedürfnis nach Visualisierung und Inszenierung aufnahm. Auf Grund ihrer Kommunikationspotenziale, insbesondere der sich ihren Besuchern bietenden Erfahrungs- und Visualisierungsmöglichkeiten, vermochten die Expositionen im Verlauf des 19. Jahrhunderts ein immer breiteres Publikum zu mobilisieren.21) Die Geschichte der Expositionen soll in einem ersten Zugriff als Medienund Kommunikationsgeschichte konzipiert werden:22) Ausstellungen konstruieren Wirklichkeit primär über ihre Materialität und ihre Inszenierung. Gegen eine ältere Geistesgeschichte, die Ideen als rein geistige, abstrakte Gebilde auffasste, führt diese Einsicht dazu, dass im Folgenden die Gebundenheit von Medien und Ideen betont wird: „Alles, was über die Welt gewußt, gedacht und gesagt werden kann, ist nur in Abhängigkeit von den Medien wißbar, denkbar und sagbar, die dieses Wissen kommunizieren.“23) Medien sind nicht ausschließlich Träger von Informationen, sondern sie transformieren und prägen gesellschaftliche Realität. Dabei sind Medien ihrerseits begrenzt, nicht nur mit Blick auf ihre Reichweite, sondern vor allem auch gattungs- und traditionsspezifisch in ihren Aussage- bzw. Zeigemöglichkeiten und damit auch in ihrer Rezeption.24) Um diesen Zusammenhängen nachzugehen, werden zunächst in einer chronologisch orientierten Skizze Struktur und Entwicklung der Industrie- und Gewerbeausstellungen idealtypisch analysiert. Die Expositionen standen in einer (meist langen) künstlerischen, architektonischen und inszenierungstech19)
Am Beispiel der öffentlichen Inszenierung von Außenpolitik verweist darauf Johannes Paulmann, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen im Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000, S. 20. 20) Vgl. Ungern-Sternberg, Medien, S. 387. 21) Zur Abgrenzung des politischen Festes im 19. Jahrhundert von Formen der monarchisch-dynastischen Feier vgl. Ute Schneider, Politische Festkultur im 19. Jahrhundert. Die Rheinprovinz von der französischen Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1806–1918), Essen 1995, S. 11–13; zum Museum vgl. Abschnitt B I; zur politischen Öffentlichkeit im deutschen Kaiserreich Armin Owzar, „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, Konfliktmanagement im Alltag des wilhelminischen Obrigkeitsstaats, Konstanz 2006. 22) Geppert, Welttheater, S. 41 23) Aleida und Jan Assmann, Schrift – Kognition – Evolution, in: Eric A. Havelock (Hrsg.), Schriftlichkeit. Das griechische Alphabet als kulturelle Revolution, Weinheim 1990, S. 2. 24) Chartier, Kulturgeschichte, S. 22.
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nischen Tradition. Sie sind durch ihre medialen Eigenarten, ihre Verweisstrukturen und ihre Kommunikationsmöglichkeiten begrenzt und daraufhin zu analysieren. Systematische wie auch historische Überlegungen sollen die Voraussetzungen für die Expositionen beschreiben. Die Herleitung der Industrieund Gewerbeausstellung aus dem Museum wie auch die Rückkopplung an Märkte und Messen können dieses im Fall der Industrie- und Gewerbeausstellungen verdeutlichen und zugleich ihre Funktion in der werdenden Marktgesellschaft aufzeigen (B I). Darüber hinaus ist die spezifische Ausstellungskultur zu beschreiben, die sich in den deutschen Staaten entwickelte: Historisch hatten die Expositionen von Industrie und Gewerbe ihre Wurzeln einerseits im französischen Vorbild, andererseits in der staatlich getragenen Gewerbeförderung. Deren Initiatoren galten die Ausstellungen als wichtige Instrumente, um die industrielle Entwicklung voranzutreiben. Seit den 1830er Jahren traten verstärkt Gewerbevereine, ökonomische Sozietäten und polytechnische Vereine an die Stelle der staatlichen Behörden. Der allmähliche Wechsel der Trägergruppen war eine Ursache dafür, dass die Zahl der Ausstellungen stark wuchs und diese zunehmend als Foren einer (wirtschafts-)bürgerlichen Öffentlichkeit fungierten (B II). Im Gefolge der Londoner Great Exhibition 1851 entwickelten sich die Ausstellungen in Deutschland zu einem Massenmedium. Erste Aufschlüsse darüber vermittelt ein sozialgeographisch-quantitativer Zugriff: Es werden verschiedene Kennziffern (Besucher- und Ausstellerzahlen, belegte Standund verfügbare Ausstellungsfläche), wie sie auch die moderne Messeanalyse zur Analyse der Werbewirksamkeit der Veranstaltungen nutzt, herangezogen, um die quantitative Entwicklung aufzuzeigen. Zudem ermöglicht eine Analyse der Organisationsformen und der Ausstellungstypen erste Aussagen über die Entwicklung und die Reichweite der Expositionen von 1840 bis zum Ersten Weltkrieg. Diese Ergebnisse werden in der Darstellung kombiniert mit Beobachtungen der zeitgenössischen Ausstellungspublizistik wie auch der Geschichtsschreibung. Dabei zeigt sich ein gravierender Funktionswandel: Immer weniger stand primär die traditionelle Gewerbeförderung im Vordergrund. Die Ausstellungen entwickelten sich stattdessen zu kulturellen Demonstrationen, bei denen Information und Austausch, Marktvorbereitung und Konsumanreize, Massenbelustigung und (Selbst-)Repräsentation Hand in Hand gingen. Die Entwicklung von der Gewerbeausstellung zum Ausstellungsgewerbe und die damit einhergehende Kommerzialisierung der Unternehmungen führte zugleich zu einer umfassenden Kritik des Mediums. Dabei flammte die Diskussion um die „Ausstellungsmüdigkeit“ in einer Zeit auf, in der die Ausstellungsaktivitäten besonders stark waren. Neben vereinzelten kommerziellen Ausstellungsbetreibern traten nun als Trägergruppen speziell zum Zweck der Ausstellung gegründete Vereine in den Vordergrund. Anhand einer Analyse zu den beteiligten Personen und speziell mittels einer Fallstudie zu Düsseldorf, welches in
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den Jahren 1852, 1880 und 1902 Ausstellungsstandort für Industrie und Gewerbe des Ruhrgebietes war, wird gezeigt, wie die Ausstellungen speziellen Eliten des Wirtschaftsbürgertums als Bühne zur Selbstdarstellung und zur Gewinnung von Reputation dienten (B III).
I. Industrie- und Gewerbeausstellungen im Medienkontext: Museum, Ausstellung, Industrie- und Gewerbeausstellung Die Zurschaustellung von Gegenständen ist historisch bis in die Antike zurückverfolgt worden.25) Es gibt darüber hinaus Hinweise, dass das Ausstellen im Zusammenhang mit kultischen, rituellen und religiösen Handlungen eine noch viel längere Geschichte hat. Diese Praxis ist anthropologisch tief verwurzelt und reicht bis in die symbolischen Praktiken der Gegenwart hinein.26) Lange Zeit banden insbesondere die Repräsentationsfunktionen und Repräsentationsformen von Kirche und Palast Bilder und andere Exponate in eine Gesamtinszenierung ein, um sie auf diese Weise zu einem rituellen, kultischen und herrschaftlich repräsentativen Zweck zu nutzen. Exemplarisch dafür stehen das Zeigen von Reliquien im religiösen Kontext oder die Dienstfunktion höfischer Kunst zur Repräsentation von Herrschaft. Erst als sich das Exponat aus dieser exklusiven Bindung befreite, begann die Geschichte des modernen Ausstellungswesens. 1. Die Genese der modernen Ausstellung Im 18. Jahrhundert entwickelte sich eine Form der Präsentation von Kunstwerken und kunsthandwerklichen Produkten, die die Exponate vom Kultwert löste, eine Autonomie des Ausstellungsobjekts unterstellte und vorrangig auf die eigene Wirkung der Objekte abhob.27) Wenn sich auch die Übergänge zu früheren Expositionen sowohl in der Formensprache als auch in der Inszenierungspraxis als fließend erwiesen, unterschied sich die moderne Ausstellung vor allem in der Funktion, die ihr zugedacht war, deutlich von dem früher geübten Einsatz von Bildern und Exponaten: Primär begründete die moderne Ausstellung einen auf die Objekte bezogenen Bedeutungszusammenhang.28) 25)
Hubert Damisch, L’amour m’expose, in: Les Cahiers du Musée National d’Art Moderne 29 (1983), S. 79–89; kurze Hinweise auch bei Schriefers, Für den Abriss gebaut?, S. 14. 26) So berichtet zum Beispiel das Alte Testament, Buch Esther, von einer Schaustellung des persischen Herrschers Xerxes. Selbst die Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sieht sich aufgefordert, die symbolischen Handlungsweisen der Protagonisten anthropologisch zu entschlüsseln. Vgl. Thomas Mergel, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: GG 28 (2002), S. 547–606. 27) Benjamin, Illuminationen, S. 157. 28) Dies ist formuliert in Abgrenzung zu einer rein ästhetisierenden Perspektive, wie sie vertreten wird von Weber-Felber/Heinisch, Ausstellungen, S. 8.
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Dieser Wandel im Ausstellungsverständnis war begleitet von einer grundlegenden Veränderung der Wahrnehmung: Das Exponat wurde nun zunehmend als ein ästhetischer Wert denkbar, der seinen ursprünglichen Kontexten wie politisch-repräsentativen oder kultisch-religiösen Gebrauchs- und Vorstellungszusammenhängen entkleidet war und neu mit Bedeutung belegt werden konnte.29) Die „Dominanz der Phänomenalität der Dinge“ begünstigte im Fall der Kunstpräsentation eine ästhetische Betrachtungsweise, so dass eine auf das Bildprogramm und die Ikonologie bezogene Anschauung durch eine Rezeption abgelöst wurde, die der formalen, ästhetischen und intellektuellen „Eigenmacht des Bildes“ wie auch des Exponats allgemein nachspürte.30) Um diese neue Form der Betrachtung zu unterstützen, ordnete die moderne neuzeitliche Ausstellung ihre Exponate für eine begrenzte Zeit unabhängig von ihrem Entstehungszusammenhang. Damit begründete die Exposition einen neuen Schauzusammenhang, der eine Aussage zu vermitteln suchte und damit eine spezielle Intention verband, denen eigene Darstellungsmittel und eine eigene Symbol- und Zeichenwelt zu Grunde lagen. Erste Ansätze dazu, dass sich die Präsentationen aus den ihnen zugedachten kultischen oder rituellen Funktionen lösten, entwickelten sich am Rande der Gesellschaft: Das Milieu der Schausteller und fahrenden Gaukler, der Jahrmärkte und der an die breite Masse gerichteten Belustigungen war der soziale und kulturelle Ort, an dem das moderne Ausstellen eigene Prinzipien entwickelte.31) Am Beispiel des Londoner „Showbusiness“ im 18. und frühen 19. Jahrhundert ist dieser Markt der Ausstellungen skizziert worden: Zoologische Präsentationen, historische Schlachtenpanoramen standen neben Wachsfigurenkabinetten und Gemäldegalerien. Selbst „clerical showmen“, so geißelte der Punch, beteiligten sich am Ausstellungsgeschäft und öffneten die Türen der St. Paul’s Cathedral ebenso wie die Westminster Abbey für das Publikum.32) Alle buhlten um die Aufmerksamkeit und – abgesehen von wenigen Ausnahmen – auch um die Eintrittsgelder des Publikums.33) Mit der Entstehung eines Ausstellungsmarktes verband sich zugleich die Profanisierung der Exposition. „Mit der Emanzipation der einzelnen Kunst-
29) Vgl. Gottfried Fliedl, Museums- und Ausstellungspolitik: Verdinglichtes Erbe, in: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 84 (1986), Nr. 6, S. 66–78, S. 71 f. 30) Ekkehard Mai, Expositionen. Geschichte und Kritik des Ausstellungswesens, München/Berlin 1986, S. 13; Heiner Treinen, Ansätze zu einer Soziologie des Museumswesens, in: Günther Albrecht (Hrsg.), Geschichte. Bild. Museum: Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989, S. 182–196, S. 190 f. 31) Walter Benjamin, Jahrmarkt des Essens, in: ders., Gesammelte Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Sholem, hrsg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Bd. 4/1, Frankfurt a. M. 1972, S. 527–532, S. 528. 32) Vgl. die Belege bei Richard D. Altick, The Shows of London, Cambridge/London 1978, S. 452 f. 33) Vgl. ebd., S. 420–433.
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übungen aus dem Schoße des Rituals“ wuchsen die Gelegenheiten zur Ausstellung ihrer Produkte.34) Einen weiteren Schritt in diese Richtung markierte dann die technisch mögliche Vervielfältigung des Exponats. Das potenziell unendlich reproduzierbare Objekt verwies bereits auf das industrielle Massenprodukt. Spätestens damit lässt sich die Ausstellung abstrakt definieren als ein „zeitlich begrenzter und örtlich nicht gebundener Schauzusammenhang von Exponaten, der, nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt, zu einem besonderen Zweck oder aus einem gegebenen Anlass gezeigt wird.“35) Die Wurzeln der Industrie- und Gewerbeausstellungen moderner Prägung liegen in den gelehrten Akademien und den Kunstsalons, die sich seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in ganz Europa entwickelten.36) Inspiriert vom Geist der philosophischen Aufklärung, vereinten diese Institutionen wissenschaftlichen, pädagogischen und öffentlichen Anspruch und wirkten bis weit in das 19. Jahrhundert hinein.37) Die Akademie und der Kunstsalon standen für eine Wende in der Produktion und Popularisierung von Wissenschaft sowie technischen und künstlerischen Neuerungen. Ein Rückblick verdeutlicht diese Entwicklung: Die „Schatzkammern der Fürsten“, die Kunst- und Raritätenausstellung religiöser und fürstlicher Provenienz38) waren gefüllt mit Exponaten, die nur zu bestimmten Anlässen einem ausgewählten Publikum zur Schau gestellt und zur Demonstration von Macht genutzt wurden.39) In der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts änderte sich dieses: Auch wenn Öffnungszeiten und Kleidervorschriften noch im 19. Jahrhundert den Zugang zu Museen sozial reglementierten, so zielten die Träger der Institutionen doch auf ein breites Publikum. Die fürstlichen Souveräne öffneten den Bestand ihrer oft über Jahrhunderte zusammengetragenen Kunst-, Wunder- und Naturalienkammern für eine nicht mehr ständisch be-
34)
Benjamin, Schriften, Bd. 5/2, Frankfurt a. M. 1989, S. 443. Georg Friedrich Koch, Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Berlin 1967, S. 5. 36) Zur Gelehrtenkultur des 18. Jahrhunderts vgl. Barbara Stollberg-Rilinger, Europa im Jahrhundert der Aufklärung, Stuttgart 2000, S. 181; zu den Akademien vgl. Rudolf Vierhaus, Die Organisation wissenschaftlicher Arbeit. Gelehrte Sozietäten und Akademien im 18. Jahrhundert, in: Jürgen Kocka (Hrsg.), Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 3–21; Jürgen Voss, Die Akademien als Organisationsformen der Wissenschaften im 18. Jahrhundert, in: HZ 231 (1980), S. 43–74. 37) Nikolaus Pevsner, Die Geschichte der Kunstakademien, München 1986, S. 67–69; Korn, Gewerbeausstellungen, S. 23. 38) Vgl. Mai, Expositionen, S. 11. 39) Krzysztof Pomian, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988, S. 33–37. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass manche dieser Kunstkammern und Raritätenkabinette bereits regelmäßig zugänglich waren. Vgl. Hans-Ulrich Thamer, Sammler und Sammlungen in der frühen Neuzeit, in: Ekkehard Mai/Peter Paret (Hrsg.), Sammler, Stifter und Museen. Kunstförderung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 1993, S. 44–62. 35)
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schränkte Öffentlichkeit.40) Dieses war in Deutschland der Impuls für eine erste Welle von Museumsgründungen, die sich zeitlich auf den Beginn des 19. Jahrhunderts konzentrierte. Damit ging eine neue Praxis des Sammelns einher: Bereits vorhandene fürstliche Sammlungen wurden ergänzt durch von Künstlern, später auch von Gewerbetreibenden und von Akademien angelegte oder persönlich eingebrachte Bestände. Die Neubewertung der Objekte, eine veränderte Praxis des Sammelns und die zunehmende Veröffentlichung der Exponate verdichteten sich in der Museumspolitik, die im Kontext der Französischen Revolution betrieben wurde:41) Systematisch suchten die Träger der Revolution in Paris ebenso wie in der französischen Provinz die Herrschaftszeichen des Ancien Régime zu zerstören oder zumindest von ihrem angestammten Platz zu reißen. Insbesondere Kunstwerke waren das Ziel der Zerstörung oder wurden einer symbolischen Neubestimmung unterworfen, weil sie sowohl bei Hofe als auch in der Kirche bei der Inszenierung von Herrschaft eine herausgehobene Funktion innegehabt hatten: Zum einen repräsentierten sie die mäzenatische Großzügigkeit des jeweiligen Stifters, zum anderen strahlten ihre ästhetischen Normen auf die Dingwelt des Hofes und der Kirche ab, legitimierten und stützen diese. Im Prozess der revolutionären Umgestaltung begnügte man sich aber nicht mit der Zerstörung der alten Ordnung. Ein Hauptanliegen der französischen Kulturpolitik seit 1789 war es, mit Hilfe der bildenden Kunst eine neue Ordnung der Dinge und damit eine gewandelte Repräsentation der Welt zu finden. Dabei allerdings, so mussten die Kulturrevolutionäre bald feststellen, ließen sich Dinge nicht beliebig zu Markierungszeichen machen, indem man sie programmatisch dekorierte. Die Kunst selbst erwies sich als schlechte Trägerin revolutionärer Botschaften, entsprechende Experimente verliefen schnell im Sande.42) Die neue Ordnung gesellschaftlicher Werte wurde stattdessen vorrangig mit Hilfe derjenigen Kunstwerke inszeniert, die auch im Ancien Régime zentrale Bestandteile der symbolischen Ordnungen gewesen waren. Diesen Exponaten wurde nun im öffentlichen Museum, allen voran im Louvre als dem ehemaligen Stadtschloss des Königs, ein neuer Platz zugewiesen: Allen sollte nun gehören, was zuvor lediglich als Herrschaftszeichen dem
40)
Frühe Beispiele sind das Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig (gegründet 1754) und das Museum Fridericanum Kassel (gegründet 1779). Vgl. Walter Hochreiter, Vom Musentempel zum Lernort. Zur Sozialgeschichte deutscher Museen 1800–1914, Darmstadt 1994, S. 290; Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993; Valentin Scherer, Deutsche Museen. Entstehung und kulturgeschichtliche Bedeutung unserer öffentlichen Kunstsammlungen, Jena 1913, S. 6–43. 41) Vgl. die Beiträge in Gottfried Fliedl (Hrsg.), Die Erfindung des Museums. Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution, Wien 1996; wichtig auch Ingeborg Cleve, Volkskunst und Modernisierung, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (1994), S. 17–38. 42) Plato, Präsentierte Geschichte, S. 28–32.
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Volk gegenüber gedient hatte und auf diese Weise Distanz schaffte zwischen Herrschern und Beherrschten. Wo sich Kunst aber nicht mehr darüber definierte, daß sie mit der Sphäre von Herrschaft oder Religion verbunden war, musste neu begründet werden, was als Kunstwerk zu gelten hatte: An die Stelle herrschaftlicher Wahl oder der Inkorporation ins Sakrale sollten deshalb wissenschaftlich begründete ästhetische Normen und kunsthistorische Erkenntnisse treten, welche die Aufnahme in das Museum rechtfertigten. Umgekehrt wirkten damit die Museen und ihre Ausstellungen als Medien allgemeiner und öffentlicher Kunstbildung.43) Nicht nur in Frankreich wurden die Sammlungen und die Museen aus der ständisch-höfischen Sphäre hinaus in eine allgemeine Öffentlichkeit entlassen. Zum Publikum war prinzipiell eine nicht abgeschlossene Öffentlichkeit erkoren, de facto zielte das Angebot aber auf ein schmales Segment der Bevölkerung, nämlich auf das gebildete Bürgertum.44) Dieses Bevölkerungssegment war es, welches das Sammler- und Museumswesens vorrangig trug, so daß die Entwicklung des Museums als Institution wie auch der Ausstellung als seiner Praxisform im „bürgerlichen“ 19. Jahrhundert zu verorten sind. In Deutschland trat eine spezifische Denkfigur der (praktischen) Aufklärung hinzu, die sich vor allem zum Ende des 18. Jahrhunderts intensivierte:45) Verschiedene Vertreter einer sensualistisch orientierten Moralphilosophie untersuchten und behaupteten die Verbindung des „Schönen“ und des „Guten“. Populär verdichtete sich diese wissenschaftliche These zu einem Gemeinplatz, der individuelle Erfahrung und kollektives Wohlergehen miteinander verknüpfte: „The experience of beauty, valuable in itself and as a source of individual virtue, could also help to produce a better civil order.“46) Speziell im Museum sollten sich nach Vorstellung von Museumsgründern und -trägern formale Bildung und ästhetische Geschmacksbildung zu einem stimmigen persönlichen Charakterbild vereinen. Im Jahr 1835 erklärte der Berliner Kunsthistoriker, Kunstkritiker und Kulturpolitiker Franz Kugler, dass die „bildliche Darstellung sittlich hoch stehender Persönlichkeiten […] das Volk zu einer höheren Anschauung des Lebens“ führen sollte.47) Damit traf er die Grundüberzeugung vieler weiterer Museumsorganisatoren und -unterstützer wie beispielsweise Gustav Waagen, Karl Friedrich Schinkel und Hermann Grimm.48) 43)
In ganz ähnlicher Weise fungierten auch die ersten französischen Industrie- und Gewerbeausstellungen. Vgl. dazu Kapitel B II 1. 44) Mai, Expositionen, S. 13. 45) Vgl. Robert Norton, The Beautiful Soul. Aesthetic Morality in the Eigteenth Century, Ithaca 1995. 46) James J. Sheehan, Museums in the German Art World. From the End of the Old Regime to the Rise of Modernism, Oxford 2000, S. 8. 47) Zitiert nach Hermann Beenken, Das 19. Jahrhundert in der deutschen Kunst, München 1944, S. 140. 48) Zahlreiche Belege bei Sheehan, Museums, S. 115–120.
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Die veränderten Rahmenbedingungen des Sammelns und Exponierens, aber auch die Neubewertung dieser Tätigkeiten ließ die Zahl der Museen seit den 1830er Jahren sowohl in Europa als auch in Deutschland steigen: Während am Ende des 18. Jahrhunderts in ganz Europa etwas mehr als hundert Museen existierten, so waren es zu Beginn des Ersten Weltkriegs bereits mehrere tausend.49) Mit dieser Demokratisierung der Museen und ihrer Ausstellungen veränderte sich auch der Charakter ihrer Exponate. Diese waren nicht länger ausschließlich eine Angelegenheit derer, die sie angefertigt hatten, sondern hingen zusätzlich vom Urteil der Rezipienten ab. Die Ausstellung transferierte das Produkt des Kunst- und später auch des Gewerbetreibenden aus dem privaten Raum des Ateliers, des Sammlers oder des Handwerkers in den ‚neutralen‘ Raum der Öffentlichkeit. Im Unterschied zum kultischen Gebrauch von Schauobjekten, die eingebunden waren in geschlossene und nicht auf ein Publikum angewiesene Rituale, avancierte in dieser modernen Form der Ausstellung die Rezeption durch den Besucher zur conditio sine qua non: Die Öffentlichkeit entschlüsselte den in der Inszenierung hergestellten Zusammenhang und wies damit Bedeutung zu. Im Vergleich und in der Konfrontation mit anderen Werken wurde das Objekt der Kritik des Publikums ausgesetzt und sein Kunst- und Marktwert erprobt. Die öffentliche Ausstellung stimulierte auf diese Weise Konkurrenz und Wettbewerb. 2. Die Emanzipation der Ausstellung vom Museum: Kunstgewerbe, Kunstgewerbemuseen und Industrieausstellungen Die Museen und die zunächst vorrangig mit dieser Institution verbundenen Ausstellungen waren beide an ein Erziehungsprogramm geknüpft: Das Fürstenmuseum des aufgeklärten Absolutismus, aber auch der frühbürgerliche „Musentempel“ suchten den Besucher moralisch zu veredeln und seine Sinnlichkeit zu läutern, indem ihm die in der Kunst inkorporierten „höchsten Werte“ präsentiert wurden.50) Verkehr und Technik, Industrie und Handel ermöglichten die Organisation dieser Veranstaltungen ebenso, wie sie die Zahl potenzieller Besucher wachsen ließen. Unter den klassischen Museumsaufgaben standen nicht das Bewahren und Forschen, sondern das Sammeln und Ausstellen im Vordergrund. Das Museum diente dazu, Erworbenes und Erreichtes auszustellen, seine Ausstellungen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Trophäenschau, zum Panorama von Geschichte und auch zum Panoptikum. Die Ausstellung und das Museum be-
49)
Vgl. Mai/Paret (Hrsg.), Sammler, Stifter und Museen, S. 6. Für Deutschland hat Sheehan die Konturen des „Museum Age“ in den Jahren von 1830 bis 1880 detailliert nachgezeichnet. Vgl. Sheehan, Museums, S. 83–137. 50) Hochreiter, Vom Musentempel zum Lernort.
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dienten auf diese Weise den Bildungsdrang und den Wissensdurst der Aufklärung.51) Die zeitgenössische Vorstellung vom veredelnden und erzieherischen Charakter des beispielhaften Objekts ist treffend als „Vorbilderglauben“ charakterisiert worden, nachdem die direkte Anschauung zur intellektuellen Reifung wie auch zur technischen Vervollkommnung beitragen sollte.52) Vor diesem Hintergrund griffen die Initiatoren dieser Bildungsbemühungen wie selbstverständlich auf das Medium der Ausstellung zurück. Wissenschaftliche Bildung war nach dem Verständnis der Zeit nicht von der Anschauung zu trennen, so dass dem Museum wie der Ausstellung eine exponierte Position zukam: Insbesondere Kunstmuseen waren nach der Ansicht von Staatsoberhäuptern, Regierungen und später auch eines breiteren Publikums notwendige, essenzielle Instrumente, um Kultur und Aufklärung zu verbreiten. Die Überzeugung, dass die direkte Anschauung von vorbildlichen Objekten zur Verinnerlichung ästhetischer Prinzipien führte, war der Grund dafür, „why German princes, governments, and eventually the public came to regard art museums as indispensable sources of prestige and essential instruments for the spread of culture and enlightenment.“53) Bereits in den Akademien des 18. Jahrhunderts hatten sich mit dem fürstlichen Mäzenatentum darüber hinaus in vielen Fällen ökonomische und speziell merkantilistische Zwecke verbunden, so beispielsweise die ästhetische Geschmacksbildung und -kontrolle wie auch die Popularisierung von Innovationen. Als erste Industrieausstellung wird oftmals eine Veranstaltung in London 1761 genannt. Sie entstand als Nebenprodukt einer Ausstellung der Society of Arts, die den Rahmen für präsentable Objekte mit „arts, manufactures and commerce“ weit gesteckt hatte.54) Mit dem Beschluss, die im Wettbewerb prämierten technischen Modelle als beispielhaft für Innovation und Erfindergeist einem breiten Publikum zugänglich zu machen, war der Grundstein für eine Serie von Industrieausstellungen gelegt. Diese unterschieden sich in mehrfacher Hinsicht von früheren Präsentationen von Werkzeugen und Produkten:55) Die Veranstalter zielten nicht vorrangig auf den Verkauf der Exponate, sondern setzten vor allem auf die gewerbefördernde Wirkung der Exposition. „Ansporn und Unterricht“ sollten die Exponate einer möglichst breiten Besucherschaft sein.56) Präsentiert wurden handwerkliche, 51) Vgl. Alexis Joachimides, Die Museumsreformbewegung in Deutschland und die Entstehung des modernen Museums 1880–1940, Dresden 2001, S. 17, S. 21. 52) Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 10 f. 53) Sheehan, Museums, S. 84. 54) Vgl. Altick, The Shows of London, S. 12. Die Diskussion darum, welche Veranstaltung als die erste moderne Industrie- und Gewerbeausstellung zu bezeichnen ist, referiert Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 3 f. 55) Luckhurst, Story, S. 33. 56) Die Formulierung von Wolfgang Kessler, Ansporn und Unterricht. Landwirtschaftsund Gewerbeausstellungen in Kroatien-Slawonien und die kroatische Beteiligung an inter-
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(kunst-)gewerbliche und industrielle Produkte aus bestimmten Regionen, Nationen oder sogar Erdteilen. Gewerbefördernd sollte vor allem das Konkurrenzprinzip wirken: Einer von der Ausstellungsleitung bestimmten Jury kam die Aufgabe zu, die von den Herstellern eingereichten Exponate zu beurteilen und auszuzeichnen. Damit war die grundlegende Funktion der „Institution Ausstellung“ bereits vorgezeichnet:57) Ansporn zum Wettbewerb und zur Konkurrenz. Das wirtschaftspolitische Motiv gewann auch in der deutschen Ausstellungslandschaft stärkere Konturen, so daß sich aus der allgemeinen Museumsund Ausstellungslandschaft eigene Formen herausdifferenzierten. Ein Katalogeintrag der Königlichen Berliner Akademie aus dem Jahr 1814 dokumentiert den Erfolg dieser Bemühungen. Der Akademie wurde attestiert, „einen großen Einfluß auf die allgemeine Industrie und auf die Verbreitung eines edlern Geschmacks in allen bildenden und verzierenden Künsten“ gewonnen zu haben.58) Diese Bemühungen und Erfolge standen im Zusammenhang mit den Anfängen preußisch-staatlicher Gewerbeförderung, die einen stärkeren Zusammenhang von hoher und angewandter Kunst anstrebte und sowohl das Kunstgewerbemuseum wie auch die gewerblich-industriellen Ausstellungen anregte.59) In Deutschland war es insbesondere die von den Zeitgenossen befürchtete Marginalisierung des Handwerks, die es nach Ansicht staatlicher und bürgerlicher Kreise geboten sein ließ, Vorbilder für eine allgemeine Geschmacksbildung verfügbar zu halten und neue Standards zu popularisieren. Die pädagogisch-aufklärerischen Ziele der Geschmacksbildung und Erziehung zur Ästhetik standen im Vordergrund der zunächst nur dem Fachpublikum zugedachten, dann auf das gebildete Publikum und schließlich auf einen öffentlichen (Kunst-)Markt zielenden Ausstellungen.60) Das Museum und die zunächst in ihm beheimatete Ausstellung als Orte umfassender und raumgreifender Repräsentation, als Wettbewerbsmodell und als Stimulans der Leistungssteige-
nationalen Ausstellungen 1851–1873, in: Volker Schmidtchen/Eckard Jäger (Hrsg.), Wirtschaft, Technik und Geschichte. Beiträge zur Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland und Osteuropa, Festschrift für Albrecht Timm zum 65. Geburtstag, Berlin 1980, S. 127–151. 57) Vgl. Evelyn Kroker, Die Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. Industrieller Leistungsnachweis, Konkurrenzverhalten und Kommunikationsfunktion unter Berücksichtigung der Montanindustrie des Ruhrgebiets zwischen 1851 und 1880, Göttingen 1975, S. 202–203. 58) Vgl. Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786–1850, bearbeitet von Helmut Börsch-Supan, 3 Bände, Berlin 1971; siehe auch Hans Müller, Die königliche Akademie der Künste zu Berlin 1696–1896, 1. Teil: Von der Begründung durch Friedrich III. von Brandenburg bis zur Wiederherstellung durch Friedrich Wilhelm II. von Preußen, Berlin 1896. 59) Vgl. Utz Haltern, Die Londoner Weltausstellung von 1851. Ein Beitrag zur Geschichte der bürgerlich-industriellen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Münster 1969, S. 14–16. 60) Vgl. Koch, Kunstausstellung, S. 5.
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rung griffen damit endgültig über den Bereich der Kunst hinaus und weit in den gewerblich-industriellen Sektor hinein.61) Dieser Entwicklung entsprangen sowohl das Kunstgewerbemuseum als auch die Industrie- und Gewerbeausstellung, deren Anfänge auf gleiche Wurzeln zurückzuführen sind: Wo traditionelle Bindungen und symbolische Bedeutungen, die vorher die Gestalt der Dinge konditioniert hatten, erodierten, da suchte die Kunstgewerbebewegung die Ästhetik der industriell gefertigten Waren neu zu definieren, nicht zuletzt als Lock- und Reizmittel, als Verkaufsargument auf einem anonymer werdenden Markt.62) Die strikte Orientierung an den antiken Vorbildern und Geschmacksmustern, welche in Deutschland mit den von Carl Friedrich Schinkel und Peter Christian Wilhelm Beuth herausgegebenen 150 „Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker“ Verbreitung fanden, ließ sich auf die Dauer nicht durchhalten. „Alle Forderungen, die angewandten Kunstformen auf ein Idealschönes hin auszubalancieren, fielen dem absatzfördernden Effekt schnell wechselnder Moden, spektakulärer Sensationen alsbald zum Opfer.“63) Zum Vorbild der ästhetischen Bildung avancierte stattdessen ein schier unerschöpfliche Reservoir von Kunstformen aller Zeiten und Völker, das parallel zum Prozess der Industrialisierung erschlossen und öffentlich gemacht wurde: fürstliche Kunst- und Raritätensammlungen, die in allgemein geöffnete Museen und Galerien überführt wurden, Kunstschätze ferner Länder, die im Zuge der Kolonisierung der Welt in die Zentren der Industrialisierung gelangten, als Kunst klassifizierte Altertümer, die im Zuge archäologischer Ausgrabungen ans Licht befördert wurden.64) „Die Ausstellungen der Industrie als geheimes Konstruktionsschema der Museen – die Kunst: in die Vergangenheit projizierte Industrieerzeugnisse“65) – so beschrieb Walter Benjamin die Verflechtung von Ausstellungswesen und Museum, Kunstgewerbe und Industrie. Im Vergleich der Institutionen Museum und speziell des Kunstgewerbemuseums mit der Industrie- und Gewerbeausstellung scheinen diese Verbindungen rasch auf. Zugleich aber ist zu zeigen, wie sich die Ausstellung als eigenständiges Medium vom Museum
61)
Mai, Expositionen, S. 22. Für England vgl. Thomas Richards, The Commodity Culture of Victorian England. Advertising and Spectacle, 1851–1914, London/New York 1990; für Deutschland Angelika Thiekötter, Kunstgewerbebewegung, in: Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke (Hrsg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880–1933, Wuppertal 1998, S. 465–479, S. 465; Heinrich Waentig, Wirtschaft und Kunst. Eine Untersuchung über Geschichte und Theorie der modernen Kunstgewerbebewegung, Jena 1909. 63) Thiekötter, Kunstgewerbebewegung, S. 465. 64) Vgl. Hermann Fillitz (Hrsg.), Der Traum vom Glück, Die Kunst des Historismus in Europa. Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Künstlerhaus und der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 13. September bis 6. Januar 1997, Wien/München 1996. 65) Walter Benjamin, Das Passagenwerk. Aufzeichnungen und Materialien, in: ders., Schriften, Bd. 5/1, S. 239. 62)
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emanzipierte, zeitweise diesem gegenüber eine Führungsrolle übernahm, um erst im 20. Jahrhundert erneut „im Museum aufzugehen“.66) Trotz weiterhin zahlreicher Parallelen bei der Entwicklung neuer Ausstellungs- und Präsentationstechniken standen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts idealtypisch das auf Bewahrung und Belehrung ausgerichtete Museum (Depositum) und die als aktuelle Meinungsäußerung gedachte Industrie- und Gewerbeausstellung (Expositum) gegenüber. Die Ausstellung generell und die Industrie- und Gewerbeausstellung speziell beruhten auf Gesetzen, die denen der im klassischen Sinne verstandenen Museumstätigkeit in Vielem entgegengesetzt waren:67) Die Ausstellung ist, wie dieses Gottfried Korff im Abgleich zu einer traditionellen und im 19. Jahrhundert vorherrschenden Auffassung vom Museum definiert hat, eine Institution, die „nicht nur als Speicher, sondern als Generator“ und als aktualisierende und in die Zukunft weisende Inszenierung fungierte.68) Diese Unterschiede sollen im Folgenden in einem Abgleich zwischen dem Medium Kunstgewerbemuseum und der Industrie- und Gewerbeausstellung hergeleitet werden. Obwohl beide Institutionen eng miteinander verbunden waren, Kunstgewerbemuseen oftmals sogar aus dem Überschuss von Industrieausstellungen finanziert wurden, gilt auch hier die skizzierte Unterscheidung. Das Kunstgewerbemuseum entstand im Umkreis der Kunstgewerbebewegung und zielte darauf, den Qualitätsverlust der gewerblichen Produktion und insbesondere im Handwerk aufzufangen.69) Die Einführung der Gewerbefreiheit wie auch die Auflösung des Zunftwesens hatten nach Ansicht zeitgenössischer Kritiker die Produktion preiswerter, aber ästhetisch als minderwertig erachteter Massenware begünstigt. Dem suchte man durch private und staatliche Initiativen zu begegnen.70) Mittels Sammlungen von Vorbildern aus vorindustrieller Zeit, gelegentlich auch zeitgenössischen Industriedesigns, suchte man Qualitätsmaßstäbe zu setzen und populär zu machen.71) Als Publikum hatte man zunächst nicht den Konsumenten oder Käufer im Blick, sondern vor allem die Gewerbetreibenden und Produzenten.72) Insbesondere den Handwerkern sollte tendenziell nicht der moderne Fortschritt vor Augen geführt werden, sondern stattdessen ästhetisch wertvolle Erzeugnisse histo66)
Zu den vielfältigen Verflechtungen und Rückwirkungen vgl. Korff, Die Eigenart der Museumsdinge, S. 17–28. 67) Vgl. Weber-Felber/Heinisch, Ausstellungen, S. 7. 68) Korff, Speicher, S. 41–52. 69) Vgl. zur Gründung von Kunstgewerbemuseen in Preußen GStA PK, Rep 120, E VI, Spez. Nr. 1, Bd. 1, S. 4 (Berlin); Nr. 2, S. 12 (Magdeburg); Nr. 11, Bd. 1, S. 5 (Düsseldorf). 70) Vgl. Waentig, Wirtschaft und Kunst; Mundt, Kunstgewerbemuseen; Eckhard Siepmann/Angelika Thiekötter, Packeis und Preßglas. Von der Kunstgewerbebewegung zum Deutschen Werkbund. Ausstellungskatalog Gießen 1987; Tilmann Buddensieg, Berliner Labyrinth. Preußische Raster, Berlin 1993, S. 10–34. 71) Zur Diskussion um die Aufnahme zeitgenössischer Stücke vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 83–86. 72) Joachimides, Museumsreformbewegung, S. 21. Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 194–199.
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rischer Art. Ihr Anblick sollte das Auge des Herstellers schulen und zugleich dessen Fantasie anregen, neue Formen und Designs zu konstruieren. Um dieser Funktion entsprechen zu können, waren die Mustersammlungen gemeinhin nach Material, Funktion oder Herstellungstechnik geordnet. Auf diese Weise entstanden Typenreihen gleichartiger Gegenstände, die den direkten Vergleich von Machart, Material- und Verarbeitungsqualität ermöglichten.73) Damit war nicht nur inhaltlich ein neues Sammlungsgebiet definiert, sondern zugleich – ähnlich wie beim (bürgerlichen) Kulturmuseum – ein neues Sammlungsprinzip etabliert:74) Das alte Wunderkammer-Muster, das schon früh einem langsamen Prozess der Rationalisierung unterworfen war, wandelte sich nun zusehends zum Ideal der systematischen Sammlung, welche dem institutionalisierten Museum den Weg ebnete. Das Prinzip der Publizität und der Wissenschaftlichkeit, wie es in der Naturforschung erprobt wurde, wurde zum Parameter auch für Sammlung und Museum. In Absetzung zum (fürstlichen) Kunstmuseum, in dem das ästhetisch herausragende Einzelexponat im Vordergrund stand, wurde hier nun ‚Gebrauchskunst‘ gesammelt und ausgestellt, ausgewählt nach dem Kriterium der ästhetischen Vorbildqualität. Dem „Ort der Bewahrung und Präsentation von Kulturrelikten“ kamen damit zunehmend sowohl pädagogische, Wissenschaft popularisierende als auch identitätsstiftende Funktionen zu.75) Einen Aufschwung erlebte die Kunstgewerbebewegung insbesondere im Anschluss an die Great Exhibition in London aus dem Jahre 1851: Kunstgewerbevereine mühten sich, die gewerbliche Produktion künstlerisch zu befruchten und damit international konkurrenzfähig zu machen. Mit der Vereinstätigkeit verbanden sich zugleich politische Ziele wie beispielsweise die nationale Einigung Deutschlands bzw. nach der Reichsgründung das Stiften einer nationalen Identität.76) Insbesondere angesichts dieser Verquickung sind die Kunstgewerbebewegung und die von ihr getragenen Kunstgewerbemuseen auch als Teil eines 73)
Erst innerhalb dieser Typenreihen wurde gelegentlich als sekundäres Ordnungsverfahren eine chronologische Systematik angewendet. Damit hebt sich das Kunstgewerbemuseum nicht nur von den Industrie- und Gewerbeausstellungen, sondern auch von den kunst- oder kulturhistorischen Museen ab, für die ein chronologischer Aufbau der Sammlung konstituierend war. Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen. 74) Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 91–115; zur Kunst- und Wunderkammer des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Scherer, Deutsche Museen, S. 6–43. 75) Hermann Lübbe, Zeit-Verhältnisse. Über die veränderte Gegenwart und Zukunft und Vergangenheit, in: Wolfgang Zacharias (Hrsg.), Zeitphänomen Musealisierung. Das Verschwinden der Gegenwart und die Konstruktion der Erinnerung, Essen 1990, S. 40–49, S. 41; vgl. Krzystof Pomian, Museum und kulturelles Erbe, in: Korff/Roth (Hrsg.), Das historische Museum, S. 41–64, S. 51. 76) Vgl. dazu in dieser Studie Abschnitt D, Kunst und Nation. Zur weiteren Entwicklung vgl. die einleitenden Passagen bei Frederic Jonathan Schwartz, The Werkbund. Design Theory and Mass Culture before the First World War, New Haven/London 1996.
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allgemeinen Trends zur Musealisierung zu interpretieren, wie er im 19. Jahrhundert begann. In dem Maße, in dem Modernisierung diejenige Vergangenheit, in der die Gegenwart sich noch wiederzuerkennen vermochte, verkürzte und damit eine Vorausahnung der Zukunft immer problematischer wurde, erschienen spezielle Bemühungen der Vergewisserung einer eigenen Vergangenheit notwendig.77) Damals wie heute, so hat Hermann Lübbe als Funktion des Museums hervorgehoben, „kompensieren wir [durch die progressive Musealisierung] die belastenden Erfahrungen eines Änderungstempobedingten kulturellen Vertrautheitsschwundes.“78) Allgemein wirkte dabei die überpersonelle und auf Dauer angelegte Institution des Museums als Mittlerin zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Kunstgewerbemuseum speziell versuchte Transmission zu geben für das Alte in das Neue. Zweifelsohne entsprangen auch die Industrie- und Gewerbeausstellungen dem skizzierten Strang und waren damit ein Ableger der Entwicklung des Museums „vom Musentempel zum Lernort“.79) Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die gemeinsamen Wurzeln auch im Laufe der Entwicklung nicht gekappt wurden: Das entscheidende gemeinsame Moment war und blieb die Authentizität der im Museum aufbewahrten und in der Ausstellung präsentierten Objekte. In einer Welt des Nichtauthentischen, wie Claude-Lévi Strauss die moderne Gesellschaft charakterisiert hat, erlauben das Museum wie auch die Ausstellung die Faszination des Originals, die von den Dingen ausgeht, die dem Betrachter lebensweltlich fern und fremd, physisch aber nah, da räumlich zugegen sind.80) In der Ausstellungstechnik wie auch bei der Entwicklung von Präsentationsformen gab es charakteristische Parallelen, so dass Museum und Ausstellung nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können.81) Ausstellungen entstammten zunächst dem Museum, beruhten aber auf Gesetzen, die denen der Museumstätigkeit in Vielem entgegengesetzt sind. Deshalb kehrte sich in mancher Hinsicht das Beziehungsverhältnis um: Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht mehr das Museum der Schrittmacher für die Ausstellungstechnik. Stattdessen übernahm die spektakulärste Form der Industrie- und Gewerbeschau, die Weltausstellung, eine gewisse Vorreiterfunktion
77) Vgl. Hermann Lübbe, Die Aufdringlichkeit der Geschichte. Herausforderungen der Moderne vom Historismus bis zum Nationalsozialismus, Graz/Wien/Köln 1989, S. 13 f.; zur Kritik an der These vgl. Heinrich Theodor Grütter, Zur Theorie historischer Museen und Ausstellungen, in: Horst Walter Blanke/Friedrich Jaeger/Thomas Sandkühler (Hrsg.), Dimensionen der Historik. Geschichtstheorie, Wissenschaftsgeschichte und Geschichtskultur heute, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 179–193, S. 179. 78) Hermann Lübbe, Der Fortschritt und das Museum. Über den Grad unseres Vergnügens an historischen Gegenständen, London 1982, S. 18. 79) Hochreiter, Musentempel. 80) Claude Lévi-Strauss, Strukturale Anthropologie, Frankfurt a. M. 1967, S. 391. 81) Vgl. Bennett, The Exhibitionary Complex, S. 123–154, S. 124.
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auch für den Museumsbereich und die dort praktizierte Inszenierung von Exponaten.82) Allen Verflechtungen zum Trotz entwickelten sich Industrie- und Gewerbeausstellungen auch aus anderen Kontexten und nahmen darüber hinaus eine charakteristische Eigenentwicklung.83) Industrie- und Gewerbeausstellungen sind, so der britische Ausstellungshistoriker Luckhurst, „an essentially modern development, closely connected […] with the changes, social, economic and political, associated with what is known as the Industrial Revolution.“84) Besonders scharf heben sich die Charakteristika der Industrie- und Gewerbeausstellungen dann von ähnlichen Medien ab, vergleicht man diese mit der Funktion, die den Museen insbesondere zu ihrer Hochzeit im 19. Jahrhundert zugedacht wurden: In Museen konservierten die Macher und Träger gesellschaftliche Erinnerung genauso, wie sie einen Kanon von Erinnernswertem etablierten. Auf diese Weise suchten Mäzene oder Kollektive ihre Identität zu sichern oder erst zu stiften. Die Praktiken des Sammelns, der Organisation und der Präsentation charakterisieren die zeitgenössische Arbeit an der Erinnerung.85) Im Unterschied dazu war die Ausstellung zunächst ein flüchtiges Medium: Sie strebte nicht die institutionelle Verfestigung in den Strukturen eines prinzipiell überzeitlichen Museums an, sondern ihr Abriss war schon bei ihrer Entstehung mitgedacht, trotz aller Versuche zur Verstetigung und Prolongierung der Wirkung der Ausstellung anhand von Katalogen, Bild- und Schriftzeugnissen wie aber auch Museen, die bestimmte Ausstellungsteile dauerhaft zeigen sollten. Durch Materialwahl und Konstruktion gibt sich die ephemere Ausstellung zumindest auf den zweiten Blick als vergänglich zu erkennen.86) Damit repräsentiert die Ausstellung nicht die Dauer, sondern fordert die aktuelle Äußerung, sie unterstützt nicht die Konstruktion des Gedächtnisses, sondern regt den Disput an, indem sie sich „transitorisch, ephemer, zeitbezogen und offensiv“ gab.87) Nicht die historisierende, die Erinnerung an die Vergangenheit sichernde und kanonisierende Perspektive stand im Vordergrund, sondern die auf das Heute und das Morgen zielende Demonstration
82)
So hatte die Londoner Weltausstellung von 1851 sowie das daraus entstandene South Kensington Museum Modellcharakter für die Errichtung von Gewerbemuseen in Deutschland. Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 99. 83) Vgl. Hans-Ulrich Thamer, Historische Ausstellungen und demokratische Traditionspflege. Die Ausstellungen zum 150. Jubiläum der Revolution von 1848/49, in: kritische berichte 28 (2000) Nr. 1, S. 69–75. 84) Luckhurst, Story, S. 14. 85) Vgl. Susan A. Crane, Introduction: Of Museums and Memory, in: dies. (Hrsg.), Museums and Memory, Stanford 2000, S. 1–16, S. 4–6. 86) Vgl. Michael Diers, Schlagbilder. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1997, S. 74. 87) Weber-Felber/Heinisch, Ausstellungen, S. 7–8. Vgl. Luckhurst, Story, S. 10.
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von Leistung, Fortschritt und Entwicklung. Nicht vergangenes Schaffen dominierte, sondern ein an den Macher oder die Macherin gebundenes Objekt. An Stelle von Permanenz und Kontinuität trat die Flüchtigkeit der Darbietung in ephemeren Ausstellungsbauten und -arrangements. Trotz der Funktion der Ausstellung, den jeweiligen Stand der Wirtschaftsentwicklung zu repräsentieren, überwand sie den für das 19. Jahrhundert charakteristischen rein bewahrenden Charakter von Museen und Sammlungen und trug zwangsläufig den „Stempel des Vergänglichen.“88) „Museen sind Inventare, Ausstellungen sind Erzählungen. Museen sind Archive, Ausstellungen sind Medien.“89) Wo das Museum seine historisch-bewahrende Sammeltätigkeit spiegelbildlich zum Tempo zivilisatorischer Modernisierungsprozesse steigerte90) (und erst seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts neben dem Deponieren auch das Exponieren wieder stärker an Gewicht gewinnt)91), da exponierte und popularisierte die Ausstellung das Neue, versuchte Akzente zu setzen und mit Macht nicht nur den etablierten Kanon des Schönen, Nützlichen und Guten zu bereichern, sondern darüber hinaus eine veränderte Konsumästhetik und damit neue Konsumgewohnheiten zu schaffen. Museum und Ausstellung entwickelten so unterschiedliche Kommunikations- und Rezeptionsweisen: auf der einen Seite der kontemplative, auf Belehrung zielende Gang durch das Museum, der vor allem der alltäglichen und sozialen Praxis des gebildeten Bürgertums entsprach, auf der anderen Seite der – so wird zu zeigen sein – immer mehr auf Partizipation an den Feiern, Ritualen und Vergnügungsangeboten angelegte Besuch einer Ausstellung, welcher mit dem Durchbruch des Massenkonsums schichtübergreifend praktiziert wurde. 3. Markt, Messe und Ausstellung: Die Entwicklung der modernen Industrie- und Gewerbeausstellung Was eine Industrie- und Gewerbeausstellung kennzeichnet, darüber ist seit dem ersten Aufkommen des Mediums diskutiert worden.92) Dabei standen 88)
Paquet, Ausstellungsproblem, S. 35. Siegfried Mattl, Ausstellungen als Lektüre, in: Gottfried Fliedl/Roswitha Muttenthaler/ Herbert Posch (Hrsg.), Erzählen, Erinnern, Veranschaulichen. Theoretisches zur Museums- und Ausstellungskommunikation, Wien 1992, S. 41–54, S. 42. 90) Vgl. Lübbe, Zeit-Verhältnisse. 91) Korff, Speicher, S. 52. 92) Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Huber, Artikel Industrieausstellungen, S. 616–628; Morgenroth, Ausstellungen, S. 47–55; Karl-Joachim Lorenz, Ausstellungen und Messen, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 1, Göttingen 1956, S. 505–512; Heinrich Spies, Messen und Ausstellungen, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1. Aufl. Bd. 3, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1959, S. 830–848; Julius Manfred Schwenzner, Messen und Ausstellungen, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Stuttgart 1974, Sp. 1476–1487; Arthur Woll, Marktordnung, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 5, Stuttgart/New York 1980. S. 127–139; Peter Friedrich/Günter Valjak, Messen, 89)
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zumeist die ökonomische Bedeutung und Funktion zur Debatte. Für unseren Kontext sind aus dieser schon zur Entstehungszeit des Ausstellungswesens weit verzweigten Debatte von Ausstellungsmachern, -besuchern und -theoretikern93) zwei Stränge aufzunehmen. Zum einen soll das Medium der Industrie- und Gewerbeausstellung mit der Genese der Marktwirtschaft und der Marktgesellschaft in Beziehung gesetzt werden: In systematischer Perspektive wird nach den Gründen für die Entstehung der Industrie- und Gewerbeausstellungen bei der Ausbildung der Marktgesellschaft und im Prozess der Kommunikation über ökonomische Veränderungen gefragt. Dieses wird auf einer empirischen Ebene ergänzt, indem Gestalt und Ausdrucksformen der Ausstellungen aus Vorgängerinstitutionen wie dem geographisch verstandenen, vor allem lokal orientierten Markt und den zumeist regional organisierten Messen hergeleitet und davon abgesetzt werden. „Die Marktwirtschaft“, so hat klassisch Fernand Braudel vor einer Reifizierung aktueller Gegebenheiten gewarnt, „ist ihrem Wesen nach nur das Verbindungsglied zwischen Produktion und Konsumption, und bis ins 19. Jahrhundert hinein bildete sie nur eine mehr oder weniger dicke und resistente – manchmal jedoch auch sehr dünne – Schicht zwischen dem unter ihr liegenden Ozean des Alltagslebens und den Entstehungsprozessen des Kapitalismus“.94) Der Übergang vom Marktgeschehen in traditionalen Gesellschaften hin zur Marktgesellschaft lässt sich nicht nur über die veränderte Quantität, sondern auch an der Qualität der Austauschprozesse erkennen: Sachliche Gleichwertigkeit der Güter und allen zugängliche Informationen, daraus abgeleitete Markttransparenz sowie das Fehlen persönlicher, nicht in der Ware liegender Präferenzen und die (nur theoretisch denkbare) Ausschaltung von Raum- und Zeitdifferenzen zwischen den beiden Marktseiten – anhand dieser Kriterien lässt sich die Durchsetzung des modernen Marktes und damit verbunden der Marktgesellschaft fassen. Der abstrakte Begriff des Marktes gewinnt erst dann an Kontur, wenn er historisch aufgeschlüsselt und in verschiedenen Entwicklungsstufen betrachtet wird. Die Ausstellungen sind im Folgenden als wichtige Zwischenstufe und als Transformationsmedium in der Entwicklung zur Marktgesellschaft zu be-
Ausstellungen, Mehrzweckhallen, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl., Bd. 5, Berlin/Heidelberg/New York/Tokio 1984, S. 535–564; Herbert R. Schwankl, Das württembergische Ausstellungswesen. Zur Entwicklung der allgemeinen Gewerbe- und Industrieausstellungen im 19. Jahrhundert, St. Katharinen 1988, S. 6–16; Rolf Walter, Märkte, Börsen, Messen, Ausstellungen und Konferenzen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Pohl (Hrsg.), Bedeutung, S. 379–440. 93) Vgl. zum Beispiel Wilhelm Döring (Hrsg.), Handbuch der Messen und Ausstellungen, Darmstadt 1958, S. 10–17; als aktuelles Beispiel und als Resümee des Forschungsstandes vgl. Enrico Hochmuth, Das Problem des Industrie- und Gewerbeausstellungswesens und die Musealgeschichte. Das Beispiel der sächsisch-thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Leipzig im Jahr 1897, in: Curiositas 1 (2001), S. 137–165. 94) Fernand Braudel, Die Dynamik des Kapitalismus, Stuttgart 1986, S. 43.
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schreiben. In vormodernen Gesellschaften begegnete der Markt vor allem als Marktplatz. In der Regel war dieses ein öffentliches, periodisch wiederkehrendes Ereignis an einem geographischen Ort, an dem Angebot und Nachfrage verhandelt und im Idealfall ausgeglichen wurden.95) Dieses auf persönlicher Interaktion beruhende lokale Marktgeschehen war in vielfältiger Weise sozial und kulturell eingebettet und selbst Schauplatz kultureller Praxis, wenn dort Gerichtsverhandlungen geführt, Ehen geschlossen und politisch kommuniziert wurde.96) Dieses traditionelle Marktgeschehen „embedded market exchange within fundamentally non-market societies.“97) Die Ausstellungen trugen als räumlicher Ort der Zusammenkunft von Produzenten und Konsumenten, der Konkurrenz und des Vergleichs zu einer Steigerung der Qualität des Marktes bei.98) Sie stifteten Öffentlichkeit über den lokalen und regionalen Rahmen und die jeweils dort herrschenden sozialen Strukturen hinaus. Diese Funktion wurde von den Ausstellungsbefürwortern und -machern bereits zeitgenössisch hervorgehoben: Der Gewerbeförderer, Lehrer an einer entsprechenden Schule und Staatsbeamte Karl Karmarsch warb für die Ausstellungen insbesondere mit Verweis auf ihre kommunikative Wirkung: „Oeffentlichkeit, das Losungswort der Gegenwart in so vielen Beziehungen,“ habe sich „naturgemäss auch im Fache der Industrie als ein unweigerliches Bedürfniss Geltung verschafft und breite Bahn gebrochen.“ Allmählich sei man zu der Einsicht gelangt, „dass weder das Ganze noch der Einzelne den grössten möglichen Gewinn zieht, wenn Alle das, was sie wissen und können, verheimlichen; man fühlt, dass in dem Austausch mit Tausenden das Individuum für sich jedenfalls mehr empfangen kann, als es vom Eigenen hergibt“.99) Auf der einen Seite mache es der schnelle Fluss von Informationen und Waren unmöglich, Erfindungen faktisch geheim zu halten. Auf der anderen Seite seien Branchen wie der Maschinenbau auf eine rasche Verbreitung von Fertigungsmethoden angewiesen, um das, was sonst „nur ein Vehikel der Fabrikation war“, selbst zu einem Fabrikat werden zu lassen.100) Diese Funktion der Industrie- und Gewerbeausstellungen wurde dann relevant, als eine differenziertere Entwicklungsstufe der Ökonomie erreicht war. In der vorindustriellen Epoche bestimmte das Handwerk als zentraler Träger der gewerblichen Produktion den Warenkreislauf. Der Einkauf von Rohstoffen, die Menge der Produktion und der Verkauf waren idealtypisch ebenso wie die Qualität durch die korporative Verfassung des Handwerks in den 95)
Slater/Tonkiss, Society, S. 10 f., S. 36–62. Vgl. Jean-Christophe Agnew, Worlds Apart: The Market and the Theater in AngloAmerican Thought 1550–1750, New York 1986. 97) Slater/Tonkiss, Society, S. 13. 98) Walter, Märkte, S. 380–385. 99) Karl Karmarsch, Andeutungen zur Praxis der Gewerbeausstellungen, in: Polytechnische Mittheilungen. Unter Mitwirkung von Professoren Höherer Technischer Lehranstalten herausgegeben von W. L. Volz und Karl Karmarsch, 2 (1845), S. 145–212, S. 145 f. 100) Ebd. 96)
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Zünften geregelt. Einer eigenen Form der Präsentation von Erzeugnissen oder gar des Leistungsvergleichs bedurften die einzelnen Zünfte nicht, da alle diese Elemente Bestandteile der Zunftregeln waren.101) Verkaufsmessen und lokale Märkte erfüllten vor allem die Funktion der Bedarfsdeckung, lediglich mit Blick auf den Rohstoffhandel und der von ihr abhängigen Preisgestaltung der Fertigprodukte spielten Angebot und Nachfrage eine Rolle. Erst mit der Etablierung großgewerblicher Produktionsstätten entstand eine ausgeprägte Wettbewerbssituation zwischen dem Handwerk einerseits und Manufakturisten sowie nicht zünftisch gebundenen Handwerkern, den Freimeistern, andererseits. Neben die traditionellen Märkte, die vorrangig der Bedarfsdeckung dienten, traten Gewerbeschauen und Leistungsausstellungen, die zur Austragung und Regulierung dieses Wettbewerbs dienen sollten. Selbst die frühindustriellen Expositionen, die vor allem den Status quo des gewerblichen Produktionsniveaus in der Ausstellungsregion dokumentierten, waren ein erster Schritt zu einem stärker marktorientierten Verhalten. Ausstellungsorganisatoren und Ausstellende gingen nicht mehr von einer konstanten Nachfrage aus, sondern mühten sich, aktiv auf Zulieferer und Weiterverarbeiter wie auch nicht zuletzt auf den Konsumenten einzuwirken.102) Nun sei es „eine wahre Lebensbedingung, sein Licht leuchten zu lassen vor der Welt, und sich mit seinen Leistungen in möglichst weit umschriebenem Kreise bekannt zu machen“, so warb Karmarsch unter den Gewerbetreibenden für die Beschickung von Industrie- und Gewerbeausstellungen.103) Das Prinzip des überlokalen und überregionalen Wettbewerbs etablierte sich nur zögernd, was sich auch in der frühen Ausstellungspraxis und insbesondere im Verhalten der Warenproduzenten niederschlug: Zwar hatte es bereits in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Reihe von örtlichen oder regionalen Ausstellungen gegeben, aber ihre Wirkung war beschränkt:104) Bei den Herstellern halte sich noch kein Bewusstsein für den Nutzen der Veranstaltung entwickelt; Handelstätigkeit beschränkte sich auf feste Absatzkreise. Neue Kunden gewann man durch Präsenz auf Märkten, durch die persönliche Ansprache oder auf Empfehlung. Vor allem zünftische 101) Dieter Gessner, Industrialisierung, staatliche Gewerbepolitik und die Anfänge und Entwicklung des industriellen Ausstellungswesens in Deutschland – Anmerkungen über den Wandel des Verhältnisses von Wirtschaft und Staat als Träger des industriellen Ausstellungswesens im 19. Jahrhundert, in: Mai/Pohl/Waetzoldt, Kunstpolitik, S. 131–148, S. 132. 102) Vgl. am Beispiel der bayerischen Ausstellungen in den vierziger bis sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts Peter Hefele, Wirtschaftspolitik in Bayern im Spannungsfeld von Staat, Kommunalverwaltung und Bürgerschaft. Empirische Studien zu den Städten Ingolstadt und Kempten im Zeitraum von 1818 bis 1868, St. Katharinen 1998, S. 101–102. 103) Karmarsch, Andeutungen, S. 146. 104) Das nicht vorhandene Interesse zeigt eine Umfrage unter Industriellen und Gewerbetreibenden im Rheinland und in Westfalen, die von Seiten der Landräte und Handelskammern zwischen 1832 und 1834 durchgeführt wurde. Vgl. HSTA Düsseldorf, Regierung Düsseldorf Präs., Nr. 1026 [gesamte Akte].
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Vorstellungen waren es, die das Interesse der Warenhersteller nicht primär auf die Ausweitung der Absatzmärkte, sondern auf das Festhalten an den Vorteilen der bestehenden Absatzmonopole lenkte, die man angesichts der noch mangelnden Verflechtung der Provinzen und Regionen gegenüber auswärtigen Konkurrenten besaß.105) Nur wenige Aussteller beteiligten sich an den Expositionen. Die Gewerbetreibenden fürchteten nicht nur die Kosten, sondern auch, dass Muster, Produktionsmaterialien oder Fertigungstechnik durch die Konkurrenz ausgespäht würden. Charakteristisch für die Einstellung gegenüber den Ausstellern war die Haltung des Handschuhfabrikanten Landré. Er begründete sein Fernbleiben von der zweiten Berliner Gewerbeausstellung im Jahr 1827 damit, dass seine „Kundschaft seit vielen Jahren [s]ein Fabrikat dem ausländischen an Eleganz vollkommen gleichstellt und da die Vorzüge desselben in Eigenschaften liegen, die nicht auf einer Ausstellung, sondern beim Verbrauche wahrzunehmen sind“.106) Erst allmählich gewann die Ausstellung neben den traditionellen Formen des örtlichen Marktes und der Messe ein eigenes Profil: Obwohl sich die Institutionen Markt und Messe hinsichtlich ihrer Formen mit den Industrie- und Gewerbeausstellungen überschnitten, so unterschieden sie sich doch grundlegend in ihrer Zielsetzung. Der Markt, dessen Wurzeln historisch weit über den Beginn der Neuzeit hinausreichen, zielte vorrangig auf die lokale oder regionale Bedarfsdeckung und auf den Verkauf der mitgebrachten Objekte.107) Zwar übernahmen die Industrie- und Gewerbeausstellungen gewisse Organisationsformen des Marktes, so zum Beispiel die Einfriedung eines Geländes, die Etablierung eines Sonderrechtes für die Dauer der Veranstaltung und Ähnliches.108) Darüber hinaus aber entwickelten sich die vor allem auf die Repräsentation zielenden Industrie- und Gewerbeausstellungen weitgehend unabhängig von den lokalen Märkten.109) Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen Messe und Ausstellung, deren Bezeichnungen gelegentlich synonym gebraucht wurden. Bei beiden Veranstaltungen stand der Akt des Ausstellens im Vordergrund. Wiederum ist es aber die Funktion, die beide Institutionen voneinander unterscheidet: Wo die Ausstellung als „Fortschrittsbarometer“ dient und dabei den Qualitätsaspekt in den Vordergrund stellt, da ist die Messe vorrangig „Konjunkturbarometer“: Als eine periodisch angelegte und zumeist regional übergreifende Veranstal-
105)
Haltern, Weltausstellung, S. 24. Haude & Spenersche Zeitung (Berlin) vom 9. Oktober 1827. 107) Vgl. Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart 1998; Hartmut Zwahr/Thomas Topfstedt/Günter Bentele (Hrsg.), Leipzigs Messen 1497–1997, Teilband 1: 1497–1914, Köln/Weimar/Wien 1999. 108) Benedict, Anthropology, S. 5. 109) Vgl. Rolf Sprandel, Artikel Markt, in: Lexikon des Mittelalters Bd. VI, München/ Zürich 1993, Spalte 308–311. 106)
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tung zielt sie auf den Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Mit der verbesserten Infrastruktur im Verkehr und für den Transport, neuen Formen des Geld- und Kreditgeschäftes wie auch dem Übergang zur industriellen Massenund Serienproduktion verloren die Warenmessen ihre Funktion für den Handel, an ihre Stelle traten verschiedentlich Mustermessen, in der Regel aber neue Formen der Information, Bewerbung und Distribution.110) Im Gegensatz zur Messe stand im Vordergrund der Mustermesse nicht der direkte Verkauf, sondern Kommunikation und speziell Information und Bestellung.111) Das angesprochene Publikum waren vor allem Wiederverkäufer und gewerbliche Interessenten. Mit einer Messe sollte eine „umfassende Übersicht über die zum Verkauf stehende Produktion eines oder mehrerer Wirtschaftszweige“ erreicht werden.112) Die Messe als Markt für „den individualisierten Warenverkehr en Gros“113) erleichterte dem Kaufmann die Erkundung und Analyse dadurch, „daß der zum Teil unsichtbare, aber durchaus reale Markt für eine gewisse Zeit an einem bestimmten Ort in der geschlossensten Form sichtbar wird […] in einem konzentrierten Angebot und einer konzentrierten Nachfrage.“114) Die Messen steuerten auf diese Weise dem Innungswesen entgegen, indem sie dessen Reglementierungen in einem prinzipiell offenen Markt außer Kraft setzten.115) Die Beschicker der Messen boten in erster Linie entsprechend der Nachfrage und den technischen Möglichkeiten nach an. Innovationen wurden für den auf den Absatz ausgerichteten Messeaussteller erst bei entsprechender Nachfrage interessant. Trotz einzelner Sonderentwicklungen einte die einzelnen Messen das Anliegen gemeinsam, „Produktion und Konsumption nach Möglichkeit lokal und temporär zu konzentrieren und auszugleichen.“116) Im Gegensatz zu Messen und Märkten zielten Industrieausstellungen grundsätzlich über den Ausgleich von Angebot und Nachfrage hinaus.117) Ihr Interesse war die Popularisierung des Besonderen, des Neuen sowie die Erzeugung von Weltbildern. Darin unterschied sie sich auch von früheren vor110)
Vgl. Karlheinz Blaschke, Der Übergang von der Warenmesse zur Mustermesse im 19. Jahrhundert, in: Rainer Koch (Hrsg.), Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1991, S. 263–280; Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 89–91. 111) Vgl. Günter Bentele, Die Leipziger Messe als Kommunikationsereignis, in: Zwahr, Messen, S. 33–48. 112) Lorenz, Ausstellungen, S. 506. 113) Reiner Pantlen, Märkte und Messen, in: Handwörterbuch Staatswissenschaften, S. 481–496. 114) Hundt, Wandlung, S. 69. 115) Wilhelm Jähn, Die Entwicklung und Bedeutung der Handelsmessen, Leipzig 1922, S. 24. 116) Hundt, Wandlungen, S. 40. 117) Vgl. Schmidt, Weltausstellungen, S. 164–178, S. 165: „Ausstellungen waren ein völlig neuer Typ von Veranstaltungen, die sich grundlegend von den weit älteren Messen und Jahrmärkten unterschieden, die ja im wesentlichen Handelsfunktion ausübten.“
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen im Medienkontext
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modernen Präsentationen von Werkzeugen und Produkten:118) Während der Besuch einer Messe dazu diente, einen ersten Überblick über das Marktangebot zu gewinnen und weitere Quellen für Informationen zu erschließen, wollte die Ausstellung ihre Besucher darüber hinaus „ein wenig dem Alltag entrücken, auf anderes konzentrieren, im Wechsel das Bleibende zeigen, die Gegenwart steigern und als Erinnerung ein starkes und helles Bild hinterlassen.“119) Exponate wurden in Kombination mit kulturellen und technischen Inszenierungen gezeigt, um ein möglichst breites Publikum zu informieren, zu belehren und zu einem neuen Geschmack und neuen Konsumgewohnheiten hin zu erziehen.120) Das Streben nach Umsatz trat hinter den „belehrenden, aufklärenden, propagandistischen und repräsentativen Charakter“ zurück, das Knüpfen neuer Geschäftsbeziehungen oder der direkte Verkauf waren nur Nebenzweck des Ausstellungswesens, welches ökonomisch lediglich auf die Marktvorbereitung oder -beeinflussung, sozial und kulturell aber auf die Demonstration der Konturen einer industrialisierten Gesellschaft zielte.121) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen lösten sich von den Waren- und Mustermessen wie auch anderen Verkaufsausstellungen früheren Typs, ohne aber diese Wurzeln ad hoc zu kappen.122) Zumeist auf einen lokalen oder regionalen Raum zugeschnitten, wollten sie die heimische Leistungskraft stärken und die Wettbewerbsfähigkeit zur Erschließung neuer Märkte steigern. Illustrieren lässt sich dieses am Beispiel eines Aufrufes zur Beschickung einer Gewerbeausstellung in Potsdam. Die Veranstalter warben mit dem Hinweis auf die neue Konkurrenzsituation: Herrschaftliche und zünftische Privilegien seien der Gewerbefreiheit wegen gefallen, und auch der „früher wenigstens gesichert gewesene Lokaldebit“ habe sich der Eisenbahnverbindung mit Ber118) Luckhurst, Story, S. 33. Auch die Zeitgenossen unterschieden beide Aspekte strikt voneinander. Vgl. Anonym, Die Messen und Märkte und deren Verhältnis zum Handel, in: Gewerbeblatt aus Württemberg, hrsg. von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel Nr. 39 vom 29. September 1867, S. 345–349; Anonym, Die Messen und Märkte und deren Verhältnis zum Handel, in: Gewerbeblatt aus Württemberg, hrsg. von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel Nr. 40 vom 6. Oktober 1867, S. 355–361. 119) Erich Pfeiffer-Belli, Die Kunst, Ausstellungen zu machen, zitiert nach Emil Maurer, Missa profana. Geschichte und Morphologie der Messen und Fachausstellungen, Stuttgart 1973, S. 87. 120) Vgl. Korn, Gewerbeausstellung, S. 15. 121) Hundt, Wandlung, S. 65, S. 75. 122) Dieses Mischungsverhältnis aus Verkaufsförderung einerseits und ideeller Gewerbeförderung andererseits lässt sich besonders treffend am Beispiel Braunschweigs aufzeigen. Hier wurde im Laufe der vierziger Jahre ein Konzept eines „Basars“ erprobt, auf dem die Gewerbetreibenden ihre Produkte zum Verkauf bringen konnten und bei dem auf andere, typisch gewerbefördernde Elemente wie die Prämierung von Objekten verzichtet wurde. Vgl. Franz Varrentrag, Über die Gewerbeausstellung, in: Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweigs 1843, S. 209–210; Anonym, Vorläufiger Entwurf zur Errichtung eines Weihnachtsbazars, in: Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweigs 1844, S. 244–246. Allgemein dazu vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 64 f.
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lin wegen verflüchtigt. Um das heimische Publikum zu halten und darüber hinaus auch Berliner Käufer für die eigene Ware zu interessieren, forderte man zur möglichst reichen Beschickung der Gewerbeausstellung auf. „Hilf dir selber, so wird Gott dir helfen“, so das Motto, mit dem die Initiatoren potenzielle Aussteller motivieren wollten.123) Ähnlich wie in speziellen Kunstausstellungen dominierte das Prinzip der repräsentativen Übersicht für eine vorab festgelegte Region.124) Gewerbefördernd sollte vor allem das Konkurrenzprinzip wirken: Einer von der Ausstellungsleitung bestimmten Jury kam die Aufgabe zu, die von den Herstellern eingereichten Exponate zu beurteilen und auszuzeichnen. Insbesondere die dort verliehenen Urkunden, Diplome und Medaillen waren den Ausstellern ebenso Ansporn zum Wettbewerb wie auch ständiger Anstoß zum Streit.125) Die Entstehung der Industrie- und Gewerbeausstellungen lässt sich nicht hinreichend aus den Jahrmärkten und Warenmessen allein herleiten noch als Produkt vermeintlich konstanter menschlicher Schaufreude und Neugierde erklären. Von ihren Vorgänger- und Parallelinstitutionen unterscheiden sie sich durch ihren „ideologischen Aufwand und ihre weltanschauliche Programmatik“.126) Im Vordergrund ihres Interesses stand die Repräsentation von industriellem und technischem Fortschritt, ihren Möglichkeiten und Chancen und ihren Machern und Trägergruppen.
II. Die Anfänge der Industrie- und Gewerbeausstellungen bis in die 1840er Jahre 1. Das französische Vorbild: „Revolutionäres Fest“ und Instrument der Gewerbeförderung Zwar ist von der Forschung die 1761 veranstaltete Ausstellung der Londoner Society of Arts zum Prototyp der Industrieausstellung erklärt worden. In der Ausstellungskultur zu Beginn des 19. Jahrhunderts aber war das Ausstellungswesen in Frankreich und speziell dasjenige in seiner Hauptstadt der eigentliche Schrittmacher für die Entfaltung dieses Mediums. Bei der Übernahme und der modifizierenden Aneignung der Expositionen bildeten sich charakteristische Ausstellungspraxen und -motive heraus, die für die deutschen wie auch für das Gros der west- und osteuropäischen Expositionen konstitutiv wurden.127)
123)
Vgl. Anonym, Gewerbe-Ausstellung in Potsdam, in: Berliner Gewerbe-, Industrieund Handelsblatt Bd. XIX (1846) April/Mai/Juni, S. 38 f. Zu der Ausstellung vgl. Landeshauptarchiv Brandenburg (Potsdam), Rep. 2 A I HG Nr. 3396. 124) Mai, Expositionen, S. 28. 125) Vgl. Kroker, Weltausstellungen, S. 202. 126) Hofmann, Paradies, S. 151. 127) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 189.
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Zu Anfang war es keinesfalls der Aspekt der Gewerbeförderung, der den französischen Organisatoren vorschwebte. Intentionen wie die „Hebung des Nationalstolzes“, die Symbolisierung der revolutionär gewonnenen „Gewerbefreiheit“ oder auch spezifische Ausstellungspraktiken rücken die französischen Nationalausstellungen in eine Reihe mit den (von der Forschung so bezeichneten) fêtes révolutionnaires seit 1789.128) Diese zielten auf die Vermittlung neuer Werte nach innen und die nationale Integration mit deutlicher Abgrenzung nach außen.129) Obwohl in der Ausstellungstheorie wie auch in der Praxis der Expositionen das Element der praktischen Gewerbeförderung nicht vollständig fehlte, stand dieses Anliegen doch im Hintergrund. Darauf verweisen sowohl die Absichtserklärungen der Macher wie auch die überlieferten Rezeptionszeugnisse der Zeit. Neben der industriösen Bildung zielte die Ausstellung auf ein „Schauarrangement für das Volk“, welches neben den Dingen des alltäglichen Gebrauchs auch Exponate der Kunst integrierte.130) Erst mit der Jahrhundertwende traten die Interessen der Aussteller aus Industrie und Gewerbe stärker in den Vordergrund, ohne aber – das bleibt auch für die Analyse der Expositionen in der zweiten Jahrhunderthälfte unmittelbar von Belang – ihren Ursprung in den „fêtes révolutionnaires“ abzulegen. Die Organisatoren, und damit vor allem der Staat, verstanden sich nun durchaus im eigenen Interesse als aktiver Gewerbeförderer. Praktische Gewerbeförderung meinte, Informationen zu vermitteln, zur Konkurrenzbildung beizutragen und im Sinne der Aussteller den Markt vorzubereiten. Das zweite Moment aber, die Popularisierung neuer Werte und die damit verbundene innere Integration wie auch die Abgrenzung nach außen mittels einer Nationalisierung der Arbeit des Marktes, wurde damit nur vordergründig überdeckt. Weiterhin bildeten gesellschafts- und außenpolitische Fragen einen von mehreren Subtexten der Veranstaltungen. Andere Kommunikationsformen und -intentionen traten in den Vordergrund, die dem Medium eigenen Alternativen aber waren latent vorhanden und konnten im Wechselspiel von Veranstaltern und Rezipienten je nach Problemlösungsdruck abgerufen und mobilisiert werden. Für den Typus der Industrie- und Gewerbeausstellung als einer nationalpolitischen Demonstration nach außen und als einer gesellschaftlichen Integration nach innen steht die französische Nationalausstellung von 1798, die die seit 1793 veranstalteten Vorgänger in ihrer Wirkung bei weitem übertraf.131)
128) Marcel Gauchet, La Révolution des pouvoirs. La Souveraineté, le peuple et la Représentation. 1789–1799, Paris 1995; Albert Mathiez, Les origines des cultes révolutionnaires 1789–1792, Paris 1904, Mona Ozouf, La féte revolutionnaire 1783–1799, Paris 1976. 129) Vgl. dazu die beispielgebende Analyse von Andrew McClellan, The Musée du Louvre as Revolutionary Metapher during the Terror, in: The Art Bulletin 70 (1988), S. 300–313. 130) Korff, Eigenart, S. 20. 131) Eine chronologische Rekonstruktion der nachrevolutionären Nationalausstellungen bei Paquet, Ausstellungsproblem, S. 21.
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Zwei im Jahr vorher in der französischen Hauptstadt abgehaltene Basare, die vor allem mit Beständen der ehemaligen Königlichen Manufakturen bestückt waren, zeigten bereits die unter dem Direktorium unternommenen Anstrengungen, die von der britischen Handelsblockade wie auch von der allgemeinen Depression im Inneren gefährdete französische Industrie zu unterstützen. Diesem Ziel sollte auch die Nationalausstellung dienen, die federführend vom Minister des Inneren unter Leitung von Nicolas Louis Francois de Neufchâteau (1750–1828) organisiert wurde:132) „Nos manufactures sont les arsenaux d’où doivent sortir les armes des plus funestes à la puissance britannique“, so verquickte ein Rundschreiben des Innenministers außen- und innenpolitische Ziele auf das Engste miteinander.133) Das Schreiben schloss mit den Worten: „Les français ont étonné l’Europe par la rapidité de leurs exploits guerriers, ils doivent s’élancer avec la même ardeut dans la carrière du commerce et des arts de la paix.“ Die Ausrichtung der Ausstellung auf dem Marsfeld, die Terminierung auf den 17. September als dem Jahrestag der Gründung der Republik unterstrichen die außen- und innenpolitische Bedeutung dieser Veranstaltung ebenso wie die Gestaltung des zentralen Festzuges, auf dem im siegreichen Kriege erbeutete Kunst- und Kunstgewerbeprodukte mitgeführt wurden.134) Nationale Propaganda und außenpolitische Machtdemonstration – diese Ziele der Ausstellung sah der Innenminister in der Abschlussfeier der Veranstaltung am 21. September 1798 vollkommen erreicht: „Cette première exposition […] est réellement une première campagne, une campagne désastreuse pour l’industrie anglaise et glorieuse pour la République.“135) Zugleich aber wurde die Ausstellung als ein „Industriefest“ definiert. Dort sollten die revolutionären Errungenschaften, darunter vor allem die Gewerbefreiheit, symbolisiert und zugleich ein Sinnbild für den erneuerten Status der Arbeit in der Gesellschaft geschaffen werden.136) Dieser Demonstrationscharakter und der hohe symbolische Kommunikationswert, der dieser Ausstellung zugeschrieben wurde, erklärt auch die Vorbereitung und die Praxis der Nationalausstellung: Nicht nur der Verlauf, sondern auch Ort und Gestaltung der Ausstellung waren, so hoben bereits die zeitgenössischen Berichte hervor, bis ins kleinste Detail geplant. Die Exposition fand in einem quadratischen Arkadenhof statt, in dem ein „Tempel der Industrie“ die Bedeutung der wirtschaftlich-industriellen Produktion in sakraler Formensprache zum 132) M. Tamir, Les Expositions internationales à travers les âges, Paris o. J. 1939, S. 22. Zitiert nach Haltern, Weltausstellung, S. 20. 133) Rundschreiben des Innenministers an die Departementsbehörden vom 9. Fructidor des Jahres VI (21. August 1789). Zitiert Haltern, Weltausstellung, S. 20. 134) Zur Ausgestaltung des Festzuges vgl. Cleve, Geschmack, S. 56. 135) Circulaire du 24 vendémaire an VII, zitiert nach Adolphe Démy, Essai historique sur les Expositions universelles de Paris, Paris 1907, S. 18. 136) Notiz von Neufchâteau in der Zeitung Moniteur vom 4. September 1798, hier zitiert nach René Poirier, Des foires, des peuples, des expositions, Paris 1980, S. 59; vgl. Démy, historique, S. 1024 f.
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Ausdruck bringen sollte. Nicht nur die Ausstellung selbst war festlich und dekorativ ausgestattet. Darüber hinaus fanden im Rahmen des „Industriefestes“ auch zahlreiche Konzerte, Dichterlesungen, Paraden und nächtliche Illuminationen statt. Damit war die Präsentation von Produkten des Gewerbefleißes, des Kunstgewerbes und historischen Vorbildern breit in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet. Aus der Perspektive späterer Jahrzehnte und insbesondere in der Anschauung aufgeklärter Gewerbeförderer tat diese Ausrichtung dem eigentlichen Zweck Abbruch; für die Organisatoren der Ausstellung des Jahres 1798 war diese Ausstellungspraxis aber das eigentliche Ziel. Wie in einem Mikrokosmos sollten sich in der Ausstellung die Regeln eines neuen sozialen Lebens offenbaren.137) Intensiver als Diskurse verkörperte und vergesellschaftete eine solche Inszenierung ein neues Wertesystem: So entsprach es der Überzeugung der Träger der französischen Revolution, so hatten es die Philosophes bereits vorgedacht.138) Unter diesem Gesichtspunkt avancierten nicht nur neue wie auch die umgedeuteten Staatsfeste und -zeremonien, sondern auch die Industrieund Gewerbeausstellungen zu einem Medium der „gelungenen Übertragung von Sakralität.“139) Nicht die Aussteller, ihre Produkte und potenzielle Käufer, sondern vor allem das große Publikum stand im Mittelpunkt des Ausstellungskalküls. Aber nicht nur Militärparaden und Bälle zur Feier der Republik, Embleme mit Repräsentationen aktueller Kampfziele der Revolution oder das Verbrennen von Figuren, die für den Despotismus standen, erklären die gesellschaftlich-zeremonielle Funktion der Pariser Industrieausstellung. Auch die Auswahl der Ausstellungsobjekte wie auch der Umgang mit ihnen verweisen auf die symbolische Aufladung: Die von den 111 Ausstellern eingesandten Objekte waren von Technikern und Ingenieuren auf ihre Produktion und Zweckmäßigkeit, von Künstlern auf ihre Ästhetik hin beurteilt worden. Die ausgewählten Exponate waren dann in Form eines Karrees in einem Säulengang präsentiert, in einem Katalog verzeichnet und die prämierten Gegenstände in einen „Tempel der Industrie“ aufgenommen worden. Damit wurden die Waren als Kunstwerke und als „Glücksversprechen im kleinen“ inszeniert.140) Mit der Einsetzung einer Jury, der Publikation eines Katalogs und eines amtlichen Berichts sowie der Festlegung der Auszeichnungen in Gold-, Silber-, Bronzemedaillen und ehrenvollen Erwähnungen, waren somit 137)
Ozouf, fête. Vgl. dazu Dieter Düding, Politische Öffentlichkeit – politische Feste – politische Kultur, in: Dieter Düding/Peter Friedemann/Paul Münch (Hrsg.), Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Hamburg 1988, S. 9–34. 139) Vgl. Roger Chartier, Phantasie und Disziplin. Das Fest in Frankreich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, in: Richard van Dülmen/Norbert Schindler (Hrsg.), Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags, Frankfurt a. M. ²1984, S. 153–176, S. 168, S. 175. 140) Cleve, Geschmack, S. 58 f. 138)
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auch die klassischen Instrumente der Gewerbeförderung vorhanden.141) Auch die den Besuchern gebotene Präsentation war wesentlich davon beeinflusst: Nicht die Erzeugnisse der gewöhnlichen Produktion und des täglichen Gebrauchs standen im Mittelpunkt, sondern Gemälde und Skulpturen, wissenschaftliche Instrumente und aufwändig hergestellte, eigens angefertigte Prachtstücke, die dem Handwerk zum Vorbild gereichen und dem Publikum als Anschauungsobjekte zur Ausbildung des Geschmacks dienen sollten.142) Hebung des Nationalstolzes, Symbolisierung der Revolutionserrungenschaften und Geschmacksbildung der Konsumenten – diese enge Kopplung von innen- und außenpolitischer Programmatik, dem Kunstritual und verschiedenen Festelementen lässt sich nur auf dem Hintergrund der Französischen Revolution verstehen. Der Sturz der Monarchie und die Etablierung der Revolution verlangten nach der Neubesetzung des symbolischen Raums. Dieser Vorgang wiederholte sich in der aufgezeigten Intensität nicht noch einmal. Dennoch aber verloren sich in der Ausstellungskultur der Folgejahrzehnte weder die außen- noch die gesellschaftspolitische Facette, sondern blieben in dem Symbolkosmos der Ausstellung latent angelegt. Aus Sicht der Gewerbeförderer, die die deutsche Ausstellungspraxis des 19. Jahrhunderts prägten, war die Veranstaltung von 1798 sicherlich ein Misserfolg: Mit 111 Teilnehmern hatten sich nur wenige Industrielle an der Initiative beteiligt.143) Zudem kamen diese hauptsächlich aus Paris und Umgebung. Das Ziel späterer Ausstellungen, den Stand einer nationalen Industrie zu repräsentieren, war 1798 keinesfalls erfüllt worden. Auch der Charakter der Exponate, bei denen das besondere Objekt die marktgängige Variante dominierte, entsprach weder den Vorstellungen der Ausstellungsmacher im 19. Jahrhundert noch der späteren Praxis.144) Der Nachfolger Neufchâteaus im Amt des Innenministers, Jean Antoine Claude Chaptal, setzte für die Ausstellungen der Folgejahre deutlich andere Schwerpunkte, mit denen er auf eine direkte und praktische Förderung der Gewerbe zielte. Die Ausstellungen „formente l’émulation des fabricants; elle augmente leur instruction, elle forme le gôut des consommateurs, en leur don-
141)
Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 19, verweist darauf, dass der Innenminister allein die gegenseitige Unterrichtung der Gewerbetreibenden als positiven Effekt der Gewerbeförderung benannte. 142) In dem Sinne ist die krasse Unterscheidung, die Beckmann zwischen der Ausstellung von 1798 und den folgenden Expositionen zieht, nur partiell tragfähig. Zur Verkopplung von Kunstpräsentation und Warenöffentlichkeit vgl. Cleve, Geschmack, S. 58–62. 143) In der Folgezeit ist die Ausstellung vielfach beschrieben worden. Vgl. u. a. Paul Dupays, Vie prestigieuse des expositions historique, Paris 1939, S. 8; Philippe Bouin/Christian-Philippe Chanut, Histoire française des foires et des expositions universelles, Paris 1980, S. 23–25. Vgl. die Interpretation von Cleve, Geschmack, S. 59. 144) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 21 f.
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nant la conaissance du beau.“145) Für die Exposition des Jahres 1802 forderte die Jury Fabrikanten, Gewerbetreibende und Händler ausdrücklich auf, nicht exzeptionelle Produkte oder eigens angefertigte Prototypen, sondern handelsübliche Waren einzusenden. Auf diese Weise erhoffte man sich, dass die Ausstellung sowohl den Teilnehmern als auch den Besuchern zur Informationsgewinnung dienen könne. Den Vertretern des Staates und seiner Verwaltung wie auch den ausländischen Beobachtern sollte in der Form von periodisch wiederkehrenden Ausstellungen ein Gesamtüberblick über Stand und Fortschritt der Nationalindustrie ermöglicht werden. Erst mit dieser Ausrichtung der Ausstellungen und mit der Neuerung, dass die Regierung ab 1819 sämtliche Transport- und Frachtkosten der Aussteller übernahm, wurde das Medium der Industrie- und Gewerbeausstellungen auch quantitativ ein Erfolg: Nicht nur die absolute Zahl der Aussteller stieg kontinuierlich. Man kam auch dem Anspruch näher, tatsächlich die Industriezweige der Region, im Fall der Pariser Ausstellungen gar der Nation zu repräsentieren. Die vom Innenministerium organisierten Ausstellungen sollten ein „tableau“ der französischen Gewerbe und Industrie bieten, um der interessierten Öffentlichkeit, den Fabrikanten und Gewerbetreibenden, den Handwerkern und Arbeitern ebenso wie den Konsumenten einen allgemeinen, anschaulichen und unmittelbaren Eindruck vom technischen Entwicklungsstand der Produktion und der Konkurrenzfähigkeit der Produkte verschaffen. Die Ausstellungen etablierten sich damit nicht nur als „Element der nationalen Repräsentation“, sondern standen auch für ein neues Programm auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik.146) „Geschmacksbildung als Gewerbeförderung“ – mit diesem Slogan verband sich bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts „ein popularitätsheischendes kultur- und wirtschaftspolitisches Programm zur gewerbepädagogischen Fassung und institutionellen Befestigung einer ökonomisch begründeten Grundkonstellation von Kunst und Industrie, Warenproduktion und Kulturmustern des Konsums am Anfang der industriellen Moderne.“147) Die „ars utile“ sollten Produktionstechnik und Kunst, Ästhetik und Konsum miteinander verbinden und so auf die Bedürfnisse einer breiten Konsumentenschicht reagieren beziehungsweise den Wunsch nach entsprechender Ware erst einmal stimulieren.148) 145)
Procès Verbal des opérations du Jury nommé par le Ministre de l’ Interieur pour examiner les produits de l’Industrie Française mis à lExpositions des jours complémentaires de la neuvième année de la Republique, Paris, An IX (1802), S. 38. 146) Barbara Wolbring, Krupp und die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert. Selbstdarstellung, öffentliche Wahrnehmung und gesellschaftliche Kommunikation, München 2000, S. 86; zur Industrieausstellung 1801 vgl. Cleve, Volkskunst, S. 20–23. 147) Cleve, Geschmack, S. 345. 148) Vgl. Ingeborg Cleve, Was können und sollen Konsumenten wollen? Die Formulierung moderner Leitbilder des Konsums als zentrales Problem des europäischen Ausstellungswesens im 19. Jahrhundert, in: Hannes Siegrist/Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka (Hrsg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a. M./New York 1997, S. 549–562, S. 556.
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Als nach dem Ende des napoleonischen Kaiserreichs 1819 weitere französische Nationalausstellungen veranstaltet wurden und die Kette der Expositionen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene auch in den Folgejahren nicht abriß, zeigte sich, daß das Medium der Industrie- und Gewerbeausstellung ein systemübergreifender Bestandteil der staatlich-nationalen Wirtschaftspolitik geworden war und auch unter den Gewerbetreibenden, Fabrikanten und Industriellen Fuß gefaßt hatte.149) Die seit 1827 beratenen, allerdings nie realisierten Pläne für ein festes Ausstellungsgebäude wie auch die 1833 erstmals angestellten Überlegungen, eine internationale Ausstellung zu veranstalten, belegen die Popularität dieser Veranstaltungsform ebenso wie deren Verbreitung im Rahmen der Departements und Städte.150) Französische Nationalausstellungen im Zeitraum von 1789 bis 1849151) Jahr
Dauer
Aussteller
1789 1801 1802 1806 1819 1823 1827 1834 1839 1844 1849
3 Tage 6 Tage 7 Tage 24 Tage 35 Tage 50 Tage 62 Tage 60 Tage 60 Tage 60 Tage 6 Monate
110 220 540 1 422 1 662 1 642 1 659 2 447 3 381 3 960 4 532
Auf dem übrigen Kontinent wie auch in England, welches militärisch und ökonomisch mit Frankreich konkurrierte, wurden die französischen Initiativen mit Interesse verfolgt und kopiert. Sie waren Ausgangs- und Bezugspunkt für die Entwicklung und Verbreitung des Ausstellungswesens in den anderen Ländern des europäischen Kontinents und galten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als vorbildlich.152) So geht auf Initiative Napoleons auch die erste Gewerbeausstellung modernen Typs zurück, die 1811 in einem Saal der Regierungskanzlei Düsseldorf stattfand und wenige Gewerbetreibende des Großherzogtums Berg versammelte.153) Ein Großteil derjenigen Ausstellungen, die vor der Londoner Weltausstellung des Jahres 1851 stattfanden, folgte 149)
Vgl. die Skizze weiterer Ausstellungen bis 1849 in: Die Industrieausstellungen, ihre Geschichte und ihr Einfluß auf die Culturentwicklung, in: Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, Leipzig 1856, S. 470–534, S. 476. Vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 21. 150) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 33–35. 151) Vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 22; Paquet, Ausstellungsproblem, S. 128 ff.; Beckmann, Gewerbeausstellungen 1991. 152) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 20 f.; Paquet, Ausstellungsproblem, S. 131. 153) Vgl. Schäfers, Werkbund, S. 21 f.
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dem französischen Konzept zum Teil bis in die Durchführungsbestimmungen.154) Zugleich erweckte die Initiative der Franzosen aber auch den Argwohn der Nachbarn.155) Der englische Beamte John Bowring berichtete 1832 dem Britischen Parlament die Eindrücke seiner Europareisen und stellte eine Überlegenheit der französischen Wirtschaft in denjenigen Produktbereichen fest, in denen es wesentlich auf Geschmack und Schönheit ankäme. Der Grund dafür, so Bowrings Erklärung, lag in einem Konsumverhalten der breiten Bevölkerung, welches auf ästhetisch hochwertige Produkte zielte. Die höhere Geschmacksbildung führte der englische Beamte auf gezielte Maßnahmen der Regierung zurück, insbesondere die Schaffung und Öffnung von allgemeinen und (kunst)gewerblichen Museen, Gewerbehallen und eben Ausstellungen, die den Kontakt mit der Kunst und damit die Entwicklung eines Geschmacksempfindens ermöglichten. Auch in Deutschland schürte das französische Vorgehen Misstrauen. In den dreißiger Jahren bildete sich eine langlebige Attitüde aus, die sich mit der zunehmenden nationalen Stilisierung der Arbeit und ihrer Produkte intensivierte. Selbst auf den unteren Verwaltungsebenen wertete man im Rückblick auf die Pariser Weltausstellung von 1867 die französischen Museums-, Gewerbeschul- und Ausstellungsprojekte als Versuch, „Europa mit dem Geschmack zu bekriegen“ und „durch die Mode die Welt zu unterwerfen.“156) Ein halbes Jahrhundert vorher aber spornte das Beispiel Frankreichs zu ähnlichen Unternehmungen an. „Was Nationalindustrieausstellungen, Patente, Preisaufgaben und Nationallehranstalten dazu beitragen, den Sinn für Industrie und Kunst zu wecken und zu nähren, davon liefert uns Frankreich einen großen Beweis“, so warb Friedrich List im März 1820 nach dem Besuch des österreichischen Polytechnischen Instituts in Wien für eine vergleichbare Einrichtung. Der Konsulent des deutschen Handelsvereins konnte sich aber mit dieser Idee nicht durchsetzen.157) Nationalausstellungen waren zu diesem Zeitpunkt zwar in anderen europäischen Ländern bereits veranstaltet worden, im Deutschland der Kleinstaaten hingegen nicht realisierbar.
154)
Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 189, S. 193. Vgl. zum folgenden Absatz Ingeborg Cleve, Der Louvre als Tempel des Geschmacks. Französische Museumspolitik um 1800 zwischen kultureller und ökonomischer Hegemonie, in: Gottfried Fliedl, Die Erfindung des Museums. Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution, Wien 1996, S. 26–64, S. 27–30. 156) So der Mindener Regierungsrat Winkelmann in seinem Rückblick auf die Pariser Industrie- und Gewerbeausstellung von 1867. LA Detmold, M 1 I U 97, S. 4–37. Für die Konkurrenzsituation zu England vgl. u. a. Hermann Schwabe, Die Förderung der KunstIndustrie in England und der Stand dieser Frage in Deutschland. Für Staat und Industrie, Gemeinden, Schul- und Vereinswesen, Berlin 1866. 157) Friedrich List, Grundzüge eines Planes zu einer Nationalindustrie- und Kunstausstellung während der Messen in Frankfurt und Leipzig, in: ders., Schriften, Reden, Briefe, Bd. I. 2 (1933), S. 562-565. 155)
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Erste Gewerbe- und Industrieausstellungen in den Staaten Europas (außer Deutschland) Staat
Jahr
Ort
Belgien Schweiz Italien Polen Holland Spanien Habsburg/Österreich Russland Dänemark Schweden Irland Portugal
1803 1804 1818 1818 1825 1827 1828 1829 1834 1834 1835 1844
Brüssel Bern Neapel Warschau Haarlem Madrid Prag St. Petersburg Kopenhagen Stockholm Dublin Lissabon
2. „Erziehung zum Gewerbefleiß“: Frühindustrielle Industrie- und Gewerbeausstellungen zwischen praktischer Aufklärung und staatlicher Gewerbeförderung Gewerbeausstellungen sind, das wird über ihrer nahezu flächendeckenden Präsenz im Gewand der halbstaatlich-bürokratischen Erscheinungsform in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leicht vergessen, ursprünglich aus Motiven der praktischen Aufklärung entstanden. Dabei lassen sich zwei Ausstellungsvarianten und Trägergruppen unterscheiden, welche aber gemeinsame aufklärerische Motive wie auch ein merkantilistisches Wirtschaftsverständnis verband: eine ältere Variante, die das Ausstellungswesen als Produkt bürgerlicher Selbstorganisation und -hilfe zeigt und sich im Wesentlichen auf die größeren Städte konzentriert und eine jüngere Variante, die der halbstaatlichbürokratischen Gewerbeförderung entsprang und den Flächenstaaten vorbehalten war.158) Diese war nominell neben dem Staat auch von privaten Vereinen getragen, deren Mitglieder aber stark aus den Reihen der Verwaltung und der staatlichen Bürokratie rekrutiert waren.159) Beide Ausstellungsvarianten einte eine gemeinsame Zielsetzung: Industrieund Gewerbeausstellungen galten sowohl den privaten Assoziationen wie auch den halbstaatlichen Stellen als ein wesentliches Element der Wirtschaftsförderung. Sie sollten der Geschmacksbildung dienen und „Kunst“ und „Industrie“ miteinander verbinden, das Konkurrenzprinzip entwickeln helfen, die künstlerischen und handwerklichen Fertigkeiten der Aussteller verbes-
158)
Vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 23–48. Vgl. Gert Kollmer-von Oheimb-Loup, Instrumente der Gewerbeförderung im 19. Jahrhundert. Regionalbeispiel Württemberg, in: Bernhard Bonz (Hrsg.), Berufsbildung und Gewerbeförderung. Zur Erinnerung an Ferdinand Steinbeis (1807–1893), Bielefeld 1994, S. 57–66; Johannes Meyser, Instrumente der Gewerbeförderung im 19. Jahrhundert – Regionalbeispiel Preußen, in: Bonz, Berufsbildung, S. 67–88. 159)
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sern, die gegenseitige Aufklärung von Konsumenten, Fabrikanten und Kaufleuten befördern und zur Etablierung eines nationalen Marktes beitragen. Die vorhandenen Forschungsarbeiten, die sich mit dem Ausstellungswesen beschäftigt haben, konzentrieren sich in der Regel auf die Expositionen, die auf Initiative der obrigkeitlichen Gewerbeförderung veranstaltet wurden. Ältere Wurzeln hat aber der städtische Strang des Ausstellungswesens: Vor allem in den größeren Handelsstädten hatten sich einflussreiche gemeinnützige und der Aufklärung verpflichtete Gesellschaften primär der regionalen Wirtschaftsförderung verschrieben.160) Beispielgebend für Deutschland war dabei die „Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe“, die im Jahr 1765 nach dem Vorbild der Londoner „Society for the Encouragements of Arts, Manufactures and Commerce“ gegründet worden war.161) Dieser wurde bereits zeitgenössisch eine besondere Hochachtung entgegengebracht, so dass die in Hamburg erdachten Konzepte aufklärerischen Wirkens Modellcharakter bekamen und Eingang in die Programme und die Praxis assoziierter oder in Kontakt stehender aufklärerischer Gesellschaften und – in fließendem Übergang dazu – polytechnischer Vereine fanden.162) In Hamburg wurde die erste Industrie- und Gewerbeausstellung in Deutschland abgehalten, diese fand nicht nur in Lübeck, sondern auch in München rasch Nachfolger.163) Misst man das Interesse von Ausstellern und Publikum an späteren Expositionen, dann war diesen ersten Initiativen allerdings kaum Erfolg beschieden. Eine der ersten Lübecker Veranstaltungen umfasste lediglich 134 Exponate, die eine Woche lang im Hinterzimmer eines örtlichen Kaffeehauses zur Schau gestellt wurden. Zudem lässt sich am Beispiel Hamburg zeigen, dass keinesfalls Industrielle und Gewerbetreibende das Ausstellungsgeschehen dominierten: Bei den zwischen 1790 und 1815 organisierten sieben Ausstellungen reagierten
160)
In der Aufklärungsforschung wird dieser Aspekt meist wenig berücksichtigt, im Vordergrund stehen vielmehr die soziokulturellen Errungenschaften dieser Vereinigungen. 161) Vgl. Franklin Kopitzsch, Die Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe (Patriotische Gesellschaft von 1765) im Zeitalter der Aufklärung, in: Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften, München 1980, S. 71–118; Hans Schimank, Die Patriotische Gesellschaft als Förderin von Naturwissenschaft und Technik 1765–1815, in: Die Patriotische Gesellschaft zu Hamburg 1765–1965. Festschrift der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe, Hamburg 1965, S. 43–75, 47–56. 162) Die Wirkungsgeschichte der hamburgischen Gesellschaft zeigt sich unter anderem am Beispiel Bayerns. Vgl. Stefan Fisch, Polytechnische Vereine im „Agriculturstaat“ Bayern bis 1850, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 49 (1986), S. 539–577, S. 540. Für den norddeutschen Raum, speziell Lübeck, Hamburg und Bremen vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 32–40, S. 50–59. 163) Vgl. Herbert Pfisterer, Der polytechnische Verein und sein Wirken im vorindustriellen Bayern (1815–1830), München 1973; Val. Fr. Ullrich, Festgabe zur Jahrhundertfeier des Polytechnischen Zentralvereins für Unterfranken und Aschaffenburg zu Würzburg, Würzburg 1906, S. 3–12, S. 10–11.
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kaum die eigentlich angesprochenen Handwerker; diese waren sowohl in ihrer Produktion als auch in ihren Kundenkreisen weitgehend zünftisch gebunden, so dass die Ausstellung eigens angefertigter Produkte viel Risiko barg und kaum unternehmerischen Gewinn versprach. So dominierten mehr und mehr die in einem freien Markt agierenden Künstler die Veranstaltung und drängten das produzierende Gewerbe in den Anfangsjahren an den Rand.164) Wo den Ausstellungen in ihren Anfängen der Erfolg beim breiten Publikum versagt blieb, da setzten sich doch einzelne wirtschaftspolitisch interessierte Intellektuelle und Beamte für dieses Medium ein und warben in ihrer publizistischen Tätigkeit dafür. Insbesondere der Publizist, Wissenschaftler und Wirtschaftsfunktionär Friedrich List war ein „Pionier des Ausstellungswesens“. Ihm galt nicht nur der forcierte Ausbau der Eisenbahnen, sondern auch die Expositionen als ein Mittel zur wirtschaftlichen Industrialisierung Deutschlands.165) Den Einzelstaaten empfahl er daher eine „Ausstellung aller sehenswürdigen neuen oder vervollkommneten Fabrikate aus allen deutschen Ländern“, die parallel zu den bereits etablierten Waren- und Mustermessen in Frankfurt und Leipzig abgehalten werden sollten.166) Zweck der Unternehmung sollte es sein, eine „Übersicht der gesamten deutschen Industrie [zu] erhalten“ und so die Regierungen über wirtschaftspolitische Maßnahmen zu orientieren.167) Für die Fabrikanten bedeutete diese Ausstellung die Möglichkeit, ihre Erfindungen und Waren einem großen Publikum bekannt zu machen. Insbesondere eröffne sich die Chance, Vorurteile gegenüber inländischen Fabrikaten zu zerstreuen, denn, so List, „nicht selten behaupten die Ausländer nur darum ihren Absatz, weil man längst gewohnt ist, ihre Waren für besser zu halten und weil die Fortschritte der inländischen Produktion nicht genug bekannt werden“.168) Mit dem österreichischen Gesandten an den sächsischen Höfen, Adam Müller von Nittendorf, hatte List einen Mitstreiter gefunden, der ebenfalls für das neue Medium warb. In einem Gutachten vom 7. März 1820 berichtete er über den Erfolg einer von ihm parallel zur Leipziger Ostermesse veranstalteten Ausstellung der „Erzeugnisse von etwa 20 bis 30 k. k. österreichischen Fabriken“. Diese habe die „Aufmerksamkeit des Publicums im Allgemeinen und der höheren tonangebenden Stände in so hohem Maße erregt, und den Enthusiasmus der teilnehmenden Fabrikherren, nach dem gnädigen Zeugnisse der k. k. Hofstelle so belebt, daß sich die größten und wesentlichsten Wirkungen erwarten lassen, wenn es gelingen sollte, die Idee der Industrieausstellungen […] auf ganz Deutschland anzuwenden.“ Wo es dem „Freund
164)
Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 32. Zur Bezeichnung vgl. Maurer, Missa profana, S. 81. 166) Zur Geschichte der beiden Institutionen vgl. Koch, Brücke; Zwahr/Topfstedt/Bentele (Hrsg.), Messen. 167) List, Grundzüge, S. 563. 168) Ebd. Vgl. auch Ludwig Häusser (Hrsg.), Friedrich List’s Gesammelte Schriften, Stuttgart/Tübingen 1850, S. 32–64. 165)
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der deutschen Industrie beim besten Willen unmöglich ist, sich über das auf den Messen Vorhandene, und über die eigentlichen Fortschritte der Käufer au fait zu setzen“, könne die Ausstellung eine „Art von Index aus den unübersehlichen Vorräthen des Marktes“ bilden und dabei insbesondere auf Fortschritte und Innovationen hinweisen. Der Markt und insbesondere die Zwischenhändler konnten nach Ansicht des österreichischen Gesandten diese Funktion nicht erfüllen, müssten sie die Interessen und damit auch die Vorurteile des Publikums bedienen und nicht etwa zerstreuen. Eine „allgemeine, unparteiische Industrie-Ausstellung“ hingegen beschleunigte nicht nur den Informationsfluss, sondern weckte „das Ehrgefühl der Kunst, welches für einen ganz anderen Hebel der Industrie, als der bis jetzt allen herrschende Geldbetrieb zu gelten hat.“169) In beiden Positionen deckten sich Ausstellungsbegeisterung und das Plädoyer für einen beschränkten, staatlich eingehegten Markt in identischer Weise. Anders als in Großbritannien, wo erst mit den Aktivitäten der Anti-Corn Law League der Ausstellungsgedanke von einer breiteren Interessengruppe getragen wurde, verbanden die Protagonisten des Ausstellungswesens im deutschen Sprachraum dieses keinesfalls mit freihändlerischen Motiven, sondern waren dezidiert von schutzzöllnerischen Überlegungen geleitet.170) Praktisch konnte der Ausstellungsgedanke erst dann in einer ausgreifenden Form realisiert werden, als auf der Wende zum 19. Jahrhundert die zum Teil an ältere Formen anknüpfende Gewerbeförderungspolitik systematische Formen annahm. Auch wenn die Tradition der „Staatsindustriepflege“ bis in die merkantilistische Wirtschaftspolitik des 18. Jahrhunderts zurückreicht, so verbanden sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts so unterschiedliche Maßnahmen wie die staatliche Finanz- und Wirtschaftsgesetzgebung, der Ausbau der Verkehrssysteme, Maschinenschenkungen zur Förderung der Mechanisierung und Absatzsteigerung bis zur Selbsthilfe- und Genossenschaftsbewegung zu einem Konzept aufgeklärter obrigkeitlicher Gewerbeförderung. Mit dieser Entwicklung war auch das Ausstellungswesen auf das Engste verknüpft, sahen die Instanzen der Gewerbeförderung dieses doch als eine Möglichkeit der populären Unterrichtung. So entwickelten sich insbesondere in Württemberg171), in Baden172), in Kurhessen173), in Sach-
169)
Zitiert nach Maurer, Missa profana, S. 83 f. Vgl. Paquet, Ausstellungsproblem, S. 149. 171) Adolph Mirus, Ueber Gewerbeförderung und Gewerbsthätigkeit im Königreich Württemberg, Leipzig 1861; Friedrich-Franz Wauschkuhn, Die Anfänge der württembergischen Textilindustrie im Rahmen der staatlichen Gewerbepolitik 1806–1848, Diss. Hamburg 1974. 172) Bonz, Berufsbildung; Badisches Landesgewerbeamt Karlsruhe. Tätigkeitsbericht und Rückblick auf 8 Jahrzehnte staatliche Gewerbeförderung in Baden, Karlsruhe 1952; Wolfram Fischer, Der Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden 1800–1850, 1. Bd.: Die staatliche Gewerbepolitik, Berlin 1962. 173) Rudolf Bovensiepen, Die Kurhessische Gewerbepolitik und die wirtschaftliche Lage des zünftigen Handwerks in Kurhessen von 1816–1867, Marburg 1909. 170)
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sen174) und – mit zeitlicher Verspätung – in Preußen175) und in Hannover176) die Industrie- und Gewerbeausstellungen zu einem prominenten Instrument obrigkeitlicher und privater Gewerbeförderung, mit denen sich zugleich der Wunsch nach kleinstaatlich-partikularistischer Selbstdarstellung verband. Diese Wertschätzung der Ausstellungen im Rahmen der Gewerbeförderung wie auch der damit einhergehende Aufschwung erklären sich dann, wenn man den Charakter der dort betriebenen Gewerbeförderung neu bewertet: Der Staat in der frühen Industrialisierung trat als Gesetzgeber im Bereich des Gewerbes, des Handels und der Zoll- und Steuerpolitik auf. Er wurde tätig im Bereich der Finanzpolitik und ergriff wirtschaftspolitische Maßnahmen, vergab Kredite, überließ ausgewählten Unternehmern leihweise oder ganz Maschinen und gewährte Stipendien für die Ausbildung oder für Forschungsreisen.177) In der Historiographie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind diese Maßnahmen der Gewerbeförderung als wirtschaftliche Hebel zur Industrialisierung zunächst bejubelt worden, bis die Euphorie einer distanzierteren Wertung wich: Zu Recht ist davor gewarnt worden, die Hebelwirkung solcher staatlicher Förderung für die Gewerbe- und Handelstätigkeit zu überschätzen. Selbst für Preußen, welches in vielerlei Hinsicht als Schrittmacher gelten kann, zeigen sich solche Neubewertungen: Nicht der Staat habe den Wirtschaftswandel bewirkt, sondern die Unternehmerinitiative sowie die zunehmende Integration Preußens in überregionale Märkte. Die einzelnen Maßnahmen der Gewerbeförderungen waren zu wenig koordiniert, um ihr Ziel einer konzent-
174)
Hubert Kiesewetter, Industrialisierung und Landwirtschaft. Sachsens Stellung im regionalen Industrialisierungsprozeß Deutschlands im 19. Jahrhundert, Köln/Wien 1988, S. 621–740. 175) Die im Vergleich zu Württemberg und Bayern zu erkennende „Verspätung“ Preußens bei der Durchführung eigener Gewerbeausstellungen wird auf die erst im Jahr 1818 erfolgte Aufhebung der preußischen Binnenzölle zurückzuführen sein. Erst damit wurde beispielsweise auch rheinischen Textilfabrikanten Absatzmöglichkeiten in den preußischen Ostprovinzen eröffnet. Vgl. Ulrich P. Ritter, Die Rolle des Staates in den Frühstadien der Industrialisierung. Die preußische Industrieförderung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1961; Ilja Mieck, Preußische Gewerbepolitik in Berlin 1806–1844. Staatshilfe und Privatinitiative zwischen Merkantilismus und Liberalismus, Berlin 1965; Peter Coym, Unternehmensfinanzierung in frühen 19. Jahrhundert – dargestellt am Beispiel der Rheinprovinz und Westfalen, Diss. Hamburg 1971; Conrad Matschoss, Preussens Gewerbeförderung und ihre grossen Männer. Dargestellt im Rahmen der Geschichte des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1821–1921, Berlin 1921. 176) Das Königreich Hannover folgt erst nach 1835. Vgl. Wolfgang Huge, Die praktische Aufklärung und das Berufswissen des städtischen Handwerks im historischen Umbruch. Zum pädagogischen Wirken des „Gewerbevereins für das Königreich Hannover“ im 19. Jahrhundert, Osnabrück 1989. 177) Vgl. Wolfram Fischer, Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Deutschland am Beginn der Industrialisierung, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Aufsätze – Studien – Vorträge, Göttingen 1972, S. 65 f.
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rierten Gewerbeförderung tatsächlich zu erreichen.178) In bestimmten Situationen agierten die staatlichen Betriebe, allen voran die Seehandlung, sogar als Konkurrenz zur privaten Initiative. Wo Innovationen zu Militärgeheimnissen erklärt wurden, blockierte dieses die technische Umsetzung und Vermarktung ebenso wie beispielsweise die schleppende staatliche Entscheidungsfindung in der Bergwerks- und Eisenbahnpolitik.179) Alles in allem, so ist zu bedenken, war auf spezifisch ökonomischem Gebiet die staatliche Politik nur in bestimmten Konstellationen erfolgreich, und dabei mehr zufällig als direkt intendiert.180) Von einer systematischen Industrialisierungspolitik kann nicht gesprochen werden: Es fehlte das ökonomische und wirtschaftspolitische Instrumentarium für eine Arbeitsmarkt- und Modernisierungspolitik, um Gewerbeförderung und Wirtschaftswachstum in Einklang zu bringen.181) Allenfalls hat der Staat stimulierend gewirkt, in dem er sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus seinen unmittelbar wirtschaftsregulierenden Funktionen zurückzog. Zugleich hat er mit Maßnahmen wie dem Aufbau eines (poly)technischen Schulwesens Bedingungen hergestellt, „die in anderen westlichen Staaten schon lange vor der Industrialisierung bestanden hatten.“182) Auch wenn dieser Bewertung (nicht nur) der preußischen staatlichen Gewerbepolitik zuzustimmen ist,183) bleibt doch eine Neugewichtung vorzunehmen: Allzu sehr ist diese Sichtweise einem rein ökonomischen Zugang verpflichtet, der die der Gewerbeförderung eigenen Popularisierungsbemühungen zu Gunsten einer Analyse des Einflusses staatlicher Interventionen und Investitionen auf den Industrialisierungsprozess vernachlässigt.184) Nimmt man die Industrialisierung stattdessen als eine Prozessgeschichte kulturellen Wandels wahr, dann gilt es, auch diesen Aspekt zu integrieren und
178)
Vgl. dazu die Skizze der Forschung zu dieser Frage und weiterführende Überlegungen von Eric Dorn Brose, The Politics of Technological Change in Prussia. Out of the Shadow of Antiquity, Princeton 1994, S. 241–243. 179) Vgl. am Beispiel Westfalens Clemens Wischermann, Preußischer Staat und westfälische Unternehmer, Köln 1992. 180) Vgl. die umsichtige Diskussion der Wirkung staatlicher Gewerbepolitik bei Hubert Kiesewetter, Staat und regionale Industrialisierung. Württemberg und Sachsen im 19. Jahrhundert, in: ders./Rainer Fremdling (Hrsg.), Staat, Region und Industrialisierung, Ostfildern 1985, S. 108–132, vgl. auch Hubert Kiesewetter, Industrielle Revolution in Deutschland 1815–1914, Frankfurt a. M. 1989, S. 18. Klassisch die Darstellung von Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart ³1981, S. 587–620. 181) Kiesewetter, Industrialisierung, S. 681. 182) Knut Borchardt, Die industrielle Revolution in Deutschland 1750–1914, in: ders./ Carlo M. Cipolla (Hrsg.), Europäische Wirtschaftsgeschichte Bd. 4, Stuttgart 1977, S. 154. 183) Vgl. zu Sachsen Kiesewetter, Industrialisierung, S. 740. 184) Vgl. Hahn, Revolution, S. 76–88; Toni Pierenkemper, Umstrittene Revolutionen. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1998, S. 123–126. Für Württemberg vgl. Cleve, Fortschritt, S. 150.
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damit zu zeigen, dass die „Industrielle Revolution in Deutschland tief verwoben [war] mit den Aktivitäten des Staates.“185) Dabei war insbesondere die preußische Gewerbeförderungspolitik von der „ganz eigenständigen Verbindung merkantilistischer und liberaler Methoden und dem gemeinsamen ethischen Ziel der Erziehung der Gewerbetreibenden zu selbständiger Tätigkeit“ getragen, wie sie die einzelnen Maßnahmen nach Ansicht der Initiatoren prägen sollte.186) Fragen der gewerblichen Erziehung und des Erziehungswesens waren insbesondere für den preußischen Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes sowie seine regionalen und lokalen Ableger, aber auch für vergleichbare Assoziationen in anderen Territorien „konstitutiv-existentiell“.187) Hinsichtlich der kommunikativ-popularisierenden Wirkung ist die Bedeutung der Gewerbeförderung, ihrer Träger und ihres Wirkens bislang eher unter- als überbewertet worden. Durch ihre „ideelle Förderung“ von Gewerbetätigkeit und Unternehmertum popularisierten sie eine veränderte Haltung gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Prozessen der Industrialisierung und forcierten die gesellschaftliche Akzeptanz.188) Die kommunikativen Effekte sind auch in der älteren Forschung benannt, wenn auch nur am Rande und eingeschränkt auf die technische Seite: Der Erfolg preußischer Gewerbeförderung, so resümiert beispielsweise Ulrich Ritter, sei vor allem „im Aufbau eines technischen Informationswesens“ zu sehen.189) Der „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes“ hatte mit den von ihm herausgegebenen gleichnamigen „Verhandlungen“190) ein Organ geschaffen, um technische Neuerungen und Kenntnisse über den Kreis persönlicher Kontakte hinaus bekannt zu machen. Blickt man auf das Verbreitungsgebiet der Zeitschrift, auf Preußen, so stand der Verein damit am Anfang des regionalen (poly)technischen, (volks)wirtschaftlichen und industriellen Zeitschriftenwesens.191)
185)
Kiesewetter, Revolution, S. 19. Mieck, Gewerbepolitik, S. 236; grundlegend Reinhart Koselleck, Staat und Gesellschaft in Preußen, in: Werner Conze (Hrsg.), Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815–1845, Stuttgart 1962, S. 79–113, S. 99–105. 187) Helmut Alfred Fliegner, Gewerbevereine in den preußischen Rheinlanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Beziehungen zum Zentralgewerbeverein in Berlin, zu den Staatsorganen und den wirtschaftlichen, politischen und gewerberechtlichen Tagesfragen in den Frühphasen der Industrialisierung, Bonn 1972, S. 177; für Hannover vgl. beispielsweise Wolfgang Huge, Gewerbeförderung und Handwerkerfortbildung im Königreich Hannover. Zum pädagogischen Wirken des „Gewebe-Vereins für das Königreich Hannover“ (1828–1866), in: Technikgeschichte 57 (1990) Nr. 3, S. 211–234. 188) Brose, Politics. 189) Vgl. Ulrich Peter Ritter, Preußische Gewerbeförderung in frühindustrieller Zeit, in: Moderne Preußische Geschichte, Berlin 1981, S. 1059. 190) Unter diesem Titel erschien die Zeitschrift von 1822 bis 1920. Die Jahrgänge 100–109 (1921–1930) führten dann den Titel „Gewerbfleiß“. 191) Vgl. zeitgenössisch Karl Karmarsch, Kritische Übersicht der deutschen technologischen Journalistik, in: Dinglers Polytechnisches Journal, 73 (1839), S. 208–234, 76 (1840), 186)
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Aber die „Verhandlungen“ beschränkten sich ebensowenig wie vergleichbare Zeitschriften darauf, technisches Wissen zu verbreiten, sondern popularisierten in ihrer Berichterstattung Interpretationen und Deutungen des Industrialisierungs- und Technisierungsprozesses: Neben den Skizzen der neuesten Maschinen und der Beschreibung technischer Neuerungen und Erfindungen wurden Reiseberichte einzelner Mitglieder abgedruckt, Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen besprochen, der Aufbau des gewerblichen Schulwesens im In- und Ausland analysiert und nicht zuletzt Besprechungen von internationalen Messen und Ausstellungen veröffentlicht. Mit den „Verhandlungen“ wie auch in den entstehenden regionalen und lokalen Zusammenschlüssen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes wurde auf diese Weise nicht nur „eine bis dahin nicht dagewesene Verbreitung und ein kontinuierlicher Fluß technischen Wissens ermöglicht“.192) Zugleich führte man, so ist am Beispiel der zahlreichen Beiträge des Herausgebers Christian Beuths gezeigt worden, das „Prinzip des rastlos tätigen industriösen Geistes, den Habitus des konkurrenzorientierten Privatunternehmers an Beispielen und als beispielhaft vor und suchte so die Gewerbetreibenden mental zu formen“.193) Damit trug man zur „Ökonomisierung des Lebens“ bei.194) Zu Recht ist eingewandt worden, dass der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen wie auch ähnliche Initiativen immer stark von seiner beamteten Mitgliedschaft geprägt war. So ist zweifelhaft, ob mittels dieser und ähnlicher Initiativen tatsächlich „die Gewerbleute in den kleinen Orten mit den immer steigenden Anforderungen, welche die Zeit an alle Gewerbe macht, und mit deren Fortschritten im In- und Ausland“ bekannt gemacht wurden.195) Dennoch ist der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in vielen Belangen als einer der ersten, zum Teil aber auch als zusätzlicher Knoten eines kommunikativen Netzwerkes zu werten, in dem über den engen Themenkreis von Produktionstechniken und Distributionsverfahren hinaus auch wirtschaftliche und soziale Fragen genereller Natur erörtert wurden.196)
S. 52–71, 78 (1840), S. 297–313. In der Forschung Ulrich Troitzsch, Zur Entwicklung der (poly-)technischen Zeitschriften in Deutschland zwischen 1820 und 1850, in: Karl-Heinz Manegold (Hrsg.), Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur Geschichte, München 1969, S. 331–339. 192) Vgl. Meyser, Instrumente, in: Bonz, Berufsbildung, S. 77. 193) Vgl. Klaus Wiese, Erziehung der Unternehmer – Der „Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen“ während der Frühindustrialisierung, in: Bonz, Berufsbildung, S. 214 f. 194) Wolfgang Hardtwig, Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum, München 41998, S. 97. 195) Vgl. die Absichtserklärung von Karl Karmarsch, Vorbemerkungen, in: Mittheilungen des Gewerbevereins für das Königreich Hannover 1 (1834), S. 1. 196) Die einzelnen Schritte zur Ausbildung dieses Netzwerkes lassen sich auf regionaler Ebene nachvollziehen. Vgl. exemplarisch StA MS, Oberpräsidium Münster, Nr. 6782. Zur Verbreitung sowie zur Sozial- und Berufsstruktur des preußischen „Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen“ vgl. Fliegner, Gewerbevereine.
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Der Hinweis darauf, nur ein kleiner Kreis der tatsächlich intendierten Adressaten sei erreicht worden, verfehlt sein Ziel dann, wenn man neben der Vereinstätigkeit im engeren Sinne die Bemühungen zur Schaffung einer Öffentlichkeit hinzuzieht: Nicht nur die Herausgabe von Zeitschriften, die Veranstaltung von Vortragsreihen, sondern auch die frühindustriellen Industrie- und Gewerbeausstellungen sind in diesem Kontext zu verorten. Das Ausstellungswesen nahm in den Flächenstaaten bei entsprechender obrigkeitlicher Förderung bereits in der Frühindustrialisierung einen konzentrierten Aufschwung. Im Gegensatz zu den Ausstellungen aus stadtbürgerlichen Traditionen mit ihrer begrenzten Wirkung, wie sie in Hamburg ihren Anfang nahmen, führte die obrigkeitliche Protektion häufig zu größerer Breitenwirkung.197) Die Effekte, die sich die Veranstalter von den Ausstellungsprojekten versprachen, listete ein Schreiben der württembergischen Zentralstelle des Handels- und Gewerbevereins vom 25. Mai 1824 auf, um damit bei der Regierung mindestens für periodisch abzuhaltende, wenn nicht gar für eine permanente Industrieausstellung zu werben: Andere Regierungen bedienten sich dieses Mittels nicht nur, so argumentierten die Ausstellungsbefürworter, um „den Standpunkt der vaterländischen Industrie kennen zu lernen, sondern sie suchen zugleich auch durch dieselben auf den Geschmack der Künstler und des Publikums einzuwirken, durch öffentliche Vortheile, Lob oder Tadel, auf die Vervollkommnung der Industrieprodukte und auf das Raffinement der Künstler zu wirken, sie zu einer größeren Vervollkommnung ihrer Kunst oder ihres Gewerbes anzuregen, und ihnen zugleich Gelegenheit zu geben, das größere Publikum mit ihren Fabrikanten bekannt zu machen.“198) Auf eigentümliche Art vermischten sich in dieser Begründung ökonomische und gewerbepädagogische Anliegen mit dem Interesse des Berufsstandes nach gesellschaftlicher Anerkennung. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland Ausstellungen abgehalten, ihre Frequenz nahm seit den zwanziger Jahren zu. Vor allem die Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Hannover richteten Landesausstellungen aus, die zum vorrangigen Ziel hatten, das Gewerbe und die Industrie des eigenen Territoriums zu repräsentieren.199) Die frühindustriellen Gewerbeschauen sollten als „Schaufenster der Wirtschaft“ fungieren und waren zugleich gewerbe- wie auch verkaufsfördernd orientiert. Die beachtenswertesten Anfänge des gewerblichen Ausstellungswesens finden sich in Deutschland dort, wo die merkantilistische Wirtschaftspolitik am weitesten entwickelt war: in Preußen. Mit der Einführung der Gewerbe-
197)
So die Einschätzung von Korn, Gewerbeausstellungen, S. 23. HstA Stuttgart, Königliches Kabinett II (E 14), Bü. 1138; zitiert nach Schwankl, Ausstellungswesen, S. 43. 199) Vgl. dazu im Anhang die Dokumentation „Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich“. 198)
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freiheit von 1810/11 und dem Zollgesetz von 1818 war in diesem Territorium ein Gewerbe- und Handelsraum geschaffen, der weiten Spielraum für die Entfaltung der Gewerbetätigkeit bot. Dabei ging die private unternehmerische Initiative Hand in Hand mit der merkantilistischen Gewerbeförderung des Staates. So mühte sich der halbstaatliche „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes“ darum, nicht nur technologisches Wissen, sondern auch ein Fortschrittsklima zu verbreiten.200) Als geeignetes Instrument dazu galten den Reformern Industrie- und Gewerbeausstellungen, in denen sich gewerbliche, kunstgewerbliche und gewerbepädagogische Bemühungen bündeln und die spezifischen Reformbemühungen verbinden ließen. Eine Kabinettsorder setzte die Ausrichtung einer ersten preußischen Industrieausstellung für das Jahr 1822 fest.201) Diese sollte dem Konsumenten einen besseren Überblick über die vorhandenen Fabrikate ermöglichen und den Produzenten die Chance eröffnen, ihren Marktbereich zu vergrößern. Zudem war es im Sinne der Veranstalter, einen Vergleich von inländischer und ausländischer ökonomischer Leistungsfähigkeit ziehen zu können.202) Zugelassen war dementsprechend jedes Fabrikat, „auch das gröbste, wenn dessen Verbauch allgemein verbreitet und es im Verhältnis zum Preis gut gearbeitet ist.“203) Ein Erfolg war dieser Ausstellung ebenso wenig beschieden wie der ihr nachfolgenden im Jahr 1827. Beide Veranstaltungen wurden selbst von ihren Initiatoren als Misserfolge gewertet.204) Obwohl sich das Handelsministerium bereit erklärt hatte, sämtliche Transportkosten zu übernehmen, wurde die Ausstellung von 1822 lediglich von 167 Fabrikanten mit 998 Artikeln beschickt. Auch 1827 fanden sich nur 208 Fabrikanten bereit, die Ausstellung zu beschicken. Die Zahl der Besucher stieg nur geringfügig von 10 000 auf 13 600 an. Auf beiden Ausstellungen waren lediglich Textilprodukte in größerem Maße vertreten, während beispielsweise die Metallindustrie sich kaum engagierte.205) „Eine Menge schiefer Ansichten“ machte der Vorsitzende des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes, Christian Beuth, bei den Gewerbetreibenden 200) Vgl. Francesca Schinzinger, Gewerbeförderung in Preußen. Erziehung zum dynamischen Unternehmer?, in: Günther Schulz (Hrsg.), Von der Landwirtschaft zur Industrie. Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 1996, S. 19–41. 201) GstA PK, Rep. 120 A II 1,2; Vol. 1. Vgl. Mieck, Gewerbepolitik, S. 141. 202) Vgl. GStA PK, I HA Rep 77, Tit. 1053, Beiakte III, unpag. 203) GstA, Rep 77, Tit. 88, Nr. 17. 204) Vgl. Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Verteilung der Preise für die öffentliche Nationalausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1822. Von dem Vorsitzenden derselben, Geheimen Ober-Finanzrath Beuth, am 27. Oktober 1822 erstattet, Berlin 1823, S. 3; Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. November 1827 und Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Verteilung der Preise für die öffentliche Nationalausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1827. Von dem Geheimen Ober-Finanzrath Beuth am 30. Oktober 1827 erstattet, in: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 6 (1827), S. 664–285, S. 266. 205) Ritter, Industrialisierung, S. 53.
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aus und führte den ausgebliebenen Erfolg der Ausstellung darauf zurück: Fabrikanten, die bislang nur Kunstausstellungen kannten, mussten nach Ansicht Beuths zunächst von der Ausstellungswürdigkeit ihrer Exponate überzeugt werden. Viele potentielle Aussteller wurden zudem durch die Bestimmung abgehalten, dass die Erzeugerpreise zu veröffentlichen seien. Den Juroren galt diese Information als wichtige Grundlage einer gerechten Beurteilung; die Fabrikanten hingegen fürchteten um den Verlust von Abnehmern, sobald diesen die erzielten Gewinnspannen zur Kenntnis kämen.206) Bis in die 1830er Jahre hinein, so lässt sich aus zeitgenössischen Ausstellungsberichten rekonstruieren, stießen vergleichbare Ausstellungsprojekte in anderen deutschen Kleinstaaten auf ähnliche Probleme und Vorbehalte. Eine 1818 von der Regierung in Kurhessen geplante Reihe von Landesausstellungen wurde rasch ausgesetzt und erst in den dreißiger Jahren wieder aufgenommen.207) So zeigten mit identischen Begründungen, wie sie auch in Preußen verlautet waren, die Gewerbetreibenden auch in Bayern, Baden und Württemberg nur wenig Interesse gegenüber den zahlreichen Ausstellungen.208) Dies lief der Intention ihrer Veranstalter absolut entgegen. Beispielsweise zielte der Karlsruher Kunst- und Industrieverein dezidiert darauf, die Marktposition der einheimischen Hersteller gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu verbessern. Über das Medium der Ausstellung suchte man „dem vaterländischen Verdienst Gerechtigkeit zu verschaffen und manch schönes Talent anzuregen und zu ermuntern.“209) Trotz der „so entschieden patriotischen Gesinnung“ gingen aber zum Bedauern der Veranstalter „gerade die Erzeugnisse des heimischen Industriefleißes im Verhältnis zu eigentlichen Kunstwerken in geringerer Zahl ein[…] als erwartet werden konnte.“ Bis 1837 setzte der Verein die Ausstellungen fort, ohne unter den Gewerbetreibenden größere Resonanz zu erzielen: Ähnlich wie in Hamburg oder in München bedienten sich vor allem die auf dem freien Markt agierenden Künstler dieser Institution, um für ihre Produkte zu werben. Die Gewerbetreibenden hingegen übten sich ebenso wie die frühen Industriellen in Zurückhaltung. In Karlsruhe tröstete man sich mit dem Verweis auf die bayerischen Nachbarn: In beiden Ländern, so schloß man, sei die Industrie „ein schwer zu bearbeitender, aber auf die Dauer wohl lohnender Boden.“210) Die moderne Forschung hat
206)
Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. November 1827 und Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Verteilung der Preise für die öffentliche Nationalausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1827. Von dem Geheimen Ober-Finanzrath Beuth am 30. Oktober 1827 erstattet, in: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 6 (1827), S. 664–285, S. 266. 207) Vgl. Gessner, Industrialisierung, S. 132. 208) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 55. 209) Dieses Zitat und das folgende nach Fischer, Staat, S. 185. 210) Zitiert nach Walter Gerrads, Karlsruhe: Wirtschaftszentrum am Oberrhein. In 140 Jahren von der Handelsstube zur Industrie- und Handelskammer Karlsruhe, hrsg. von der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe, Karlsruhe 1953, S. 29.
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dieses zeitgenössische Urteil bestätigt: Zwar überwog von Beginn an die Zahl der Gewerbetreibenden die der Kunstschaffenden, aber „diese Art die Produkte zu präsentieren, war doch zu neu, zu wenig akzeptiert oder möglicherweise auch nur zu spät bzw. zu wenig bekannt gemacht worden, um die gewünschten Kreise anzusprechen und zu einer Teilnahme zu veranlassen.“211) Aber nicht nur den potenziellen Ausstellern war das Medium noch fremd, sondern auch die Veranstalter hatten sich mit den neuen Präsentationsformen vertraut zu machen. Auf ihrer Seite experimentierte man noch mit verschiedenen Ausstellungsformen und changierte zwischen den Typen Verkaufs-, Werbe- und Gewerbeförderungsveranstaltung. Konkurrierende Ausstellungskonzeptionen existierten beispielsweise in Bayern, wo man zwischen Verkaufsexpositionen, wie sie in München veranstaltet wurden, und dem Modell der gewerbefördernden Ausstellungen schwankte. Den Münchener Verkaufsund Werbeveranstaltungen versagten sich insbesondere die nordbayerischen Gewerbetreibenden, so dass diese das Niveau von Regionalexpositionen kaum übersteigen konnten.212) Dabei dominierten Luxusobjekte und Kunstwerke die frühen bayerischen Landesausstellungen, zielten doch sowohl die Veranstalter als auch die Aussteller auf den Verkauf. Erst allmählich entwickelte sich eine Ausstellungsform, die sich an die Prinzipien der Gewerbeförderung anlehnte und sich von den anfänglich betriebenen Kunst- und Verkaufsausstellungen absetzte. Diese Entwicklung zeigt sich beispielsweise bei der Ausstellungstätigkeit des Münchener Polytechnischen Vereins, der Elemente dieses Ausstellungstypus übernahm: Mit Preisverleihung, Auszeichnungskriterien, Berichterstattung und dem Versuch, mittels der Präsentationen einen Überblick über den Entwicklungsstand der heimischen Wirtschaft zu bekommen, näherte man sich den Prinzipien der Gewerbeförderung.213) Charakteristisch für das deutsche Ausstellungswesen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts war seine Kleinräumigkeit, die erst in den vierziger Jahren überwunden werden konnte: Dem Reglement der Veranstaltungen nach waren diese innerstaatlichen Ausstellungen zum Teil auch für Gewerbetreibende anderer Staaten geöffnet, de facto aber waren sie auf inländische Fabrikanten und Handwerker zugeschnitten und wurden in der Regel von diesen beschickt.214) Die anhaltende Immobilität und territoriale Geschlossenheit ist aus zwei Richtungen zu erklären. Es liegt auf der Hand, dass diese Beobachtung zunächst als eine Folge der territorialen und staatlichen Zersplitterung
211)
Schwankl, Ausstellungswesen, S. 31. Ab 1824 – so konstatiert Schwankl – habe es in Württemberg ein deutliches Verlangen „von unten“ gegeben, eine Industrie- und Gewerbeausstellung zu veranstalten. 212) Vgl. Pfisterer, Verein, S. 90. 213) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 59. 214) Vgl. Andreas Pasing, Gewerbeausstellungen, Messen und Märkte, in: Michael Haverkamp/Hans-Jürgen Teuteberg (Hrsg.), Unterm Strich. Von der Winkelkrämerei zum E-Commerce, Ausstellungskatalog Bramsche 2000, S. 145–155.
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Deutschlands zu werten ist: Bürokratische und politische Hindernisse behinderten einen problemlosen Warenverkehr ebenso wie den uneingeschränkten Austausch neuer Produkte und Technologien zwischen benachbarten Staaten auf Messen und Ausstellungen. Darüber hinaus zeigt sich in den Reserven, die die Gewerbetreibenden gegen diese Veranstaltungsform vorbrachten, dass auch von ihrer Seite kaum Interesse an einer regional übergreifenden Veranstaltung existierte: Für die einzelne Unternehmung versprach der überregionale Vergleich insbesondere den etablierten Produzenten, die ihren lokalen und regionalen Absatzmarkt gut erschlossen hatten, zunächst nur Nachteile, mussten sie doch einen ihnen abträglichen verschärften Konkurrenzkampf fürchten.215) Auf wirtschaftspolitischer Ebene bedeutete die Gründung des Zollvereins 1834 einen ersten Schritt zur Einigung, ohne direkt auf das Ausstellungswesen durchzuschlagen. Der Versuch Friedrich Lists aus dem Jahr 1819, eine Nationalausstellung zu organisieren, blieb auch unter den neuen institutionellen Rahmenbedingungen weiterhin folgenlos.216) Auch der von List 1832 vorgebrachte Vorschlag, parallel zur Leipziger Ostermesse eine jährliche Industrieausstellung zu veranstalten, setzte sich nicht durch. Der insgesamt spärliche Erfolg dieser Bemühungen zeigte, dass sich die partikulare Entwicklung im deutschen Ausstellungswesen durchgesetzt hatte. Insbesondere die preußische Bürokratie wie auch der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes, die nach den enttäuschenden Erfahrungen selbst der Landesausstellungen von 1822 und 1827 sogar auf diese Form zugunsten von lokalen Expositionen verzichtet hatten, standen der Idee einer Nationalausstellung noch in den dreißiger Jahren ausgesprochen kritisch gegenüber.217) 1839 war es wieder Friedrich List, der anonym in einem Artikel über „Die diesjährige National-Gewerbeausstellung in Paris mit Bezug auf Deutschland“ den Gedanken einer Nationalausstellung voranbringen wollte. Er nahm die Diskussion um die Vor- und Nachteile der Expositionen im nationalen Rahmen auf, wie sie in der französischen Presse geführt wurde, und empfahl sie insbesondere den deutschen Territorien als ein „schönes, ein großartiges, ein höchst bedeutendes und gemeinnütziges, ein die Industrie ehrendes und veredelndes Institut, das auch von Deutschland nachgeahmt zu werden verdient.“218) Bisherige Gewerbeausstellungen blieben deshalb „beschränkt und ohne bedeutende Wirkung“, da sie sich an den früheren „Separat-Zollsystemen“ orientierten. Gerade die Einzelstaaten in Deutschland würden durch den direkten Vergleich „zu wohltätigem Wetteifer“ angespornt. Anstelle einer eigenständigen Organisation empfahl List, die Ausstellungen an die jährlichen
215)
Vgl. Mieck, Gewerbepolitik, S. 147. List, Grundzüge. 217) Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 61–62. 218) Friedrich List, Die diesjährige National-Gewerbeausstellung in Paris, mit Bezug auf Deutschland, in: ders., Schriften, Bd. V, Berlin 1928, S. 122–157, S. 124. 216)
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Versammlungen der Land- und Forstwirte anzugliedern: „An dem Ort dieser Versammlungen stelle man zur allgemeinen Ansicht und Prüfung auf, was die einzelnen Staaten an Produkten und Werkzeugen Neues, Verbessertes und Ausgezeichnetes hervorgebracht haben; man stelle den einheimischen die wichtigsten und neuesten Maschinen, Werkzeuge und Produkte des Auslandes zur Seite; man erteile Medaillen und andere Ehrenauszeichnungen; man stelle Preisfragen und Preisaufgaben, und entscheide darüber; man erstatte öffentliche Berichte über das bisher Geleistete und über das künftig zu Wünschende.“219) Obwohl sich List später zu einem der Väter der ersten Nationalausstellung in Berlin im Jahre 1844 stilisierte, hatte auch diese Initiative zunächst keine praktischen Auswirkungen.220) Für den Handel und die auf die Region bezogenen Produzenten waren zunächst nicht nationale Projekte von Bedeutung, sondern vor allem die lokalen und regionalen Ausstellungen und Gewerbehallen; in dieser Haltung spiegelte sich unmittelbar die Marktintegration der Gewerbetreibenden: Im Vergleich zu den Weltausstellungen boten die lokalen Ausstellungen nicht nur preiswertere Darstellungsmöglichkeiten als die global ausgerichteten Expositionen; hier war auch eher ein Kontakt zu potenziellen Kunden und Geschäftspartnern möglich. Nach enttäuschenden Anfängen, wie zum Beispiel in Preußen, gewannen die Gewerbeausstellungen oftmals eine eigene Dynamik: Es war nicht ursächlich der obrigkeitliche oder der von den Instanzen der Gewerbeförderung geförderte Wunsch, die Industrie und die Gewerbetätigkeit eines ganzen Landes repräsentiert zu sehen, welcher die Gewerbetreibenden dazu motivierte, die Mühen und die Kosten eines Ausstellungsbeitrages auch außerhalb ihres eigentlichen Geschäftsbereiches auf sich zu nehmen. Wenn aber der lokale, regionale oder in der gleichen Sparte tätige Mitbewerber und Konkurrent ausstellte, glaubte man sich um einen möglichen Vorteil gebracht, wenn man der Ausstellung fernblieb. Eine Vorreiterrolle nahmen dabei in Preußen die Gewerbetreibenden Berlins ein: Die ohnehin gelockerten genossenschaftlichen Bindungen wie auch das Vorbild der Großunternehmer animierten auch eine wachsende Zahl kleiner und mittlerer Unternehmer, die Ausstellungen zu beschicken. Auf diese Weise stiegen die Zahlen der Aussteller und ihrer Exponate in den jeweiligen regionalen Kontexten rasch an.221) Bis zum Anfang der dreißiger Jahre, so folgert Beckmann aus seinem Vergleich mit ähnlichen Projekten im westeuropäischen Ausland, etablierte sich das Ausstellungswesen in den deutschen Staaten praktisch nur in sehr bescheidenem Ausmaß.222) Der Drang der Gewerbe nach Präsentation im Sinne der belehrenden und ermunternden Schaustellung war zu diesem Zeitpunkt zwar
219)
Ebd., S. 125. Friedrich List, Die Gewerbsausstellung in Berlin und das Festmahl bei Kroll, in: Das Zollvereinsblatt 2 (1844), S. 822–828, 854–65, 885–90, hier S. 866. 221) Vgl. Mieck, Gewerbepolitik, S. 141–149. 222) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 189. 220)
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regional unterschiedlich, insgesamt aber nur schwach entwickelt. Es überwog das Moment der staatlichen Gewerbeförderung bzw. der gelehrt pädagogische Charakter der Schaustellung. Erlahmte in dieser Phase das staatliche Interesse am Ausstellungswesen, so erlebte dieses seinen Niedergang, bevor es sich überhaupt entfaltet hatte.223) Insbesondere die wenigen Landesausstellungen, die vor 1830 durchgeführt wurden, „wirken nahezu wie Fremdkörper in einem Wirtschaftsleben, das für solche Veranstaltungen noch nicht bereit war.“224) Wenn auch mit dem Engagement der Aufklärungsgesellschaften und der bürokratischen Gewerbeförderung der Ausstellungsgedanke bereits in Deutschland Fuß gefasst hatte, so blieb die Praxis der Expositionen weit hinter den in sie gesetzten Erwartungen zurück. Zeitgenössisch kommentierte diesen Zustand der Berliner Fabrikant Stobwasser, der die 1827 in Paris abgehaltene Industrie- und Gewerbeausstellung mit den in der Hauptstadt Preußens veranstalteten Expositionen verglich. Die Berliner Veranstaltungen beschrieb er als vergleichsweise „kümmerlich“ und erklärte diesen Unterschied mit Verweis auf die grundsätzlich offenere Einstellung der französischen Unternehmer zu diesem neuen Medium: „Unsere Ausstellungen sehen noch zu sehr, wenn ich mich so ausdrücken darf, befohlen aus, während es in Paris den Anschein hat, als habe sie das gewerbetreibende Publikum selbst angeordnet.“225) Diese Beobachtung ist umso bemerkenswerter, da de facto die französische Veranstaltung von Staats wegen organisiert war, nicht aber die deutsche. Die Berliner Exposition wurde formal vom privaten Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes ausgerichtet, der allerdings in seiner Arbeit stark von Mitgliedern der Verwaltungs- und Staatsbehörden geprägt wurde.226) Die Expositionen der Gewerbeförderung zielten hinsichtlich des Besucherkreises ihrem Programm nach auf die gesamte Bevölkerung, suchte man doch insgesamt zu deren „Geschmacksbildung“ beizutragen und Konsumbedürfnisse zu wecken. Möglichst vielen sollten das Phänomen der neuen Wirtschaftsform wie auch Detailinformationen zur Industrialisierung nahegebracht werden.227) Angesprochen sah sich aber bis in die zwanziger Jahre vor allem das Fachpublikum im engeren Sinne. Den Mitbewerbern und Fachleuten ermöglichten die Ausstellungen die Anschauung neuer ausländischer Formen
223)
Vgl. zum Beispiel die Entwicklung in Kurhessen: Nachdem von Seiten des Staates seit 1817 jährlich eine Ausstellung angeordnet wurde, fielen diese Veranstaltungen mangels Engagement des Gewerbes jedoch bald aus. 1837 wurde eine weitere Ausstellung anberaumt, der in dreijährigem Rhythmus weitere folgen sollten. Aber auch diese Pläne wurden nur rudimentär verwirklicht. Vgl. Bovensiepen, Kurhessische Gewerbepolitik. 224) Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 53. 225) Zeitblatt für Gewerbetreibende, hrsg. von Heinrich Weber und nach dessen Tode (1831) fortgesetzt von C.F.A. Hartmann, 7 Bde., Berlin 1828–1834. 226) GSta PK, Rep 120, E XVI 1, Nr. 1, S. 78–80. 227) Vgl. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 2 (1823), S. 29–52.
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und Muster, Produkte und Produktionsmethoden ebenso wie den Austausch mit inländischen Geschäftspartnern und Konkurrenten.228) Erst seit Mitte der zwanziger Jahre interessierte sich ein breiteres Publikum für die Expositionen.229) Wenn auch lokale und regionale Ausstellungen meist nur Besucher aus ihrem unmittelbaren Einzugsgebiet ansprachen, so erzielten einzelne Ausstellungen ein vergleichsweise großes Besucherinteresse: Die Württembergische Centralstelle für Gewerbe und Handel konnte 1824 über 45 000 Besucher für die Exponate des Wirtschaftraums interessieren, im Jahr 1842 zählte eine Folgeveranstaltung bereits 114 000 Besucher. Die Berliner Ausstellung von 1822 erreichte 9 500 Besucher, ihre Folgeveranstaltung im Jahr 1827 konnte mit 13 611 Besuchern einen Anstieg um ein Drittel verbuchen. Voraussetzung für eine solche Aufwärtsentwicklung war und blieb allerdings die staatliche Protektion und Unterstützung.230) Trotz des steigenden Interesses von Ausstellern und Besucher sind keine rein privaten Initiativen als Veranstalter aufgetreten, da die Ausstellungen in der Regel enorme finanzielle Vorleistungen erforderten und zu einem großen Teil keine nennenswerten Erträge erbrachten. Deshalb war das finanzielle Risiko für einen privaten Ausstellungsunternehmer zu groß. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden mit der Organisation und Durchführung bestimmter Ausstellungen Gewinne erzielt, so dass diese auch privat und kommerziell betrieben wurden.231) „Besonders hervorragende Ausstellungen“, so urteilte der deutsche Kommissar für die Weltausstellungen in Philadelphia, Franz Releaux, im Rückblick aus dem Jahre 1900, „kamen bis in die vierziger Jahre nicht vor“.232) Den Effekt der staatlich-bürokratischen Gewerbeförderung für das Ausstellungswesen in Deutschland beurteilte er zurückhaltend: „Es war beliebt geworden und hatte allmählich das Verständnis für die Industrie geweckt.“233) Insbesondere der Vergleich zur Habsburgermonarchie zeigt, dass die zurückhaltende Bewertung durchaus berechtigt war: In Deutschland war der Ausstellungsge-
228)
Rudolf Muhs, Englische Einflüsse auf die Frühphase der Industrialisierung in Deutschland, in: Adolf M. Birke/Lothar Kettenacker (Hrsg.), Wettlauf in die Moderne. England und Deutschland seit der industriellen Revolution, München/London/New York/ Paris 1988, S. 31–50. 229) Zu den Nachweisen siehe die Dokumentation im Anhang. 230) Vgl. dazu am Beispiel Hessen Gessner, Industrialisierung, S. 135–140. 231) Vgl. die Ausführungen über den Missbrauch des Ausstellungswesens zum Zweck der Bereicherung bei Otto Freiherr von Boenigk, Die Unlauterkeit im Ausstellungswesen, Halberstadt [1893]; Siegmund Chieger, Ausstellungsmißbräuche, deren Ursachen, Folgen und Verhinderungsmaßnahmen, München 1894. 232) Franz Reuleaux, Die Anfänge des Ausstellungswesen, in: Hans Kraemer, Welt der Technik im XIX. Jahrhundert in Wort und Bild. Erstmalige, einbändige Faksimilieausgabe aus dem dreibändigen Sammelwerk, Düsseldorf 1984, S. 447–462, S. 453. 233) Ebd. Vgl. dazu auch Abschnitt B I dieser Studie.
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danke zwar verbreitet, hatte aber in der Ausstellungspraxis noch keine Entsprechung gefunden.234) 3. Bürgerliche Selbstorganisation und neu entstehende Öffentlichkeit: Ökonomische Sozietäten, polytechnische Vereine und Gewerbevereine als Träger des Ausstellungswesens Der Vergleich mit den westeuropäischen Nachbarstaaten zeigt, dass der Ausstellungsgedanke in Deutschland verbreitet und von verschiedenen Seiten auch der Nutzen dieses Mediums anerkannt war. Allerdings fehlte es an Akzeptanz von Seiten der Gewerbetreibenden wie vom Publikum, welche die Basis für eine ausgeprägtere Ausstellungspraxis geboten hätte.235) Dies änderte sich erst seit Mitte der 1830er Jahre. Neben zahlreichen lokalen und regionalen Expositionen waren es vor allem die Landesveranstaltungen in München (1835), Hannover (1835, 1837, 1840), Düsseldorf (1837), Dresden (1838, 1840) und Aachen (1838), die eine vergleichsweise große Resonanz erzielten und für eine erste Ausstellungswelle in Deutschland stehen.236) Dieses Hoch in der Ausstellungsgeschichte erklärt sich mit einer zweiten parallelen Entwicklung: Mitte der dreißiger Jahre wurde eine Vielzahl lokaler und regionaler Gewerbevereine gegründet, welche von ihrer Seite aus Expositionen organisierten und die Trägerschaft der Ausstellungen auf eine breitere soziale Basis stellten.237) Neben den staatlichen Instanzen der Gewerbeförderung und den von der Obrigkeit initiierten zentralen Gewerbevereine traten mit ihnen regionale und lokale Assoziationen von Handwerkern, Gewerbetreibenden und Kaufleuten auf, die ihr zentrales Anliegen, die „Förderung der Gewerbethätigkeit“, unter anderem durch die Veranstaltung von Industrie- und Gewerbeausstellungen zu befördern trachteten.238) Auch wenn die
234)
Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 77–79. Ebd., S. 52. 236) Vgl. dazu Paquet, Ausstellungsproblem, S. 330 f. 237) Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte und der Tätigkeit der GewerbeVereine gibt es nicht. Vgl. Gessner, Industrialisierung; Claus Priesner, Förderung technischer Bildung außerhalb der Schulen. Polytechnische Vereine und technische Bildung, in: Laetitia Boehm/Charlotte Schönbeck (Hrsg.), Technik und Bildung, Düsseldorf 1989, S. 235–259; Frank Möller, Die bayerischen Gewerbevereine von 1848, in: Wilfried Reininghaus/Ralf Stremmel (Hrsg.), Handwerk, Bürgertum und Staat, Dortmund 1997, S. 47–61; Stefan Fisch, „Lichtpunkt in unserer industriellen Dämmerung“ – Entstehung und Bedeutung des (poly)technischen Vereinswesens in Bayern bis 1850, in: Aufbruch ins Industriezeitalter. Aufsätze zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayern von 1750–1850, Bd. 2. Aufsätze zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns, hrsg. von Rainer A. Müller unter Mitarbeit von Michael Henker, München 1985, S. 492–498. Zeitgenössisch Karl Karmarsch, Die deutschen Gewerbevereine, in: Deutsche Vierteljahrsschrift (1840), Heft IV, Nr. XII, S. 285–326. 238) Vgl. dazu die entsprechenden Bestimmungen in den Statuten der Gewerbevereine im Quellenanhang von Fliegner, Gewerbevereine, S. I–XXXXXXIIII (sic!). 235)
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Ausstellungsbewegung weiterhin nicht nur auf staatliche Duldung, sondern auch auf behördliche Unterstützung angewiesen war, erweiterte sich auf diese Weise ihr Wirkungskreis.239) Auf diese Weise wurde in den Flächenstaaten eine Entwicklung nachvollzogen, die die hanseatischen Stadtstaaten bereits zu Anfang der dreißiger Jahre gemacht hatten: Aus bescheidenen Anfängen verselbständige sich das Medium institutionell und die Ausstellungen wurden von Industrie- und Kunstgewerbevereinen getragen.240) Da der Wechsel in der Trägerschaft der Ausstellungen von der staatlichen Gewerbeförderung zu den wirtschaftsbürgerlich-handwerklichen Gewerbevereinen die den Veranstaltungen zugeschriebene Funktion und auch ihre Praxis wesentlich veränderten, wird im Folgenden die Genese der Gewerbevereinsbewegung beschrieben und in ihren Auswirkungen interpretiert. Darauf baut eine Skizze der Ausstellungspraxis dieser Zeit auf, dienten die Expositionen den Gewerbevereinen als ihren Trägern doch ebenso als Forum der ökonomischen Selbstdarstellung wie auch als gesellschaftliches Kommunikationsmittel. Beide Formen der Öffentlichkeit, sowohl die Vereine als auch die Ausstellungen, stehen für ein neues Eigengewicht ökonomischer Prozesse und Werthaltungen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Zunächst waren es wiederum staatliche und halbstaatliche Initiativen, die an das Assoziationsmodell und insbesondere an die ökonomischen Sozietäten anknüpften, wie sie der praktischen Aufklärung entsprungen waren. Vorläufer der Gewerbevereine waren ökonomische Gesellschaften, wie sie im Kontext der gelehrten Kultur der (praktischen) Aufklärung entstanden.241) Wenn diese auch in ihrem Wirken wie in ihrer sozialen Zusammensetzung stark an die ständische Hierarchie angelehnt war, so eignete ihnen doch ein systemauflösender Zug: Intern wurden die anstehenden ökonomischen und sozialen Sachfragen ohne Rücksicht auf die Position der Beteiligten in der ständischen Gesellschaft diskutiert. „Die Gesellschaften ermöglichten so, einen an der Gleichheit aller Bürger orientierten Umgang einzuüben und Streitfragen allein nach dem besseren Argument zu entscheiden.“242) Die praktizierte Anteilnahme am Gemeinwesen war stark von den Interessen der vertretenen Gruppe diktiert. Patriotische Geselligkeit bereitete damit den politischen Verein modernen Typs vor, der sich vor allem als Organ der Interessenartikulation und -durchsetzung verstand. Vergleichbar den Ackerbaugesellschaften, die sich nach der Jahrhundertwende bruchlos zu Landwirtschaftsvereinen entwickelten, konnten auch die Gewerbevereine der Städte als Organisation des mittelständischen Wirtschaftsbürgertums nahtlos an die Tätigkeit patriotischer und ökonomischer Gesellschaften anschließen.
239)
Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 52. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 19 ff., 36, 45. 241) Vgl. Rudolf Schlögl, Ökonomische Gesellschaften, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Lexikon zu Demokratie und Liberalismus 1750–1848/49, Frankfurt a. M. 1993, S. 231–236. 242) Ebd., S. 235. 240)
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Die „Gewerbvereine für ganze Länder“ wie der preußische Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes, der niederösterreichische Gewerbeverein in Wien oder die in Stuttgart beheimatete Gesellschaft für Beförderung der Gewerbe in Württemberg waren bürokratische Schöpfungen und sind auch mit Blick auf ihre Mitgliederstruktur als Instrumente der staatlichen Wirtschaftsförderung im engeren Sinne zu erkennen.243) Modellgebend für viele andere Gründungen war der in Preußen 1820 ins Leben gerufene Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes. Dieser sollte nach Maßgabe seiner Initiatoren als Dachorganisation und Modelltyp für regionale und lokale Gewerbevereine an die Stelle der handwerklichen Korporationen und Zünfte treten und die gewerberegulierenden und erzieherischen Funktionen übernehmen, die die traditionellen Vereinigungen mit der Gewerbefreiheit nicht mehr ausübten.244) In den Staaten außerhalb Preußens, in denen man sich nicht zu einer prinzipiellen Neuordnung der Gewerbestruktur entschlossen hatte, fungierten die Gewerbevereine vorrangig als Instrumente einer staatlichen Handwerkspolitik. Dies lässt sich am Beispiel Bayerns illustrieren: „Gewerbeverein“ war nach dem bayerischen Gesetz über das Gewerbswesen vom 11. September 1825 zunächst die Bezeichnung für die Nachfolgeinstitutionen der aufgelösten alten Zünfte. Unter Kontrolle der Obrigkeit sollten diese nur noch bestimmte Zwecke wie Regelung der Ausbildung, Verbreitung von Kenntnissen und Unterstützung durchwandernder Gesellen erfüllen, ohne aber, wie vordem die traditionellen Zünfte, das Handwerkerleben im Ganzen von der Wiege über die „standes“gemäße Heirat bis zur Bahre zu erfassen und zu reglementieren.245) Die Gewerbevereine sollten die offensichtliche Schwäche des zünftigen Handwerks in produktionstechnischer und sozialer Hinsicht meistern und darüber hinaus Perspektiven und praktische Zugänge zu neueren technischen Entwicklungen eröffnen.246) So lobte die bayerische Regierung im Jahr 1848 staatliche Unterstützung für die Errichtung von Gewerbevereinen aus und stimulierte damit über vierzig Neugründungen und die Belebung wie auch die Reorganisation älterer Assoziationen, in denen sich nahezu ausschließlich Handwerker organisierten.247) Ähnliches gilt für andere Territorien, in denen das Handwerk seine Vormachtstellung lange Zeit bewahrte und die Gewerbevereine als Vertretung seiner Interessen betrachtete.248) Erst allmählich änderten sich die Gewichtungen innerhalb der Institution. 243)
Karmarsch, Gewerbevereine. Vgl. Fliegner, Gewerbevereine, S. 60–67; Heinrich Waentig, Gewerbliche Mittelstandspolitik, Leipzig 1898, S. 35 ff. 245) Vgl. Fisch, Polytechnische Vereine, S. 541 ff.; ders., Lichtpunkt. 246) Gessner, Industrialisierung, S. 133. 247) Vgl. Karl Brater, Die bayerischen Gewerbevereine in den Jahren 1848–1853. Statistische Uebersicht, herausgegeben von dem Ausschuß des Vereines zu Nördlingen, Nördlingen 1854, S. 4; Tertulin Burkhard, Geschichte der bayerischen Gewerbevereine, München 1927. 248) Vgl. Gessner, Industrialisierung, S. 135. 244)
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Exemplarisch und als idealtypisch für weitere Territorien249) sei die Entwicklung im Königreich Hannover angeführt: Zum Teil neben, zum Teil auf Anstoß des auf das ganze Land bezogenen „Gewerbe-Vereins für das Königreich Hannover“ bildeten sich Mitte der 1830er Jahre lokale Vereine der Handwerker und Gewerbetreibenden.250) So wurde beispielsweise in Osnabrück am 8. Januar 1838 ein Handwerkerverein gegründet, der danach strebte, die Interessen der traditionellen Zünfte und den „neu aufkommendenen Wirtschaftsformen und gesellschaftlichen Vorstellungen“ zu vermitteln. Der Gründer Stüve versprach sich davon „ein Organ zur Berathung gewerblicher Interessen und Verbreitung gewerblicher Kenntnisse, überhaupt in industrieller Anregung.“251) Aufgegriffen wurde dieser Vorschlag zunächst allerdings vor allem von Handwerkern, deren Vorstellung nach „Kaufleute ein für allemal“ ausgeschlossen bleiben sollten.252) Diese stark zünftisch geprägte Haltung wich erst nach und nach einer stärkeren Öffnung. 1840 wurde eine „technische Sektion“ gegründet, die jedem interessierten Bürger offenstand. Der Versuch der Vereinsleitung, seinerseits die Gründung ähnlicher Vereinigungen außerhalb von Osnabrück anzuregen, scheiterte am Widerstand des hannoverschen Innenministeriums. Von dort aus wurde insbesondere der Handwerkerverein stark reglementiert. Erst am 13. September 1848 schloss sich dieser mit dem mittlerweile unabhängig gewordenen Technischen Verein zum Industrieverein zusammen, der laut § 1 seiner Satzung „die bürgerlichen Gewerbe und Geschäfte zu heben und zu fördern“ suchte und zwar „vorzugsweise durch Verbreitung naturwissenschaftlicher, technischer und ökonomischer Kenntnisse.“253) Erst mit dieser neuen Aufgabenstellung traf er auf die Resonanz breiterer Kreise und vereinte seit den 1850er Jahren in seinen Reihen Handwerker mit Fabrikanten und Kaufleuten sowie wenigen Angehörigen des Bildungsbürgertums und der staatlichen Verwaltung.254) In den preußischen Westprovinzen Rheinland und Westfalen traten in den zunächst auf die Handwerkerbildung konzentrierten Gewerbevereinen zum Ende der 1830er Jahre die Interessengegensätze zwischen Handwerk und produzierendem Gewerbe wieder stärker hervor, was die Assoziationen in ihrer Wirksamkeit insgesamt minderte. Damit ging ein zum Teil dramatischer Rück-
249)
Zeitlich versetzt die Entwicklung in Lippe. Vgl. dazu Peter Steinbach, Industrialisierung und Sozialsystem im Fürstentum Lippe. Zum Verhältnis von Gesellschaftsstruktur und Sozialverhalten einer verspätet industrialisierten Region im 19. Jahrhundert, Berlin 1976, S. 327–330. 250) Vgl. Huge, Gewerbeförderung, S. 222–227; ders., Aufklärung. 251) Brief Stüves vom 25. Januar 1839, abgedruckt in Wolfgang Vogel (Bearb.), Briefe Johann Carl Bertram Stüves, Göttingen 1959/60, S. 471. 252) Vereinsprotokoll vom 15. Januar 1838, zitiert nach Jörg Jeschke, Gewerberecht und Handwerkswirtschaft des Königreichs Hannover im Übergang 1815–1866, Göttingen 1977, S. 178. 253) Jahresbericht des Industrievereins, in: Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 3bIV, Fach 36/41. 254) Jeschke, Gewerberecht, S. 184.
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gang der Mitgliederzahlen wie auch der Regsamkeit der verbleibenden Vereinsmitglieder einher.255) Erst 1843/44 löste sich dieser Konflikt zugunsten einer Öffnung hin zu gewerblichen und gewerbepolitischen Fragen. Bis in die Satzungen hinein lässt sich verfolgen, dass die Belange der Handwerkerschaft dahinter deutlich zurücktraten. An die Stelle von Beamten und Intellektuellen rückten nun erfolgreiche Gewerbetreibende in die Funktionen der Vereinsvorsitzenden. Überraschend schnell hatte sich eine selbstbewusste und selbstgewisse Unternehmerschaft mit Drang zur Mitbestimmung und „politischen Agitation“ herausgebildet, die eine standes-, aber auch branchenspezifische Lobbypolitik betrieb und diese vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts perfektionierte. Damit trat sie in deutliche Distanz zu den staatlichen wirtschaftspolitischen Vorgaben und teilweise zu den neu geschaffenen Lenkungsbehörden wie den Gewerberäten und Handelskammern.256) Eine vergleichbare Entwicklung hatten auch die bayerischen Gewerbevereine genommen. Sie hatten versucht, ihre Interessen auf dem Handwerkerkongress in Frankfurt, durch Beitritts- und Protestadressen, durch Petitionen an Landtage und Nationalversammlung zu vertreten. Nicht zuletzt waren sie wie viele andere regionale Vereine auch im „Verein zum Schutz der deutschen Arbeit“ aktiv, der sich vehement gegen die Freihandelsbewegung und für ein Schutzzollsystem einsetzte.257) Nur noch aus dem früheren Selbstverständnis heraus konnten die Gewerbevereine als Assoziationen beschrieben werden, in denen – so die Zuschreibung des Chronisten aus dem Nördlinger – ein „Funke des ächten Gemeingeistes fortglimmte“.258) De facto hatten sich die Gewerbevereine deutlich von den ihnen zunächst artverwandten patriotischen und ökonomischen Gesellschaften emanzipiert: Die Interessenpolitik der Gewerbevereine ließ sich nicht mehr unter dem Dach einer Gesamtkonzeption für das Wohl der Gesellschaft vereinen. Sie avancierten insbesondere nach 1848 stattdessen zu „mittelstandspolitischen und gewerblichen Schutzorganisationen“ mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein und Durchsetzungswillen.259) Die Gewerbevereine, in Bayern, in Preußen wie auch anderswo, verloren ihre Staatsnähe nur zum Teil und wenn, dann auch nur sehr allmählich. Dennoch entwickelte sich in ihnen ein Potenzial, welches die Auflösung der ständisch-feudalen, der alten Ordnung beschleunigte. Bereits die polytechnischen Gesellschaften und ihre unmittelbaren Nachfolgeorganisationen definierten sich vorrangig als Kommunikationsraum außerhalb der ständischen Sphäre. Insbesondere die, so zeitgenössisch, „Geselligkeit“ prägte die Gewerbever-
255)
Hierzu und zum Folgenden Fliegner, Gewerbevereine, S. 352–358. Ebd., S. 354. 257) Zur Interessenpolitik der bayerischen Handwerkervereine vgl. Möller, Gewerbevereine, S. 62. 258) Ebd., S. 61. 259) Fliegner, Gewerbevereine, S. 354. 256)
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eine in den frühen Jahren ihrer Existenz und hatte eine wichtige Funktion für seine Mitglieder. Eine Schilderung aus dem Münchener Polytechnischen Verein aus dem Jahre 1817 illustriert dieses: „Eben dieses heitere ungezwungene Zusammenwirken, diese gefällige durch keine Formalität beschränkte, durch keinen Privat-Eigennutz getrübte Unterhaltung unter Männern, die gleiches Interesse aus verschiedenen Ständen zusammenführt; dies Besprechen, Belehren und Berathen, dieser wechselseitige Austausch von Ideen und Erfahrungen, dieses Regen und Begegnen in freyen Kreisen, wo keine Rangordnung belästiget, wo Jeder ganz ungezwungen nicht bloß geistige Nahrung und Unterhaltung, sondern nebenbey auch körperliche Erfrischungen genießen kann, wo keine Kosten das Vergnügen trüben und Nachwehen herbeyführen; eben dieß ist es, was dem polytechnischen Vereine seinen echt bürgerlichen Charakter erhalten, und ihm Zutrauen, Theilnahme und Wirksamkeit bey allen Klassen der bürgerlichen Stände und Gewerbe verschaffen wird.“260) Allein bei der Funktion, das Assoziationsbedürfnis des Wirtschaftsbürgertums zu erfüllen, blieben die Gewerbevereine nicht stehen. Die Selbstbeschreibung des Vorsitzenden des Niederösterreichischen Gewerbevereins im Jahr 1850 macht auf einen Wandel der Gewerbevereine aufmerksam. Theodor Ritter von Hornbostel knüpfte an die gesellige Funktion des polytechnischen Vereins an, um gleichzeitig aber auch deutlich einen gesellschaftlichöffentlichen Anspruch hervorzuheben. Er beschrieb den Verein als den „einzigen Ort, wo die Intelligenz aller Stände sich zusammenfand zu gemeinsamen Streben, wo dem Bürger gestattet war, sich mit allgemeinen Angelegenheiten zu befassen, außer seinem privatlichen Geschäftskreis eine allgemeine, nutzbringende, anregende und dadurch sich selbst lohnende Tätigkeit zu üben – wo es ihm möglich war, wenn auch nur über erhaltene Anfragen, durch offene gerade Antwort, durch unverhohlene Schilderung seiner Lage oder allgemeiner Zustände sein Herz zu erleichtern.“261) Damit ist ein Wandel in der Funktion der Gewerbevereine bereits angedeutet. Die verstärkt in den 1830er und 1840er Jahren entstandenen privaten bis halbamtlichen Handels- und Gewerbevereine unterstützten und ergänzten weiterhin die staatliche Gewerbe- und Industriepolitik in vieler Hinsicht. Darüber hinaus gewannen sie aber an Bedeutung als Vertretungsorgane gewerblich-mittelständischer Interessen. Dass sie sich damit außerhalb der ständischfeudal verfassten Gesellschaft bewegten, war selbst den gemäßigten Zeitgenossen klar. So warf Karl Karmarsch, Gewerbelehrer, Redakteur der Deutschen Gewerbezeitung und selbst Gründer des Gewerbevereins in Hanno-
260)
Bericht über die erste allgemeine Monaths-Versammlung der in München wohnenden Vereinsmitglieder, als Extrabeiliage zu Nr. 38 des Anzeigers für Kunst- und Gewerbfleiß 3 (1817), unpaginiert. 261) Zitiert nach Friedrich Geißler, Die Entstehung und der Entwicklungsgang der Handelskammern in Österreich, in: Hubert Mayer (Hrsg.), Hundert Jahre österreichische Wirtschaftsentwicklung 1848–1948, Wien 1949, S. 54.
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ver,262) eine Frage grundsätzlicher Art auf, die zugleich den Zuschnitt und die Funktion der Gewerbevereine treffend charakterisierte: „Man könnte fast zu einem Zweifel darüber veranlaßt werden, ob das Aufkeimen und Gedeihen dieses Strebens, durch Privatverbindungen Zwecke zu fördern, die zum Theil in den Wirkungskreis der Staatsgewalt zu fallen scheinen, eine Unvollständigkeit des Wirkens dieser letztern andeute, oder vielmehr ein Fortschritt der bürgerlichen Freiheit zu nennen sey, insofern die obere Gewalt der Staaten den Einzelnen unbedenklich erlaubt, für wesentliche Punkte ihres Besten selber zu sorgen.“263) Insbesondere für Preußen ist gezeigt worden, dass sich die Gewerbevereine zu Interessenverbänden entwickelten, welchen im Verlauf der wissenschaftlich-industriellen Revolution eine nicht zu unterschätzende sozialkommunikative Rolle zukam. Immer noch kam ihnen wie ihren Vorgängerorganisationen die Funktion zu, technische Neuerungen und unternehmerisches Wissen zu verbreiten.264) Insbesondere bei der Einführung neuer Produktionsformen, neuer Technologien oder in der Förderung von Handel und Manufakturwesen sind die Erfolge dieser Unternehmungen in ihrer Frühzeit keinesfalls als spektakulär zu bezeichnen, wie dies die Chronisten der Vereine im Eigeninteresse gerne taten.265) Größere Bedeutung kam ihnen auf anderen Ebenen zu: In den Gewerbevereinen und den unter diesem institutionellen Dach bereitgestellten Kommunikations- und Bewegungsräumen entwickelten sich Potenziale, die mit den Handlungs- und Selbstdarstellungsmechanismen der alten Ordnung nicht mehr zur Deckung gebracht werden konnten. „Die Motive der Vereinsbildung und die Bedürfnisse und Tendenzen, auf denen sie beruhten, waren offenbar neu und fanden in der herrschaftlich-korporativ organisierten alten Welt keine Erfüllung.“266) Stattdessen ließen sich in den Gewerbevereinen neue Handlungs- und Interaktionsmuster ausbilden und einüben, die beispielsweise ein „Zweck-Mittel-orientiertes Verhältnis zur inneren und äußeren Natur ermöglichten.“267) Wo die ökonomischen Sozietäten noch als Einzelphänomene zu beschreiben sind, da beschleunigte sich die Ausbildung des Vereinswesens parallel 262)
Zum Wirken Karmarschs vgl. Huge, Gewerbeförderung. Karmarsch, Gewerbevereine, S. 285 ff. 264) Vgl. Norbert Schindler/Wolfgang Boß, Praktische Aufklärung – Ökonomische Sozietäten in Süddeutschland und Österreich im 18. Jahrhundert, in: Vierhaus (Hrsg.), Gesellschaften, S. 255–354; für die ältere Forschung Hans Hubrig, Die patriotischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts, Weinheim 1957; Rudolf Rübberdt, Die ökonomischen Sozietäten. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, Diss. Würzburg 1934; auch in der begriffsgeschichtlichen Untersuchung von Focko Eulen, Vom Gewerbefleiß zur Industrie. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts, Berlin 1967, S. 127–154. 265) Diese Frage diskutieren Schindler/Boß, Praktische Aufklärung, S. 256. 266) Thomas Nipperdey, Verein als soziale Struktur im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: ders., Gesellschaft–Kultur–Theorie, Göttingen 1976, S. 174–205, S. 178. 267) Ebd. 263)
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zum Take-Off der Industrialisierung. Die wirtschaftliche Umstrukturierung ermöglichte sie vielfach erst beziehungsweise machte sie notwendig. Tenfelde qualifiziert in diesem Zusammenhang den Verein als „das wesentlichste Instrument einer schrittweisen, oft gar schleichenden Reorganisation der Gesellschaft […], an der der Staat noch den geringeren Anteil hatte, zu der er vielmehr zu veranlassen war und in die sich die mit der Industrialisierung teils entstehenden, teils in neue kollektive Zuordnungen versetzten Schichten im Zeitablauf teils vorpreschend, teils nachfolgend einschalteten.“268) In vielen gesellschaftlichen Bereichen avancierte der ‚Verein‘, die ‚Assoziation‘ in der staatskritischen öffentlichen Meinung des Vormärz in allen gesellschaftlichen Bereichen zur umfassenden Formel für selbstbestimmtes, aber kooperatives Handeln, „zur Pathosformel für die Erwartung einer freien Gesellschaft.“269) Neben Neueinsätzen wie der Genossenschaftsbewegung und dem Sparkassenwesen verzeichneten die berufs- und gewerbenahen Assoziationen abhängig von der Konjunktur eine immense Ausdehnung.270) Auf Grund der politischen Rahmenbedingungen der 1850er und 1860er Jahre des 19. Jahrhunderts forcierte sich die Neustrukturierung der Gesellschaft in weit höherem Maße in den mittelständischen Erwerbsgruppen als beispielsweise in der Arbeiter- und Handwerkerschaft. Beispielhaft für den Schritt von der klassischen Sozietät zum Sammelbecken und Vertretungsorgan von Interessen und damit zum Vereinstyp moderner Prägung waren die Handels- und Gewerbevereine.271) Über ihre Funktion zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung hinaus kam ihnen aber auch Bedeutung zu als Ausdruck des Selbstbewusstseins und des Assoziationsbedürfnisses des aufstrebenden Wirtschaftsbürgertums.272) Einige von ihnen entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Foren einer gezielten Interessenpolitik.273) In verschiedenen Publikationsorganen und als Träger einer nationalen und überregionalen Ausstellungsbewegung forcierten sie die sozialkommunikative Integration der bürgerlich-industriellen Gesellschaft. Auch sozialhistorisch greifbar wird dies schon allein durch die Mitgliederrekrutierung: Diese wurden seit Mitte der dreißiger Jahre nicht mehr von der Obrigkeit städtischer oder territorialer Provenienz her bestimmt oder aus dem Kreis der vorab festgelegten Klientel gewählt, sondern konstituierte sich aus Personen, die freiwillig beitraten. Auch wenn zunächst hohe Mitgliedsbeiträge die soziale Exklusivität wahrten, demonstriert diese Bestimmung deutlich, dass die Gewerbevereine weniger 268)
Tenfelde, Entfaltung, S. 111. Hardtwig, Vormärz, S. 125. 270) Tenfelde, Entfaltung, S. 77 ff. 271) Zum Forschungsstand vgl. Gessner, Industrialisierung FN 4: „Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte und der Tätigkeit der Gewerbe-Vereine gibt es nicht“. Sehr schön nachzuvollziehen ist dieser Wandel in der Studie von Korn, Gewerbeausstellungen, insbesondere S. 24–31. 272) Haltern, Welt; Gessner, Industrialisierung. 273) Fliegner, Gewerbevereine. 269)
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als eine ständisch-administrative, sondern als eine assoziative Einrichtung agierten. Damit waren sie Ausdruck und Schrittmacher für einen grundlegenden Wandel der bürgerlichen Wirtschaftsnormen: Gegen das immer vage bleibende „Gemeinwohl“-Konzept der Aufklärung etablierte sich in und über diese Institutionen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ein klares Bekenntnis zur individuellen Gewinnmaximierung und zur entfesselten Konkurrenz. Über die sozialregulierenden Funktionen des Vereins- und Genossenschaftswesens wurde diese gleichsam wieder in eine gesamtgesellschaftliche Konzeption eingebunden.274) Im Gros der Vereinsbewegung stehen die ökonomischen Sozietäten und in ihrer Nachfolge die Gewerbevereine für einen „paradigmatischen Wandel der ökonomischen Wahrnehmungs- und Handlungsmodi“.275) Der ökonomische Sektor stellte sich in dieser (Vereins-)Öffentlichkeit als ein eigenständiger, zweckrationaler und damit, in Abgrenzung von der adlig-ständischen Ökonomik, von herrschaftlichen Konnotationen unabhängiger Bereich dar. In diesen (und später weiteren) Vergesellschaftungsformen bildete sich ein Kodex aufgeklärten Wirtschaftsverhaltens aus, welcher die Beschränkungen auf partikulare soziale Einheiten wie „das Haus“ oder „die Familie“ ebenso durchbrach wie die Vorstellung von statischer Bedarfsdeckung. Die Wirkung der Gewerbevereine und ihre Erfolge, so urteilte der zeitgenössisch als „Vater der Gewerbevereine“ betitelte Karl Karmarsch im Jahr 1840, konnten „mehr nur gefühlt und im Allgemeinen beobachtet als gemessen und abgewogen“ werden.276) Anregung und Förderung des Gemeingeistes sowie Unterstützung und Ermunterung der Gewerbetreibenden durch Rat und Beispiel – der Hannoveraner Industrieförderer betrachtete die Vereine vorrangig unter gewerbefördernden Gesichtspunkten. Als eines der wichtigsten Instrumente, mit denen die Vereine die selbst gesteckten Ziele erreichen konnten, empfahl Karmarsch neben der Publikation von Periodika und der Einrichtung von Schau- und Verkaufshallen die Ausrichtung von Gewerbeausstellungen. Besser, „als auf irgend eine andere Art erreicht werden könnte“, wirkte die „periodisch wiederkehrende öffentliche Darlegung von Erzeugnissen der Landesindustrie“ darauf hin, nicht nur den jeweiligen Status der Industrie, sondern auch Fortschritte oder eventuelle Rückschritte zu dokumentieren.277) Die Ausführungen des Hannoveraner Gewerbeförderers reflektieren im Wesentlichen, dass die Ausstellungen von staatlicher Seite getragen waren, so dass „das Moment der staatlichen Gewerbeförderung bzw. der gelehrt-pädagogische Charakter“ deutlich überwog.278) Auch ihre Träger,
274)
Am Beispiel des rheinischen Wirtschaftsbürgertums skizziert dies Boch, Grenzenloses Wachstum. 275) Schindler/Boß, Praktische Aufklärung, S. 260. 276) Karmasch, Gewerbevereine, S. 299. 277) Ebd., S. 291 f. 278) Gessner, Industrialisierung, S. 132.
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die von staatlicher Seite aus ins Leben gerufenen und finanzierten landesübergreifenden Gewerbevereine, sahen sich zunächst noch ganz in diese Zweckbestimmung hineingenommen, wurden sie doch in der Regel von Mitgliedern der Verwaltung dominiert und in ihrer Frühzeit vor allem von Handwerkern getragen.279) Im Ausstellungswesen verknüpften sich alte Stränge merkantilistischer Gewerbeförderung mit neuartigen wirtschaftspolitischen Ambitionen und Intentionen. Zunächst unterstützte das Medium der Ausstellung die didaktischen Bemühungen, konnte doch die aus dem Geiste der Aufklärung geborene Politik der Gewerbeförderung kaum ein geeigneteres „Transitionsmittel“ finden als die Industrie- und Gewerbeausstellungen.280) Die an Komplexität zunehmenden Sachverhalte und das sich beschleunigende Innovationstempo legten neue Methoden der Wissensvermittlung nahe. Selbst bisherige Medien der Popularisierung, wie zum Beispiel das gewerblich-technische Zeitungsund Zeitschriftenwesen, waren ihrerseits dazu übergegangen, Skizzen, Zeichnungen und Bilder aufzunehmen, um ihren Informationsgehalt zu verdichten und die Anschaulichkeit zu erhöhen.281) Aber auch diese Versuche, dem Interessenten die notwendigen Kenntnisse über eine Maschine zu vermitteln, stießen an ihre Grenzen, „so daß es auf der Hand lag, die Funktionen einer Maschine anschaulich vor Augen zu führen.“282) Mit der zunehmenden Wertschätzung des „praktischen Erfindergeistes“ trat neben die „Wortgelehrsamkeit“ der Aufklärung das Anschauliche, die Gegenständlichkeit des Neuen.283) Sowohl für den Mitbewerber als auch den Konsumenten böte allein die Ausstellung, so urteilten auch zeitgenössische Kommentatoren, die umfassende Möglichkeit, „das Auge auf die Erzeugnisse und die Verfahren Anderer zu richten“.284) Andere Funktionen, die den Gewerbeausstellungen in ihrer Frühzeit zeitgenössisch zugeschrieben wurden, wiesen aber über die unmittelbar didaktische Zielsetzung hinaus. Selbst der vorsichtig argumentierende Karmarsch verwies auf die marktvorbereitenden Funktionen der Ausstellung, da sie „den einzelnen Gewerbetreibenden und deren Erzeugnisse dem Kaufmannsstande und dem Publikum bekannter machten, und dadurch den Absatz der guten Waaren“ vermehrten.285) Und zeitgenössisch war auch offensichtlich, dass
279)
Zu überprüfen anhand von Mieck, Gewerbepolitik, S. 141–143; Jeschke, Gewerberecht. Ein lokaler Befund für Mainz, Offenbach und Darmstadt bei Gessner, Industrialisierung, S. 133; zu den Gewerbevereinen im Rheinland Fliegner, Gewerbevereine. 280) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 3. 281) Vgl. Troitzsch, Entwicklung, S. 331–339. 282) Hundt, Wandlung, S. 99. 283) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 126. 284) Christian Albert Weinlig, Einige Bemerkungen über den möglichen Nutzen der Industrieausstellungen, in: Archiv der politischen Oekonomie und Polizeiwissenschaft, NF, 1845, S. 57–80. 285) Dieses Zitat und die folgenden Karmarsch, Gewerbevereine, S. 291 f.
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„innerhalb des Bereichs der tausend und abertausend Gegenstände, die blos zur Erleichterung und verschönerung der verschiedenen Zustände und Verrichtungen des Lebens gehören“, das Bedürfnis erst „mit der Kenntniß des Gegenstandes [entsteht], der ihm abhelfen soll.“286) Offensiv pries ein anonym bleibender Autor der Deutschen Vierteljahresschrift im Jahr 1845 das Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzip, welches der zünftisch verfassten Wirtschaftsordnung der ständischen Gesellschaft widersprach: „Jeder gilt, was er werth ist, an sich und im Verhältnisse zu seinen Mitbewerbern. Was kann gerechter und günstiger seyn für das junge Verdienst?“ Insbesondere dann, wenn es dem Ausstellenden gelingt, von einem einsichtsvollen und gerechten Preisgericht ausgezeichnet zu werden, „so kann sein Glück mit Einemmale gemacht seyn.“287) Damit formulierte er eine vielfach gehegte Überzeugung: Weil „Offerten“ oftmals unberücksichtigt blieben, „Annoncen und öffentliche Empfehlungen“ sich als unwirksam erwiesen, bot insbesondere die Ausstellung auch dem Konsumenten Möglichkeiten zum direkten Vergleich. „Auf der Ausstellung ist keine Unterdrückung, keine Täuschung, kein Haften an der Gewohnheit des Bezugs möglich. Hier gilt jeder, was er werth ist.“ Die „Vergleichung“ könne in vielfacher Hinsicht nützen, „sie mag anspornen, von falschem Wege ablenken, zu rechtzeitiger gänzlicher Aufhebung bestimmen.“288) Die Konkurrenz, als eines der zentralen Prinzipien des modernen Wirtschaftssystems, fand ihren visuellen Niederschlag in der Prämierung der Wettbewerbsteilnehmer: Für die teilnehmenden Gewerbetreibenden wie auch für die Besucher waren die Auszeichnungen und der damit ausgedrückte Wettbewerbscharakter „ein Eckpfeiler des Ausstellungswesens, wenn nicht sogar ihr attraktivster Teil.“289) Dementsprechend inszenierten die Veranstalter die Übergabe der Medaillen und anerkennenden Erwähnungen in aufwändigen Abschlussveranstaltungen. Initiatoren der Ausstellungen wie Karmarsch werteten die Auszeichnungen als einen der „bedeutendsten Motoren der wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen überhaupt.“290) Der Münchener Professor Desberger diskutierte auf das Genaueste die Wirkung von Medaillen sowie Auszeichnungen und konstatierte einen engen Zusammenhang von „Bildung, Gewinn und Ehre“: Je mehr es an Bildung und Geschmack fehle, desto gleichgültiger verhalte sich sowohl das Publikum wie auch die Ausstellerschaft gegenüber dem Urteil des Preisgerichts. Erst wenn die Attraktivität
286)
Wilhelm Roscher, Die Industrieausstellungen, ihre Geschichte und ihr Einfluß auf die Culturentwicklung, in: Die Gegenwart. Eine enzyklopädische Darstellung der neueren Zeitgeschichte für alle Stände, Bd. 12, Leipzig 1856, S. 470–534, S. 525. 287) Anonym, Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereines, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, Nr. XXIX (1845), Heft 1, S. 255–275, S. 257. 288) Roscher, Industrieausstellungen, S. 525. 289) Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 93. 290) Vgl. Karmarsch, Andeutungen, S. 208.
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der Auszeichnung wie auch das damit verbundene Geschmacks- und Qualitätsurteil allgemein akzeptiert sei, hätten die Ausstellungen ihr Ziel erreicht.291) Mit der Belebung von Konkurrenz verband sich zugleich die Vorstellung, bestimmte Normen und Qualitätsstandards bekannt zu machen und durchzusetzen. Die Goldmedaille, so formulierte es der badische Gewerbeförderer Ferdinand Steinbeiß, solle dann als „Kompaß für die Richtung des übrigen Fabrikbetriebs“ dienen.292) Zudem setzten die Veranstalter auf die Attraktivität von Auszeichnungen für die Ausstellungsteilnehmer, glaubte man doch, dass ein Hauptanreiz zur Beschickung einer Exposition eben in der Aussicht auf eine Auszeichnung bestand.293) „Man veranstalte Industrieausstellungen ohne öffentliche Anerkennungen, und man wird sehen, daß der Lebensnerv der Ausstellungen durchschnitten ist. Die Ausstellung ist der Kampfplatz der Industrie, und der Sieger muß auch den Preis empfangen“, so der in der Publikation selbst anonym bleibende Wilhelm Roscher in dem enzyklopädischen Werk „Die Gegenwart“.294) Dass sich der Nationalökonom und Publizist mit dieser These keinesfalls allgemeiner Zustimmung erfreuen konnte, darauf verweist eine widersprechende Anmerkung des Redakteurs August Kurtzel. Dem Bearbeiter der „Gegenwart“ galt die Teilnahme an der Ausstellung und die damit verbundene Präsentation sowie die Erwähnung im Katalog als die eigentliche Auszeichnung. Medaillen und Auszeichnungen hingegen galten Kurtzel als Elemente eines „Glücksspiels“, lasse doch die per se unvollkommene Juryarbeit „allen Leidenschaften, Vorurtheilen und üblen Einflüssen“ freien Lauf. „Welches widrige Spiel so eintreten kann, wenn der Industriepalast zum Tummelplatz des Eigennutzes und der Eitelkeit ausartet, das haben die letzten Ausstellungen der letzten Zeit genugsam angedeutet.“ Die in den Ausstellungen betriebene „Preiswirthschaft“ sei deshalb nicht der „Lebensnerv“, sondern vielmehr der „Todeskeim“ für den Ausstellungsgedanken. Dabei beschränkte man sich in den deutschen Staaten darauf, die Produzenten und Gewerbetreibenden auszuzeichnen, während man in Frankreich bereits seit der Restauration damit begonnen hatte, auch Arbeiter, Vorarbeiter und Werksmeister in den Kreis derjenigen aufzunehmen, die Auszeichnungen erhalten konnten.295) In der Tat schienen Auszeichnungen und Prämien den ihnen zugedachten gewerbepädagogischen Zweck durchaus zu erfüllen: Die Gewerbetreibenden maßen den Auszeichnungen besondere Bedeutung zu und nutzten Preismedaillen und Urkunden zum Teil bis in das 20. Jahrhundert zu Werbezwecken:
291)
Professor F. E. Desberger, Ueber Industrie-Ausstellungen, in: Kunst- und Gewerbeblatt des Polytechnischen Vereins für das Königreich Bayern 1835, Sp. 739–747, Sp. 743. 292) Ferdinand Steinbeis, Generalbericht über die Gewerbeausstellungen zu Leipzig im Frühjahr 1850, Stuttgart 1851, S. 258. 293) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 95. 294) Hierzu und zu Folgendem: Roscher, Industrieausstellungen, S. 531 f. 295) Ebd., S. 476.
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Eine Abbildung der Ausstellungsmedaille im Briefkopf der Firma, am Produkt selbst oder auch der Verweis auf entsprechende Auszeichnungen in Musterkatalogen und Verkaufsprospekten versprachen eine Steigerung des Prestiges und damit mittel- und langfristig einen größeren Markterfolg des Produkts.296) Bei staatlichen Veranstaltungen kam zusätzlich die Möglichkeit hinzu, Titel und Orden der jeweiligen Obrigkeit zu erwerben. Auch diese Möglichkeit verweist auf einen Zweck der Auszeichnung, der über den rein marktvorbereitenden, werbenden Vorteil, der mit einer Prämiierung zu erreichen war, hinaus. Letztlich ging es sowohl den Veranstaltern wie auch den Beschickern der Ausstellung ebenfalls darum, einem recht jungen Berufsstand und dessen Anliegen die obrigkeitliche Aufmerksamkeit und gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Dies betonte beispielsweise der Journalist Christian A. Weinlig in seinen 1847 veröffentlichten Überlegungen zum „möglichen Nutzen der Industrieausstellungen“, in denen er die Expositionen „zu einem wertvollen Hülfsmittel in nationalökonomischer Hinsicht“ erklärte: Nicht nur für technische Studien, sondern auch „als Mittel zur Berichtigung der Begriffe vom Werthe und der Bedeutung der Industrie und des Industriellen“ komme den Ausstellungen damit Bedeutung zu als „Hebungsmittel des Nationalbewußtseins“.297) Und die Veranstalter der Landesausstellung in Mainz 1842 werteten als Erfolg, dass „manche Vorurtheile zerstreut“ wurden.298) Am Beispiel der französischen Ausstellungen suchte der Journalist Albert einen möglichen Nutzen der Ausstellungen in eben dieser öffentlichen Wirkung zu beschreiben: „Man lernt bei solchen Gelegenheiten den wesentlichen Antheil der Industrie am Nationalruhme und Nationalreichthume richtiger schätzen“, und „Sättigung des Nationalstolzes ist sicher nicht die letzte der Absichten, welche die französische Regierung bei den Pariser Ausstellungen im Auge gehabt hat“.299) Das Bewusstsein, „in der allgemeinen Achtung eine Stufe aufgerückt zu seyn, feuert den denkenden Gewerbsmann eben so zum Fortschreiten nach höherer Entwicklung an, spornt eben so zu gesteigerter innerer Thätigkeit, wie jeden Anderen.“300) „Es muß als ein Verdienst gelten, ein Gewerbe oder eine Fabrik tüchtig zu betrieben, und es muß wie jedes andere Verdienst anerkannt werden“, so for-
296) Zahlreiche Beispiele finden sich in Fabrik im Ornament: Ansichten auf Firmenbriefköpfen des 19. Jahrhunderts. Ausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Stiftung Westfälisches Wirtschafsarchiv Dortmund, Münster 1980. Ottfried Dascher (Hrsg.), „Mein Feld ist die Welt“. Musterbücher und Kataloge 1784–1914, Dortmund 1984. 297) Weinlig, Bemerkungen. 298) Ernst von Schwarzer, Beiträge zur Kenntniß der industriellen Zustände der Staaten des deutschen Zollvereins, mit besonderer Beziehung zur österreichischen Monarchie und Böhmen, in: Encyclopädische Zeitschrift des Gewerbewesens 1843, S. 43–48, 65–88, 97–118, S. 118. 299) Weinlig, Bemerkungen, S. 69. 300) Karmarsch, Gewerbvereine, S. 289.
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II. Die Anfänge bis in die 1840er Jahre
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derte der Staatsgelehrte Wilhelm Roscher 1856. „Diesen Act öffentlicher Gerechtigkeit zu üben ist daher mit Recht allenthalben als letzter Zweck der Ausstellung betrachtet worden.“301) Insbesondere das „massenhafte Auslegen der Gewerbserzeugnisse“ mache einen „bedeutenden und bleibenden Eindruck“ auf die Produzenten selbst, auf das Publikum und die Verwaltung: Der Gewerbefleiß lerne sich als „ein großes Ganze kennen“, „fühle sich in seiner Gesammtbedeutung für die Gesellschaft und den Staat“ und gewinne dadurch den „Muth zu Forderungen.“ Das Publicum hingegen werde „durch den sinnlichen Eindruck zu größerer Achtung bewogen, wird Erörterungen und Belehrungen über gewerbliche Angelegenheiten leichter zugänglich und bildet seine schwankenden Ansichten zu einer entschiedenen öffentlichen Meinung aus. Die Regierungen der Völker endlich lernen die große Bedeutung der Gewerbe kennen.“302) Mit diesem Anspruch, der den Industrie- und Gewerbeausstellungen zugeschrieben wurde, wiesen die zeitgenössischen Kommentatoren weit über die rein gewerbepädagogischen und gewerbefördernden Aspekte hinaus, die sowohl die Gewerbevereine wie auch die Industrie- und Gewerbeausstellungen in ihren Anfängen prägten. Hinzu trat, dass sich das Ausstellungswesen auch institutionell-organisatorisch vom Staat emanzipierte: Der erste Versuch, eine nationale Ausstellung durchzuführen, wurde nicht, wie im westlichen Ausland, vom Staat durchgeführt und auch nicht, wie vergleichbare spätere Veranstaltungen des deutschen Zollvereins, als Aufgabe betrachtet, deren Organisation einer Landesregierung im Namen aller Kleinstaaten übertragen wurde. Die Industrie- und Gewerbeausstellung in Mainz 1842 war das Werk eines privaten Gewerbeförderungsvereins. Zudem waren erstmalig „alle Gewerbetreibende im gesammten deutschen Vaterlande“ eingeladen und aufgefordert, sich dem Wettbewerb unter selbstverantwortlicher Auswahl der Produkte und ohne eine vorhergehende Begutachtung zu stellen. Auch wenn dieser Aufruf nur 715 Aussteller zur Teilnahme animierte, so wurde diese Exposition doch „als der erste Versuch zur Ausführung einer nationalen und folgenreichen Idee“ als Erfolg gewertet.303) Stimulierung von Konkurrenz, Weckung von Bedürfnissen wie auch die Repräsentation einer neuen Berufsgruppe und ihrer Leistungen – in der historischen Rückschau sind hier die Ansätze zu beobachten, in denen sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Basisstrukturen monarchisch-bürokratischer Autorität zu neuen Formen ökonomischer und sozialer Kooperation wandel-
301)
Roscher, Industrieausstellungen, S. 500. Roscher übernimmt diese Passage wörtlich aus: Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereines, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, Nr. XXIX (1845), Heft 1, S. 255–275, S. 258. 303) Vgl. Amtlicher Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, 3. Bände, Bd. 1, Berlin 1845, S. 255–275; auch Roscher, Industrieausstellungen, S. 488; Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 83. 302)
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ten. Vergleichbar mit anderen Assoziationsformen wiesen auch die Gewerbevereine einen Trend der „partiellen Exemtion aus den Verkehrsformen der Ständegesellschaft auf, indem sie in ihrem Innern die Standesschranken beseitigten und die Themenkreise von Religion und Politik ausklammern, setzen sie die entscheidenden Herrschafts- und Statuszuweisungsmechanismen außer Kraft und konstituieren egalitäre, privilegien- und vorteilsfreie Binnenräume, in denen auf der Grundlage freier und gleichberechtigter Partizipation bürgerliche Kommunikations- und Interaktionsmuster etabliert und sukzessive eingeübt werden konnten.“304) Im Ideenhaushalt der ökonomischen Gesellschaften war zunächst eine „patriotische“ Gemeinwohlorientierung mit der Ausbildung einer individualisierten, verzeitlichten, leistungs- und erfolgsbezogenen Handlungsethik verbunden. Die Interessenpolitik der Gewerbevereine richtete sich nicht mehr auf das Gemeinwohl der Gesellschaft. Stattdessen entwickelten sich diese zu mittelständischen pressure-groups.305) Waren die polytechnischen Vereine und Zusammenschlüsse ähnlichen Namens „Indikatoren“ für die Entwicklung moderner wirtschaftsbürgerlicher Denk- und Verhaltensweisen, so realisierten und verbreiteten sich diese in der Gewerbevereinsbewegung.306) Den Gewerbevereinen diente unter anderem auch das Ausstellungswesen dazu, die veränderte Differenzierung der Gesellschaft und die neuen Prinzipien der Unterscheidung nach außen hin zu popularisieren. Auch wenn die Popularitätskurve dieses Mediums weiterhin Schwankungen aufwies, so hatte es sich in den dreißiger und vierziger Jahren als Institution und als Medium etabliert. Die zum Teil ausbleibende Resonanz unter den Gewerbetreibenden erklärt sich unter anderem damit, dass die Veranstaltungen auf das Engste mit der Etablierung des Marktgedankens wie auch des Konkurrenzprinzips verbunden waren. Diese Grundmaximen wirtschaftlichen Handelns waren durchaus nicht Allgemeingut, sondern stießen zum Teil auf erbitterten Widerstand.307) In dieser offenen Situation gewannen die Industrie- und Gewerbeausstellungen zunehmend an Bedeutung. Rasch entwickelten sie sich über ihre Funktion als Instrument der praktischen Gewerbeförderung hinaus zu einem Ort der gesellschaftlichen Repräsentation und Selbstverständigung.
304)
Schindler/Boß, Praktische Aufklärung, S. 259. Fliegner, Gewerbevereine, S. 354. 306) Schindler/Boß, Praktische Aufklärung, S. 326 ff. 307) Vgl. Paul Nolte, Marktgesellschaft und Republik. Deutschland seit dem 17. Jahrhundert im internationalen Vergleich, in: Manfred Hettling u. a. (Hrsg.): Was ist Gesellschaftsgeschichte? Positionen, Themen, Analysen, München 1991, 289–300. 305)
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III. Das Massenmedium Ausstellung von den 1840er Jahren bis 1910
III. Das Massenmedium Ausstellung von den 1840er Jahren bis 1910 1. Form- und Funktionswandel: Industrie- und Gewerbeausstellungen zwischen Gewerbeförderung, Spektakel und Kommerzialisierung Seit Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts begann sich das Erscheinungsbild des Ausstellungswesens in Deutschland grundlegend zu ändern. Schon ein erster quantifizierender Blick zeigt, dass die Industrie- und Gewerbeausstellung im Verlaufe des 19. Jahrhunderts aus bescheidenen Anfängen zu einem Veranstaltungstypus avancierte, der in seinen Hochzeiten Millionen von Menschen anzog. In seiner Größenordnung war das Medium konkurrenzlos: Unter den visualisierenden Medien reichten zoologische Gärten, Freiluftgaststätten, die großen Theater- und Konzertveranstaltungen wie auch politische, nationale und andere Feste bis zu diesem Zeitpunkt nicht an die Expositionen heran. Es waren nicht zuletzt die Ausstellungen selbst, in deren wachsenden Vergnügungsmeilen die Tendenz zur Massenkultur entstand und befördert wurde.308) Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert entwickelten sich Formen und Institutionen des populären Vergnügens und des Konsums, welche an die Besucherdimensionen der Industrie- und Gewerbeausstellungen heranreichten.309) Eine größere Popularität und einen steigenden Erfolg sowohl bei der Zahl der Aussteller als auch der Besucher konnte das Medium Ausstellung in Deutschland erst in den dreißiger Jahren verbuchen. Der Ausstellungsgedanke breitete sich auf Lokal-, Regional- und Landesebene umfassend aus. „Vor allem um 1834/35, also unmittelbar nach der Gründung des Zollvereins, begann eine Bewegung, die nahezu als ‚Ausstellungswelle‘ bezeichnet werden kann“.310) Ihre Ursache hatte diese Entwicklung in der veränderten Trägerschicht, die sich mit dem Engagement der Gewerbevereine stark verbreitert hatte.311) 308)
Siehe dazu Abschnitt C 4 in dieser Studie. So ist beispielsweise die Promotorfunktion, die die Weltausstellungen für die Wiederaufnahme der Olympischen Spiele hatten, zu bedenken. Vgl. dazu Walter Borgers/Dietrich R. Quanz, Weltausstellungen und Sport (Olympische Spiele), Vom Tempel der Industrie zur olympischen Arena, in: Wolfgang Decker/ Georgios Doliantis/Karl Lennartz (Hrsg.), 100 Jahre Geschichte und Morphologie der Messen Jahre Olympische Spiele: Der neugriechische Ursprung, Würzburg 1996, S. 80–89; Dietrich Quanz, The World Fairs of the 19th Century and the Olympic Games as Manifestations of Western Industrial Culture, in: Shing-pyo Kang/John MacAloon/Roberto DaMatta, The Olympics and Cultural Exchange. The Papers of the First International Conference on the Olympics and East/West and South/North Cultural Exchange in the World System, Seoul 1987, S. 483–493. 309) Vgl. dazu Kaspar Maase, Grenzenloses Vergnügen. Der Aufstieg der Massenkultur 1850–1970, Frankfurt a. M. 1997. 310) Uwe Beckmann, Der Weg nach London: Das deutsche Ausstellungswesen vor 1851 und die Great Exhibition, in: Bosbach/Davis (Hrsg.), Weltausstellung, S. 257–265, S. 261. 311) Vgl. dazu den vorhergegangenen Abschnitt in dieser Studie.
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Einen weiteren Schritt markierten die großen Ausstellungen der vierziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gelang es, erstmals den lokalen und regionalen Rahmen dieser Veranstaltung zu Gunsten einer nationalen Organisation zu überwinden: Eine Vorreiterfunktion hatte dabei die von dem privaten Zentralgewerbeverein im Großherzogtum Hessen organisierte Mainzer Veranstaltung 1842. Zwar waren insgesamt nur 715 Aussteller der Einladung nach Darmstadt gefolgt, das Gros davon stammte aus der Region und der Stadt. Dennoch aber war erstmals der rein regionale Rahmen überwunden, da größere Abordnungen von Gewerbetreibenden auch aus Württemberg und Österreich gekommen waren. In den Kreisen der Gewerbevereine galt die Ausstellung als „Großartigkeit“, die den gewerbefördernden Nutzen des Mediums umfassend bewiesen habe.312) Im Vergleich zu Mainz konnte die Berliner Gewerbeausstellung von 1844, die rückblickend gar zur „Krönung des deutschen Ausstellungswesens“ erklärt wurde,313) auf anderen Grundlagen aufbauen:314) Organisator war hier die preußische Regierung, die im Auftrag aller Zollvereinsländer ihre institutionellen Möglichkeiten einsetzte. Besonders positiv schlug bei der Werbung der Teilnehmer zu Buche, dass sämtliche Provinzialregierungen in die Vorbereitungen einbezogen wurden. Regionale und lokale Komitees zur Sammlung und Begutachtung von Gewerbeprodukten wie auch zum Ankauf von Exponaten für die zum Schluss der Ausstellung geplante Verlosung von Gegenständen hatten eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit und mobilisierten wegen des finanziellen Anreizes zusätzlich.315) Gewerbevereine wie auch die frühen Industrie- und Handelskammern engagierten sich bei den Vorbereitungen zur Ausstellung, indem sie unter ihren Mitgliedern für das Anliegen warben.316) Zahlreiche öffentliche Verlautbarungen appellierten an die Gewerbetreibenden, zu „Ehren des Gewerbestandes“ wie auch aus Gründen der nationalen Repräsentation ihre Erzeugnisse zu schicken.317) Zusätzlich kam das
312) Vgl. exemplarisch Franz Varrentrag, Über die Gewerbeausstellung, in: Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweig 1843, No. 10, S. 73–75, wiederabgedruckt in Braunschweigisches Magazin. 13tesStück vom 31. März 1843, S. 99–102. 313) Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 85. 314) Vgl. hierzu und zum Folgenden GHStA Berlin, Rep. 120 E Nr. 13 C, Bd. 1–7, hier Bd. 3, S. 342–345. 315) Vgl. dazu exemplarisch für Westfalen die Vorgänge in StAM, Oberpräsidium, 2780,1; für das Rheinland HstA Düsseldorf, Regierung Düsseldorf, Handel und Gewerbe; ebd., Regierung Aachen, Handel und Gewerbe, 1648–1649; für Brandenburg Landeshauptarchiv Brandenburg, Regierung Potsdam, Rep. 2 A I Handel und Gewerbe, Nr. 3396. Von Veranstalterseite hatte man auf eine Verlosung verzichtet, gestattete aber die Gründung eines privaten Vereins, der diese organisierte. Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 86. 316) Vgl. GHStA Berlin, Rep. 120 E Nr. 13 C, Bd. 6 und 7. Vgl. auch Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 33. 317) LHA Brandenburg, Regierung Potsdam, Rep. 2 A I Handel und Gewerbe, Nr. 3396, S. 41.
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Veranstaltungskomitee den potenziellen Beschickern in vielerlei Hinsicht entgegen: Verlängerte Einsendefristen, Übernahme der Transportkosten, Versicherungsleistungen bei möglichen Schäden beim Transport oder während der Ausstellung sollten die bestehenden Vorbehalte aus dem Weg räumen. Trotz einer regional immer noch sehr disparaten Beteiligung wurde die Ausstellung zum Erfolg: Mit 3040 Ausstellern erreichte die Berliner Exposition fast die Teilnehmerzahl der französischen Nationalausstellung desselben Jahres.318) 236 997 verkaufte Eintrittskarten und zahlreiche Abonnementskarten sowie eine große Zahl von Freibillets ergeben, dass circa 260 000 Besucher die Ausstellung gesehen haben.319) Auch das Echo der Ausstellung in der zeitgenössischen Publizistik wie in der Literatur war ungleich größer als das der vorhergehenden Ausstellung in Mainz 1842. „Ihrer Bedeutung nach“, so urteilte der Ausstellungsexperte Franz Reuleaux über die Berliner Exposition, „war sie wirklich die erste.“320) Zu erklären ist dieser Aufschwung nicht nur mit der besseren Organisation. Darüber hinaus war die Berliner Ausstellung von 1844 in vielerlei Hinsicht aufgeladen mit neuen Bedeutungsgehalten, die die Tradition der Gewerbeförderung zum Teil deutlich überlagerten: Zwei Jahre nach dem Kölner Dombaufest und zeitgleich mit bürgerlichen Sänger- und Schützenfesten erschien die Ausstellung „als selbständiger Ausdruck der deutschen Einheitsbewegung, als Vorwegnahme und Abbild der in ihrer Industrie vereinten Nation.“321) Nicht nur die Festreden und offiziellen Verlautbarungen,322) sondern auch private Gespräche durchzog die Vorstellung von der nationalen Bedeutung der Veranstaltung: „Wenn Du aber dieses Jahr nicht kommst und die Gewerbe-Ausstellung in Augenschein nimmst“, so schrieb der Kaufmann Johann Gottfried Henckels 1844 an seinen Bruder Johann Abraham in Solingen, „so nenne ich Dich keinen warmen Gewerbfreund und Deutschen Patrioten.“323) Das Selbstverständnis und damit der Anspruch der Veranstalter, die Art und die Motivation der Ausstellung wie auch die Erwartungshaltung und
318)
Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 86. Vgl. dazu im Anhang die Liste der relevanten Ausstellungen. 320) Reuleaux, Anfänge, S. 454. 321) Haltern, Weltausstellung, S. 28. 322) Vgl. zum Beispiel Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 35: „Gewiß war es ein großartiger, erhebender Anblick, die zahlreichen Gebiete und Länder, in welche unser gemeinsames großes Vaterland im Fortgange der Jahrhunderte sich gegliedert hat, einem Ganzen vertreten zu sehen: von den Alpen bis zur Nordsee, von den Ardennen bis jenseits des Niemen, hatte sich die Tätigkeit gemeinsinniger Männer vereinigt, um in einem großen Gemälde die Erzeugnisse ihrer industriellen Wirksamkeit dem Vaterlande vor Augen zu legen. Es hatte sich gezeigt, dass das vaterländische Gefühl, welches uns seit Jahrtausenden verbindet, nicht erstorben, dass es in unsern Tagen wieder lebendiger und durchdringender geworden war.“ 323) Heinrich Kelleter, Geschichte der Familie J.A. Henckels in Verbindung mit einer Geschichte der Solinger Industrie, Solingen 1924, S. 59. 319)
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Aneignungsweisen der Besucherschaft änderten sich seit den vierziger Jahren grundlegend.324) Der mit der Mainzer und Berliner Ausstellung begründete Strang der Nationalausstellung fand in Deutschland aber nur eine kurz Fortsetzung: Eventuelle Nachfolgeinitiativen in den unmittelbaren Folgejahren waren wegen der politischen und gesellschaftlichen Unruhen um die Revolution von 1848 nahezu ausgeschlossen. Lediglich eine Veranstaltung in München im Jahre 1854 knüpfte an die Pläne des Zollvereins an, in regelmäßigen Abständen Ausstellungen abzuhalten, die Exponate aus dem vereinigten Wirtschaftsraum versammelten. Die „Deutsche Industrie- und Gewerbeausstellung“ zu München übertraf mit 6588 Aussteller quantitativ alle vorangegangenen Ausstellungen: Auch wenn das Gros der Aussteller, nämlich 2 331, aus Bayern selbst stammte, machte die wirtschaftspolitische Annäherung an Österreich, die mit dem Zollvertrag vom 19. Februar 1853 erreicht worden war, München auch für Gewerbetreibende aus anderen Regionen attraktiv. 1 477 österreichische, 767 preußische und 443 württembergische Aussteller komplettierten das Bild von der deutschen Industrie. Auch wenn das Ziel einer vollständigen Repräsentation deutscher Gewerbezweige und ihrer Produkte damit nicht erreicht war, so wurde die Exposition zeitgenössisch als das „glanzvollste bis dahin geschaute Bild deutscher Industrie“ gefeiert.325) Eine Tradition der Nationalausstellungen, wie sie beispielsweise in Frankreich bestand, begründete aber auch dieser in München erzielte Erfolg nicht. Nicht nur politische Entwicklungen, sondern auch die Konkurrenz der in rascher Folge veranstalteten Weltausstellungen bewirkten, dass die nationenweite Ausstellung hinter andere Expositionstypen zurücktrat. Der Form- und Bedeutungswandel des Mediums, welches in der zeitgenössischen Publizistik mit immer mehr Emphase beschrieben wurde, war keine Eigenentwicklung des deutschen Ausstellungswesens, im Gegenteil: Innerhalb einer zunehmend weltweiten Öffentlichkeit waren sowohl die wirtschaftliche Entwicklung allgemein wie auch das Ausstellungswesen im Speziellen zunehmend in inter- und transnationale Zusammenhänge eingebunden. Die Great Exhibition von 1851 markierte den Beginn des „Halbjahrhunderts der
324)
Trotz des großen Erfolgs der Ausstellung von 1844, die Berlins führende Stellung in der deutschen Industrie auf überzeugende Weise dokumentierte und die 1849 in eine lokale Gewerbeausstellung der Polytechnischen Gesellschaft zu Berlin in Krolls Etablissement eine respektable, wenn auch wegen der Revolutionswirren 1848 wenig beachtete Nachfolge fand, tat sich die preußische Metropole in den nächsten dreißig Jahren mit Ausstellungen schwer. Vgl. Sabine Bohle-Heintzenberg, Berlin und die Weltausstellung oder: Der Moabiter Ausstellungspark, in: Andreas Beyer/Vittorio Lampugnani/Gunter Schweikhart (Hrsg.), Hülle und Fülle. Festschrift für Tilmann Buddensieg, Alfter 1993, S. 63–81, S. 63. 325) Vgl. Anton Schäffle, Artikel Industrie-Ausstellungen, in: Bluntschlis Staatswörterbuch, Leipzig 1860, S. 316; Wilhelm Franz Exner, Die Aussteller und die Ausstellungen, Weimar 1873, S. 13.
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Weltausstellungen“326), in welchem in dichter Folge vor allem in Westeuropa und dort konzentriert auf London und Paris, später auch in den USA zahlreiche internationale Expositionen stattfanden.327) Die Londoner Veranstaltung von 1851 machte nicht nur das Medium an sich bekannt, sondern avancierte in mehrfacher Hinsicht zum Vorbild des Ausstellungswesens insgesamt. Besonders deutlich zeigt sich dieser Einfluss zum einen an der programmatischen, zum anderen an der architektonischen Vorbildfunktion: „Das Zeichen der neuen Zeit“, so titulierte es der deutsche Weltausstellungsbesucher und Berichterstatter Lothar Bucher,328) war ein Palast, im dem kein Herrscher residierte: 563 Meter lang und 124 Meter breit, eine kühne, bislang unbekannte Konstruktion aus Eisen und Glas. Der Kristallpalast im Hyde Park – eine Bezeichnung, die die englische Zeitschrift Punch als erste einführte und die sich rasch für die von Joseph Paxton entworfene Ausstellungshalle einbürgerte – avancierte in der Ansicht der Zeitgenossen zu einem gigantischen Ballsaal für ein Fest des Fortschritts, einem Tempel des Friedens.329) Als gewagter Zweckbau kombinierte er Elemente der Bahnhofs- und der Gewächshausarchitektur und war seinerseits das Modell für zahlreiche Nachbauten.330) In Deutschland nahm als erste die Münchener Gewerbeausstellung von 1854 dieses Vorbild auf, indem sie nicht nur die zentrale Ausstellungshalle, sondern auch das Expositionsgelände dem HydePark nachempfand.331) Die bauliche Gestaltung und eine veränderte Architektur verbanden sich auf das Engste mit einer inhaltlichen Neuprofilierung der Ausstellungen. Der offensiv propagierte und nach außen getragene Anspruch der ersten Weltausstellung in London war den offiziellen Bekundungen nach nicht weniger als der einer weltumfassenden kulturhistorischen Bilanz. „Die Ausstellung soll ein treues Zeugnis und ein lebendiges Bild vom Stande der Entwicklung geben, zu welchem das ganze Menschengeschlecht gelangt ist und ein Höhepunkt, von dem aus alle Völker ihren ferneren Bestrebungen einen neuen Anreiz zu geben imstande sind.“332) Der ausschließlich auf die Gewerbeför326)
Julius Lessing, Das halbe Jahrhundert der Weltausstellungen, in: Volkswirtschaftliche Zeitfragen, Heft 174, Berlin 1900, S. 1–30; Hundt, Wandlung, S. 104. 327) Dass die Berliner Gewerbeausstellung von 1844 Vorbild für die Londoner Weltausstellung war, schreibt Reuleaux, Anfänge, S. 465. Diese Angabe findet sich in der neueren Forschung aber nicht bestätigt. 328) Vgl. Bucher, Skizzen; zur Person Buchers und insbesondere dessen Reportagen von der Weltausstellung vgl. Christoph Studt, Lothar Bucher (1817–1892). Ein politisches Leben zwischen Revolution und Staatsdienst, Göttingen 1992, S. 121–137. 329) Ernst Werner, Der Kristallpalast zu London 1851, Düsseldorf 1970; Chup Friemert, Die gläserne Arche. Kristallpalast London 1851 und 1854, München 1984. 330) Vgl. Wolfgang Pehnt, Der Bau, der das Sehen veränderte. Vor 150 Jahren wurde der Kristallpalast eingeweiht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Beilage Bilder und Zeiten vom 28. April 2001, S. VI. 331) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 154. 332) Lectures on the Result of the Great Exhibition of London, London 1852.
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derung abzielende Typ wich nun einem Veranstaltungsmodus, der die Ausstellung von Industrie- und Gewerbeerzeugnissen mit der Absicht verknüpfte, bestimmte Fortschrittsvisionen und technisch-industrielle Ideen zu repräsentieren.333) Damit zielte man weniger auf das schmale Segment von fachkundigen Besuchern, sondern auf ein Massenpublikum, welches man ansatzweise auch schon als Konsumentengruppe in den Blick nahm. Die Great Exhibition hatte wie ihre Folgeveranstaltungen großen Einfluss auf die Entwicklung des nationalen deutschen Ausstellungswesens: Mit der ersten Weltausstellung wurde die Vernetzung der exportbereiten Staaten untereinander verstärkt. Nicht nur die Aktivitäten des Welthandels wurden stärker, sondern auch die Frequenz der internationalen Veranstaltungen erhöhte sich. Die deutschen Industriellen orientierten sich an den internationalen Veranstaltungen und suchten dort zu reüssieren.334) Diese Entwicklung war ein Grund dafür, dass in Deutschland kaum noch größere Veranstaltungen stattfanden. Dazu beigetragen hat die Handels- und Wirtschaftskrise seit Mitte der 1830er Jahre. Allein die von Württembergs Ausstellungskommissar und beamteten Gewebeförderer Dr. Ferdinand Steinbeis organisierte „Gewerbefortschrittsausstellung“ 1858 wie auch die Allgemeine Gewerbeausstellung zu Hannover im selben Jahr waren, so Paquet, „der Erwähnung wert.“335) Mit dem Einfluss der Weltausstellungen bekam eine Entwicklung im Expositionswesen zusätzlichen Auftrieb, die in Deutschland bereits vorher eingesetzt hatte: Allmählich löste die industriell gefertigte Massenware das handwerkliche Unikat ab. Das mit der Politik der Gewerbeförderung verbundene Anliegen, in der Ausstellung das möglichst vollständig heimische Gewerbe zu präsentieren und gleichzeitig als Umschlagbörse für technisches Know-how zu dienen, war vor allem vom Handwerk getragen wie auch von der obrigkeitlichen Gewerbeförderung als Ziel formuliert worden. In der Ausstellungspraxis bedeutete dies, dass das Handwerk in der Tradition des eigenen Prüfungs- und Qualifikationswesens über die Exponate vor allem die eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen suchte. Zu diesem Zweck wurden beispielsweise besondere Stücke angefertigt, die nicht der üblichen Produktion entsprachen, sondern lediglich der Schaustellung dienten. Schon auf der 1850 während der Ostermesse in Leipzig veranstalteten Ausstellung, vor allem aber auf der ersten Weltausstellung wurde deutlich, dass sich dieses, auf kleine und mittlere Gewerbetreibende zugeschnittene Ausstellungskonzept überlebt hatte. Nun sollte stattdessen ausgestellt werden, was „im alltäglichen Leben geleistet wird“, und nicht, „was unter besonderen Anstrengungen geleistet werden kann“, so forderte beispielsweise 1861 eine Fraktion im hessischen Zentralgewerbeverein. Mit diesem Appell war mehr 333)
Eine kritische Gegenanalyse zu der gängigen Sicht findet sich bei Auerbach, Exhibition, insbesondere S. 187–192. 334) Vgl. Kroker, Weltausstellungen. 335) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 158.
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III. Das Massenmedium Ausstellung von den 1840er Jahren bis 1910
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verbunden als lediglich eine Änderung der bisherigen Ausstellungspraxis. „Wer gewöhnlicher Handwerker sein und bleiben will, der nur für seinen gewohnten Kundenkreis zu arbeiten beabsichtigt, nicht aufs Lager arbeitet, wem das Streben abgeht, durch Erweiterung seines Geschäftes, seiner Kräfte und Geschicklichkeit immer höher zu verwerten, oder wem es an Kräften und Geschicklichkeit fehlt, für den ist eine Ausstellung nicht geschaffen“, so das Resümee einer längeren Aussprache.336) Die in Hessen geführte Diskussion stand für eine generelle Umorientierung der wirtschaftlichen Produktion und Distribution, in der das Handwerk sich tiefgreifend umstrukturierte.337) Diese Entwicklung hatte auch Konsequenzen für das Ausstellungswesen: Die auf das Handwerk zielende gewerbefördernde Funktion ging mehr und mehr zurück zu Gunsten einer Zurschaustellung ökonomisch-technischer Leistungsstandards. Der Erhalt von Preismedaillen wurde zum vermarktbaren Beweis von Leistung und Konkurrenzfähigkeit, mit dem man sich gern auf Briefköpfen und in Werbeprospekten schmückte.338) Die Präsentation der Exponate zielte nicht mehr ausschließlich auf das Preisgericht oder die Jury, sondern immer mehr auf das breite Publikum, welches als Konsument umworben wurde. Damit war der einzelne Handwerksmeister, der in traditioneller Form wirtschaftete, von der Hauptrichtung der Ausstellungsentwicklung abgeschnitten: Weder finanziell noch vom organisatorischen Aufwand her konnte ein Einzelbetrieb den Repräsentationsansprüchen einer Ausstellung nachkommen. Der Handwerksmeister zielte nicht auf ein Massenpublikum, auf welches die Konzeption der Ausstellungsmacher aber immer stärker abhob. Auch das Interesse des Publikums verschob sich deutlich: Gefragt waren das Große, das Besondere, das Spektakuläre. Bildlich gesprochen verschwand die handwerkliche Kleinproduktion hinter den Krupp’schen Riesenkanonen, die sich als ein besonderer Publikumsmagnet auf den Welt- wie auch den Ausstellungen in Deutschland erwiesen.339) Prinzipiell konnte das Handwerk an diesem mehr und mehr industriellen Ausstellungswesen nur noch in Sonderschauen oder Spezialformen teilnehmen. Zum Teil tat es dieses mit großem Erfolg: Kunstgewerbliche Ausstellun-
336)
Vgl. Gewerbeblatt für das Großherzogtum Hessen. Zeitschrift des Landesgewerbevereines Nr. 19, Mai 1861, S. 146–150. 337) Vgl. Karl Heinrich Kaufhold, Handwerk und Industrie, in: Hermann Aubin/Wolfram Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1976, S. 321–368, S. 322 ff.; Friedrich Lenger, Sozialgeschichte der deutschen Handwerker seit 1800, Frankfurt a. M. 1988; sowie den Forschungsüberblick von Karl Heinrich Kaufhold, Industrielle Revolution und Handwerk, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Sonderband 1989, , S. 165–174. 338) Vgl. dazu Kiesewetter, Industrialisierung, S. 672. Vgl. auch Fabrik im Ornament. Ansichten auf Firmenbriefköpfen. Ausstellung aus Anlaß des 125jährigen Bestehens der Industrie- und Handelskammer zu Bochum, Bochum 1981. 339) Vgl. dazu Wolbring, Krupp.
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gen oder entsprechende Sektionen im Rahmen größerer Veranstaltungen boten den entsprechenden Handwerkssparten Nischen der Präsentation und damit auch der Neupositionierung auf einem sich wandelnden Markt.340) Im Vordergrund des Ausstellungswesens standen Absatzprobleme und Repräsentationsansprüche, die vor allem von industriell produzierenden Fabrikanten und ihren Interessenverbänden formuliert und getragen wurden. Damit waren weitreichende Konsequenzen für die Ausstellungspraxis verbunden: Nicht mehr die Idee einer möglichst umfassenden Repräsentation des Gewerbes und der Industrie eines Landes standen im Vordergrund. Stattdessen dominierte das Interesse an Verkauf und Umsatz ebenso wie der Versuch, das eigene wie auch das Sozialprestige der Berufs- und Sozialgruppe zu steigern. Symptome für den Form- und Funktionswandel der Ausstellungen sind Standortwahl und die regionale Verteilung von Ausstellungen: Zunächst stand dabei keinesfalls die Nähe zum Produktionsort im Vordergrund. Andere Motive waren für die Wahl ausschlaggebend, wie sich am Beispiel der ersten Gewerbeausstellung in Deutschland zeigen lässt: 1811 stellten in Düsseldorf vor allem Industrielle aus dem Bergischen Land ihre Produkte aus und versuchten auf diese Weise, Napoleon die existenzbedrohende Wirkung der Kontinentalsperre zu verdeutlichen. Als Exponate dienten Elberfelder und Barmer Textilien sowie die Erzeugnisse der Solinger und Remscheider Kleineisenindustrie.341) Die Ausstellungsstadt Düsseldorf selbst war ausschließlich mit Nahrungs- und Genussmitteln wie Senf und Punsch vertreten. Den Ausschlag für die Wahl des Standortes gab vor allem der Wille zur Repräsentation: Die Möglichkeiten zur angemessen Darstellung der Produkte und Selbstdarstellung der Akteure ließen die Haupt- und Residenzstädte attraktiver erscheinen als andere Standorte. Ein ähnlicher Befund lässt sich auch in späteren Jahren für das industrielle Zentrum an Rhein und Ruhr feststellen: Abgesehen von wenigen Ausnahmen (Duisburg 1873, Essen 1892)342) wurden dort die Ausstellungen am Rand des schwerindustriellen Reviers veranstaltet, übernahm doch Düsseldorf bereits früh die Funktion des „Schreibtischs des Ruhrgebiets“.343) Auch in den anderen deutschen Königreichen ist die Tendenz ähnlich: Wo man zunächst auf die Repräsentationswirkung der jeweiligen Haupt- und Residenzstadt setzte, da verfestigte sich eine Infrastruktur, die auch die Entscheidung für zukünftige Ausstellungen beeinflusste. Bis 1870 waren deshalb vor allem die Territorialhauptstädte der größeren deutschen Einzelstaaten Standorte allgemeiner Industrie- und Gewerbeaus-
340)
Vgl. zum Kunsthandwerk und den Ausstellungen Kapitel D III 1 in dieser Arbeit. Vgl. auch Huber, Ausstellungen, S. 8. 341) Vgl. dazu Schäfers, Werkbund, S. 21–22. 342) Vgl. Stadtarchiv Essen, Rep. 102, X Nr. 1–13; Westfälisches Wirtschaftsarchiv Dortmund K 3 Nr. 377, Bd. 1. 343) Vgl. Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 110.
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Tilsit Königsberg Danzig
Graudenz
Hamburg Bremen Bromberg
Oldenburg Hannover Berlin Braunschweig
Posen Züllichau
Halle Dresden Düsseldorf Köln
Leipzig
Kassel Erfurt
Chemnitz
Breslau
Frankfurt
Nürnberg Straßburg
Stuttgart
Anzahl der Veranstaltungen
1811–1870 1871–1900
0
50
100
150
km 200
Abbildung 1: Allgemeinausstellungen und große Spezialausstellungen in Deutschland vor und nach der Reichsgründung, Gebietsstand vom 18. Januar 1871
stellungen, verfügten doch allein diese über eine entsprechende Infrastruktur wie Ausstellungsräume und Unterbringungsmöglichkeiten für auswärtige Besucher. In der Zeit von der Jahrhundertwende bis 1870 erlebten München fünf, Stuttgart drei, Hannover sechs, Berlin sieben und Dresden sogar insgesamt neun Veranstaltungen. Weitere Gewerbeausstellungen fanden statt im kurhessischen Kassel (2), in Chemnitz (2), in Nürnberg (2), in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main (2) sowie in den preußischen Provinzhauptstädten Düsseldorf (3), Königsberg (2) und Breslau (2). Andere allgemeine Industrie- und Gewerbeausstellungen bis 1870 sind einmalige Projekte an unterschiedlichen Standorten. Die Veränderungen nach der Reichsgründung waren nicht nur der politischen Neuordnung, sondern auch dem Trend in der Ausstellungskultur geschuldet: Zunächst entfiel die finanzielle und organisatorische Unterstützung, die die Kleinstaaten im Rahmen ihrer Gewerbeförderung gewährt hatten. Zudem nahm die Zahl potenzieller Ausstellungsgegenstände, insbesondere in der Hochindustrialisierung, exponentiell zu. Vor allem die starke Ausweitung
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der Konsumindustrie und ihrer Produktpalette führte dazu, dass die Expositionen von Veranstaltern, Ausstellenden und Besuchern immer mehr als unübersichtlich kritisiert wurden. Gleichzeitig sah man sich in Konkurrenz zu den Weltausstellungen. Ihnen gegenüber versuchte man ein eigenes Profil auszubilden, indem man auf regionale und thematische Schwerpunkte setzte: Bei einer insgesamt rapide steigenden Zahl von Gewerbeausstellungen sank der Anteil der allgemeinen Gewerbeausstellungen auf Landes- und Provinzebene. Ihr prozentualer Anteil ging zugunsten von Bezirksausstellungen einerseits, thematisch spezialisierten Fachausstellungen andererseits zurück.344) Diese Entwicklung brachte aber nicht mit sich, dass nun die einzelnen Ausstellungen in ihrem Umfang oder mit Blick auf die ihr zugedachte Bedeutung geschmälert worden wären, im Gegenteil: Expositionen wie die Stuttgarter Elektrizitätsausstellung345) oder die Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellungen der Jahre 1880 und 1902 stellten viele ihrer Vorgängerveranstaltungen quantitativ wie qualitativ in den Schatten. Insbesondere die Düsseldorfer Ausstellung wurde weithin als eine Ausstellung von nationaler und internationaler Bedeutung wahrgenommen.346) Diesen Form- und Funktionswandel reflektiert auch die veränderte Wahl der Ausstellungsstandorte. Ihre Bandbreite weitete sich stark aus. Nur wenige der vormaligen Residenzstädte bewahrten sich ihre Attraktivität als Ausstellungsstadt: In der Zeit von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende fanden in Stuttgart (1881), Hannover (1878) und in München jeweils eine (1878), in Dresden drei (1871, 1875 und 1896) und in Berlin zwei allgemeine Gewebeausstellungen (1879 und 1896) statt. Mit der Veranstaltung in Berlin 1896 wurde die letzte umfassende allgemeine Ausstellung in Deutschland realisiert und zugleich die Hoffnung eines Kreises von Ausstellungsenthusiasten begraben, im Deutschen Reich eine Weltausstellung zu organisieren.347) Dennoch gewann Berlin als Veranstaltungsort für Ausstellungen zunehmend an Attraktivität.348) Seit der Reichsgründung wurden in der Hauptstadt sieben Fachausstellungen und zwei allgemeine Gewerbeausstellungen und damit deutlich mehr Expositionen als in der Phase der kleinstaatlichen Gewerbeförderung abgehalten.349) Wo die einstigen Residenzstädte ihre Attraktivität verloren, da rückten Handels- und Gewerbezentren wie Frankfurt am
344)
Döring, Handbuch, S. 54. Vgl. die einschlägigen Kapitel bei Binder, Elektrifizierung. 346) Vgl. dazu beispielsweise die Rubrik „Presseschau“ im Düsseldorfer Ausstellungstageblatt vom 1. April 1902 ff. 347) Vgl. dazu Abschnitt D IV 3 in dieser Arbeit. 348) Vgl. Wilhelm Reinecke, Berlin als Stadt der Messen, Berlin 1927. 349) Vgl. mit detaillierten Nachweisen Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 108; vgl. auch Paquet, Ausstellungsproblem, S. 173. 345)
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Main, Leipzig, Nürnberg, Breslau, Bremen und Erfurt zu wichtigen Ausstellungsstandorten auf.350) Zusätzlich differenzierte sich das innerdeutsche Ausstellungswesen inhaltlich weiter aus. Insbesondere die Fachausstellungen, die sich seit Mitte der siebziger Jahre häuften, wurden zeitgenössisch als Reaktion „gegen die zentralistischen Weltausstellungen“ gewertet.351) Verstärkt seit Ende der siebziger Jahre und damit parallel zur nachlassenden wirtschaftlichen Depression, erhielten Fachexpositionen verstärkte Bedeutung für den Austausch innerhalb einer Branche. Gleichzeitig wurde diese Veranstaltungsform für die spezielle und zielgerichtete Produktions- und Absatzförderung sowie die Propagierung spezieller Anliegen und Themen eingesetzt. So widmeten sich beispielsweise verschiedene Ausstellungsprojekte der Popularisierung der Elektrizität, andere versuchten das Wissen über landwirtschaftliche Technik, neue Methoden der Fischereiwirtschaft oder Kenntnisse zur Volksgesundheit und zur allgemeinen Hygiene zu verbreiten.352) Träger waren in diesem Fall die Spitzenorganisationen der jeweiligen Handwerks-, Industrie- oder Gewerbesparte.353) Im Zentrum stand in diesem Segment des Ausstellungs350)
Für Frankfurt: Historische Ausstellung kunstgewerblicher Erzeugnisse (1875), Allgemeine Deutsche Patent- und Musterausstellung (1881), Elektrotechnische Ausstellung (1891) etc.; für Leipzig: Kunst- und Kunstgewerbeausstellung (1875), Sächsische Gewerbeausstellung (1892), Sächsisch-thüringische Gewerbe- und Industrieausstellung (1897) etc.; für Nürnberg: Bayerische Landesgewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung (1882), Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen (1885), Bayerische Landesgewerbeausstellung (1896); für Breslau: I. Schlesische Kunstgewerbeausstellung (1878), Schlesische Gewerbe- und Industrieausstellung (1881), Ausstellung für Bäckerei und Konditorei (1890); für Bremen: Internationale Landwirtschaftsausstellung (1876), Industrieausstellung (1888), Nordwestdeutsche Gewerbeausstellung (1890); für Erfurt: Große Gartenbauausstellung (1876), Gartenausstellung (1878), Thüringische Gartenbau- und Industrieausstellung 81893), Große Thüringische Gewerbe- und Industrieausstellung (1894). 351) Vgl. Morgenroth, Ausstellungen, S. 50. 352) Vgl. dazu die Angaben in der Tabelle zu folgenden Ausstellungen: Internationale Elektrizitätsausstellung München (1892), Elektrotechnische Ausstellung Frankfurt am Main (1891), Elektrische Ausstellung Karlsruhe (1895), Württembergische Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgewerbe Stuttgart (1896) u.v.m.; Berlin 1873 und 1880; zu den Hygieneausstellungen vgl. Christine Brecht, Das Publikum belehren – Wissenschaft zelebrieren. Bakterien in der Ausstellung „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“ von 1903, in: Christoph Gradmann/Thomas Schlich (Hrsg.), Strategien der Kausalität. Konzeptionen der Krankheitsverursachung im 19. und 20. Jahrhundert, Pfaffenweiler 1999, S. 53–76. 353) Insbesondere in Leipzig konzentrierten sich eine Vielzahl von Fachausstellungen. Vgl. Ernst Hasse, Geschichte der Leipziger Messen, Leipzig 1885, S. 171–172: Genannt sind dort 1869 Ausstellung des Müller- und Mühleninteressentenverbandes, 1873 Ausstellung des Allgemeinen Deutschen Schuhmachervereins, 1877 Ausstellung der Blechwarenindustrie, 1877 Ausstellung von Maler- und Lackierarbeiten (1. deutscher Malertag), 1878 Ausstellung parallel zum Tapeziererkongreß, 1878 Ausstellung des Bäckerverbandes „Germania“, 1878 Ausstellung bei Gelegenheit des Internationalen Fleischertages, 1879 Kunstgewerbeausstellung für das Königreich Sachsen und Thüringen, 1880 Fachausstellung der Drechsler und Bildschnitzer Deutschlands und Österreichs, 1880 Ausstellung der
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wesens die Kommunikation der Fachleute untereinander, konnten doch Geschäfte und Kooperationen angebahnt oder auch Verträge geschlossen werden. Die große Zahl von Bezirksausstellungen in den wenig industrialisierten Regionen richtete sich hingegen nicht an ein Fachpublikum, sondern versuchte unmittelbar den Konsumenten anzusprechen.354) Die verbrauchernahen und dezentralen Ausstellungen konnten an eine lange Tradition der lokalen und regionalen Industrie- und Gewerbeausstellungen anschließen: Die seit 1830 in den Hauptstädten der fünf großen Königreiche Preußen, Sachsen, Württemberg, Bayern und Hannover veranstalteten Ausstellungen hatten in der Zeit nach 1830 einen regionalen bzw. lokalen „Unterbau“ erhalten, der auch auf die kleineren deutschen Territorialstaaten übergriff.355) Dieser Strang der Ausstellungskultur, der ganz auf die lokalen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zielte, blieb seit seiner Etablierung in Deutschland erhalten, entwickelte ein Eigenleben und folgte den Trends auf der internationalen und der nationalen Ebene nur zum Teil und zumeist zeitversetzt. Zwar versuchten einige Veranstalter durchaus, die Hauptattraktionen der großen Expositionen zu kopieren, um über den damit erzeugten Glanz und die Lust am Spektakel ein möglichst großes Publikum für den Besuch zu interessieren. Bei ihren Bemühungen stießen sie aber rasch an ihre finanziellen wie organisatorischen Grenzen, so dass sich in den klein- und mittelstädtischen Ausstellungen die Tendenzen und Moden der Ausstellungskultur nur in Abstufungen durchsetzten.356) Sieht man von den Präsentationen von Handwerks- und Industrieerzeugnissen ab, die am Rande von Dorffesten stattfanden, dann konservierte sich in den kleinräumigen Ausstellungen die doppelte Ausrichtung auf Gewerbeförderung und Marktvorbereitung stärker. Insbesondere in industriearmen Regionen nutzten die örtlichen Gewerbetreibenden diese Veranstaltungen als Werbemittel wie auch als Instrument der Selbstrepräsentation. Vielfach war auch den Stadtrepräsentanten und Behörden daran gelegen, mittels einer Lokalausstellung dem Fortschritt einen Weg zu bahnen.
deutschen Wollindustrie, 1882 Deutsche Kochkunstausstellung. Weitere Angaben zur Entwicklung der Fachausstellungen in anderen Orten finden sich im Anhang dieser Studie. 354) Beispiele dafür sind die Schlesische Kunstgewerbeausstellung in Breslau, die Niederschlesische Gewerbeausstellung in Legnitz (1880) oder die Nordostdeutsche Gewerbeausstellung Danzig (1894) und viele mehr. 355) Vgl. Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 101. 356) Vgl. hierzu Stadtarchiv Herford, Acte B 381, S. 27 [Konzept zum Verwaltungsbericht für 1870 des Bürgermeisters Sack darüber hinaus: Sondersammlung: Aufruf zur Gewerbeund Industrie-Ausstellung in Herford [Dezember 1869]; Katalog der der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung auf dem Sützenhofe [Schützenhofe] zu Herford. Abzuhalten vom 15. bis 29. Mai 1870, gedruckt von E. Heidemann, Herford 1870; Reglement der Gewerbeund Industrie-Ausstellung [Februar 1870]. HStA Düsseldorf, Regierung Aachen – Handel und Gewerbe, Nr. 8072, S. 38–42.
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So ging beispielsweise das Projekt einer 1881 in Detmold abgehaltenen Industrie- und Gewerbeausstellung auf Initiative des eigens zu diesem Zweck gegründeten Handels- und Gewerbevereins zurück.357) Bislang waren die Fürstentümer Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe, aus deren Umkreis sich die Aussteller sammelten, durch eine Verkehrs- und insbesondere Eisenbahnpolitik, die einer raschen und effektiven Industrialisierung entgegenlief, ökonomisch ins Hintertreffen geraten.358) Da die (vor allem politisch zunächst blockierte) Eisenbahnverbindung fertig gestellt war, versuchte man nun, „Anregungen in das lippische Gewerbe, insbesondere in lippische Handwerkerkreise hineinzutragen“.359) Explizit wandten sich die Veranstalter gegen die weit verbreitete Vorstellung von einer „Ausstellungsmüdigkeit“. Die Veranstaltungen müssten lediglich „in neue Bahnen und Kreise gelenkt werden“: die „Freude an der eignen Arbeit und der Wettstreit mit den Berufsgenossen“ wirke aufmunternd, die Ausstellung biete die „Möglichkeit, von einander zu lernen und seine Kunstfertigkeit zu erweitern.“360) Das Ausstellungsstatut legte als Zweck der Veranstaltung fest, „ein Gesammtbild von Industrie und Gewerbe im Fürstenthum Lippe“ zu geben und damit die „Anregung, welche die großen Ausstellungen der Industrie und dem Großgewerbe boten, in die Kreise des eigentlichen Handwerks“ zu tragen.361) Selbstbewusst beschrieb der Vorsitzende des Detmolder Gewerbevereins die Ausstellung nach ihrer Eröffnung: „Wir haben eine Handwerkerausstellung vor uns, wie sie in solcher Vollständigkeit und Abgeschlossenheit wenige Ausstellungen bieten und wer ein Bild haben will von der Durchschnittsleistung des Handwerks in heutiger Zeit, der findet es hier übersichtlich zusammengestellt.“ Über die Produkte der heimischen Gewerbe und Industrien hinaus waren Gegenstände zugelassen, die nicht im Ausstellungsgebiet Lippe produziert wurden, die aber „zur Hebung und Förderung des Gewerbes dienen“ sollten. Das Komitee nannte dabei vor allem „Klein-Motoren, Arbeits- und landwirtschaftliche Maschinen“ und – als Lippisches Spezifikum – „Musikinstrumente u.s.w.“ Angestrebt war es, „Gegenstände verschiedener Waaren-Gattungen, 357)
Zu ganz ähnlichen Befunden kommt man bei der Analyse weiterer lokaler Ausstellungen. Vgl. u. a. Günther Voß, Die erste Gewerbe- und Industrie-Ausstellung im Mai 1870 in Herford, in: Herforder Verein für Heimatkunde e.V. (Hrsg.), Freie und Hansestadt Herford. Aus Politik, Wirtschaft und Kultur, aus dem kirchlichen und sozialen Leben in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 2, Herford 1983,S. 15–25; Joachim Kernmann, Die zweite Pfälzische Industrieausstellung zu Kaiserslautern im Jahre 1860, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 26/27 (1988/1989), S. 137–164, S. 158–161; Pasing, Gewerbeausstellungen. 358) Steinbach, Industrialisierung, S. 212–216. 359) Vgl. Staatsarchiv Detmold, L 115 D, Nr. 44, unpag. 360) Vgl. Katalog der Lippischen Gewerbeausstellung in Detmold 1881. Ausstellung für die Fürstenthümer Lippe und Schaumburg-Lippe, herausgegeben vom Vorstande der Ausstellung, Detmold 1881. 361) Hierzu und zum Folgenden Staatsarchiv Detmold, M 1 I U 97, S. 213 f.
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die einem gemeinsamen Zweck dienen, in ihrer Anwendung vorzuführen“. Küchen und Werkstätten sollten als Gesamtensemble aufgebaut werden, ausgestellte Motoren tatsächlich Maschinen antreiben und dabei Arbeitsprozesse zeigen, Produkte gleicher Machart und Gattung zu Kollektivausstellungen zusammengeführt werden.362) Gleicht man die Zweckbestimmung mit der Ausstellungspraxis und ihrer Rezeption ab, so scheint sie zumindest teilweise ihr Ziel erreicht zu haben: Die zwei Detmolder Tageszeitungen hatten in ihrer Berichterstattung nicht nur auf die lokalen Gewerbe abgehoben, sondern auf Innovationsmöglichkeiten und insbesondere neue Maschinen hingewiesen.363) Auch wenn es kaum möglich ist, eine direkte ökonomische Wirkung von Ausstellungen nachzuweisen und diese zu quantifizieren,364) so ging doch – folgt man den zeitgenössischen Analysen – mindestens von der Ausstellung ein psychologischer Schub aus. Blickt man auf die nationale Ausstellungslandschaft, so zeigte sich erst im Jahr 1865 wieder eine größere Zahl von Expositionen, die über den Bezirk hinausgingen. „Der Großindustrie [aber] vermochten jene Ausstellungen keine Anregung zu bieten“, so beschrieb Paquet deren Wirkung.365)
Ausstellungen pro Jahr
Gewerbeausstellungen in Deutschland 1790–1908
Zur Datenbasis, den zeitlichen Begrenzungen und dem Aussagewert des Diagramms siehe die methodischen Hinweise zu dem Anhang I „Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland 1790–1908“.
362)
Dass dieses nur vereinzelt gelang, zeigen die Berichte über die Gewerbeausstellung. Vgl. Lippische Post Nr. 62 vom 3. 8. 1881. 363) Vgl. den jeweiligen „Gang durch die Ausstellung“, den die Lippische Landeszeitung wie auch die Lippische Post parallel zur Ausstellung unternahmen. 364) Vgl. dazu Kiesewetter, Industrialisierung, S. 666. 365) Vgl. Paquet, Ausstellungsproblem, S. 160.
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In den siebziger und achtziger Jahren erlebte das Ausstellungswesen einen massiven Aufschwung. Die Expositionen waren Produkt und Promotor einer wieder in Fahrt kommenden Konjunktur, die sich zur Hochindustrialisierung des späten 19. Jahrhunderts verdichtete. Damit war der Bedarf an Information und Popularisierung besonders hoch: Binnenwirtschaftlich traten mit der elektrotechnischen, der chemischen Industrie und dem Maschinenbau neue, wissenschaftszentrierte Industrien auf den Markt. In innenpolitischer und sozialer Hinsicht war bedeutsam, dass das alte Produktionsregime „der ‚liberalen Marktwirtschaft von oben‘ […] in der ‚Gründerkrise‘ seit 1873 tödlich getroffen [wurde] und bis zum Ende der ‚Großen Depression‘ in der Mitte der 1890er Jahre einem neuen sozialen System der Produktion Platz machen“ musste.366) Zudem waren die Jahre zwischen 1870 und dem Ersten Weltkrieg eine Hochphase globaler ökonomischer Expansion, die mit multinationalen Unternehmen und Free-Standing Companies neue wirtschaftliche Akteure hervorbrachte.367) Die auf diesem Hintergrund veranstalteten Schaustellungen wie die Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1880, die Württembergische Landesausstellung 1881 oder die Bayerische Landesindustrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung zu Nürnberg 1882 vermittelten „das Bild einer geradezu überraschenden Entfaltung der gewerblichen Produktivkräfte und einer dieser Expansion entsprechenden Ausstellungslust.“368) Zugleich waren die Ausstellungen von ihren Initiatoren dezidiert als Promotor eines wirtschaftlichen Aufschwungs angelegt: So beriet beispielsweise der Ingenieurverein zu Hannover 1877, wie man der wirtschaftlichen Depression begegnen könne, und regte unter allen „dem Fortschritte auf wirthschaftlichem Gebiete gewidmeten Vereinen“ eine Allgemeine Industrie- und Gewerbeausstellung für das Jahr 1878 an.369) Andere Landes- und Provinzialausstellungen folgten diesem Beispiel. Seit London 1851 den internationalen technischen Fortschritt zu einem Schwerpunkt der Ausstellung gemacht hatte, war diese Demonstration Hauptgegenstand vieler Ausstellungen.370) Im „naturwissenschaftlichen Zeitalter“,371) 366)
Werner Abelshauser, Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: GG 27 (2001), Nr. 4, S. 503–523, S. 507. 367) Vgl. James Foreman-Peck, A History of the World Economy. International Economic Relations since 1850, Brighton 1983; Mira Wilkins/Harm Schröter, The Free-Standing Company in the World Economy 1830–1996, Oxford 1999. 368) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 173. 369) Vgl. Die Allgemeine Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover für das Jahr 1878. Im Auftrage und unter Mitwirkung des Vorstandes der Ausstellungskommission bearbeitet von Ferdinand Jugler, Hannover 1880, S. 6; Paquet, Ausstellungsproblem, S. 171. 370) Vgl. dazu weiter Abschnitt D 2 dieser Studie 371) Zitiert nach Armin Hermann, „Auf eine höhere Stufe des Daseins erheben“ – Naturwissenschaft und Technik, in: August Nitschke/Gerhard A. Ritter/Detlev J.K. Peukert/Rüdiger vom Bruch (Hrsg.), Jahrhundertwende. Der Aufbruch in die Moderne 1880–1930, Bd. 1, Hamburg 1990, S. 312–336, S. 313. Hermann zieht hier eine Rede von Werner von Siemens aus dem Jahre 1886 heran: Werner von Siemens, Das naturwissenschaftliche Zeitalter, in: Tageblatt der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Berlin vom 18.–24. September 1886, Berlin 1886, S. 95 f.
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in dem theoretische Forschung und industrielle Verwertung eine neue Verbindung eingegangen zu sein schienen, waren in Gebieten wie der Chemie und der Elektrotechnik spektakuläre Forschungserfolge gelungen, die unmittelbar in die Industrieentwicklung und speziell auch in die Konsumindustrie zurückwirkten. Obwohl diese Ergebnisse in Fachzeitschriften zum Teil sogar erheblich früher dokumentiert waren, kam den Ausstellungen doch beim Transfer und der Popularisierung von Technologie eine entscheidende Rolle zu. Die Akzeptanz von und die Begeisterung für neue Technik vollzog sich „im entscheidenden nicht über sachliche Information, sondern über konkrete Anschauung und über die Suggestion internationaler Trends.“372) Da die Ausstellungen über Möglichkeiten zur visuellen und sinnlichen Repräsentation wissenschaftlich-technischer Ergebnisse wie auch ihrer industriellen und alltagsrelevanten Umsetzung verfügten, fachten sie die Technikbegeisterung breiter Kreise ebenso an wie sie zugleich davon für ihre eigenen Belange profitierten.373) Auf besonderes Zuschauerinteresse stieß die Berliner Gewerbeausstellung von 1879, deren Spuren sich bis in die Folgeausstellung in Berlin-Treptow 1896 zogen.374) Neben Fachausstellungen in Erfurt, Frankfurt und Wien sowie Landesausstellungen in Baden, in Württemberg und Bayern ist vor allem die Ausstellung der preußischen Westprovinzen in Düsseldorf 1880 von besonderer Bedeutung. Nicht nur wirtschaftlich gaben diese Veranstaltungen Impulse, sondern sie strahlten zugleich auf das Ausstellungswesen selbst aus, wurden doch neue Formen der Präsentation, der Belehrung und des Massenamüsements entwickelt.375) Die Düsseldorfer Ausstellung für das rheinisch-westfälische Industriegebiet im Jahr 1880 ist als ein „Symbol des ‚deutschen Ausstellungswesens‘“ interpretiert worden, in dem sich gegen das System der Weltausstellungen die regionale Selbstdarstellung und damit im konkreten Fall die Betonung des volkswirtschaftlichen Gewichts der Schwerindustrie durchsetzte.376) Damit ist bereits ein weiteres Motiv angedeutet, welches die Ausstellungskultur seit den späten siebziger Jahren prägte: Zusätzlich zur Idee, mittels der Ausstellung eine wirtschaftliche Belebung herbeizuführen, und in Ergänzung zu einem gesteigerten Informationsbedarf in der „zweiten Industrialisierung“,
372)
Joachim Radkau, Technik in Deutschland. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M. 1989, S. 150. 373) Vgl. dazu Kapitel D II in dieser Arbeit. Die zwei neuesten und viel beachteten Studien zur Wissenschaftspopularisierung (Schwarz, Schlüssel; Daum, Wissenschaftspopularisierung) beachten das Segment der Ausstellungen nicht. Allein ein regionaler Zugang versucht sich an dieser Thematik. Vgl. Cleve, Fortschritt, S. 149–169. 374) Vgl. Paquet, Ausstellungsproblem, S. 173. 375) Reuleaux, Ausstellungswesen, S. 474. Er spricht in seiner sehr summarischen Betrachtung davon, dass „dieser ganze Zug von Ausstellungen […] sich mit mehr oder weniger Erfolg in den erworbenen, oben schon geschilderten Bahnen“ bewegt habe. 376) Vgl. Gessner, Industrialisierung, S. 144.
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rückte der Wunsch nach einer nationalstaatlichen Repräsentation in den Vordergrund des Ausstellungswesens.377) Bei den Weltausstellungen drängten vor allem staatliche Stellen auf eine repräsentative deutsche Beteiligung und nahmen zum Teil massiven Einfluss auf ihre Realisierung: So unterstützte eine spezielle Abteilung im Wirtschaftsministerium Industrielle bei ihrem Beitrag zur deutschen Repräsentation auf den Weltausstellungen organisatorisch und finanziell. Wo sich die Universalausstellungen zunehmend zu Veranstaltungen entwickelten, die „nationalistisch überhöht das Spiegelbild eines gewandelten staatlich-gesellschaftlichen Selbstverständnisses“ waren, da veränderten sich auch die deutschen Auftritte:378) Sie waren immer weniger rein wirtschaftliche Engagements einzelner Unternehmen oder Branchen, sondern wurden zusätzlich aufgeladen zu außenpolitisch bedeutsamen Repräsentationsereignissen.379) Darüber hinaus waren viele der in Deutschland abgehaltenen Ausstellungen explizit als Reaktionen auf die Weltausstellungen konzipiert: Berlin 1878, Düsseldorf 1880 und Düsseldorf 1902 sind Beispiele dafür, wie man von deutscher Seite aus versuchte, auf ungünstige Ergebnisse oder (vermeintlich oder tatsächlich) benachteiligende Präsentationsmöglichkeiten der deutschen Sektion zu reagieren: In Philadelphia 1876, so resümierte das Ehrenpräsidium der Düsseldorfer Ausstellung von 1880, war Deutschland „schwach und unzulänglich“ mit seinen Produkten vertreten. Hatte deshalb, so die rhetorische Frage, die deutsche Industrie sich „ohnmächtig der überwältigenden Concurrenz des Auslandes zu unterwerfen?“ Nein, so die bereits implizierte Antwort: Es galt vielmehr, in der „dem deutschen Wesen angemessen Form“ der Provinzialausstellung, „Deutschlands alten Ruhm zu retten“ und zu zeigen, „daß Deutschland an der Spitze der Nationen steht, nicht nur in Schlachten und Siegen, sondern auch für den friedlichen Wettstreit der Künste und Gewerbe“.380) Zu anderen Gelegenheiten war wettzumachen, dass eine deutsche Delegation auf Grund außenpolitischer Friktionen überhaupt nicht entsandt worden war.381) 377)
Vgl. dazu in dieser Arbeit Abschnitt D IV 3. Das Zitat bei Gessner, Gewerbepolitik, S. 146. 378) Gessner, Industrialisierung, S. 146. Die Aktivitäten der Kommission und der Ausstellungskommissare für das Deutsche Reich sind dokumentiert im BA Berlin, Bestand Reichskanzlei R 43, Nr. 575 ff. 379) Vgl. dazu Christoph Cornelißen, Die politische und kulturelle Repräsentation des Deutschen Reiches auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, in: GWU 52 (2001), S. 148–161; Pohl, Weltausstellungen; Eckhardt Fuchs, Das Deutsche Reich auf den Weltausstellungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ 9 (1999), Heft 5/6, S. 61–88. 380) Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 54 a, unpag.: Circular Nr. IX an die Mitglieder des Haupt-Comitees der Düsseldorfer Gewerbeausstellung […] vom 30. November 1880. 381) Die Berliner Ausstellung 1878 nimmt dezidiert das Urteil des deutschen Ausstellungskommissars Franz Reuleaux zum deutschen Beitrag der Weltausstellung in Chicago, die deutschen Exponate seien „billig und schlecht“ zum Anlass der eigenen Ausstellung. Die Veranstalter der Düsseldorfer Ausstellung erklären ihre Bemühungen mit dem Hinweis darauf, dass der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr auf internationalen Ausstellungen zu wenig Platz zugestanden würde. Entsprechende belege anführen.
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Wo der Staat seinerseits die deutsche Beteiligung an Weltausstellungen zu fördern und auch zu reglementieren suchte, um auf diese Weise an Höchstmaß an nationalstaatlicher Repräsentation zu erreichen, da hatte er sich aus der Organisation innerdeutscher Veranstaltungen zunehmend zurückgezogen. Als Veranstalter traten private Komitees auf, deren Vorstände meist eng verbunden waren mit wirtschaftlichen Interessenverbänden oder lokalen Honoratiorengruppen. Die Oberaufsicht ging seit Mitte der dreißiger Jahre in vielen Fällen von den ländereigenen Institutionen auf die regionalen und lokalen Behörden über.382) Friktionen zwischen den Interessen des Veranstaltungskomitees und den Verwaltungsinstanzen blieben dennoch die Ausnahme, da hohe Vertreter der Behörden in die Vorbereitungsausschüsse integriert waren.383) Die Landesbehörden oder die städtische Verwaltung warben für die Unternehmungen in ihren Amtsblättern, gewährten Stempelfreiheit für abgehaltene Lotterien und reduzierten oder erließen die Transportkosten auf den landeseigenen Eisenbahnen.384) Allein bei der Zeichnung von Anteilen zu den Garantiefonds oder bei der Gewährung von staatlichen Orden und Auszeichnungen reagierten die staatlichen Stellen zurückhaltend.385) Zum größten Problem in der Anlaufphase entwickelte sich die Finanzierung eines Ausstellungsprojektes. Für die Kosten ihrer Präsentationen und Ausstellungsstände hatten die Aussteller selbst aufzukommen. Die Erschließung des Geländes und die Errichtung zentraler Gebäude konnten aber nicht allein über die Platzmiete und den Erlös von gelegentlich veranstalteten Verlosungen finanziert werden. Um die finanziellen Risiken abzusichern, mussten daher Garantiefonds gezeichnet werden. Die Zeichner konnten dabei auf eine Verzinsung ihrer Einlagen hoffen, die sich zwischen 2 und 3 ½ Prozent bewegte.386) Der Hauptteil der Gewinne wurde in der Regel für gemeinnützige Zwecke verwendet. Ihr finanzielles Engagement kam dann zum Tragen, wenn Verluste eingefahren wurden und über den Garantiefonds gedeckt werden mussten. Für die Veranstalter war die Werbung von Fondszeichnern immer auch ein Testlauf für die Unterstützung und die öffentliche Resonanz, auf die ihre Veranstaltung setzen konnte. Die Organisatoren gingen dabei in immer ähnlicher Manier vor: Im Fall der Düsseldorfer Ausstellung von 1880 rechneten die Veranstalter beispielsweise mit Kosten bis zu 650 000 Mark, von denen 400 000 über einen Fonds abgesichert werden sollten. Den darüber hinausgehenden Betrag hatte man auf 382)
Vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 47–50, S. 176, S. 230 f. Vgl. dazu die Fallstudie in Abschnitt B III 2. 384) Eine detaillierte Skizze der Korrespondenz zwischen Behörden und Veranstaltern findet sich bei Kernmann, Industrieausstellung, S. 141–145. Vgl. auch Wilhelm Lührs, Vor hundert Jahren – die Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrieausstellung, in: Bremisches Jahrbuch 69 (1990), S. 11–20, S. 11–13. 385) GHStA Berlin, Rep 120 E Nr. 1, S. 128 f. und öfter. 386) Als Beispiele vgl. Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 18 [Hannover 1878]; Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 6 f. 383)
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der Einnahmenseite fest für sich verbucht. Mit einer Werbeschrift wandte man sich an die die öffentliche Hand, an große Firmen und Konsortien, aber auch an Privatpersonen.387) Bereits auf der ersten Sitzung des Ausstellungsvorstandes am 17. Dezember 1878 konnte berichtet werden, dass sich die Rheinische, die Bergisch-Märkische und die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft mit jeweils 15 000 Mark beteiligten. Die Stadt Düsseldorf zeichnete 20 000 Mark, die aber im Gros aus dem Überschuss der Gewerbeausstellung von 1852 und dessen Zinsen stammten. Erst ein „aus sieben Herren bestehender Ausschuß unter Vorsitz von [Bankier] Trinkaus“ erreichte durch „persönliche Besuche“, dass allein in Düsseldorf innerhalb von vier Wochen 336 000 Mark gezeichnet wurden. Die Beträge, die sich zwischen 300 und 10 000 Mark bewegten, stammten nicht nur von Institutionen, sondern zum Großteil von Privatpersonen.388) Für die Finanzierung der Ausstellung 1902 hatte man die Konditionen geändert: In einem „fonds perdu“, der vor allem dem Bau eines massiven Gebäudes für wiederkehrende Kunstausstellungen dienen sollte, zeichneten das Westfälische Kohlensyndicat, die Rheinprovinz, die Stadt Düsseldorf jeweils 100 000, die Düsseldorfer Künstlerschaft 60 000 Mark. Für einen zweiten, „eventuell rückzahlbaren Beitragsfonds“ sollten ebenfalls 300 000 Mark aufgebracht werden. Der Garantiefonds belief sich auf 3 000 000 Mark und wurde innerhalb von 14 Tagen „fast ausschließlich“ in Düsseldorf gezeichnet, wie eine Werbebroschüre des Ausstellungsvorstandes 1899 verkündete.389) Zum Zweck der Finanzierung, aber auch der Werbung ging man mit dem Vorhaben breit an die Öffentlichkeit. Eine „Bürgerversammlung“ in der städtischen Tonhalle erklärte es im Vorfeld der Ausstellung 1902 zu einer „Ehrenpflicht der Düsseldorfer Bürgerschaft, den erforderlichen Garantiefonds in der Höhe von mindestens 2 Millionen Mark aufzubringen.“390) Nicht nur durch Werbebroschüren, Zeitungsberichte und Veranstaltungen am Ort versuchte man für die Ausstellungen zu mobilisieren. Im Fall der Düsseldorfer Unternehmungen waren sowohl 1880 als auch 1902 „Localcomités“ gegründet worden, die für die Zeichnung von Anleihen wie auch unter den Gewerbetreibenden für eine Beteiligung an der Ausstellung warben.391) Man konnte sich
387)
Vgl. Die allgemeine Gewerbe-Ausstellung für Rheinland-Westfalen zu Düsseldorf im Jahre 1880, Düsseldorf 1878. 388) Stadtarchiv Düsseldorf, Bestand XVIII, Nr. 1, unpag.: Protokoll der Sitzung vom 29. August 1878. Vgl. dazu Hugo Weidenhaupt, Die Gewerbe- und Kunstausstellung zu Düsseldorf 1880, in: Düsseldorfer Jahrbuch 57/58 (1980), S. 416; ebd., Nr. 266–268 [Zeichnungen zum Garantiefonds mit Liste]. 389) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 5 f. 390) Ebd., S. 6. 391) Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII Nr. 91: Gründung und Korrespondenz der Ortausschüsse [Düsseldorf 1902]; ebd., XVIII Nr. 1, unpag.: Sammelschreiben an mögliche Vorsitzende von Localcomités, datiert vom 28. Sept. 1878.
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dabei auf die Industrie- und Handelskammern stützen, die Personen aus ihrem Bezirk für die Gründung von „Localcomités“ empfahlen.392) Die von Staatsseite oder von Zusammenschlüssen von Industriellen getragenen Expositionen waren zunächst darauf angelegt, den Garantiefonds nicht anzugreifen. Vielfach kam es dennoch zu erheblichen Verlusten, die vor allem auf eine Explosion der nur unzureichend prognostizierten Kosten zurückzuführen war.393) Nur in einigen Fällen gelang es den privaten und staatlichen Veranstaltern, beträchtliche Gewinne zu erwirtschaften.394) Diese wurden in der Regel aber zu gemeinnützigen, speziell zu gewerbefördernden Zwecken genutzt und dienten nicht zuletzt als Startkapital für Folgeveranstaltungen.395) Neben die staatlichen außenpolitischen Ambitionen traten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zunehmend auch die Interessen von kommerziellen Ausstellungsveranstaltern. Nicht nur Unternehmer wie Thomas Cook, der als erster internationaler Reiseveranstalter 1889 Reisen zur Pariser Weltausstellung anbot und über 200 000 Besucher mit 100 Pferden durch Stadt und Ausstellung führte,396) sondern auch einzelne Kommunen und Regionen begriffen die Ausstellungen als aktive Förderung des Fremdenverkehrs, wie im Folgenden für Deutschland gezeigt werden soll: „Viele Ausstellungen haben – wie manche Vergnügungszüge oder Musikfeste – nur den Zweck, die Aufmerksamkeit der Touristen auf die Unternehmerstadt hinzulenken“, so fasste der Ausstellungstheoretiker Huber seine Überlegungen zum Nutzen der Ausstellungen zusammen. Paris, Wien und München begannen in der zweiten Jahrhunderthälfte, systematisch und aus „wohlverstandenen kommunalen Rücksichten“ Ausstellungsprojekte zu entwerfen, „lediglich um eines der Le392)
Vgl. die entsprechende Korrespondenz in WWA Dortmund, B. 3 b: Ausstellungen und Messen, K 2 Nr. 925, S. 163 f. und öfter. 393) Vgl. dazu den Ausweis des finanziellen Ergebnisses in Anhang I: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. 394) Vgl. die im Anhang befindliche Aufstellung. 395) Als ein wichtiges Beispiel ist hier der Umgang mit den Überschüssen der Düsseldorfer Ausstellungen heranzuziehen, die jeweils dazu dienten, die Folgeveranstaltung zu ermöglichen. Das finanzielle Plus der Ausstellung von 1880 wurde zugleich dafür verwendet, ein Gewerbemuseum einzurichten. Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, II 176, S. 69 f. [Ausstellung 1852]; ebd., XVIII Nr. 1: Sitzungen des Hauptkomitees und des Vorstandes, Sammlung hektographierter und gedruckter Denkschriften … 1878–1881, unpaginiert: Circulair No. 10. An die Mitglieder des Haupt-Comites der Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880, und öfter. 396) Helmut Gold, Wege zur Weltausstellung, in: Hermann Bausinger/Klaus Beyer/Gottfried Korff (Hrsg.), Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991, S. 320–326; Alexander C. T. Geppert, True Copies: Time and Space Travels at British Imperial Exhibitions, 1880–1930, in: Hartmut Berghoff/Christopher Harvie/Barbara Korte/ Ralf Schneider (Hrsg.), The Making of Modern Tourism. The Cultural History of the British Experience, 1600–2000, Houndsmills 2002, S. 223–248; vgl. auch Rüdiger vom Bruch, „Der Zug der Millionen“. Massengesellschaft im Aufbruch, in: Nitschke/Ritter/ Peukert/vom Bruch, Jahrhundertwende, S. 92–120.
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benselemente einer Großstadt, den Fremdenstrom konstant zu erhalten.“397) Ausstellungskataloge wurden dann typischerweise mit Stadtkarten versehen, die nicht nur den Weg zur Exposition erläuterten, sondern zusätzlich auf Attraktionen und Sehenswürdigkeiten im Umfeld verwiesen. Auch Tagesreisen, die den Besucher vom Austragungsort der Ausstellung in die weitere Umgebung führten, wurden organisiert und verkauft.398) Den Ausstellungsboom machten sich private Veranstalter zu Nutze, die ihrerseits als „Ausstellungs-Direktoren“ auftraten und auf einen kommerziellen Erfolg zielten. In der zeitgenössischen Diskussion wurde der Nutzen einer derartigen Professionalisierung nicht bestritten, immerhin erforderten Organisation und Durchführung von Ausstellungen ein großes Know-how auf den verschiedenen Gebieten.399) Zum Problem für Aussteller und Organisatoren von Expositionen entwickelte sich aber die ausschließlich auf finanziellen Gewinn zielende Ausstellungspraxis: Beispielhaft ist die Klage eines Ausstellers, der monierte, dass zusätzlich zur Platzmiete eine Reihe von Sonderleistungen bezahlt werden müssten, die vom Transport der Waren über die Aufbewahrung des Verpackungsmaterials bis zu den Unkosten für die Anfertigung der auf der Ausstellung erworbenen Goldmedaille reichte. „Die Ausstellung geht darauf aus, Geld zu machen und zieht alles und jedes heraus, wofür eine Forderung aufgestellt werden kann, und den Aussteller, den hat man ja in der Hand!“400) Häufige Quellen für Streitigkeiten und Auseinandersetzungen waren vor allem Willkür bei der Platzvergabe sowie eine allgemein schlechte Organisation. Dieses Problem verdichtete sich im Phänomen der „Schwindelausstellungen“, welches in Ausstellerkreisen wie auch in den damit befassten Behörden intensiv diskutiert wurde.401) Insbesondere seit der Jahrhundertmitte beklagten die Vertreter vieler Branchen die sogenannte „Projektemacherei“. 1908 wurde der „Projektmacher“ in Meyers Großes Konversationslexikon als eine Person definiert, welche „sich im Entwerfen neuer, meist unausführbarer Pläne gefällt.“402) Neben der Gründung von Kapital- und Spekulationsgesellschaften war insbesondere das Ausstellungswesen ein dankbares Metier für
397)
Huber, Ausstellungen, S. 16. In Köln plante man in den Jahren 1881–1884 ernsthaft eine Weltausstellung zu veranstalten, um damit die städtischen Einnahmen zu verbessern und eine in Folge der Stadterweiterung drohende Steuer auf Kölnisches Bier abzuwenden. Vgl. Albert Erlecke, Unsere Finanzen und das Project einer Weltausstellung in Köln im Jahre 1885, Köln 1884. 398) Vgl. dazu exemplarisch die diversen Ausstellungsführer zu den Düsseldorfer Ausstellungen 1880 und 1902. 399) Vgl. Huber, Ausstellungen, S. 44. 400) „Aus rheinischen Fabrikantenkreisen“, in: Deutsche Metallindustrie-Zeitung 23 (1907), S. 112. 401) Vgl. GSTA Berlin, Rep 120 – E XVI, 1–4 402) Meyers großes Konversationslexikon. Sechzehnter Band: Plaketten bis Rinteln, Leipzig/Wien 1909, S. 370.
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Vorhaben in der Grauzone zwischen seriösem Gewerbe und Betrug. Inländische oder ausländische Unternehmungen wurden ins Leben gerufen und setzten in betrügerischer Absicht eine Exposition ins Werk. Zwar ließ noch 1908 das Reichsamt des Innern verlauten, dass laut einer Umfrage bei den Bundesregierungen nur wenige Missbräuche im Ausstellungswesen zu beklagen seien und es deshalb keine „genügende Veranlassung“ gebe, „mittels gesetzlicher Maßnahmen gegen sie vorzugehen.“403) In der Ausstellungspublizistik wurde der Ausstellungsschwindel aber bereits zu dieser Zeit als eine „im Stillen wuchernde und das Licht des Tages scheuende Giftpflanze“ qualifiziert, gegen die das Reichsgesetz vom 27. Mai 1896 zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nicht ausreiche.404) Ein erster Versuch von Veranstalterseite, dem Missbrauch zu begegnen, war die Gründung eines „Verbandes deutscher Aussteller“. Dieser hatte es sich zum Ziel gesetzt, „Ausstellungen, welchen nach genauerer Prüfung, unlautere Motive zu Grunde liegen, oder welche überflüssig erscheinen, sowie Mißständen auf Ausstellungen im Allgemeinen entgegenzutreten“.405) Bereits nach wenigen Jahren löste sich dieser Verband aber wieder auf, so dass dem „Wildwuchs und Etikettenschwindel“ von dieser Seite aus kein Einhalt geboten wurde. Von Boenigk, als Syndikus der Halberstädter Industrie- und Handelskammer mit einer Studie über den Ausstellungsschwindel beauftragt, skizzierte die seiner Ansicht nach skandalösen Zustände am Beispiel des neu aufgekommenen Beruf des „Ausstellungsdirektors“. Mit detektivischem Gespür hatte er eine Reihe von Personen aufgespürt, die Ausstellungen ohne entsprechende Vorbildung und Kompetenzen ausschließlich des persönlichen Profits wegen organisierten und dabei die volkswirtschaftliche oder gar gewerbefördernde Ausrichtung hintenan stellten. Allein zur Berliner Gewerbeausstellung von 1896 habe es fünf Parallelausstellungen gegeben, die mit Bezeichnungen wie „Berliner Weihnachtsausstellung“ oder „Hauswirtschaftliche Ausstellung unter besonderer Berücksichtigung der Nahrungs- und Genußmittel, sowie kunstgewerblicher Erzeugnisse zur Ausschmückung der Räume“ den allgemeinen Publikumsandrang für sich nutzen wollten.406) Offensiv warben die selbsternannten Direktoren für die Teilnahme an ihren Veranstaltungen mit der Aussicht auf eine garantierte Medaille. Zum Teil erhielten über 90 Prozent der Aussteller eine entsprechende Auszeichnung. Wo das Ministerium für Handel und Gewerbe nach dem Bericht des IHK-Syndikus äußerst rigide bei der Verleihung eigener Medaillen war, gelang es den Ausstellungsdirektoren gelegentlich, bei anderen staatlichen Stellen wie dem Landwirtschafts- oder dem Kultusministerium Auszeichnungen zu erhalten. Zusätzlich gewann man regionale Honoratioren oder gar Landesherren als 403)
BA Berlin, R 3101, Nr. 568 (Bestand Potsdam), S. 211. von Boenigk, Unlauterkeit. 405) Ebd., S. 17. 406) Ebd., S. 17 f. 404)
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Protektoren der Ausstellungen, um der Veranstaltung auf diese Weise ein „offizielles Gepräge“ zu geben. Andere kommerzielle Ausstellungsorganisatoren spezialisierten sich wiederum darauf, Firmen ihre Dienste für die „Vermittlung“ von Medaillen der offiziellen Ausstellungen anzubieten und dafür entsprechende Gebühren zu nehmen, oder sie verkauften Medaillen von längst geschlossenen Ausstellungen, die dann „per Nachnominierung“ den entsprechenden Firmen zuerkannt werden sollten.407) Der Erfolg dieser „Winkelausstellungen“ gründete nicht nur in der kriminellen Energie ihrer Betreiber, zum Teil kam die hier geübte Ausstellungspraxis auch den Ansprüchen der Ausstellenden nahe, die vor allem auf die Prämierung ihrer Produkte abzielten. Da auf privat organisierten Ausstellungen die Quote der Auszeichnungen selten unter 80 Prozent lag, in der Regel gar jeder Aussteller mit mehreren Prämierungen rechnen konnte, wurde auch der „Ehrsucht“ der Gewerbetreibenden entsprochen.408) Der Schwindel mit den Ausstellungen und ihren Produkten stieg in dem Maße, wie insgesamt die Begeisterung für die Technik und ihre Möglichkeiten diesen Raum eröffnete.409) Insbesondere im Missbrauch des Ausstellungswesens, der Prämierungen und des daraus resultierenden (tatsächlichen oder vermeintlichen) persönlichen Gewinns spiegelt sich noch einmal die Faszination, die dem Medium Ausstellung und den von ihm vermittelten Inhalte entgegengebracht wurde. 1913 fertigte in dieser Sache das Reichsinnenministerium eine „Denkschrift über die Auswüchse des Patentagententums“, in der die Verantwortlichen insbesondere die kriminellen Auswüchse des Expositionswesens zu analysieren suchten: Neben den 288 eingetragenen und zugelassenen Patentanwälten mühten sich circa 600 Patentagenten ebenfalls, das Interesse von vermeintlichen und tatsächlichen Erfindern an ihrer Dienstleistung zu wecken. Da den
407)
Vgl. zum Beispiel die Offerte des Ausstellungsdirektors Baumann: „Seit Jahren im Ausstellungswesen thätig, bin ich mit sämtlichen Formalitäten vertraut und wäre im Stande, Ihnen für Ihre Spezialitäten hohe Auszeichnungen wie goldene Medaillen mit Diplom garantieren zu können. Sie hätten nur Proben, Kataloge etc. an die betr. Ausstellung zu senden evt. durch meine Vermittelung, und würde ich alsdann alles Weitere ohne Vorzahlung für Sie besorgen, auch wäre der auf Wunsch von mir vorveranschlagte Gesamtkostenbetrag erst bei Empfang der betr. Auszeichnung an mich zu entrichten, somit wäre jedes Risiko für Sie ausgeschlossen. Erfolg garantiert.“ Zitiert nach Boenigk, Unlauterkeit, S. 57. 408) Boenigk, Unlauterkeit, S. 52. Vgl. auch Paquet, Ausstellungswesen, S. 299 f.: „Diese Ausstellungen kennzeichnen sich meist dadurch, dass sie fast nur von solchen Wirtschaftssubjekten beschickt werden, bei denen das Bedürfnis nach einer äußeren ‚Auszeichnung‘ um so dringlicher ist, je weniger Aussicht sie haben, eine solche im ehrlichen Wettkampfe auf einer großen und unparteiisch geleiteten Ausstellung zu erringen.“ 409) Vgl. dazu die Unterlagen im Geheimen Staatsarchiv Berlin, E XVI, Nr. 1, 4.: Schwindelausstellungen mit Ausstellungsmedaillen und Diplomen; in durchaus differenzierender Absicht und in Auseinandersetzung mit verschiedenen Ausstellungskritikern; S. Behrens, Krebsschaden des Austellungswesens, Berlin 1907.
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zugelassenen und staatlich kontrollierten Anwälten Werbung in eigener Sache verboten war, hatten sich laut Diagnose der Beamten die Patentagenten durch „marktschreierische Reklame im öffentlichen Verkehr“ besonders hervorgetan: Neben der Inseratenwerbung („Erfinder! Ich zahle 1000 Mark in bar für eine neue gewinnbringende Idee“) und einschlägigen Broschüren („Der Weg zum Reichtum“, „Im Expreß zum Millionär“) galten ihnen auch so genannte „Erfinderausstellungen“ als probates Mittel zur Bindung von Kunden. Parallel zu großen Expositionen veranstaltet und mit klingenden Namen ausgestattet, wurden den Ausstellern hohe Gewinne versprochen, wenn ihre Erfindung erst bekannt würde, und zugleich hohe Gebühren kassiert oder für Vertragsabschlüsse geworben. Als Beispiele dafür galten den Beamten eine aus Anlass der bayerischen Gewerbeschau 1910 veranstaltete „Jubiläumsausstellung in München!“ oder die „Allgemeine internationale Sonderausstellung von Erfindern aller Länder der Welt“ in Turin, die sich als Teil der zeitgleich stattfindenden Weltausstellung ausgab. Da in der Bevölkerung einerseits das Interesse an technischen Dingen stark gestiegen, andererseits aber der entsprechende Sachverstand nur wenig ausgebildet sei, glaube man den trügerischen Versprechungen der Patentagenten nur allzu leicht. „So wurde zum Beispiel ein völlig unbrauchbarer Flugapparat, den ein armer Bergmann erfunden hatte, als eine Idee von weltgeschichtlicher Bedeutung bezeichnet und als Lösung eines Problems, für welche die bisherigen Flugapparate nur Vorläufer seien. Ja sogar das Luftschiffauto, das ein ersichtlich Geisteskranker ersonnen hatte, wurde von einem Patentbureau als eine gute Erfindung bezeichnet.“410) Insbesondere die Extrembeispiele der betrügerischen Ausstellungspraxis diskreditierten das Medium und machten das Ausstellungsgewerbe zum Gegenstand fortwährender Kritik. In seiner tatsächlichen Breitenwirkung und Popularität aber wurde es nicht beschnitten: Auch wenn der gemeinnützige Charakter schon lange zur Disposition stand, blieben die Ausstellungen allen Auswüchsen zum Trotz bis zum Ersten Weltkrieg und in veränderter Form auch darüber hinaus ein höchst attraktives Feld für die Aussteller wie für das Publikum.411) 2. Die Ausstellungen und ihre Organisatoren: Der Aufstieg einer neuen Gesellschaftsschicht Wo das Motiv des Ansporns und der Belehrung hinter der Verkaufsförderung und der Selbstdarstellung verschwand, da wandelte sich auch das Profil der Veranstalter. Seit Anfang der 1830er Jahre zogen sich die staatlichen Instanzen aus der Organisation des innerdeutschen Ausstellungswesens immer weiter
410) 411)
BA Berlin, R 3101, Nr. 585 (Bestand Potsdam), S. 174–200. Vgl. dazu Teil E Resümee und Ausblick in dieser Arbeit.
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zurück, auch wenn die Veranstaltungskomitees mit der lokalen und regionalen Verwaltung personell auf das Engste verflochten blieben.412) Sieht man von den kommerziellen Ausstellungsbetreibern ab, so waren es in der Regel eigene Vereine, die aus den Reihen von Gewerbetreibenden, Industriellen und Fabrikanten gegründet wurden.413) Diese waren angelehnt an Gewerbevereine oder regionale Interessenverbände und wurden allein zu dem Zweck gegründet, die Ausstellung zu organisieren und durchzuführen.414) In der Regel waren die Gremien, die Vorstände und Kommissionen mit leitenden Persönlichkeiten aus der Industrie, Vertretern des Handwerks, Bauunternehmern und Ingenieuren sowie Direktoren von Geldhäusern besetzt, die über eigene Möglichkeiten, aber auch Interessen in den Belangen der Ausstellung verfügten.415) Seit ihrem Beginn waren die Ausstellungen in Deutschland nicht nur Instrumente der Gewerbeförderung und der (indirekten) Absatzsteigerung. Zugleich avancierten sie zu Bühnen der sozialen Repräsentation speziell für die Gewerbetreibenden und Unternehmer. Die zeitgenössische Ausstellungsliteratur hat diesen Zusammenhang immer wieder hervorgehoben: „Die Ausstellung und die damit verbundene Möglichkeit, vor den Augen der ganzen Nation und vermittelst der Presse für sich und seine Verbesserung Anerkennung und Auszeichnung zu finden, wirkt nicht nur als ein mächtiger Sporn des Ehrgeizes unter einer Volksklasse, die auf keine andere Weise sich öffentlich auszuzeichnen vermag, sondern führt auch zu reeller Belohnung für ausgezeichnete Leistungen, die ohne die Ausstellung vielfach unbekannt und unbelohnt geblieben wären, oder doch jedenfalls auf dem gewöhnlichen Weg viel beschwerlicher und langsamer zur allgemeinen Anerkennung hätten gelangen können“416), so folgerte Friedrich List bereits 1828 aus seinen Besuchen der Pariser Ausstellungen. 1847 nahm der Journalist Christian Albert Weinlig in seinem Plädoyer für die Industrie- und Gewerbeausstellungen diesen Gedanken auf und führte aus, dass diese ein geeignetes Mittel „zur Berichtigung der Begriffe vom Werthe und der Bedeutung der Industrie und des Industriellen“ seien.417) „Es muß als ein Verdienst gelten, ein Gewerbe oder eine Fabrik tüchtig zu betreiben, und es muß wie jedes andere Verdienst anerkannt wer-
412)
Dieses lässt sich in sämtlichen ausgewerteten Ausstellungen und den dort eingesetzten Organisationskomitees ersehen. Vgl. zum Beispiel Stadtarchiv Essen, Rep. 102, X Nr. 1, S 6 f., S. 27: Satzung des Allgemeinen Gewerbe- und Ausstellungsvereins für den Stadt- und Landkreis Essen an der Ruhr. Hier stellten der Oberbürgermeister, der Landrat des Kreises Essen und die Bürgermeister des Landkreises Essen insgesamt 10 Personen und damit ein Drittel des Hauptvorstandes. 413) Huber, Ausstellungen, XII. 414) Vgl. dazu Anhang I: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. 415) Vgl. Stadtarchiv Essen, Rep. 102, X Nr. 1, S. 27 f. 416) List, National-Gewerbeausstellung, S. 124. 417) Weinlig, Bemerkungen, NF 1845, S. 59 f.
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den“, so argumentierte ebenfalls der Staatsgelehrte Wilhelm Roscher 1856 in einer populären Enzyklopädie der Zeitgeschichte: „Diesen Act öffentlicher Gerechtigkeit zu üben ist daher mit recht allenthalben als letzter Zweck der Ausstellung betrachtet worden.“418) Noch 1911 betonte der selbsternannte „Ausstellungstechniker“ J. M. Gally die Funktion der Ausstellung als „würdige und vornehme Repräsentation des Handels, Gewerbes und der Industrie“ mit Blick auf den Export nach außen, aber auch hinsichtlich der Stellung von Gewerbe und Industrie innerhalb der Gesellschaft.419) Die zeitgenössische Publizistik bestätigte diese Beobachtungen der Ausstellungsliteratur. Die Berichterstattung zur Berliner Gewerbeausstellung 1844 beispielsweise beschrieb die Exposition als ein Ereignis, welches die Industrie und ihre Repräsentation zu einem neuen Faktor des gesellschaftlichen Lebens machte: „Selbst in dieser großen Stadt, wo so viele Feste aller Art wie Meteore erscheinen und dem größten Theile der Bewohner ungenossen und unbemerkt wieder verschwinden, erregte das großartige massenhafte Auftreten der deutschen Industrie allgemeines Aufsehen. Es war eben etwas Neues und Seltenes, in Berlin den Gewerbefleiß aus seinem stillen demüthigen Wirken hinaus in die rauschende Öffentlichkeit schreiten zu sehen. Man war wohl so etwas auf den Messen gewohnt, wo es an emsiger Lebendigkeit, an geschäftigem Drängen und Treiben nicht fehlt, aber hier in der Residenz, wo ihre Erzeugnisse nur in prunkenden Uniformen, glänzenden Salons, in den schönen und reichen Umhüllungen reizender Formen zur bewunderten Erscheinung kommen, die Industrie selbstständig kühn, ja fast mächtig, in großer Gesammtheit, in den durch ihre drohenden Kriegswaffen ehrfurchtgebietenden Hallen des Zeughauses ganz wie zu Hause umherwandeln zu sehen, das war neu, einzig, ja sogar – witzig und darum gefiel es den Berlinern.“420) Biographisch wie auch kollektiv nutzten Unternehmer, Industrielle und Gewerbetreibende den Raum der Ausstellungen, um Anerkennung für ihren Berufsstand wie auch persönliches Renommee zu schaffen. Die Expositionen waren eine neue Form der Öffentlichkeit, mit der es gelang, sich in den Reigen der Gesellschaft einzuschreiben und im Beziehungsgeflecht des Kennens und Anerkennens verwoben zu werden. Zu unterscheiden sind dabei zwei Phasen: eine frühindustrielle, ganz der Gewerbeförderung verpflichtete Ausstellungspraxis, die vor allem von staatlicher Seite wie auch von staatsnahen Vereinen und Gewerbevereinen getragen wurde, und eine seit der Jahrhundertmitte praktizierte Ausstellungskultur, die von dem Bemühen einer neuen
418)
Roscher, Industrieausstellungen, S. 500. J. M. Gally, Das Ausstellungswesen und sein Wert für Handel, Gewerbe und Industrie, Exportförderung und Fremdenverkehr. Studien, Erfahrungen und Reformvorschläge eines praktischen Fachmannes, Wien/Leipzig 1911, S. 13 und öfter. 420) Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt, S. 167. 419)
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gesellschaftlichen Elite aus Industriellen, hohen Beamten und Intellektuellen getragen wurde. Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich in zahlreichen Unternehmerbiographien Hinweise darauf, dass Industrie- und Gewerbeausstellungen, die dort übernommenen Ämter und Funktionen sowie die erhaltenen Auszeichnungen ein wichtiges Element der persönlichen Karriere darstellten. Exemplarisch kann der Zusammenhang von unternehmerischer Tätigkeit, repräsentativer Öffentlichkeit der Ausstellungen und Karriere aufgezeigt werden an der Biographie des Berliner Industriellen Heinrich Conrad Carl: Carl begann sein Berufsleben mit einer Teilhaberschaft an der familiär gebundenen Tuchmanufaktur und -fabrik Busse & Sohn. Der Unternehmensgründer Christian Gottlieb Busse hatte 1805 die bereits auf einige Jahrzehnte Tradition zurückblickende „Wollmanufaktur nach Geraer Art“ im brandenburgischen Luckenwalde erworben und mit einer Firmenpolitik nach vorne geführt, die vor allem auf die marktstrategische Anwendung neuer Technik orientiert war.421) 1820 nahm eine Dependance der Firma unter der Leitung von Heinrich Conrad Carl, der in die Familie Busse eingeheiratet hatte, die Textilverfeinerung in Berlin auf.422) Wie sein Schwiegervater zeichnete sich auch Carl dadurch aus, dass er sensibel auf neue technische Entwicklungen reagierte: In seiner Fabrik am Keckeschen Markt setzte er beispielsweise die von dem Amerikaner Gilbert Brewster entwickelte Wollspinnmaschine ein. Auch die Einführung des mechanischen Webstuhls in Brandenburg-Preußen ging maßgeblich auf die Initiative von Carl zurück, der bereits 1835 in seiner Luckenwalder Firma Versuche in diese Richtung unternommen hatte.423) Im ökonomischen Feld war der nach Berlin Zugewanderte nicht nur durch seinen technischen Innovationswillen und seinen geschäftlichen Erfolg ausgewiesen.424) Carl betätigte sich darüber hinaus auch politisch, wirtschaftspolitisch wie sozialreformerisch.425) Dabei bot insbesondere die Berliner Gewerbeausstellung von 1844 die Bühne für sein Engagement, war Carl doch nicht nur Mitbegründer, sondern auch Vorstandsmitglied des Centralvereins für das
421) Vgl. Otto Büsch, Industrialisierung und Gewerbe im Raum Berlin/Brandenburg 1800–1850. Eine empirische Untersuchung zur gewerblichen Wirtschaft einer hauptstadtgebundenen Wirtschaftsregion in frühindustrieller Zeit, Berlin 1971. 422) Vgl. Nadja Stulz-Herrnstadt, Berliner Bürgertum im 18. und 19. Jahrhundert, Berlin/ New York 2002, S. 196 ff. 423) Ebd., S. 199. 424) So entwarf Carl 1834 gemeinsam mit dem Berliner Bankier und Korporationsältesten Friedrich Gottlieb van Halle einen Plan zur Gründung eines Industrie-Vereins, der die Errichtung neuer Fabriken und insbesondere von Baumwollspinnereien forcieren sollte. Das Projekt scheiterte an der Ablehnung des Chefs der Preußischen Seehandlung, Christian Rother. Vgl. Hugo Rachel/Paul Wallich, Berliner Großkaufleute und Kapitalisten, Bd. 2, Berlin 1967, S. 54 f. 425) Vgl. Hartmut Kaelble, Berliner Unternehmer während der frühen Industrialisierung. Herkunft, sozialer Status und politischer Einfluß, Berlin/New York 1972, S. 133 f.
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Wohl der arbeitenden Klassen.426) Zugleich engagierte sich der Textilfabrikant als Kommissionsmitglied der Berliner Gewerbeausstellung von 1844 und entschied als Sachverständiger der Abteilung für „Seiden-, Halbseiden- und Streichwollengespinste und Gewebe“ über die Aufnahme von Objekten und erstattete Bericht über den Verlauf der Ausstellung seiner Sektion.427) Dieses Geflecht von wirtschaftlichem Erfolg und (standes)politischem Engagement macht plausibel, warum der Unternehmer nicht nur innerhalb weniger Jahre zum Vorsteher des Ältestenkollegiums der Kaufmannschaft von Berlin avancierte, sondern auch als einer von zwei Industriellen im Rahmen der Berliner Industrie- und Gewerbeausstellung mit dem begehrten Titel eines „Geheimen Kommerzienrates“ ausgezeichnet wurde.428) Diesen Karriereschritten schlossen sich später eine parlamentarische Laufbahn im brandenburgischen Landtag sowie das Engagement in verschiedenen Aktiengesellschaften an. Die Erhebung in den Adelsstand am 18. Oktober 1861 stand am Ende dieser „Zuwanderer-Unternehmerkarriere“. Hier wie in vielen anderen wirtschaftsbürgerlichen Biografien spielte die Öffentlichkeit der Gewerbeausstellungen wie auch die damit verbundenen Repräsentationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle.429) In der Regel waren es führende Mitglieder der lokalen Schicht von Industriellen und Gewerbetreibenden, die sich zugleich ökonomisch und politisch hervorgetan hatten und sich unterstützt durch die Öffentlichkeit der Ausstellung eine Position im gesellschaftlichen Leben aufbauten.430) In einer lokalen Perspektive soll im Folgenden exemplarisch erarbeitet werden, welche Bedeutung den Industrie- und Gewerbeausstellungen im lokalen und regionalen Geflecht von Einflusssphären, Öffentlichkeiten und Netzwerken im Einzelfall zukommen konnte. Im Zentrum der folgenden Analyse stehen die Expositionen von 1837, 1852, 1880 und 1902, mit denen Düsseldorf zum wichtigsten Ausstellungsstandort in Rheinland und Westfalen und speziell für das Ruhrgebiet avancierte. Die Ausstellungen selbst betrachteten bereits die Zeitgenossen als jeweils aufeinander bezogene Veranstaltungen: So nahm beispielsweise der Redakteur der Düsseldorfer Ausstellungszeitung, Johann von Wildenradt, einen zeitgenössischen Topos auf, wenn er während der Vorbereitung der Düsseldorfer Ausstellung 1902 die drei Expositionen zu „Ahne, Mutter und Kind“ stilisierte. Bei diesen „drei Generationen“ sollte, so Wildenrath, „jede jüngere der älteren an Kraft und Bedeu-
426)
Vgl. Reulecke, Frieden, S. 54 und öfter. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 25. 428) Vgl. Übersicht über die Auszeichnungen, welche in der Folge der Gewerbeausstellung zu Berlin im Jahre 1844 erteilt worden, in: Amtlicher Bericht Berlin, Berlin 1845. Zur Praxis der Ernennung vgl. Karin Kaudelka-Hanisch, Preußische Kommerzienräte in der Provinz Westfalen und im Regierungsbezirk Düsseldorf 1810–1918, Dortmund 1993. 429) Vgl. Stulz-Herrnstadt, Bürgertum, S. 201 ff. 430) Vgl. zum Beispiel die Biografie des Bremer Ausstellungsvorstandes Christoph Papendieck. Dazu Lührs, Jahren, S. 12. 427)
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tung überlegen“ sein.431) Natürlich dienten diese Selbstzuschreibungen zunächst dazu, das Ausstellungsprojekt des Jahres 1902 zu legitimieren: Nach den Erfolgen der von vielen Kreisen zunächst kritisch betrachteten, dann aber dennoch erfolgreichen Ausstellung von 1880 ließ sich daran in der Außendarstellung wirkungsvoll anknüpfen. Aber auch in den Ansprachen und in den Zeremonien wurden zahlreiche Bezüge zu früheren Veranstaltungen hergestellt. Auf der Schlussfeier der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung von 1902 knüpfte beispielsweise der preußische Handelsminister Möller direkt an die Vorgängerin von 1880 an, wenn ihm diese als Folie diente, auf der der erreichte Fortschritt abzulesen sei.432) Auch zeremoniell wurde die Kontinuität zwischen der 1880er Ausstellung und derjenigen von 1902 betont: So stand zu Beginn des Festaktes am 20. Oktober 1902 erneut der von Julius Tausch komponierte Festmarsch zur Eröffnung der Ausstellung von 1880 auf dem Programm.433) Auch wenn die Ausstellungen auf die Provinzen Rheinland und Westfalen zugeschnitten waren, so kam ihnen doch vor allem für ihren Austragungsort, die Stadt Düsseldorf, besondere Bedeutung zu. Anhand einer Längsschnittanalyse kann gezeigt werden, wie sich die Bedeutung veränderte, die den Ausstellungen im städtischen Raum zukam, ebenso wie der Wandel von Trägergruppen und ihres Einflusses. Für die Initiative zu den Gewerbeausstellungen in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts zeichneten vor allem staatliche Stellen verantwortlich: Die Düsseldorfer Exposition von 1837 hatte der damalige Regierungspräsident Graf von Stolberg ins Leben gerufen. Auf seine Initiative ging die Gründung des Gewerbevereins für den Regierungsbezirk Düsseldorf zurück, der es zu einer seiner Hauptaufgaben erklärte, durch die „Veranstaltung von Ausstellungen die Gewerbetätigkeit und den Kunstfleiß zu beleben, in ihrer Entwicklung zu fördern und auszubreiten.“434) Im Anschluss an die Gewerbeausstellung fand eine Kunstausstellung statt. Mit dieser Verbindung von Wirtschaft und Kunst war eine Tradition etabliert, die typisch für die Düsseldorfer Ausstellungskultur wurde. Eine Nachfolgeveranstaltung im Jahr 1838, die der Fabrikant und spätere Präsident der Düsseldorfer Handelskammer Franz Schimmelbusch organisierte, hatte nur wenig Erfolg.435) Erst 1852 initiierten der Regierungsrat Dr. Ehrenreich Carl Cosack von Mülmann und der zwei Jahre zuvor gewählte 28-jährige Bürgermeister Lud431)
O.A. [Johann von Wildenradt], Die Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1852, in: Düsseldorfer Ausstellungszeitung. Amtliches Organ der Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer Deutschnationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1902, No. 3 vom 1. Mai 1900, S. 71–72. 432) Vgl. die entsprechende Skizze in Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 68–70. 433) Vgl. ebd., S. 23 f. 434) Herbert Engst, Düsseldorf. Die Ausstellungsstadt, Düsseldorf 1949, S. 15. 435) Vgl. Schäfers, Werkbund, S. 25.
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wig Hammers eine weitere „Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für Rheinland und Westphalen“.436) Anlass zur Durchführung der Ausstellung war die als unbefriedigend erachtete Präsentation der deutschen Industrie auf der Londoner Weltausstellung 1851. Offizieller Träger war ein privates Komitee, welches sich zunächst der Unterstützung der Behörden versicherte, bevor es mit seinem Projekt an die Öffentlichkeit trat. In dem 36-köpfigen Komitee überwogen die Vertreter der Stadtverwaltung, speziell die Gemeinderäte, aus der Handelskammer und dem königlichen Gewerbegericht. Neben Kaufleuten und vereinzelten Fabrikbesitzern waren Angehörige von Verwaltung und verwaltungsähnlichen Institutionen wie auch Mitarbeiter in Schule, Realschule und Universität stark vertreten. Für die rasche Beschlussfassung und die problemlose Umsetzung der Ausstellungsaktivitäten mag ebenfalls zuträglich gewesen sein, dass neben dem „Haupt-Agenten G.R.T. Grube“ und dem Buchdruckereibesitzer H. Voß unter den insgesamt 36 Komiteeangehörigen noch sechs weitere Freimaurer waren, die insgesamt zwei in Düsseldorf beheimateten Logen angehörten.437) Erstmals wurde mit dieser Ausstellung der enge lokale und auf wenige Exponate aus dem unmittelbaren Umland beschränkte Rahmen überwunden: Von den 756 Ausstellern kamen 125 aus der Stadt Düsseldorf, von diesen waren über die Hälfte Handwerker, sechs waren Händler und 25 gehörten anderen Berufen an. Als Fabrikanten sind nur 14 Textilunternehmer und zehn Holzwarenbetriebe anzusehen, rund zehn Aussteller stellten chemische Produkte her, nur drei gehörten der Eisen- und Stahlindustrie im weiteren Sinne an. Mit Blick auf die Industriellen und Gewerbetreibenden in der Stadt Düsseldorf hatte sich das Spektrum der ausstellenden Gewerbe nicht wesentlich verschoben – eine Ansammlung von „Industrieunternehmen im modernen Sinne“ war die Ausstellung noch nicht.438) „Der Atem einer neuen Zeit“ wurde vor allem in den Darbietungen von Ausstellern aus dem Umland spürbar.439) In den 24 Sälen des alten Ständehauses am Schlossturm und in den benachbarten Räumen des damaligen Münzgebäudes verkündeten ein Telegraphenapparat, Gussstahlerzeugnisse, Hebezeuge, Dampfpumpen, Dampf-
436)
Vgl. hierzu die Akte Stadtarchiv Düsseldorf II Nr. 176, in der lückenhaft die Organisation der Ausstellung dokumentiert ist. Darüber hinaus Katalog der Provinzial-GewerbeAusstellung für Rheinland und Westphalen zu Düsseldorf im Jahre 1852, Düsseldorf 1852, S. VI. 437) Vgl. Rich de Jong, Die Düsseldorfer Freimaurer. Ihre Logen – ihr Wirken, Düsseldorf (maschinengeschriebenes Manuskript), Stadtarchiv Düsseldorf 1982, S. 10, 64, 66, 68, 138, 152, 211, 214, 219. 438) Hugo Weidenhaupt, Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Düsseldorf 1989, S. 446. 439) Vgl. Herbert Engst, 145 Jahre im Dienst der Wirtschaft. Düsseldorfer Ausstellungen in Bildern. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte deutscher Ausstellungen, Düsseldorf 1957.
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hämmer, eine „neue Bandflechtmaschine“ und andere Exponate den mehr als 60 000 Besuchern der Ausstellung den Anbruch des von der Technik regierten Zeitalters.440) Schon drei Monate nach dem Aufruf wurde die Ausstellung von den Ehrengästen feierlich eröffnet. Das Zeremoniell bildete deutlich das kommunale Machtgeflecht ab: An der Spitze des Festzuges stand der Fürst Karl Anton von Hohenzollern Sigmaringen, der seit kurzer Zeit im Schloss Jägerhof lebte und die Tradition einer bürgernahen fürstlichen Hofhaltung in der Stadt wieder aufleben ließ.441) Ihm zur Seite standen mit dem Oberpräsidenten von Kleist-Retzow und dem Regierungspräsidenten von Massenbach die obersten Repräsentanten der königlichen Verwaltung, gefolgt vom Bürgermeister und den Stadträten.442) Damit inszenierte sich im Ausstellungsgeschehen die lokale und regionale Honoratiorenschicht, die auch ansonsten die Fäden der Stadtpolitik in der Hand hatte: ein Machtdreieck, an dessen Spitze die königliche Regierung stand und dessen Basis Bürgermeister, Beigeordnete und Stadtverordnete bildete. Der Umgang miteinander beruhte auf „einem gemeinsamen, bis dahin allseits anerkannten Verständnis von Düsseldorf als Kunst-, Residenz- und Verwaltungsstadt“.443) Bereits die Exposition von 1852 zog Kreise über ihre eigentliche Dauer hinaus: Inspiriert von der Industrie- und Gewerbeausstellung, brachte der Erkrather Kaufmann Gustav Braumüller den Vorschlag auf, einen „permanenten Industrie-Palast“ zu bauen. Dieser sollte nicht nur der Ausstellung von Erzeugnissen, sondern auch als „Börsenhalle“ dienen, in der sich die „Kaufleute und Fabrikanten des Wuppertal, der Ruhr und des Kohlereviers sowie der Fabrik-Distrikte von der anderen Rheinseite“ wöchentlich treffen könnten.444) Tatsächlich entstanden 1853 eine „Zentralhandelsbörse“ für Kohle und Eisen sowie eine periodisch abgehaltene Wollbörse. Diese Institution ging seit den sechziger Jahren dazu über, nicht nur Waren, sondern auch Wertpapiere zu handeln. Sie bildete den Grundstock zu dem 1874 gegründeten Börsenverein sowie zu der 1884 vom Minister für Handel und Gewerbe anerkannten Börse.445) In diesem wie auch in anderen Fällen war die Industrieund Gewerbeausstellung ein wichtiger Ausgangspunkt bei der Entwicklung
440)
Vgl. Katalog der Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für Rheinland und Westphalen in Düsseldorf. Eröffnet am 15. Juli 1852, Düsseldorf 1852. 441) Weidenhaupt, Düsseldorf, S. 446. 442) Vgl. Otto Most, Geschichte der Stadt Düsseldorf, Bd. 2: Von 1815 bis zur Einführung der Rheinischen Städteordnung (1856), Düsseldorf 1921, S. 196–198. 443) Vgl. Peter Hüttenberger, Die Entwicklung zur Großstadt bis zur Jahrhundertwende (1856–1900), in: Weidenhaupt, Düsseldorf, S. 540. 444) Gustav Braumüller, Der Industrie-Palast in Düsseldorf für eine permanente Industrie- und Kunst-Ausstellung der Zollvereins-Staaten, verbunden mit einer Börsenhalle und mehreren Kunst- und Gewerbe-Instituten, o. O. o. J. 445) Vgl. Weidenhaupt, Düsseldorf, S. 564 f.
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eines Institutionen- und Kommunikationsgeflechts, welches über die alte Ordnung hinauswies.446) In Düsseldorf gelang der Anlauf zu einer erneuten Ausstellung trotz verschiedener Initiativen erst wieder 1878. Zuvor hatten sich die rheinischen und westfälischen Industriellen und Gewerbetreibenden zurückhaltend gezeigt nicht nur bei dem Versuch, eine heimische Ausstellung zu organisieren, sondern auch bei der Beteiligung an internationalen Veranstaltungen.447) Der Motor des Unternehmens war keine obrigkeitliche Stelle mehr, sondern ging auf private Initiative zurück. Blickt man auf den engeren Kreis der Ausstellungsbetreiber und -organisatoren, so zeigt sich, wie stark die Beteiligung und damit auch der Einfluss der staatlichen und kommunalen Kräfte zurückgegangen war: Die „königliche Staatsregierung“ wie auch die Spitzen der Stadtverwaltung hatten sich nur wenig mit dem Vorhaben identifiziert. Dass dennoch Vertreter beider Verwaltungs- und Behördenzweige als Protektoren und in den Vorstand berufen wurden, lässt sich vor allem damit erklären, „daß sie nicht viel mehr als eine eindrucksvolle und notwendige Staffage gewesen sind.“448) Erste Anregungen für die 1880 abgehaltene Ausstellung gingen vom Niederrheinischen Bezirksverein Deutscher Ingenieure und dort vermutlich vom Ingenieur R. Daelen aus, der bereits vorher durch spektakuläre Baupläne für den Hafen und die Verkehrsführung der Stadt hervorgetreten war.449) Auf das Vorhaben der Ingenieure wollten sich zunächst weder die Unternehmensleitungen noch die Interessenverbände der Industrie einlassen: Die Ersteren scheuten die Kosten, die Letzteren verhielten sich skeptisch bis ablehnend gegenüber der befürchteten Vereinnahmung durch eine allgemeine Ausstellung. Von 790 angeschriebenen Personen und Institutionen traf man allein bei 120 auf Zustimmung.450) Noch zwanzig Jahre später berichtete der Organisator der Ausstellung, Heinrich Lueg, von den „erst unendlichen Schwierigkeiten“,
446)
In ähnlicher Weise ging die Entwicklung in Hannover vonstatten. Vgl. Dieter Brosius, Die Industriestadt. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des I. Weltkriegs, in: Klaus Mlynek/Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.), Geschichte der Stadt Hannover, Bd. 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, Hannover 1994, S. 273–404, S. 376–384. 447) Die Überlieferung zeigt, dass sowohl im städtischen Rahmen wie auch in der Provinz Bestrebungen vorhanden waren, im Laufe der nächsten Jahrzehnte Ausstellungen ins Leben zu rufen. Diese Projekte scheiterten aber bereits im Anfangsstadium. Die im Rheinland und Westfalen aktiven Industrie- und Handelskammern vermochten es nicht, für das von ihnen lancierte Projekt entsprechend zu mobilisieren. Sowohl auf Seiten der potenziellen Aussteller wie auch bei den Behörden mangelte es an Interesse und Unterstützung. Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, II 176, S. 67–69; vgl. Staatsarchiv Düsseldorf, Reg.Präs., Nr. 1026; Nr. 1035–1037. 448) Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunstausstellung, S. 430. 449) Vgl. Hüttenberger, Entwicklung, S. 43; zur Person vgl. Conrad Matschoss, Männer der Technik, Berlin 1925, S. 51. 450) Vgl. Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunstausstellung, S. 413.
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die zu überwinden gewesen waren, um insbesondere die großen Industrieunternehmen zur Teilnahme zu bewegen.451) Entscheidend für das Zustandekommen der Ausstellung war, dass die Initiatoren bei den neuen städtischen Eliten von Industrie und Gewerbe auf Unterstützung stießen. Mit ihrer Hilfe überspielte das provisorisch gegründete Hauptkomitee erfolgreich die an der Ausstellung nicht interessierten Vereine. In einer Versammlung am 28. August 1878 wählte man ein Hauptkomitee, an dessen Spitze mit den Industriellen Lueg, Trinkaus, Flender, Dietze und Bueck vor allem Düsseldorfer Firmeninhaber standen, zu denen die Unternehmer Servaes aus Ruhrort und Wolff aus Mönchenglabdach stießen.452) Bis zuletzt setzte sich diese starke lokale Verankerung des Unternehmens fort: Auch im späteren 30-köpfigen Ausstellungs-Vorstand entstammten 14 Personen dem Veranstaltungsort.453) Der wichtige „Ausschuß für Geldangelegenheiten“ bestand ausschließlich aus Düsseldorfern, darunter vor allem Trinkaus, von Gahlen, Deus, Simons, Stein und Lietz. Ähnlich war die Situation in den Ausstellungsgruppen I. bis XX. Allein in der Gruppe XV. tauchten die bekannten Verlegernamen Baedeker aus Essen und Klasing aus Bielefeld auf. Ebenso konnte man bei der Organisation der Ausstellung kunstgewerblicher Altertümer nicht auf die Expertise von Domvikar Schnütgen aus Köln und Professor Nordhoff aus Münster verzichten.454) Obwohl der personelle Kern der Trägergruppe aus Düsseldorf stammte, suchte man von Beginn an das Vorhaben weit in die Ausstellungsregion hinein zu popularisieren. Auf Grund von Empfehlungen der lokalen Handelskammern band man Gewerbetreibende aus den verschiedenen Orten und Regionen Rheinlands und Westfalens in das Projekt ein und berief diese in das „Hauptcomitee“.455) Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass regionales Proporzdenken spätestens bei der Frage nach der Verteilung der Überschüsse zu Konflikten führte.456) Die Trägergruppe des Ausstellungsunternehmens von 1880 lässt sich darüber hinaus weiter qualifizieren: Zur treibenden Kraft hinter dem Unternehmen Ausstellung avancierte nicht das alteingesessene Düsseldorfer Bürger-
451)
Zitiert nach Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 9. Vgl. die entsprechenden Verzeichnisse in Stadtarchiv Düsseldorf XVIII Nr. 2: Protokollbuch des Ausstellungsvorstandes 1878–1882. 453) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. I der Anlagen. 454) Vgl. Hüttenberger, Entwicklung, S. 46. 455) Vgl. hierzu und im Folgenden Stadtarchiv Düsseldorf, VIII Nr. 1. 456) So bei der Auseinandersetzung zwischen westfälischen und rheinischen Interessenvertretern um die Nutzung der Überschüsse. Vgl. dazu Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII, Nr. 275, unpaginiert: Der Landeshauptmann der Provinz Westfalen, Münster, den 10. Januar 1903 an das Haupt-Comitee für die Industrie- und Gewerbeausstellung, zu Händen des Vorsitzenden, Herrn Geheimen Kommerzienrathes Heinrich Lueg. 452)
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tum. Stattdessen stellten sich Vertreter einer neuen groß- und speziell wirtschaftsbürgerlichen Schicht an die Spitze, welche seit Ende der 70er Jahre die einflussreichen Familiennetzwerke und Clans des Vormärzes und der Restauration in den Hintergrund gedrängt hatte. Der engere Kreis der Ausstellungsorganisatoren deckte sich nicht mit der traditionellen Honoratiorenschicht. Mit wenigen Ausnahmen, unter ihnen die Bankiersfamilie Trinkaus, setzte sich die neue Oberschicht aus Zugezogenen zusammen, die ab 1855 aus Belgien (Piedboeuf, Dawans, Daelen), aus England (Mulvany), aus der Eifel (Poensgen, Inden), aus Norddeutschland (Heye), aus Ruhrort (Haniel/Lueg) und aus dem Bergischen (Mannesmann) eingewandert waren.457) Sie waren von protestantischem Bekenntnis und nicht in dem mit Verve geführten Kulturkampf zwischen Katholiken und Liberalen involviert. Politisch bewegten sie sich im nationalen oder liberalen Spektrum.458) Einer der wichtigsten Repräsentanten dieser Industriefamilien und Clans, die seit den fünfziger Jahren der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt eine neue Richtung gaben, war der Unternehmer Heinrich Lueg. 1874 nach Düsseldorf übergesiedelt, hatte er dort mit Ludwig und Franz Haniel die Maschinenfabrik Haniel und Lueg gegründet. Zusammen mit dem Bankier Trinkaus und dem Maschinenindustriellen Ernst Schieß, der seinerseits mit einem Seitenzweig der Trinkaus-Bank familiär verbunden war, organisierte er die Industrie- und Gewerbeausstellungen von 1880 und später auch die Folgeveranstaltung von 1902. Dass er sich an die Spitze der Ausstellungsorganisation stellte, war eine Garantie dafür, dass weite Kreise der Düsseldorfer Industriellen sich in das Vorhaben einbinden ließen.459) Der in Sterkrade geborene Lueg war einer der führenden Köpfe des LuegHaniel-Clans und verfügte nicht nur über wirtschaftliche Beziehungen in der Stadt, sondern hatte auch seit Mitte der siebziger Jahre intensiv Kommunalpolitik betrieben. Auf diese Weise war seit den 1870er Jahren ein familiär gebundenes Netzwerk entstanden, welches „vor allem zwischen 1880 und 1914 auf die Geschicke der Stadt einen kaum zu unterschätzenden Einfluß ausüben sollte“.460) Durch Geschäftsbeziehungen wie auch durch Heiraten verknüpften sich die Familien Haniel und Lueg, die sich ökonomisch im Bereich des Grubenwesens und der Stahlproduktion sowie über Beteiligungen an der Aktiengesellschaft für Lokomotivbau „Hohenzollern“ verbanden.461) Hinzu kamen Verbindungen nicht nur zur Bankiersfamilie Trinkaus, sondern auch zur Familie Bagel und speziell zu dem Verleger und Druckereibesitzer August Bagel. Dessen Tochter heiratete ihrerseits Karl Lueg, den Bruder von Hein-
457)
Vgl. Peter Hüttenberger, Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20. Jahrhundert), in: Weidenhaupt, Düsseldorf, Bd. 3, S. 83 f. 458) Vgl. Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunstausstellung, S. 430. 459) Zur Person Heinrich Lueg vgl. Matschoss, Männer, S. 162 f. 460) Hüttenberger, Entwicklung, S. 556. 461) Vgl. ebd., 556 ff.
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Abbildung 2: Bürgerliche Selbstdarstellung – das Hauptkomitee der Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1880 in einem „Erinnerungsalbum“
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rich Lueg und Generaldirektor der Gutehoffnungshütte. Damit war dem Verleger der Weg in die Düsseldorfer Wirtschaft geebnet: Bei der Gewerbeausstellung 1880 gehörte er nicht nur dem Fachausschuss für Papierfabrikation an, sondern gab auch den umfangreichen Katalog zur Exposition heraus. In dieser Verflechtung traten die Haniels, Luegs, Trinkaus und Bagels neben einflussreiche Industriefamilien wie die Poensgens462) und die Heyes.463) Die die Entwicklung Düsseldorfs ab 1880 prägenden Großindustriellen hatten sich mit der erfolgreichen Durchführung der Ausstellung endgültig und öffentlich durchgesetzt. „Viribus unitis“ – so der programmatische Sinnspruch in der fotografischen Selbstdarstellung des Hauptkomitees der Düsseldorfer Ausstellung 1880. Ikonographisch verbanden sich die Darstellung von bürgerlicher Einigkeit und Gemeinsinn mit Attributen industriellen Fleißes und handwerklichen Ethos. Diese Selbstinszenierung zielte darauf, die gesellschaftliche Stellung der Ausstellungsorganisatoren zu stärken, was im Falle Düsseldorfs auch gelang: „Sie waren es gewesen, die den Namen der Stadt so weit bekannt gemacht haben wie nie zuvor in ihrer Geschichte; und es war eindeutig der Ruf einer Ausstellungs- und Industriestadt, den sie verbreitet hatten.“464) Die Zeremonie zur Ausstellungseröffnung führte diese neue Position der Industriellen eindrucksvoll vor Augen. Neben Würdenträgern aus Verwaltung, Kirche und Militär waren diesmal zahlreiche Industrielle zur Eröffnung geladen. Einleitend begrüßte Heinrich Lueg als Vorsitzender des Ausstellungskomitees die Gäste, während Oberpräsident von Bardeleben die Veranstaltung offiziell eröffnete.465) Ein unmittelbares Resultat der Ausstellung war die Gründung des Zentralgewerbevereins. Die Initiatoren dieses Zusammenschlusses deckten sich nahezu mit denen der Ausstellung: Lueg, Trinkaus, Piedboeuf, der Maler Grotjohann, Regierungspräsident von Hagemeister, Oberbürgermeister Becker sowie weitere Fabrikanten aus Duisburg, Dülken, Hagen, Bochum und Hückeswagen. Am 27. Juni 1882 konstituierte sich dann der „Zentralgewerbeverein für Rheinland, Westfalen und benachbarte Gebiete“, der es sich vor allem zur Aufgabe machte, eine Mustersammlung und ein Gewerbemuseum für Handwerk, Gewerbe und Industrie anzulegen. Zugleich suchte man auf diesem Wege die bildenden Künste zu fördern, denen ihrerseits eine Rolle als Ideenlieferanten für die Konsumgüterindustrie und das produzierende Gewerbe zugedacht war.466) 462)
Lutz Hatzfeld, Ernst Poensgen (1871–1949), in: Rheinische Lebensbilder Bd. 7, hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde von Bernhard Poll, Köln 1977, S. 203–225, S. 204. 463) Vgl. dazu Hüttenberger, Entwicklung, S. 559–562. 464) Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung, S. 430. 465) Vgl. Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 70–74. 466) Vgl. Hüttenberger, Industrie- und Verwaltungsstadt, S. 58 f.
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Künstler aus diesem Umfeld waren es, die eine erneute Industrie- und Gewerbeausstellung anregten mit dem Ziel, mit den Überschüssen ein festes Kunstausstellungsgebäude in Düsseldorf zu errichten. Die Initiative ging aber diesmal von der Düsseldorfer Künstlervereinigung „Malkasten“ aus, die an die positiven Resultate der 1880er Ausstellung anzuknüpfen hofften.467) Den Künstlern war allerdings bewusst, dass ohne Mitwirken der Großindustrie keine der Ausstellung von 1880 vergleichbare Veranstaltung zu erreichen war. 1902 hatte somit wieder Heinrich Lueg die Fäden der Organisation in seiner Hand, der im Anschluss an die Ausstellung zum Ehrenbürger der Stadt Düsseldorf ernannt wurde.468) Nach dem Vorbild der 1880er Ausstellung schuf man erneut ein vielschichtiges System von Fachausschüssen, Gewerbegruppen und Lokalkomitees, „eine temporäre Großorganisation, an der sich fast die gesamte Crème der rheinisch-westfälischen Industrie beteiligte.“469) Die „allerersten wichtigen, grundlegenden Beratungen“ führte Lueg mit dem – laut Ausstellungschronisten – „größten Industriellen unseres deutschen Vaterlandes“, nämlich Friedrich A. Krupp, sowie dem Vorsitzenden seiner Firma, Geheimrat Jencke, und dem Regierungspräsidenten Freiherr von Rheinbaben. Mit dessen Zusage konnten sich die Organisatoren der Ausstellung auch der Zusage der übrigen großen Industrieverbände sicher sein, so dass am 10. August 1898 eine Erklärung verabschiedet wurde, in der die „Nordwestliche Gruppe des Verein deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, der Verein deutscher Eisenhüttenleute und der Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen“ die Ausstellung für 1902 ankündigten. Dabei wurden im weiteren Prozess der Vorbereitungen diesmal Personen aus dem gesamten rheinisch-westfälischen Industriegebiet in die Organisation der Ausstellung eingebunden.470) Auch mit Blick auf die ausstellenden Branchen erweiterte man das Spektrum, wenn man sich nicht mehr auf die bereits 1880 vertretenen Gewerbezweige beschränkte, sondern diesmal auch die Elektroindustrie, das moderne Dienstleistungsgewerbe sowie den Sport mit einbezog. Vom Einzugsgebiet her beschränkte man sich weiterhin auf Produkte und Dienstleistungen aus dem Rheinland und Westfalen, mit einer Ausnahme: das Reich sollte das deutsche Schifffahrts- und Seewesen präsentieren. Dabei griffen die Interessen beider Seiten ineinander – die des Reiches, welches seinerseits für die maritimen Interessen zu mobilisieren suchte, und die der Ausstellungsorganisatoren, die auf ein besonderes Publikumsmagnet hofften und zugleich das persönliche Interesse des Kaisers wecken wollten.
467)
Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung , S. 2. Vgl. Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung, S. 413, FN 9. 469) Peter Hüttenberger, Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, in: Weidenhaupt (Hrsg.), Düsseldorf, Bd. 3, S. 7–262, S. 59. 470) Vgl. dazu Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 75–82. 468)
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Die Ausstellung reklamierte für sich, eine Repräsentation der Industrie des Ruhrgebietes und damit des wichtigsten industriellen Zentrums in Deutschland zu sein. Auch im Ausstellungsprocedere suchte man diesen Anspruch zu repräsentieren, indem der Kronprinz Friedrich Wilhelm das Protektorat übernommen hatte und auch der Kaiser am 15. August die Ausstellung besuchte. In einem viel beachteten Zeremoniell wurden der Kronprinz und später das Kaiserpaar empfangen, wobei sich das Hauptausstellungskomitee und insbesondere der Vorsitzende Heinrich Lueg entsprechend selbst in Szene setzten.471) Heinrich Lueg war nicht nur Motor der Ausstellungen von 1880 und 1902, sondern organisierte darüber hinaus im Vorfeld und in der Folgezeit für die Stadt Düsseldorf und den Industrieraum des Ruhrgebiets wichtige Zusammenschlüsse und Projekte. So organisierte er den einflussreichen Industrieklub, den Bau der Rheinbahn wie auch die Erschließung und die Bebauung des Stadtteils Oberkassel. Nicht nur die Ausstellungen selbst waren von weitreichender Bedeutung für Düsseldorf. Auch das Wirken des Haniel-LuegClans und weiterer einflussreicher Familien der nationalliberalen und freikonservativen industriellen Oberschicht prägten die Stadt472): Düsseldorf erschien dabei den Protagonisten als ein geeigneter Standort für ihre wirtschaftlichen Ambitionen. Während man in Essen der Konkurrenz der Familie Krupp ausgesetzt gewesen wäre, wären die Unternehmer in Köln nicht nur auf eine fest gefügte Kaufmannschicht getroffen, sondern die protestantischliberalen Industriellen hätten sich zusätzlich mit dem Erzbischof auseinandersetzen müssen. Haniel und Lueg waren zwei der Familien, die die Kohle- und Stahlproduktion, die Verkehrsnetze sowie die nationale, in Verbänden organisierte Interessenvertretung entscheidend bestimmten.473) Die mit den Ausstellungsprojekten verbundenen Familien orientierten die traditionell auf das Bergische Land konzentrierte Wirtschaft Düsseldorfs stärker auf das Ruhrgebiet. Dass die Entwicklung in Düsseldorf keine Ausnahme war, soll mit dem vergleichenden Blick auf das Berliner Ausstellungswesen kurz angedeutet werden: Erste Anstöße zu den Ausstellungen gab ein Komitee, welches in Folge der Bauausstellung 1874 mit der Aufgabe betraut war, eine Nachfolgeveranstaltung zu initiieren, sowie ein Kreis von Interessenten aus der polytechnischen Gesellschaft zu Berlin und aus dem Industriellenverein.474) Nahezu 20 Prozent der Personen, die im provisorischen wie im Hauptausstellungscomitée des Jahres 1879 beteiligt waren, engagierten sich erneut bei der Vorbereitung der Ausstellung im Jahr 1896. Der Kommerzienrat Fritz Kühne-
471)
Vgl. dazu ebd., S. 24–43. Zur Charakteristik der Oberschicht vgl. Hüttenberger, 19. Jahrhundert, S. 68. 473) Ebd., S. 566. 474) Vgl. Officieller Katalog der Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879, bearbeitet im Auftrag des Central Comités von J. H. Maurer, Berlin 1879, S. 1 f. 472)
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mann, Mitinhaber der Maschinenbaufabrik Rössemann und Kühnemann im Wedding und Mitglied des Industrievereins, hatte 1879 im Hauptcomitée gewirkt. 1896 stand er diesem Gremium sogar vor und war eines von drei Mitgliedern des geschäftsführenden Ausschusses.475) Auch sein Stellvertreter Bernhard Felisch, in verschiedenen Funktionen als Repräsentant des Baugewerbes tätig, war ebenso wie der Kommerzienrat Paul Dörffel, Vorsitzender der Gruppe XI (Wissenschaftliche Instrumente), laut Presse „einer der Männer der 79er Vereinigung, die sich bereits um das Zustandekommen und den Erfolg der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1879 ein bedeutsames Verdienst erworben“ hatten.476) Einen ideellen Zusammenhang stiftete die unmittelbar nach der Ausstellung von 1879 einsetzende Werbung für eine in der Hauptstadt des deutschen Reiches abzuhaltende Weltausstellung,477) die sich aber, da der Kaiser eine solche ablehnte, letztlich auf eine Regionalausstellung beschränkte. Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren ein Element im Geflecht der sich wandelnden Selbstdarstellung der städtisch-wirtschaftsbürgerlichen Gesellschaft. Während die frühindustriellen Expositionen noch unmittelbar in die geltende Wirtschafts-, Sozial- und Herrschaftsordnung eingebunden waren, entwickelten sich die Ausstellungen im weiteren Verlauf zu Repräsentationsforen einer neuen und in sich überaus disparaten Berufs- und Sozialgruppe der Industriellen, Gewerbetreibenden und Fabrikanten.478) Insbesondere die Fallstudie zu Düsseldorf zeigte, wie sich dabei angestammte stadtbürgerliche Eliten mit neuen Industriellenkreisen verbanden. Wo, wie die Bürgertumsforschung herausgestellt hat, der Anschluss an traditionelle Verkehrskreise des alten Bürgertums nach 1850 nur selten gelang,479) da boten die Industrie- und Gewerbeausstellungen Zuwanderern und Neuindustriellen eine eigene gesellschaftliche Bühne. Sie fungierten als Produkt und Promotor einer sich wandelnden öffentlichen Repräsentation und waren ein Medium, dessen sich – so haben die Beispiele Düsseldorf und Berlin gezeigt – insbesondere die neuen Industrieeliten bedienten. Vom obrigkeitlich getragenen Veranstaltungstyp 475)
Vgl. dazu ebd., S. 31 f.; Katalog der Berliner Gewerbeausstellung 1896. Als zeitgenössischer Hinweis auf diesen Zusammenhang vgl. Deutsche Baugewerkszeitung No. 3 vom 11. Januar 1893, S. 1. 476) Berliner Illustrirte Zeitung Nr. 18 vom 12. Mai 1896, S. 2–3. Vgl. auch Erhard Crome, Berliner Gewerbeausstellung 1896. Betrachtung eines Jahrhundertstücks, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 11–28, S. 22. 477) Vgl. dazu neben dem Kapitel D IV 2 in dieser Studie Annemarie Lange, Das Wilhelminische Berlin. Zwischen Jahrhundertwende und Novemberrevolution, Berlin Ost o. J. [1957], S. 30–63; Geppert, Ausstellungsmüde. 478) Parallel dazu die Überlegungen zum „Aufstieg der freien Interessenverbände“ bei Wischermann, Staat, S. 493 f. 479) Vgl. Frank Möller, Bürgerliche Herrschaft in Augsburg 1790–1880, München 1998, S. 113–122; Gisela Mettele, Bürgertum in Köln 1775–1870. Gemeinsinn und freie Association, München 1998, S. 331; Ralf Roth, Stadt und Bürgertum in Frankfurt a. M., München 1996, S. 521–522.
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der ersten Jahrhunderthälfte wandelten sich die Ausstellungen zu einer selbstbewussten, den lokalen und regionalen Rahmen deutlich übersteigenden Manifestation des wirtschaftsbürgerlichen Selbstverständnisses.480) 3. „Ausstellungsmüdigkeit“? – Funktionswandel und neue Medienstruktur Aufgeladen mit dem Pathos des Nationalen, unterstützt von der Begeisterung über die Weltausstellungen und getragen von der Welle der technischen und ökonomischen Innovationen entfaltete sich das Ausstellungswesen innerhalb Deutschlands auf der Wende zum 20. Jahrhundert quantitativ zu höchster Blüte.481) Parallel dazu steigerte sich die Kritik am und die Ablehnung des Expositionswesens. Zeitgenössisch verdichtete sich diese Haltung in der Vokabel von der „Ausstellungsmüdigkeit“. In den Ausstellungen sei niemals „etwas wahrzunehmen von dem Volkswillen, der sich, wie die Festredner stets zu betonen pflegen, so mächtig manifestirt haben soll“, so kritisierte der Ausstellungsbeobachter Julius Lessing: „Die Gewerbetreibenden wissen viel zu gut, wie große Opfer ihnen schließlich auferlegt werden, als daß nicht gerade die älteren und gewitzteren unter ihnen sich sträuben sollten gegen jede Zumutung einer Ausstellung. Aus dem Gewerbe selbst kommt die Zustimmung gewöhnlich nur von der Seite der jüngeren, noch unbefriedigten Fabrikanten, sodann der Actiengesellschaften und gewisser auf große Reclame angewiesener Unternehmungen.“ Als eigentlich treibende Kraft machte Lessing eine „kleine Schar von Schwärmern“ aus, „denen ihre ehrliche Ueberzeugung nicht bestritten werden soll, denen sich aber alsbald Ehrgeizige und – was noch schlimmer ist – Speculanten anhängen.“ Am Ende eines Diskussionsprozesses werde „eine Ausstellung proclamirt, und ist es einmal nicht mehr zweifelhaft, daß sie stattfinden wird, so bleibt selbst denjenigen, die sich aus gutem Grunde ablehnend verhalten haben, nichts übrig, als mitzumachen; die Ehre der Stadt steht einmal auf dem Spiel, und es gehört schon ein gewisser Muth dazu, wirklich fern zu bleiben. Dies ist der Vorgang in fast ausnahmslos allen öffentlichen und größeren Ausstellungen, und man muß zufrieden sein, wenn schließlich die Veranstaltung eine Form annimmt, welche dem ursprünglichen Zweck einigermaßen entspricht. Wir wissen nur zu genau, wie viele derartige Ausstellungen bei uns in Deutschland und im Auslande schließlich ganz und gar in eine colossale Kirchweih verlaufen sind, bei denen lediglich das Interesse der Gasthäuser und Bierwirtschaften mitzusprechen schien.“482)
480)
Zur inhaltlichen Ausgestaltung dieses Selbstverständnisses vgl. Teil C dieser Arbeit. Vgl. dazu die oben abgedruckte Grafik „Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland 1790–1914“ 482) Julius Lessing, Die Berliner Gewerbeausstellung, in: Deutsche Rundschau, Band LXXXVIII (1896), Heft Juli-August-September, S. 276–294, S. 278. 481)
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Die Aussteller, so hatte auch der schwäbische Ingenieur Max Eyth auf der Pariser Weltausstellung 1878 beobachtet, ließen sich „wie die Hunde zum Jagen tragen“: Allein die Furcht, vor der Konkurrenz zurückzustehen falls man nicht teilnehme, erkläre die Anmeldung. „Und so stürzen sie denn alle wieder herbei, so oft es klingelt, putzen ihre Maschinen heraus und ihre Glaswaren oder Goldsachen, werfen ihr Geld zu Tausenden hinaus um sich gegenseitig zu überbieten und hoffen – umsonst! – dass es diesmal endlich das letzte Mal sein werde.“ Um das Publikum sei es nicht besser bestellt, denn „dem Kundigen kann eine Ausstellung kaum etwas Neues bringen.“ Verbesserte Verkehrsmittel, der Telegraph und die Presse stillten das Informationsbedürfnis zur Genüge, so dass auch hier die Ausstellungen kaum noch eine Funktion erfüllten. Ein Paradox sticht sofort ins Auge, hält man gegen das Crescendo der Kritik die tatsächliche quantitative Entwicklung im Ausstellungswesen: Der Direktor im Reichsamt des Inneren, Dr. Thomas Lewald, wies in einem Vortrag zum Thema „Die nationale Bedeutung internationaler Ausstellungen und die internationale Bedeutung nationaler Ausstellungen“ darauf hin, dass entgegen der vielfach konstatierten „Ausstellungsmüdigkeit“ praktisch eine hohe „Ausstellungsbereitschaft, ja Ausstellungsfreudigkeit“ bestehe.483) Allein für das Jahr 1912 waren laut Kataster der Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Wirtschaft 253 Ausstellungen gemeldet worden, für das Jahr 1913 wiederum 223 innerdeutsche Expositionen gewerblicher Art.484) „Vor dem Weltkriege“, so liest man im Handwörterbuch der Staatswissenschaften von 1924, habe es jährlich bis zu 300 Ausstellungen in Deutschland gegeben.485) Gleicht man die deutsche Ausstellungslandschaft mit der internationalen Ausstellungsszene ab, dann zeigt sich, dass nie vorher mehr und größere Ausstellungen veranstaltet wurden als zwischen 1880 und 1910.486) Mit Blick auf die anschwellenden Zahlen der Ausstellungen galt es den Zeitgenossen daher eher als Problem, diese einzuschränken, als die Expositionen zusätzlich zu fördern. So forderte die Ständige Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie dazu auf, „die unsoliden und überflüssigen Veranstaltungen zu bekämpfen“ und staatlicherseits „nur solche Ausstellungen zu fördern bez. zu beschicken, die wirklich dem wohlverstehenden Interesse des Gewerbefleisses dienen.“487) Mit verschiedenen Gesetzesinitiativen suchte man den Auswüchsen des Ausstellungsdrangs zu begegnen, was aber nur partiell gelang: Mit der Zunahme der Zahl der Ausstellungen sank beispielsweise die Bedeutung ihrer Auszeichnungen inflationär. Im Bereich der Prämierung waren es allein die innerhalb des Deutschen Reiches verliehenen
483)
BA Berlin, R 3101, Nr. 3645 (Bestand Potsdam), S. 210 f. Ebd., S. 214. 485) Vgl. Morgenroth, Ausstellungen, S. 53. 486) Vgl. Geppert, Welttheater, S. 39. 487) BA Berlin, R 3101, Nr. 568 (Bestand Potsdam), S. 235. 484)
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Staatsmedaillen, die ihren exklusiven Charakter weithin bewahren konnten, indem strenge Kriterien der Auswahl zu Grunde gelegt wurden, die sich nicht nur auf die Leistungen in der jeweiligen Ausstellung bezogen, sondern auch die Position des Ausstellenden innerhalb seiner Branche sowie die Beachtung des Arbeiterschutzes berücksichtigten.488) Weder von staatlicher Seite noch durch Zusammenschlüsse privater Art konnte man allerdings wirksam die Form und die Zahl der Ausstellungen steuern. Initiativen wie die der „Berliner Ausstellungshalle“, mit denen eine permanente Ausstellungshalle zur Vermietung an alle zur Verfügung stand, konnte nur anfangs den idealen Zweck verfolgen, auch kleineren Branchen Ausstellungen zu ermöglichen. Rasch entwickelte sich diese Unternehmung selbst zu einem marktorientierten Anbieter von Dienstleistungen, welches damit aber zugleich die ihm zugedachte regulierende Funktion verlor.489) Weder von privater noch von staatlicher Seite allerdings konnte eine erfolgreiche Steuerung erreicht werden. Mit der 1907 gegründeten Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie war zwar eine Kommission geschaffen, in der Vertreter der führenden Firmen das Ausstellungswesen beobachteten und in einem Mitteilungsblatt auf Chancen und Gefahren hinwiesen. Aber auch dieses Regulativ war in seiner Wirksamkeit begrenzt. Zu sehr war das Ausstellungswesen sowohl hinsichtlich der Träger der Veranstaltungen als auch des Ausstellungszwecks bereits differenziert, zu groß war die Faszination, die dieses Medium bei den Ausstellern wie auch beim Publikum auslöste. Entkleidet man die zeitgenössischen Niedergangsdiagnosen ihrer Krisenrhetorik, dann entdeckt man hinter dem vermeintlichen ‚Zerfall‘ der Ausstellungskultur einen Funktionswandel inklusive entsprechender Bedeutungsverschiebung.490) Die Vorstellung von einer „Degeneration“ des Ausstellungswesens und eines damit verbundenen Desinteresses der Aussteller begleitete das Ausstellungswesen nicht erst seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, sondern seit seinem Aufkommen. Bereits 1854 vermerkte ein Kommentar zur Ausstellung in München „eine an Schlafsucht grenzende Teilnahmslosigkeit“491), und 1856 schrieb der Verfasser eines populären Artikels über die Ausstellungen, dass „diese industriellen Feste gegenwärtig ihren Kulminationspunkt erreicht und sich von nun an selten wiederholen, vielleicht gar aufhören werden.“492) Das Schlagwort von der „Ausstellungsmüdigkeit“ ist vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nachweisbar.493) Die Kritik hatte 488)
Paquet, Ausstellungsproblem, S. 308. Ebd., S. 313. 490) Vgl. Geppert, Welttheater, S. 39. 491) Zitiert nach Huber, Ausstellungen , S. VII, S. 283 ff. 492) Vgl. Roscher, Industrieausstellungen. 493) Sehr genau kann Uwe Beckmann die Ausstellungsmüdigkeit bestimmter regionaler Wirtschaftskreise nachweisen. Vgl. ders., Weltausstellungen 1851–1876. Die Beteiligung von metallverarbeitenden Unternehmen des bergischen und märkischen Raumes, in: Dascher (Hrsg.), Feld, S. 179–189, S. 180. 489)
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sich bis dorthin vor allem an einem Punkt festgemacht: Von Seiten der Aussteller wurde beklagt, dass der Aufwand an Geld und Arbeit in keinem Verhältnis stehe zu eventuellen, keinesfalls direkt nachweisbaren Umsatz- und damit Gewinnsteigerungen. Gleichzeitig aber sah man sich der Konkurrenz wegen dennoch genötigt, die Ausstellungen zu beschicken. Mit der zunehmenden Ausrichtung der Ausstellung auf die industrielle Produktion war auch das Handwerk ein häufiger Beschwerdeführer, sah es doch seine Interessen nicht mehr gewahrt. Kritik gab es auch fortwährend an der, so der Vorwurf, „schwindelerregenden Ausdehnung“ der Ausstellungen in Form und Programm. Die Ausstellungskrise hatte, folgt man den Niedergangsszenarien ihrer Verkünder, verschiedene Seiten: Nicht mehr die Demonstration von Leistungsfähigkeit, sondern Theater und Spektakel bildeten das Motiv für die Ausstellungen. Darüber hinaus wurde eine zunehmende Kommerzialisierung des Expositionswesens beklagt, bei der der Vergnügungsteil wie auch der merkantile Charakter der Ausstellung verbunden mit ihrer Hoffnung auf schnellen Gewinn den ursprünglich idealen Zweck der Gewerbeförderung beziehungsweise der Repräsentation von Fortschritt verdrängt habe.494 Dass man der Ausstellungen überdrüssig und müde sei, ist eine Klage, die das Ausstellungswesen immer begleitet hat, die sich aber seit den 1880er Jahren in den Kreisen der Gewerbetreibenden, der Ausstellungspublizisten und im Publikum intensivierte.495) Über die allgemeine Krisenrhetorik hinaus stützen gewichtige Argumente die These, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts die Ausstellung an Funktionen einbüßte: Der Beginn der „kommunikologischen Sattelzeit“496) war nicht nur durch eine „zweite Leserevolution“ charakterisiert, sondern mit neuartigen Druck- und Reproduktionstechniken und vor allem mit dem Aufkommen der Fotografie entwickelten sich neue Kommunikationstechniken und Visualisierungsmöglichkeiten.497) Zeitgenössisch reflektierte der Ausstellungspublizist Max Eyth diese Entwicklung, wenn er feststellte, dass die Expositionen dem Kundigen kaum etwas Neues bringen könne: „Mit unseren gesteigerten Ver494)
Vgl. Huber, Ausstellungen, S. 286. Zum Nachweis, wann dieser Begriff zum ersten Mal auftaucht, vgl. Geppert, Welttheater, S. 39 f. Zur Geschichte der „Ausstellungsmüdigkeit“ vgl. Huber, Ausstellungen, S. 299–314. 496) Zum Begriff vgl. den Arbeitskreis Geschichte und Theorie in seiner Selbstpräsentation. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der ersten Weltausstellung in Deutschland, der Expo in Hannover im Jahr 2000, kam der Gedanke vom Funktionsverlust der Ausstellungen erneut auf, wenn der damalige Chefredakteur der Zeit, Roger de Weck, forderte, die Ausstellung ins Internet zu verlegen. Vgl. Roger de Weck, In Hannover? Nein, im Internet, in: Die Zeit Nr. 53 vom 12. 2. 1998, S. 1. Dazu die Anmerkung bei Geppert, Welttheater, S. 39 f. Vgl. auch Geppert, Ausstellungsmüde, unpag. 497) Vgl. Jäger, Medien, S. 473–499; zur Fotografie vgl. Jürgen Hannig, Fotografien als historische Quelle, in: Tenfelde (Hrsg.), Bilder, S. 269–288; Ulrich Wengenroth, Die Fotografie als Quelle der Arbeits- und Technikgeschichte, in: ebd., S. 89–104. 495)
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bindungsmitteln, mit Telegraphen, Eisenbahnen und der Presse sind wir uns alle so nahe gerückt, dass nichts von Bedeutung auf dem ganzen Erdkreis auch nur wochenlang für den im Verborgenen bleibt, der sich ernstlich dafür interessiert.“498) Technische Hoch- und Fachschulen, entsprechende Institute sowie an der Ausbildung und Vermittlung neuer Kenntnisse ausgerichtete Verbände und Vereine bildeten mit ihren Schausammlungen, Kongressen und Publikationsorganen ein Institutionengeflecht, in dem sich eine wissenschaftliche Öffentlichkeit verfestigte.499) Die gewerblichen Bildungsanstalten und Fachvereine wie auch „die besonders in Deutschland stark verbreiteten Fachzeitschriften“ hatten die didaktischen Aufgaben des höheren Ausstellungswesens übernommen.500) Das sich erweiternde Spektrum von Fach-, aber auch populärwissenschaftlichen Schriften zur technischen und industriellen Entwicklung bediente zumindest einen Teil des Informationsbedürfnisses und Sensationshungers in der Bevölkerung. Diesen Medien standen auch immer verfeinerte Möglichkeiten der Reproduktion von Grafiken und Bildern zur Verfügung. Der Ausbau und die Erweiterung der Kommunikationstechnik wie der Massenmedien erlaubte es, Nachrichten über neue Erfindungen und Entwicklungen rasch und umfassend zu verbreiten.501) Aber die Ausstellungen waren keinesfalls allein dem Informationsaustausch verpflichtet, sondern fungierten vor allem als Medien der Produktwerbung und der Unterhaltung. Die Zeit der Ausstellung als Informationsbörse sei vorbei, resümierte der Architekt Waldner: „Diese grossen Ausstellungen haben jetzt vielmehr den Zweck, dem Fernerstehenden, dem grossen Publikum einzelne Kraftproben unserer Industrie vorzuführen, ihm die Leistungsfähigkeit unserer bedeutenden Werkstätten zu zeigen, das Volk für technische Fragen zu interessierten, ihm zu zeigen, wie durchdachte Arbeit die rohe Naturkraft besiegt und benutzt, kurz die Ausstellungen sind im Grunde nicht mehr für die Fachleute, sondern für das Volk im Allgemeinen vorhanden. Auch wenn man das Vergnügungseck und andere Lockmittel außer Acht läßt, sind sie große Volksfeste geworden.“502)
Aber auch auf dem Sektor der Produktwerbung, welche in ein Erlebnisarrangement eingebunden war, erwuchs den Expositionen zunehmend Konkurrenz: Schon von Zeitgenossen wurde 1930 festgestellt, dass selbst die neuen Zweige
498)
Max Eyth, Im Strome unserer Zeit, Bd. 2, Heidelberg 1904, S. 323 f. Zur Geschichte der um die Vermittlung technischer Bildung bemühten Institutionen vgl. Gustav Grüner, Entwicklung der technischen Fachschulen, in: Boehm/Schönbeck (Hrsg.), Technik, S. 175–203; Karl-Heinz Manegold, Geschichte der technischen Hochschulen, in: ebd., S. 204–234. 500) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 190. 501) Zum gesellschaftlichen „Gebrauch“ der Photographie vgl. Jens Jäger, Gesellschaft und Photographie. Formen und Funktionen der Photographie in Deutschland und England 1839–1860, Opladen 1996, insbesondere S. 252–263. 502) H.A. Waldner, Die künstlerische Bedeutung der Düsseldorfer Ausstellung, in: Deutsche Bauhütte Nr. 24 vom 12. Juni 1902, S. 185–188, S. 185. 499)
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wie die Automobil- und die Radioindustrie, die zwecks Positionierung am Markt immer besonders heftig zu den Ausstellungen gedrängt hatten, nun „das Schaufenster des großen Ladens an der Hauptgeschäftsstraße“ zur Präsentation ihrer Produkte nutzten.503) Eingebunden in den säkularen Prozess der Urbanisierung, Industrialisierung und Modernisierung setzte seit der Jahrhundertwende ein ‚Reklame-Boom‘ ein, der sich in Plakatsäulen, Reklamewagen, Schaufenstern, Lichtreklamen und Reklameaufbauten materialisierte. Die neue Form der Werbung machte „das Massenpublikum zum Träger eines neuen (demokratischen) Konsumverhaltens, begleitete den Übergang zu völlig veränderten Geschäftsmethoden und wurde zum Medium einer neuen Ästhetik.“504) Mit der Reklame und Werbung, so lässt sich die Entwicklung auf eine kurze Formel bringen, verstetigte sich, was die Ausstellungen zuvor räumlich exklusiv und zeitlich begrenzt geboten hatten. Besonders anschaulich wird diese These, wenn man eine neue Präsentations- und Verkaufsform, die eng mit dem Aufkommen des Massenkonsums und der ihn begleitenden Reklame verbunden war, mit der Institution Industrie- und Gewerbeausstellung abgleicht: Das Warenhaus übernahm nicht nur die verkaufsfördernde Funktion, sondern beerbte das Ausstellungswesen in seiner Organisation wie in seiner Ästhetik unmittelbar.505) Zwar konnte das Warenhaus in Deutschland, wo es zunächst vorrangig auf die Unterschicht zielte, vor der Jahrhundertwende kaum an den Glanz der Industrie- und Gewerbeausstellungen anschließen. Im Laufe seiner Entwicklung aber stellte es die Expositionen nicht nur mit Blick auf seine Breitenwirkung, sondern auch hinsichtlich der architektonischen Innovation deutlich in den Schatten.506) Vergleichbar der Ausstellung stellte das Warenhaus den Käufer in ein bislang unbekanntes Verhältnis zum Angebot: Die Produkte wurden nicht in Fächern, Kästen und Kisten verpackt, deren Inhalt nur auf Wunsch hervorgeholt wurde, sondern direkt dem Kunden zur unverbindlichen Prüfung vorgelegt. „In jeder Abteilung“, so schrieb der Handelsverbandsfunktionär 503)
Vgl. dazu den Rückblick des Ausstellungstheoretikers Alfons Paquet, Wandlung und Entwicklung im Ausstellungswesen, in: Ausstellung und Messe in Recht und Wirtschaft der Zeit. Vorträge gelegentlich der 2. Mitgliederversammlung des Deutschen Ausstellungsund Messe-Amtes am 24. Mai 1930 in Dresden (= Veröffentlichungen des Deutschen Ausstellungs- und Messe-Amtes Heft 6 vom August 1930), S. 49–71, S. 55. 504) Christiane Lamberty, Reklame in Deutschland. Wahrnehmung, Professionalisierung und Kritik der Wirtschaftswerbung, Berlin 2000, S. 14. Vgl. auch Dirk Reinhardt, Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland, Berlin 1993. 505) Zum Warenhaus als Inszenierungsraum und Konsumtempel vgl. Alarich Rooch, Zwischen Museum und Warenhaus. Ästhetisierungsprozesse und sozial-kommunikative Raumaneignung des Bürgertums (1823–1920), Oberhausen 2001, S. 133–165. 506) Zur Entwicklung vgl. Tim Coles, Department Stores as Retail Innovations in Germany: a Historical-Geographical Perspective on the Period 1870 to 1914, in: Geoffrey Crossick/Serge Jaumain (Hrsg.), Cathedrals of Consumption. The European Department Store 1850–1939, Ashgate 1999, S. 72–96.
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Walter C. Jäh, „findet sich eine Ausstellung im Kleinen“, die dem Kunden einen raschen Überblick ermögliche und ihn zum Kauf animieren soll.507) Wie der Ausstellungsbesuch auch diente der Einkauf nicht mehr vorrangig der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung, sondern avancierte zumindest in den urbanen Zentren und für eine begüterte Oberschicht schon vor der Jahrhundertwende zum Freizeitvergnügen.508) Dieses Eintauchen in den Konsum hatten zuvor lediglich die Ausstellungen ermöglichen können. Nun boten Warenhäuser diese Erlebniswelt permanent und an zentralen Orten.509)
Resümee Die Genese der modernen Ausstellung war damit verbunden, dass sich die Exponate aus ihrem traditionellen sakralen und herrschaftlichen Zusammenhang lösten. Im politisch-kulturellen Bereich demonstrierte die französische Revolution, wie die Objekte von ihren sakralen und herrschaftlichen Konnotationen befreit und neu mit Bedeutung belegt werden konnten. In Deutschland wurde dieser Prozess angeregt von einer stark bildungsbürgerlich getragenen Museumsbewegung, in der sich ein aufklärerisch-pädagogischer Impuls rasch mit ökonomisch-merkantilistischen Zielen verband. Gemäß dem „Vorbilderglauben“ der Zeit sollten die Betrachtung und das Studium exemplarischer Exponate sowohl den Produzenten zu einem sicheren Stil wie auch den Konsumenten zu einem ausgewählten Geschmack verhelfen. Im Bereich der Technik und der Industrie waren es Innovationen und eine steigende Marktintegration, die einen wachsenden Bedarf an Öffentlichkeit und spezieller Popularisierung und Werbung mit sich brachte. Die frühindustriellen Ausstellungen waren dabei ebenso ein Forum des Austauschs und der Information wie eine Bühne für den Vergleich und die Konkurrenz. Das Museum und die Ausstellung avancierten zu zentralen Instanzen, die die Neudefinition der Dinge und ihres Wertes betreiben.
507)
Walter C. Jäh, Die Großbazare und Warenhäuser, ihre Berechtigung und ihre Besteuerung, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Neue Folge 24 (1900), S. 723–764, S. 725; Detlef Briesen, Warenhaus, Massenkonsum und Sozialmoral. Zur Geschichte der Konsumkritik im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2001. 508) Vgl. insbesondere die Beschreibung der „weißen Wochen“ inklusive entsprechender Fotos im Kaufhaus Tietz in Helmut Frei, Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur, Leipzig 1997. Auch Uwe Spiekermann, Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des modernen Kleinhandels in Deutschland 1850–1914, München 1990, S. 363–381. 509) Für die Wirkung beider Institutionen auf das Alltagsleben legen vor allem die Meinungsäußerungen der Fortschrittspessimisten und Kulturkritiker ein beredtes Zeugnis ab. Vgl. Briesen, Warenhaus.
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Resümee
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Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren dabei ein spezieller Strang, der – so wurde im Vergleich zum Museum im Allgemeinen wie auch zum Kunstgewerbemuseum im Speziellen gezeigt – durch seine Sammlungsprinzipien und seine ephemere Konstruktion vor allem auf aktuelle Visualisierung und Meinungsäußerung angelegt war. Unter anderem dadurch unterschieden sie sich von den historischen Museen, die vorrangig der Identitätsstiftung durch den Blick in die Vergangenheit dienten, wie auch von den Kunstgewerbemuseen, die vor allem für die Transmission des Alten in das Neue standen. Neben der merkantilistischen Gewerbeförderung und den gelehrten Akademien wurzelten die Industrie- und Gewerbeausstellungen in Märkten und Messen, die als traditionelle Formen ebenfalls auf die Präsentation der Waren setzten. Bei ihnen stand allerdings der Verkauf im Vordergrund, bei den Ausstellungen hingegen der Repräsentationswille. In Abgrenzung zum vormodernen, in vielfacher Weise gesellschaftlich eingebetteten Marktgeschehen separierte sich in den Expositionen eine eigene Sphäre der ökonomischen Öffentlichkeit, in der einerseits der Wettbewerb und der Leistungsvergleich zum Prinzip erhoben wurden, andererseits die Selbstrepräsentation der neuen Schicht der Industriellen und Gewerbetreibenden zu einem wichtigen Motiv wurde. Angelehnt an das Vorbild der französischen Nationalausstellungen wurde das Medium Industrie- und Gewerbeausstellung in Deutschland zunächst als Instrument der Gewerbeförderung verstanden und genutzt. Getragen von staatlichen Stellen oder halbstaatlichen Vereinen, dominierte der gelehrt-pädagogische Charakter, so dass die Expositionen über den Kreis des Handwerks, des Gewerbes und der Industrie hinaus nur wenig Resonanz fanden. Dieser Zustand änderte sich erst im Verlaufe der 1830er Jahre. Die Gewerbevereine, die sich aus herrschaftlichen und religiösen Bezügen lösten, wurden zu den Trägern der Ausstellungen. Gewerbepädagogische Bemühungen mischten sich nun mit wirtschaftspolitischen Initiativen und dem Bemühen um gesellschaftliches Renommee. In der Öffentlichkeit der Vereine wie auch der Ausstellungen wurden Bedürfnisse und Tendenzen artikuliert, die den Rahmen der herrschaftlich-korporativ organisierten ‚alten Welt‘ überstiegen. Damit stehen die Ausstellungen für einen Wandel der ökonomischen Wahrnehmungs- und Handlungsmodi. Auf ihnen zeigten sich das ökonomische Feld und seine Akteure als eigenständiger, zweckrationaler, auf Leistung und Konkurrenz beruhender Sektor. Quantitativ verzeichnete das Medium Ausstellung in den vierziger Jahren seinen Durchbruch, was mit den größeren Möglichkeiten der räumlichen und kommunikativen Mobilisierung ebenso zu erklären ist wie mit den neuen Formen und Gehalten der Ausstellungen selbst. Insbesondere die Nationalausstellungen in Mainz (1842), Berlin (1844) und München (1854) sowie das in die deutsche Ausstellungskultur hineinwirkende Vorbild der Londoner Great Exhibition machten diese Institution populär und luden sie zugleich mit weiteren Bedeutungen auf: Die Ausstellungen avancierten zu einem Moment der
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B. Das Medium Ausstellung in der Kommunikationsrevolution des 19. Jhs.
inneren Nationenbildung, welches sich im „Halbjahrhundert der Weltausstellungen“ (J. Lessing) zunehmend aus der Konkurrenz zu anderen Nationen speiste. Zugleich entfernten sich die Ausstellungen immer mehr von Handwerksexpositionen, auf denen Einzelexponate und besondere Schaustücke im Vordergrund standen, und entwickelten sich zu Industrieausstellungen, die vor allem potenziellen Konsumenten und nicht mehr vorrangig dem Geschäftspartner und Mitbewerber ihre Produkte vorführten.510 Der Funktionswandel schlug sich nieder in der veränderten Wahl der Ausstellungsstandorte: Neben die Residenzstädte, von deren repräsentativen Möglichkeiten die Veranstalter zunächst zu profitieren suchten und von denen manche auf Grund ihrer besonderen Infrastruktur weiterhin attraktiv blieben, wurden seit den sechziger und siebziger Jahren nun Handels- und Gewerbezentren als Standorte für die Ausstellungen ausgewählt. Mit dem Erfolg des Mediums Ausstellung wuchs auch das Interesse an der Selbstrepräsentation: Die Öffentlichkeit der Industrie- und Gewerbeausstellungen nutzten speziell zum Zweck der Veranstaltung gegründete Vereine, in denen sich Honoratioren aus Verwaltung und Wirtschaft zusammenfanden. Insbesondere für neue, nicht in herkömmliche Beziehungsnetze eingebundene Industrieeliten waren die Ausstellungen ein attraktives Medium, in dem sich die Demonstration technischen und industriellen Fortschritts mit der Selbstdarstellung der eigenen Sozial- und Statusgruppe verbinden ließ. Während die frühindustriellen Expositionen noch in die geltende Wirtschafts-, Sozial- und Herrschaftsordnung eingebunden waren, entwickelten sich die späteren Ausstellungen zu Repräsentationsforen einer neuen und in sich überaus disparaten Berufs- und Sozialgruppe von Industriellen, Gewerbetreibenden und Fabrikanten. An Fallstudien zu Berlin und Düsseldorf konnte gezeigt werden, wie die Organisatoren der Ausstellung ihren darüber gewonnenen Einfluss in der städtischen, zum Teil auch darüber hinausreichenden Politik geltend machen konnten und verstetigten. Der Funktionswandel des Mediums und die Kritik am Ausstellungswesen machten sich vor allem fest an der Kommerzialisierung der Ausstellungen: Auf der einen Seite wurden die Ausstellungen als wichtige Instrumente zur Belebung des Fremdenverkehrs entdeckt. Auf der anderen Seite traten seit dem Ende der sechziger Jahre verstärkt auch Spekulanten und „Projektemacher“ auf, die ihre Ausstellungsprojekte lediglich zu ökonomischen Zwecken betrieben und die mit hohen Standgebühren belegten Aussteller mit garantierten Medaillen und Auszeichnungen entschädigten. Nicht nur die Extrembeispiele der betrügerischen Ausstellungspraxis, sondern vor allem die zunehmende Kommerzialisierung in den wachsenden Vergnügungsparks und Amüsementzonen diskreditierten das Medium und machten das Ausstellungs-
510)
Vgl. dazu detaillierter Abschnitt C 2 in dieser Arbeit.
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gewerbe zum Gegenstand fortwährender Kritik.511 Seine Breitenwirkung und Popularität schränkten diese Klagen aber nicht ein: Auch wenn der gemeinnützige und gewerbefördernde Charakter schon lange lediglich in den Eröffnungsreden behauptet wurde und in der Ausstellungspraxis nicht mehr durchschlug, blieben die Ausstellungen allen Auswüchsen zum Trotz bis zum Ersten Weltkrieg für die Aussteller wie für das Publikum anziehend.512 Nicht die Belehrung, sondern die Kombination aus wachsendem Vergnügungsangebot und Demonstration von technischem und industriellem Fortschritt machten die Exhibitionen für ein Massenpublikum attraktiv. Zugleich erweiterten sich mit dieser Formveränderung die Möglichkeiten des Mediums. Sie entwickelten sich zunehmend zu Öffentlichkeiten, in denen nicht nur Deutungsangebote inszeniert, sondern auch Partizipationsangebote gemacht wurden. Diese machten die Ausstellungen zu einem Raum, in dem Organisatoren, Aussteller und die beständig wachsende Zahl von Besuchern neue soziale und ökonomische Ordnungsvorstellungen visualisieren und ausprobieren konnten.
511) 512)
Vgl. dazu speziell Kapitel C 4 in dieser Studie. Vgl. dazu Kapitel E in dieser Arbeit.
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis Die massenhafte mediale Popularisierung von Wissen und die damit einsetzende Neudefinition von Wissensgehalten und -kanones sind Phänomene des 19. Jahrhunderts.1) Im Ensemble der Wissensagenturen des 19. Jahrhunderts reihten sich neben die traditionellen Institutionen wie die Kirche, die Universität und den Hof neue Popularisierungsinstanzen. Dazu zählten das Museum, die wissenschaftliche, meist älteren Traditionen entspringende Akademie und die verschiedenen Formen der Printmedien. Die Ausstellungen nahmen in diesem Ensemble eine besondere Stellung ein. Wegen der ihr eigenen Möglichkeiten des Zeigens entwickelten sie sich zu einflussreichen Orten gesellschaftlicher Wissensproduktion, Wissensrepräsentation und kollektiven Lernens. In diesem Sinne waren sie nicht nur Reflexion der Gesellschaft, sondern selbst Produzenten von Wissen, indem sie Öffentlichkeit, Möglichkeiten der Partizipation und Erfahrungsräume schufen. Die enorme Bandbreite, welches dieses Medium als Institution der Wissensproduktion umfasste, zeigt sich schon dann, wenn man nur knapp die den Veranstaltungen jeweils zugedachten Intentionen rekonstruiert: Die Organisatoren der ersten Ausstellungen sowie der frühen Weltausstellungen konzipierten ihre Veranstaltungen als „Enzyklopädien des Wissens“, in denen die Gegenstände dieser Welt versammelt, klassifiziert und der Öffentlichkeit zur Betrachtung zugänglich gemacht werden sollten.2) Den Exponenten der frühindustriellen Gewerbeförderung in Deutschland galten sie als didaktisches Instrument, mit dem neue Maschinen und Fertigungstechniken popularisiert wie auch neue Geschäfts- und Handelsverbindungen gestiftet werden sollten.3) Nach der Jahrhundertmitte rückte der Aspekt der Schaffung von Öffentlichkeit, der Selbstrepräsentation und – eng damit verbunden – der Werbung und der Absatzförderung immer stärker in den Vordergrund.4) Wissen als kollektive Ordnungsvorstellung und zugleich internalisierte Handlungsanweisung ist etwas Hybrides, das erst aus Diskursen, Praktiken und den Dispositionen dessen, der es rezipiert und seinerseits beschreiben will, entsteht. Sowohl die Produktion von Wissen als auch die Rezeption und
1) Vgl. neben der Studie von Daum für Frankreich Daniel Raichvarg/Jean Jaques, Savants et ignorants. Une histoire de la vulgarisation des sciences, Paris 1991; Bruno Béguet (Hrsg.), La Science pour tous. Sur la vulgarisation scientifique en France de 1850 à 1914, Paris 1990. Für Großbritannien vgl. Frank M. Turner, The Cultural Meaning of Popular Science: Phrenology and the Organization of the Consent in Nineteenth-Century Britain, Cambridge 1984. Neuere Forschungen zur Wissensgesellschaft sind gesammelt in den Bänden von Claus Zittel (Hrsg.). Wissen und soziale Konstruktion, Berlin 2002; Kretschmann, Wissenspopularisierung. 2) Vgl. dazu im Folgenden die Skizze der Klassifikationsschemata. 3) Vgl. dazu Abschnitt B dieser Studie. 4) Exner, Ausstellungen, S. 44.
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis
Aneignung sind daher wesentlich als soziale Praxis der Akteure zu beschreiben, mit denen diese auf vielfältige und widersprüchliche Weise der Welt Bedeutung beilegten. Für die Analyse von Ausstellungen bedeutet dieses, sich auf der Folie der Entwicklung des Mediums dem Zeigen und der Selbstdarstellung wie auch der Wahrnehmung und der Rezeption zuzuwenden.5) Werte, Normen und Symbole erhalten in ihrer Rückbindung an die sozialen Praktiken, ihre Träger und deren Handlungsbedingungen Konturen und erlauben im Vergleich Aufschlüsse über die historische Wirklichkeit einzelner Gesellschaften. Um dieses zu erreichen sollen die Klassifizierungs- und die daran zumindest prinzipiell gebundenen Wahrnehmungsschemata6) herausgearbeitet werden, die der Ausstellung, ihrer Kommunizierung und der Selbstthematisierung der sich ausstellenden Gesellschaft unterlagen. Diese waren Produkt und Ausdruck der der jeweiligen Gruppe zu Grunde liegenden einverleibten intellektuellen Schemata und erzeugten jene „Figurationen, kraft deren die Gegenwart Sinn annehmen, der andere verstehbar und der Raum erkennbar werden kann.“7) Die jeweiligen Ansprüche, die an das Medium gestellt wurden, schlugen sich nieder in den verschiedenen Arrangements und Klassifikationen, die den Ausstellungen unterlegt wurden. In Industrie- und Gewerbeausstellungen wurde zweckgebunden eine „Ordnung der Dinge“ hergestellt, demonstriert und popularisiert. Auf der Produzentenseite waren die Ausstellungen ein Resultat bestimmter Ordnungs- und Wissensvorstellungen, die sich in ihren Präsentationen realisieren sollten. In diesen und anderen Akten des Klassifizierens, des Honorierens und – eng damit verbunden – des Abwertens generierten sich die Ordnungsvorstellungen, die dem Denken der Ausstellungsmacher und der Ausstellenden unterlagen und publik gemacht wurden. Über diese Visualisierung konkretisierten sich nicht nur ökonomische Taxonomien, sondern es wurden viele gesellschaftlich virulente und diskutierte Vorstellungen in den Inszenierungen der Ausstellung thematisiert.8) In diesem Sinne sind die Weltausstellungen als eine „symbolische Übersetzung des ihr unterliegenden sozialen Systems“ charakterisiert worden.9) Mit den ihnen eigenen medialen Möglichkeiten repräsentierten auch die nationalen, regionalen und lokalen Industrie- und Gewerbeausstellungen eine Vielzahl von gesellschaftsbildenden Prinzipien wie auch ökonomischer und gesellschaftlicher Strukturprobleme. Um im Medium der Ausstellungen zu Aussagen über die Repräsentation und Aneignung ökonomischer und sozialer Ordnungsvorstellungen zu gelangen, werden im folgenden die Praktiken analysiert, mit denen man auf viel-
5)
Vgl. Geppert, Welttheater, S. 12. Vgl. zu diesem Problem das Kapitel C I dieser Studie. 7) Chartier, Vergangenheit, S. 11. 8) Benedict, Anthropology, S. 2. 9) Haltern, Welt, S. 37. 6)
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis
fältige und widersprüchliche Weise der Welt Bedeutung beilegte.10) Für die Analyse von Ausstellungen bedeutet dieses, sich dem Zeigen und der Selbstdarstellung wie auch der Wahrnehmung und Rezeption zuzuwenden.11) Vermittelt über die Praxis des Ausstellens und der Ausstellungsrezeption gibt das Deutungs- und Symboluniversum mentaler und kognitiver Strukturen der Ausstellung Auskunft über die soziale und kulturelle Selbstthematisierung der sich ausstellenden Gesellschaft. Grundlegend sind die Bedingungen des Sehens: Mit welchen Reglements versuchten die Aussteller ihre Besucher zu lenken und bestimmte Wahrnehmungen und Interpretationen zu unterstützen? Neben institutionellen Rahmenbedingungen wie Eintrittspreisen und Öffnungszeiten und technischen Sehhilfen wie dem Panorama und dem Besichtigungsturm sind auch die Reflexionen über das neue Sehen und die Seherlebnisse zu analysieren, wie sie in der zeitgenössischen Publizistik überliefert (C I). Inszenierungen sollten den Seheindruck und damit die Wahrnehmung und Interpretation der Ausstellung lenken. Basis der Ausstellung war die Klassifikation, nach der die Dinge gruppiert, gezeigt und später auch bewertet wurden. Anhand einer Analyse ihres Wandels können auch die unterschiedlichen Funktionen, die den Ausstellungen zugedacht wurden, rekonstruiert werden (C II). Die Ausstellungen waren Deutungsangebot und Erfahrungsort für die neue Welt der Objekte: Durch die Inszenierung der Ware wurde sie dem Besucher als potentielles Konsumobjekt dargeboten. Auf dem Gelände der Ausstellung konnte der Besucher und potentielle Käufer an der ausgestellten Warenwelt ebenso partizipieren wie an den technischen Errungenschaften. Zum Konsumenten wurde er endgültig in dem Moment, wenn er die wachsenden Vergnügungsparks und Restaurationsareale betrat. Technische Möglichkeiten und Konsum wurden hier eingebunden in die entstehende Massen- und Freizeitkultur (C III und C IV). All diese Deutungsangebote und Erfahrungsmöglichkeiten wurden inszeniert in einer gänzlich von Menschenhand gestalteten Parklandschaft. Gartenarchitektur, Architektur und Innenarchitektur der ephemeren Ausstellungsbauten waren in den Augen der Organisatoren und Macher wie auch für die Besucher ein wichtiges Element der Inszenierung und der Kommunikation, wie die vielfältigen Reflexionen darüber im Vorfeld wie auch in der Rezeption zeigen (C V). Einen Höhepunkt in der Inszenierung wie auch in der Partizipation besonders breiter Besuchergruppen waren die Feste und Feierlichkeiten die in der Ausstellung abgehalten wurden. Stellvertretend für viele gesellschaftliche Anlässe im rahmen der Expositionen werden im Folgenden die Eröffnungs- und Schlussfeiern analysiert. Das den Bemühungen der „leitenden Herren“ unterliegende Gesellschaftsbild kam dabei besonders deutlich zum Tragen. In ihren Selbstdarstellungsritualen wurden die Positionen
10) 11)
Zur theoretischen Herleitung vgl. die Begründung in Abschnitt 3 der Einleitung. Vgl. Geppert, Welttheater, S. 12.
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis
der einzelnen Gesellschaftsgruppen zueinander idealtypisch visualisiert. Dabei markierten sie deutlich hierarchische Abstufung und machten zugleich Konsensangebote, wenn sie die zukünftigen Möglichkeiten der Technik und der Industrie als Verheißungen für die gesamte Gesellschaft und damit als kulturelles Band zeigten, welches Interessengegensätze und Verteilungskämpfe umschlang und nivellierte (C VI).
I. Die Ausstellung sehen – Publikumslenkung, Wahrnehmungsmodelle und Rezeptionsweisen Studioli, cabinets des curieux, Wunder- oder auch Kunstkammern in der Frühen Neuzeit waren durch zwei Prinzipien gekennzeichnet: Sie waren in Privatbesitz und wurden in der Regel nur einer beschränkten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.12) Erst seit Ende des 18. Jahrhunderts entstand ein Exhibitionary Complex, in dem damit gebrochen wurde: Historische und naturwissenschaftliche Museen, öffentliche Dioramen und Panoramen, Arkaden und Warenhäuser wie auch nationale und internationale Ausstellungen waren explizit dazu konzipiert, nicht mehr nur die Früchte des Sammelns, sondern auch die Ergebnisse der Produktion zugänglich zu machen. Die Zahl möglicher Exponate stieg damit um ein Vielfaches. Zugleich war der Besuch der Schaustellung nicht mehr nur einem kleinen, meist rein privatem Zirkel möglich, sondern einer weiten Öffentlichkeit. Der interaktive Zusammenhang und die spezifische Rezeptionsweise mussten sich infolge dessen ändern. Die „isolierte, kontemplativ ritualisierte Erfahrung der hohen künstlerischen Ideale“, die dem (bildungs-)bürgerlichen Zugang zum „Musentempel Museum“ entsprach,13) konnte nur anfangs ein Vorbild für die Industrie- und Gewerbeausstellungen sein, die sich mehr und mehr zu Massenattraktionen entwickelten. Die institutionellen Rahmenbedingungen und die Wunschvorstellungen der Ausstellungsmacher reflektiert vor allem die Agency der Organisatoren. Dazu zählte beispielsweise das Reglement, welches die Ausstellungsorganisatoren für die Besucher aufstellten. Vor allem Eintrittspreise und Öffnungszeiten boten effektive Möglichkeiten der Besucherlenkung und -selektion. Auf das tatsächliche Besucherspektrum lassen zwei weitere Quellen schließen: Sozialhistorisch informieren die seit dem letzten Jahrhundertdrittel angefertigten Besucherstatistiken der Veranstalter über die absoluten Zahlen. Deren Verteilung auf verschieden teure Eintrittskarten lässt auf die soziale Zusammensetzung schließen.14) Darüber hinaus werden auch die zahlreichen zeitgenössischen Beobachtungen und Kommentare zu den Besuchern und Besucher12)
Vgl. Olive Impey/Arthur MacGregor (Hrsg.), The Origins of Museums: The Cabinet of Curiosities in Sixteenth- and Seventeenth-Century Europe, Oxford 1985. 13) Vgl. Hochreiter, Musentempel, S. 183. 14) Vgl. Plato, Geschichte, S. 107–121.
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I. Publikumslenkung, Wahrnehmungsmodelle und Rezeptionsweisen
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massen herangezogen, wie sie in bildlichen Darstellungen wie Karikaturen, Stichen und Fotografien sowie in schriftlicher Form in Printprodukten vorliegen, um Aussagen zum Publikum und dessen Verhalten in den Ausstellungen zu machen15) (C I 1). Der Einzelne wurde dabei nicht nur zunehmend mit der Menge ihn umgebender Besucher konfrontiert, sondern zudem auch mit einen riesigen Warenmeer und später auch einem entsprechenden Vergnügungsangebot.16) Bereits zeitgenössisch war dieses „Überangebot“ in der Berichterstattung beschrieben worden: Um alle über 40 000 Exponate im Londoner Kristallpalast zu sehen, hätte der Besucher in der Erlebniswelt der Ausstellung mit ihren 563 Meter langen, 124 Meter breiten und auf mehrere Niveaus verteilten Gängen 20 bis 30 Meilen zurücklegen müssen. In der Pariser Weltausstellung 1900 wären selbst dann, wenn jeder der 83 047 Aussteller nur ein Exponat gezeigt hätte, elf Tage ununterbrochener Besichtigung vonnöten gewesen, um jeden Ausstellungsgegenstand eine Minute zu betrachten.17) In dieser Fülle der Exponate, die immer auch eine Reizüberflutung in sich barg, fand „sich der Blick reflexiv mit sich selbst konfrontiert und mußte ein Verstehen erst entwickeln, gleichsam lernen entlang der gebotenen Ordnungen des Sehens.“18) Die Analyse zeitgenössischer Reflexionen über das Sehen und das sehen-Lernen wird kombiniert mit Techniken, die die Veranstalter anboten, um die Wahrnehmung zu erweitern und zu steigern (C I 2). 1. Besucher und Besucherlenkung Die Aktivitäten der Ausstellungsmacher zielten prinzipiell auf ein unbegrenztes Publikum.19) Schon die Gewerbeschauen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Beförderung des Gewerbefleißes veranstaltet wurden, waren von der Intention getragen, möglichst zahlreich Interesse zu wecken und ihre Darbietungen damit breit zu popularisieren. Erst recht galt den mehr und mehr kommerzialisierten Ausstellungen zum Ende des 19. Jahrhunderts die Publikumsbeteiligung als Gradmesser des Erfolgs. Das Massenpublikum war die Voraussetzung dafür, dass die Aussteller für sich werben und die Schausteller und Gastronomen ihr Angebot verkaufen konnten.20) Zugleich waren die
15)
Niquette, Fair. Vgl. Monika Wagner, Die organisierte Wahrnehmung. Vertikale und horizontale Erschließung früher Weltausstellungen, in: Wolkenkuckucksheim 5 (2000), Heft 1, S. 1–14, S. 1. 17) Ebd. 18) Krasny, Zukunft, S. 316. 19) Über allgemeine Angaben zu Alphabetisierung, Lesevermögen, die Expansion des Buchhandels, Auflagenziffern etc. hinaus ist das Publikum selbst in der Buch- und Popularisierungsgeschichte oftmals eine kaum bekannte Größe. Vgl. Daum, Wissenschaftspopularisierung, S. 469. 20) Die Methoden der modernen Publikumswirkungsforschung lassen sich im historischen Rückblick nicht anwenden. Zu der selbst im Bereich der modernen Kommunikationswissenschaften umstrittenen Vorgehensweise vgl. Schorr, Publikums- und Wirkungsforschung. 16)
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis
Ausstellungen vorrangig an bestimmte Wunschpubliken adressiert: Während die vor- und frühindustriellen Ausstellungen vor allem auf den Besucher ‚vom Fach‘, den gewerblichen Mitbewerber, den auf die Industrieförderung abzielenden Regierungsbeamten, den potenziellen Käufer und Wiederverkäufer zielten, suchte die Exposition zum Ende des 19. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit des „Herrn Omnibus“21), sprich: eines nach Möglichkeit kaufkräftigen Massen-, eines Millionenpublikums. Insbesondere für die Weltausstellungen, aber auch für die großen National- und Provinzialausstellungen gilt, dass sie das Präsentationsmedium waren, welches bei weitem am meisten Zeitgenossen erreichte und erreichen sollte.22) Wo man zur Londoner Weltausstellung 1851 noch Polizeikräfte massiert hatte, um gegen mögliche Ausschreitungen vorgehen zu können, da versuchte man am Ende des Jahrhunderts durch organisierte Kurzreisen zu den Ausstellungen die Besucherzahlen zusätzlich in die Höhe zu treiben.23) Organisatorische Regulative, allen voran das Eintrittsgeld und die Öffnungszeiten, gelegentlich gar Kleidungs- und Verhaltensvorschriften, machten es den Veranstaltern möglich, die Ausstellung für ein bestimmtes Publikum zu öffnen, für andere Bevölkerungsgruppen hingegen verschlossen zu halten. Informationen über die Besucherzahlen in den europäischen Ausstellungen der ersten Jahrhunderthälfte liegen nur vereinzelt vor. Meist beschränkten sich Berichterstatter und Organisatoren auf Allgemeinplätze, die ein hohes Besucheraufkommen berichteten.24) Von der Brüsseler Gewerbeausstellung wird berichtet, dass insbesondere an den „ganz freien Tagen das Gedränge von der Art [war], daß man, wie auf dem frequentesten Jahrmarkt, mehr getragen und geschoben wurde, als sich selbständig fortbewegte, und auf eine ruhige Betrachtung einzelner Gegenstände verzichten mußte.“25) Für manche deutsche Ausstellung sind die Besucherzahlen bekannt, wurde hier doch im Gegensatz zum europäischen Ausland ein Eintrittsgeld erhoben, welches Rückschlüsse auf die Menge des Publikums zulässt:26) Die erste Landesausstellung in Hannover 1835, die wegen des starken Publikumsverkehrs von zwei auf vier Wochen verlängert wurde, besuchten 7 382 Tagesgäste und 424 Dauerkarteninhaber. Die erste Nationalausstellung in Mainz 1842 sahen mehr als 75 000 Personen. Für die Berliner Gewerbeausstellung 1844 wurden 239 218
21)
Sombart, Ausstellung, S. 256. Vgl. Plato, Geschichte, S. 107. 23) Der Ausstellungstourismus war beispielsweise der Anfang des britischen Reiseunternehmens Thomas Cook. Vgl. Kaiser, France, S. 229. 24) „Zahlreicher Besuch“, Bericht Wien 1845, S. 36; ein „äußert zahlreicher Besuch“ Bericht München 1822, S. 379. 25) Heeren, 1842, Sp. 71. Zitiert nach Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 131. 26) Bericht Minz 1842, S. 127; Bericht der Ausstellungs-Kommission vom 18. Juni 1835, die Erledigung der ihr ertheilten Aufträge betreffend, in: Mitteilungen Hannover 1835, Sp. 275–278, Sp. 277. Vgl. zu den folgenden Angaben Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 131 f. 22)
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I. Publikumslenkung, Wahrnehmungsmodelle und Rezeptionsweisen
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Karten ausgegeben, deren Bandbreite von der Tages- bis zur Dauerkarte reichte. Insgesamt schätzten die Veranstalter die Zahl der Besucher inklusive der großzügig gewährten Freikarten auf 260 000 Personen.27) Quantitativ markierte die Berliner Ausstellung einen Höhepunkt in der deutschen Ausstellungsentwicklung, der erst in den sechziger Jahren wieder erreicht wurde. Allein in Stuttgart 1842 war es bis dahin gelungen, mehr als 100 000 Besucher für die Exponate zu interessieren. In der Folgezeit gelang es lediglich in Düsseldorf 1852 und Karlsruhe 1861, über 50 000 bzw. 100 000 Besucher zu erreichen. Zu einer Massenattraktion avancierten die Ausstellungen erst seit den siebziger Jahren: Hannover 1878 besuchten 390 000 Personen, Düsseldorf 1880 1 160 000 Besucher. Die höchste Zahl von Interessierten konnten die Berliner Ausstellung 1896 mit über 7 Millionen und die Düsseldorfer Exposition von 1902 mit über 5 Millionen Besuchern für sich verbuchen.28) Verbesserte Kommunikations- und Verkehrsmöglichkeiten, aber auch ein gestiegener Lebensstandard sowie die Anfänge einer Kultur des Massenkonsums waren Ursachen dieses rasanten Anstiegs der Besucherzahlen und der Erweiterung des Einzugsgebiets.29) Im Vergleich zu den Weltausstellungen nahmen sich die nationalen, regionalen und lokalen Expositionen bescheiden aus30), im Reigen der öffentlichen Veranstaltungen in Deutschland waren sie aber Großereignisse. Keine andere Festivität oder Versammlung wies solch hohe Besucherzahlen auf. Zudem waren politische oder kirchliche Feste und öffentliche Lustbarkeiten meist lokal, höchstens regional angelegt und darüber hinaus auch sozial oder konfessionell hochgradig segmentiert. Die Industrie- und Gewerbeausstellungen hingegen entwickelten sich zu einer Attraktion für die verschiedensten sozialen Gruppen, ohne aber – das wird im Folgenden zu zeigen sein – als Schmelztiegel zu wirken. Anfangs waren Öffnungszeiten, das Erheben von Eintritt und die Preisgestaltung die Mechanismen, über welche die Veranstalter auch den Besuch der Ausstellung anregen oder – umgekehrt – wenig attraktiv machen konnten. „Die Tagesstunden, in welchen dem Publikum der Zutritt zur Ausstellung gestattet wird, müssen stets so gewählt sein, dass alle Klassen der Besucher dadurch befriedigt werden“, mahnte der Gewerbelehrer Karmarsch.31) 1845 schienen ihm für kleinere Ausstellungen Öffnungszeiten zwischen 11 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags opportun, „bei grossen Ausstellungen, welche zu vollständigem Durchgehen mehr Zeit erfordern und ohnehin auch in der Regel zahlreichern Besuch zu erwarten haben, dehnt man die Periode
27)
Bericht Berlin 1844, Bd. 3, S. 219. Vgl. dazu Anhang 1: Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913. 29) Reflexionen dazu in Düsseldorfer Ausstellungstageblatt, 7. Juni 1902, S. 12. 30) Vgl. die Zahlenangaben in der angefügten „Liste der relevanten Ausstellungen“. 31) Karmarsch, Andeutungen, S. 195. 28)
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis
etwas weiter aus.“32) Ähnlich wie in den permanenten Ausstellungen der Gewerbe- und Kunstgewebemuseen, in denen sich eine tägliche, mehrstündige, zum Teil sogar in den Abend reichende Öffnung um die Jahrhundertwende durchsetzte,33) verfuhr man auch in den vorindustriellen Industrie- und Gewerbeausstellungen großzügig und überschritt die Vorschläge Karmaschs deutlich. Beispielgebend war die Berliner Industrie- und Gewerbeausstellung, die ihre Pforten von 10 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags öffnete.34) Mit der Jahrhundertwende kamen dann zusätzliche Abendveranstaltungen wie Konzerte oder Feuerwerk auf, die zu einer Verlängerung der Öffnungszeiten führten. Auch vereinzelte Vorbehalte gegen die Öffnung am Sonntag wurden rasch aufgegeben. Schon 1866 empfahl ein Ausstellungsratgeber insbesondere den Sonntag als Öffnungstag, da kleinen Handwerkern, Gewerbetreibenden und auf Fortbildung bedachten Arbeitern nur an diesem Tag ein Besuch möglich war.35) Die Ausstellungen im letzten Jahrhundertdrittel suchten durch großzügige Öffnungszeiten und Besucherregelungen möglichst viel Publikum zu erreichen.36) Ein zweiter Mechanismus der Besucherlenkung bestand in der Erhebung von Eintrittsgeldern: Im Gegensatz zu den Ausstellungen in Paris und Wien verzichteten beispielsweise die Veranstalter in Berlin 1844 nicht darauf, eine Gebühr zu erheben. „Man hat geglaubt“, so kommentierte die Allgemeine Augsburger Zeitung, „ein Eintrittsgeld von 5 Srg. festsetzen zu müssen, nicht um dadurch zu den Kosten zu kommen, sondern um eine Classe von Besuchern fern zu halten, welche der Ausstellung beschwerlich fallen, ohne selbst den Nutzen davon zu haben, welchen die Gewerbeausstellung bezweckt.“37) Wie in Berlin verstanden auch andere Organisationskomitees und die Träger der Gewerbemuseen den Eintritt als eine Art „Schutzgebühr“, mittels derer man „müßige Besucher“ von der Ausstellung fernzuhalten trachtete.38) Um aber die gewerbepädagogische Maxime der Ausstellung nicht zu verfehlen, wurden zusätzlich großzügig Freikarten an diejenigen Gruppen vergeben, auf die der Bildungsauftrag der Ausstellung insbesondere zielte. In Berlin beispielsweise verteilte man 26 695 Tageskarten an „Fabrikanten, Handwerker, Gehilfen, Realschüler, Waisenknaben und Soldaten, die ein Handwerk gelernt hatten, und ungefähr 1 400 Freikarten an reisende Handwerker.“ Weiter wurden 4 326 Tages- oder Dauerfreikarten an das Gewerbeinstitut, an Architektenvereine, Kadettenanstalt, Artillerie-, Ingenieur- und Gewerbeschulen so32)
Ebd. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 195 f. 34) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 64. 35) Exner, Ausstellungen, S. 73. 36) Vgl. zum Beispiel die entsprechende Praxis in Die Braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877 in Braunschweig unter dem Protectorate Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig 1878, S. 21. 37) Augsburger Allgemeine Zeitung vom 1. Oktober 1844, S. 1959. 38) Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 197. 33)
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I. Publikumslenkung, Wahrnehmungsmodelle und Rezeptionsweisen
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wie vergleichbare Einrichtungen gegeben, um auf diese Weise „die Nachteile des Eintrittsgeldes [zu] beseitigen.“39) Auch ein halbes Jahrhundert später konnten in Berlin 1896 fast ein Drittel der insgesamt 7,4 Millionen Gäste die Ausstellung besuchen, ohne Eintrittsgeld zu entrichten.40) Sämtliche Schülerinnen und Schüler der Berliner Gemeindeschulen sowie zahlreiche Belegschaften der an der Exposition beteiligten Firmen statteten dieser kollektiv und kostenlos eine Visite ab, ebenso wie die Berliner Garnisonen sowie Einheiten aus Frankfurt/Oder.41) Neben der gewerbepädagogischen Intention stand hier auch das Bemühen, den Amüsiergeschäften einen entsprechenden Zulauf zu sichern.42) Gängige Praxis war es, dass bei Besuchen prominenter Persönlichkeiten die Ausstellung für das allgemeine Publikum geschlossen wurde. Die Veranstalter der Düsseldorfer Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung 1902 ließen zum Kaiserbesuch lediglich die Festgesellschaft im engen Sinne zu, nicht ohne aber eine begrenzte Zahl von Arbeitern inklusive Ehefrauen, die sich alle durch eine langjährige Betriebszugehörigkeit auszeichneten und damit kein Sicherheitsrisiko darstellten, als Ausstellungsstaffage zuzulassen und so einen „authentischen“ Eindruck zu erzeugen.43) In den vierziger und fünfziger Jahren ging man dazu über, einen oder zwei Tage pro Woche beziehungsweise die frühen Morgenstunden für dasjenige Publikum zu reservieren, „welchem man eine ruhigere und weniger durch Menschengedränge gestörte Betrachtung der Gegenstände einräumen“ wollte. Neben den Angehörigen der Beurteilungskommissionen und den Ausstellern selbst empfahl der Gewerbelehrer Karmarsch, dazu „angesehene Techniker, wissenschaftliche Männer und auswärtige Fabrikanten, so wie wirklich hoch stehende Staatsbeamte und Gönner der Industrie“ zu zählen.44) Sonderführungen für Angehörige dieser Gruppe waren gängige Praxis bei nahezu allen Ausstellungsunternehmungen. In späteren Ausstellungen schuf man Möglichkeiten zu einem privilegierten Zugang über den Eintrittspreis: So hatte man in München 1854 die Regel aufgestellt, an einem Tag der Woche 30 an Stelle von 12 Kronen zu kassieren, um so eine soziale Differenzierung der 39)
Augsburger Allgemeine Zeitung vom 1. Oktober 1844, S. 1959. Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 151. 41) Vgl. ebd., S. 181. Vgl. auch Bestimmungen über die Ausstellung, in: Führer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Berlin 1896 [Verlag Hirschhausen], S. 17–19. 42) Einer ähnlichen Praxis bedienten sich alle Industrie- und Gewerbeausstellungen. Vgl. exemplarisch Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen deutschen Kunstausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 87: „Im weiteren Verlaufe der ersten Periode des Unternehmens genehmigte der Vorstand Eintrittsermässigungen für bestimmte Kategorien von Personen, namentlich für Schüler, Arbeiter, Militärund Eisenbahnbeamte“. 43) Vgl. DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 17 vom 23. August 1902. 44) Karmarsch, Andeutungen, S. 195. 40)
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Besucher zu erreichen.45) Auch in Berlin 1896 hatte man den Eintrittspreis für eine Tageskarte mit 50 Pfennig angesetzt, abgesehen von einer erhöhten Gebühr von einer Mark am bereits zeitgenössisch bespöttelten wöchentlichen „Elitetag“.46) Nicht nur der sozialdemokratische Vorwärts erkannte darin eine Maßnahme, „um die große Masse der arbeitenden Bevölkerung von dem Treptower Unternehmen fernzuhalten.“47) Im Ergebnis aber gingen die Besucherzahlen im Verlauf der Ausstellung an den preiswerten Tagen steil in die Höhe, während das Interesse an den Tagen mit erhöhtem Eintritt sank.48) Preisregelungen dienten deshalb vor allem im letzten Jahrhundertdrittel dazu, das Interesse an der Ausstellung wach zu halten oder zu schüren: Indem man gegen Ende der Exposition die Eintrittspreise reduzierte, versuchte man auch bislang nicht erreichtes Publikum anzulocken.49) Die Furcht vor dem (vermeintlich nicht zu kontrollierendem) Pöbel, welche noch die Organisatoren der Londoner Weltausstellung 1851 zu einem verstärkten Aufgebot an Polizei und Sicherheitskräften animiert hatte, hatte sich als grundlos erwiesen. Auf der Ausstellung gab es keine Tumulte oder gar Ausschreitungen, im Gegenteil: „The exhibition transformed the many-headed mob into an ordered crowd, a part of the spectacle and a sight of pleasure itself.“50) Die Weltausstellung 1851 markierte den Start der Open-Door-Policy nicht nur bei den Ausstellungen selbst, sondern auch in verwandten Institutionen wie den Museen. Eintrittsbeschränkungen wichen spätestens im letzten Jahrhundertdrittel kommerziellen Interessen. Dennoch aber staffelte sich der Ausstellungsbesuch in typische Gruppen. In den frühen Morgenstunden der Wochentage waren es vor allem auswärtige Gäste, die den ganzen Tag zur Besichtigung nutzen wollten. Am frühen Nachmittag, so beschrieb der Bericht zur Berliner Ausstellung 1896, kamen die Dauerkartenbesitzer und „solche Bewohner Berlins und der Vororte Berlins, denen Stellung und Beruf die freie Verfügung über ihre Zeit gestatten.“ Ab sechs Uhr abends fand sich dann Berlins Geschäftswelt ein, „die nach vollbrachter Tagesarbeit in der Ausstellung Erholung suchte.“ An den Wochenenden, an Feiertagen wie zum Beispiel Pfingsten und auch bei Darbietungen und Attraktionen erhöhte sich das Besucheraufkommen beträchtlich und führte zu einer deutlicheren Durchmischung verschiedener sozialer Schichten
45)
Vgl. Amtlicher Bericht über die allgemeine Ausstellung deutscher Industrie- und Gewerbs-Erzeugnisse zu München im Jahre 1854, von der zur Einleitung und Durchführung bestellten Commission veröffentlicht, München 1855, S. 172 f. 46) Edmund Kraft, Billig, praktisch, gut. Zur Beherzigung für den Ausstellungsbesucher, in: Berliner Morgenzeitung, Nr. 129 vom 4. Juni 1896; vgl. dazu auch die Zeitschrift Vorwärts vom 2. Juli 1896, S. 3. 47) Vorwärts (Berlin) vom 2. Juli 1896, S. 3. 48) Vgl. die Tabelle in Amtlicher Bericht München, S. 169, S. 172 f. 49) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 191; 1. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt vom 30. Mai 1896, Nr. 124, S. 3. 50) Bennett, Exhibitionary Complex, S. 85.
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und Besuchergruppen, wobei quantitativ die unteren Schichten stärker ins Gewicht fielen.51) Nicht nur beim praktisch exklusiven Besuch an bestimmten Tagen, sondern auch bei der Bewirtung, die von der „Volksernährung“ bis zum Edelrestaurant reichte, beim Zugang zu bestimmten Attraktionen oder auch bei der Art der Anreise war der Preis das Mittel, um soziale Differenzierung beizubehalten.52) Wie in der zeitgenössischen Eisenbahn, in der unterschiedliche Fahrkartenpreise, Waggons und Warteräume die sozialen Räume modellierten, so waren auch in den Ausstellungen die gesellschaftlichen Unterschiede beibehalten und gestaltet.53) Insbesondere die humoristische Literatur und verschiedene Genreskizzen, die anlässlich der Expositionen entstanden, machten das Verhalten von Ausstellungsbesuchern unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten und ihr Aufeinandertreffen zu einem der Leitthemen ihrer Komik. Wenn das Berliner Original „Piefke“ mit dem neureichen Hofrat „Q.“, dem linksliberalen „Dr. Tinte“ oder dem Freihandelsökonomen „Dr. Schwamm“ zusammentrifft, so gestaltete der Autor Brennglas ein literarisches Sozial-Kaleidoskop voller gesellschaftskritischer Spitzen, in dem sich die zeitgenössischen Urteile und Vorurteile über einzelne Gesellschaftsgruppen wieder fanden.54) Dieser sozialen Differenzierung ungeachtet blieben die Ausstellungen aber ein Ort, an dem Angehörige verschiedener Schichten und Klassen aufeinander trafen. Folgt man den autobiografischen Zeugnissen, die über einen Ausstellungsbesuch berichteten, so wurde die Masse der Besucher zu einer der bleibenden Erfahrungen der Exposition. „Mit uns wogt die Menge“, so berichtete die Leipziger Illustrierte Zeitung von der Berliner Gewerbeausstellung 1844. Zum Topos der Beschreibung von der Ausstellungseröffnung gerann der strahlend blaue Sommerhimmel, unter dem sich die Menge sammelte.55) Die „Allgemeine Ausstellung deutscher Industrie- und Gewerbserzeugnisse zu München im Jahre 1854“ machte dabei keine Ausnahme:
51)
Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 181 f.; „Die Besuchsziffern der Illuminationsabende“, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung. 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt Nr. 305 vom 18. Juni 1896, S. 4; „Pfingsten auf der Ausstellung“, in: Deutsche Warte VII (1896) Nr. 143 vom 26. Mai 1896, S. 2. 52) Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 12–14; zur Differenz zwischen der „Elektrischen“ und der „Mehlkutsche der Aristokraten“, also den Transportmitteln, mit denen die Ausstellungsbesucher anreisten, vgl. Schultze und Müller auf der Berliner Gewebe-Ausstellung 1896, Berlin 1896, S. 40. 53) Vgl. Schivelbusch, Geschichte, S. 68 ff. 54) Vgl. Adolph Brennglas, Die Berliner Gewerbe-Ausstellung. Genrebild von Adolph Brennglas, 2 Bde., Leipzig 1844, S. 12 ff.; Schultze und Müller auf der Berliner GewerbeAusstellung 1896, Berlin 1896, S. 51 ff. So feierte eine ganzseitige Zeichnung in der Zeitschrift Punch das Aufeinandertreffen von Landadel und der arbeitenden Klassen unter der Überschrift: „Das Pfund und der Schilling. ‚Wer hätte gedacht, sie hier zu treffen?‘“. Vgl. Altick, Shows, S. 457. 55) Ironisierend vgl. Auerbach, Exhibition, S. 1.
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„Von der Sonne an fast wolkenlosem Himmel glänzend beleuchtet hob sich, mit den Fahnen sämmtlicher an der Ausstellung sich betheiligenden deutschen Staaten reich geschmückt, das Ausstellungs-Hauptgebäude aus seiner Umgebung von in saftiges Grün gekleideten Baumgruppen in erhabner Pracht. Die zuführenden Straßen und der für die Zeit der Ausstellung mit besonderer Sorgfalt geordnete botanische Garten waren schon von frühem Morgen an mit den überaus zahlreich herbeigeströmten Fremden gefüllt, und je näher die Stunde herankam, wo die Eröffnungsfeier beginnen sollte, desto unübersehbarer häuften sich die Menschenmassen.“56)
Hier wie auch in vielen anderen Industrie- und Gewerbeausstellungen bot das (Massen-)Publikum den Hintergrund für die Inszenierung und die Selbstinszenierung der Ausstellungsmacher. „Man ist nichts anderes als eine Ameise, die mit 50 000 anderen zusammen in einem Bau herumkrabbelt, der aus allen Materialien der alten und neuen Welt zusammengetragen ist“, so schilderte Friedrich Naumann seine Eindrücke von der Berliner Ausstellung 1896.57) Diese Erfahrung war nicht nur für denjenigen erlebbar, der sich auf der Ausstellung selbst befand, sondern wurde auch in zahlreichen Bildern und Fotografien zum Thema. Stiche und Drucke in den vierziger, fünfziger und auch noch in den sechziger Jahren popularisierten vor allem Szenen, in denen neben dem im Vordergrund stehenden Exponat, der Maschine oder einem bestimmten Bauwerk einige wenige Personen drapiert waren, die entweder als Staffage oder allenfalls zur Illustrierung der Größenverhältnisse dienten. Vor allem mit Aufkommen der Fotografie wurde hingegen die Dokumentation der Masse der Ausstellungsbesucher üblich und rückte auf zu etwas Darstellenswertem. Die Besucher kamen nicht zuletzt deshalb, um die Besuchermassen und damit sich selbst zu sehen. Das Überwältigt-Sein und der Verlust von Orientierung, von welchem viele der Ausstellungsbesucher berichteten, erklärt sich nicht allein aus der großen Zahl der Exponate, die ausgestellt waren, sondern auch aus der Menge der Besucher. „One of the new and striking ingredients of modernity appeared: the crowd.“58) Das Bild von der übervollen Ausstellung ist dabei zunächst einmal als eines der Lieblingsstereotype der Ausstellungspublizistik und der Veranstalter zu werten, sprach die Besuchermenge doch zugleich für die Öffentlichkeitswirksamkeit wie auch für den finanziellen Erfolg des Unternehmens. Die Realität, so wusste die jeweilige Tagespresse zu berichten, sah an vielen Ausstellungstagen anders aus.59) 56) 57) 58)
Amtlicher Bericht München, S. 153. Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 9l. Vgl. ähnlich Sombart, Ausstellung, S. 250. Lieven de Cauter, The Panoramic Ecstasy: On World Exhibitions and the Disintegration of Experience, in: Theory, Culture & Society 10 (1993), S. 1–23, S. 6. 59) Vgl. dazu die Berichterstattung über die Berliner Ausstellung 1896 in den Monaten Mai und Juni. Exemplarisch „Frierende Kellner“, in: Berliner Tageblatt und Handelszeitung. 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt Nr. 227 vom 5. Mai 1896, unpaginiert: „Frierende Kellner, frierende Pagen, frierende Telephonistinnen, Ausstellungsoffizianten, Berichterstatter, dazwischen auch vereinzelte Besucher, denen man es gleichfalls ansah, daß sie sich keinesfalls ‚mollig‘ fühlten, sie waren es, die gestern den feierlich weiten Räumen der Ausstellung, ihren Parkwegen und endlosen Wandelgängen ein spärliches Leben einhauchten.“
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Abbildung 3: Besuchermenge in der Düsseldorfer Ausstellung 1902
Über den gewöhnlichen Ausstellungsbetrieb hinaus, der sich in der Regel drei bis sechs Monate dahin zog, schuf die Exposition ihrerseits Öffentlichkeit, sei es in einem parallelen Konferenz- und Versammlungswesen, sei es in den zahlreichen Festen und Empfängen der Ausstellung selbst. Zu diesen Anlässen und insbesondere bei den Eröffnungs- und Schlussfeiern sowie bei zahlreichen weiteren Darbietungen erlebte der einzelne Besucher sich nicht nur als Teil der Masse, sondern avancierte zugleich zum Mitwirkenden an einer großen Inszenierung.60) Indem die Ausstellungen ihre Besucher in Rituale integrierten, strukturierten sie Gemeinschaftsbildung. Sehen und gesehen werden – mit diesem Zusammenspiel von Präsentation und Selbstreflexivität der Betrachter schuf die Ausstellung nicht nur neue Formen der Öffentlichkeit, sondern hob diese auch als wichtigen Faktor in das Bewusstsein der Besucher. Diese waren nicht nur Betrachter, sondern zugleich Mitwirkende an der Inszenierung. Die Ausstellungen schufen Momente, in denen die Besucher Teil hatten an der Konstruktion von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung.“61) In Berlin waren es die Organisatoren und Macher der Ausstellung, die sich im Beisein des Kaisers der Menge präsentierten. Die Plattform dieser Präsentation, der Kuppelsaal, war als Bühne in
60) 61)
Vgl. dazu das Kapitel C VI in dieser Arbeit. Hoffenberg, Empire, S. 248.
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der Bühne konzipiert. Architektonisch und baulich hervorgehoben, war sie doch Teil des Hauptausstellungsgebäudes, in dem sich die Menge drängte und zugleich den Hintergrund abgab für die oben stattfindende Eröffnungszeremonie. Umrahmt und eingebunden war diese Szenerie von den Exponaten in den verschiedenen Flügeln der Hauptausstellungshalle, die wiederum auf die Kuppelhalle zugeordnet waren. Mit diesem Arrangement war die Hierarchie aufrecht erhalten, zugleich aber ein Konsens hergestellt, sammelten sich doch alle Beteiligten – bildlich gesprochen – unter einem Dach und hatten Anteil an den Errungenschaften der Industrie und des Gewerbes, wie sie sich in der Ausstellung präsentierten. Eine solche Form von Partizipation konnte beide Reaktionen provozieren: Erhabenheit und Kritik. Die Ausstellung am Eröffnungstag, so spottete der sozialdemokratische Vorwärts, sei nach der Feier nur noch von denjenigen besucht gewesen, die bei der Eröffnungsfeier „das ‚Volk‘ dargestellt hatten.“62) Der einzelne Ausstellungsbesucher erlebte sich in diesen und ähnlichen Zusammenhängen als Teil einer Masse, teilte die Bewunderung mit seinem Nachbarn ebenso, wie ihn die Enge und der große Zulauf verdrossen. Die Beteiligung an einer Ausstellung implizierte eine Mitgliedschaft zu der inszenierten Gemeinschaft, definierte Grenzen und Souveränität, schloss aber Spannungen zwischen und innerhalb der Gruppen keinesfalls aus. Auf diese Weise waren es die Ausstellungen selbst, die nicht nur in der „öffentlichen Meinung“ verankert waren, sondern die ein Bewusstsein für „Öffentlichkeit“ generierten. 2. Die Ausstellung sehen, oder: Der Besucher vor dem Warenmeer In einem „Short Sermon to Sightseers“, der zur Pan-America-Exposition 1901 erschien, wurde dem Besucher eingeschärft: „Please remember when you get inside the gates you are part of the show.“63) Die deutschen Ausstellungen verstanden sich weniger als ihr amerikanisches Pendant als eine Darbietung, so dass sich eine ähnliche Verhaltensaufforderung nicht findet. Dennoch aber wuchs auch in diesen Kontexten die Sensibilität dafür, dass das Publikum oftmals sowohl Betrachter als auch Betrachtetes war. In der Eisenbahn, im Omnibus und im Gedränge der Ausstellung sähen sich die Leute gegenseitig an, „obgleich es Niemand liebt, Objekt der fremden, fragenden oder auch nichtssagend starrenden Anschauung zu werden.“64) Das Sehen, so schrieb die Ber-
62)
Die Eröffnungsfeier der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: 3. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt Nr. 103 vom 3. Mai 1896, S. 2. 63) Zitiert nach Neil Harris, Museums, Merchandising and Popular Taste. The Struggle for Influence, in: I.M.G. Quimby (Hrsg.), Material Culture and the Study of American Life, New York 1978, S. 120–144. 64) Adolf Kahle, Charakteristisches, in: Berliner Illustrirte Zeitung vom 23. August 1986, S. 9.
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liner Illustrierte Zeitung im Kontext der Berichterstattung über die Gewerbeausstellung, sei „eine große, feine und dann auch lohnende Kunst“, man müsse es nur lernen. Nichts biete dem Menschen mehr an Anschauung als der Mensch und speziell dessen Physiognomie, erklärte das Blatt, um dann an einer Reihe von Beispielen das Lesen in den Gesichtern seiner Mitmenschen vorzuführen. Die Menge der Ausstellungsbesucher als Ganze wie auch einzelne Personen und Gruppen unter ihnen wurden zum Objekt der Betrachtung und der Reflexion, wie sich in publizistischen wie auch biographischen Zeugnissen nachweisen lässt.65) Aber nicht nur die Besuchermassen, sondern auch die große Quantität von Exponaten sowie die immense Ausdehnung des Ausstellungsgeländes stellten den Besucher und seine Wahrnehmung vor besondere Herausforderungen. „Wo ist der Anfang, wo ist das Ende? Wie oft mag diese Frage zweifelnd und besorgt gestellt werden von vielen Jener, die zum ersten Male das Ausstellungs-Gebiet betreten, deren Blicke bewundernd und forschend zugleich umherschweifen und deren Schritte zögernd inne halten, da sie nicht wissen, wohin sie denselben lenken sollen. Ueberall ragen zwischen den dichten Baumgruppen mächtige und stolze Gebäude empor, hier wieder öffnen zahllose zierliche Pavillons ihre Pforten, da säumen Verkaufsstände aller Art die Wege ein, breite Wasserflächen dehnen sich aus und kreuz und quer ziehen sich an ihnen und hin und von ihnen aus viele Pfade entlang.“
Selbst derjenige, der sich im Weltstadtgetümmel zurecht findet, so vermutete der Redakteur Paul Lindenberg 1896, „wird hier sich zunächst einer Empfindung des Fremd- und Verlassenseins nicht erwehren können und wird rath- und planlos umherirren, bald diese, bald jene Sehenswürdigkeit besuchend, um ermüdet inne zu halten und vielleicht – das Wichtigste nicht gesehen zu haben.“66) Die rasante Entwicklung des Mediums stellte neue Anforderungen nicht nur an die Organisatoren und Aussteller, sondern auch an die Besucher: Die Dokumentation des technisch-industriellen Fortschritts verlor sich in den zunehmend unüberschaubaren Dimensionen aneinander gereihter Produkte. Wo man an die Grenzen der enzyklopädischen Erfassung industrieller Akkumulation in den Ausstellungspalästen stieß, potenzierten sich die Schwierigkeiten der Rezeption. In diesem „Kabinett der Zukunft“ (Hofmann) reichte es nicht aus, nur zu sehen, was man schon kannte. Stattdessen galt es, sich neue Formen des Sehens anzueignen und zu trainieren, um den „Wahrnehmungsschock“ zu überwinden, den die Industrie- und Gewerbeausstellungen auslösten.67) 65)
Vgl. Richard Kaselowsky, Industrie-Arbeiter, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 6, S. 189–192. 66) Paul Lindenberg, Pracht-Album photographischer Aufnahmen der Berliner GewerbeAusstellung 1896 und der Sehenswürdigkeiten Berlins und des Treptower Parks, Alt-Berlin, Kolonial-Ausstellung, Kairo, etc., Berlin 1896, S. 28. 67) Vgl. Monika Wagner, Vom Ewigen und Flüchtigen zum ewig Flüchtigen. Die erste Londoner Weltausstellung als Wahrnehmungsproblem, in: Thomas Koebner/Sigrid Weigel (Hrsg.), Nachmärz. Der Ursprung der ästhetischen Moderne in einer nachrevolutionären Konstellation, Opladen 1996, S. 209–229; ähnlich dies., Wahrnehmung. Schivelbusch, Geschichte.
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Die veränderten Bedingungen der Wahrnehmung wurden durch die Architektur unterstützt: Insbesondere der Kristallpalast der Great Exhibition löste die Raumgrenzen zwischen Innen und Außen auf und gab mittels Transparenz und Entmaterialisierung den Ewigkeitsanspruch der Architektur zu Gunsten der Flüchtigkeit auf. „Die vielbesprochene und viel bestrittene Schönheit des Gebäudes, in dem wir uns bewegen, ruht meines Erachtens darauf, daß es unmöglich ist, mit dem gegebenen Material, Eisen und Glas, den gegebenen ganz singulären Zwecke besser zu erfüllen, als Paxton es gethan hat“, so berichtete Lothar Bucher seinen deutschen Lesern aus London. „Wir sehen ein feines Netzwerk symmetrischer Linien, aber ohne irgend einen Anhalt, um ein Urtheil über die Entfernung desselben von dem Auge und über die wirkliche Größe seiner Maschen zu gewinnen. Die Seitenwände stehen zu weit ab, um sie mit demselben Blick erfassen zu können, und anstatt über eine gegenstehende Wand streift das Auge an einer unendlichen Perspektive hinauf, deren Ende in einem blauen Duft verschwimmt. Wir wissen nicht, ob das Gewebe hundert oder tausend Fuß über uns schwebt, ob die Decke flach oder durch eine Menge kleiner paralleler Dächer gebildet ist; denn es fehlt ganz der Schattenwurf, der sonst der Seele den Eindruck des Sehnervs verstehen hilft.“68)
Ähnlich äußerte sich auch der Architekt und Baukritiker August Reichensperger, der die gestalterischen Qualitäten des Kristallpalastes im Einzelnen sehr kritisch beurteilte, sich aber vom Gesamteindruck überwältigt zeigte: „Wie sehr aber auch das ästhetische Moment in den Hintergrund gedrängt sein mag, der Totaleindruck des Innern hat doch etwas Zauberisches, ich möchte sagen Berauschendes.“ Reichensperger meinte, das „unabsehbare Gewimmel von Formen und Farben, diese Durchsichtigkeit nach allen Richtungen hin, das Durcheinandersummen und -flattern, die wirren, unbestimmten Lichter, die plätschernden Cascaden und die schnurrenden, polternden Maschinen – das Alles gestaltete sich zu einer Erscheinung, wie der Welt so bald wohl nicht wieder eine ähnliche geboten werden wird“.69) Die Ausstellungen spielten, so hat es die Kunsthistorikerin Monika Wagner am Beispiel der Great Exhibition beschrieben, mit dem Gegensatz vom Ewigen und vom Flüchtigen: „Kunst und Industrie“ wurden zur Hervorhebung der Bedeutung der Moderne montageartig miteinander verknüpft.70) Der Kristallpalast selbst, die große Halle der Ausstellung aller Völker, bestand aus „ewigem Eisen“ und zerbrechlichem Glas: Obwohl der Bau die ägyptischen Pyramiden, den Koloss von Rhodos und die Mauern von Theben bei weitem übertreffe, war er doch nicht für die Ewigkeit, sondern für 5 ½ Wochen erbaut. Seine Idee allerdings, so kommentierte ein Schreiber der Londoner Illustrated News, werde „für alle kommenden Zeitalter lebendige Wirklichkeit bleiben.“71)
68)
Bucher, Skizzen, S. 27. August Reichensperger, Ein Wort über den Londoner Glaspalast. Sonderdruck aus der Deutschen Volkshalle, Köln 1851. 70) Wagner, Ewigen, S. 211. 71) Illustrated London News vom 3. 5. 1851. Zitiert nach Wagner, Ewigen, S. 209. 69)
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Nach dem Vorbild der Londoner Ausstellung boten die Industrie- und Gewerbeausstellungen eine konzentrierte Herausforderung für die visuelle Wahrnehmung in einer zunehmend industrialisierten Gesellschaft: Nicht nur die ephemeren Bauten und die besondere Architektur, sondern die präsentierten Warenmassen, die Maschinen in Aktion und die im Ausstellungsgelände konzentrierte Menschenmenge faszinierten und erschreckten zugleich. „Es ist nicht übertrieben, wenn ich versichere, daß das Erstaunen, welches die Sinne verwirrende Ansicht dieser Verschiedenheit uns hinterlässt, eine wahrhaft betäubende Wirkung hervorbringt“, so beschrieb ein anonym bleibender Verfasser seinen Eindruck von der Berliner Gewerbeausstellung 1844.72) Um die Anziehungskraft der Exposition wie auch den Massenbesuch zu beschreiben, bediente sich der Schreiber eines religiösen Vokabulars und verglich das Expositionsgeschehen mit einer Wallfahrt.73) Der damals als Privatdozent lehrende Soziologe Georg Simmel beschrieb die Erfahrung des Besuchs der Gewerbeausstellung 1896 in einer Besprechung für die österreichische Zeitschrift Die Zeit gar als eine „Paralyse des Wahrnehmungsvermögens, eine wahre Hypnose“, welche durch die Diskrepanz zwischen der „Fülle und Divergenz des Gebotenen“ und einer noch nicht entwickelten Konsumkultur hervorgerufen worden sei.74) Die Veranstalter versuchten mittels bestimmter Techniken die Fülle der Eindrücke zu Gunsten einer einheitlichen und erwünschten Sichtweise zu bündeln. Neben verschiedenen Arten der Inszenierung legte man beispielsweise eine bestimmte Wegeführung fest, um die Besucherströme zu lenken. Besonders bekannt wurde die Treppe der Berliner Gewerbe-Ausstellung von 1844, die den unteren Saal mit dem ersten Stockwerk verband: „Mit dem linken Fuß antretend“ führte sie den Besucher in das obere Stockwerk, wo er, sich nach rechts wendend, „an allen Schaustücken vorüber kam, […] immer im Menschenstrom blieb und ungeführt am Saalausgang ankam, von wo ihn eine Treppe wieder auf den Hof leitetet.“75) Für spätere Ausstellungen empfahl die Ratgeberliteratur, Situationspläne zu entwerfen, in denen ein Rundgang eingezeichnet sei, mit dem der Besucher die ganze Ausstellung ohne Doppelungen durchwandern könne.76) Wiederum andere Ratgeber entwickelten für so verschiedene Besuchertypen wie den Flaneur, den Tagesreisenden
72)
Die Berliner Gewerbeausstellung und die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier mit besonderer Bezugnahme auf den Rongeschen Brief. Ein Brief aus Berlin von einem Protestanten, Münster 1845, S. 8. 73) Vgl. ebd., S. 10. 74) Georg Simmel, Berliner Gewerbe-Ausstellung (1896), in: Werner Jung (Hrsg.), Vom Wesen der Moderne. Essays zur Philosophie und Ästhetik, Hamburg 1990, S. 166–169, S. 168 f. 75) Vgl. Reuleaux, Anfänge, S. 455. Vgl. auch Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 53. 76) Exner, Aussteller, S. 47.
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oder den Fachmann Touren durch die Exposition, die abhängig waren von dem vermuteten Interesse wie von der zur Verfügung stehenden Zeit. Die Wahrnehmungsschwierigkeiten in den Ausstellungen gingen aber über rein praktische Probleme der Orientierung weit hinaus. Neben autobiographischen Zeugnissen, die vor allem dem Staunen über die Industrie- und Gewerbeausstellung Ausdruck gaben, verdichteten sich die Irritationen und Reflexionen publizistisch. Selbst die Berichterstatter sahen sich vor einer unbekannten Aufgabe. In einer Genreskizze karikierte der Berliner Humorist Adolph Brennglas das Vorgehen vieler Journalisten, wenn der Intellektuelle Zahling seiner weiblichen Begleitung Marie die Arbeitsweise der Publizisten beschreibt: „Sie müssen sich nur wie jene zu helfen wissen: aus den Lehrbüchern das Allgemeine abschreiben und im Einzelnen sagen: im Allgemeinen sind die und die Arbeiten gut, wenn auch im Einzelnen Manches zu wünschen übrig bleibt.“77) Aber nicht nur mangelnde Sachkenntnisse und die damit einhergehende Überforderung bereiteten Schwierigkeiten: Die Kritik müsse lernen, „wie Gegenstände dieser Art zu behandeln sind. […] Mit geistreichen Phrasen, aus einem philosophischen System entnommen, ist es hier nicht gethan“78), so vermeldete selbstkritisch die Leipziger Illustrierte Zeitung. „Beim ersten Besuch der Ausstellung sieht man wenig oder gar nichts genaues von den wunderbaren Inhalten, denn Verstand und Auge haben beide genug zu tun, den Bau insgesamt zu begreifen und sich mit dem Blick ins Innere vertraut zu machen“, so konstatierte das Morgenblatt für den gebildeten Leser in seiner Berichterstattung zur Great Exhibition.79) Die Rezeptionsprobleme zeigten sich besonders deutlich, wenn die Presse dem Besucher empfahl, sich nicht die Exponate selbst, sondern (zunächst) den Katalog anzuschauen. Das erspare körperliche Mühe, zeige sämtliche Waren einzeln, isoliert von der erdrückenden Konkurrenz der Umgebung und unabhängig von zufälliger Beleuchtung oder Besucherandrang.80) Letztlich war diese Empfehlung eine Kapitulation vor den vielfältigen Seheindrücken, die die Ausstellungen boten. Trotz der Schwierigkeiten, einen Weg zwischen technischer Abstraktion und emphatischer Darstellung der Eindrücke zu finden, verdichteten sich Reflexion und Selbstreflexion zu „Sehhilfen“ und Wahrnehmungsmodellen, die die Ausstellungspublizistik und -ratgeber, aber auch Tages- und Wochenzeitungen ihren Lesern präsentierten. Damit boten sie nicht nur eine vermittelte Beschreibung und Typisierung der Besucher, sondern modellierten zugleich die sinnliche Erfahrung derjenigen, die mit diesem Vorwissen die Ausstellung besuchten. Der erste Eindruck einer Ausstellung, so konstatierte die Deutsche Ausstellungszeitung 1867, „ist gewiss für einen Jeden ein überwältigender, und 77)
Brennglas, Gewerbe-Ausstellung, S. 17. Morgenblatt für gebildete Leser, 23. Oktober 1844, S. 1020. 79) The Times vom 23. 5. 1851, S. 5. 80) Wagner, Ewigen, S. 217. 78)
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die erste Frage, die man sich vorlegen wird,“ so vermutete die Publikation des Vereins deutscher Ingenieure „ist die: ‚Wie fange ich es an, um das für mich speciell Interessante in der gegebenen Zeit möglichst vollständig zu sehen und zu studiren?‘“81) Der Redakteur des Leipziger Familienblattes Illustrierte Zeitung unterstellte seinen Lesern ein ganz anderes Interesse beim Ausstellungsbesuch, nämlich „daß es unsere Leser und namentlich unsere Leserinnen mit uns vorziehen, sich an dem Reiz der frischen Blüthe zu erfreuen, als technologische Erörterungen über die verschiedenen Gewerbe und Beurtheilungen von Stoffen und Geräthen zu vernehmen, die sie nicht verstehen und letztere zumal nicht sehen.“82) Eine erste „Classe“ von Besuchern umfasste nach Ansicht der Redakteure der Deutschen Ausstellungszeitung diejenigen, die in die Ausstellung gehen „bloss zu dem Zwecke, sich angenehm zu unterhalten.“ Insbesondere Frauen seien es, die in ihrem Interesse an Schmucksachen und feinen Kleiderstoffen „den Herrn Gemahl auf die ‚Fortschritte der Industrie‘ seit der Anschaffung des letzten neuen Kleides“ aufmerksam machten. „Der Eindruck, den die Ausstellung bei einem solchen Besucher zulässt, ist ein sogenannter allgemeiner, d. h. der brave Mann ist sich bewusst mit seinem leiblichen Auge eine Masse von Gegenständen gesehen zu haben, die ihm alle sehr schön, höchst interessant, besonders merkwürdig erscheinen, während sein geistige Auge daran kaum teilgenommen hat.“83) Aus Sicht der Zeitung des Vereins deutscher Ingenieure war dieser Zugang nicht nützlich: „Er hat Alles mögliche gesehen, aber nichts wirklich besehen.“ Als Ideal baute die Zeitschrift der deutschen Ingenieure dagegen diejenigen Besucher auf, „die einentheils aus Beruf und anderntheils mit dem bestimmten Zwecke in die Ausstellung gehen, um zu lernen.“ Ihnen riet man zur systematischen Planung und zur Zusammensicht ähnlicher Gegenstände. Nach getaner Arbeit erst, „nun dann möge man, wenn die Zeit es noch gestatte, auch die Erzeugnisse und Fortschritte ferner liegender Tätigkeiten in den Bereich einer Beobachtung einbeziehen, der Industrielle möge Herz und Auge laben an dem vielen Schönen, was die Künstler unserer Zeit zu dem grossen Wettkampfe des Friedens gesandt haben“. Das Morgenblatt für gebildete Leser sah den „schweifenden Blick“84) weniger kritisch, empfahl ihn gar ähnlich wie die National-Zeitung als eine Möglichkeit dazu, einen ästhetischen Gesamteindruck zu erhalten.85) „Für die Mehrzahl der Zeitgenossen war es gewiß nur eine große Schaustellung, wel81)
Wie man eine Ausstellung studiren soll, in: Deutsche Ausstellungs-Zeitung Nr. 1 vom 2. April 1867, Sp. 1–7, Sp. 1. 82) Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt vom 27. April 1896, S. 167. 83) Wie man eine Ausstellung studiren soll, in: Deutsche Ausstellungs-Zeitung Nr. 1 vom 2. April 1867, Sp. 1. 84) Vgl. Wagner, Ewigen, S. 212–214. 85) Vgl. Morgenblatt für gebildete Stände 1851, S. 440 und S. 467; National-Zeitung vom 20. Mai 1851, S. 2.
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che gesehen zu haben die Mode zwang“.86) Wie sollte dies auch anders sein, so fragte der Redakteur weiter, „da niemand fordern wird, daß plötzlich, mit der Anerkennung des Werthes und der Bedeutung der Industrie, auch jeder in ihr Wirken und ihre Mysterien eingeweiht seyn sollte!“ Natürlich, so beschrieb die Leipziger Illustrierte Zeitung einen fiktiven Ausstellungsrundgang, überwog „die Menge, die sich ergötzt an dem bunten Schein, die staunt vor der gewaltigen Form und sich scheut vor der verborgenen Kraft welche nicht eindringen mag in die Ursachen der Dinge, sich nicht müht, ein Urtheil über deren Wert abzugeben, die sich lieber tragen läßt von der Woge und den Blick lieber taucht in die Fülle der bezaubernden Erscheinung, wie in ein buntes Blumenfeld, in eine kühne Ferne, in ein wunderbares weiters Meer. Wollen wir das auch? Wollen wir ziehen mit der Menge und genießen wie sie?“87), so die in ein (nicht korrektes) Zitat aus Goethes Faust gekleidete rhetorische Frage des Verfassers F. G. W., der dem eigenen Selbstverständnis nach nicht für die genusssüchtige Menge, sondern für den gebildeten Leser schrieb. Die Wertungen dieses Aufrisses zu den Ausstellungsbesuchern sind klar verteilt: Über der geistlos genießenden Menge, aber auch über dem pedantischen Spezialisten, wie er beispielsweise den Redakteuren der Deutschen Ausstellungs-Zeitung als Ideal vorschwebte, stand der gebildete, wenngleich von Sachkenntnissen unbelastete Leser. Deshalb wolle man weder „vornehm darüberhin oder wie ein Zeitungsreferent theoretisch-pedantisch tief hinein, wohl aber mit der harmlos und heiter geniessenden Menge die Bilder in geschmücktem Rahmen vergnüglich und nicht langweilig vor uns vorbeiziehen lassen.“ Auch wenn diese „Classe“ unter den Besuchern mehr an der Oberfläche als am tatsächlichen Verständnis der Dinge interessiert sei, so flößten die Leistungen der Industrie dieser Gruppe „doch mindestens einigen Respect ein, so dass die Ausstellung nicht spurlos an ihnen vorübergeht, sondern ihnen Stoff zur Unterhaltung in gebildeten Circeln gibt“, so die Deutsche AusstellungsZeitung.88) Der schweifende, nicht fixierte Blick, den die Gazetten beschrieben und empfahlen, eröffnete eine neue Sehweise, die das Detail zu Gunsten eines Gesamteindrucks der Szenerie visuell überstieg.89) Mindestens eine der Entwicklungslinien des Flaneurs und seines Blicks auf das städtische Treiben, welche Walter Benjamin nach den Beobachtungen Charles Baudelaires in den 86)
Morgenblatt für gebildete Leser, 27. November 1844, S. 1140. Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt vom 27. April 1896, S. 168. 88) Wie man eine Ausstellung studieren soll, in: Deutsche Ausstellungs-Zeitung Nr. 1 vom 2. April 1867, Sp. 1–7, Sp. 3. 89) Weitgehende Überlegungen, die zu einer historischen Betrachtung über das Sehen und seine Veränderung Anlass geben, finden sich bei Reinhard Matz, Akkommodationen – Zur Veränderung des Blicks durch die Photographie, in: Bodo von Dewitz/Reinhard Matz, Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839–1860, Köln/Heidelberg 1989, S. 577–583. 87)
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Pariser Arkaden auf der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verortete, reicht bis in die Ausstellungen der Industrie und des Gewerbes.90) Die Ausstellung blieb aber nicht dabei stehen: Der Besucher war nicht nur mit einer Fülle neuer Eindrücke konfrontiert, die ihm eine neue Technik der Wahrnehmung und des Sehens abverlangten. Darüber hinaus boten sich ihm in der Ausstellung und vor allem in der Kombination mit dessen Vergnügungsareal zahlreiche Möglichkeiten, diese visuellen Eindrücke der Warenmenge und der Besuchermassen noch einmal zu steigern. Erst wenn die „Zusammenschau“ gelinge, dann könne der Besucher „inmitten der Schätze der Welt diese […] genießen“, so berichtete das Morgenblatt für gebildete Leser von der Londoner Weltausstellung 1851.91) Die elektrische Ausstellungsbahn, die zum ersten Mal in Berlin 1878 in Betrieb war, verband die Bequemlichkeit der Fortbewegung mit einem erhöhten Maß an sinnlichen Eindrücken. Ähnlich wirkte die „Stufenbahn“ der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, die am ehesten einer modernen Rolltreppe oder einem Laufband zu vergleichen war und von Beobachtern gar als Lösung für die Erfordernisse des Massenverkehrs gepriesen wurde.92) Die Fahrt mit der Rutsch- oder der motorbetriebenen Achterbahn, wie sie in zahlreichen Vergnügungsparks unternommen werden konnte, schränkte durch die Beschleunigung das Sehen bis zur Unkenntlichkeit ein und übersteigerte so die Beobachtung ins Groteske.93) Vergleichbar der Eisenbahnreise wird auch bei der Fahrt oder beim Gang durch die Gewerbeausstellung eine erhöhte Anzahl von Eindrücken hervorgerufen, zum einen durch die gesteigerte Geschwindigkeit, zum anderen durch die Konzentration von Exponaten und die Verdichtung von Erfahrungsräumen. Vergleichbar dem Flanieren durch die Großstadt erweist sich damit auch der Besuch der Industrie- und Gewerbeausstellung als Element jenes Vorgangs der Moderne, den Georg Simmel als „Steigerung des Nervenlebens“ beschrieben hat, welches „aus dem raschen und ununterbochenen Wechsel äußerer und innerer Eindrücke hervorgeht.“94)
90) Vgl. Walter Benjamin, Das Arkaden-Projekt, in: ders., Schriften, Bd. 5/2., S. 1044–1052. Vgl. auch Keith Texter, The Flaneur, London 1994. 91) Zitiert nach Wagner, Weltausstellung, S. 33. 92) Die Stufenbahn auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: 1. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt Nr. 124 vom 30. Mai 1896, S. 4. 93) Vgl. „Das fussige Hermännche auf der Ausstellung“, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 7, S. 250–252. Zum Teil werden hier Momente antizipiert, die Theater, Muscial und Film prägen. Vgl. Knut Hickethier, Beschleunigte Wahrnehmung, in: Jochen Boberg/Tilman Fichter/Eckart Gillen (Hrsg.), Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert, München 1986, S. 144–155. 94) Georg Simmel, Die Großstädte und das Geistesleben, in: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Relegion, Kunst und Gesellschaft, hrsg. von Michael Landmann, Stuttgart 1957, S. 227–242, S. 228: „Beharrende Eindrücke“, so Simmel, „Geringfügigkeit ihrer Differenzen, gewohnte Regelmäßigkeiten ihres Ablaufs und ihre Gegensätze verbrauchen sozusagen weniger Bewusstsein, als die rasche Zusammendrängung wech-
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Eine ähnliche Veränderung der Wahrnehmung versprach das Panorama, dessen Geschichte in Deutschland in den Industrie- und Gewerbeausstellungen begann. Es waren deren Veranstalter, die das neue Medium in Deutschland bekannt machten. Im Thema meist nur vage mit der eigentlichen Ausstellung verknüpft, waren sie doch wichtige Anziehungspunkte der Exposition. In der Regel handelte es sich um halbzylindrische oder leicht gekrümmte Leinwände, an denen sich die Besucher leichter vorbeimanövrieren ließen als an echten Rundgemälden. Die gemalte Kulisse unterschied sich vom gemalten Bild durch das ungewöhnliche Format, die 360-Grad-Anordnung als „Totale“ und die Nicht-Rahmung. Die ästhetische Wahrnehmung differierte dementsprechend von der herkömmlichen Bild-Wahrnehmung durch den Total-Eindruck, die Total-Ausfüllung des vorhandenen Raums, die simulative Einbezogenheit des Betrachters: Das Halbdunkel und eine spezielle Beleuchtung wiesen bereits auf das Kino voraus. Zeit-Illusion wurde in späten Panoramen und Dioramen angedeutet durch Lichteffekte, die Sonnenauf- und untergänge zum Beispiel vor gemalten Alpenkulissen vortäuschten. In ihrer Simulationskraft wiesen diese frühen Panoramen bereits auf den Film voraus, so zum Beispiel in den Momenten der grenzverwischenden Einbezogenheit des Zuschauers, der situativ-prozesshaften Wiedergabe der Totale und des Total-Eindrucks.95) Zugleich aber behielt der Betrachter seinen festen Standpunkt in der Mitte des Arrangements bei. Von dort aus ließ er den Blick weit schweifen über Stadtansichten, historische Schlachtplätze und andere denkwürdige Orte. Das Panorama „Blüchers Rheinübergang bei Caub“, erstellt von den Malern Wendling und Ungewitter, erwies sich als einer der Publikumsmagneten in Düsseldorf 1902 und diente vor allem der Rückprojektion und Spiegelung nationaler Emotionen.96) In der Berliner Fischereiausstellung 1881 waren es Halbpanoramen von Neapel und des Meerbusens von Bajae, die ähnliche Anziehungskraft ausübten. Zur Gewerbe- und Hygieneausstellung in Berlin, die wegen eines Brandes im Vorfeld nie eröffnet wurde, war geplant, das Innere der Caracalla-Thermen in Rom den Besuchern vor Augen zu führen.97) Die enge Verbindung, welche Panorama und Ausstellung zueinander eingingen, erklärt sich aus dem von beiden Institutionen geteilten Prinzip des Sehen-Machens, bei dem die Technik der Simulation als Repräsentation von Wirklichkeit eingesetzt wird: Wie das Bentham’sche Panoptikon für die Disziplinargesellschaft steht, so ist das Panorama das Symbol der „spectacular so-
selnder Bilder, der schroffe Abstand innerhalb dessen, was man mit einem Blick umfasst, die Unerwartetheit sich aufdrängender Impressionen.“ 95) Götz Großklaus, Medien-Zeit, Medien-Raum. Zum Wandel der raumzeitlichen Wahrnehmung in der Moderne, Frankfurt a. M. 1995, S. 34. 96) Vgl. die Beschreibung in der Leipziger Illustrirten Zeitung Bd. 118 (1902), S. 655 f. 97) Bundesarchiv Berlin, Reichskanzlei R 43, Akte 579, S. 14 f. Vgl. Stephan Oettermann, Das Panorama. Die Geschichte eines Massenmediums, Frankfurt a. M. 1980, S. 201.
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ciety“.98) Im Panorama wurde „die Herrschaft des bürgerlichen Blicks gelernt und zugleich verherrlicht […], als Instrument zur Befreiung und zur erneuten Einkerkerung des Blicks, als erstes optisches Massenmedium im strengen Sinne.“99) Der Superrealismus panoramatischer Darstellung symbolisierte eine weit vorangetriebene Naturbeherrschung, indem der Betrachter, dem sich alle Perspektiven öffneten, die Aneignung der Natur optisch (noch einmal) vollzog.100) Waren die Panoramen Illusionsmaschinen, die das Sehen an fernen Sujets übten, so waren es seit der Düsseldorfer Ausstellung 1880 Aussichtstürme oder entsprechende Plattformen, die einen Totalblick auf die Ausstellung selbst erlaubten und damit die früher dazu genutzten Montgolfieren oder Fesselballons ablösten oder ergänzten. Auf den Weltausstellungen hatte bereits in Paris 1867 ein hydraulischer Aufzug die Besucher in die Höhe gefahren, auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurde eine Galerie über dem Kegel der Rotunde angebracht, von der aus man das Gelände betrachten konnte; dieselbe Funktion hatten 1878 die Türme des Trocadéro, 1889 der Eiffelturm, das Riesenrad von Ferris in Chicago 1893 und noch das Atomium in Brüssel 1958101): Der Blick aus der Höhe synthetisierte, was sich vorher als Unübersichtlichkeit und unendliche Detailfülle dargeboten hatte. Solche Aussichtspunkte standen zunächst in der Tradition der Belvederen des 18. Jahrhunderts, welche einen Blick auf die Natur eröffneten. Der Besucher einer Industrieund Gewerbeausstellung blickte auf ein komplett von Menschen gestaltetes Areal, in der selbst natürlich belassene Elemente in eine Gesamtinszenierung eingebunden waren. Im Fall der Berliner Ausstellung 1896 war es die Pyramide innerhalb des Arrangements der Stadt Kairo, welche „mittels elektrischen Aufzuges bestiegen werden [konnte] und [von welcher aus] man von ihrem Plateau aus eine interessante Fernsicht über Berlin wie den Treptower Park und seine Ausstellungshallen“ hatte.102) Die Wirkung einer solchen Totalsicht hat Roland Barthes anhand des Pariser Eiffelturms reflektiert. Der anlässlich der Pariser Ausstellung 1889 errichtete Eiffelturm „macht infolge seiner Position als besichtigter Aussichtspunkt aus der Stadt eine Art Natur; er konstituiert das Gewimmel der Menschen als Landschaft, er fügt zum urbanen, oft finsterem Mythos der Stadt eine romantische Dimension, eine Harmonie […] Den Eiffelturm besuchen bedeutet also nicht mit einem historischen Sakralen in
98)
Cauter, Panoramic Ecstasy, S. 3. Vgl. auch Guy Debord, The Society of Spectacle, Detroit 1983. 99) Oettermann, Panorama, S. 9. 100) Ebd., S. 201. 101) Vgl. Christian Rapp, Die Welt im Modell. Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, in: Fillitz, Traum, S. 45–53, S. 45. 102) Illustrirter Amtlicher Führer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Mit einer Übersichtskarte der Ausstellung, Berlin 1896, S. 212.
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Verbindung treten, wie das bei den meisten Monumenten der Fall ist, sondern vielmehr mit einer neuen Natur: der des menschlichen Raumes. Der Eiffelturm ist nicht Spur, Erinnerung, kurz: Kultur, sondern vielmehr unmittelbarer Konsum einer Menschheit, die durch diesen Blick, der sie in Raum verwandelt, natürlich geworden ist.“103) Die Betrachtungen von Roland Barthes zur Wahrnehmung der Stadt aus unterschiedlichen Perspektiven lassen sich auf den Besuch der Industrie- und Gewerbeausstellung übertragen: Während das Durch-die-Stadt-Streifen implizierte, nur die Oberfläche der Dinge wahrzunehmen, erlaubte es die Vogelperspektive, über die unmittelbare Wahrnehmung der Dinge hinauszugelangen und sie in ihrer Struktur zu sehen. Mit einem „stark bevölkerten, durch irgendeine Störung in Aufregung geratenen Ameisenstaat“ ließ der Autor einer humoristischen Skizze seine Hauptperson Baron Mikosch die Berliner Ausstellung von oben betrachtet vergleichen, nicht ohne dass dieser zuvor die einzelnen Teile der Ausstellung benannt und einander zugeordnet hatte.104) Der Blick aus der Totalen transformiert Unübersichtlichkeit in Ordnung und Eindrücke in Wissen. Zugleich lässt er den Betrachter als denjenigen erscheinen, der die Welt zu synthetisieren und zu beherrschen versteht. Wie in keinem anderen Medium des 19. Jahrhunderts trafen in den Ausstellungen technisch-industrielle Fähigkeiten und mediale Kompetenz zusammen. Komplementär zum Bentham’schen Panoptikum, welches tendenziell jeden der permanenten Möglichkeit aussetzt, unter Beobachtung zu stehen, animiert das Panorama wie die Ausstellung den Einzelnen zum Sehen. Damit demonstrierten die Expositionen zugleich, dass die Organisatoren der Ausstellung und die sie tragenden Schichten sowohl über die technisch-industriellen Möglichkeiten verfügten, die Welt zu formen und zu ordnen, als auch diese medial zu (re)präsentieren.
II. Die Ordnung der Dinge: Klassifikationen zwischen Gewerbeförderung und Konsumanreiz Die Expositionen präsentierten ihren Besuchern eine synthetische Welt, die nach den Möglichkeiten des Genres wie auch nach den Vorstellungen ihrer Macher geordnet und eingerichtet war.105) Basis für die Beschaffenheit und die Repräsentationsleistungen der Ausstellungen waren die Gruppierung und Einteilung der Ausstellungsgegenstände. „The Classification is the Bible of the Exposition“, erklärte Anfang des 20. Jahrhunderts der amerikanische Ausstellungsorganisator Dr. Frederic J.V. Skiff. Die Einteilung der Gegen103)
Roland Barthes, Der Eiffelturm, München 1970, S. 38. Baron Mikosch’s Erlebnisse auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, hrsg. von Fidelio, Berlin ohne Jahr [1896], S. 33. 105) Vgl. Benedict, Anthropology, S. 2. 104)
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stände gibt Auskunft darüber, „what the exhibits shall be and in what order, gives their importance in the scheme of life, and dominates the method of making the awards“.106) Die Ausstellungsklassifikationen verstetigten sich darüber hinaus, indem sie auch die Grundlage waren für den publizierten Katalog. Diese wirkten weit über die Ausstellungen hinaus: In einer Zeit, als noch keine funktionierende Wirtschaftsstatistik existierte, nutzten insbesondere staatliche Stellen und Behörden diese Expositionsverzeichnisse zugleich als Bestandsaufnahme des ökonomischen Entwicklungsstandes.107) Fragen nach Konzepten und Formen von Inszenierung sowie Techniken der Präsentation fallen gewöhnlich in das Metier von Museumsfachleuten und Ausstellungstheoretikern, gelegentlich auch von Kunsthistorikern und Ethnologen. Den Untersuchungen aus diesen Disziplinen unterliegt oft die Vorstellung von der Exposition als Gesamtarrangement, in dem von den Räumlichkeiten über die Platzierung der Exponate, deren Zusammenspiel mit anderen Objekten sowie den Einsatz von Licht, Farben und Sockeln alles auf ein intentionales, zentral gesteuertes „In-Szene-Setzen“ orientiert ist.108) Solche Vorstellungen von einer Totalinszenierung sowie die dabei angewandten Analyseverfahren sind auf die Industrie- und Gewerbeausstellungen nur begrenzt übertragbar, da die Prozesse der Auswahl und des Arrangements nur bedingt von der Ausstellungsleitung zu steuern waren. Meist beschränkte man sich darauf, generelle und weit gefasste Vorgaben zur Gestaltung von Präsentationsflächen zu machen. Gelegentlich erhob man gar die Eigentätigkeit der Aussteller zum Programm, so wenn beispielsweise der Bericht zur Hannoveraner Ausstellung 1878 ähnlichen Projekten dazu riet, „die ganzen Aufstellungs- und namentlich Ausschmückungs-Arbeiten thunlichst den Ausstellern selbst zu überlassen, und ihnen nur ausnahmsweise von Seiten der Kommission zur Hand zu gehen.“109) Vieles von dem, was seinen Weg in die Ausstellungshallen fand, war somit außerhalb der Kontrolle der Organisatoren. Händler, Gewerbetreibende, Handwerker und Fabrikanten folgten bei der Inszenierung der Ausstellung ebenso ihrer jeweils eigenen Agenda wie beispielsweise die lokalen Auswahlkomitees, die im Vorfeld der großen Veranstaltungen vorgeschaltet waren – zunächst, um die Gewerbetreibenden
106)
Zitiert nach Frank Morton Todd, The Story of the Exposition, Bd. 5, New York/London 1921, S. 66. 107) Vgl. dazu beispielsweise die Hinweise in Catalog für die Braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877 in Braunschweig. Unter dem Protectorate Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig 1877. Zur Entwicklung der Wirtschaftsstatistik J. Adam Tooze, Statistics and the German State, 1900–1945: The Making of Modern Economic Knowledge, Cambridge 2001. 108) Vgl. zum Beispiel Ulrich Schwarz/Philipp Teufel (Hrsg.), Handbuch Museografie und Ausstellungsgestaltung, Ludwigsburg 2001; Klein/Wüsthoff-Schäfer, Inszenierung. 109) Die Allgemeine Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover für das Jahr 1878. Im Auftrage und unter Mitwirkung des Vorstandes der Ausstellungskommission bearbeitet von Ferdinand Jugler, Hannover 1880, S. 28.
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in ihrem Bezirk möglichst umfassend zu mobilisieren, dann aber auch, um eine Vorauswahl der angebotenen Ausstellungsgegenstände zu treffen und damit die Ausstellungsleitung organisatorisch zu unterstützen. Den Eigeninteressen der einzelnen Aussteller öffnete dieser Umstand enormen Freiraum. Darüber hinaus ist danach zu fragen, ob und in welchem Ausmaß die Intentionen der Organisatoren sowie die vielfältigen Interessen derjenigen, die an der Ausstellung beteiligt waren, von den Besuchern tatsächlich wahr- und im zweiten Schritt auch angenommen wurden. Die „Ordnung der Dinge“, wie sie in den Ausstellungen realisiert wurde, ist daher als ein Geflecht zwischen Organisatoren, Ausstellern und Besuchern zu beschreiben. In der Ausstellungspraxis entwickelte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein europaweit gängiges Klassifikationsschema, welches jeweils nationalen, regionalen und lokalen Verhältnissen angepasst wurde.110) Im Folgenden werden einzelne Schritte zur Entwicklung dieser Klassifikation skizziert, um auf diese Weise die zugrunde liegenden Ordnungsvorstellungen herauszuarbeiten. Mit der Etablierung des Mediums Industrie- und Gewerbeausstellung entspann sich zunächst eine Diskussion darüber, welche Exponate und Produktgruppen grundsätzlich aufzunehmen seien. Die Bezeichnungen „Industrie“ und „Gewerbe“ boten keine trennscharfen Definitionen, sondern waren ihrerseits einem starken Wandel unterworfen.111) Bei der ersten französischen Nationalausstellung 1798 hatten die Veranstalter keinerlei Beschränkungen vorgesehen; ausgestellt wurde, was interessierte Aussteller den Organisatoren anboten. In Deutschland etablierte sich zunächst ein Ausstellungskorpus, der sowohl Produkte der Kunst als auch des Gewerbes umfasste.112) Die im ersten und zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Württemberg veranstalteten Expositionen firmierten als „Kunstausstellungen“, obwohl die Ausschreibung vom Dezember 1811 vorsah, dass nicht nur „allein diejenigen, welche sich den bildenden Künsten gewidmet haben, sondern auch Professionisten u. Handwerker, welche irgendeine neue Erfindung gemacht, Meisterstücke verfertiget oder überhaupt besondere Ausarbeitungen irgendeiner Art geliefert haben, berechtigt seyn ihre gelungensten Kunstwerke u. Producte […] öffentlich aufzustellen.“113) Auch die frühen bayerischen Expositionen, die weniger auf die Gewerbeförderung als vielmehr auf den Verkauf hin angelegt waren, stachen
110)
Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 123. Vgl. dazu Lucian Hölscher, „Industrie, Gewerbe“, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Grundbegriffe, Bd. 3, S. 237– 304; Eulen, Gewerbefleiß. 112) Für Hamburg und Umgebung vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 23–48. 113) Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Königliches Kabinett I, E 11: Ministerium des Kirchenund Schulwesens, Büschel 83; vgl. auch Königlich Württembergisches Staats- und Regierungsblatt Nr. 63 vom 21. Dezember 1811, S. 680 f. Dazu vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 26 f. 111)
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dadurch hervor, dass in ihnen Kunst- und Kunstgewerbeerzeugnisse dominierten.114) In Frankreich war man von dieser Linie bereits in den Ausstellungen 1801 und 1802 wieder abgegangen.115) Auch in Deutschland etablierte sich zwei Jahrzehnte später eine veränderte Auswahlpraxis: Da das Medium Industrieund Gewerbeausstellung vor allem im Zuge der Gewerbeförderung genutzt wurde, verbot sich die Konzentration auf Kunstgegenstände. Nicht der Verkauf, sondern didaktisch-pädagogische Anstöße sollten im Vordergrund der Exposition stehen. „Es leuchtet ein, dass Gewerb- oder Industrie-Ausstellungen nur für Erzeugnisse der gewerblichen Industrie bestimmt sein sollen“, so resümierte Karmarsch in seinem Ratgeber für die Organisation von Ausstellungen 1845 diese Diskussion. Zugleich aber verwies er auf die zahlreichen Schwierigkeiten, eine solche Abgrenzung tatsächlich vorzunehmen: Allgemein schließe man zwar Produkte der schönen Künste von den Ausstellungen aus oder sammle diese in Spezialabteilungen. Wo aber, so fragte der Ausstellungstheoretiker, verlaufe die Grenze zwischen Malerei und Dekorierung? „Ein Relief in Stahl ciseliert gilt für ein technisches Erzeugnis, weil es vielleicht gerade ein Arbeiter gemacht hat, der sonst nur Gewehrschlösser gravirt; jedoch derselbe Gegenstand vom Bildhauer in Wachs bossirt, hiesse ganz entschieden und ausschliesslich ein Kunstwerk.“116) Natürlich gebe es Gründe dafür, dass Rohstoffe an sich ausgeschlossen blieben, allerdings wäre andererseits die Kenntnis ihrer Qualität unabdingbar für die Beurteilung vieler Endprodukte. „Alles hier Gesagte“ zeigte, so schlussfolgerte der Gelehrte aus seinen Überlegungen, „dass strenge Bestimmungen über die Natur der auf Gewerbeausstellungen unzulässigen Objekte kaum zu geben seyen, und dass man daher am besten thue, lieber etwas zu weit als zu eng die Grenzen der Zulässigkeit zu stecken.“117) Außer explosiver, feuergefährlicher und verderblicher Ware wurden in der weiteren Ausstellungspraxis tatsächlich alle Exponate von Gewerbe- und Kunstgewerbetreibenden zugelassen. Als typisches Reglement kann dafür das Programm der Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1851 gelten, welches jedes in den Provinzen Rheinland und Westfalen hergestellte Industrieerzeugnis zuließ, „wenn es im Verhältnis zum Preis gut gearbeitet ist.“118) Damit folgte die Praxis der Industrie- und Gewerbeausstellungen der zeitgenössischen Verwendung des Begriffs der Industrie, welcher sich keinesfalls allein auf Ma114)
Vgl. Ulrich Kerkhoff, Bayerische Landesausstellungen, in: Gerhard Bott (Hrsg.), Leben und Arbeiten im Industriezeitalter. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Industriekultur, Nürnberg 1985, S. 245–255 115) Vgl. Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 117. 116) Karmarsch, Andeutungen, S. 148. 117) Ebd. 118) Vgl. Katalog der Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für Rheinland und Westphalen in Düsseldorf, eröffnet am 15. Juli 1852, o. O. o. J. [Düsseldorf 1852], S. 1.
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schinenarbeit und maschinell gefertigte Produkte beschränkte. Erst seit den 1830er Jahren differenzierte sich der Bedeutungsgehalt von „Industrie“ und „Gewerbe“, nicht ohne über Jahrzehnte hinweg noch eine breite Zone der Überlappung zu lassen.119) Die Abgrenzung wurde dadurch erleichtert, dass sich parallel zu den Industrie- und Gewerbeausstellungen und den Expositionen in Museen auch ein kommerzielles Kunstausstellungswesen entwickelte.120) In vielen Industrieund Gewerbeausstellungen wurden Exponate der darstellenden oder bildenden Kunst separat gruppiert. Sie dienten zunächst dem Handwerk und dem Gewerbe als Vorbilder für Stil und Form und fungierten in späteren Expositionen als Moment der ästhetischen Aufwertung. Mehr und mehr stifteten sie einen Deutungszusammenhang, der die gegenwärtige Produktion der Industrie in eine Linie setzte mit den Werken vergangener Zeiten, die eine besondere Wertschätzung genossen. In ähnlicher Weise entwickelte sich die Diskussion um die Qualität von Exponaten: Sollten vor allem „Expositionsstücke“ gezeigt werden, „d. h. ungewöhnlich schwierige oder mit ungebräuchlichem Luxus in ausserordentlicher Grösse etc. ausgeführte Probestücke, welche im gewöhnlichen Fabriksoder Gewerbsbetriebe nicht verfertigt werden, sondern eigens für die Ausstellung unternommen wurden, um durch ihre auffallende Beschaffenheit zu imponiren und – was man so nennt – Eclat zu machen“?121) Oder ging es eher darum, handelsübliche und damit auch marktgängige Ware auszustellen? In Preußen, wo die Industrie- und Gewerbeausstellungen dezidiert als Instrument der Gewerbeförderung ins Leben gerufen wurden, zielte man von Beginn an darauf ab, marktgängige Produkte zu präsentieren. So wurde seit 1822 jedes Fabrikat zugelassen, „auch das gröbste, wenn dessen Gebrauch allgemein verbreitet, und es im Verhältnis zum Preise gut gearbeitet ist“.122) Allerdings bedurfte es einiger Zeit, bis auch die einzelnen Aussteller dieser Praxis folgten. Mit der Berliner Ausstellung von 1844 war der Trend vollends umgekehrt: Nachdem wegen großer Anmeldezahlen der Erfolg der Ausstellung als gesichert galt, versuchten die Veranstalter spezielle Anforderungen an die Exponate durchzusetzen. Sie bestimmten, dass „die gewöhnliche Handwerkerarbeit, welche nicht etwa in größern Quantitäten geliefert und in den Handel gebracht wird“, nur dann zur Ausstellung geeignet sei, wenn sie sich auf Grund besonderer Kunstfertigkeit oder wegen einer besonderen Innova-
119)
Vgl. Hölscher, „Industrie, Gewerbe“. Vgl. dazu den Ausblick bei Koch, Kunstausstellung; auch Peter Gerlach (Hrsg.), Vom realen Nutzen idealer Bilder. Kunstmarkt und Kunstvereine, Aachen 1994. 121) Exner, Aussteller, S. 26 f. 122) Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Vertheilung der Preise für die öffentliche Ausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1822, von dem Vorsitzenden derselben, Geh. Ober-Finanzrath Beuth, am 27. Oktober 1822 erstattet, in: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 2 (1823), S. 29–52, S. 29. 120)
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tion als Vorbild für andere Produzenten eigne.123) Auch die Münchener Ausstellungsorganisatoren kamen zu dem Schluss, dass „allein nur solche Waare […] vor Allem als dem Staate nützlich und wichtig genannt zu werden [verdient], welche um den möglichst billigsten Preis, durch die reellsten schätzungswerthesten Eigenschaften, die Bedürfnisse des größeren Publikums befriedigt“.124) Im Regelfall wurden Exponate trotz ihres artifiziellen und keinesfalls marktgängigen Charakters zugelassen, so zum Beispiel ein „colossaler Honigkuchen […] im Leichensteinformat“ (Berlin 1844)125), die Riesenkanonen der Essener Firma Krupp, die nach ihren Auftritten auf verschiedenen Weltausstellungen auch im nationalen Rahmen gezeigt wurden126), oder auch „Terra“, ein mehrere Meter hoher „Riesenkopf der Erde“, den die Kölner Firma Stollwerck nach dem Entwurf des Denkmalkünstler Bruno Schmitz aus Schokolade angefertigt hatte (Düsseldorf 1902).127) Sie waren Elemente von Inszenierungen, die Ausstellungsbesucher zusätzlich anziehen oder beeindrucken sollten. Die Entwicklung resümierte der Ausstellungsberichterstatter Bruno Bucher 1881: „Früher spiegelte man sich gern vor, ein Jeder solle herbringen, was er täglich macht, nicht im Feierkleide, sondern im Werktagskittel solle sich die Arbeit zeigen. Das war allerdings die ursprüngliche Idee, allein die Größe und die rasche Folge der Ausstellungen haben diese Idee längst antiquiert. Die großen Massen des Publikums, welche sich einfinden müssen, um nur einigermaßen den Aufwand zu decken, wollen ja nicht Fachstudien machen, sondern schauen, unterhalten sein, in dem großen Bilderbuche blättern.“128)
Weniger die Beschränkung, sondern vielmehr eine auf das Spektakel zielenden Ausstellungspraxis prägte das Vorgehen der Organisatoren. Zusätzlichen Diskussionsbedarf ergab die Frage der räumlichen Beschränkung: Sollte es auch bei einer lokal, regional oder national begrenzten Ausstellung erlaubt sein, dass „fremde Waaren zum Muster, jeden Falles zum Vergleiche dienen“? Oder bedeutete dieses nur, den Gesamteindruck zu ver-
123)
Bericht Berlin 1844, Bd. 1, S. 15, Anm. 2. Vgl. dazu Exner, Aussteller, S. 29 f.: „Der Gewerbsmann wird seine besten Erzeugnisse zur Exposition auswählen, aber keine Meisterstücke anführen, die im besten Fall Erstaunen erregen, aber nicht die Achtung der Verständigen erzwingen. Er wird, wenn er nichts vorräthig hat, für die Ausstellung arbeiten, er wird aber Verbrauchsgegenstände, die einen möglichst großen Nutzen haben, wählen.“ 124) Bericht der allerhöchst angeordneten Königlich Bayerischen Ministerial-Commission über die im Jahre 1834 aus den 8 Kreisen des Königreichs Bayern in München stattgehabte Industrie-Ausstellung, München ²1836, S. 4 f. 125) Vgl. Anonym [Wilhelm Gustav Werner Völkl], Gewerbeausstellung, S. 8. 126) Vgl. zum Beispiel die entsprechenden Abbildungen in Stadtarchiv Düsseldorf, Fotosammlung, Negativnr. 005120011, T 40/20: Exercitium am Krupp’schen Riesengeschütz vor der Kaiserlichen Majestät am 19. Juni 1880. In der Literatur Wolbring, Krupp, S. 100–111, S. 138–142. 127) Vgl. Heinrich Frauberger, Wanderung durch die Düsseldorfer Ausstellung, in: Die Gartenlaube Nr. 36 (1902), S. 616–619, S. 619. 128) Bruno Bucher, Zur Ausstellungsfrage, in: Westermanns illustrirte deutsche Monatshefte 50 (1881) 4. Folge, S. 722 f.
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wischen und zu agieren „wie ein Feldherr“, der zur „Heerschau vor der Schlacht auch einige der feindlichen Truppen einlädt, weil sein Heer dann größer und bunter scheine“?129) Insbesondere in den ersten zwei Jahrhundertdritteln entschieden viele Ausstellungsorganisatoren gegen eine Aufnahme von fremden Gewerbserzeugnissen. Beispielhaft für die dieser Entscheidung unterliegenden Überlegungen sind die Ausführungen der Commission für die Braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877: Da insbesondere im Herzogtum selbst große Unklarheit über die Leistungsfähigkeit der eigenen Industrie herrsche, solle ausschließlich den heimischen Gewerbetreibenden die Möglichkeit zur Präsentation geboten werden.130) Andere regional orientierte Ausstellungen hielten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch an diesem Prinzip fest, lockerten aber die Bestimmungen im Einzelnen. So ließen beispielsweise die Detmolder Ausstellungsorganisatoren Gegenstände zu, „welche zur Hebung und Förderung des Gewerbes dienen und welche in Lippe nicht fabriziert werden“.131) Allgemein hielt sich in Deutschland bei den allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen ein enzyklopädischer Anspruch: Ziel war es, die Entwicklung und den Leistungsstand eines regionalen Wirtschaftsraumes zu demonstrieren. Zunächst unter dem Aspekt der Gewerbeförderung, später mit Blick auf die Attraktivität der Ausstellungen zeigte man sich zunehmend auch an Ausstellern aus anderen Regionen interessiert, sobald sie Spektakuläres zu bieten hatten. Die Versuche von Mainz 1842, Berlin 1844 und München 1854, eine nationale Ausstellung zu organisieren, wurden in Deutschland nicht mehr fortgesetzt. Auch eine Weltausstellung ist für die Hauptstadt des Deutschen Reiches zwar erwogen, letztlich aber nicht realisiert worden.132) Erste Pläne mussten wegen fehlender Unterstützung des Reiches aufgegeben werden. Notgedrungen fand man sich nicht nur damit ab, sondern musste in einem zweiten Schritt sogar das Ansinnen aufgeben, eine nationale Ausstellung zu organisieren: „Wir mussten uns sagen“, so resümierten die Veranstalter ihre Bemühungen 1896, „daß wir, um überhaupt etwas zu erreichen, nicht anderes ins Auge fassen dürften, als was wir auch ohne jede regierungsseitige Unterstützung auszuführen die Macht hätten. Das ist: eine große Berliner Gewerbe-Ausstellung.“ Allerdings gestand man ebenfalls allen Firmen die Beteiligung zu, die in Berlin direkt oder durch Geschäftspartner vertreten waren. Alles in allem
129)
Desberger, Industrie-Ausstellungen, Sp. 740. Die Braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877 in Braunschweig unter dem Protectorate Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig 1877, S. 8 f. 131) Katalog der Lippischen Gewerbeausstellung in Detmold 1881. Ausstellung für die Fürstenthümer Lippe und Schaumburg-Lippe, hrsg. vom Vorstande der Ausstellung, Detmold o. J. [1881]. 132) Vgl. Crome, Gewerbeausstellung, S. 14 f. 130)
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setzte man darauf, „daß die Berliner Ausstellung […] sich kaum mehr als dem Namen nach von einer deutschen Ausstellung unterscheiden würde.“133) Auch andere Ausstellungen, so die Düsseldorfer Exposition von 1880, traten mit dem Anspruch auf, nationale Dimensionen zu erreichen. Insbesondere die Montan- und Schwerindustrie des Ruhrgebietes zielte 1880 darauf ab, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung herauszustellen. „Wer […] sollte nicht bereit sein, an einem Werk mitzuarbeiten […], das wie kaum ein anderes geeignet erscheint, dem Ausland zu zeigen, daß Deutschland, wie es in Machtfülle und Kraft sich an die Spitze der Nationen gestellt hat, nicht gewillt ist, in dem friedlichen Wettstreite der Künste und der Gewerbe hinter seinen Nebenbuhlern und Konkurrenten zurückzustehen.“134) Trotz der im deutschen Vergleich enormen Ausdehnung und Beschickung der Ausstellung gelang es aber nur begrenzt, diesen Anspruch auch einzulösen.135) Es sei ein „daunting task“, die Exponate einer Ausstellung zu beschreiben und Schlüsse aus ihrer Anordnung daraus zu ziehen, so Auerbach, der sich in seiner Studie zur Londoner Weltausstellung 1851 mit über 100 000 Exponaten konfrontiert sah, die von 14 000 Ausstellern eingereicht wurden.136) Nichtsdestotrotz sind die einzelnen Exponate eine hervorragende Quelle vor allem für eine Alltagsgeschichte des Konsums sowie für eine historische Analyse der Diffusion technischer und wissenschaftlicher Innovationen.137) Anschaulich lassen sich beispielsweise das Aufkommen, die Popularisierung und die Rezeption neuer Industriezweige und Produkte wie der chemischen Industrie oder auch der Elektrizitätswirtschaft nachvollziehen.138) Im Folgenden wird zunächst dem Arrangement und der Form der Präsentation der Exponate nachgegangen. Ähnlich wie auf den mittelalterlichen Märkten, aber auch in der frühneuzeitlichen Stadt einzelne Handwerke und Produktionszweige gruppiert und zugeordnet wurden, so entwickelte sich das „categorizing by content or subject“ zu dem entscheidenden Kern der Aus133)
Offizieller Hauptkatalog der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Berlin 1896, S. IV, VI. 134) Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880, bearbeitet und herausgegeben im Auftrag und unter Mitwirkung des Vorstandes der Ausstellung, Düsseldorf 1881, Teil I, S. 8. 135) Vgl. Berlin und seine Arbeit. 136) Auerbach, Exhibition, S. 91. 137) Die Möglichkeiten deutet an Schmidt, Weltausstellungen, S. 165; zeitgenössisch Der Weltverkehr und seine Mittel. Rundschau über Schifffahrt und Welthandel: IndustrieAusstellungen und die Pariser Weltausstellung im Jahre 1878, 2 Teile, Leipzig/Berlin ³1879/1880; vgl. auch Kroker, Weltausstellungen, S. 119–136. 138) Vgl. in dieser Studie den Abschnitt D 2. In der Literatur dazu Göran Ahlström, Technological Development and Industrial Exhibitions 1850–1914. Sweden in an International Perspective, Lund 1995; Jürgen Stehen (Hrsg.), „Eine neue Zeit..!“, Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891, unter Mitarbeit von Monika Scholdei-Kuli und Almut Junker, Frankfurt a. M. 1991.
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stellungsorganisation.139) In den vorgenommenen Klassifizierungen verdichteten sich die Vorstellungen der Ausstellungsorganisatoren und die (unterstellte) Erwartungshaltung des Publikums zur Symbolisierung der gesellschaftlichen Organisation.140) Dass dabei die tatsächliche Gestalt der Ausstellung partiell von den Vorgaben abweichen konnte, liegt auf der Hand, da die Organisatoren nur begrenzten Einfluss auf die Präsentation der einzelnen Aussteller ausüben konnten. Die mit den Gruppierungen und Zuordnungen gesetzten Rahmenbedingungen allerdings waren in der Regel bindend. Sie prägten nicht nur das Gesicht einer Ausstellung, sondern trugen ihrerseits dazu bei, dass sich ein Kanon der Klassifikation bildete, der von den Organisatoren und Machern nur noch den jeweiligen lokalen oder regionalen Gegebenheiten angepasst wurde.141) Zudem verstetigte sich dieser dauerhaft in den amtlichen und privaten Katalogen und Berichten, die als Führer durch die Ausstellung und zugleich als ein Kompendium des nationalen, regionalen oder lokalen Wirtschaftsraumes angelegt waren. Nach dem Willen der Veranstalter sollten diese Publikationen als „embodiment of the classification system“ über die Dauer der Veranstaltung hinaus als Beschreibung des Leistungsstandes des jeweiligen Wirtschaftsraumes fungieren und wurden dazu vor dem Aufkommen einer exakteren Wirtschaftsstatistik auch genutzt.142) Wie eng das Selbstverständnis der Ausstellung und ihre Klassifikationsprinzipien miteinander verknüpft waren, lässt sich am Beispiel der Münchener Nationalausstellung 1854 demonstrieren: Hauptaufgabe der Ausstellung sollte es sein, „dem Besuchenden die Einsicht in den Zustand des technischen Lebens und Wirkens, also auch in die Kultur jedes in der Ausstellung auftretenden Volkes und seiner Individuen, so wie die Vergleichung und Beurteilung der verschiedenen technischen Leistungen so leicht als möglich zu machen.“143) Die generelle Einteilung in zwölf Warengruppen, wie sie bereits in § 8 der „Instruktionen zum Vollzuge der Bekanntmachung“ angemerkt war, blieb unumstritten. Diskutiert wurde aber das „System, nach welchem die eingesandten Gegenstände in die 12 Gruppen verteilt werden sollten.“144) Er-
139) John Allwood, General Notes: International Exhibitions and the Classification of their Exhibits, in: Journal of the Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce 128 (1980), S. 450–455, S. 450. 140) Vgl. neben vielen anderen Bennett, Complex, S. 145. 141) So erklärt sich dann auch die recht pragmatische Haltung, die im Schrifttum über die Ausstellungen gegenüber Klassifikations- und Gruppierungsfragen vorherrscht. So konstatierte beispielsweise ein Autor von 1845, dass sich „diese Dinge […] von selbst“ ergäben. Vgl. Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereines, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 8 (1845), Nr. 1, S. 255–275, 272 f. Vgl. auch Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 123. 142) Vgl. dazu Tooze, Statistics. 143) Ebd. 144) Amtlicher Bericht München, S. 94.
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dacht wurde nun ein System, das zunächst auf zwei Hauptabteilungen beruhte: Während die erste Sektion alle Exponate aufnehmen sollte, die zur Stillung „physisch-allgemeiner“ bis hin zu „wissenschaftlich-technischer Lebens-Bedürfnissen“ dient, sollte eine zweite Abteilung diejenigen Ausstellungsstücke beherbergen, die als „Mittel zur Erziehung, zum Unterricht und zur Befriedigung ästhetischer Bedürfnisse des Menschen“ dienten. In der so konstituierten ersten Hauptabteilung sollten anhand der Beschaffenheit der verarbeiteten Stoffe Untergliederungen geschafft werden, etwa unorganisch versus organisch oder tierische versus pflanzliche Produkte. Dabei sollte jeweils von der Basis der Rohstoffe ausgegangen und von dort her „dem Besucher nicht nur die Erzeugung desselben klar gemacht, sondern seine stufenweise Veränderung und Veredlung vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortschreitend durch die verschiedenartigen Zweige der Technik in faßlicher Weise vor Augen gelegt werden.“145) Die einzelnen Gegenstände erschienen dann nach „dem Rang ihrer technischen Bedeutung, vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortschreitend aufgestellt“. Das Ziel, auf diese Weise „ein gegliedertes Ganzes […] herzustellen, dessen Theile rationell durch einen durchgreifenden Grundsatz zusammen verbunden wären, so daß der Zusammenhang der Glieder dieser Kette nicht bloß ein äußerer, sondern auch ein innerer wird, der sich auf Prinzipien gründet“, wurde nach Meinung vieler Kritiker nicht erreicht. Als „zu wissenschaftlich“, „nicht praktisch genug“ wurde dieses System kritisiert, welches dem Endprodukt und der Technik zu wenig Bedeutung beimaß und welches die Produkte einzelner Fabrikanten auseinander gerissen hätte. Man kehrte letztlich zum Vorbild der Londoner Ausstellung von 1851 zurück und untergliederte ausschließlich nach Produktgruppen. Die didaktische Überlegung, Prozesse der Herstellung darzustellen, gab man hingegen auf. Zu einem zusätzlichen Streitpunkt entwickelte sich die Frage nach der Berücksichtigung der regionalen und staatlichen Herkunft der Exponate auf dieser Nationalausstellung: Um „Eifersüchteleien zu vermeiden“, hatte ein erster Entwurf vorgesehen, die einzelnen Länder „in alphabetischer Ordnung“ zu präsentieren und auf diese Weise die Regionen und Staaten zu dem dominierenden Klassifikationsprinzip zu machen.146) Das Ausstellungskomitee setzte dagegen die Zusammenstellung von Waren- und Produktgruppen gegen den Widerstand verschiedener Ländervertreter durch, die ihrerseits auf der Kombination nach Herkunft bestehen wollten.147) Eine Synopse der Klassifikationen und Gruppenbildungen, wie sie in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen vorgenommen und in den Katalogen dokumentiert wurden, lässt vier Ordnungs- und Klassifikationsmuster erkennen, welche die Ausstellungskultur zwischen ihren Anfängen in 145)
Ebd., S. 95. Bericht Berlin 1844, Bd. 1, S. 15, Anm. 2. 147) Ebd., S. 96–103. 146)
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den 1820er Jahren bis hin zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts prägten. Die Übergänge waren fließend, die jeweils charakteristischen Schwerpunkte aber lassen sich deutlich herausarbeiten und in eine chronologische Reihenfolge bringen. Seit Beginn der 1820er Jahre waren die Ausstellungen auf Vollständigkeit der Repräsentation angelegt, sollten sie doch als „Encyklopädie des Kennenswerthen“ fungieren.148) Ihr Anspruch war es, ein Gesamtbild der Industrieund Gewerbetätigkeit im jeweiligen Ausstellungsgebiet zu geben. Diese Vorgehensweise motivierte sich in Deutschland vor allem aus dem Ziel der Gewerbeförderung. Damit zielte man besonders auf Handwerker, Gewerbetreibende und Mitglieder der öffentlichen Verwaltung, die sich über den Entwicklungsstand informieren wollten. Innerhalb einer Grobgliederung waren die Exponate nach Gewerbeart, Material, Technik der Herstellung und nach ihren Funktionen angeordnet. Diese „Gruppierung vermittelt dem Gewerbetreibenden auf einfachste und schnellste Weise Informationen über sein individuelles Spezialgebiet, ob es nun die Goldschmiedekunst, die Seidenweberei oder der Sitzmöbelbau“ war.149) Als Beispiel dafür kann die Klassifikation der Berliner Gewerbeausstellung 1844 dienen, die hier anhand eines einzigen Astes der Systematisierung hierarchisch dargestellt wird. „Berg- und Hüttenprodukte etc.“ u. a. Metalle
Rohstoffe
Waren und Fabrikate aus unedlen Metallen
Guß- und geschmiedete Waren
u. a. Arbeiten aus unedlen Metallen
I. Juwelier- und Goldarbeiten a) Juwelierarbeiten b) Bijouterie-Arbeiten c) geschliffene und geschnittene Steine
II. Silberarbeiten a) Corpus- oder getriebene Arbeiten b) gepresste oder damaszierte Arbeiten c) Filigran-Arbeiten
Quelle: Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 2, Berlin 1845, S. 232–260.
148)
Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereins, in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 1 (1845), S. 255–275, S. 257. 149) Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 121. Für die Gewerbeausstellungen zeigt sich dieses Prinzip idealtypisch in verschiedenen aufeinander folgenden Braunschweiger Veranstaltungen. Vgl. Verzeichnis der ersten Gewerbe-Ausstellung inländischer Industrie-Erzeugnisse in Braunschweig. Eröffnet den 1ten August 1839, Braunschweig 1839; Verzeichnis der zweiten Gewerbe-Ausstellung inländischer Industrie-Erzeugnisse in Braunschweig. Eröffnet den 1. August 1841, Braunschweig 1841.
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Die Gliederung erfolgte innerhalb der Großgruppen nach Material und innerhalb der Materialgruppen nach Gewerbeart und Bearbeitungstechnik. Damit orientierten sich die frühindustriellen Industrie- und Gewerbeausstellungen am Vorbild der „Mustersammlungen“, wie sie in zahlreichen polytechnischen Vereinen, Handwerkerorganisationen wie auch in den frühen Kunstgewerbemuseen zusammengestellt waren. Als „Muster“ galt den Gewerbeförderern, was wegen seiner ästhetischen und technischen Qualitäten wie auch wegen seiner Verarbeitung zur Belehrung der anvisierten Besucherschaft dienen konnte.150) Dem Ideal nach sollten periodisch wiederholte Ausstellungen Fortschritte und Defizite der jeweiligen Wirtschaftsentwicklung demonstrieren und auf diese Weise nicht nur die Gewerbetreibenden und Industriellen über mögliche Betätigungs- und Absatzfelder, sondern auch staatliche Stellen über Ansatzpunkte einer Förderpolitik informieren. Die oben skizzierte Klassifikation prägte vor allem die frühindustriellen Ausstellungen bis in die vierziger Jahre. Das enzyklopädische Prinzip behielten die allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen ihrem Anspruch nach und in der Rhetorik der Festansprachen bei, bis sie im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zunehmend von Fach- und Spezialausstellungen abgelöst wurden.151) Ein zweites Ordnungsprinzip war didaktischer Natur: Im Sinne der Ausbildung der Gewerbetreibenden sollten Expositionen Produktions- und Verarbeitungsprozesse anschaulich und damit nachvollziehbar machen. Diesem Gedanken entsprang beispielsweise die vielen Gewerbeausstellungen unterlegte Systematik von Rohstoff – Weiterverarbeitung in Manufaktur- und Maschinenarbeit – Produkt, die tendenziell das Gesamtarrangement und immer auch die Untergliederung der einzelnen Produktgruppen bestimmte.152) Als Idealvorstellung und auf dem Hintergrund seiner „disciplined European classical education“ hatte eine solche Klassifikation bereits Prinz Albert bei der Vorbereitung der Weltausstellung in London formuliert. Seine Kategorisierung umfasste nur drei Unterteilungen: „the raw materials of industry; the
150)
Welche Bandbreite von Objekten sich hinter dieser Definition verbarg, zeigt Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 70–72. 151) Als ein Beispiel unter vielen vgl. Officieller Katalog der Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879, S. 5. Abgedruckt ist das Programm der Ausstellung: Die Ausstellung „hat die Aufgabe, ein Gesamtbild der Berliner Gewerbethätigkeit vorzuführen, um damit die industriellen und gewerblichen Leistungen Berlin in ihrer Vielseitigkeit und Gediegenheit zu zeigen, ihren Ruf zu fördern, mancherlei Vorurtheile zu bekämpfen und die Bedeutung Berlins als Industrie- und Handelsstadt zu dokumentiren.“ 152) Programmatisch ist dieses formuliert im Katalog Karlsruhe 1865, Bestimmungen in Betreff der Aufnahme von Ausstellungsgegenständen in die Großherzoglich Badische Landesgewerbehalle, S. XX: Angekauft und ausgestellt werden sollen „a. Rohstoffe, welche in der Industrie neue Anwendung finden; b. neu erfundene oder verbesserte Werkzeuge und Maschinen; c. neu erfundene oder verbesserte Fabrikate […]; d. die Erzeugnisse der höheren Kunst-Industrie“.
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manufactures made from them; the art used to adorn them.“153) Der Fortschritt und die Weiterentwicklung der Gewerbe wurden in einer Klassifikation präsentiert, die die Exponate vom naturbelassenen Rohstoff über verschiedene Schritte der Manufaktur- und Maschinenbearbeitungen bis hin zur ‚höchsten‘ Form der angewandten und schönen Kunst gruppierte.154) Dieses Gestaltungsprinzip lässt sich am Beispiel der Gruppe „Erzeugnisse aus Seide, Baumwolle, Wolle, Flachs, Hanf und anderen Spinn- und Webstoffen“ der Berliner Gewerbeausstellung von 1844 demonstrieren: Der Amtliche Bericht nannte in der „Untergruppe A: Seide und Fabrikate aus Seide“ keinesfalls nur fertige Stoffe, sondern begann mit der Aufzählung von Anschauungsmaterialien zur Seidenwürmerzucht sowie zu Seidenhaspelfabriken. Nach der Nennung von Produkten aus Seide rundete dann der Hinweis auf Techniken des Seidenfärbens diese Ausstellungssektion ab.155) Die Referenzinstitution dieses Prinzips war ebenfalls das Kunstgewerbemuseum und entsprechende Sammlungen.156) Während diese allerdings das beschriebene Klassifikationssystem verstetigten, entwickelten sich die Industrie- und Gewerbeausstellungen weiter. Das didaktische Prinzip der Vermittlung von Wissen um Fertigungsmethoden und Produktionsprozesse prägte vor allem die frühindustriellen Gewerbeausstellungen bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Allein in Segmenten wie in der neu aufkommenden Chemie- oder später in der Elektroindustrie wurde die dezidiert didaktischwissenschaftspopularisierende Komponente bis über die Jahrhundertwende hinaus beibehalten.157) Ein drittes Systematisierungsprinzip war vorrangig an wissenschaftlichen Interessen orientiert und in der Ausstellungspraxis eher selten aufzufinden. Seine Wurzeln hatte dieses Sammlungs- und Klassifikationskriterium bereits in den Raritätensammlungen und Wunderkabinetten, die seit dem 16. Jahrhundert den Fortschritt zu visualisieren trachteten.158) Nach dem Vorbild der französischen und später der britischen Enzyklopädisten zielte Prinz Albert als (Mit-)Organisator der Londoner Weltausstellung 1851 darauf, eine „Taxo153)
Allwood, Notes, S. 451. Graeme Davison, „Exhibitions“, in: Australian Cultural History 2 (1982/83), S. 3–19, S. 7. Vgl. Davis, Exhibition, S. 106. 155) Amtlicher Bericht über die allgemeine deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, 3 Bde., Berlin 1846, Bd. 1, S. 123 f. 156) Das 1839 gegründete „Minutolische Institut der Vorbilder-Sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste in Liegnitz“ stellte beispielsweise Scherben und Tongefäße in verschiedenen Fertigungsstadien aus, um auf diese Weise den Herstellungsprozess zu dokumentieren. Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 103–106. 157) Zur Elektroindustrie vgl. Binder, Elektrifizierung, S. 14–24; zur Chemieindustrie vgl. Radkau, Technik, S. 254–268; allgemein vgl. Gerhard Zweckbronner, Technische Wissenschaften im Industrialisierungsprozeß bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Armin Hermann/ Charlotte Schönbeck (Hrsg.), Technik und Wissenschaft, Düsseldorf 1989, S. 400–428. 158) Vgl. Susan A. Crane, Collecting and Historical Consciousness in early NineteenthCentury Germany, Ithaca/New York 2000, insbesondere S. 1–4. 154)
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nomie aller Dinge“ zu erstellen, um auf diese Weise den Kulturstand und speziell auch den wissenschaftlichen Fortschritt der gesamten Menschheit zu zeigen.159) In Deutschland kam dieses Prinzip erst seit den 1880er Jahren zum Tragen, als in der zweiten industriellen Revolution angewandte Wissenschaft, Technik und industrielle Produktion eine enge Symbiose eingingen.160) Spezifische Segmente der Gewerbeausstellungen richteten sich jetzt zum einen an ein wissenschaftlich-technisch interessiertes Publikum, welches des umfassenden Kongresswesens wegen, das parallel zu der Exposition veranstaltet wird, am Ausstellungsort weilte, zum anderen an interessierte Laien, die mittels Schautafeln und vorgeführter wissenschaftlicher Experimente an neue Entwicklungen herangeführt wurden. Exemplarisch dafür kann die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt stehen, wo das Experiment einer Fernübertragung elektrischen Wechselstroms verbunden war mit umfangreichen Erläuterungen zur Funktionsweise der Elektrizität wie auch mit der Demonstration von Anwendungsmöglichkeiten.161) In der Medienlandschaft der Zeit korrespondierten diesem Strang der Ausstellung vor allem die Medien der Wissenschaftspopularisierung.162) Im Gros der Ausstellungen blieb dieses Klassifikationsprinzip eher marginal. Das vierte und seit der Jahrhundertmitte dominierende Prinzip der Klassifikation und des Arrangements der Exponate war am Bedürfnis und an der Schaulust der Ausstellungsbesucher ausgerichtet. Dabei zielte man nicht mehr vorrangig auf den zu belehrenden Handwerker und Gewerbetreibenden, sondern auf ein Massenpublikum, welches vor allem als Käufer und Konsument umworben wurde: Die zu erwerbenden Endprodukte wurden auf eine Weise gruppiert, die nicht nur ein leichtes Auffinden und eine Vergleichbarkeit innerhalb einer Warenfamilie ermöglichten, sondern zugleich eine anpreisende Präsentation waren. In diesem Sinne war die Systematisierung der Great Exhibition of 1851 ein „testament to the power and status of commerce“, welche vor allem demonstrierte, „that everything in the world could be organized along commercial lines“.163) Thomas Richards wertete das Ausstellungsarrangement im Kristallpalast als den „first outburst of the phantasmagoria“ einer Konsumkultur: „It inaugurated a way of seeing things that […] fashioned a mythology of consumerism that has endured to this day.“164)
159)
Vgl. Lyon Playfair, Memoirs and Correspondence of Lyon Playfair, hrsg. von Thomas Wemyss, Jemimaville 1976, S. 116. Dazu auch Richards, Commodity Culture, S. 32 f. 160) Vgl. Abelshauser, Umbruch. 161) Vgl. dazu Abschnitt D II 2 in dieser Arbeit. 162) Vgl. den Literaturbericht von Mitchell G. Ash, Wissenschaftspopularisierung und Bürgerliche Kultur im 19. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 322–334. In den Standardwerken zur Wissenschaftspopularisierung in Deutschland (Daum, Wissenschaftspopularisierung; Schwarz, Schlüssel) werden die Ausstellungen allerdings nicht berücksichtigt. 163) Auerbach, Exhibition, S. 94. 164) Vgl. Richards, Commodity Culture, S. 234.
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In Deutschland ist die Entwicklung dahin wesentlich später zu beobachten: Seit den siebziger Jahren wurde die Produktpräsentation zunehmend in ein Spektakel eingebunden. Nachdem in den frühindustriellen Ausstellungen die Maschine auf die Bühne gehoben worden war, avancierte diese nun selbst zur Bühne für die Präsentation der mit ihr gefertigten Produkte. Korrespondenzmedium dieses Prinzips der Industrie- und Gewerbeausstellung war zunächst das Schaufenster, dann aber vor allem das Warenhaus.165) Die Ausstellung gewerblicher und industrieller Produkte dachte vor und praktizierte, was in den „Konsumtempeln“ der Großstädte mit der Wende zum 20. Jahrhundert breit aufgenommen, ständig weiterentwickelt und bis zur Perfektion verfeinert wurde.166) Im Übergang von der vor- und frühindustriellen Industrie- und Gewerbeausstellung zu der Ausstellungspraxis in der zweiten Jahrhunderthälfte ist damit ein entscheidender Wandel benannt, wie er sich in den Klassifikationen niederschlug: nämlich der Übergang von der frühindustriellen vergleichenden Darstellung von Prozessen der Herstellung und von Produkten hin zur Präsentation von Produkten, die vor allem auf den Endverbraucher zielte.167) Alternative Modelle, wie beispielsweise die von Dupin vorgeschlagene Orientierung an den menschlichen Grundbedürfnissen und eine Klassifikation nach „1. Arts alimentaires, 2. Arts sanitaires, 3. Arts vestiaires, 4. Arts domicilaires, 5. Arts locomotifs, 6. Arts sensitifs, 7. Arts intellectuels, 8. Arts préparatoires, 9. Art sociaux“ kamen vorrangig in den französischen Ausstellungen zwischen 1834 und 1849 zum Tragen und waren dort zudem vielfach modifiziert.168) Auch die umfangreichen Skizzen zur Errichtung eines „Idealen Museums für Metallotechnik“, die der Architekt Gottfried Semper in London 1852 ausarbeitete, beeinflussten zwar die Entwicklung der Gewerbemuseen, blieben aber für die Gestaltung der Industrie- und Gewerbeausstellungen ohne Bedeutung.169) Intellektuell ambitioniert, aber unpraktikabel war das Klassifikationssystem des französischen Ingenieurs, Schriftstellers und Sozialtechnologen Frédéric Le Play. Der britische Berichterstatter des Art Journals attestierte der von ihm gestalteten Pariser Weltausstellung von 1855, dass „the 165)
Vgl. Briesen, Warenhaus. Vgl. Uwe Spiekermann, Display Windows and Window Display in German Cities of the Nineteenth Century: Towards the History of a Commercial Breakthrough, in: Clemens Wischermann/Elliot Shore (Hrsg.), Advertising and the European City. Historical Perspectives, Aldershot 2000, S. 139–171. 167) Der Ausstellungspraktiker Alfons Paquet macht diesen Wandel erst nach 1914 aus, in zahlreichen einzelnen Facetten aber ist diese Tendenz bereits vorab zu beobachten. Vgl. Paquet, Wandlung, S. 54. 168) Rapport Paris 1834. Vgl. dazu Rapport du jury central sur les produits de l’industrie française exposés en 1834, Bd. 1, Paris 1834. In der Literatur sind die Vorbilder für dieses Prinzip nachgewiesen. Vgl. Wolfhard Weber, Technik zwischen Wissenschaft und Handwerk. Die Technologie des 18. Jahrhunderts als Lenkungswissenschaft des spätabsolutistischen Staates, in: Schmidtchen/Jäger, Wirtschaft, S. 137–154, S. 148. 169) Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 100–104. 166)
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classification adopted on paper has resulted in a most glorious defiance of almost everything like classification in the actual arrangements.“170) Wie in der Chronologie der oben aufgeführten Reihung verschiedener Klassifikationsprinzipien bereits angedeutet, setzte sich in der Ausstellungspraxis eine Ordnung nach Erzeugnissen durch, welche „sich in den einzelnen Ländern nur in der Zahl der Hauptsektionen und in den gewählten Unterpunkten unterschied.“ Innerhalb der einzelnen Klassifikationen wurden die Exponate nicht (mehr) nach den verarbeiteten Rohstoffen oder dem Produktionsverfahren streng systematisiert, sondern nach Erzeugnissen.171) Damit setzte sich eine Gruppierung durch, die vorrangig auf den Konsumenten orientiert war. Diese Entwicklung war Teil einer insgesamt zu beobachtenden Verschiebung der Ausstellungspraxis von einer belehrend-gewerbefördernden hin zu einer konsum- und absatzsteigernden Funktion. Die Ausstellung vermittelte Wissen aber nicht allein über die Klassifikation, sondern auch über die räumliche Anordnung von Exponaten und Gruppen. Prinzipiell waren in der Frühzeit der Ausstellungen die Exponate zumeist in einem Gebäude untergebracht. Um ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit zu garantieren, waren Warengruppen zueinander gruppiert, ohne aber die Erzeugnisse einer Firma auseinander zu dividieren. Im Gebäude selbst, in seiner Binnendifferenzierung und der Gruppierung der einzelnen Exponatsklassen manifestierten sich dann die Wertschätzung und die Beziehungen einzelner Exponate und Gruppen zueinander, wie am Beispiel der Maschinenindustrie und ihrer Produkte gezeigt werden soll. In nahezu allen Ausstellungen war die Maschinenhalle „exempt gestellt“.172) Zunächst geschah dieses vor allem aus technischen Gründen, musste doch in einem Kesselhaus Energie erzeugt werden. Was bis zur Jahrhundertmitte eine gewisse Separierung zum Nachteil der Maschinenindustrie bedeutete, avancierte später zu ihrem Vorteil: Obwohl es mittlerweile technisch möglich war, ausgestellte Maschinen an unterschiedlichen Stellen des Gebäudes mit Energie zu versorgen, um diese in Funktion zu demonstrieren, konzentrierte man das Gros weiterhin in einem Ausstellungssegment. Allerdings rückte dieser Teil architektonisch wie räumlich mehr und mehr in den Vordergrund, entwickelten sich doch die großen Ausstellungen im Laufe ihrer Entwicklung zu Medien, die die Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinen 170)
Vgl. Art Journal. 1855 Exposition Catalogue, London 1855, S. XI (Preface George Virtue). 171) Vgl. beispielsweise die strikte Unterscheidung der Augsburger Gewerbe-, Industrieund kunsthistorischen Ausstellung 1886, die den Zweck der ausgestellten Objekte zur Basis der Einteilung erklärte: I. Erzeugnisse für den persönlichen Bedarf; II. Erzeugnisse für öffentliche Zwecke; III. Erzeugnisse für Industrie, Gewerbe und Handel, IV. Erzeugnisse für den Verkehr; V. Erzeugnisse für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, VI. Erzeugnisse für den Kultus. Vgl. Wochenblatt für Baukunde 1886 No. 51 vom 25. Juni 1886, S. 255–256, S. 255. 172) Exner, Aussteller, S. 61.
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Abbildung 4: Plan der Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung zu Düsseldorf 1880
propagierten und feierten.173) So fand sich beispielsweise in Düsseldorf 1880 die Maschinenindustrie an der Stirnseite des großen Ausstellungsgebäudes. Zahlreiche offizielle und inoffizielle Ausstellungsführer empfahlen insbesondere diesen Part als Einstieg in eine Tour durch die gesamte Ausstellung.174) Am Beispiel der Düsseldorfer Ausstellung 1880 lassen sich weitere Verflechtungen von Raum- und Bedeutungsstrukturen zeigen: Im Zentrum des Hauptausstellungsgebäudes fanden sich die Gruppe II „Bergbau und Salinenwesen“ und die Gruppe III „Hüttenwesen“, welche für den wichtigsten Industriefaktor des repräsentierten Wirtschaftsraumes standen. Noch deutlicher manifestierte sich das Repräsentationsbedürfnis der Schwerindustrie 1902, als sich der Großteil des rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbaus unter der Führung des Bergbau-Vereins kollektiv präsentierte. Ziel war es, „machtvoll“ und einheitlich aufzutreten, Konkurrenzverhältnisse untereinander wurden zu Gunsten des gemeinsamen Auftritts zurückgestellt.175) 173)
Charles S. Maier fasst diese Art der Technik- und Maschinenbegeisterung gar als ein Signum der Zeitspanne von 1860 bis 1960. Vgl. Charles S. Maier, Consigning the Twentieth Century to History: Alternative Narratives for the Modern Era, in: AHR 105 (2000) Nr. 3, S. 807–831, S. 821. 174) Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880, Witten 1880, S. 12; Führer durch die Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1880 mit einem Plane d. Stadt u. d. Ausstellung, Düsseldorf 1880, S. 3 f.; Führer durch die Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 7. 175) Vgl. Evelyn Kroker, Der Ruhrbergbau auf der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung von 1902. Eine „Erfolgsgeschichte“, in: Der Anschnitt 835 (1983), S. 145–165, S. 163.
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Der „Plan der Industrie- und Gewerbeausstellung“ Düsseldorf zeigt 1880 ein weiteres Phänomen, welches sich in der Praxis einzelner Aussteller bereits lange vorher angedeutet hatte: Besonders große Firmen gingen dazu über, den ihnen zugestandenen Raum ihrerseits von anderen Ausstellungsflächen abzugrenzen, zum Teil gar zu überdachen und auf diese Weise Kleinstgebäude im Gebäude zu schaffen.176) Die Weltausstellung 1867 in Paris trug dieser Entwicklung zum ersten Mal Rechnung, indem sie nicht nur behelfsweise Annexbauten schuf, um die zu spät gemeldeten Exponate aufnehmen zu können. Stattdessen wurden auf dieser Ausstellung von Beginn an verschiedene kleinere Pavillons geplant, die ihrerseits thematisch und nach nationaler Herkunft der Ausstellungsstücke gebündelt und nach verschiedenen Kriterien der Exposition ausgestattet wurden. Zudem hatte man die teilnehmenden Nationen eingeladen, eigene Pavillons zu gestalten.177) Es ist nicht exakt auszumachen, wann dieser Trend auf den nationalen, regionalen und lokalen Ausstellungen in Deutschland auftrat.178) Die Errichtung von Kollektivausstellungen bestimmter Gewerbe oder Gewerbetreibender lokaler oder regionaler Provenienz wurde von den Veranstaltern zum Teil begrüßt und gefördert, zum Teil aber auch abgelehnt. Eine weitere Stufe dieser Entwicklung markierten die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aufkommenden Pavillons und Ausstellungshallen einzelner Firmen. Diese Separatausstellungen boten ihren Betreibern enorme und exklusive Präsentationsmöglichkeiten, waren aber teuer und aufwändig im Betrieb. In Philadelphia 1876 stellte erstmals die Singer Sewing Machine Company ihre Produkte separat aus. Auf der Weltausstellung in Chicago folgte auch die deutsche Firma Krupp mit ihrer Darbietung von Waffentechnik und Munition diesem Beispiel.179) In den deutschen Ausstellungen, welche einzelne Separatpavillons als Ausnahme bereits früh kannten, brachte spätestens die Düsseldorfer Ausstellung von 1880 dieser Veränderung den Durchbruch: Neben der Haupthalle hatte die Ausstellungsleitung das achteckige Gebäude für die kunstgewerbliche Ausstellung, die Ausstellungshallen für Land- und Forstwirtschaft, drei Musikpavillons und die technischen Nebengebäude errichten lassen. Gleichzeitig waren 56 weitere Einzelbauten errichtet worden, die von einer Vorführanlage für einen Personenaufzug über verschiedene Restaurationsbetriebe, in denen Brauereien, Kellereien und Mineralwasserbrunnen ihre Produkte präsentierten, bis hin zum separaten Maschinenhaus der elektrischen Eisenbahn reichten.180) Die Ausstellung in Düsseldorf 1902 176)
Benedict, Anthropology, S. 24. Ebd., S. 20 f. 178) Annette Ciré, Temporäre Ausstellungsbauten für Kunst, Gewerbe und Industrie in Deutschland 1896–1915, Frankfurt a. M. 1993, S. 102. 179) Vgl. Benedict, Anthropology, S. 24. 180) Die entsprechenden Gebäude sind bezeichnet mit den Nummern 1 und 24. Siehe hierzu auch die Ausstellungsbeschreibung in Adolf Schmal, Die Gewerbe-Ausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1880. Eine volkswirtschaftliche Skizze, Düsseldorf 1880. 177)
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steht für eine weitere Diversifizierung, umfasste sie doch 160 verschiedene Ausstellungsgebäude, offizielle Hallen wie auch industrielle Sonderpavillons, in denen etwa 2500 Aussteller ihre Exponate vorführten.181) Die Möglichkeiten zur Präsentation der firmen- oder brancheneigenen Leistungen und damit auch zur Bewerbung der hergestellten Produkte potenzierten sich damit.
III. Deutung und Bedeutung: Die Inszenierung der Ware und die Ästhetisierung der Dinge „Strömt herbei, Ihr Völkerschaaren! Seife, Kohlen, Eisenwaaren, Was nur Schönes in der Welt Ist hier alles ausgestellt.“182)
Die Industrie- und Gewerbeausstellung sind bereits früh von ihren Kritikern als „Wallfahrtsstätten zum Fetisch Waare“ bezeichnet worden.183) Zweifellos bediente sich die industrialisierende Gesellschaft der Waren-Ausstellung, „um mit sakraler Festlichkeit den Waren-Kult zu pflegen.“184) Seit der ersten Industrialisierungsphase vollzog sich in Deutschland wie auch anderswo eine enorme Vermehrung der Dinge und vor allem jene Verbilligung, die auch breiteren Schichten den Erwerb und Gebrauch von Konsumgütern ermöglichte. Neue Formen des Vertriebs im Einzelhandel, des Verkaufens überhaupt, der Werbung und des Kredits veränderten die Landschaft des Konsums. „Der differenzierte Objektbesitz entwickelte sich vom Privileg der materiell besser gestellten Oberschichten zu einer Form von Massenbedürfnis“. Die Konsumgesellschaft umfasste wohl erst im Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts nahezu alle gesellschaftliche Schichten, ihre Anfänge wurden aber mit den verschiedenen Industrialisierungsschüben im 19. Jahrhundert sichtbar.185) Die Geschichtsschreibung hat sich der Prozesse zur Ausbildung der Konsumgesellschaft seit den achtziger Jahren angenommen. Unter dem Label Konsumgeschichte versammeln sich Studien zu einem weiten Feld von Prozessen und Strukturen, von Personen und ihren Handlungen, die in der Summe auf eine umfassende Perspektive zur Analyse und Erklärung der modernen Gesellschaft überhaupt zielen.186) Konsum ist die Auswahl, der Erwerb, 181)
Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 19. Alphons Wächter, Düsseldorfer Gewerbe- & Kunstausstellung. Humoristische Rundschau, den Besuchern der Ausstellung zur freundlichen Erinnerung, Düsseldorf 1880, S. 1. 183) Vgl. Benjamin, Illuminationen. 184) Plum, Weltausstellungen, S. 11. 185) Ruppert, Kulturgeschichte, S. 23. 186) Vgl. Michael Prinz, „Konsum“ und „Konsumgesellschaft“ in historischer Perspektive. Vorschläge zu Definition und Verwendung, in: ders. (Hrsg.), Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne, Paderborn 182)
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die Verwendung oder der Besitz von Gütern wie auch Dienstleistungen, meist zu privaten Zwecken, so könnte eine auf den ersten Blick plausible Definition lauten. Vor allem amerikanische Forscher haben aber auch die Frage nach Einstellungen und Umgang der Menschen mit der Welt der Waren thematisiert und herausgearbeitet, dass die Genese der Konsumgesellschaft nicht allein durch objektive Strukturen wie die Entstehung der Marktgesellschaft und die allgemeine Akzeptanz von Geld als Tauschmedium zu beschreiben ist. Konsum impliziert darüber hinaus eine subjektive Seite: Eine wichtige Voraussetzung konsumgesellschaftlicher Entwicklungen liegt in „Veränderungen grundlegender Muster der Wahrnehmung“. Im Übergang zur Moderne, so hat Michael Prinz in einer ersten Skizze beschrieben, erwarben beispielsweise immer mehr Menschen „die Fähigkeit, die sie umgebende Welt zu ‚verfremden‘, sich von ihr zu distanzieren, um sie – respektive einzelne Ausschnitte – in ‚Objekte‘ zu verwandeln.“187) Zu der Voraussetzung, dass eine Ware über den Markt distribuiert wurde, gesellt sich eine subjektiv angeeignete konsumistische Haltung, mit der der Einzelne die unbelebte Natur, Waren und Produkte, ja selbst den Anblick anderer Menschen in Objekte seines Genusses verwandeln konnte. Die Genese der Sozialfigur des „Käufers“ – also eines selbstbewussten, mit Informationen und Geld wie auch dem Wunsch des Wählens ausgestatteten Einzelnen – trat daher bei der Ausbildung der Konsumgesellschaft neben die Entstehung des Marktes. Diese subjektive Seite ist in der bisherigen deutschsprachigen Forschung188) vor allem über die verschiedenen Formen der Werbung für Produkte als diejenigen Medien analysiert worden, welche im Schwerpunkt seit der Wende zum 20. Jahrhundert auftraten und ihrerseits Objekte mit Bedeutung versahen: das Warenhaus, die moderne Reklame und wissenschaftliche Disziplinen wie die empirische Marktforschung oder die Psychologie.189) Elektrische,
2003, S. 11–36. Mit vielen Vertretern der entsprechenden Richtung vgl. Hannes Siegrist/ Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka (Hrsg.), Europäische Konsumgeschichte. Zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des Konsums (18. bis 20. Jahrhundert), Frankfurt a. M./ New York 1997. 187) Prinz, Konsum, S. 25. 188) Anders hingegen die internationale Forschung. Vgl. – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – James Raven, Judging New Wealth. Popular Publishing and Responses to Commerce in England. 1750–1800, Oxford 1992; Joyce Appleby, Economic Thought and Ideology in Seventeenth Century England, Princeton 1978; Neil McKendrick, Josiah Wedgwood and the Commercialization of the Potteries, in: Neil McKendrick/John Brewer/J.H. Plumb, The Birth of a Consumer Society. The Commercialization of Eighteenth-Century England, London 1982, S. 100–145. Einen Forschungsbericht bietet Michael Prinz, Konsum und Konsumgesellschaft seit dem 18. Jahrhundert. Neuere deutsche, englische und amerikanische Literatur, in: AfS 41 (2001), S. 450–514. 189) Vgl. unter vielen anderen Arthur Wernick, Promotional Culture. Advertising, Ideology and Symbolic Expression, London 1991; Stefan Gerlach, Das Warenhaus in Deutschland. Seine Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg in historisch-geographischer Sicht, Stuttgart 1988; Reinhardt, Reklame.
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elektronische und später digitale Reproduktions- und Transmissionstechnologien der Werbung zeichneten (und zeichnen) sich dadurch aus, dass der Kunde und potenzielle Konsument nicht mehr die Ware selbst, sondern Bilder von ihr wahrnahm, gar „erlebte“ und darüber in seiner konsumistischen Haltung bestärkt beziehungsweise bestimmte Bedürfnisse erst geweckt wurde. Dieser Prozess ist pointiert als Übergang vom „Produktions- zum Reproduktionssystem“ beschrieben worden.190) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen, so wird im Folgenden zu zeigen sein, markierten ein wichtiges Zwischenglied in dem Prozess der Bedeutungszuweisung an Objekten wie auch im Übergang zum Reproduktionssystem. Im Gegensatz zu anderen Formen der Publizität für ihre Produkte, wie beispielsweise Anzeigen, Werbung oder verbale Beschreibungen, konnten die Ausstellenden vor allem auf die Wirkung einer Komponente setzen: nämlich die „Ästhetik der Anwesenheit“, der Aura des Originals.191) Im Fall der Industrie- und Gewerbeausstellungen liegt der Vorteil dieser Präsentationsform auf der Hand, gleichgültig ob man sie als Instrument der Gewerbeförderung oder als kommerzielles Massenspektakel konzipierte: Über Maschinen und Produktionsprozesse, über Waren und ihre Qualitäten ließ sich in Zeitschriften und anderen Medien abstrakt nur in Näherungen oder mittels aufwändiger und doch notdürftiger Beschreibungen und Skizzen diskutieren.192) Viel mehr leistete dort für den potenziellen Geschäftspartner und Käufer das Ansehen und Betasten des Produkts, für den an Unterhaltung und am Spektakulum interessierten Besucher das unmittelbare Bestaunen. Auch der Fortschrittskritiker im Allgemeinen oder der Gegner der Elektrifizierung im Speziellen ließ sich neben der faszinierenden, meist in Bewegung befindlichen Maschinenwelt oder gar im elektrischen Licht der Ausstellung besonders nachhaltig überzeugen.193) Eine erste Stufe dieses neuen Prozesses der Repräsentation hat Ingeborg Cleve beschrieben, wenn sie die vor- und frühindustriellen Expositionen von Industrie und Gewerbe als Medien eines Verständigungszusammenhangs von Produzenten und Verbrauchern beschrieben hat, in denen Leitbilder des modernen Konsums formuliert wurden.194) Ihre Perspektive richtete sich vor allem darauf, wie von staatlicher Seite der Übergang des Besitzes und Gebrauchs von im Adel verwendeten Luxusgütern auf eine breitere Mittelschicht mittels einer behördlich unterstützten Geschmacksbildung befördert werden konnte. Cleves Argument lässt sich für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aufnehmen und weiterentwickeln: Nicht mehr die Transformation in den relativ begrenzten Kreis des Bürgertums, sondern die Popularisierung in die Mas-
190)
Jean Baudrillard, La societé de consommation. Ses mythes, ses structures, Paris 1970. Vgl. Benjamin, Kunstwerk, S. 18. 192) Zum Vorbilderglauben Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 13 f. 193) Vgl. zur Stuttgarter Elektrizitätsausstellung von 1899 Binder, Elektrifizierung. 194) Vgl. Cleve, Konsumenten, S. 549–562. 191)
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sengesellschaft waren nun das Anliegen der Industrie- und Gewerbeausstellungen. Damit einher ging eine Veränderung der Ausrichtung und der Ausdrucksmöglichkeiten der Expositionen.195) „Schon zeigt es sich, dass die Erfindungen nicht mehr, wie früher, Mittel sind zur Abwehr der Noth und zum Genusse; vielmehr sind die Noth und der Genuss Absatzmittel für die Erfindungen“, so resümierte der Weltausstellungsbesucher Gottfried Semper 1851. „Die Ordnung der Dinge“ habe sich auf diese Weise umgekehrt.196) Was der deutsche Architekt aus seinen Beobachtungen der Londoner Weltausstellung gefolgert hatte, fügt sich zu einer der idealtypisierenden Kategorien, welche der englische Historiker John Brewer entwickelt hat, um den Übergang zur Konsumgesellschaft zu charakterisieren: Waren und Gegenstände wurden schichtenübergreifend angeboten, die eher Annehmlichkeiten als Notwendigkeiten, mehr decencies als necessities befriedigten. Nicht biologisch, sondern sozial und speziell in Hinsicht auf den damit verbundenen Reputationsgewinn für den Besitzer waren diese Waren von Bedeutung. Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren damit Bestandteil des „hochkomplizierten Kommunikationssystems“, welchen es bedurfte, um Ware mit Bedeutung zu versehen und das Bedürfnis nach ihnen zu wecken.197) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen entwarfen in der Fülle ihres Angebots eine Konsumvision, die nicht mit dem Erwartungshorizont des einzelnen Besuchers zusammenfiel. Insbesondere die Angehörigen weniger begüterter Schichten konnten nicht darauf hoffen, an diesen Konsummöglichkeiten zu partizipieren, und – so zeigt die Auswertung von Arbeiterberichten über den Besuch der Expositionen – sie taten dieses in der Regel auch nicht.198) Dennoch präsentierten die Ausstellungen kein Bild einer exklusiven Konsumgesellschaft, im Gegenteil: Allen anfänglichen Maßnahmen zur Lenkung des Besucherinteresses zum Trotz199) zielten die Ausstellungsorganisatoren darauf, einem Maximum von Besuchern eine Zukunftsvision vorzuführen und diese im Kontext der Ausstellung daran teilhaben zu lassen.
195)
Prinz, Konsum. Vgl. Gottfried Semper, Wissenschaft, Industrie und Kunst. Vorschläge zur Anregung nationalen Kunstgefühles bei dem Schlosse der Londoner Industrie-Ausstellung, Braunschweig 1852, S. 9. 197) Vgl. John Brewer, Was können wir aus der Geschichte der frühen Neuzeit für die moderne Konsumgeschichte lernen?, in: Siegrist/Kaelble/Kocka (Hrsg.), Konsumgeschichte, S. 51–74, S. 52; vgl. auch John Brewer/R. Porter, Introduction, in: dies. (Hrsg.), Consumption and the World of Goods, London 1993, S. 1–15; Gordon Mc Cracken, Culture and Consumption. New Approaches to the Symbolic Character of Consumer Goods and Activities, Bloomington 1988. 198) Gelegentlich einem stark ‚engagierten‘ Zugang verpflichtet, werden die Protokolle von Arbeiterdelegationen, die die Weltausstellung von 1867 in Paris besuchten, ausgewertet von Rancière/Vauday, Expo, S. 23–44. 199) Vgl. dazu das Kapitel C I „Die Ausstellung sehen“ in dieser Arbeit. 196)
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Eine Besichtigung der Berliner Gewerbeausstellung 1844, so führte ein Fortschrittskritiker im Allgemeinen und ein Gegner der Veranstaltung im Speziellen aus, dürfe wahrlich nicht unter vier Stunden dauern, da die „untern Räume des Zeughauses […] zur Hälfte, die obern in allen vier Fronten des Gebäudes mit Gegenständen gänzlich angefüllt“ seien.200) „Was aber gab es auch nicht alles zu sehen! Wie verwirrend war der Anblick der ‚industriellen Schau‘! Und wohin nur sollte man sich zuerst wenden bei dieser ‚Mannigfaltigkeit der ausgestellten Produkte‘?“201) Das Parterre füllten „Dampfmaschienen und Dampfkessel jeder Art zu jeglicher Fabrikarbeit“ sowie Webstühle, Druckerpressen und Sämaschinen. Fortschreitend in das Obergeschoss stieg die Intensität des visuellen Eindrucks: „Verwirrend ist der bunte Glanz und die schimmernde Mannigfaltigkeit der Leuchter, Schaalen, Pokale, Schreibzeuge, Services, Toilette- und Nippessachen in Golde und Silber.“ Und nach der Betrachtung der ausgestellten Stoffe und daraus gefertigter Bekleidung kapituliert der Berichterstatter vollends: „Es ist nicht übertrieben, wenn ich versichere, daß das Erstaunen, welches die Sinne verwirrende Ansicht dieser Verschiedenheiten uns hinterlässt, eine wahrhaft betäubende Wirkung hervorbringt. Eine Schilderung davon zu entwerfen, ist Vergeblichkeit.“202) Und ein halbes Jahrhundert später konnten sich andere Kritiker der 1896 wieder in Berlin veranstalteten Ausstellung aller grundsätzlichen Einwände zum Trotz der Faszination der Ausstellung nicht entziehen. „Ein grenzenloses Vielerlei“, in dem „alle Zeiten, Landschaften, Betriebsformen willkürlich gesammelt“ seien, so beschrieb Friedrich Naumann den ersten Eindruck von der Berliner Ausstellung, „– es ist zum Davonlaufen. Wer das alles fassen will, der verliert den Verstand.“203) Auch die Redakteure der sozialdemokratischen Neuen Zeit gestanden zu, dass es „so thöricht wie ungerecht [sei], leugnen zu wollen, daß die hiesige Gewerbeausstellung auch ihre imposante Seite hat, daß sie staunenswerthe Zeugnisse enthält von der gewaltigen Höhe der Produktivkräfte, die sich im Schoße der kapitalistischen Produktion entwickelt haben, von der hohen Intelligenz des modernen Proletariats, das alle diese Schätze geschaffen hat, von dem Aufbau einer neuen Welt, die reich genug ist, allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, sobald nur erst wieder der Mensch die Produktivkräfte beherrscht, und nicht mehr die Produktivkräfte den Menschen.“204) Diese Stellungnahmen von Ausstellungskritikern sind zunächst ein Beleg für die suggestive Wirkung der Ausstellungen, 200)
Anonym [Völkl], Gewerbeausstellung, S. 5. Vossische Zeitung Nr. 240 vom 12 Oktober 1844, zitiert nach Hans-Heinrich Müller, Industriefest in Berlin. Heerschau der Warenwirtschaft, in: Helmut Bock/Renate Plöse (Hrsg.), Aufbruch in die Bürgerwelt. Lebensbilder aus Vormärz und Biedermeier, Münster 1994, S. 194–201, S. 195. 202) Anonym [Völkl], Gewerbeausstellung, S. 8. 203) Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 9. 204) Ohne Autorangabe, Arbeiter und Gewerbeausstellung, in: Die Neue Zeit XV (1896–97), Bd. 1, S. 1–4, S. 4. 201)
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die weniger durch das Detail, sondern vor allem durch den Gesamteindruck entstand. Allen Verschiebungen in der Zusammensetzung der Ausstellungsexponate zum Trotz bildeten das Gros der Ausstellungen immer Konsumwaren, die auf den Verbrauch durch den Endkonsumenten angelegt waren: Textilien, Teppiche, Möbel, Stoffe, Porzellan-, Keramik- und Glasprodukte sowie Seiden-, Woll- und Lederwaren standen im Vordergrund der Ausstellungen.205) Es waren keinesfalls „immer wieder die Maschinenräder“206), die in den Ausstellungen das Bild der industriellen Entwicklung prägten, im Gegenteil. Die Expositionen entwarfen zunächst ein gegenteiliges Bild: Der Maschinenindustrie kam bis zur Jahrhundertmitte keine herausragende Bedeutung zu. Erst nach 1850 rückte die Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch die Maschine in der Präsentation wie in der Wahrnehmung an eine exponierte Stelle. Blickt man auf die großen allgemeinen Ausstellungen um die Jahrhundertwende, so sind zwar die Zahlen verändert, die Relationen an sich blieben aber ähnlich: In Berlin 1844 wurden von 3040 Ausstellern circa 1000 Exponate aus dem Bereich der Manufakturwaren eingereicht, 1090 entsprangen der Metallindustrie, 670 der Klasse der Baugewerbe sowie hölzerner, irdener und Glaswaren, 360 der Klasse „der Chemikalien und Konsumtibilien“ und 390 der Gruppe für „verschiedene Zwecke der Kultur arbeitende“ Gewerbe an; 470 Aussteller waren in mehreren Bereichen vertreten.207) Das Verhältnis der Gruppen, insbesondere die Dominanz der Manufaktur- und später der Industriewaren, prägte auch die anderen Gewerbeausstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.208) Industrie- und Gewerbeausstellungen waren vorrangig Ausstellungen von Produkten und Verbrauchsgütern.209) In den Ausstellungen wurden Arrangements von Objekten gestaltet, die sich in charakteristischer Weise von früheren „Object domains“ wie beispielsweise römischen Tempeln und ihren Inhalten, den mittelalterlichen Kirchenbauten mit ihren Reliquien, Bildnissen und Schreinen, den symbolisch aufgeladenen Renaissance-Höfen, den Sammlungen adliger oder bürgerlicher Haushalte und anderen unterschieden.210) In 205)
Vgl. dazu beispielsweise die Aufstellung in Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 3, Berlin 1845, S. 217–218. Eine Ausnahme bildete die Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1880. Aber obwohl sich die Textilindustrie nur partiell beteiligte, überwog weiterhin der Konsumgüterbereich. Vgl. Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung, S. 417. 206) Vgl. Christoph Bertsch, …und immer wieder Maschinenräder. Beiträge zu einer Kunstgeschichte der Industriellen Revolution, Berlin 1986. 207) Vgl. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 3, Berlin 1845, S. 217–218. Eine Ausnahme bildete die Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1880. Vgl. Weidenhaupt, Die Gewerbeund Kunst-Ausstellung, S. 417. 208) Vgl. Beckmann, Industrie- und Gewerbeausstellungen, S. 123. 209) Richards, Commodity Culture, S. 51. 210) Zu Letzterem vgl. die beeindruckende Mikrostudie von Amanda Vickery, Women and the World of Goods: a Lancashire Consumer and her Possessions, 1751–81, in: Brewer/ Porter (Hrsg.), Consumption, S. 274–304.
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den Ausstellungen wurden keine vergegenständlichten Eigenschaften gezeigt. So stand zum Beispiel ein Spiegel nicht mehr als Symbol für die Eitelkeit, noch figurierte dieses Objekt in einem neo-platonischen oder augustinischen Sinne als illusorische Erscheinung, hinter der sich eine anders geartete Wirklichkeit verbarg. „Das Objekt war real, weil es besonders und wertvoll war“.211) Die Eigenarten der Dinge verrieten nicht nur etwas über den potenziellen Eigentümer, sondern auch über das weitere Spektrum von Dingen wie auch die Verortung des Menschen in diesem Ensemble. Die bevorzugte Perspektive der öffentlichen Kommentatoren in der Presse und in der Berichterstattung auf die Exponate der Industrie- und Gewerbeausstellung war die Totale, aus der sich ein zwar umfassender, aber kaum noch differenzierender oder auf Details fixierter Blick auf die Gesamtheit der Waren darbot: Der Verfasser von Genreskizzen, Adolph Brennglas, ließ den Blick seiner humoristischen Hauptgestalt, des Berliner Piefke, über die Exponate des unteren Raumes schweifen: „Schauen se mal rechts und links, hinter sich und jradeaus die Tausend Schönheiten von Gold, Silber, Bronze, Messing, Glas, Porzellan, Holz, Seide, Wolle, Leinen und so weiter bis in die aschjraue Möglichkeit.“212) Die Veranstalter suchten diesen Eindruck zu unterstützen, indem sie die Waren- und Maschinenwelt in ein Gesamtarrangement einbanden und mittels einer geschickten Inszenierung zu unterstützen suchten, wie an den Bemühungen der Münchener Kommission für die Gewerbeausstellung 1854 zuerkennen ist. Als „Hauptzierde“ der Ausstellungshalle waren in der Ausstellung verschiedene Brunnen installiert. „Drei mächtige Wasserstrahlen stiegen daselbst über 60 Fuß in die Höhe, in der Minute 600 Maß Wasser auswerfend. Zwei dieser Wasserstrahlen erhoben sich aus dem 30 Fuß langen und eben so breiten Sammelbecken empor, die mittlere in gleicher Linie mit denselben stehenden Wassersäule rauschte 26 Fuß höher aus dem Stamme des Brunnens und wurde durch den Fall auf ein Dach, in einen Staubregen verwandelt, dessen Wasser eine unterstehende Schale aufnahm von deren Rande dasselbe wieder in vier um den Stamm des Brunnens auf Säulen stehende Schalen niederfiel, von da in ein rundes 20 Fuß im Durchmesser großes Becken und endlich über einen weit vorspringenden Sockel in das Sammelbecken sich ergoß.“
Weitere Raffinessen, die sich das Wasser verschiedentlich brechen, spiegeln und gar zu einem Regenbogen auffächern ließen, stellten laut Berichterstattern „ein überraschend schönes Bild dar, welches nicht nur durch die Farben des weißen, später an vielen Stellen mit Moos lichtgrün überzogenen Gesteines und der goldbroncierten Schalen, sondern auch durch die an den vier Ecken des Sammelbeckens aufgestellten mit Blumen gefüllten kolossalen Vasen von gebrannter Erde an Lebendigkeit und malerischer Wirkung sehr
211) 212)
Brewer, Geschichte, S. 68. Brennglas, Gewerbe-Ausstellung, S. 12.
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III. Die Inszenierung der Ware und die Ästhetisierung der Dinge
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Abbildung 5: München 1854 – Blick von der untersten Gallerie durch das Hauptschiff nach Westen, im Hintergrund der Glaspalast-Brunnen nach Voit und der Orgelprospekt
gewann.“213) Das Komitee entschied sich darüber hinaus noch für die Aufstellung von Wappen sämtlicher an der Ausstellung teilnehmender Staaten, Kränze mit Bändern von den entsprechenden Landesfarben und hängende Gewinde aus Blumen und Blättern, welche die höchsten Räume des Querschiffes schmückten. „Am südlichen Ende des Querschiffes, den beiden Haupteingängen gegenüber befand sich auf angemessener Erhöhung das 15 Schuh hohe Standbild des Königs, von Halbig modellirt, dahinter eine von Seitz angeordnete, sehr reiche Draperie und umgeben von sinnreich ge-
213)
Vgl. Amtlicher Bericht München, S. 74.
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ordneten Pflanzengruppen, zumeist gebildet aus Palmen und Lorbeerbäumen.“214) Damit waren ganz charakteristische Attraktionen eingebaut, um die Warenwelt ihrerseits zu kontextualisieren. Typisch blieb das Wasserspiel: „Eintretend durch das Hauptportal in die Haupthalle“ verfolgte der Blick auf der Industrie- und Gewerbeausstellung in Hannover „die Hauptachse des Ausstellungsgebäudes in einer Länge von 106 m, die hier mit einer Halbenachtsecks-Nische abschließt, worin die Forma W. Garvens in Hannover einen 5 m hohen, mit Zentrifugalpumpen betriebenen Wasserfall ausführte.“215) Die Haupthalle war auch hier als „Repräsentations- und Schmuckhalle der Ausstellung“ gestaltet und „mit Draperien, mit Wappen und Fahnen, mit Namensschildern der Provinz angehörender Städte und Hauptorte, auch mit manchem kernigen Spruch geschmückt und soll mit ihren hohen zeltartigen Kuppeln, mit der freien zierlichen Dachkonstruktion, den Eindruck des Leichten, nicht Drückenden und des Festlichen bereiten.“ Seit den 1880er Jahren wurde die Faszination der Wasserspiele unterstützt von elektrischen Illuminationen. „Und dann flammten zum letzten Male die tausend und abertausend Lichter auf, die allabendlich das Ausstellungsgelände in ein Feenreich verwandelt hatten“, so ein Bericht über die Schlussfeier zur Düsseldorfer Ausstellung 1902.216) Besonders gelungen war eine Ausstellung im Sinne der Popularisierung dann, wenn sich die Demonstration der technischen Neuerung mit dem vorzuführenden Effekt verschränkten: Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt 1891 inszenierte die neue Energie auf 77 000 m² in einer sinnenfälligen Anordnung. Gegenüber dem Hauptgebäude im Stile einer herrschaftlichen Schlossanlage war der Haupteingang der Maschinenhalle samt Kesselhaus platziert, „die Quelle […], von der all die leuchtenden Wunder, die wir erblicken werden, ihre Nahrung erhalten.“217) Um diesen architektonisch und gestalterisch zentralen Komplex lagen verschiedene Gebäude, in denen die einzelnen Anwendungsmöglichkeiten vorgeführt wurden. Zugleich war die Technikschau aber mit Vergnügungseinrichtungen durchsetzt: Restaurants und Bierhallen gehörten ebenso zum Gesamtkonzept wie eine elektrisch betriebene Rennbahn, ein mit raffinierten Schaltanlagen versehenes „elektrisches Theater, ein elektrisch beleuchtetes Panorama des New Yorker Hafens und eine künstliche Grünanlage aus einem betonierten See, Grotte und Wasserfall.“ Neben wirtschaftliche Interessen trat das Bemühen, mit einer spielerischen und ästhetischen Inszenierung den technischen Fortschritt erfahrbar zu machen.218)
214)
Ebd., S. 75 f. Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 17. 216) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 67. 217) J.H., Das Zeitalter der Elektrizität, in: Gartenlaube 1891, S. 276–280, S. 278. 218) Vgl. Stehen, Zeit; Binder, Elektrifizierung, S. 99–102. 215)
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Bis man allerdings jenes Maß an Präsentationstechnik und Suggestion erreicht hatte, welches den Industrie- und Gewerbeausstellungen auf der Wende zum 20. Jahrhundert zugeschrieben wurde, waren verschiedene Entwicklungsschritte notwendig. Der Beitrag der Zollvereinsstaaten zur ersten Weltausstellung machte noch vor allem wegen seiner Unbeholfenheit der Darbietung von sich reden: An Stelle der „roten Behänge, der Glasschränke, der polierten Holzrahmen und Messingbeschläge, die bisher die Staffage der Ausstellung bildeten“, trat nach dem Bericht von Lothar Bucher im Ausstellungssegment der Zollvereinsstaaten – „die edle Einfachheit deutscher Jahrmarktsbuden: graues Packleinen und nacktes kaum gehobeltes Tannenholz“.219) Der Spott nicht nur der Publizisten, sondern auch so manches Ausstellungstheoretikers war den Zollvereinsstaaten damit sicher.220) Nicht nur auf der Weltausstellung, sondern insgesamt bewegte sich die Präsentationstechnik in eben diesen Bahnen: Ihrem Anspruch gemäß, insbesondere dem Handwerk neue Formen der Ver- und Bearbeitung zwar anschaulich, aber durchaus nüchtern vorzuführen, beschränkten sich Veranstalter und Aussteller darauf, die Gegenstände zu sammeln und zu gruppieren. Als Exempel dafür kann die Nürnberger Gewerbeausstellung von 1842 dienen, bei der man in drei verschiedenen Gebäuden der Stadt auf einheitlich mit Papier bespannten Tischen die Ausstellungsgegenstände lediglich hintereinander aufreihte.221) Erst mit dem zweiten Jahrhundertdrittel und vor allem nach der Londoner Gewerbeausstellung von 1851 wuchs das Bewusstsein für die Möglichkeiten, durch ein gezieltes Arrangement die Aufmerksamkeit der Besucher zu gewinnen und zu binden: „Die Ausstattung ist und bleibt nun einmal die erste Hälfte der Leistung, die Vorbedingung des Erfolgs“, so warb der österreichische Gewerbelehrer Exner bei den Lesern seines Ausstellungsratgebers. „Die „Masse des Publikums muß angelockt und verführt werden.“ Und selbst der „gründliche Forscher, der jedenfalls vereinzelt darsteht“, lege Wert darauf, „daß das Gute auch mit dem Glanz gepaart“ sei.222) Das Bewusstsein für die Bedeutung der Inszenierung wuchs, wie sich an der Professionalisierung in diesem Bereich zeigte: Bereits zur Berliner Gewerbeausstellung von 1844 war ein „Hofdecorateur“ für diese Aufgabe abgestellt. Zeitgenössische Beobachter lobten die professionelle Arbeit. „Die Eigner mögen sich schönstens bei ihm bedanken, denn schwerlich dürften sie im 219)
Bucher, Skizzen, S. 176. Vgl. Exner, Aussteller, S. 65: „Hoffentlich wird man es sich auch in Deutschland gemerkt haben, dass die Unzweckmäßigkeit der Veranstaltungen bei seinen Betheiligungen an den bisherigen Weltausstellungen ihm beinahe ein Fiasko bereitet hätte. Wie ganze Staaten leicht durch die Zweckmäßigkeit ihrer Ausstellung und insbesondere durch die Darstellung der Massen ihrer Produktion in den Vordergrund treten können; so verhält es sich auch bei Einzelpersonen.“ Dazu auch Green, Representation. 221) Kerkhoff, Landesausstellungen, S. 246. 222) Vgl. Exner, Aussteller, 2. Auflage, 2. Teil, S. 63. 220)
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Stande sein, ihre gelieferten Beiträge auf eine günstigere Art in die Augen fallen zu lassen.“223) Bei der nächsten Nationalausstellung in München im Jahr 1854 setzten die Ausstellungsorganisatoren ein spezielles Komitee, bestehend aus zwei Malern und einem Hofbaumeister, ein, das mit der Dekoration und dem Arrangement der Exponate betraut war. Sie betonte explizit die Bedeutung der Inszenierung und des Arrangements der Exponate: Den „schönsten Schmuck des eben so großartig entworfenen als mit vollendeter Meisterschaft ausgeführten Ausstellungs-Hauptgebäude konnten nur die für dasselbe bestimmte Ausstellungsgegenstände selbst bilden. […] Eine geschmackvolle Ein- und Herrichtung, wie den in großer Mannichfaltigkeit auszustellenden Gegenständen entsprechende Aufstellung, musste indessen diesen Schmuck wesentlich erhöhen, auch schienen einige Zugaben nicht unzweckmäßig, die günstigen Eindrücke, welche das Ganze beim ersten Anblicke zu gewähren, hoffen ließ, zu steigern.“224)
Als man in Düsseldorf 1880 die Ausstellung vorantrieb, war es bereits selbstverständlich, mit dem Komitee-Mitglied Ernst Hartmann einen Künstler mit den Dekorationsaufgaben zu betrauen.225) Dem Ideal aber, die innere und äußere Gestaltung der Ausstellungsgebäude in einer Hand zu vereinen, kam man immer nur ansatzweise nahe. Nicht nur fehlte es an Personen, die die Kompetenzen des Architekten und des Dekorateurs in sich vereinten, zugleich war es unmöglich, die verschiedenartigen Interessen der an der Ausstellung beteiligten Akteure in dem Maße stringent zu bündeln, dass ein hohes Maß von Einheitlichkeit durchzusetzen gewesen wäre.226) „Es gibt kein Ausstellungsobjekt, bei dem ein geschmackvolles Arrangement entbehrlich wäre“, so erklärte die Ratgeberliteratur.227) Hinter diesem Ideal blieb die Ausstellungspraxis allerdings noch lange Zeit zurück. Zunächst beschränkten sich die Ausstellungsmacher darauf, einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die Stil- und Formenvielfalt der Exponate zu bündeln. Tapeten, verschiedene Grundfarben für die einzelnen Klassen von Ausstellungsgegenständen, ein schlichter Schmuck durch Girlanden sollten dafür sorgen, den Eindruck eines „verschiedenfarbigen Tuchlappens, erinnernd an das Kleid des Harlekins“, zu verringern. Nicht „glanzvolle Dekoration“, sondern „eine Ausschmückung […], die für sich gar nicht sprechen, sondern, sich dem Rahmen des Ganzen anschliessend, in die Gruppierung der in Form und Farbe oft heterogensten Gegenstände eine wohlthuende Ruhe und Einheit zu bringen“, so formulierten die Dekorateure der Industrie- und Gewerbeaus-
223)
Vgl. Anonym [Völkl], Gewerbeausstellung, S. 8. Amtlicher Bericht München, S. 74. 225) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 37. 226) Vgl. dazu Exner, Aussteller, S. 84. 227) Ebd., S. 83. 224)
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stellung Düsseldorf 1880 ihr Ziel.228) „Roth und grün in tieferer Sättigung“ sollten als Grundfarben eben diesen Effekt bei der Münchener Gewerbeausstellung 1854 herbeiführen. „Die polychromische Ausstattung des Inneren“ sollte sich auch in Hannover „auf das bescheidenste Maß“ weniger Farbtöne beschränken, um auf diese Weise „durch die ruhige Gesammtwirkung einen schönen und abschließenden Hintergrund für die verschiedenen AusstellungsGegenstände zu bilden, welcher erforderlich ist, damit dieselben in vortheilhaftester Weise zur Geltung gelangen und nicht durch prunkvolle und grellfarbige Ausstattung der Innenräume erdrückt oder in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden.“229) In der zweiten Jahrhunderthälfte waren Ratschläge zur vorteilhaften Präsentation der Exponate Legion: Einheitliche Ausstellungsschränke, die dem Ideal nach möglichst flächig aus Glas bestehen sollten, waren bald die Regel.230) Als eine „endlose Reihe von gläsernen Schmuckkästen“ charakterisierte beispielsweise ein zeitgenössischer Tagebuchschreiber den „Hauptpalast“ der Berliner Ausstellung von 1896.231) Als besonderer Schick galten zunächst einzelne Logen, die einzurichten seien, um Warengruppen voneinander abzutrennen oder auch Firmen eine besondere Präsentationsmöglichkeit zu bieten.232) Seit der ersten Pariser Weltausstellung wurde diese ergänzt um Etagerés, eine treppenförmige Anordnung von Exponaten, die es immer so einzurichten galt, „daß der Betrachter sich weder bücken noch einen erhöhten Standpunkt einnehmen muß, um diese in ihrer Totalität zu beschauen.“ Auch Trophäen, also die „freistehende, vorwaltend hohe Ausstellung von Ausstellungs-Gütern“ bestachen dadurch, dass in ihnen trotz einer geringen Grundfläche viel präsentiert werden konnte. „Die Trophäen nehmen denn nicht selten das Aussehen von luftig glänzenden Pavillons an, und wohl jedem, der eine solche Ausstellung einmal sah, wird der bestechende Eindruck unvergeßlich bleiben, den sie auf ihn machten.“ Dabei lasse sich der militärische Sprachgebrauch durchaus auf das Gebiet der Gewerbe übertragen. „Trophäen“ seien es, die der Gewerbestand auszustellen habe, so folgerte der Gewerbelehrer Exner aus seinen Beobachtungen. Was früher aus „Beutestücken, besonders Waffen der Überwundenen“ bestand, werde in den Ausstellungen ersetzt durch „‚Siegeszeichen‘ […] des Kampfes, den der Geist mit der Materie führt, ‚Siegeszeichen‘, die die Arbeit erbeutet.“ Dabei könne die Flasche „Pickles“ „ein viel ehrenvolleres Zeugnis abgeben für die Bildungsstufe des Menschen als rohe Lanzen und die ungeschickte Armbrust.“233) 228)
Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 37. 229) Jugler, Allgemeine Gewerbe-Ausstellung, S. 18. 230) Ebd., S. 38–39. 231) Kerr, Berlin, S. 151. 232) Vgl. Karmarsch, Andeutungen, S. 179 f. 233) Exner, Aussteller, S. 36.
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis Abbildung 6: Hannover 1878 – Blick auf einzelne „Trophäen“ in der Haupthalle der Ausstellung, vom Eingang aus fotografiert
Die Bemessung der Fläche pro Aussteller und der dafür zu entrichtende Mietzins, die Beschaffenheit der Ausstellungstische und Kojen, die Möglichkeiten, Exponate an den Wänden und Decken hängend auszustellen, die Errichtung von separaten thematisch geschlossenen Galerien im Hauptgebäude oder in einem Nebentrakt, die Beleuchtung und vor allem die Belüftung der Ausstellungshallen, der Schutz der Exponate gegen Regen und Witterung – all diese und andere Punkte waren nicht nur Anlass für ständige Streitigkeiten, sondern wurden auch in der Ausstellungsliteratur ausgiebig diskutiert.234) Ausstellungsratgeber gaben mathematische Formeln an die Hand, um die Grundfläche für Stände zu errechnen, oder führten modellhaft vor, wie der günstigste Einfallswinkel des Lichtes für verschiedene Exponate und auch für Gemäldesammlungen zu erreichen sei; sie diskutierten die Gestaltungskraft verschiedener geometrischer Figuren und empfahlen vor allem Kegel und Würfel als diejenigen Grundformen, mit denen Eindruck zu erreichen sei. An allen Aussichtspunkten, „von denen das Auge hingleiten kann über die zurückgelegten Passagen und auf das sie füllende Publikum u. s. f.“ wie auch an den besonders exponierten Trophäen dürften „der Fauteil und das Sofa“ nicht fehlen.
234)
Vgl. zum Beispiel Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 6–7.
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Zudem praktizierten die Aussteller bestimmte Techniken, mit denen die Erzeugnisse von Industrie und Gewerbe auf effektvolle Weise wirken konnten: Ein auf die Waren aufgetragener Firnis brachte einen besonderen Glanz hervor. Die Literatur berichtete, dass so manches Elfenbein und kostbare Holzverkleidungen doch nur aus einem preiswerten Ersatzstoff gefertigt waren. Zudem kolportierte die Ausstellungsliteratur, dass insbesondere französische Aussteller dazu tendierten, statt Elfenbein ähnlich aussehende Ersatzstoffe zu verwenden.235) Insbesondere der Vergleich zu den französischen Ausstellungen regte den österreichischen Gewerbelehrer dazu an, den Ausstellern das Prinzip der Masse ans Herz zu legen:236) Keinem der sechs Millionen Besucher der dritten Weltausstellung, so erläuterte der Gewerbelehrer Exner seinen Lesern, sei die „Goldpyramide unter dem östlichen Dome“ entgangen, mit der das Gouvernement von Viktoria die Menge Goldes in Pappmaché nachgebildet habe, welche in dem Staat seit Gründung der Kolonie gefördert wurde. Allein durch diese Darstellung sei die Tatsache wie auch der Aussteller zum „allgemeinen Gesprächsstoff“ geworden.237) Die deutschen Aussteller beherzigten diesen Rat, wie an einigen Beispielen aus den Abteilungen für Lebensmittel und Genusswaren gezeigt werden kann: „Riesenblöcke aus Chocolade, Vasen aus demselben Stoff in Marmor-Imitation mit Traganth und Glasurzuckerblumen, ganze Schränke voll Bonbons, englischer Biscuits und Marzipanfabrikate“ trug die Süßwarenfirma Stollwerck zur Düsseldorfer Ausstellung 1880 bei. Zum Publikumsmagnet wurde eine überlebensgroße Bismarckfigur aus Schokolade.238) Die hannoversche Konkurrenzfirma Sprengel zeigte ihr Produkt in Form eines überdimensionierten Buches mit „tadellosen Zeichnungen“.239) „Auf einem aus Zuckerplatten hergestellten Treppenunterbau erhob sich ein gleichfalls nur aus Zuckerplatten und Stangen hergestellter Tempel, der Akropolis von Athen nachgebildet. An den Ecken des Aufbaues befanden sich Brote in grob- und feinkörniger Kochung in Originalgröße. […] Rund um den mittlern Aufbau sah man die verschiedene Sorten Würfel, gemahlene vom groben Hagel bis zum feinsten Puderzucker, sowie Krystallzucker aller Sorten ausgestellt; im Untersatz des Schrankes Zucker in Originalpackung, Kisten, Pakete, Blockzucker, flüssige Raffinade sowie Melasse, Torfmull und Melasse-Futter.“240)
Der Hermannsborner Verein präsentierte sein Mineralwasser in einem Pavillon, der „ein Hermannsdenkmal im Kleinen darstellte“ und laut Berichter235)
Vgl. Exner, Aussteller, S. 61. Vgl. Ebd., S. 61. 237) Ebd., S. 66. 238) Vgl. Schmal, Gewerbe-Ausstellung , S. 130; zur Bismarck-Figur vgl. Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 90. 239) Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 178 240) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 201. 236)
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statter „aus dem Blätterwerk einer Baumgruppe inmitten des Ausstellungsparks recht idyllisch hervorlugte.“ Die Konkurrenz von der Godesberger Mineralquellen-Gesellschaft hatte nicht nur eine riesige Flaschenpyramide aufgebaut, sondern ließ die Besucher auch 15 000 Flaschen und Krüge ihres Produktes kosten.241) In verschiedenen Varianten setzte man auf Strategien, um die Besucher durch Objekte und ihre Inszenierung für eine bestimmte Rezeptionsweise zu gewinnen: Im Vordergrund stand dabei zunächst die Darstellung von Gigantismus und überbordener Fülle. Sinnbildlich stehen dafür nicht nur die sich an Superlativen überbietenden Ausstellungsgebäude, sondern in Deutschland auch die Krupp’schen Kanonen und Stahlblöcke, die mit immer größeren Gewichten aufwarteten.242) Hinzu kam die Darstellung von schierer Quantität, wie sie beispielsweise durch ein gewaltiges Füllhorn angedeutet wurde, aus welchem scheinbar unaufhörlich Getreide floss. Konsumgegenstände und insbesondere Lebensmittel und Bekleidung, deren Mangel noch vor wenigen Jahrzehnten zu den Pauperismuskrisen des Vormärz geführt hatte, wurden dem Ausstellungsbesucher in unzähligen Varianten und vor allem in großer Zahl vorgeführt. Wenn die Exposition die Welt im Kleinen darstellte, dann war sie eine des Überflusses, so die Botschaft der Veranstalter. Zusätzlich kombinierte man diese Repräsentationen mit der Exposition von Objekten, denen eine besondere symbolische Qualität zugesprochen wurde: In Düsseldorf 1902 war die der Gewerbeausstellung integrierte Exposition deutscher Kunstwerke und Altertümer nicht nur als Publikumsmagnet gedacht. Vor allem sollte die den künstlerischen, zum Teil sakralen Exponaten entgegengebrachte Wertschätzung und Verehrung auch auf die ausgestellten Gewerbeund Industrieprodukte abstrahlen.243) Auf den Ausstellungen wurden – ähnlich wie in der darstellenden Kunst und in anderen Bereichen – Maschinen und Produkte mit Attributen aufgewertet und geschmückt, die dem Bereich der traditionellen Kunst und Kultur entstammten. Jede Dekoration, so hat Günther Irmscher konstatiert, „vermittelt eine Legitimation auf ideologischer Ebene.“244) Das Ornament wurde zum Signum der Zeit und fand in den Ausstellungen vielfach Verwendung. Nicht nur frühe Maschinen wurden auf Beine gestellt, die menschlichen Gliedmaßen nachempfunden wurden, oder – wie die Exponate der Firma Jaques Piedbeuf auf der Düsseldorfer Ausstellung 1880 – um einen in dorischen Säu-
241)
Ebd., S. 134. Vgl. zum Beispiel die entsprechenden Abbildungen in Stadtarchiv Düsseldorf, Fotosammlung, Negativnummer 005120011, T 40/20: Exercitium am Krupp’schen Riesengeschütz vor der Kaiserlichen Majestät am 19. Juni 1880. In der Literatur Wolbring, Krupp, S. 138–142. 243) Vgl. dazu den Abschnitt D III in der vorliegenden Studie. 244) Günther Irmscher, Kleine Kunstgeschichte des Ornaments seit der frühen Neuzeit (1400–1900), Darmstadt 1984, S. 287. 242)
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Abbildung 7: Pavillons in der Abteilung für Nahrungs- und Genussmittel in der Berliner Gewerbeausstellung 1896
len gehaltenen Triumphbogen drapiert.245) Auch Lebensmittel wurden in Vitrinen und Sarkophagen präsentiert, die ihrerseits mit Wappen und Hoheitssymbolen verziert und in Form sakraler Gebäude gestaltet waren. Auf diese Weise suchte man den Fortschritt ideell durch den Bezug auf die Vergangenheit zu legitimieren. Von einer eigenen Ästhetik der Konsumkultur sowie einer entwickelten „Industriellen Moderne“246) war man dennoch weit entfernt. Erst um die Jahrhundertwende entwickelte sich ein Unbehagen an der bisherigen Praxis der Präsentation: Denke man an die „Nahrungs- und Genussmittel, Galanterie- und Kurzwaaren, Leder-, Gummi- und Asbestwaaren“ und an die Bekleidungsindustrie, so steige „unwillkürlich vor dem geistigen Auge die althergebrachte Form der Vorführung dieser Produkte auf: Man sieht Glasschränke und Ladentische, Ständer und Arme, an denen man, um nur ja den 245)
Stadtarchiv Düsseldorf, Fotosammlung, Negativnr. 005 130 228, abgedruckt in Tilmann Buddensieg/Henning Rogge (Hrsg.), Die nützlichen Künste. Gestaltende Technik und Bildende Kunst seit der Industriellen Revolution, Berlin 1981, S. 80. 246) Ruppert, Kulturgeschichte, S. 27.
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teuer bezahlten Raum auszunutzen, mit deutscher Gründlichkeit die sämtlichen Qualitäten der einzelnen Waarengattungen in Reih und Glied vorführt.“ Soweit nicht Fachleute daran Interesse zeigten, sehe man die „Scharen der Ausstellungsbesucher […] im Geschwindschritt an diesen Ausstellungsständen vorbeimarschieren, nur um dagewesen zu sein, um alsbald in dem der Zerstreuung gewidmeten freundlicheren Theil des Ausstellungsgebäudes zu verschwinden.“247) Um dieser Eintönigkeit zu entfliehen, boten zunehmend Unternehmen aus dem Bereich der – so die zeitgenössische Bezeichnung – „Concurrenztechnik“ ihre Dienste und entsprechende Arrangements an: Während lange Zeit ein gut gefüllter Verbandskasten als Exponat einer Firma für Arznei- und Medizinbedarf diente, sollte nun die Darstellung eines verwundeten „Kriegers“, der von einer „Samariterin“ verbunden wurde, für das Produkt interessieren. „Die in ganz Deutschland bekannte Firma Moosdorf & Hochhäusler, welche die Wellenbadeschaukel fabrizirt, hatte nicht etwa ein Dutzend Badewannen neben- oder ineinander gestellt, wie wir das so oft gesehen hatten, sondern sie führte den Beschauer in das Badezimmer einer orientalischen Schönheit, die eben im Begriff steht, in das bereite Bad zu steigen.“ 248) Ein zeitgenössisch viel beachteter Beitrag, in welchem das eigene Produkt durch sakral-mythologische Zitate aufgewertet wurde, war die Ausstellung der Schokoladenfirma Gebrüder Stollwerck auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902. Ihr Arrangement wich deutlich von üblichen Präsentationen ab: „Dem Ganzen liegt ein Gedanke von antiker Größe zugrunde“, befand der Berichterstatter der Schweizer Bauzeitung.249) „In einer goldenen, von mächtigen Füllhörnern und sonstigen figuralen Darstellungen flankierten Halbkugel stand ein kolossaler Kopf, die Mutter Erde, die Spenderin aller Nahrung und allen Lebens. Auf der Halbkugel war mit symbolischen Figuren und zusammenfassenden Ornamenten die auf alle Weltteile sich erstreckende Ausdehnung der Firma Gebr. Stollwerck angedeutet, deren Fabrikate in mannigfaltigen Phantasie-Ausführungen und Phantasie-Packungen in Schränken an den Wänden und Seiten des Kuppelbaues ausgelegt zu finden waren.“250)
Angefertigt von Bruno Schmitz zu Berlin, von Professor Christian Behrens in Breslau und dem Maler August Unger aus Berlin, versuchte man auf diese Weise, den „allgemeinen Begriff der Natur- und Genussmittel zu versinnbildlichen.“ Vor weißer Front erschien die Halbkugel reich bemalt, die Malerei stellte die fünf Erdteile dar und deutete darüber hinaus mit symbolischen Figuren und Ornamenten an, dass die Firma in allen Weltteilen aktiv war.
247)
Zum Wettbewerb in Düsseldorf 1902, Berlin 1902, Berlin 1901, S. 9 [Reklameheft der Firma Auras & Wilke, Spezialfabrik für Ausstellungs-Arrangements]. 248) Ebd. 249) Die Architektur der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Düsseldorf 1902, in: Schweizerische Bauzeitung Bd. XL Nr. 13, S. 138–140, S. 139. 250) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 200.
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Abbildung 8: Ausstellung der Gebrüder Stollwerk, Düsseldorf 1902
„Mit dem Fahnen- und Wappentrödel, mit dem Ausrücken von ganzen Teppichkolonnen und Heeren von Laubkränzen, welche der Landbevölkerung beim Einzug des neuen Amtmannes, bei einem Schützenfest oder einem Sängerwettstreit imponiren, – ist nichts geleistet bei einem Feste der Industrie!“251), so mahnte die Ausstellungstheorie, ohne aber tatsächlich auf Gehör zu stoßen. Im Gegenteil: Eine eigene Ästhetik der Industrie und ihrer Produkte hat sich auf den Industrie- und Gewerbeausstellungen des 19. Jahrhunderts nur in bescheidenen Ansätzen entwickelt. Architekten wie Produzenten kleideten ihre Objekte „in die Würde der Tradition“ und/oder in den „Schmuck der Mythologie“, um ihnen auf diese Weise besondere Bedeutung und damit auch Legitimität zuzulegen.252) Hinzu trat verstärkt seit der Reichsgründung das Bemühen um eine nationale Deutung der Produkte. Ein Beispiel für die zunehmende Nationalisierung ist der Ausstellungspavillon der Deinhardt Sektkellerei in Düsseldorf 1902: In den für die Ausstellung speziell angelegten Hügel waren „anstossend an eine charakteristische Felspartie“ die Keller- und Verköstigungsräume der Sektkellerei Deinhardt eingelassen.253) Ihr Interesse war explizit formuliert: Der Firmenleitung war daran gelegen, das „Vorurteil“ zu zerstreuen, „dass deutscher Schaumwein ein minderwertiges Surrogat für echten französischen
251)
Exner, Aussteller, S. 84. Tilmann Buddensieg, Industriekultur, Peter Behrens und die AEG (1907–1914), in: ders. (Hrsg.), Peter Behrens und die AEG (1907–1914), Berlin 1979, S. 9–90, S. 79. 253) Hierzu und zum Folgenden vgl. „Wie entsteht der Deutsche Sekt? Dargestellt auf der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung Düsseldorf 1902, Köln 1902, S. 4–16. 252)
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Champagner sei.“ Gestehe die öffentliche Meinung dem französischen Produkt zu, ein „direkt von der Traube abgezogenes Naturprodukt“ zu sein, so gelte das deutsche Pendant als „künstliche Nachahmung desselben“, als ein „unreelles Fabrikat“. Um dieses zu widerlegen, führten die Koblenzer Firmenleiter in verschiedenen Räumen zunächst die Produktion und Reifung des Produkts vor, um anschließend in der „Probierstube“ auch die Verkostung zu ermöglichen. Insbesondere der Schankraum enthielt ein Bild- und Symbolprogramm, welches dezidiert den Schaumwein mit verschiedenen Bedeutungsgehalten zu verbinden suchte: Der Appell an das Nationalgefühl durchzog das Bild- und Symbolprogramm des Ausstellungspavillons. „Ohne Voreingenommenheit und Auslandsschwärmerei“ solle der Kunde auch das deutsche Produkt prüfen, „allein der wirkliche Wert“ dürfe entscheiden. Die „Probierstube“ inszenierte dann die Verflechtung von Schaumwein und regionaler sowie nationaler Identität: Das Büffet, geschmückt mit dem Wappen der Stadt Koblenz, zierte eine Bronzefigur Kaiser Wilhelms II., auf deren Sockel folgender Vers geprägt war: Deutscher Kaiser, deutschen Fleisses/ Treu bewährter Schirm und Hort,/ Friedens und der Arbeit Schützer,/ Gott behüt’ Dich immerfort.“ Gesäumt wurden die Wände von Fassböden, in welche Wappen von Preußen, Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und der Reichslande sowie „figürliche und landschaftliche Darstellungen [graviert waren], welche sich auf Art und Bedeutung des Weinbaues in den betreffen Ländern beziehen.“ ‚Altdeutsche Gemütlichkeit‘, die die Selbstbeschreibung als „romanischen Stil“ inszenierte, war zugleich mit modernster Technik kombiniert: Die neuartige Eismaschine wie auch die elektrische Beleuchtung wurden mittels eines von der AEG Berlin zur Verfügung gestellten Motors betrieben, die „Beleuchtungskörper“ waren von der Kunstgewerbefirma Louis Busch angefertigt. In ihrer Dekoration und in ihrem Desgin nahmen sie Bezug auf die national-romanische Ästhetisierung der Ornamente. Ein Unbehagen formulierte sich nur vereinzelt: Nicht die ästhetischen Qualitäten und insbesondere die Stimmigkeit von Form und Material, sondern allein der Reklamezweck hätte so manche Präsentation motiviert, monierte der Berichterstatter des Polytechnischen Centralblatts an der Berliner Ausstellung 1896. „Eine Überfülle von Wachsfiguren, ein möglichst bunter Pyramidenaufbau, die bisweilen an sich ganz uninteressante Vorführung klappender Maschinen sind Zugmittel, die um so störender wirken, als sie dem im Uebrigen edlen und durchgebildeten Geschmack der Ausstellung widersprechen.“254) Das Zelebrieren des Fortschritts, wie er vor allem durch das rasch wachsende Angebot von Konsumwaren breitenwirksam wurde, erfolgte in geborgtem Dekor. Die ersten leistungsfähigen Mähmaschinen wurden bei254)
Felix Kuh, Berichte über die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Anmerkungen zur Aesthetik der Ausstellung II., in: Polytechnisches Centralblatt 57 (1896), Nr. 20 vom 1. Juni 1896, S. 217–220, S. 217.
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IV. Belehrung, Vergnügung, Partizipation – die Schaffung des Konsumenten
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spielsweise auf so pathetische Namen wie „Die Unbesiegbare“, „Die Wunderbare“ und „Die Favoritin“ getauft. Unter dem Dampfhammer der CreuzotWerke – 1280 Tonnen schwer, Fallhöhe fünf Meter – zogen die Besucher der 1878er Weltschau in Paris hindurch wie unter einem antiken Triumphbogen.255) Die nüchterne Sachlichkeit im Maschinen- und Produktdesign blieb kommenden Generationen vorbehalten. Eine eigene Ästhetik der Moderne etablierte sich erst mit der Gründung des Werkbundes 1907, in dem sich Kreise aus Politik, Design und Architektur vom wilhelminischen Ornamental- und Prunkstil absetzten. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine eigene Warenästhetik der Industrialisierung, in der „Fahrstühle […] nicht mehr aussahen wie Equipagen, Lampen […] nicht mehr verkleidet wurden“ und stattdessen ihre technische Funktion zeigten.256) Die Überzeugung, dass der Zweck eines Gegenstandes wie auch die Beschaffenheit des Materials seine Form bestimmen sollten, gewann organisatorisch an Gestalt und fand (begrenzte) Verbreitung.257)
IV. Belehrung, Vergnügung, Partizipation – die Schaffung des Konsumenten „Die Weltausstellungen verklären den Tauschwert der Waren. Sie schaffen einen Rahmen, in dem ihr Gebrauchswert zurücktritt. Sie eröffnen eine Phantasmagorie, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen.“258)
„‚Alles ansehen, nichts anfassen‘“259), so hat der hellsichtige Beobachter Walter Benjamin zeitgenössisch eines der Grundprinzipien der Industrie- und Gewerbeausstellung beschrieben. Damit hat Benjamin zahlreichen retrospektiven Interpretatoren der Industrie- und Gewerbeausstellung das Stichwort gegeben für eine grundsätzlich konsum- und ideologiekritische Interpretation. Indem in den Ausstellungsräumen Konsum und Produktion voneinander getrennt wurden,260) so das Grundmuster der Argumentation, lernten die „vom Konsum abgedräng-
255)
Vgl. Wolf Schön, Der Triumph des Industriezeitalters, in: Uwe Schultz (Hrsg.), Das Fest. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 1988, S. 328–340, S. 331. 256) Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, 2. Bd., München 1990, S. 735. 257) Vgl. dazu das Kapitel D III in der vorliegenden Studie. Zuletzt Matthew Jefferies, Politics and Culture in Wilhelmine Germany. The Case of Industrial Architecture, Oxford 1995, S. 101–179; Elisabeth Domansky, Der Deutsche Werkbund, in: Lutz Niethammer (Hrsg.), Bürgerliche Gesellschaft in Deutschland. Historische Einblicke, Fragen, Perspektiven, Frankfurt a. M. 1990, S. 268–275. 258) Walter Benjamin zitiert nach Schön, Triumph, S. 328. 259) Benjamin, Passagenwerk, S. 412–428. 260) Vgl. ebd.
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ten Massen die Einfühlung in den Tauschwert“.261) Zu Grunde liegt dieser Folgerung die kapitalismus- und marktkritische Analyse von Karl Marx, der das „Bringen des Produktes auf den Markt“ als Voraussetzung für die „Verwandlung des Produkts in Ware“ betrachtete:262) Mit der räumlichen Entfernung des Produktes vom Ort seiner Herstellung verlor dieses seine lokale Identität. Seine Eigenschaften, welche am Herstellungsort als Resultat des Arbeitsvorgangs oder als Folge natürlichen Wachstums erfahren wurden, verloren sich. „Auf dem Markt realisiert sich das Produkt, d. h. die Ware, nicht nur ökonomisch im Wert, sondern gleichzeitig sinnlich als Gegenstand der Konsumtion.“263) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren ein Ort des Lernens von Marktprozessen und -zusammenhängen. Zwar wurden die angebotenen Produkte in der Regel nicht zum Verkauf angeboten, dennoch waren Produktion und Konsumtion nicht strikt voneinander getrennt, im Gegenteil: Die Industrie- und Gewerbeausstellung „successfully integrated the paraphernalia of production into the immediate phenomenal space of consumption.“264) Von Rohstoffen über Antriebstechniken und Maschinen zur Bearbeitung reichte die Spanne der Exponate direkt in die Sphäre des Konsums. Innerhalb ihres begrenzten Terrains schufen die Expositionen Möglichkeiten zu einer sozialen und kulturellen Praxis, mit denen sich Aussteller wie Besucher praktisch im Konsum einüben konnten. Dabei legten die Ausstellungen die Zusammenhänge zwischen Produktion und Konsumption offen, sie enthüllten Menschen, Maschinen und Güter sowie ihre sozialen und ökonomischen Verbindungen zueinander und stellten diese in einer Art dar, die klassenund schichtspezifische Unterschiede zu Gunsten der gemeinsamen Teilhabe an den Fortschritten der Industrie und den damit verbundenen steigenden Konsummöglichkeiten einebneten. Diese Felder der Erfahrung und der Partizipation, wie sie die Industrie- und Gewerbeausstellungen boten, waren ihrerseits eingebunden in die geordnete Welt der Exposition, in der zwischen Hierarchie und Konsens auch dem Konsumenten seine jeweilige Rolle zugewiesen war. Eine erste, eng mit anderen Versuchen zur Inszenierung der Ware verbundene Strategie war das Bemühen zur Schaffung einer Sphäre von Authentizität. Walter Benjamin hat in seinem berühmten Essay über das „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ darauf aufmerksam gemacht, dass die traditionelle Wertschätzung und Aura, die den Produkten der Kunst in ihrem ursprünglichen Zusammenhang als Elemente eines Rituals zugesprochen wurde, mit ihrer Reproduktion beispielsweise im Medium der Fotografie verloren ging. Die Ausstellungen boten dagegen Authentizität.265)
261)
Vgl. Weber-Felber, Manifeste, S. 108. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie. Rohentwurf, Berlin (Ost) 1953, S. 433. 263) Schivelbusch, Geschichte, S. 42. 264) Hoffenberg, Empire, S. 21. 265) Vgl. Benjamin, Schriften, Bd. 1/2, S. 347. 262)
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Im Gegensatz zu den Werbemedien des 20. Jahrhunderts, die die Produkte vor allem visuell reproduzierten, setzten die Ausstellungen darauf, die Objekte der Inszenierung in traditioneller Weise und authentisch zu präsentieren. „As important moments in defining fashion, introducing new ideas, and demonstrating new consumer products, fairs granted a special authenticity to objects of mass culture.“266) Nimmt man den Vergleich von Ausstellung und Wallfahrtsort noch einmal auf, so zeigt sich gar eine zweite Parallele: Ähnlich der Praxis des religiösen Pilgers boten auch die Ausstellungen ihren Besuchern Reliquien, wenn auch in Form von Souvenirs wie Postkarten, Fotosammlungen oder gravierten Trinkgefäßen. Ähnlich wie die Reliquie gewannen diese Souvenirs ihren Wert dadurch, dass sie einem bestimmten räumlichen Kontext und der Aura von Authentizität entstammten. Nicht nur bei der Nachbildung von Eingeborenendörfern oder historischen Stadtansichten, sondern auch bei der Präsentation von Konsumgütern mühten sich die Aussteller darum, Produkte und Prozesse als natürliche Gegebenheiten darzustellen267), indem sie möglichst nah an die Lebenswelt des potenziellen Konsumenten herangerückt wurden. Ausstellungsratgeber empfahlen den Ausstellern, eine möglichst in Funktion begriffene Präsentationsform zu wählen. Für das Kunstgewerbe forderte der Verleger und Ausstellungsmacher Alexander Koch 1906, „keine Ausstellungspaläste, keine Warenstapelung, keine Vitrinen-Aufbewahrung“ vorzunehmen, sondern stattdessen „einen Ausschnitt aus dem Leben“ zu zeigen, „wenn auch in bescheidener Abmessung und in gedrängtem Beieinander: eine Siedelung, in der Menschen leben und hantieren.“268) Für die Industrie- und Gewerbeausstellung im weiteren Sinne waren diese Prinzipien bereits vorweggenommen: Statt „vereinzelt da und dort Erfindungen“ vorzuführen, sei es beispielsweise geraten, eine „englische Küche mit all‘ ihren Einrichtungen und Geräthen nach dem neuesten Stande zusammengestellt und dieselbe ein paar Stunden täglich in Thätigkeit erhalten, gerade so, wie man die Nähmaschinen schwirren und die Mühlen klappern läßt“.269) Für den kommerziellen Bereich war auf den Industrie- und Gewerbeausstellungen das „Stubenprinzip“ der dreidimensionalen Inszenierung bereits vorgedacht und praktiziert, welches später insbesondere die Praxis ethnologischer Expositionen auf Ausstellungen und in Museen prägen sollte.270) Objekte in Bewegung zu zeigen, so erklärte der österreichische Ausstellungsexperte Exner, wirke unter Garantie als Publikumsmagnet: „Die 266)
James Gilbert, World’s Fairs as Historical Events, in: Robert W. Rydell/Nancy Gwinn (Hrsg.), Fair Representations. World’s Fairs and the Modern World, Amsterdam 1994, S. 13–27, S. 23 f. 267) Diesen Gedanken entwickelt Hoffenberg, Empire, S. 212. 268) Alexander Koch, Anregungen und Vorschläge zur Erweiterung des Programms unserer kunstgewerblichen Ausstellungen, in: Deutsche Kunst und Dekoration 18 (1906), S. 612–615. 269) Exner, Aussteller, S. 76 f. 270) Vgl. Wörner, Vergnügung, S. 246–260.
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Besucher strömen unwillkürlich, auch die intelligenten, dem in Bewegung, gleichsam im Leben befindlichen Gegenstande zu.“271) Als einer der großen Fortschritte des Ausstellungswesens seit Mitte der sechziger Jahre galt der Ausstellungsliteratur, dass sich immer weniger Aussteller darauf beschränkten, Proben an die Jury abzugeben, sondern stattdessen dazu übergingen, „die Anwendung und die Eigenschaften der Objekte so viel als möglich zu erklären.“ Besonders lobend wurde eine preußische „Cementfirma“ hervorgehoben, die die Qualität ihres Mörtels durch einen horizontal schwebenden, nur durch den letzten Ziegel inklusive des Zements an einer senkrechten Mauer gehaltenen Ziegelaufbau demonstrierte.272) Gängige Praxis insbesondere der Lebensmittelhersteller war es, ein ausgewähltes Publikum zu Festessen einzuladen, während die Sparte der Instrumentenbauer Vorführungen der Musikalien organisierte, die sich gelegentlich bis zu großen Konzerten steigerten. Zunächst waren es die staatlichen Instanzen der Gewerbeförderung, die den Wettbewerb durch die Verleihung von Medaillen und lobenden Erwähnungen zu stimulieren trachteten. Eine erste Form war die der Prämierung durch Medaillen und Auszeichnungen, bei der die entsprechenden Beurteilungskommissionen die Qualität bewerteten.273) Zu diesem Zweck wurden zum Teil aufwändige Gutachten angefertigt, die die Vorteile einzelner Produkte oder Maschinen gegenüber den Mitbewerbern hervorhoben. Dieses Verfahren diente zunächst dazu, Preisträger zu ermitteln, führte aber gleichzeitig auch den Ausstellungsbesuchern das Prinzip des Wettbewerbs vor Augen. Bereits zu einem frühen Stadium der Ausstellungsgeschichte gingen Aussteller dazu über, ihre Produkte direkt miteinander zu messen. In öffentlichen Wettbewerben konkurrierten die Konstrukteure und Betreiber zweier oder mehrerer Maschinen miteinander.274) So stellte beispielsweise eine Sachverständigenkommission auf der Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf 1880 Experimente an, um ein halbes Dutzend Dampfmaschinen auf ihre Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen.275) Öffentliche 271)
Exner, Aussteller, S. 61. Exner, Aussteller, 2. Auflage, Wien 1873, S. 59. 273) Vgl. dazu Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 93–106; Schwankl, Ausstellungswesen, S. 34–40, S. 112–124. 274) Vgl. dazu die dramatische Schilderung des Schicksals zweier Konkurrenten bei Reuleaux, Anfänge, S. 445–482, S. 445 f. 275) Vgl. Die Untersuchungen an Dampfmaschinen und Dampfkesseln und an einigen Rheinischen und Westfälischen Kohlensorten auf der Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Düsseldorf 1880. Im Auftrag des Vorstandes der Ausstellung herausgegeben unter besonderer Mitwirkung von F. Böcking und H. von Reiche, Professor des Maschinen-Baues an der Königl. rheinisch-westfälischen technischen Hochschule zu Aachen, Aachen 1880. Vgl. auch Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 117–120. 272)
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Konkurrenzen entwickelten sich im letzten Jahrhundertdrittel zu einem festen Bestandteil der Ausstellungskultur. Auch andere Formen der öffentlichen Leistungsdemonstration entwickelten sich rasch zu Darbietungen, die auf großes Interesse stießen: Ein „Zerreisungsapparat“ sollte beispielsweise auf der Düsseldorfer Ausstellung 1880 die Festigkeit der Zementrohre der Firma C.H. Böcking & Dietzsch in Mallstadt bei Saarbrücken demonstrieren. „In dem betreffenden Apparat wurde ein Probekörper mit Klammern befestigt und in ein Gefäss, das an einem langen ungleicharmigen Hebel hing, so lang Schrot gefüllt, bis der Körper durchriss.“276) Ebenso ausgestellt war ein seit neun Jahren in der städtischen Kanalisation zu Saarbrücken verwendetes Abflussrohr, welches laut Berichterstatter durch seinen guten Erhaltungszustand bestach. Insbesondere in der Abteilung Nahrungs- und Genussmittel war es ein gängiges Werbemittel, die Besucher von den ausgestellten Produkten auch kosten zu lassen.277) Die Ausstellungsmacher und Aussteller taten aber mehr als lediglich neue Technik zu präsentieren und ihren Mehrwert zu versinnbildlichen. In machen Fällen machten sie es dem Publikum möglich, die Neuerungen direkt zu nutzen. Ein bereits zeitgenössisch prominentes Beispiel dafür war neben dem „elektronisch-automatischen Restaurant“ der Berliner Gewerbeausstellung von 1896278) die erste elektrische Eisenbahn, die auf der Industrie- und Gewerbeausstellung 1879 in Berlin installiert und in Betrieb genommen wurde.279) Am 31. Mai eingeweiht, passierte die von der Firma Siemens und Halske betriebene Bahn einen Parcours von 300 Metern.280) Von den Experten als eine technische Innovation geschätzt, bot sich dem Publikum zugleich die Möglichkeit einer Fahrt mit dem Miniaturgefährt. Andere Ausstellungskomitees mühten sich dem Beispiel der Berliner Exposition nachzueifern und versuchten, diese Attraktion auch für die eigene Veranstaltung zu gewinnen.281) „Noch im Alter“, so schrieb der Biograf des Düsseldorfer Industriellen Ernst Poensgen, erinnerte dieser sich an die „große Gewerbeausstellung“ und wie sein „Herz zwischen Krupps großartiger 40-cm-Kanone und Stollwerks zwei Zentner Schokoladenblock geschwankt habe, und wie es endlich der elektrischen ‚Miniatur-Eisenbahn‘ zugeflogen sei.“282)
276)
Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 19. Ebd., S. 134. 278) Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 879. 279) Vgl. Katalog der Berliner Gewerbeausstellung 1879. 280) Max Schiemann, Bau und Betrieb elektrischer Bahnen, Leipzig 1895, S. 12 f.; Werner von Siemens, Die elektrische Eisenbahn auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879, in: Glaser’s Annalen 1879, S. 512–537. 281) Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 54 a: Die erste elektrische Bahn in Düsseldorf auf der Gewerbe-Ausstellung 1880. Schriftwechsel zwischen der Firma Siemens & Halske, Berlin, Julius Boeddinghaus (Ingenieur) Düsseldorf und der Ausstellungsleitung. 282) Hatzfeld, Ernst Poensgen, S. 204. 277)
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Abbildung 9: Elektrische Eisenbahn der Firma Siemens & Halske auf der Berliner Industrie- und Gewerbeausstellung 1879
Die elektrische Eisenbahn und ihr Einsatz stehen für einen Trend, der insbesondere seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Expositionen immer stärker prägte: Vergleicht man die Grundrisse und „Lagepläne“ verschiedener Industrie- und Gewerbeausstellungen, so fällt ein Wandel ins Auge, der die Einübung des Ausstellungsbesuchers in seine Rolle als Konsument noch direkter beförderte, als es der Vergleich verschiedener Waren tat: Immer größere Teile des Ausstellungsgeländes wurden eingenommen von Arealen, in denen der Besucher nicht nur Exponate besichtigen konnte, sondern zudem über zahlreiche Restaurations- und Vergnügungsbetriebe wie auch mittels zum Teil extra eingeworbener Attraktionen in das Ausstellungsgeschehen praktisch involviert war.283) Die nationalen und regionalen Industrieausstellungen kopierten auf diese Weise bereitwillig das „Edutainment“, welches die Weltausstellungen praktizierten.284) „Man verlangt heute von einer Ausstellung im grösseren Stile, dass ein halbjähriges Volksfest mit ihr verknüpft wird, das durch kostspielige Überraschungen und noch nie gesehene Effekte die fremden und einheimischen Besucher an sich locken soll. Wird dieser Forderung nicht genügend Rechnung getragen, so ist die Frequenz unsicher, der Misserfolg so gut wie sichergestellt“, so argumentierte der Ausstellungsbericht 283)
Vgl. dazu Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000, S. 333–338. 284) Vgl. Winfried Kretschmer, Weltausstellungen oder die Erfindung des Edutainments, in: Museumskunde 65 (2000), Heft 1, S. 83–90.
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zur sächsisch-thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung, um den hohen finanziellen Aufwand des Unternehmens zu rechtfertigen.285) Neben dem „Röntgen-Pavillon“, welcher Belehrung und Unterhaltung noch miteinander verknüpfte, wurden Vergnügungsgeschäfte wie eine „Wasserbahn“, die „Blaue Kugel“, das „Spiegel-Labyrinth“, der „Vitagraph“, der „Fesselballon“ oder Carl Hagenbecks „Eismeer-Panorama“ von privaten Unternehmern betrieben, die ihrerseits kommerziell erfolgreich arbeiten mussten.286) In der populären Literatur versuchten insbesondere humoristische Genreskizzen Witz daraus zu gewinnen, dass sie den Besuch der Ausstellungen als ein fortwährendes Essen, Trinken und Amüsement beschrieben und den jeweiligen „Helden“ der Erzählung von den Neuerungen von Industrie und Technik wie vom Alkohol berauscht die Exposition erleben ließen.287) Neben dem wichtigsten Bestandteil der Vergnügungsareale, den Restaurationen und Kneipen verschiedenster Art und Ausstattung, waren zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten integriert, deren Bandbreite überaus groß war und von (Wasser-)Rutschbahnen, Kasperle-, Marionetten- und Kinematographentheatern über Hippodrom, Taifunrad, Schießbuden, Fesselballons und Rodelbahnen reichte. Dabei verband sich in vielen Fällen die Demonstration neuer technischer Entwicklungen mit der den Besuchern gebotenen Vergnügung. Auf der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 war dem „Vergnügungspark“ eine Fläche von 70 000 der insgesamt 900 000 Quadratmeter eingeräumt worden288), auf denen beispielsweise die (einer modernen Rolltreppe vergleichbare) „Stufenbahn“ nicht nur dem Amüsement der Besucher diente, sondern zugleich eine neue Form der elektrischen Kraftübertragung für öffentliche Verkehrsmittel vorführen sollte.289) Eine Attraktion war die elektrische Turmbahn, bei welcher ein Fahrkorb die Besucher in ein 60 Meter hoch gelegenes Turmrestaurant beförderte.290) Auch Wasserbahn und Aussichtsturm dienten dem doppelten Zweck von Vergnügung und Demonstra-
285) Illustrierte Chronik der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung Leipzig 1897, hrsg. von dem geschäftsführenden Ausschuß der Ausstellung, Leipzig 1899. 286) Hochmuth, Problem, S. 148. 287) Vgl. exemplarisch Heinrich Marie Hoster, Herr Antun Meis. Tillekatessen-Händler und Kaufmann aus Köln, auf der Düsseldorfer Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1889, 5. Aufl. Köln/Leipzig 1880; Wächters, Gewerbe- und Kunstausstellung. 288) Zu den Flächen und den jeweiligen Größenverhältnissen vgl. Paul Thiel, Berlin präsentiert sich der Welt. Die Treptower Gewerbeausstellung 1896, in: Jochen Boberg (Hrsg.), Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert, München 1986, S. 16–27, S. 20. 289) Attraktionen und Vergnügungsparks waren ein beliebter Gegenstand der Berichterstattung in Familien- und Unterhaltungszeitschriften. Vgl. zum Beispiel die Berichterstattung der Berliner Illustrirten Zeitung während der Berliner Ausstellung. Vgl. zu ähnlichen Trends auf den Weltausstellungen Judith A. Adams, The Promotion of New Technology through Fun and Spectacle. Electricity at the World’s Columbian Exposition, in: Journal of American Culture 18. 2. (1995), S. 45–55. 290) Vgl. Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Die Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Bildern, Berlin 1997, S. 22.
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tion technischer Leistungsfähigkeit.291) Besonders effektvoll waren diese auf Grund ihrer eigenartigen Präsentation: Technische Neuerungen wurden transformiert in Vehikel und Mechanismen, die von allen gesehen, genutzt und in ihrer Anwendung verstanden werden konnten. Zugleich wurden ihre Sicherheit und ihre kommerzielle Nutzbarkeit damit demonstriert. Der Kontext erlaubte es zugleich, die neue Technik in einer entspannten Atmosphäre zu erfahren, die das Versprechen beinhaltete, dass der Fortschritt dem Menschen zum Vergnügen und darüber hinaus dienstbar sein werde.292) Einen Höhepunkt der Entwicklung eines Vergnügungsgeschäftes in Deutschland markierte die laut Eigenwerbung „größte Sehenswürdigkeit auf der Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1902“. Unter dem Titel „Suldenthal und Zillerthal“ hatte die Firma Boswau & Knauer mittels ephemerer Berg- und Gebäudeattrappen sowie großformatiger Panoramen eine künstliche Landschaft gestaltet. Das Ziel war es, „Tirol, wie es leibt und lebt, an den Ufern des Rheins“ sicht- und erlebbar zu machen.293) In teils gemalten, teils plastisch aufgebauten Bergprospekten wurde der Besucher in eine künstliche Berg- und Talfahrt versetzt, zunächst mittels eines Personenwagens und eines Aufzugs auf eine Aufsichtsplattform gehievt, um dann auf einer „lustigen Rutschbahn (welche zu benutzen auch unser Kronprinz und mancher hohe Staatswürdenträger nicht verschmähten),“ an verschiedenen Panoramen der Tiroler Hochalpen vorbei- und zu einem unterirdischen, künstlich beleuchteten See geführt zu werden.294) Ähnliche Schaustellungen und Vergnügungsmöglichkeiten prägten das Erscheinungsbild der großen allgemeinen Expositionen bis zum Ersten Weltkrieg und tauchten danach in unterschiedlicher Gewichtung wieder auf. Von der Seite der jeweiligen Ausstellungsleitung versuchte man, den Anschein von Seriosität und Ernsthaftigkeit des Unternehmens nicht durch einen ausgedehnten Vergnügungspark zu gefährden und alles „jahrmarktmäßige, der oberflächlichen Vergnügungssucht der großen Menge Dienende zu vermeiden“.295) Auch die offiziös-seriöse Berichterstattung folgte diesem Muster: Obschon, so betonte das Centralblatt der Bauverwaltung, „der Grundzug der Düsseldorfer Ausstellung vornehmen und ernsten Gepräges ist“, so sei es doch auch hier notwendig gewesen, „nach den Stunden ernster Arbeit, welche in besonderer Weise hier mit der Besichtigung mit der Ausstellung verbunden ist,“ Gelegenheit „zur Ausspannung, Unterhaltung und zu edleren Vergnü291)
Lindenberg, Pracht-Album, S. 190. Adams, Promotion, S. 45–55. 293) Vgl. Suldenthal und Zillerthal. Ein Ausflug in die Tiroler Hochalpen, Düsseldorf 1902, S. 3. Eine kleinere Fassung dieses Panoramas war bereits auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 zu sehen gewesen. Vgl. die Hinweise von Friedrich Naumann, Ausstellungsbriefe, Berlin 1913, S. 12. 294) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 219; Fils, Weltausstellung. 295) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 211; vgl. auch Berlin und seine Arbeit, S. 879. 292)
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gen“ zu bieten.296) De facto aber kalkulierten die Organisatoren durchaus darauf, dass die Ausstellung nicht nur wegen ihrer lehrreichen Seite, sondern gerade wegen des zu erwartenden Vergnügens zum Anziehungspunkt für große Kreise des Publikums wurde. Auch die Verbindung von Industrie- und Gewerbeausstellungen mit Expositionen der Kunst motivierte sich zum Teil aus eben diesen Gründen. Bereits die französische Regierung hatte 1798 den Produkten der Industrie und des Gewerbes eine Bilderausstellung zur Seite gestellt, um auf diese Weise das Publikumsinteresse anzuregen.297) „Eine so ernste Ausstellung, wie sie die Bauausstellung ist, ließ erwarten, daß die Einnahmen weit hinter den Ausgaben zurückblieben würden“, so überlegten die Veranstalter der Bauausstellung in Dresden 1900. „Wahrlich, nicht leichten Herzens haben die Veranstalter der Ausstellung sich entschlossen, das bekannte Jahrmarkttreiben“ weiterzuführen. Um „das Werk überhaupt lebensfähig zu machen“, setzten die Veranstalter hinzu, „neben dem Ernste war auch der Heiterkeit, dem Vergnügen, Spielraum zu gewähren, ist es das letztere doch, was eine Großstadtbevölkerung unfehlbar anzieht.“298) Nur kleinere Kunst- oder Kunstgewerbeausstellungen verzichteten vollständig auf eine kommerzielle Ergänzung.299) Insbesondere den großen Expositionen dienten die Vergnügungsgeschäfte dazu, andere Ausstellungsteile mit zu finanzieren oder doch für eine insgesamt ausreichende finanzielle Deckung zu sorgen.300) In der Regel waren die Ausstellungsleitungen darum bemüht, für eine gute Restauration zu sorgen, Unterhaltung zu schaffen und entsprechende Angebote in die Gesamtveranstaltung einzubinden:301) Als „Unser nasses Dreieck“ taufte die Berichterstattung über die Ausstellung 1902 in Düsseldorf eine Ansammlung verschiedenster Restaurations- und vor allem Schankbetriebe, die
296)
C. Peiffhoven, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1902 VI., in: Centralblatt der Bauverwaltung Nr. 52, S. 321–323. 297) Vgl. Weber-Felber, Manifeste, S. 107. 298) Anonym, Die Deutsche Bauausstellung in Dresden, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 20 (1900), Nr. 66, S. 400 f. 299) Vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 136. 300) Vgl. zum Beispiel die Berechnungen der Ausstellungsorganisatoren der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung 1902, die sich Gewinnprovisionen nicht nur an der Bergwelt Suldenthal und Zillerthal, sondern auch am Vergnügungspark, den Marineschauspielen, an der Kairostraße sowie am nubischen Dorf gesichert hatten. Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 219 ff. 301) Vgl. Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 41–45, hier S. 41 f.: „Man kann den Besuchern die schönsten und ausgezeichnetsten Sachen zeigen, sie werden keine rechte Freude finden, wenn sie durch ein schlechtes Mittagessen empört und verbittert sind […]. Das Restaurationswesen ist wirklich ein sehr wichtiges Ding für eine Ausstellung, dessen gute oder schlechte Einrichtung den materiellen Erfolg des Unternehmens nicht unwesentlich direkt und indirekt tangiert.“
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für „reichlich Bierquellen“ und Verköstigung sorgten.302) Auch das „das dritte grosse Feuerwerk“, so berichtete die Düsseldorfer Ausstellungszeitung 1902, bedeutete für die Ausstellung wiederum einen vollen Erfolg, hatten sich doch 29 013 zahlende Besucher und 23 481 Abonnenten eingefunden, um das Schauspiel anzuschauen. „Die Mülheimer Dampfschiffahrts-Gesellschaft hatte Korsofahrten auf dem Rheine arrangiert.“ Mit Bravorufen reagierte laut offizieller Ausstellungspostille das Publikum auf die Bildnisse des Kaisers und der Kaiserin sowie auf den Schriftzug ‚Navigare necesse est‘, die die Pyrotechniker an den Nachthimmel projizierten.303) Neben der Gestaltung der Gartenanlagen und der Lösung verkehrstechnischer Anforderungen avancierten die Restauration und die Organisation von öffentlichen Festivitäten und Aufführungen zu den wichtigsten Punkten des Ausstellungsbetriebs, für welche die Organisatoren der großen Expositionen sogar eigene Komitees einrichteten. Abgehalten wurden öffentliche Orchesterwettbewerbe, Kostümfeste, Theater- und Zirkusdarbietungen, Marineschauspiele und zahlreiche andere Festivitäten.304) Diese Inszenierungen und Spektakel wurden in bestimmte Aussagen eingewoben. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts waren es vor allem, wie oben bereits angedeutet, Marinespiele, die eine entsprechende Anziehungskraft ausübten. Nicht nur in Düsseldorf 1880 und 1902, sondern auch (und vor allem) in Berlin 1896 galt die Vorführung von Seeschlachten als eine besondere Attraktion. Wo es nicht gelang, tatsächliche Kriegsschiffe in die Ausstellung zu bekommen, dort mussten Modellboote oder umgebaute kleinere Personenschiffe deren Part übernehmen. Zeitgenossen berichteten von drei Akten des Marinespiels im „wilhelminischen Disneyland in Berlin Treptow“.305) „Die Lebhaftigkeit dieser Bewegungen und dieses Kampfes der Feuerschlünde ist wirklich geeignet, Kennern wie Laien das Blut fiebernd gegen die Schläfe zu treiben“, so äußerte sich Wilhelm II. zur dargebotenen Seeschlacht.306) Prosaischer berichteten andere Zeitgenossen über die Illusion „siegreicher Schlachten“, die fünf bis sechs Mal am Tag zum Preis von fünfzig Pfennig biertrinkend am Ufer erlebt werden konnten.307) „Pro Patria est, dum ludere videmur“ – Wir scheinen zu spielen und arbeiten für das Vaterland, so das Motto des Begleitheftes zu den Marinespielen. Ein zeitgenössischer Kommentar lieferte die Deutung für die aufwändige Inszenierung gleich mit: „Hier gilt es den im Grunde genommen weltscheuen mitteleuropäischen Schollen302)
DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 6 vom 7. Juni 1902, S. 214 f. 303) Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 216. 304) Vgl. zum Beispiel die Schilderung einer Festivität mit dem Titel „Orientalische Nacht“ bei Kerr, Berlin, S. 162 f. 305) Thiel, Berlin, S. 23. 306) Das persönliche Regiment. Reden und sonstige öffentliche Äußerungen Wilhelms II. Zusammengestellt von Wilhelm Schröder, München 1907, S. 96. 307) Vgl. Kerr, Berlin, S. 154 ff.
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menschen ein Schauspiel zu geben, damit sie ein Bild dessen gewinnen, wie heutzutage die Welt beherrscht oder auch erschlossen wird. Diese riesigen Monitors [Panzerschiffe, T.G.] sind der Schlüssel der nationalen Macht und Freiheit.“308) Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung ist eine zweite Tendenz zu verorten, die mit dem wachsenden Anteil von Amüsement, Vergnügung und Spektakel auf einer Linie lag: In Vorbereitung der Düsseldorfer Ausstellung von 1880 rechneten die Veranstalter damit, dass die Ausstellung für die Besucher nicht nur als Bildungsreise attraktiv war, sondern auch als Möglichkeit des Urlaubs und der touristischen Reise genutzt wurde. Das Vorbereitungskomitee setzte nicht nur die Rheinromantik zu Werbezwecken ein, sondern wählte auch das Veranstaltungsgelände danach aus, dass von dort aus eine gute Anbindung an das Zentrum, an Hotels und Vergnügungsetablissements gewährleistet war.309) Für einen Großteil der Industrieexpositionen, wie man sie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts abhielt, wurden Führer durch die Ausstellung gedruckt, die zugleich mit den Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Umgebung bekannt machten und Rundgänge bzw. Rundreisen dazu empfahlen.310) Um den Besuch der Berliner Gewerbeausstellung 1896 zu befördern, war mit der Courier Reise-, Hotel- und Verpflegungsgesellschaft ein Tourismusunternehmen gegründet worden, welches in Kompaktreisen Ausstellungsbesuche und Stadttourismus kombiniert vermarktete.311) Vor allem im letzten Jahrhundertdrittel warben Veranstalter und Ausstellungsmacher im Vorfeld ihrer Veranstaltungen offen damit, dass insbesondere das am Veranstaltungsort ansässige Gast- und Tourismusgewerbe von der Ausstellung profitieren werde.312) Wo das Innere der Industrie- und Gewerbeausstellungen das Versprechen in sich barg, einen touristischen Zugang wenn nicht zur Welt, dann wenigstens zu fernen Kontinenten und Völkern, zu historischen Städten und Stätten wie auch zu zukünftigen Szenarien zu verschaffen, dort
308)
Ottomar Beta, Die Marine-Schauspiele, in: Albert Kühnemann (Hrsg.), Groß-Berlin. Bilder von der Ausstellungsstadt, o. O. o. J. [Berlin 1897], S. 266 f. 309) Vgl. Hüttenberger, Industrie- und Verwaltungsstadt, S. 44 ff. 310) Vgl. zum Beispiel – um nur einige Publikationen mit deutlicher Zielrichtung auf den Tourismus zu nennen – Kleiner Führer durch die Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, Düsseldorf 1902; Allgemeine Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover für das Jahr 1878, Hannover 1878. Selbst in kleineren Ausstellungsunternehmungen ist diese Dimension mitbedacht, vgl. die „Touren in den Wald“ und die Umgebung, die in dem Katalog der Lippischen Gewerbeausstellung in Detmold 1881, Detmold 1881, beschrieben werden. 311) Vgl. Uwe Müller/Frank Zschaler, Weltstadt von Industrie und Gewerbe. Die Berliner Wirtschaft und die Gewerbeausstellung von 1896, in: Bezirksamt Treptow zu Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 29–48, S. 41. 312) Huber, Ausstellungen, S. 15 f. Vgl. auch DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 14 vom 10. Juni 1902, S. 495–499, „Von Mainz bis Düsseldorf“, zu den finanziellen Hintergründen vgl. die Erwägungen zu einer letztlich nicht realisierten Industrie- und Gewerbeausstellung in Köln: Erlecke, Finanzen.
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waren auch die Reise zum Veranstaltungsort wie auch der Besuch der Exposition als touristische Reise konzipiert.313) Schaut man auf das Verhältnis der beiden Ausstellungspole „Vergnügung“ und „Belehrung“, so hatte die Entwicklung in Deutschland durchaus einen anderen Weg genommen, als er in der internationalen Ausstellungskultur durch die Weltausstellungen vorgezeichnet oder in den späteren nordamerikanischen Nationalausstellungen praktiziert worden war. Auf der Pariser Weltausstellung von 1867 war zum ersten Mal ein von der Hauptausstellung strikt abgetrenntes Terrain eingerichtet worden, welches einen DoppeldeckerFesselballon, Ausflugsfahrten auf der Seine und unzählige Restaurants zur Unterhaltung bereithielt. Auf der Weltausstellung in Philadelphia 1876 wurde die Amüsierzone als „Shantyville“ bekannt und bestand aus „more than a mile of ramshackle restaurants, saloons, amusements booths, beer gardens and small hotels just outside the fair grounds.“314) In diesem Fall hatten die Ausstellungsoffiziellen ihr Monopol behauptet und die Stadtverwaltung dazu bewegen können, alle an das Ausstellungsgelände angrenzenden „wilden“ Vergnügungsstände zu verbieten und abzubrennen. Schon auf der Weltausstellung von Chicago waren die Vorbehalte aber aufgegeben worden. Die Ausstellung „represented a significant shift in the attitudes of elites toward popular culture.“315) Die Gegenüberstellung des offiziellen Ausstellungsgeländes „White City“ und der Amüsierzone „Midway“ wurde gar sprichwörtlich.316) Diese und ähnliche „Counter-Fairs“ zeichneten sich dadurch aus, dass sie streng von der übrigen Ausstellungsfläche abgetrennt und nicht in die Klassifikation der eigentlichen Ausstellung integriert waren. Trotz gelegentlicher Bemühungen der Ausstellungsleitungen, die Amüsierzonen ebenfalls zu didaktischen Zwecken einzuspannen, setzten sich diese auf Dauer als eigenes Genre durch und etablierten sich als Kontrapart: Nicht die Honoratioren und die einflussreichen Industriellen, sondern Schausteller und Zirkusleute vom Rande der Gesellschaft etablierten hier am Abend und in der Nacht eine Fantasiewelt des Vergnügens, die das Tagwerk der offiziellen Ausstellung konterkarierte. Das Publikum war nicht mehr in der Rolle des beeindruckten Zuschauers, sondern war nun eingeladen zu partizipieren. „Order was replaced by jumble, and instruction by entertainment.“317) Schon bei der Weltausstellung in St. Louis 1904 integrierten die Veranstalter die Amüsierzone in das eigentliche Expositionsgelände. „Were the world’s fair midways just for
313) Eine humoristische Skizze des Tourismus und der Touristen bei Kerr, Berlin, S. 158 f. Zur Unterscheidung von externem und internem Tourismus vgl. Geppert, Copies, S. 224 f. 314) Edward McCullough, World’s Fairs Midways, New York 1966, S. 34. 315) Rydell/ Gwinn, Fair, S. 235 f. 316) Vgl. Judith A. Adams, The Form Emerges: The World’s Columbian Exposition, in: dies., The American Amusement Park Industry. A History of Technology and Thrills, Boston 1991, S. 19–40. 317) Benedict, Anthropology, S. 53.
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fun? Hardly. Their development into integral components of the expositions reflected the growing efforts by the upper classes, threatened by class conflict at every turn, to influence the content of popular culture.“318) Diese Form der „Counter-Fair“, die eine Gegenwelt zur offiziellen Ausstellung zu errichten trachtete, ist weder in Deutschland noch in Europa zu beobachten. Auch wenn es, wie zum Beispiel bei der Berliner Gewerbeausstellung 1896,319) gelegentlich Zonen im Ausstellungsgelände gab, die sich ausschließlich auf das Amüsement konzentrieren, so blieben doch auch diese Flächen stärker in die Gesamtausstellung integriert. Parodistische Bezüge auf die Gesamtausstellung sind nicht festzustellen. Allein in öffentlichen Darbietungen außerhalb der eigentlichen Exposition, so zum Beispiel im Düsseldorfer Karneval 1900, existierte eine Gegenöffentlichkeit: Mitglieder einer Künstlergilde gestalteten einen Teil der Festwagen unter dem Motto „Weltausstellung anno 00“ und erklärten diese Aufführung zur „Generalprobe für die Ausstellung 1902“320): Den Zugabschnitt eröffnete die „General-Idee“, welche von dem „General-Direktor“, „General-Sekretär“, „General-Kassierer“, „General-Aktionär“ und dem „General-Defizit“ geleitet wurde. Danach entwickelte sich laut Berichterstattung „in einer Anzahl zum Teil pompöser Wagen“ die Ausstellung selbst. Der „Porta triumphalis“, durch welche die Völker des Erdballs in die Ausstellung strömen sollten, folgten Themenwagen zu „Handel und Industrie“, „Bergbau und Hüttenwesen“ ebenso wie als Zukunftsbild das für die Ausstellung geplante Panorama „Blüchers Übergang über den Rhein“. Der Ausstellungsorganisation gelang es mühelos, diesen Stachel der Kritik in die Selbstdarstellung zu integrieren. „Möge sich dem Ernst der Arbeit, wie er sich in den gewaltigen Leistungen unserer Industrie präsentiert, diese heitere künstlerische Anmut noch lange hinzu gesellen!“, so die offizielle Ausstellungszeitschrift. Insbesondere an der skizzierten Entwicklung der zunehmenden „Disneyisierung“ und Entwicklung hin auf ein Spektakel des Ausstellungswesens im 20. Jahrhundert nahmen Fortschrittskritiker Anstoß.321) Für den „normalen, unverbildeten Menschen“ bestehe, so stellte Werner Sombart 1908 fest, „nicht das geringste Interesse, die von den Geschäftsleuten aufgestapelten Waren sich anzusehen.“ Kaufen wolle man nichts, und auch nur in den seltensten Fällen werde eine Ausstellung dazu animieren, „meine Bartwichse oder meine Strumpfbänder oder meine Stiefel oder meine Federhalter in einem andern
318)
Rydell/Gwinn, Fair, S. 236. Der Vergnügungspark war mit dem Hauptgelände durch zwei Brücken verbunden, von denen eine die „Stufenbahn“ war. Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 879. 320) Hierzu und zum folgenden Passus Düsseldorfer Ausstellungs-Zeitung. Amtliches Organ der Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke, verbunden mit einer Deutsch-nationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1902, Nr. 2, S. 24. 321) Vgl. Gilbert, World`s Fairs, S. 25 ff. 319)
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Geschäfte zu kaufen, als ich es gewohnt bin es zu tun oder der Zufall es fügt.“ Aber, so fährt Sombart fort „- je verrückter, je blöder eine Idee: desto geeigneter erscheint sie heutzutage der Masse suggeriert zu werden.“322) Ohne allen „Sinn und Verstand trottet die Menge in den Ausstellungen umher und starrt blöden Auges bald rechts bald links in die Vitrinen, in denen die Artikel des täglichen Bedarfs ausgestellt sind, die man zu Hause kaum eines Blickes würdigt. Sie schieben sich Sonntags durch die Gänge irgendwelcher Ausstellung und schlagen so ihre Zeit tot, mit der sie Besseres nicht anzufangen wissen, statt sich in Gottes freier Natur zu ergehen oder zu Hause mit den Kindern zu spielen.“
Um diesem Leerlauf innerhalb der Expositionen abzuhelfen, kam man laut Sombart dazu, „die moderne Messe mit einem Vergnügungspark auszustatten, in dem mit Lärm und buntem Gepränge die in die Ausstellungsfalle Hineingeratenen nun einigermaßen (für ihr teures Geld wiederum, aus dem man abermals einen Teil der Kosten bestritt) verlustieret wurden. […] Hier hat Herr Omnibus seine höchsten Triumphe gefeiert. Hier: in dieser wahllosen, aber enormen Häufung von Waren, Menschen und Klimbim.“ Mit dieser Kritik stand Sombart nicht allein, im Gegenteil. Zahlreiche Stimmen aus dem Lager der Zivilisationskritiker pflichteten der Bewertung des Nationalökonomen bei: „Zwar scheint es so, als sei die Zügellosigkeit weniger groß gewesen als bei früheren ähnlichen Gelegenheiten, aber immerhin ist der Eindruck eines solchen Haufens von Lockungen zum Leichtsinn nicht zu unterschätzen“, so fasste Friedrich Naumann seine Eindrücke von der Berliner Gewerbeausstellung 1896 zusammen.323) „Hier zeigt sich eben wieder der Geist der Ausstellungsleitung: was Geld bringt, wird zugelassen, und für Volkserholungen, die weniger einbringen, ist kein rechter Sinn. […] Lichter gab es in Unmasse, aber wenig wirklich geistiges Licht für Herz und Gemüt.“ Schon bald hatte sich in Berlin das Schlagwort vom „großen Jahrmarkt“ durchgesetzt, mit dem man alle Attraktionen und Schaustellungen außerhalb des Hauptausstellungsgebäudes bezeichnete.324) Während die eigentlichen Ausstellungsobjekte in wenigen Gebäuden zusammengedrängt seien, „an denen der Hauptstrom der Besucher oberflächlich vorüberflutet“, machten sich die „Kneipen, Vergnügungsetablissements, Verkaufshallen usw.“ überall breit, so eine zeitgenössisch häufig geäußerte Kritik.325) Ähnlich äußerte sich auch der Berliner Publizist Alfred Kerr: „Zwar Durchschnittsseele [sic!], wie der Schreiber dieser Zeilen, finden am Ende, daß ein plumperer, wüsterer Radau nicht erdacht werden könne als dort stattfindet. Es gibt nichts als Sektpavillons, Tingeltangel, Kneipen und wieder Kneipen, Tingeltangel und Sekt-
322)
Sombart, Ausstellung, S. 254. Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 51. 324) In apologetischer Tendenz vgl. Berliner Illustrirte Zeitung Nr. 42 vom 18. Oktober 1896, S. 3. 325) „Ein Wort der Mahnung“, in: Groß-Berlin. Wochen-Rundschau über die Entwicklung Berlins und der Vororte vom 18. Mai 1896, S. 1. 323)
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pavillons. Aber einige Schaustücke sind doch des Sehens wert“.326) Auch die Berliner Sozialdemokratie schloss sich der Kritik an und konstatierte, dass „die Ausstellung ein Tummelplatz für alle Entartungen der kapitalistischen Welt, ein Pandämonium gedankenloser Spielerei, müßiger Schaulust, hungriger Profitwut, ruchloser Ausbeutung, unverschämter Prellerei, wüster Prostitution, ekelhafter Knechtseligkeit“ sei – „ein Pandämonium, das nach und nach der bürgerlichen Gesellschaft selbst ein gelindes Grauen eingeflößt hat.“327) Rückblickend lässt sich die Funktion der Industrie- und Gewerbeausstellungen jenseits der Sichtweise von (zeitgenössischen wie retrospektiven) „Apokalyptikern“, die damit den Niedergang der traditionellen Werte verbanden, und „Integrierten“, die den breiten Zugang zu allen Kulturgütern öffentlich lobten, analysieren: Die Dokumentation des technisch-industriellen Fortschritts nach enzyklopädischem Prinzip rückte stärker in den Hintergrund. Mit den Vergnügungsparks, Fahrgeschäften, Panoramen und öffentlichen Schauspielen bahnte sich auf den Industrie- und Gewerbeausstellungen der Aufstieg einer Kulturindustrie und insbesondere eines kommerziellen Freizeitangebots an, deren Durchbruch gesamtgesellschaftlich in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts verortet wird.328) Mit Blick auf die Ausbildung der Konsumgesellschaft und speziell der Ausbildung eines Käufertypus war damit ein entscheidender Schritt getan: Zunächst hatte sich im Bürgerlichen und in der diesem verbundenen Sozialgruppe des Bürgertums das Amüsement seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Leitmotiv entwickelt: „Die Redeweise vom Sich-Amüsiert-Haben wird zum Signalwort bürgerlichen Lebensgefühls.“329) Folgt man der Berichterstattung über die Expositionen von Industrie und Gewerbe, so avancierten für breite Kreise des Bürgertums die Ausstellungen zu gesellschaftlichen Ereignissen, die dem Theater-, dem Museumsbesuch oder anderen Freizeitveranstaltungen gleichgestellt wurden.330) Wie die „Wandelhallen des Opernhauses“ nutzten diejenigen, „welche […] nichts lernen, sondern sich nur unterhalten wollen“, die Ausstellung, so Friedrich Naumann zur Exposition in Berlin 1896. „Von ernsthafter Betrachtung ist bei dieser Art keine Rede. Sie haben im Grunde keine Achtung vor der Riesenarbeit, die ihnen entgegenstarrt. Ueberall sehen sie nur den äußeren Schein: reizend, patent, charmant, schneidig!“331) 326)
Kerr, Berlin, S. 168. Arbeiter und Gewerbeausstellung, in: Die Neue Zeit 15 (1896), Bd. 1, S. 1–4, S. 2. 328) Maase, Vergnügen, S. 20 ff. Vgl. Hermann Bausinger, Populäre Kultur zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg, in: Kaspar Maase/Wolfgang Kaschuba (Hrsg.), Schund und Schönheit. Populäre Kultur um 1900, Köln 2001, S. 29–46. 329) Angelika Linke, Sprachkultur und Bürgertum. Zur Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1996, S. 288. 330) In seinen „Genrebild“ charakterisiert der volkstümliche Literat Adolph Brennglas verschiedene Besucher- und Zuschauertypen. Vgl. Brennglas, Gewerbe-Ausstellung. 331) Naumann, Reich, S. 26. Ähnlich, um nur einige, voneinander unabhängige Beispiele zu zitieren, Leipziger Illustrirte Zeitung vom 9. November 1844; Max Eyth, Wanderbuch eines Ingenieurs in Briefen, 2 Bände, Heidelberg 1870, S. 103 ff. 327)
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Zum Ende des Jahrhunderts beschränkte sich dieses Freizeitverhalten nicht mehr auf ein exklusiv bürgerliches Publikum, sondern hatte sich zumindest im städtischen Bereich auf das Massenpublikum ausgedehnt.332) Teile der Industrie- und Gewerbeausstellungen waren ihrerseits zu einem ökonomischen Unterfangen geworden, bei dem durch Vergnügungsparks und Restauration Gewinn erwirtschaftet werden sollte. „Seid willkommen Völkerscharen, aus der Ferne und aus der Nähe“, so knittelte der Kladderadatsch in einem Gedicht zur „Eröffnung der Berliner Gewerbe-Ausstellung“. „Heran, um den Anschauungskreis zu erweitern! Euch hier zu belehren, euch dort zu erheitern, Kommt her – und vergesst nicht das nöthige Geld.“333) Populäre Ratgeber empfahlen dem Besucher, „vor seiner Abreise die Kuponschere kräftiglichst zu handhaben oder einen tiefen Griff in den ‚Familienstrumpf‘ zu tun, in dem die Ersparnisse aufbewahrt werden.“334) Für die Berliner Gewerbeausstellung 1896 wurde errechnet, dass sich bei einem Eintrittsgeld von 50 Pfennigen die Kosten bei Besuch aller Spezialausstellungen auf insgesamt 10 Mark beliefen: „Kairo, AltBerlin, Kolonialabtheilung, Kaiserschiff, Alpenpanorama, Marineschauspiele, Riesenfernrohr, Vergnügungspark – all das kostet besonderes Geld.“335) Mit dieser Preisgestaltung hatte beispielsweise die Berliner Gewerbeausstellung 1896 Sensationslust und Kaufakt auf subtile Weise verknüpft, wie der Soziologe Georg Simmel beobachtete: „the return to the main motif, amusement, is more effectively achieved by having to make a small sacrifice, which overcomes one’s inhibitions to indulge, than if a higher entry price, giving unrestricted access, was charged, thereby dyeing that continous small stimulation.“336) Breite Schichten der Bevölkerung übten sich auf den Industrie und Gewerbeausstellungen darin ein, auf dem Markt der Angebote von Massenkultur und Freizeitindustrie auszuwählen und zu konsumieren. Wo die Teilhabe an kultureller Praxis zunächst unter der Kuratel von Kirche, Schulen und Volksbildungsorganisationen gestanden hatte, bedeutete die Einbeziehung der so genannten unteren Schichten in den Kultur-Warenmarkt „einen revolutionären Durchbruch“.337) Dass der Durchbruch der Massenkultur gleichzusetzen sei mit einer „Befreiung von bürgerlicher Vorherrschaft“ und damit einhergehender „Massendemokratisierung“338), wie Maase folgert, geht sicher zu weit.
332)
Vgl. dazu Wolfgang Kaschuba, Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert, München 1990, S. 21–23; Günther Huck (Hrsg.), Sozialgeschichte der Freizeit, Wuppertal 1980. 333) Die Eröffnung der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: Kladderadatsch (19) Nr. 18 vom 3. Mai 1896. 334) Kraft, Beherzigung. 335) Ebd. 336) Georg Simmel, The Berlin Trade Exhibition, in: Theory, Culture & Society 8 (1991) H. 3, S. 119–123, S. 119 f. 337) Maase, Vergnügen, S. 17. 338) Ebd., S. 16. „Massendemokratisierung“ zunächst bei Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 5. Auflage 1972, S. 862.
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Auf jeden Fall aber entwickelten sich die Auswahl, das Kaufen und das Konsumieren zu einer weit verbreiteten Alltagspraxis. Es bildete sich ein Käufertypus, der subjektives Wahlbewusstsein gegenüber einer möglichen Fremdversorgung entwickelte, welches sich idealer Weise im zweckrationalen Vergleich zwischen den Qualitäten der vor ihm liegenden Angebote entschied. Dem korrespondierte auf der Angebotsseite eine zunehmende Aufweichung oder Aufhebung möglicher, meist ständischer Konsum- und Kaufbeschränkungen, wie sie beispielsweise in Kleider- oder Luxusordnungen, aber auch durch merkantil inspirierte Ex- und Importverbote errichtet waren. Diesen Zwängen enthoben entwickelten sich neue, vor allem schicht- und geschlechtsspezifische Rollenstereotype des Konsumenten.339) Die Geschichte des Konsumierens und des Konsumenten in Deutschland ist noch nicht geschrieben, Interpretationsangebote in Form von Periodisierungen gibt es allenfalls aus der amerikanischen und englischen Forschung, die allerdings weniger hinsichtlich ihres zeitlichen Ablaufs, sondern vor allem wegen ihrer Entwicklungsstufen hilfreich sind. Mit Blick auf den Zusammenhang von „Konsum und Bürgerstatus“340) setzte sich von einem „Zeitalter des höfischen Konsums“ – dem ersten Großmodell, in dem sich die politische Ideologie auch von der Praxis des Konsums ableitete341) – ein Konsummuster ab, in dem der „geächtete Verbraucher“ und vor allem die „geächtete Verbraucherin“ neben dem „asketischen Staatsbürger“ standen. Der männliche Bürger, so ist für England und für Frankreich gezeigt worden, distanzierte sich auch über eine zurückhaltend-maßvolle Praxis des Konsums von dem geckenhaften, verschwenderischen Gegenbild des Aristokraten, um auf diese Weise seine Berechtigung zur Übernahme der politischen Herrschaft zu demonstrieren.342) Insbesondere die Frau galt hingegen als durch das Warenangebot verführbar und moralisch gefährdet. Erst seit den 1860er Jahren entwickelte sich insbesondere in den USA ein Konsummodell, in dem neben dem Topos von dem „geächteten Konsumenten“ auch der „aktive Verbraucher“ zugleich mit der Wahrnehmung demokratischer Rechte verbunden wurde, „damit koexistierte eine positive Beurteilung des Verbrauches als eines aktiven Agenten der Demokratisierung.“343) Für Deutschland ist eine solche Periodisierung noch nicht erarbeitet. Im Vergleich zur englischsprachigen Welt sind vielfältige Modifizierungen vorzunehmen, die hier nur mit Bezug auf die Industrie- und Gewerbeausstellungen 339)
Vgl. mit besonderer Betonung der geschlechtsspezifischen Implikationen des Konsums D. Cheal, Social Construction of Consumption, in: International Sociology 5 (1990), S. 299–317. 340) So die zentrale Untersuchungsperspektive von Victoria de Grazia, The Sex of Things: Gender and Consumption in Historical Perspective, Berkeley 1996, S. 277. 341) Vgl. Rosalind Williams, Dream Worlds: Mass Consumption in late NineteenthCentury France, Berkeley 1982; insgesamt dazu Sheryl Kroen, Der Aufstieg des Kundenbürgers? Eine politische Allegorie für unsere Zeit, in: Prinz, Weg, S. 533–564. 342) Vgl. Kroen, Aufstieg, S. 538. 343) Ebd., S. 544.
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und ihren Beitrag zur Konsumgeschichte entwickelt werden können: Die Industrie- und Gewerbeausstellung war ein Schrittmacher auf dem Weg in die Konsumgesellschaft. Die Vorführung von Maschinen und ihren Produkten, Wettbewerbe zwischen Anbietern ähnlicher Produkte, wissenschaftliche Prüfungen dienten ebenso wie die Verköstigung von Proben oder die Teilnahme an Lustbarkeiten und Vergnügungen dazu, die kulturelle Praxis des Konsums einzuführen. Dies trifft bereits für die frühindustriellen Ausstellungen zu, welche den vormals exklusiv höfischen Geschmack in eine bürgerliche Mittelschicht zu transportieren suchten. Die Inszenierung der Dinge und die Strategie zur Einbeziehung des Konsumenten steigerten sich seit der Jahrhundertmitte unter dem Einfluss der ökonomischen Entwicklung wie auch der Möglichkeiten des Mediums, welche durch die lange Kette der Weltausstellungen vorgeführt wurden: Mit der Anhäufung von Lebensmitteln, Luxuswaren und vor allem commodities wurde eine Überflussgesellschaft visualisiert, an der zunächst alle Ausstellungsbesucher und darüber hinaus alle Gesellschaftsmitglieder teilhaben könnten. Die Beteiligung an Zeremonien, der Kauf von Souvenirs und der Konsum von Annehmlichkeiten und Vergnügungsangeboten kreierten einen Markt im Kleinen und inszenierten diesen als Teil einer zugänglichen und allgemeinen populären Kultur. Sie machten damit Partizipationsangebote an verschiedene Sozialformationen der Bevölkerung: Den unteren Schichten, auf die in ähnlicher Form seit der Jahrhundertwende auch ein bestimmtes Segment von Warenhäusern zielte, suggerierte man die allgemeine Zugänglichkeit der Warenwelt und belegte diese mit emotionalen Gehalten. Dem Bürgertum gegenüber legitimierte man den Konsum und die Partizipation an der Freizeitindustrie als durchaus standesgemäß: Wer wollte schon dünkelhaft zurückstehen, wenn selbst der Kronprinz die Rutschbahn in der Pappmaché-Bergwelt der Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1902 hinuntersauste? Mit diesen und anderen Inszenierungen etablierten die Ausstellungen eine Konsensvision für alle Beteiligten an der Industrie- und Gewerbeausstellung. Der Konsum wurde als für alle verfügbar vorgestellt, jenseits von Klassen und Schichten, fernab von politischen und sozialen Verteilungskämpfen. Gleichzeitig aber wurden einzelne Warenelemente und Konsumpraktiken wiederum zu Medien der Unterscheidung zwischen den Geschlechtern, Statusgruppen und Schichten der Gesellschaft.
V. Vom „königlichen Gebäude“ zu „Glaspalast“ und „Märchenschloss“ – Kommunikation durch Architektur Im Anschluss an Walter Benjamins Diktum von den (Welt-)Ausstellungen als „Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware“344) hat sich eine spezifische Interpreta-
344)
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V. Kommunikation durch Architektur
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tion des modernen Expositionswesens und seiner baulichen Gestalt etabliert, welche vor allem – und mit gutem Recht – auf die Warenästhetik abhebt: Im Gefolge der „Great Exhibition of Things“345) waren die Industrie- und Gewerbeausstellungen dazu konzipiert, die in ihnen gezeigten Produktionsmittel, Produkte und visualisierten Dienstleistungen auf das Beste zur Geltung kommen zu lassen. „Den schönsten Schmuck […]“, so konstatierte der Berichterstatter über die Münchener Gewerbeausstellung von 1854, „konnten nur „die Ausstellungsgegenstände selbst bilden.“346) Beschränkt man die Interpretation der Ausstellungen allerdings auf diesen Aspekt, so verfehlt man die von den Veranstaltern mit intendierte und von Zeitgenossen zum Teil breit diskutierte Architektur als wichtigen Bestandteil des Expositionsgeschehens. Auch das Münchner Komitee für die Industrieund Gewerbeausstellung 1854 hat diesen Aspekt keinesfalls hintenan gestellt, sondern im Gegenteil das „eben so großartig entworfene als mit vollendeter Meisterschaft ausgeführte Ausstellungs-Hauptgebäude“ eigens betont. Veranstalter, Architekten und Ingenieure versuchten in den ephemeren Bauten der Industrie- und Gewerbeausstellungen ein eigenes ästhetisches Programm zu befördern, um die Gesamtwirkung der Veranstaltung zu unterstützen. Es galt, das Interesse des breiten Publikums ebenso zu wecken und zu fesseln wie das der Fachwelt und der Experten. Da die Ausstellungsbauten nicht für die Dauer bestimmt und frei von konventionellen Nutzungsansprüchen waren, entfaltete sich in den Expositionen die Experimentierlust umso ungehinderter.347) Ebenso wie sie zu „Bauten der Werbung für die Massengüter der industriellen Warenproduktion“ wurden, avancierten die Ausstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch zu „schöpferischen Exponenten des Baubetriebs“ und zu „Versuchsstellen des industriellen Bauens“.348) Insbesondere die großen Ausstellungen avancierten zu „Foren der Erprobung und Repräsentation formaler und konstruktiver Innovationen“349), so dass die Expositionen gar zu einem Leitmedium der allgemeinen Architektur avancierten.350) 345)
Richards, Culture, S. 17–73. Vgl. Amtlicher Bericht München, S. 74. 347) Vgl. Georg Maag, Kunst und Industrie im Zeitalter der ersten Weltausstellungen. Synchronische Analyse einer Epochenschwelle, München 1986, S. 99. 348) Sigfried Giedion, Space, Time and Architecture. The Growth of a New Tradition (The Charles Eliot Norton Lectures), Cambridge 1941, S. 36; Maag, Kunst, S. 100; Haltern, Weltausstellung, S. 166. Vgl. Giselher Hartung, Aktuelle Aspekte früher Eisenkonstruktionen, in: Buddensieg (Hrsg.), Künste, S. 180–185. 349) Vgl. Paul Sigel, Exponiert: Deutsche Pavillons auf den Weltausstellungen, Berlin 2000, S. 16. 350) Giedion, Space, S. 227–288; Alfred Messel, Ausstellungsbauten, in: Handbuch der Architektur, 4. Theil, 6. Halbband, Heft 4: Gebäude für Sammlungen und Ausstellungen, Darmstadt 1893, S. 472–534; Franz Jaffé, Ausstellungsbauten, in: Handbuch der Architektur, 4. Teil, 6. Halbband, Heft 4: Gebäude für Sammlungen und Ausstellungen, Stuttgart ²1906, S. 559–744; Ciré, Ausstellungsbauten; Wolfgang Schütte, Die Idee der Weltausstel346)
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Im Folgenden steht nicht eine in sich isolierte Geschichte der Entwicklung, Ausdifferenzierung und Neuentfaltung architektonischer Konzepte und Schulen im Vordergrund. Dieser „Gänsemarsch der Stile“, der sich vorrangig an der gereihten Interpretation einzelner Bauwerke orientiert, ist Gegenstand einer Architekturgeschichtsschreibung im engeren Sinne.351) Interpretiert man die soziale Praxis des Ausstellens und des Sehens der Ausstellung als eine Form der kulturellen Weltdeutung und -aneignung, dann muss eine Analyse der räumlichen Expositionsgestaltung darüber hinaus ihren symbolischen Wert aufzeigen, in dem sie kunst- und architekturhistorische Forschungen mit zeitgenössischen Deutungen kombiniert.352) Die Anordnung von Bauwerken und deren Architektur gestaltete den Rahmen für den Ausstellungsbesuch sowie für alle auf Partizipation angelegten Aktivitäten. Die ephemeren Bauwerke waren tragende Elemente in der Formung und Strukturierung der Ausstellungsöffentlichkeit.353) In der Expositionskultur wie auch allgemein hatte und hat der Symbolwert von Architektur weitreichende identitätsbildende und identitätsversichernde Funktionen. Die besondere Aufmerksamkeit der Ausstellungsorganisatoren und -macher galt neben der Gesamtanlage vor allem dem jeweiligen Hauptgebäude, welches in den frühen Jahren noch die gesamte Ausstellung in sich aufnahm, später aber den Mittelpunkt einer ausgedehnten, meist in zahlreichen Pavillons realisierten Exposition bildete.354) Dem Hauptgebäude sowie den zentralen Ausstellungshallen wie etwa der Industrie- oder der Maschinenhalle, darauf hat der Anthropologe Burton Benedict aufmerksam gemacht, unterlag eine symbolische Struktur, welche für die Ausstellung selbst stand.355) Dem Hauptgebäude kam deshalb eine besondere Stellung zu, weil es nicht nur die Exponate aufnahm, sondern zusätzlich der Repräsentation diente. In ihm war in der Regel ein Ehren- und Empfangssaal integriert, der sich „zu-
lung und ihre bauliche Gestaltung. Eine gebäudekundliche Studie als Material zu einer Baugeschichte des 19. Jahrhunderts, Diss. Ing. Technische Hochschule Hannover 1945. 351) Vgl. Erich Schild, Zwischen Glaspalast und Palais des Illusions. Form und Konstruktion im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1967; kritisch zur skizzierten Arbeitsweise Klaus Jan Philipp, Gänsemarsch der Stile. Skizzen zur Geschichte der Architekturgeschichtsschreibung, Stuttgart 1998. 352) Die Rezeption in Fachkreisen wurde ermittelt anhand von Stephan Waetzold (Hrsg.), Bibliographie zur Architektur im 19. Jahrhundert. Die Aufsätze in den deutschsprachigen Architekturzeitschriften 1789–1918, Nendlen 1977. 353) Mit Rückgriff auf Bourdieu und für das Museum, aber ganz auf die Hochkultur konzentriert ist die Studie von Rooch, Museum. 354) Das enzyklopädische Prinzip des Hauptgebäudes, in dem man in den frühen Weltausstellungen alle Exponate in einer Räumlichkeit unterzubringen suchte, wurde auf der Ebene der Weltausstellungen bereits 1876 durchbrochen, als man sich in Philadelphia erstmals dazu entschied, anstelle eines gemeinsamen großen Palastes für jede der ausstellenden Nationen einen Pavillon zu bauen. Die Pariser Exposition Universelle de 1878 griff zwei Jahre später dieses Prinzip auf und errichtete die so genannte Rue des Nations. 355) Vgl. Benedict, Anthropology, S. 13.
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gleich zur Abhaltung der Feierlichkeiten bei der Eröffnung der Ausstellung und bei der Vertheilung der Preise“ eignen sollte.356) Besondere Sorgfalt verwandte man ebenfalls auf die Maschinen- bzw. auf die Industriehalle, die zum Teil der Haupthalle angegliedert war, sowie in späteren Jahren auf die Gestaltung der Restaurations- und Vergnügungsstätten.357) In diesen Attraktionen wurde das architektonische Programm besonders aufwendig realisiert. Dass der Zusammenhang von Architektur und Raumaneignung in den Ausstellungen nicht akademisch konstruiert, sondern zeitgenössisch als solcher erfahren und gedeutet wurde, zeigen die lebhaften öffentlichen Diskussionen: Bilder der Haupthallen von Expositionen und hervorstechender Bauwerke waren ein beliebtes Motiv von Familienblättern und anderen illustrierten Zeitschriften. Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts gehörten die ephemeren Bauten zu den beliebtesten Darstellungen auf Postkarten und wurden zunächst mit einem Porträt des jeweiligen Landesherrn, später mit stilisierten Arbeiterfiguren kombiniert dargestellt.358) Der für die deutsche Rezeption der ersten Weltausstellung wichtige Journalist Lothar Bucher bemerkte, dass „auf alle diejenigen“, die den Kristallpalast gesehen hatten, „der Bau einen solchen Eindruck romantischer Schönheit [machte], daß Reproduktionen des Palastes an den Wänden von Gehöften in entlegenen deutschen Dörfern zu sehen waren.“359) Einen Einschnitt auf dem Feld der Ausstellungsarchitektur und ihrer Rezeption markiert (wie in vielen weiteren Feldern auch) die Great Exhibition, ist doch der Londoner „Kristallpalast“ das bis heute wirkungsmächtigste Symbol für die Ausstellungsarchitektur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Dem von Joseph Paxton für die Weltausstellung 1851 ausgeführten Bau wird zugeschrieben, die räumliche Wahrnehmung und „das Sehen verändert“ zu haben:360) ein fünfschiffiges Glashaus mit eingezogenen Galerien, ursprünglich gänzlich flach gedeckt, wenn auch die Deckenquerschnitte im Zickzack, als Grate und Rinnen ausgebildet waren. Samt und sonders sollte es aus wenigen, vielfach wiederholbaren industriellen Komponenten bestehen, beliebig addierbar, montier- und demontierbar. Stützen und Träger waren aus Eisen, die oberen Außenwände mit Glastafeln geschlossen, so groß wie die Glashütten sie damals gießen konnten. Nicht nur die Bauteile mussten neu entwickelt werden, sondern auch die Maschinen, mit denen sie installiert wurden: die Transportfahrzeuge, die Arbeitsbühnen für Glaser, die über den gefalteten Dächern entlang liefen, die Kräne, die das vorgefertigte Material an Ort und
356)
Messel, Ausstellungsbauten, S. 474. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 101 f., S. 131–142. 358) Vgl. May, Deutsch, S. 217. 359) Bucher, Skizzen, S. 3. Als Beleg für einen populären Stahlstich siehe Archiv für Fotografien der Kultur und Geschichte, 5EN-L-M12-1851-1. Ähnliche Abbildungen bei Dickinson’s Comprehensive Pictures of the Great Exhibition, London 1854, S. 56. 360) Vgl. Pehnt, Bau. 357)
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Abbildung 10: Der Nordeingang zum Querschiff der Kristallpalastes
Stelle hievten. Alle Vorgänge waren im Vorhinein detailliert, alle Teile außerhalb der Baustelle fabriziert. Zum ersten Mal machte damit Logistik den Hauptteil der Errichtung eines Gebäudes aus.361) Bei der Realisierung verzichtete Paxton auf schmückendes Beiwerk, auf welches er – vorgebildet durch Studienreisen nach Griechenland, Italien und Ägypten – sich in anderen Bauten durchaus verstand. Bei der gewaltigen, in der abenteuerlich kurzen Zeit von 17 Wochen errichteten Glashülle,362) die zwischen der zeitgenössischen Bahnhofs- und Gewächshausarchitektur changierte, wollte der Gärtner und Landschaftsgestalter auch auf die meisten Hoheitssymbole verzichten: In der ursprünglichen Planung gab es keine Kuppel, wie sie beispielsweise der Kompromissentwurf der Royal Commission vorsah, keine Hauptansichtsseite, keine Giebel mit allegorischem SkulpturenPersonal, ja nicht einmal massive Wände. In der Realisierung fügte Paxton doch einige Züge von Hierarchie und Repräsentation ein: das Querhaus erhielt auf Rat der Kollegen ein Halbtonnen-Gewölbe. Unverkennbar war es ein ephemeres Gebäude, nur für die Zeit der Ausstellung errichtet, auch wenn es im Südwesten Londons, in Sydenham, aus den 361)
Aus der reichen architekturtheoretischen und -historischen Literatur hier nur Werner, Kristallpalast; allgemein Auerbach, Exhibition. 362) Vgl. Erik Mattie, Weltausstellungen, Stuttgart/Zürich 1998, S. 13.
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Abbildung 11: Der Kristallpalast aus der Vogelperspektive
alten Teilen neu errichtet und 1854 wiedereröffnet wurde.363) Erst beim Wiederaufbau ließ Paxton dem „Universaltempel zur Veredelung der Erholungsgenüsse“ neben Terrassen und zeremoniellen Parkachsen zwei weitere Querhäuser anfügen. Alle Dächer waren 1854 als Glasgewölbe anstatt der Flachdächer gestaltet, die 1851 die größte Fläche bedeckt hatten. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde das Gebäude auf diese Weise zu einem richtigen Palast mit architektonisch klar definiertem Mitte und Ende, statt des beliebig fortsetzbaren offenen Systems, welches 1851 dominierte. Die einzige Symbolik des ursprünglichen Baus steckte in den Maßen: Mit 1851 Fuß – dem Jahr der Great Exhibition also – geben manche Quellen die Gesamtlänge der Originalfassung im Hyde Park an.364) Erst mit dem Verblassen der unmittelbaren Erinnerung ist der Kristallpalast zum Mythos geworden,365) die Zeitgenossen haben hingegen an Kritik nicht gespart. Zunächst waren es praktische Mängel, die moniert wurden: Als Filigran aus Glas, Guss- und Schmiedeeisen vermittelte er kein Gefühl von Solidität. Es regnete durch, und die Aussteller mussten ihre Stände mit Zeltplane schützen. Es wurde trotz der von Paxton eingeführten Lüftungsklappen zu heiß. Techniker und Bauingenieure zweifelten zudem an der ausreichenden Statik des Gebäudes.366) Auch die Rezeption in Deutschland war gespalten: Eine Mehrzahl der Berichte lobte den Glasbau und verwandte romantische oder religiöse Assoziationen, wenn sie im Kristallpalast – wie der preußische Diplomat Freiherr
363)
Vgl. Friemert, Arche. Vgl. Ulrich Flemming, Kristallpalast/Paxton (Veröffentlichungen zur Architektur, Heft Nr. 7), Berlin 1967 365) Vgl. als populäres Beispiel Günter Ogger, Die Gründerjahre. Als der Kapitalismus jung und verwegen war, München/Zürich 1982, S. 149–156. 366) Tatsächlich erlitt der in Sydenham wiederaufgebaute Kristallpalast trotz baulicher Verbesserungen schwere Sturmschäden Vgl. Pehnt, Bau, S. VI. 364)
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Christian von Bunsen und andere – „eine neue weltliche Basilika“ erblickten oder – wie Lothar Bucher – ihn als „ein Stück Sommernachtstraum in der Mittagssonne“ charakterisierten.367) Der Begeisterung stand ein zweiter Strang der Interpretation entgegen, welcher den Kristallpalast kritisch beurteilte, ihn vorrangig als Ingenieurserzeugnis, nicht aber als Werk eines Architekten bewertete. Insbesondere den Fortschrittskritikern war der Kristallpalast daher nicht Objekt der Bewunderung, sondern ein Stein des Anstoßes. Bewusst begann der katholische Politiker, Journalist und Architekturtheoretiker August Reichensperger seinen literarischen Spaziergang, welchen er den Lesern der Deutschen Volkshalle mitteilte, mit einer Besichtigung des Londoner Parlamentsitzes und der Westminster Abbey. Beide Bauwerke skizzierte der Verfechter einer „deutschen Gotik“ als zwar „schlecht restaurierte“, alles in allem aber annehmbare Architekturbeispiele.368) Von dort aus begab er sich zu der „bewimpelten Arche des neuesten Bundes der Nationen“, in der er nicht mehr als „ein Treibhaus von kolossalen Dimensionen“ entdeckte: „Da ist nichts Geniales, aber auch nur Originelles, keinerlei malerische Wirkung, nicht eine Form, die der Ausdruck irgend einer künstlerischen Anschauung wäre.“369) Allein nach den Kriterien der Zweckmäßigkeit verdiene der Bau Beachtung, konstatierte der Autor, um zugleich zu einer Generalkritik auszuholen: „Das Maschinenwesen und das Nützlichkeitsgewerbe, im engsten Sinne, das und nur das ist es, was dem civilisirten Europa in diesem Palaste zum Ruhme gereicht; in Allem, was die Industrie dagegen Künstlerisches in sich beschließt, steht es weit hinter den Barbaren zurück.“ Der funktionale Stil, der dem Kristallpalast heute einen Platz in der Kunstgeschichte sichert, traf zunächst auf Ablehnung, ohne aber dass sich selbst der kritische Autor ganz dem suggestiven Eindruck hätte entziehen können: „Wie sehr aber auch das ästhetische Moment in den Hintergrund gedrängt sein mag, der Totaleindruck des Innern hat doch etwas Zauberisches, ich möchte sagen Berauschendes.“ Reichensperger spielte an auf das „unabsehbare Gewimmel von Formen und Farben, diese Durchsichtigkeit nach allen Richtungen hin, das Durcheinandersummen und -flattern, die wirren, unbestimmten Lichter, die plätschernden Cascaden und die schnurrenden, polternden Maschinen – das Alles gestaltete sich zu einer Erscheinung, wie der Welt so bald wohl nicht wieder eine ähnliche geboten werden wird“.370) 367)
Bunsen an Friedrich Wilhelm IV. vom 3. Mai 1851, in: Deutsche Revue 20 (1895), Heft 4, S. 263; Bucher, Skizzen, S. 11. Weitere internationale und nationale Stimmen bei Maag, Kunst, S. 98 f.; Haltern, Weltausstellung, S. 167. 368) Vgl. August Reichensperger, In welchem Style sollen wir bauen?, in: Romberg’s Zeitschrift für praktische Baukunst 12 (1852), S. 291–304; ders., Die Christlich-germanische Baukunst und ihr Verhältniß zur Gegenwart, Trier 1845; zur Person vgl. Michael J. Lewis, August Reichensperger: The Politics of the German Gothic Revival, MIT Press 1994. 369) Reichensperger, Wort. 370) Ebd., S. 122.
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Um die enorme Wirkung der Glaspalastarchitektur in den deutschen Staaten erklären zu können, hilft ein kurzer Blick zurück auf die dort geübte Ausstellungspraxis vor 1851: In der ersten Hälfte des Jahrhunderts waren Veranstalter und Aussteller meist auf bereits vorhandene Gebäude ausgewichen, die ihre Präsentation beherbergen sollten. „Stehende, eigens für die Gewebeausstellung gebaute und nur nebenbei allenfalls für andere Bestimmungen verwendete Lokale“, so berichtete der Gewerbelehrer Karl Karmarsch 1845, „existiren, so viel uns bekannt, noch nirgends.“ Die Errichtung eines temporären Ausstellungsgebäudes, wie es in Paris vorexerziert worden war, böte sich nur dann an, falls keine geeigneten festen Räumlichkeiten zur Verfügung stünden, so der Hannoversche Gewerbeförderer.371) Stattdessen waren es obrigkeitliche Repräsentationsgebäude, die für den Zweck der Ausstellung geräumt und provisorisch hergerichtet wurden. Durch ihre Aura sollte das als Sitz der lokalen oder staatlichen Herrschaft fungierende Gebäude das Geschehen symbolisch aufwerten. Prominente Beispiele dafür bieten die ersten Industrie- und Gewerbeausstellungen in Deutschland, die in Düsseldorf 1811 und 1817 jeweils im „alten Kanzleigebäude neben dem Rathaus“ und im Jahre 1837 dann „im ‚Casino‘ an der Flingerstraße“ stattfanden.372) In der Wahrnehmung der Zeitgenossen waren auch diese Räumlichkeiten mit einer bestimmten Wirkung verknüpft: Die ersten Düsseldorfer Gewerbeausstellungen waren darauf ausgelegt, bei den Landesherren für die Belange der Industrie zu werben. Wo sonst hätte man Napoleon 1811 und Friedrich Wilhelm III. 1817 standesgemäß empfangen können, wenn nicht in den Repräsentationsbauten der Stadt? Bei der Mainzer Gewerbeausstellung 1842 hob die Berichterstattung „die zweiundzwanzig prachtvollen Gemächer des fürstlichen Schlosses“ hervor, in welchen die Exponate ausgestellt waren.373) Die Düsseldorfer „Provinzial-Gewerbeausstellung für Rheinland und Westfalen“ von 1852 nutzte das vom Provinziallandtag zur Verfügung gestellte Ständehaus, den nördlichen Flügel des ansonsten zerstörten alten Kurfürstenschlosses sowie das angrenzende Münzgebäude.374) 371)
Karmarsch deutet allerdings schon die zusätzlichen Möglichkeiten an, die der Bau einer eigenen Ausstellungshalle mit sich brachte. Karmarsch, Andeutungen, S. 174–176. 372) Vgl. Verzeichnis der vom Gewerbe-Verein veranstalteten ersten Ausstellung von Industrie-Erzeugnissen des Regierungsbezirkes Düsseldorf, Düsseldorf ²1837, S. I. 373) Vgl. zum Beispiel „Stimme aus Oesterreich über die Gewerbsausstellung in Mainz“, in: Das Zollvereinsblatt Nr. 16 vom 17. April 1843, S. 248–251, S. 248 f. 374) Vgl. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1846, S. 12 f.; Schäfers, Werkbund, S. 21–27; Otto Teich-Balgheim, Die Düsseldorfer Ausstellung von 1852, in: Düsseldorfer Heimatblätter 4 (1937) VI 1, S. 106–112, S. 106 f. Zu den frühen württembergischen Ausstellungen vgl. Cleve, Geschmack, S. 248–287. Weitere Beispiele finden sich in den Ausstellungsdokumentationen. Vgl. Bericht über sämmtliche Erzeugnisse, welche für die dritte zu Laibach im Jahre 1844 […] eröffnete Industrie-Ausstellung des Vereins zur Beförderung und Unterstützung der Industrie und Gewerbe, in Innerösterreich, dem Lande ob der Enns und Salzburg, Grätz 1845, S. X: Ausstellungsgebäude waren hier das „ständische Redoutengebäude“ und das „Virant’sche Haus“.
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Abbildung 12: Das ehemalige Deutschordenshaus in Mainz (der heutige Landtag von Rheinland-Pfalz) war 1842 großherzoglich-hessisches Palais und wurde ab dem 12. September diesen Jahres für eine fünfwöchige Ausstellung genutzt
Hier wie in anderen Fällen verband sich die Wahl des Ausstellungslokals mit einem Programm der „Geschmacksbildung als Gewerbeförderung“, welches den Konsum und die Nutzung von vormals dem Hof zugeordneten Luxusgütern auch für andere Bevölkerungsschichten attraktiv machen wollte.375) Bewusst machte die frühindustrielle Ausstellungsinszenierung dazu „den Herrschersitz zum Zentrum einer symbolischen Dingordnung“.376) Bereits bei der Nationalausstellung in Berlin 1844 zeigten sich nicht in der Praxis, wohl aber in der Rezeption erste Tendenzen dazu, diesen Zusammenhang in Frage zu stellen: Von Seiten des Königs war das Berliner Zeughaus Unter den Linden zur Verfügung gestellt und dem Zweck entsprechend hergerichtet worden. „In der Tat“, so berichtete der Berliner Journalist Neukrantz, „dürfte sich nirgends eine Baulichkeit finden, welche zu diesem Zwecke besser paßte.“377) Viele zeitgenössische Kommentatoren erblickten die symbolische Bedeutung der Wahl des Ausstellungslokals darin, dass dort die „Kanonen dem Pfluge und die Pulverwagen dem Dampfwagen gewichen“ seien, „welche Wandlung!“378) Preußen habe damit anerkannt, „welche unwider-
375)
Vgl. Cleve, Geschmack, S. 345–354. Cleve, Konsumenten, S. 555. 377) A. F. Neukrantz, Gewerbe-Ausstellung in Berlin 1844, in: Berliner Gewerbe-, Industrie und Handelsblatt Band 12, Nr. 2 vom 10. Juli 1844, S. 17–20, S. 17 f. 378) Dieses Zitat und das folgende in Leipziger Illustrirte Zeitung vom 9. November 1844, S. 12. 376)
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stehliche Riesenkraft in den still wirkenden Mächten der Industrie liegt, und verbindet sich inniger mit ihnen […] Wer den Frieden will, darf den Krieg nicht scheuen, und es gibt blutige Kriege im Frieden und heiße Schlachten, welche die Industrie zu schlagen hat.“ Die über 3000 Aussteller präsentierten in einer breiten Palette von Exponaten nicht nur ein eindrucksvolles Bild der industriellen Entwicklung. Die Dokumentation des Fortschritts in der Produktion war zugleich ein Spiegelbild der bürgerlichen Entwicklung und der entstehenden neuen politischen Bedeutung. „In diesen glänzenden Räumen, wo man sonst nur glänzende Uniformen und Ordensbänder zu sehen gewohnt war, jetzt fast nur den einfachen schwarzen Bürgerrock mit der weißen Kravatte von 500 gewerbthätigen Männern des Bürgerstandes getragen zu sehen“379), wertete die publizistische Berichterstattung als Sensation. Selbst in dem von besonderen Anlässen und Festivitäten verwöhnten Berlin, so berichtete die Leipziger Illustrierte Zeitung, sei es etwas Neues gewesen, in der Residenzstadt „die Industrie selbstständig kühn, ja fast mächtig, in großer Gesammtheit, in den durch ihre drohenden Kriegswaffen ehrfurchtgebietenden Hallen des Zeughauses ganz wie zu Hause umherwandeln zu sehen“.380) In den Ständehäusern wie auch im Berliner Zeughaus formierte sich damit selbstbewusst eine neue Sozial- und Statusgruppe.381) Als sich die „königlichen Gebäude“ als zu beengt erwiesen382), und als Reflex auf die besondere Wirkung, die die Architektur der Great Exhibition erzielt hatte, begann man auch in Deutschland eine spezielle Ausstellungsarchitektur zu entwickeln und eigene „Ausstellungslokale“ zu errichten. Zum ersten Mal geschah dieses bei der nationalen Industrie- und Gewerbeausstellung in München 1854. Wie stark das Sensorium für die architektonische Wirkung, die man erzielen konnte, zu diesem Zeitpunkt ausgeprägt war, zeigt der Hinweis, dass dem Veranstaltungskomitee die „Berathung und Beschlussfassung über die Wahl einer Lokalität zur Ausstellung der Industrie-Gegenstände“ als eine „der wichtigsten und dringendsten“ Angelegenheiten galt.383) Das Vorbereitungskomitee der Hannoverschen Ausstellung von 1878 rühmte sich, „ohne die Aushülfe vorhandener Gebäulichkeiten zu benutzen, all ihre Bedürfnisse auf eigene Hand“ geschaffen zu haben.384) Bei der Vorbereitung der Düsseldorfer Ausstellung 1902 warb der Vorsitzende des Organisations379)
Max Geitel, Die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Die Vorläuferinnen der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Teil III: Die Allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, in: Polytechnisches Centralblatt vom 27. April 1896, S. 167–170, S. 170. 380) Leipziger Illustrirte Zeitung vom 9. November 1844, S. 13. 381) Vgl. dazu die Abschnitte B III und C VI in dieser Arbeit. 382) So das Argument in Württemberg (vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 53) wie auch in München (vgl. Amtlicher Bericht München, S. 37). 383) Ebd. 384) Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 4.
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komitees, Heinrich Lueg, vor möglichen Unterstützern des Projektes damit, der Kaiser habe sich die Baupläne für das Kunstausstellungsgebäude wie auch für die übrigen Bauten der Exposition durch den Kultus- und den Handelsminister vorlegen lassen.385) Dieses neue Bewusstsein für die architektonischen Möglichkeiten verdichtete sich in der theoretischen Literatur zum Ausstellungswesen: Natürlich könne man die Exponate einer Industrie- und Gewerbeausstellung auch in einer „Hütte“ unterbringen, so führte der österreichische Professor und Lehrer an der Landes-Oberrealschule zu Krems, Wilhelm Franz Exner, in seinem Ausstellungsratgeber von 1866 aus.386) „Allerdings stellt man sich damit in eine Kategorie mit dem nordamerikanischen Wilden, der sein Wigwam, mit dem Hottentotten, der seine backofenförmige Hütte auch lediglich den Erfordernissen gemeiner Zweckmäßigkeit gerecht werdend herstellt.“ Mit Verweis auf den Kristallpalast hielt er dieser Praxis sein Ideal entgegen: „Das Ausstellungsgebäude kann und soll ein Kunstwerk sein“, so dass bauliche und künstlerische Gestaltung nach Möglichkeit in einer Hand zu liegen hätten.387) Nicht der vor allem in kleineren Städten oft zu beobachtende „Wechsel von Trivialitäten“, der den ästhetisch bewanderten Besucher aus der Halle treibe, sondern allein ein stimmiges Gesamtkonzept von Innen- und Außenarchitektur konnten dem österreichischem Gelehrten zufolge ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit erzeugen. Eine populär-sentimentale und direkte Nachwirkung des Londoner Vorbilds war die zwischen 1850 und 1865 zu verzeichnende Nachahmung des Paxton-Gebäudes, welche Alexander von Humboldt scherzhaft als „Kristall- und Glaspalastbewegung“ titulierte.388) Die Möglichkeiten, die sich der Architektur durch die Materialien Eisen und Glas seit längerem eröffnet hatten, wurden „gleichsam in einem ersten Anlauf“ experimentell realisiert.389) Neben Dublin und New York (beide 1853) versuchten sich auch die Veranstalter der Breslauer Gewerbeausstellung von 1852 daran, den Stil des Londoner Vorbildes nachzuempfinden. Das Gebäude der Industrie- und Gewerbeausstellung war allerdings in Holz gefertigt und entfaltete so nur wenig Wirkung.390) Während die Nachahmungen in England und in den Vereinigten Staaten auf größeren Effekt nach außen bedacht waren und auf dekorative Ornamentik und Kuppelbauten nicht verzichten wollten, lehnte sich die Münchner Variante von 1854 auch in dieser Hinsicht an das Londoner Vorbild an: Der
385)
Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII, Nr. 56, S. 308. Exner, Aussteller, S. 80 f. 387) Ebd., S. 81. 388) A. v. Humboldt an K. A. Varnhage von Ense, Potsdam 4. 7. 1854, in: Karl August Varnhage von Ense, Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhage von Ense aus den Jahren 1827 bis 1858, Leipzig ³1860, S. 283. 389) Haltern, Weltausstellung, S. 343. 390) Elias Cornell, De stora utställningarnas arkitekturhistoria, Stockholm 1952, S. 103 f. 386)
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Abbildung 13: „Der Glas-Pallast (in München)“. Populärer Stahlstich einer perspektivischen Ansicht von Südwesten.
Architekt des Glaspalastes der zweiten „Allgemeinen Ausstellung deutscher Gewerbeerzeugnisse“, August von Voit, verzichtete nicht nur weitestgehend auf ornamentale Dekoration, sondern übernahm auch die kreuzförmige Anlage Paxtons bis in einzelne Details, nicht ohne aber die Bauweise funktional zu verfeinern.391) Kritiker bemängelten, dass das Gebäude aufgrund der durchgängig rechteckigen Formen nüchterner und weniger imposant wirkte als sein Londoner Vorbild.392) Gegenstimmen aber attestierten dem Münchner Hauptgebäude, durch die konsequente Scheidung tragender und verhüllender Elemente einen Schritt weiter in die Richtung moderner Ingenieurarchitektur gegangen zu sein.393) Das Genre Glaspalast bot daher wie anderswo auch in Deutschland Anlass zu einer Architekturkritik, die auf das Engste verwoben war mit einem allgemeinen Fortschrittspessimismus. „Deutlicher als irgendwo“, so monierte der Kunstkritiker Arthur Teichlein, „steht es diesen Glaspalästen an der Stirne geschrieben: Dies ist keine Zeit der dauernden, ideengesättigten und maßvollen Lebensformen, welche sich in monumentalen Bauwerken verkörpern lassen, dies ist vielmehr eine rastlose, irrende, suchende Übergangsperiode, 391)
Vgl. dazu Amtlicher Bericht München, S. 37–72. Vgl. zur Bewertung Haltern, Weltausstellung, S. 344. 393) Hütsch, Glaspalast, S. 79. 392)
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und Alles, was sie aus innerstem Beruf und Bedürfnis zu bauen vermag, das ist nicht Haus, nicht Palast, nicht Kirche, sondern prägt nur den Charakter ihres unstätten Seins, ihrer geistigen ‚Durchgangspunkte‘ aus, es ist, mit einem Wort, eine Art von Bahnhof.“394) Der Versuch, mit der Errichtung des Glaspalastes in München auf die Herausforderung durch die Londoner Great Exhibition zu reagieren, wurde in Deutschland nicht weiterverfolgt.395) Stattdessen schloss sich eine Entwicklung an, die sich als eine Auseinandersetzung zwischen Ingenieurs- und Architektenarbeit, zwischen Industrie- und Dekorationskunst beschreiben lässt: Die in den Glaspalästen sachlich auf die Materialien Eisen und Glas reduzierte Gestaltung, die für die Identität von Konstruktion und Form stand, wurde zunehmend abgelöst von einem „alles beherrschenden Eklektizismus in der Architektur“.396) Weiterhin nutzte man die Möglichkeiten des neuen Materials, um Ausstellungshallen von immer größeren Ausmaßen zu konstruieren. Die eisernen Tragkonstruktionen der Ingenieure, die zunächst bewusst als architektonisches Konzept eingesetzt worden waren, wurden nun mit Verkleidungen umgeben, galten die Glas-Eisen-Verbindungen allein doch als „nackt und unkünstlerisch“.397) Man schuf so den Eindruck einer reich dekorierten Architektur in herkömmlichen, historischen und zum Teil exotischen Stilformen. Aus moderner Ingenieurtechnik und rückwärtsgewandter, in vieler Hinsicht auch offiziösen Dekorationsarchitektur entstand auf diese Weise „eine Melange von technisch kühnen Konstruktionen und reichen Verkleidungsformen, die alle Ansprüche der Repräsentation von politischer Macht, nationalem Pathos, wirtschaftlichem und technischem Fortschritt und gewerblichen Fertigkeiten, von Reklame und Sensation zu individualisieren“ vermochte.398) Die „evokatorischen Werte dieser Dekorationsarchitektur, ihre Bildhaftigkeit und die überraschende Pracht des bisher noch nicht Dagewesenen“ machten die Faszination dieses ephemeren Aufwandes aus.399) International verdichtete sich diese Entwicklung in der „weißen Marmorstadt“ am Michigansee in Chicago, die die Veranstalter zur Weltausstellung 1893 errichten ließen. „Ein Scheinwerk, eine Dekoration blieb es immer“, so
394) August Teichlein, Münchener Offener Brief über die allgemein-deutschen Industrieund Kunstausstellungen im Sommer 1854, in: Deutsches Kunstblatt. Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunstgewerbe, Organ der Kunstvereine von Deutschland V (1854), Nr. 37, Donnerstag, den 14. September 1854, S. 323–326, S. 325. 395) Ebd. 396) Burkhard Bergius, Glaspaläste der Künstlichen Nützlichkeit. Ausstellungsarchitektur des 19. Jahrhunderts, in: Buddensieg (Hrsg.), Künste, S. 163–173, S. 172. Vgl. zum Folgenden Koch, Bauten, S. 152–154. 397) Vgl. die populäre und durchaus um Imagewerbung bedachte Anthologie von Ruprecht Vondran (Hrsg.), Stahl ist Zukunft. Von der Weltausstellung London 1851 bis zur Expo 2000 in Hannover, Essen 1999. 398) Vgl. dazu Koch, Bauten, S. 152. 399) Ebd.
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vermerkte Franz Reuleaux, aber „einmal zu diesem Schluß gelangt, war […] dem schöpferischen Vermögen des Baumeisters ein Spielraum gewährt wie nie zuvor.“400) Spätestens mit der World’s Columbian Exposition gewann die repräsentative Dekorationsarchitektur die Oberhand über die Ingenieurarchitektur.401) Um ein geschlossenes Gesamtbild zu erreichen, wurden die Eisenkonstruktionen der Hallen sowie die einzelnen Pavillons mit römischen und barock-klassizistischen Stilformen umhüllt. Der Eiffelturm und der Palais des Machines wurden auf der Pariser Weltausstellung 1900 weithin als Wunder der Eisenkonstruktion wahrgenommen, waren im Gesamteindruck aber vom Repräsentationscharakter der übrigen Bauten überlagert.402) Der Konflikt zwischen den je besonderen Ausdrucksarten von Architekt und Ingenieur, zwischen Dekoration und Konstruktion, zwischen Fetischismus vergangener Formen und Umsetzung moderner Technologie, zwischen ästhetischem Bauwillen und wissenschaftlicher Baustatik war damit (zunächst) entschieden.403) Die Entwicklung in der deutschen Ausstellungsarchitektur orientierte sich an den internationalen Trends, nicht ohne dabei auch eigene Wege einzuschlagen. Insbesondere die großen Ausstellungen im letzten Jahrhundertdrittel, speziell die Expositionen in Düsseldorf 1880 und 1902 sowie in Berlin 1879 und 1896 waren nicht nur von ihrem Anspruch her „Antworten“ auf internationale Veranstaltungen, sondern wurden auch mit entsprechender Kompetenz in der Planung und Realisierung betreut.404) Allen Ausstellungen gemeinsam war, dass die Organisatoren immer nicht nur einzelne Gebäude planten, sondern ein ganzes Ausstellungsterrain gestalteten.405) Die Expositionen waren eingebunden in große öffentliche Parks oder Zooanlagen. Deutlich voneinander abgetrennt waren Bereiche, die allein der Ausstellung im engeren Sinne dienten, von Terrains, auf denen die populäre Belehrung im Vordergrund stand, und von anderen Zonen, die allein der Vergnügung und der Restauration vorbehalten waren. Ein Netz von Wegen 400)
Reuleaux, Ausstellungswesen, S. 197. Vgl. Christian Beutler, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, Ausstellungskatalog des Staatlichen Museums für angewandte Kunst, München 1973. 402) Die progressiven Elemente auf der Pariser Jahrhundertausstellung betont Schild, Glaspalast, S. 194. 403) Vgl. Maag, Kunst, S. 95 f. 404) Vgl. zum Beispiel die Berichtfolge über die „Augsburger Gewerbe-, Industrie- und kunsthistorische Ausstellung 1886 in den Nr. 8–87 des Wochenblattes für Baukunde. Organ der Architekten- und Ingenieur-Vereine von Bayern, Elsass-Lothringen, Frankfurt a. M., Mittelrhein, Niederrhein-Westfalen, Ostpreussen und Württemberg 1886. 405) Zu einem frühen Beispiel dafür vgl. Amtlicher Bericht München, S. 76: „Erwähnt zu werden verdienen endlich noch die lediglich in der Absicht, die Annehmlichkeit auch der Umgebungen des Industrie-Ausstellungs-Gebäudes zu erhöhen, unternommenen neuen Anlagen in dem botanischen Garten. Sie boten nicht nur dem Blicke Reize in Menge, sondern auch sehr passend angebrachte und bei großer Hitze, wie an milden Sommer- und Herbstabenden oft eben so gesuchte als angenehme Ruheplätze.“ 401)
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für Fußgänger, den Kutschverkehr wie auch für ausstellungseigene Eisenbahnen erschlossen das Gelände für den Besucher.406) Die Hallen der Berliner Gewerbeausstellung 1879, die man aus Kostengründen zu einem Teil von den Veranstaltern der Exposition 1878 in Hannover übernommen hatte, wurden zunächst in Holz und nach einem Brand in Stein, Glas und Eisen wieder aufgebaut.407) Im Mittelpunkt stand auch hier das Hauptgebäude, bei dem der architektonische Akzent auf dem Mittelbau inklusive des entsprechenden Portals lag: Dieses wurde „als eine Art Triumphbogen in dreitheiliger Gliederung ausgeführt, des deutschen Reiches und seiner Hauptstadt Wappen zieren das große Rundbogenfenster desselben.“408) Die schlichten Holzwände hatte man durch „alle möglichen ornamentalen Formen verschwenderisch“ ausgestattet und aufzuwerten versucht.409) Ihre Konstruktion aber, so monierten bereits zeitgenössische Stimmen, reichte „weder in der architektonischen Form noch in der Klarheit und Konsequenz des Glas-Eigengerüstes“ an die künstlerische Qualität des Münchner Glaspalastes.410) Die bauliche Gesamtanlage der Düsseldorfer Ausstellung von 1880 zeigte insgesamt ebenfalls ein bescheidenes Niveau: Während die Weltausstellungen seit 1851 um eine zweckmäßige und sinnenfällige Organisation der Ausstellungshallen und Bauten wetteiferten und mit den Mitteln der Glas-Eisen-Konstruktion eine neue Synthese von Architektur, Kunst und Technik als Ausdruck eines zukunftsweisenden modernen Bewusstseins zu entwickeln versuchten, verzichtete man in Düsseldorf auf den Anschluss an diesen internationalen Standard. In der Folge beschränkten sich die Ausstellungsarchitekten nicht auf die „Verkleidung“ der Hallenarchitektur, sondern setzten zunehmend bestimmte Elemente der „höheren Architektur“ ein: Eingangsbereiche wurden durch Portale, Baldachine, später gar durch Triumphbögen baulich aufgewertet. Der öffentlichen Architektur entlehnte Elemente wie Kuppenanlagen und Türme, vorgeblendete Fassaden und Arkaden dienten ebenso wie mit Säulen geschmückte Pavillons und Risalite dazu, die Repräsentation des Öffentlichkeitscharakters, des Ordnungswillens oder auch der Aura von Macht zu verstärken. Der Späthistorismus wurde in all ihren Facetten und Möglichkeiten auf die ephemeren Ausstellungsbauten übertragen.411) 406)
Für Berlin 1896 hat diesen Aspekt aufgearbeitet Horst Köhler, Mit Kind und Kegel vor die Tore der Stadt – Verkehrslösungen für die Gewerbeausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 75–81. 407) Vgl. Officieller Katalog der Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879, S. 2 f. 408) Ludolf Heussner, Die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1879, in: Baugewerks-Zeitung 11 (1879), S. 126 f. Vgl. dort auch eine Skizze des Ausstellungsgeländes sowie mehrere Illustrationen. 409) Traugott Krahn, Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879, entworfen und ausgeführt von den Baumeistern Ludolff und Heißner in Hannover, in: Jarombergs Zeitschrift für praktische Baukunst 39 (1879), Sp. 105–110 + die Tafeln 16–19. 410) Vgl. Die Gewerbe-Ausstellung in Berlin, in: Deutsche Bauzeitung 13 (1879), S. 199 f. 411) Vgl. Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 12–24.
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An die Gewerbeausstellung 1896 war im Vorfeld die Hoffnung geknüpft, in Berlin eine Weltausstellung organisieren zu können. Entsprechend groß war die letztlich „verhinderte Weltausstellung“ in der Planung angelegt. Mit dem Treptower Park stand eine Ausstellungsfläche von 1 100 000 m² zur Verfügung.412) Dieses Gelände gliederte sich in drei Teile: Der fachliche Part schloss unmittelbar an die Stadt an; in der Mitte waren Aussteller und Exponate konzentriert, die sich der Vergnügung und der Belehrung verpflichtet fühlten, während der südliche, stadtfernste Teil ganz dem Amüsement diente. Eckpunkte des Geländes bildeten der neue S-Bahnhof im Südwesten der Ausstellung und im Nordosten die Spree mit einer Anlegestelle für Dampfer. Die Bauten und Pavillons der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 waren nur locker in die Anlagen des Treptower Parks eingefügt, dabei spielt die reich dekorierte Erscheinung eine dominierende Rolle.413) Besonders das Hauptgebäude wie auch das mit einem überdimensionierten Wasserturm versehene Hauptrestaurant stachen hervor: Das 60 000 m² überspannende Hauptgebäude ähnelte dem Trocadéro in Paris. Der Kuppelbau wurde von zwei schlanken Aussichtstürmen flankiert, diesem Gebäudeteil war eine Wandelhalle vorgesetzt, die den am Jugendstil orientierten Eindruck der „Freizeitbauweise“414) weiter verstärkte. Materialien und Prinzipien der Konstruktion traten bei der Gestaltung der Ausstellungshallen und Pavillons weniger in den Vordergrund als von den Veranstaltern geplant: Nach Maßgabe des Organisationskomitees sollte sich die Formensprache der Bauten ihrer Herstellungsweise anpassen. Den Architekten der Nebengebäude und Pavillons waren deshalb Holz- oder Eisenkonstruktionen vorgeschrieben.415) Im Resultat aber ließ beispielsweise die Haupthalle der Ausstellung den „Inhalt“ nicht in Erscheinung treten: Unter Verantwortung des Architekten Bruno Schmitz wurde eine Eisenkonstruktion mit 400 Meter Länge und 240 Meter Breite errichtet, die von der Antwerpener Weltausstellung 1894 übernommen worden war.416) Die schlichte Hülle gestaltete Schmitz zu einem repräsentativen Gebäude um, indem er dem Querschiff im Halbkreis eine 200 Meter lange Wandelhalle vorlagerte, über die Vierung eine Kuppel von 30 Meter Durchmesser und seitlich zwei schlanke, jeweils 56 Meter hohe Türme errichtete. Die Wandelhalle, deren Ende von je einem kuppelbekrönten Pavillon gebildet wurde, zeigte sich nach außen als offener Bogengang, der verschiedene Cafés und Büros beherbergte. Architektonischer Blickfang war ein dreibogiges vergoldetes Portal, hinter dem sich
412) Dazu und zum Folgenden Elke Dittrich, Märchenschloß und Eisenhalle – Die Architektur der Berliner Gewerbeausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 57–74. 413) Vgl. hierzu und zum Folgenden Koch, Bauten, S. 153. 414) Vgl. Koch, Bauten, S. 153. 415) Dittrich, Märchenschloß, S. 62. 416) Vgl. Jaffé, Ausstellungsbauten, S. 615.
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Abbildung 14: Gesamtansicht des Ausstellungs-Terrains Berlin 1896
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zunächst ein kleiner, dann ein weiterer großer, reich verzierter Kuppelraum als Entrée zur Ausstellungshalle auftat. Dieses war das maßgebliche repräsentative Zentrum der Ausstellung, überreich verziert mit allerlei allegorischen Darstellungen und pathetischen Sinnsprüchen. In der Halle selbst hatten die Aussteller dann kleine Pavillons und Stände errichtet, denen allerdings – so monierte die zeitgenössische Kritik – eine einheitliche Gestaltung fehlte.417) Von außen betrachtet „versteckte“ sich die Industriehalle hinter der Wandelkuppel und den umliegenden Bäumen, so dass vor allem der repräsentative Eingangsbereich ins Blickfeld der Besucher kam. Durch einen Kunstgriff des Architekten, der das gesamte Gebäude gegenüber dem Gelände um 1,70 Meter erhöhen ließ, wirkte die Haupthalle noch imposanter. Die verwendeten Farben und Materialien unterstützten diese Wirkung zusätzlich: „Strahlend weißer Putz, rote Dächer aus Ziegeln oder lackierter Dachhaut, das vergoldete Eingangsportal, das Silber der Aluminiumkuppeln, vereinzelt dunkles Holz und eine – relativ sparsam eingesetzte – Bemalung ließen den Eindruck eines Märchenschlosses entstehen.“418) Der Wandelgang begrenzte einen prunkvollen Platz, in dessen Mitte in einem Brunnen eine Wasserfontäne hochschoss. Dahinter bot sich dem Blick der neu angelegte, von Booten und Gondeln befahrene „neue See“ dar, der an seinem gegenüberliegenden Ufer vom Gebäude des Hauptrestaurants eingefasst wurde. Das Berliner „Märchenschloss“ stand in der Ausstellungsarchitektur nicht allein, sondern konnte seinerseits auf verschiedene Vorbilder zurückblicken. So wurde beispielsweise auch die Nürnberger Ausstellung von 1882 als eine Veranstaltung charakterisiert, die im „milden Feuer“ des elektrischen Lichtes beherrscht wurde von dem „in seinen edlen architektonischen Verhältnissen und reichen künstlerischen Verziehrungen gleich einem Märchenschloß zart vom Hintergrund sich abhebende Hauptgebäude mit prächtiger Fassade in zauberhafter, fremdartig anmuthender Schöne weit in die Luft ragend von den bewundernden Blicken der begeisterten Menge.“419) Zeitgenössisch wurde der Architekturstil als zu leicht und heiter, zu „sommertheaterlich“ und „circusartig“ beschrieben.420) Kritiker attestierten den Bauten der Berliner Ausstellung ein „hispanisierend-orientalisierendes“ Gepräge und hatten sich an dieser Stelle einen eher nationalen Baustil gewünscht. „Der vorübergehende Charakter des Bauwerks, die sommerlich heitere Jahreszeit […], das festliche Gepränge der ganzen Veranstaltung […], alles das waren Gründe genug, die angewandten Stilformen zu rechtfertigen“421), so konterte die Ausstellungsleitung.
417)
Vgl. Von der Berliner Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1896, in: Deutsche Bauzeitung 16 (1896), S. 298. 418) Dazu und zum Folgenden Dittrich, Märchenschloß, S. 63. 419) Ausstellungszeitung der Bayerischen Landesausstellung zu Nürnberg 1882, H. 62, S. 3. 420) Der Bautechniker 16 (1896), S. 691–693, S. 692. 421) Berlin und seine Arbeit, S. 102.
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Abbildung 15: Haupt-Industriegebäude der Berliner Gewerbeausstellung 1896
Wie sehr die Ausstellung bereits auch als Groß- und Festveranstaltung angelegt war, zeigt die Realisierung der Hauptrestauration, die einen zweigeschossigen Halbkreis einen Biergarten, Speisesäle und Wirtschaftsräume umfasste. Dem schloss sich ein Festsaal an, der 1200 Sitzplätze bereitstellte und an einer Aussichtsplattform endete. Unterhalb des Turmes stürzten Kaskaden in den See hinunter, in der Mitte führte ein Kanal unter Turm und Restaurant hindurch zu einem Karpfenteich. „Die ebenso auffällig von Vorstellungen des Sakralbaus geprägten Ausstellungsgebäude für ‚Unterricht und Wohlfahrt‘ in zurückhaltender deutscher Renaissance und für ‚Fischerei, Sport und Nahrungsmittel‘ in einem romanische Formen und norwegisches Wikingerschnitzwerk verbindenden Stilgewand erwecken den Anschein, als sollten diese Bauten in Anlage und Stil den Besuchern gewisse irrationale Impulse übermitteln, die ohne direkten Bezug zu den gezeigten Exponaten festliche Gemeinschaftsempfindungen mit einem betont nationalen Anstrich auslösen.“422) 422)
Details dieser und anderer Bauwerke sind breit geschildert in der entsprechenden Zeitschriftenliteratur der Zeit. Über das Ausmaß an Interesse gibt Auskunft Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin (Hrsg.), Bibliographie zur Berliner Gewerbeausstellung 1896, Eigenverlag Berlin 1996.
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Abbildung 16: Central-Verwaltungsgebäude der Berliner Gewerbeausstellung 1896
Ähnliches gilt für den Torbau, der die Ausstellungsverwaltung aufnahm und in spätgotischer Manier mit einem Renaissance-Laubenhof versehen war. Inmitten der „Unmenge architektonisch werthloser Machwerke“423) fanden nur noch wenige weitere Gebäude Anerkennung in der Fachwelt. Architekturhistorisch war die Berliner Ausstellung nicht innovativ. „Von der Idee, durch neue Bauweisen oder Bauformen seine Stellung als fortschrittliche Metropole beweisen zu wollen, war Berlin weit entfernt.“424) Protz und Überladenheit erschienen späteren Architekturkritikern als Ausdruck von Provinzialität, zunächst aber sind sie vielmehr als ein Zeichen der damaligen Zeit zu deuten, welches einen breiten Publikumsgeschmack erfolgreich bediente. Ihre Wirkung auf das Publikum hat diese Architektur denn auch nicht verfehlt, im Gegenteil: Selbst ein kritischer Zeitgenosse wie der Soziologe Georg Friedrich Simmel bescheinigte der Ausstellung, der „Gipfelpunkt“ dessen zu sein, „was das Ausstellungsprinzip bisher in ästhetischer Produktivität geleistet hat.“425) In weniger distanzierten Worten beschrieb der Literat Alfred Kerr die Ausstellung als etwas „Grandioses“ und in ihrer baulichen Gestal423)
Zentralblatt der Bauverwaltung 16 (1896), S. 429. Dittrich, Märchenschloß, S. 70. 425) Georg Simmel, Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: Die Zeit. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft, Wissenschaft und Kunst, Nr. 95 vom 25. Juli 1896, S. 59–63. 424)
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tung als einen „Weltbadeort“: „Man stelle sich Anlagen vor, zehnfach großartiger als in Wiesbaden oder Karlsbad, aber im Charakter eines internationalen Riesenkurorts, und diese Anlagen umgeben von der gewaltigsten Kraft und der raffiniertesten Eleganz moderner Industrie.“426) Dass es sich bei der Berliner Ausstellung nicht um einen Einzelfall handelte, zeigt der vergleichende Blick auf eine parallele Veranstaltung in Nürnberg: Wie in Berlin verwandten auch die dortigen Organisatoren und Architekten der „Bayerischen Landes-Ausstellung“ von 1896 einen leicht formbaren Drahtputz und Gips, um besonders „üppige“ Architekturformen zu gestalten.427) Das zentral gelegene Armeemuseum wurde als zierliches Maison de plaisance gestaltet, die Maschinenhalle als Marstall drapiert, dessen Triumphtor von Obelisken auf hohen Säulenpfeilern flankiert wurde. Der Eingang zur mittelfränkischen Abteilung war eine Kopie der reich geschmückten Ehrenpforte in Nürnberg beim Einzug von Kaiser Matthias 1612.428) „So entsteht süddeutsches fürstliches Barock und Rokoko in strahlendem Weiß für die Hauptgebäude, altnürnbergisch-wilhelminisch das Weinhaus und gotisch die ‚Niederbayerische Kreisabtheilung‘, ein Triumph historischer Bildungslust und Theaterfreude über die nüchternen Produkte von Industrie, Technik und Gewerbefleiß.“429) Die gewandelte Konzeption, vor allem ein neuer Wille zur Selbstrepräsentation von Groß- und speziell der Schwerindustrie brach sich in der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung von 1902 Bahn. Herausgefordert sahen sich die Veranstalter durch die Pariser Jahrhundertausstellung 1900: Vor potenziellen Zeichnern des Garantiefonds begründete der Vorsitzende des Ausstellungskomitees, Heinrich Lueg, die gegenüber der ursprünglichen Kalkulation gestiegenen Ausgaben damit, dass die „außerordentlich luxuriöse Ausstattung“ der französischen Ausstellung Maßstäbe gesetzt habe, hinter die man nicht zurückfallen dürfe.430) Die Gesamtanlage der „Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer Deutsch-Nationalen Kunstausstellung“ war geprägt von dem von der Stadt Düsseldorf zur Verfügung gestellten Uferstreifen des Rheins. Diese Geländesituation begünstigte das Pavillonsystem, welches beispielsweise auch die Berliner Gewerbeausstellung von 1896 geprägt hat. Da das Gelände vom Flussufer um 3 Meter anstieg, kamen auch die zurückliegenden Hauptgebäude gut zur Geltung.431)
426)
Kerr, Berlin, S. 150. Vgl. Deutsche Bau-Zeitung 30 (1896), S. 349 f., Abbildungen und Bauplan S. 493. Zu einer detaillierten Beschreibung vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 213–219. 428) Koch, Bauten, S. 164, FN 17. 427)
429 430)
Ebd., S. 154. Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII, Nr. 56, S. 312; Staatsarchiv Düsseldorf, Regierung Düsseldorf, Handel und Gewerbe Nr. 34262, S. 777 f. 431)
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Abbildung 17: Blick auf die Düsseldorfer Ausstellung, Nördlicher Teil
Zwei Bauten dominierten das Gesamtbild der Düsseldorfer Ausstellung: zum einen der Kunstpalast nahe dem Eingang vom Hofgarten, zum anderen die Industrie-Halle in der Mitte der Anlage. Im Gegensatz zur sonstigen Praxis war der Kunstpalast von vornherein als festes Gebäude konzipiert und sollte der Düsseldorfer Künstlerschaft über die Ausstellungsdauer hinaus als Atelier, vor allem aber als Präsentationsmöglichkeit dienen.432) Zum Vorbild nahmen sich Architekten und Ausführende den Pariser Grand Palais und Petit Palais. „In einer wahrhaft wohltuenden Weise“, so kommentierte die Deutsche Bauzeitung, „ist hier das innige Verhältnis zwischen Industrie und Kunst, zwischen der mächtigen Beherrscherin des Westens und ihrer sanfteren Genossin am Rhein wieder einmal zum Ausdruck gekommen, denn der Kunst wurde das neue Haus wesentlich erbaut durch die Opferwilligkeit, mit welcher Industrie und Gewerbe sich in den Dienst der Ideale stellten.“433) Selbst zeitgenössisch aber wurde diese Zuordnung bereits in Frage gestellt. Nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Bender, der sich in dem durchgeführten Wettbewerb durchgesetzt hatte, sowie den ausführenden Architek432)
Zur Anlage und zur Vorbereitung vgl. Hüttenberger, 19. Jahrhundert, S. 58 f. Vgl. dazu Eduard Daelen, Aus der Geschichte des Künstlervereins „Malkasten“. Zur Jubelfeier seines 50jährigen Bestehens 1848–1898, Düsseldorf o. J. (1898), S. 97. 433)
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ten Rückgauer und Kraefft entstand ein 132 Meter langer Stirnbau im Stile eines „Barockschlosses“:434) Der zentralen Eingangshalle und den Eckrisaliten schloss sich, um einen mittleren „Ehrenhof“ gruppiert, seitliche Ausstellungshallen und ein rückwärtiger Skulpturensaal an. Insbesondere die Fassade wurde in monumentalem Neubarock errichtet: „Von den vortretenden Eckrisaliten gerahmt, gliedert eine kolossale Pilasterordnung die zweigeschossige Längsseite in straffem Rhythmus, aus denen das Mittelrisalt mit einem triumphalen, von einem Dreiecksgiebel gekrönten Portal hervortritt und über dem sich als Abschluß der Eingangshalle eine achtseitige, schwingende Barockkuppel erhebt.“435) Der innere „Ehrenhof“, der zur Ausstellung von Skulpturen gedacht war, wurde angeblich auf Anregung von Kaiser Wilhelm II.436) nicht dem Entwurf nach in streng neoklassizistischer Form der Säulenstellung, sondern als Arkadenhof im Stil der italienischen Renaissance ausgeführt. Das Innere des Gebäudes war geprägt durch ein allegorisches Giebelrelief von C. Heinz Müller, „Prometheus mit dem hohen Lichtfunken die Kunst begeisternd und Gewerbe und Handwerk befruchtend“. Die insgesamt konservative architektonische Gestaltung des Düsseldorfer Kunstpalastes in der Industrie- und Gewerbeausstellung sticht vor allem dann klar hervor, wenn man den Diskussionsprozess im Vorfeld betrachtet: Der Gegenentwurf des aus Karlsruhe stammenden Architekten Hermann Billing war ganz einem strengen Neoklassizismus verpflichtet, den das Komitee als „schroffen Bruch mit der Überlieferung“ ablehnte: „Während bei dem Bau in Karlsruhe“, so argumentierte die Jury, „die Formen des neuen Stils durchgedrungen sind, ist es dem mehr konservativen Geiste der rheinischen Künstlerschaft, die auf eine lange ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken kann, entsprechender, einen schroffen Bruch mit der Überlieferung vorsichtig abzulehnen und dafür lieber auf Altbewährtes zurückzugreifen.“437) Die Industrie-Halle zeichnete sich schon von außen durch einen großen Freiplatz mit einem viel bewunderten Springbrunnen aus. Der größte Ausstellungsbau überspannte 28 000 m² und beherrschte mit seiner 67 Meter hohen Kuppel und einer beinahe 400 Meter langen Front optisch das gesamte Gelände. Während die zwei Flügel von je 170 Metern ohne besonderen Aufwand in Holz gestaltet waren, konzentrierte sich der architektonische Ehrgeiz auf die Gestaltung des repräsentativen Kuppelbaus in der Mitte der Anlage: Auf achteckigem Grundriss erhob sich der voluminöse Baukörper, dessen Wirkung durch eine über eine Eisenkonstruktion mit Draht-Putz und Gips geleg-
434)
Deutsche Bauzeitung 36 (1902), S. 141. Wolfgang Schepers, Düsseldorf als Ausstellungsstand, in: Der westdeutsche Impuls 1900–1914, Ausstellungskatalog Düsseldorf 1984, S. 19 ff. 436) Koch, Bauten, S. 156. 437) Vgl. die Meldung in der Schweizer Bauzeitung 40 (1902), S. 124. 435)
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te Hülle zusätzlich gesteigert wurde.438) Seiner Platzierung auf dem Ausstellungsgelände wegen erhob sich der Bau als ein fast freistehendes Gebäude, das nur durch seitliche, gestufte und schmale Vorhallen mit den Flügelbauten verbunden war. Die enorme Größe wurde dadurch zusätzlich hervorgehoben, dass jedem monumentalen Element ein entsprechendes in verkleinerter Form zugeordnet wurde, so zum Beispiel zwei Türmchen vor jedem Turm oder drei kleine Rundbogen im großen Bogen. Große, kreisrunde Fenstergauben in alle vier Himmelsrichtungen bestimmten den dekorativen Charakter der Architektur, dessen Höhepunkt die Eingangsfront war439): „Ein riesiger Torbogen mit einer über Arkaden eingefügten Loggia […] geben durch die Art ihrer Ausschmückung, die Loggien und Türmchen und dem zusätzlichen Dekor zusammen die Wirkung einer Festarchitektur.“440) Die ornamentale Gestaltung der Mittelhalle blieb aber nicht unkritisiert: Während die Schweizer Bauzeitung die „stillose Dekoration“ verurteilte, monierte der Ausstellungskritiker Friedrich Naumann, dass der Hauptausstellungshalle „jede Spur von Genialität“ fehle.441) Wie stark der Eindruck dieser Gestaltung gewesen ist, lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, mit welcher Energie spätere Architektengenerationen ihre räumlich ebenfalls am Rheinufer befindlichen Projekte davon abzusetzen trachteten.442) Hauptindustriehalle und Kunstpalast waren die Blickfänger, die zentral gestaltet wurden. Ansonsten machten die Veranstalter wenig Vorgaben für die Realisierung der Ausstellungshallen und Pavillons einzelner Firmen und Betriebe. Gesellschaften, Verbände, Firmen und auch staatliche Institutionen trieben so einen „reklamebedingten Ausstellungsexhibitionismus“, der weniger die jeweiligen Produkte und Dienstleistungen visualisierte, sondern mehr einem „konkurrierenden Prestigedenken“ entsprang.443) Die Großbauten und Pavillons der Ausstellung, die von staatlichen Stellen, vor allem aber von der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie errichtet wurden, wurden von den beteiligten Architekten als besondere Herausforderung gesehen: Nicht nur in der Stadtplanung, sondern auch bei der Ausstellungsgestaltung galt das Interesse des sich als Künstler verstehenden Architekten nicht dem Zweckbau, sondern den „großen öffentlichen Bauten – den Bauten
438)
Vgl. Deutsche Bauzeitung 36 (1902), S. 278 ff.; Schweizer Bauzeitung 40 (1902), S. 138 ff. In seiner Eröffnungsrede erwähnt der Vorsitzende der Ausstellungskommission, Geheimer Kommerzienrat Lueg, dass der Kaiser selbst einige Änderungen an der Kuppel angeregt habe. Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 30. 439) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 172. 440) Koch, Bauten, S. 152–158. 441) Vgl. Schweizer Bauzeitung 1902, S. 13. 442) Vgl. die Beschreibung der Entwürfe von Wilhelm Kreis bei Ute Einhoff, Die Dauerbauten der Gesolei: Kunstmuseum und Kunstpalast, Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde, Rheinterrasse, in: Jürgen Wiener (Hrsg.), Die Gesolei und die Düsseldorfer Architektur der 20er Jahre, Köln 2001, S. 50–61. 443) Hierzu und zum Folgenden Koch, Bauten, S. 158.
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C. Ausstellungen als soziale und kulturelle Praxis Abbildung 18: Hauptindustriehalle der Düsseldorfer Ausstellung 1902
der Macht, des Rechts, der Kultur“. Dort fanden sich die symbolischen Kernpunkte der Stadt- wie auch der Ausstellungsarchitektur.444) So inszenierte die Eisenbahnverwaltung den Besuch ihres Pavillons über den Aufstieg anhand von Treppenanlagen, Podesten und dem Durchschreiten eines Monumentaltores als einen Weg zur Obrigkeit. Die Embleme der Wandverkleidung nahmen diesen Gedanken auf: Über die mit der preußischen Königskrone geschmückte Kuppel hielten vier flügelschwingende Adler Wacht. Aufsehen erregte vor allem der Großaussteller Friedrich Krupp. Bereits seit 1844 hatte sich die Gussstahlfabrik unter der Leitung von Alfred Krupp der Industrie- und Gewerbeausstellungen als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit bedient, „hier konnte er die Firma und ihre Produkte einem größeren Publikum vorstellen.“445) Die Londoner Ausstellung 1851, die von vielen deutschen Industriellen wie auch Regierungen im Vorfeld kaum beachtet wurde, hatte Krupp gegen den Widerstand seines Partners mit einem gigantischen Stahlblock beschickt, mit dem er die englische Konkurrenz ausgestochen hatte. Bekannt wurde die Firma Krupp für ihre wiederholte Präsentation von monströsen Kanonen.446) 444)
Vgl. Nipperdey, Geschichte, S. 715 f. Wolbring, Krupp, S. 97. 446) Vgl. ebd., S. 94 f. 445)
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Abbildung 19: Die Krupphalle auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902
1902 setzte die Firma diese Form der Selbstpräsentation fort, als sie auf einem Areal von 4 280 m² ihre Produktion zur Schau stellte. Die Wege des Ausstellungsparks lenkten den Schritt des Besuchers von dem Panoramagemälde der Rheinüberquerung Blüchers bei Kaub in der Neujahrsnacht 1813/14 direkt zum Ausstellungskomplex der Firma Krupp. Dieses bildete den Anfang der „gewaltig wirkenden Feststraße der rheinisch-westfälischen Großgewerbe.“447) Die Stirnseite der Ausstellungshalle war zum wehrhaften Bug eines Kriegschiffs mit hochragendem Mast mutiert, vor er Längsseite waren es zwei Türme, die den Eindruck einer Festung vermittelten.448) Trotz vom Jugendstil beeinflusster Details überwog die schwere Massenwirkung, die ein „sprechendes Bild vom Selbstbewusstsein des Unternehmens vermittelt.“449) Schon zeitgenössisch interpretierte man diese Gestaltung als ein bewusst eingesetztes Mittel, mit dem man „auch die Konstruktion der Halle, ebenso wie die Architektur des Aeusseren, in gewisse Beziehung zu dem wuchtigen Inhalt, den Panzerthürmen, Panzerplatten und Kanonen bringen wollte.“450) Weniger galant formulierte der Ausstel447)
„II. Die Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf“, in: Centralblatt der Bauverwaltung, hrsg. vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten, XXII (1902), vom 3. Mai, S. 210–213, S. 212. 448) Zum Grundriss vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 42. 449) Vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 260. 450) Fritz Eiselen, Die Krupp-Ausstellungshalle auf der Düsseldorfer Ausstellung, in: Deutsche Bau-Zeitung 36 (1902), S. 244. Abbildung auch in Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf 1902, hrsg. vom Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Industriemuseum, Köln 1997, ohne Paginierung.
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lungskritiker Friedrich Naumann, der den „Kanonen im Innern“ im Vergleich zu dem Bauwerk Eleganz bescheinigte: „Aus allen schweren majestätischen Stilgedanken der Vergangenheit von Ägypten her bis zu den Festungsbauten der Neuzeit sind die kompaktesten, massigsten Wendungen und Rundungen zusammengegriffen worden, um etwas steinern Wichtiges herzustellen […] Es ist Massenwirkung ohne die Leichtigkeit der modernen konstruktiven Idee.“451) Düsseldorf war ein „Triumph der Verkleidung und nicht etwa die Präsentation neuer Ausstellungsideen“.452) Nur einzelne, meist kleinere Ausstellungspavillons setzten sich über ein entschiedenes Bekenntnis zum Jugendstil von den übrigen Bauwerken ab; sie prägten das Gesamtbild kaum. Über die „Aussagemöglichkeiten der Dekorationsarchitektur“ hinaus aber, so urteilt der Kunst- und Architekturhistoriker Koch, bot die Ausstellung keine weiteren neuen Gesichtspunkte: „Das Gesamtbild beherrschten die Gebäude in deutscher Renaissance, welche durch ihre Assoziationen an öffentliche Gebäude wie Kirchen, Schlösser und Rathäuser eine eigene städtische, hoheitliche, gelegentlich gar sakrale Atmosphäre entfalteten.“453) Beispielhaft dafür waren die als Kirchenbau errichtete Halle des Bochumer Vereins für Bergbau und Gussstahl-Fabrikate oder die einem Schloss nachempfundene Halle der Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabriken.454) Düsseldorf 1902 war gegenüber der Ausstellung von 1880 die ungleich gewaltigere Repräsentation des deutschen Geltungsanspruchs, wie er von der im Westen konzentrierten Schwerindustrie erhoben wurde. Dezidiert war die Exposition als Antwort auf die Pariser Weltausstellung von 1900 konzipiert, in der nach Meinung industrieller Kreise die Leistungen der deutschen Industrie nur unzulänglich zur Geltung kommen konnten. Auch ihre Architektur ist als ein Versuch zu werten, eine Antwort auf die Weltausstellung in Frankreich zu geben.455) In der Gesamtheit der ephemeren Architektur lag die Aufmerksamkeit auf der Gestaltung großer, besonders exponierter Ausstellungen. In der großen Menge der mittleren und kleinen Ausstellungen finden sich die beschriebenen Trends lediglich in Andeutungen wieder. So verfügten beispielsweise nur wenige Veranstaltungskomitees über die finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten, die für einen Hallenbau nötig waren. In mittleren und kleineren Städten boten oftmals öffentliche Parks das Gelände für die Pavillons ein-
451)
Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 420. Koch, Bauten, S. 158. 453) Vgl. Deutsche Bau-Zeitung 36 (1902), S. 381, 385. 454) Vgl. dazu die entsprechenden Abbildungen in Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung. 455) Vgl. Koch, Bauten, S. 149–166, S. 152–154, S. 164. 452)
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zelner Firmen, während die dort vorhandenen Konzerthallen oder Lokalitäten als Haupthalle genutzt wurden.456) In Kleinstädten und auf dem Lande bediente man sich für Gewerbe- oder Landwirtschaftsausstellungen entweder der Säle in öffentlichen Gebäuden oder Gaststätten oder errichtete eigene Holz- oder Zeltkonstruktionen. Aber auch mit bescheidenen Mitteln suchte man den Repräsentationscharakter der großen internationalen und nationalen Expositionsvorbilder nachzuahmen. Die Lippische Gewerbe-Ausstellung 1881 in Detmold, so betonten die Veranstalter, sollte nicht davon geprägt sein, dass man wie vier Jahre vorher „in letzter Stunde zusammenraffte, was in den Werkstätten der Handwerker und in den Läden der Kaufleute gerade zu finden war und dies ungeordnet in einem großen Bretterhause zusammenstapelte.“457) Nun konnte man auf ein stimmiges Konzept sowie auf einen repräsentativen Ausstellungsort verweisen: „Man sieht, daß die Sache groß und würdig angelegt ist. Unsere Ausstellung will sich hinsichtlich ihres Umfanges und ihrer Bedeutung nicht messen mit den großen Provinzial- und Landesausstellungen, aber sie will ihnen ebenbürtig zur Seite stehen hinsichtlich der Einrichtung und deren exakter Durchführung.“458) Nicht nur in der Anlage des gesamten Ausstellungsgeländes sowie in der Architektur einzelner Gebäude, sondern auch in den Techniken der Präsentation und der Besucherbindung setzten sich auf diese Weise die beschriebenen Trends fort und wurden ebenso wie in der Hauptstadt des Reiches und in den Zentren der einzelnen Landesteile vom Publikum wahrgenommen und bestaunt.459) Dass Architektur zur „Verfleißigung“ der Bevölkerung und zur Einführung eines „industriösen Geistes“ dienen sollte, hatte in Deutschland bereits eine längere Tradition.460) Vor allem der Architekt und preußische Beamte Karl Friedrich Schinkel sowie der Landschaftsarchitekt und Gartenbauer Peter Joseph Lené standen für eine Richtung der staatlichen und frühbürgerlichen Gewerbeförderung, der das Design und Formstreben im Kleinen wie auch die Architektur im Großen als Instrument zur mentalen Vorbereitung der Industrialisierung und einer damit verbundenen neuen Arbeits- und Lebensweise 456)
Vgl. zum Beispiel die Beschreibung der Allgemeinen Gewerbe-Ausstellung für den Stadt- und Landkreis Essen vom 17. bis 16. Juli 1893 in dem Artikel „Allgemeine Gewerbe-Ausstellung für den Stadt- und Landkreis Essen“, in: Essener Volks-Zeitung Nr. 139 vom Mittwoch, den 21. Juni 1893, S. 1 f. 457) Landesarchiv Detmold, L 115 D. Nr. 42: Beilage zu Nr. 129 der Lippischen Landeszeitung. Lippische Gewerbe-Ausstellung in Detmold 1881 vom 16. Juli bis 15. August. 458) Ebd. 459) Vgl. dazu zum Beispiel Landesarchiv Detmold, Foto- und Bildersammlung D 75, Nr. 11564 und Nr. 11356: Pavillon der Brauerei Brake, Pavillon des DampfsägewerkBetriebes Friedr. Aug. Neese, Detmold; Pavillon Dampfsägewerk Neese, 1881. Vgl. für die kurz skizzierte Ausstellung in Detmold die sie begleitende Berichterstattung in der Lippischen Landeszeitung, dem Lippischen Volksblatt und (vereinzelt) dem Herforder Kreisblattes 1881. 460) Brose, Politics, S. 77 f.
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galt.461) Wo Schinkel und andere vor allem auf die preußische Elite zielten und diese mittels neuer pädagogisch-wissenschaftlicher Institutionen und Gesellschaften erreichen wollten, zielten die späteren Bauten in ihrem Repräsentationsanspruch auf breitere Bevölkerungsschichten.462) In Schinkels Nachfolge entwickelte sich eine architektonische Richtung, die in Ansätzen bereits auf die „Kathedralen der Arbeit“ verwies, zu denen die Fabriken des frühen 20. Jahrhunderts gestaltet werden sollten.463) In diesen Bogen der architektonischen Kommunikation über ökonomische und damit verbundene soziale Veränderungen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts ist auch die Ausstellungsarchitektur einzuordnen, in vielen Feldern war sie gar Vorläuferin und Schrittmacherin für die allgemeine Entwicklung:464) Zunächst lehnte man sich an den Herrschaftssitz an. In die dort vorhandene symbolische Dingordnung wurde die Darstellung der Produkte von Industrie und Gewerbe eingefügt und von dessen repräsentativem Charakter profitierte sie. London 1851 und der dort als Haupthalle der Ausstellung errichtete Kristallpalast setzten neue Maßstäbe: Das Faszinosum der scheinbar unendlichen Weite der Glas-Eisen-Konstruktion465) demonstrierte augenscheinlich den Triumph der Technik, die der Besucher im Inneren besichtigen konnte. Mit ihren Mitteln war nicht nur der Raum der Halle überspannt worden, sondern sie konnte umgekehrt auch – wie Eisenbahn und Telegraph – unendlich erscheinende Entfernungen schrumpfen lassen.466) Architektonisch wurde der Zusammenhang von Bauwerk und technischem Fortschritt dadurch gestaltet, dass die Trägerkonstruktion aus Eisen oder Holz neben den füllenden Flächen sichtbar blieb: Der Kontrast des tragenden, farblich dunkel gehaltenen Skeletts und der weißen Fläche gab den Gebäuden einen deutlichen Fachwerkcharakter. Dieses betonte einerseits den Arbeits- und Konstruktionscharakter der Hallen und damit die Homogenität von Hülle und Inhalt, ande-
461)
Vgl. Karl Friedrich Schinkel – Werke und Wirkungen, Ausstellungskatalog der gleichnamigen Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum, Berlin 1981; Julius Posener, Schinkel und die Technik. Die englische Reise, in: Buddensieg (Hrsg.), Künste, S. 143–153; Peter Joseph Lené, Volkspark und Arkadien, Ausstellungskatalog hrsg. von Florian von Buttlar, Berlin 1989. 462) Vgl. M. Norton Wise, Architectures for Steam, in: Peter Galison/Emily Thompson (Hrsg.), The Architecture of Science, Cambridge/London 1999, S. 107–140, S. 134. 463) Matthias Staschull, Industrielle Revolution im Königspark. Architekturverkleidungen „technischer“ Parkgebäude des 19. Jahrhunderts in Potsdam am Beispiel von Ludwig Persius’ Dampfmaschinenhaus für den Park von Sanssouci, Marburg 1999, S. 173 ff.; zur Entwicklung nach der Jahrhundertwende vgl. Nipperdey, Geschichte, S. 728. 464) Wie sehr die Ausstellungsarchitektur dabei eingebunden war in die Stadtentwicklung einerseits, andererseits aber auch in die architektonischen Stile, zeigt beispielsweise der Abgleich mit der städtebaulich-architektonischen Entwicklung in Berlin. Vgl. Helmut Engel, Die Architektur der Wilhelminischen Zeit in Berlin, in: Wolfgang Ribbe (Hrsg.), Berlin-Forschungen IV. Berlin 1989, S. 53–104. 465) Vgl. dazu den Abschnitt C I in dieser Studie. 466) Vgl. Maag, Kunst, S. 101.
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rerseits sorgten große Fenster und weiße Wandflächen für viel Helligkeit im Ausstellungsgebäude. Als Symbolisierung der Arbeit aber trat die Ausstellungsarchitektur bald hinter anderen Tendenzen zurück. Auch wenn bei untergeordneten Bauwerken der Fachwerkstil beibehalten wurde, so galt dieser insgesamt als zu wenig monumental. Korrespondierend zur Ablösung der Neurenaissance wandten sich die Architekten verstärkt Surrogatbauten zu, die – positiv formuliert – mit prachtvollen, motiv- und schmuckfreudigen Fassaden glänzten beziehungsweise – negativ ausgedrückt – durch Vorblendung gegipster Maskeraden ihre ephemere Holz- und Eisenstruktur völlig negierten und stattdessen eine Massivarchitektur vorgaukelten.467) Die Architekten ließen die eigentlichen Hallen, welche die Exponate aufnahmen, hinter Fassaden verschwinden. Damit wurde nicht nur der provisorische Charakter des Baues verschleiert, sondern auch sein Wesen als Halle. Stattdessen wurde ein massiver konventioneller Bauorganismus vorgetäuscht oder zumindest angedeutet. Damit waren die Exponate von Industrie und Gewerbe umrahmt durch eine auf die Produktion von Stimmungen angelegte Architektur. Ähnlich wie die Eisen-Glas-Konstruktionen der großen Kaufhäuser und Passagen schufen die Ausstellungen ein „Mittelding zwischen Straße und Interieur“468) und gestalteten damit eigene Erlebniswelten und Konsumräume. Das ästhetische Modell der Ausstellungen lehnte sich zunächst an die Formen des frühen Museums an, welches als Musentempel konzipiert war und vor allem auf die sinnliche Erfahrung setzte.469) In ihren Ausdrucksmöglichkeiten aber überstieg die Ausstellung das Museum bald. Später kam ein zweiter Trend hinzu: Der Architekt, so wurde das ästhetische Programm der Berliner Ausstellung beschrieben, „hatte sein Märchenschloß geschaffen, und die Menschen waren bereit, sich auf dieses Märchen einzulassen.“470) Das Publikum suchte das Vergnügen, nicht allein die Repräsentation von Arbeit. Die Ausstellungsmacher kamen diesem Bedürfnis nach. Selbst wenn man die reinen Vergnügungsareale, die sich zur Jahrhundertwende immer zahlreicher und großflächiger auf den Ausstellungen fanden, außer Acht lässt, so waren die Ausstellungen im letzten Jahrhundertdrittel nach dem Prinzip eines Freizeitparks angelegt und architektonisch gestaltet. Auffällig entsprachen sich überdies der Rückgriff auf traditionelle Hoheitsformen, die den Eisen- und Glaskonstruktionen vorgeblendet wurden, und die im letzten Jahrhundertdrittel zu beobachtende Zunahme eines nationalen Repräsentationsbedürfnisses. Nicht zuletzt suggerierte der ästhetische Konservatismus, wie er sich im Rückgriff auf traditionelle Architekturstile wie die
467)
Vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 157. Walter Benjamin, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, Frankfurt a. M. 1980, S. 35. 469) Vgl. Hochreiter, Musentempel, S. 183. 470) Dittrich, Märchenschloß, S. 73. 468)
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Gotik und den Klassizismus, insbesondere aber in der Ornamentalkunst realisierte, eine Kontinuität mit der Vergangenheit, indem man an scheinbar der Zeit enthobene Ideale anknüpfte. Moderne Rotationspressen, Dampfmotoren und andere kolossale Maschinen waren nicht nur in (wieder)errichteten Palästen und Tempeln ausgestellt, sondern zudem noch antikisierend verkleidet.471) Ein Großteil des Publikums rezipierte die Exponate unter dem Eindruck der architektonischen Inszenierung. Es war die wesentliche kommunikative Leistung der Ausstellungsarchitektur, diese Stimmung erzeugt und damit die Rezeption der Exponate in diesem Sinne beeinflusst zu haben. Ausgehend von England, entwickelte sich um die Jahrhundertwende eine „architektonische Erneuerungsbewegung“, die sich gegen die eklektizistische Baukunst ihrer Zeit wandte.472) Eines der Organe der Reformer, die Zeitschrift Dekorative Kunst, charakterisierte die Bauten der Berliner Ausstellung als „schwere Scharte“ und „proletarische Geschmacklosigkeit“.473) Auch Hermann Muthesius, Wortführer der Bewegung, erläuterte seine Kritik gerade an den Bauten der White City, wie sie die Chicagoer Weltausstellung 1893 erschaffen hatte. „Mochte das Märchenbild, das so geschaffen war, noch so bezaubernd sein, für den Kunstfortschritt konnte diese Leistung mit nicht mehr als Null angesetzt werden.“474) Statt Dekoration sollte nun architektonisch das Prinzip der Materialgerechtheit umgesetzt werden. „Du sollst diese Formen und Konstruktionen dem wesentlichen Gebrauch des Materials, das du verwendest, anpassen oder unterordnen“, so formulierte Henry van de Velde in seinem Credo von 1907.475) Damit war ein neues Ideal aufgebracht, welches die alten Gewohnheiten der Dekorationsarchitektur überwinden wollte und nicht mehr auf architektonische und dekorative Suggestion und Überwältigung setzte.476)
VI. Hierarchie und Konsens: Die Repräsentation der industrialisierten Gesellschaft in den Festen der Ausstellung „Berlin ist heute eine Feststadt“, so eröffnete die Berliner Morgen-Zeitung ihre am 1. Mai 1896 einsetzende Berichterstattung über die Gewerbeausstellung.477) Die offizielle Eröffnung der Exposition fand publizistisch im ganzen 471)
Vgl. dazu das Kapitel C III in dieser Studie. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 163. 473) Moderne kunstgewerbliche Ausstellungen, in: Dekorative Kunst 1 (1898), S. 37 ff.. 474) Hermann Muthesius, Die Ausstellungsbauten der Pariser Weltausstellung, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 20 (1900), Nr. 5, S. 358. 475) Henry van de Velde, Credo, zitiert nach Ulrich Conrads, Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts, Berlin/Frankfurt a. M./Wien 1964, S. 14. 476) Zur weiteren Entwicklung vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 164 ff. 477) Berliner Morgen-Zeitung und Tägliches Familienblatt Nr. 102 vom 1. Mai 1896, S. 1. 472)
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Reich Beachtung, avancierte aber vor allem in der Hauptstadt selbst zu einem gesellschaftlichen Großereignis.478) Am „Geburtstag der Ausstellung“, so berichtet der Publizist Alfred Kerr in seinem Tagebuch, habe eine „nicht zu beschreibende Stimmung“ geherrscht. „Ein Jauchzen, eine sommerliche Seligkeit zog durch die Lüfte, es war wie ein einziger Ruf von Glück und Stolz. Nie hätte man es für möglich gehalten, daß in dieser Metropole des zweifelnden Lächelns eine solche elementare, naive Begeisterung durchbrechen könnte. Wer an diesem Morgen auf irgendeinem Gefährt nach dem Osten zog und im wunderseligsten Lenzwetter die Hunderttausende sah, die auf den Straßen, an den Fenstern, auf Pferdebahnen, auf Mailcoaches, auf Zweirädern, auf Omnibussen, auf Taxametern, auf Equipagen und zu Fuß unterwegs waren; wer die geschmückten Häuser mit den oft rührend ungeschickten Teppichen, Fahnen und Girlanden und die toll bewegten Menschen blickte; wer die jungen Mädchen sah, die aus dem ersten und zweiten und dritten Stock im Kreise der eingeladenen Bekannten die Bowlengläser gegen die unten Vorüberfahrenden schwenkten; wer in der Luft den ganzen seltsamen Werdezauber mitempfand und die Teilnahme einer riesigen Gemeinschaft die lumpige private Brust schwellen fühlte: der wird diesen denkwürdigen morgendlichen ersten Mai nie vergessen. […] Berlin hatte einen einzigen Gedanken und eine einzige Wallfahrt: Treptow.“479)
Folgt man der Berichterstattung, so entwickelte die Ausstellungseröffnung eine große Anziehungskraft. „Ganz Berlin hatte sich aufgemacht“, nicht nur die „oberen Zehntausend“, sondern Angehörige aller Bevölkerungsschichten. „Wer nicht selbst an der Völkerwanderung teilnahm, der sah ihr zu.“ Dicht gesäumt von Zuschauern und Beobachtern waren die Straßen, die in den Osten Berlins führten. Die Schilderung des „ungeheuren Verkehrs“ illustrierten verschiedene Zeitungen mit Skizzen und Drucken entsprechender Szenen.480) Die „Reichshauptstadt hatte […] ihr Festgewand angelegt“, sich mit „Fahnen und Laubgewinden [geschmückt], um die Eröffnung ihrer Ausstellung zu feiern“481) 1. Die Industrie- und Gewerbeausstellung als Fest Bereits von den Zeitgenossen sind die Industrie- und Gewerbeausstellungen als Feste begriffen und beschrieben worden: Blicke man über die materielle Seite der Expositionen hinaus, so vermerkte der Verfasser eines entsprechen-
478)
Einen Eindruck vermittelt die Bibliographie Berliner Gewerbeausstellung 1896, hrsg. vom Bezirksamt Treptow-Köpenick. 479) Kerr, Berlin, S. 148. Eine nahezu parallele Schilderung zum Empfang des Kaisers in der Düsseldorfer Ausstellung bei der Eröffnung der Düsseldorfer Ausstellung vgl. Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 89. 480) Vgl. Berlin am 1. Mai: An der Köpenicker Brücke, „Ein Sonntagnachmittag auf der Treptower Chaussee“, in: Berliner Illustrirte Zeitung Nr. 18 vom 3. Mai 1896, S. 6. 481) Die Eröffnung der Berliner Gewerbe-Ausstellung. Berlin im Festgewande, in: Berliner neueste Nachrichten 204 vom 1. 5. 1896, S. 1–2.
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den Artikels im Deutschen Staats-Wörterbuch, so liege „der Institution der Gewerbeausstellung in allen ihren Erscheinungsformen […] die Idee eines Festes zugrunde“.482) Die besondere Präsentation der Produkte des Gewerbefleißes sowie technischer Innovationen zunächst in öffentlichen, meist herrschaftlichen Gebäuden, eine feierliche Eröffnungs- und Schlusszeremonie sowie die rituell besonders hervorgehobene Prämierung einzelner Aussteller – diese und ähnliche Elemente legten die Analogie nahe und bewegten die zeitgenössische Publizistik dazu, die Ausstellungen selbst als „exzeptionelle Feste“ zu titulieren.483) Mit den Industrieausstellungen, so hielt als ein Ergebnis der Münchener Nationalexposition von 1854 Heinrich von Mangoldt fest, „erhalten wir […] Volksfeste, nach denen wir die Epochen unserer nationalen Entwicklung mit dem gleichen Rechte rechnen könnten wie einst die Griechen die ihren nach den Olympischen Spielen, Feste, in denen man ohne Übertreibung die Blüte der jeweiligen Kultur erblicken durfte.“484) Zunächst liegt diese Eigenart begründet in der Geschichte des Mediums, speziell in ihrem französischen Ursprung: Die vom französischen Innenminister Neufchâteau inszenierte erste Nationalausstellung von 1798, auf der neben Beutestücken vor allem Produkte der Industrie und der Gewerbe gezeigt wurden, gründete keinesfalls vorrangig in dem Motiv der Gewerbeförderung, sondern lehnte sich an die volkspädagogisch gedachten fêtes révolutionnaire an485): Ziel der Präsentation war es, auf die in der Revolution errungene Gewerbefreiheit hinzuweisen und zugleich den Nationalstolz zu steigern.486) Für den Einzelnen brachte der Besuch der Ausstellung typische Erfahrungen eines Festes mit sich: die Unterbrechung des Alltags, die räumliche Entfernung aus den heimatlichen Bezügen und die Loslösung aus den alltäglichen Geschäften ließen die Ausstellung in die Nähe eines Kirmes- oder Volksfestbesuchs, aber auch einer Wallfahrt oder eine der noch wenig populären Urlaubsreisen rücken.487) Im Selbstverständnis der Veranstalter galten die Ausstellungen ebenfalls als „Feste der Industrie und des Gewerbes“, gelegentlich gar als „Feste der Arbeit“.488) Insgesamt verweist diese Charakterisierung auf die repräsentative Rolle, die dieses Medium für die Entfaltung der 482) Vgl. L. Schäffle, Artikel Industrieausstellungen, in: Deutsches Staats-Wörterbuch Bd. 5, Stuttgart/Leipzig 1860, S. 313–317, S. 314. 483) Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt. Vgl. dazu Reulecke, Frieden, S. 45–58. 484) Heinrich von Mangoldt, Münchener Ergebnisse III. Über deutsche Volksfeste, in: Karl Gutzkow (Hrsg.), Unterhaltungen am häuslichen Herd, Bd. III (1855), S. 271. 485) Vgl. Ozouf, Fête. Biver, M.L. Fêtes révolutionnaires à Paris, Paris 1979. 486) Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt B II 1 dieser Arbeit 487) Vgl. Winfried Gebhardt, Fest, Feier und Alltag. Über die gesellschaftliche Wirklichkeit des Menschen und ihre Deutung, Frankfurt a. M. 1987, insbesondere S. 36–44. 488) So beispielsweise der Vorsitzende des Arbeits-Auschusses der Berliner Gewerbeausstellung 1896, Kommerzienrat Fritz Kühnemann, in seiner Eröffnungsansprache, vgl. die Dokumentation in Berlin und seine Arbeit. Vgl. L.F.M.R. Wolowski, Etudes d’économie politique et de statistique, Paris 1848, S. 55.
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industrialisierten Gesellschaft und ihrer Trägergruppen übernahm.489) Schon zeitgenössisch wurden die Ausstellungen als „ganz specifisch zeitgemäßer Ausdruck“ eines Zeitalters interpretiert, welches – so die dezidiert fortschrittskritische Perspektive – „die banausische Arbeit geadelt und die ökonomische und sittliche Lebensbestimmung so innig ineinandergebildet hat“.490) Die Organisatoren der Ausstellung versuchten ihrerseits, den festlichen Charakter der Ausstellung hervorzuheben. Auf diese Weise war die Ausstellung nicht nur selbst eine Form von Publizität, sondern bot weiteren Formen von Öffentlichkeit Raum: Neben einem stetig wachsenden Kongress- und Konferenzwesen prägten vor allem regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen wie Konzerte, Illuminationen oder das Abbrennen von Feuerwerk das äußere Erscheinungsbild der Ausstellung. Neben Festlichkeiten zu Ehren einzelner Personen oder ganzer Korporationen standen öffentliche Veranstaltungen, die als „besonderes Anziehungsmittel für das Publikum“ veranstaltet und vermarktet wurden.491) Öffentliche Feste in den Industrie- und Gewerbeausstellungen waren herausragende Momente der Expositionen wie auch zugleich Deutungen und Interpretationen dieses Unternehmens. Damit kommt ihnen eine vergleichbare Bedeutung zu wie der allgemeinen Festkultur in der Gesamtgesellschaft:492) „Stärker und besser als Diskurse verkörperte – und vergesellschaftete – [das Fest] ein neues Wertesystem“.493) Das Fest wurde aus der Sicht der Aufklärung als ein dezidiert partizipatorisches und pädagogisches Medium begriffen, vermittelte die Teilnahme daran doch bestimmte Werte und Normen. An der „sozialen Ordnung des Festgeschehen“, an seinem Ablauf, seinem Symbolreservoir und an dessen Einsatz „läßt sich immer auch die Ordnung der Gesellschaft erkennen – und zugleich die Utopie zukünftiger Gesellschaft, soweit die Zeitgenossen den realen Verhältnissen im Medium des Festes, bewusst oder unbewusst, Kritik und Gegenentwurf gegenüberstellten.“494) Die Träger der Industrie- und Gewerbeausstellungen orientierten sich bei ihren Festivitäten an den zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufkommenden bürgerlichen und den (zeitlich tendenziell später anzusiedelnden) nationalen
489)
Darauf verweist schon Haltern, Weltausstellung, S. 9. Vgl. Schäffle, Artikel Industrieausstellungen, S. 314. 491) Vgl. zu dieser Systematik Berlin und seine Arbeit, S. 163. Zur zunehmenden Kommerzialisierung der Veranstaltungen vgl. das Kapitel C IV in dieser Studie. 492) Vgl. Michael Maurer, Feste und Feierlichkeiten als historischer Forschungsgegenstand, in: Historische Zeitschrift 253 (1991), S. 101–130. Wichtige Publikationen sind Werner Freitag, Das Dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933–1945, Bielefeld 1997; Düding/Friedemann/Münch, Festkultur; Schneider, Festkultur. 493) Chartier, Phantasie, S. 175. 494) Manfred Hettling/Paul Nolte, Bürgerliche Feste als symbolische Politik im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hrsg.) Bürgerliche Feste. Symbolische Formen politischen Handelns im 19. Jahrhundert, Göttingen 1993, S. 7–37. 490)
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Festen.495) Diese Festkulturen entwickelten sich zunächst in Abgrenzung zu einer vormodernen Gestaltung des Feierns: Seit der Aufklärung sollte das Fest nicht mehr der Anlass zur Flucht aus der Wirklichkeit in eine karnevalesk inszenierte Gegenwelt sein,496) sondern als eine kontrollierte und reglementierte Zeit gestaltet werden.497) „Das ‚gleich einer daherstürzenden Fluth‘ sich bewegende Volk unterwarf man einer regelhaften Choreographie: der wohlgeordnete Festzug mit Musik, der gymnastisch trainierte Körper, die militärische Präzision der Bewegungen – das waren die neuen Ideale“.498) Eine zweite Tendenz kam hinzu, die das Fest der Neuzeit von dem der Vormoderne abgrenzte: Immer weniger diente das Fest allein dazu, politische oder gesellschaftliche Akte zu manifestieren und damit soziale Realität zu schaffen und abzubilden. An Stelle dessen trat ein höheres utopisches Potenzial, mit welchem sich die Funktion der Festivitäten „immer mehr hin zur Symbolisierung gesellschaftlicher Selbstdeutungen und ideologischer Überzeugungen“ verschob.499) Die innerhalb der Industrie- und Gewerbeausstellungen veranstalteten Feste sind ein treffendes Beispiel für beide genannten Entwicklung: Zum einen reglementierten sie den Besuch durch vielfältige Techniken der Lenkung und kanalisierten den Drang zur Vergnügung, indem sie kommerzialisierte Formen seiner Befriedigung einführten. Zum anderen kombinierten sie die Repräsentation traditioneller Werte und Formen mit dem Verweis auf die von Technik und Industrie geprägte Gesellschaft der Zukunft. Von besonderer programmatischer Bedeutung für die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren die Eröffnungs- und Schlussfeiern sowie die Besuche des jeweiligen Landesherrn und seit der Reichsgründung des Kaisers:500) Von den Veranstaltern mit großer Akkuratesse geplant,501) kam ihnen eine programmatische Funktion zu, dienten sie doch entweder als Einführung zur Veranstaltung oder als Resümee des vergangenen Geschehens. Wo die Schlussveranstaltungen gelegentlich unter dem oftmals nachlassenden Interesse der Öffentlichkeit litten, wurden sie andererseits aufgewertet durch 495)
Eine klare Unterscheidung von bürgerlichen Festen und Nationalfesten wird unterstellt ebd., S. 10. Eine stärker an der Empirie orientierte Einordnung mit einer anderen Begrifflichkeit bei Schneider, Festkultur, S. 18–20. 496) Vgl. Gebhardt, Fest, S. 42–44. 497) Eine generelle Typologie der Festkultur und eine anthropologische Herleitung wird skizziert bei Maurer, Feste, S. 101–103. 498) Paul Münch, Fêtes pour le peuple, rien par le peuple. „Öffentliche“ Feste im Programm der Aufklärung, in: Düding, Festkultur, S. 25–45. 499) Hettling/Nolte, Feste, S. 18. 500) Vgl. dazu Stadtarchiv Düsseldorf, III Nr. 786: Kaiserbesuch 1902: Schriftwechsel mit der Ausstellungsleitung 1902; ebd., III. Nr. 790, Fürstenbesuch 1902. 501) Vgl. dazu die Vorgänge in der besonders reichhaltigen Aktenüberlieferung des „Festausschusses“ in Düsseldorf 1902. Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902. Stadtarchiv Düsseldorf XVIII, Nr. 1 (Präsidium), Nr. 105 (Protokollbuch des Ausschusses für Festlichkeiten), Nr. 127 (Planung und Durchführung der Schlussfeier) u. v. m.
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die zu diesem Anlass vorgenommene Medaillenübergabe und Auszeichnung der Aussteller.502) Der Besuch des Landesherrn oder des Kaisers, wie er insbesondere in den Ausstellungen des letzten Jahrhundertdrittels üblich wurde, strukturierte gar die offizielle Darstellung des Ausstellungsverlaufs. „Vom Eröffnungstage bis zum Kaiserbesuch“, so eine typische, in vielen Katalogen und Berichten auftauchende Chronologie der ausstellungseigenen Selbstdarstellung.503) Ablauf und Formen der Eröffnungs- und Schlussfeiern sowie sonstige offizielle Anlässe waren komplexe soziale Ereignisse, die nicht nur die Gesellschaft im Kontext des technisch-industriellen Fortschritts zeigten, sondern auch die Beziehung der einzelnen Gesellschaftsgruppen zueinander und deren Stellung in einer industrialisierten Welt interpretierten. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen soll die Eröffnungsfeier der Berliner Gewerbeausstellung 1896 sein, anhand derer die zentralen und typischen Elemente des Festes skizziert und dann mit Rückgriff auf die gesamte Ausstellungskultur typisiert werden. An diesem Beispiel sollen die Beziehungsgeflechte, welche in den Eröffnungsfeierlichkeiten zentral repräsentiert wurden, entwickelt und auf dem Hintergrund der Entwicklung der allgemeinen Ausstellungskultur analysiert werden. 2. Der Thron, die „leitenden Herren der Ausstellung“ und das Publikum Nur wenige derjenigen, die sich laut Zeitungsberichten aufgemacht hatten zur Eröffnung der Berliner Gewerbeausstellung, konnten an dem feierlichen Akt tatsächlich teilnehmen. „Der ungeheure Verkehr auf den Zufahrtsstraßen“, so berichtete das Berliner Tageblatt, „hätte darauf schließen lassen können, daß Hunderttausende sich auf dem Ausstellungsterrain befänden.“ In der Tat aber blieb „die große Masse vor den Thoren.“504) Nur geladenen Gästen war bis zum Schluss der Eröffnungszeremonie der Zugang zur Ausstellung gestattet, selbst die Aussteller durften sich während der Feier lediglich auf dem Gelände aufhalten, erst nach dem Festakt wurde die Exposition für den allgemeinen Besuch geöffnet.505) Wie im skizzierten Beispiel Berlins wurde allgemein verfahren. Man feierte die Eröffnungen nicht exklusiv, wohl aber vor einem ausgewählten Publikum: Zur Festivität zugelassen waren in der Regel neben geladenen Gästen sämtliche Aussteller sowie die Inhaber von Dauerkarten zur Ausstellung. Nur ge-
502)
Zur Zeremonie der Medaillenübergaben vgl. Ines Augustin, Die Medaillen und Plaketten der großen Weltausstellungen 1851–1904, Karlsruhe 1985, S. 49 f. und öfter. 503) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 24; ähnlich in Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke. 504) Der erste Nachmittag in Treptow, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung. Morgenausgabe, Berlin XXV. Jg., vom 2. Mai 1896. 505) Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 164.
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legentlich, wie bei der Gewerbeausstellung in Braunschweig, konnten Interessierte zu stark erhöhten Preisen Eintrittskarten zu der Eröffnungsfeier lösen.506) Vor einem geladenen Publikum aus den „in Berlin anwesenden Ministern und anderen hohen Staatsbeamten, die fremden Gesandten nebst andern Fremden, so wie die Berliner Aussteller und die Mitglieder der Ausstellungskommission“507) wurde die deutsche Nationalausstellung 1844 eröffnet. In München 1854 waren Einladungen ergangen an „das diplomatische Corps – die Hofrangesklassen, sämmtliche Hof- und Staatsdiener, für das Officiercorps der Linie und jenes der Landwehr, die Commissäre und Ausstellungs-Bevollmächtigten der deutschen und auswärtigen Staaten – die Mitglieder der Beurtheilungs-Commission, an den Magistrat und die Gemeindebevollmächtigten der Haupt- und Residenzstadt München, an das GeneralComité des landwirtschaftlichen Vereins, dann an die Handel-, Fabrik- und Gewerberäthe in der Hauptstadt u.s.w. Außerdem berechtigten die Dauerund Ausstellerkarten ebenfalls ihre Inhaber zur Anwesenheit bei der Eröffnungsfeier.“508) Unter Ausschluss der weiteren Öffentlichkeit und im Beisein „der hervorragendsten Vertreter der Großindustrie, der ersten Beamten des Reiches, des Staates, der Kirche und der Stadt, Abordnungen der auswärtigen und hiesigen Künstlerschaften, Männern der Presse u.s.w.“ wurde auch die Düsseldorfer Ausstellung 1902 eröffnet.509) Das große Publikum blieb bei der Eröffnungsfeier in Berlin 1896 darauf beschränkt, die Kulisse für die Ankunft des Kaisers und damit für ein zentrales Element des Festaktes zu bieten. Nicht nur in Berlin, sondern allgemein war der feierliche Einzug des Landesherrn begleitet von öffentlichen Huldigungen wie Hochrufen, musikalischen Darbietungen und Gedichtvorträgen, die den Monarchen als Protektor der Ausstellung wie auch als Förderer von Industrie und Gewerbe feierten.510) In Düsseldorf 1902 wurde der deutsche Kaiser in einem Zeremoniell zur Ausstellung geführt, welches den gesamten Weg vom Bahnhof zur Ausstellung einschloss: Schüler standen Spalier und säumten den Weg, eine große Menschenmenge erwartete den ranghöchsten Gast, der bis zum Hauptportal der großen Industriehalle gefahren wurde. Dort hatte eine „kombinierte Ehrenkompagnie“ Aufstellung genommen, die der Kaiser unter Marschklängen abschritt, um sich dann der Kuppelhalle des Industriepalastes zuzuwenden, wo er dann von den Spitzen aus Verwaltung, Adel, der lokalen und regionalen Politik und der Kirchen empfangen wurde.511) 506)
Die braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877 in Braunschweig unter dem Protectorate sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig 1878, S. 16. 507) Amtlicher Bericht Berlin, Berlin 1846, S. 69. 508) Amtlicher Bericht München, S. 154. 509) DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 1 vom 3. Mai 1902, S. 9. 510) Vgl. exemplarisch Amtlicher Bericht München, S. 155. 511) Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 27.
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Anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung 1896 begnügte Wilhelm II. sich nicht mit einem simplen Einzug, sondern gestaltete seine Anreise mit dem kaiserlichen Schiff Alexandria als „Propagandafeldzug für die ‚Eroberung der Weltgeltung zur See‘“.512) Am Landungssteg wurde das kaiserliche Paar nicht nur vom Handelsminister Berlepsch, dem Ehrenpräsidenten der Ausstellung, empfangen, sondern auch von den „leitenden Herren der Ausstellung“, nämlich den Vorsitzenden des Hauptausschusses, Kühnemann, Felisch und Goldberger.513) Sie geleiteten die Gäste in den Kuppelsaal des Hauptausstellungsgebäudes, der architektonisch sowie in seiner Innengestaltung besonders hervorgehoben war. Nur „ein paar tausend Menschen“, so berichtete der Publizist Alfred Kerr, war bei der eigentlichen Feier zur Eröffnung der Berliner Gewerbeausstellung der Zugang zur eigentlichen Feier in der Kuppelhalle gestattet. Die Kleiderordnung schrieb für diese Auserwählten Uniform oder Frack und weiße Binde für die Herren, Promenaden-Toilette für die Damen vor. „Unten wogten die Frühjahrshüte und die Zylinder, aber bald stand die Menge unbeweglich fest, weil die Riesengedrängtheit jede Schwankung unmöglich machte.“ Da der Kuppelsaal aber höher als die Hauptausstellungshalle lag und nicht durch Wände von dieser getrennt war, bot sich der Eröffnungsakt zugleich als Schauspiel für eine riesige Menschenmenge dar. „Oben standen die zwölfhundert Bevorzugten, sie umlagerten einen zweisitzigen Thron, etwas lockerer und bequemer gruppiert; weit mehr Herren als Damen; massenhaft offizielle Persönlichkeiten.“ Um den von einem „purpurnen Baldachin“ überdachten Thron gruppierten sich die geladenen Gäste: rechts davon die „hohen Beamten und Würdenträger, die Hofstaaten der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, die Botschafter, Gesandten und die andern besonders geladenen Gäste“, links davon die Ausstellungsorganisatoren, namentlich die Mitglieder des Arbeitsauschusses und des geschäftsführenden Ausschusses mit ihren jeweiligen Damen, sowie die Ehrenpräsidenten der Gruppen und die Vorsitzenden der Gruppenvorstände, um diese Formation gruppiert die „Architekten und Ehren-Syndici der Ausstellung, die Mitglieder aller Kommissionen, des Gesamtvorstandes und der Gruppenvorstände.“514) Der Kuppelsaal515) war „schwindelnd hoch; fast an der Decke verschwinden ein Haufen von Herren im Frack auf einer Galerie: die berühmte Berliner Liedertafel; niemand beachtet sie heute. Unten ein Meer von Blumen, die garnierten Hüte der Damen; eine ungezählte elegante Menge in einem riesigen, kühnen, feierlichen Raume. Hofuniformen, goldgestickte Röcke, weiße Hosen, fremdländische Kostüme; braune Gesichter, blauschwarze Schnurrbärte, geschlitzte Augen; Turbans, Kappen und Helme; exotische Attachés,
512) Vgl. den „Augenzeugenbericht“ in Lindenberg, Pracht-Album, S. 21; Thiel, Berlin, S. 22. 513) Berliner Presse Nr. 103 vom 2. Mai 1896, S. 1. 514) Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 163 515) Zum architektonischen Programm vgl. Kapitel C V in dieser Studie.
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Stadtverordnete mit güldenen Ketten, Generale, Huissiers in Blau mit Silber und weißen Gamaschen, Journalistischem im Frack und ohne Orden, Professoren im roten Mantel, höfische Würdenträger in Escarpins.“516) Die Spitzen der Gesellschaft aus staatlicher Verwaltung und Aristokratie, dem Kunst- und dem Wissenschaftsleben präsentierten sich dem versammelten Publikum. Höher gelegen als das Niveau der Hauptindustriehalle, aber nicht durch Wände von dieser getrennt, spielte sich die Eröffnungszeremonie auf einem weithin sichtbaren Podium ab. Zugleich aber bildete das Publikum die Szenerie und Kulisse für dieses Eröffnungsspektakel, wie es von den ausgewählten Akteuren dargeboten wurde: Nach Ansprachen von Kühnemann, Felisch und Goldberger durchschritt der Kaiser inklusive Gefolge die Ausstellung „wie in einer großen Polonaise“, so spottete der Publizist Kerr. Dieser festliche Umzug und die sich anschließende feierliche Eröffnung der Ausstellung waren ein fester Bestandteil der Feierlichkeiten seit der Londoner Great Exhibition.517) Diener und Komiteemitglieder vorneweg, „eins immer beflissener und wichtiger als das andere“, in der Mitte das Kaiserpaar und Prinz Friedrich Leopold, der Hof sowie die Botschafter in ihren Maskenkostümen. „Heil Dir im Siegerkranze, nochmals hoch, hoch, hoch, der Kaiser entfernt sich wieder, er kehrt nach einem Weilchen zurück, hoch, hoch, hoch, Heil Dir im Siegerkranze, erneuter Rundgang, hoch, hoch, hoch. Ferdinand lächelt verlegen, der Hofzug schreitet endgiltig dem Ausgang zu, Heil Dir im Siegerkranze … Dann ein wüstes Stoßen, die elegante misera plebs von unten wird in den höheren Kuppelraum zugelassen zu den Erwählten, die Herrschaften alle stürmen die Treppen heraus, Tohuwabohu – und jetzt hinaus in den Park, hinaus, hinaus …!“518)
Dem Publikum präsentierte man im Rahmen der Eröffnung oder anlässlich eines Kaiserbesuchs eine inszenierte Symbiose von Thron, staatlicher und kommunaler Verwaltung sowie den neuen sozialen Eliten aus Industrie, Gewerbe und Handel, aber auch von Vertretern der Wissenschaft, des Kunstund des Kulturlebens. Insbesondere den bürgerlichen Organisatoren der Ausstellung, wie sie seit der zweiten Jahrhunderthälfte dominierten, boten die Eröffnungsfeiern bislang nicht vorhandene Möglichkeiten zur Selbstdarstellung und zur Präsentation. Nicht nur in Berlin standen neben dem Kaiser die „leitenden Herren“ der Ausstellung im Mittelpunkt. Auch in Düsseldorf 1880 saß der Vorsitzende des Hauptkomitees der Ausstellung und bürgerliche Ingenieur Heinrich Lueg zwischen hohem und altem Adel: dem greisen Feldmarschall Herwarth von Bitterfeld, dem Fürsten zu Wied, den Oberpräsidenten von Bardeleben und von Ende. Auch 1902 gelang es Lueg und dem gleichberechtigten Vorsitzenden der Ausstellung kunsthistorischer Altertü-
516)
Kerr, Berlin, S. 148 f. Vgl. dazu Amtlicher Bericht über die Industrie-Ausstellung aller Völker zu London im Jahre 1851, von der Berichterstattungs-Kommission der Deutschen Zollvereins-Regierungen, Erster Teil, Berlin 1852, S. 193 f. Vgl. auch Hoffenberg, Empire, S. 257. 518) Kerr, Berlin, S. 149. 517)
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Abbildung 20: Nach der Eröffnungsfeier Berlin 1896 – Momentaufnahme
mer, Professor Fritz Roebner, sich erneut in Szene zu setzen, waren diese doch nicht nur beim Festessen an exponierter Stelle platziert, sondern übernahmen auch die Führung des Kronprinzen durch die Ausstellung.519) Wie in den geschilderten Beispielen hatte seit den vierziger Jahren die jeweilige Obrigkeit im Mittelpunkt der Veranstaltungen gestanden. Die frühindustriellen Ausstellungen (Berlin 1844, München 1854) waren als staatliche Veranstaltungen von dem Landesherrn angeordnet und wurden von den entsprechenden Ministerien für Handel und Gewerbe durchgeführt. Selbst bei der Eröffnung der Berliner Gewerbeausstellung 1844, bei der sich König und Königin in der Provinz Sachsen aufhielten und deshalb nicht anwesend waren, stand der Herrscher im Mittelpunkt – nicht persönlich, wohl aber in Form einer Büste, vor der in Anwesenheit vieler Minister und hoher Staatsbeamter der Staats- und Finanzminister Flottwell die Eröffnungsworte sprach.520) Das Herrscherporträt blieb das zentrale Gestaltungselement, welches in der Hauptindustriehalle ausgestellt wurde und damit den Ort schmückte, der als Ort
519) 520)
Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 33. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, Berlin 1845, S. 69.
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der Feierlichkeiten diente und architektonisch sowie in der Innengestaltung besonders hervorgehoben war.521) Mit dem geballten Nachdruck der in der Hauptindustriehalle präsentierten Produkte wurden dem Landesherrn und den Vertretern der staatlichen Verwaltung die Entwicklung von Gewerbe und Industrie als eines der Hauptprobleme der regionalen und nationalen Zukunft vorgeführt.522) Zugleich legitimierten die Anwesenheit des Herrschers und das Interesse, welcher dieser an den Produkten und Leistungen von Industrie und Handel zeigte und von der die Ausstellungsliteratur wie auch die Tageszeitungen in nahezu standardisierter Form berichteten, die Tätigkeit dieser Berufsstände und erhöhte ihr Prestige.523) In der nach 1850 einsetzenden Ausstellungstätigkeit waren es nicht mehr staatliche Stellen, die zu den großen Ausstellungen einluden und diese organisierten. Stattdessen übernahmen private Interessenvereinigungen oder von Industrieverbänden dominierte Komitees die Initiative, Vorbereitung und Durchführung der Ausstellungen. Auch diese Gruppen bemühten sich in der Repräsentation nach außen weiterhin um eine maximale Staatsnähe. Ein erster Schritt dazu war es, den Landesherrn, später den Kaiser selbst oder zumindest ein Mitglied der kaiserlichen Familie als Protektor der Ausstellung zu gewinnen.524) In Berlin 1896 war es der Vetter des Kaisers, Prinz Leopold von Preußen, der diese Aufgabe übernahm, in Düsseldorf 1902 der Kronprinz des Deutschen Reiches.525) In ähnlicher Weise bemühten sich die Aussteller um staatliche Anerkennungsmedaillen für erfolgreiche Aussteller, denen bei den beteiligten Industriellen und Gewerbetreibenden wie auch beim Publikum ein höheres Prestige zugesprochen wurde als den ausstellungseigenen Auszeichnungen.526) Trotz der inszenierten Einigkeit zwischen Industrie, Gewerbe und staatlichen Instanzen waren doch häufig Spannungen in der Beziehung zwischen Herrscherhaus und Ausrichtern der Veranstaltung zu verzeichnen: Der führende Kopf hinter der Frankfurter Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 1891 war der Verleger und Lokalpolitiker Leopold Sonnemann. Der Demokrat und die von ihm herausgegebene Frankfurter Zeitung waren natio-
521)
Vgl. exemplarisch die Fotografie in Stoffers, Industrie- und Gewerbeausstellung, S. 24; Amtlicher Bericht München, S. 154. 522) Vgl. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 4, Berlin 1845, S. 227. 523) Umgekehrt wurde der Herrscher, der sich „mit großem Eifer“ der Ausstellung und der Gewerbetreibenden annahm, zu einem Ideal stilisiert. Vgl. Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt No. 1 vom 6. Juli 1844, S. 4. 524) Vgl. dazu die Vorgänge in Geheimes Staatsarchiv Berlin, Nr. 13 E, Bd. 1–2, Adhib 1 + 2. 525) Lindenberg, Pracht-Album, S. 11. 526) Dieses lässt sich ermessen anhand der Streitigkeiten um die Verleihung von staatlichen Auszeichnungen, wie sie in folgenden Akten dokumentiert sind: Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem Rep. 120, E XVI, Nr. 1, Nr. 4; ebd., Rep. 120, E V, Nr. 115.
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nalen Kreisen des deutschen Reiches „zwei der untrüglichen Beweise für die nationale Unzuverlässigkeit der Stadt.“527) Die Formel von der Ausstellung als selbstbewusste Tat des Bürgertums, welches seiner historischen Aufgabe gemäß die Gestaltung der Zukunft übernahm, war zunächst keine eindeutige politische Indienstnahme der Veranstaltung, sondern weit ins nationalliberale Lager hinein konsensfähig. Allein schon wegen der staatlichen Unterstützung, auf die man angewiesen war, wie auch wegen der Bereitschaft der Aussteller, Exponate zu senden, konnten die Veranstalter keinesfalls auf Konfrontation setzen. Stattdessen war die Kaiserbüste zentral am Hauptgebäude platziert, und es wurden vielfache Toasts auf Wilhelm II. ausgebracht.528) Offiziell besucht hat der Kaiser die Ausstellung nicht, erschien aber – so die vom Hofe verkündete Version – auf einem zufälligen Zwischenstopp als „einfacher Besucher“. Wie nun der Aufenthalt Wilhelms vonstatten gegangen ist, avancierte im Nachhinein zum Politikum: Wilhelm II. und Gefolge hielten sich zwei Stunden auf dem Ausstellungsgelände auf und besichtigten vor allem die Exponate der Firma Siemens & Halske. Ihr Interesse richtete sich damit vor allem auf den Verlierer im „Frankfurter Systemstreit“, hatte doch die erfolgreiche Fernübertragung den Frankfurter Stadtrat für den Wechselstrom bei der Versorgung der Stadt votieren lassen. Der Kaiserbesuch bei Siemens & Halske, dessen Mitinhaber Werner von Siemens durch die Erhebung in den erblichen Adelsstand gewürdigt worden war, machte die damit eingetretene Konzentration der öffentlichen Meinung auf die AEG wieder wett. Eine Illustration der Kleinen Presse, welche die Besuchergruppe an der Balustrade der Mainausstellung und dabei neben den Kaiser auch Sonnemann in das Zentrum der Darstellung rückte,529 sowie eine Meldung der Frankfurter Zeitung, Wilhelm habe in Begleitung von Sonnemann und zwei weiteren Mitgliedern des Hauptkomitees, Kittler und von Miller, die Ausstellung besucht, führte zu einer scharfen Erwiderung der Kreuzzeitung: Das dem Berliner Hof nahe stehende Blatt bezeichnete es als „Unverschämtheit“, dass die Frankfurter Zeitung behauptete, Sonnemann hätte den Kaiser „geführt“530). Stattdessen sei Sonnemann zu spät gekommen, habe nur mit Mühe Anschluss an Wilhelm gefunden und zudem in der letzten Reihe, keinesfalls neben dem Kaiser gestanden. Der Dank des Kaisers habe sich ausschließlich an die beiden Ingenieure von Siemens & Halske gerichtet. Die Frage der „Führung“ hatte eine tiefe symbolische Bedeutung: Am 12. Oktober hatte die Kreuz-
527)
Vgl. hierzu und zum Folgenden Stehen, Zeit, S. 39 ff. Vgl. Beate Binder, „…und es ist, als ob ein wunderbarer Traum unsere Sinne umgaukle;“ Die Inszenierung einer elektrischen Welt auf der Frankfurter „Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung“ von 1891, in: Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung 24 (1989), S. 31–44, S. 37. 529) Vgl. Die kleine Presse vom 13. Oktober 1891, 1. Blatt; dokumentiert in Stehen, Zeit, S. 307. 530) Kreuzzeitung vom 12. Oktober 1891; dokumentiert in Stehen, Zeit, S. 41. 528)
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zeitung berichtet, „nationale Kreise“ hätten sich schon damit abgefunden, dass der Kaiser auf der Ausstellung nicht erscheinen werde, allzu sehr habe der liberale Sonnemann den eigentlichen Schöpfer der Ausstellung, von Miller, in den Hintergrund gedrängt. Die Frankfurter Zeitung hielt dagegen, der Kaiser habe dem „Bürger Sonnemann“ sein Lob für die bislang erreichten Erfolge der Ausstellung ausgesprochen, der „Demokrat“ habe für seine Majestät keine Bedeutung gehabt, weil er ein „gentleman“ sei. Die Anspielung auf die englischen Verhältnisse erinnerte an die politischen Sitten in der englischen konstitutionellen Monarchie, die Bemerkung der Kreuzzeitung hingegen argumentierte gegen eine Aufwertung der gesamten Veranstaltung durch den Kaiserbesuch. Die liberale Presse nahm in ihren Andeutungen eindeutig Partei, so wenn die Vossische Zeitung zum Kaiserbesuch anmerkte, der Monarch habe als „Schirmherr der neuen Zeit“ mit seinem Erscheinen ein Werk geehrt, das „lediglich opferwilligem und kraftvollem Bürgersinn sein Dasein verdankt.“531) Die Rheinisch-Westfälische Zeitschrift bemerkte, der Kaiser habe einen blonden Bart getragen und sehr an seinen Vater, also an den liberalen Friedrich III. erinnert.532) In Berlin 1896 warben die Verfasser des Hauptkatalogs an verschiedenen Stellen mit der „Staatsnähe“ und der besonderen Förderung durch den Kaiser für die Veranstaltung.533) Insbesondere der Hinweis darauf, dass „von Anbeginn die huldvolle Sympathie Sr. Majestät des Kaisers“ dem Berliner Ausstellungsunternehmen „fördernd zur Seite gestanden“ habe, war wissentlich geschönt.534) Im Gegenteil hatte der Kaiser persönlich Plänen zu einer Weltausstellung in der deutschen Hauptstadt eine Absage erteilt. „Ausstellung is nich, wie meine Herren Berliner sagen“, so beschied er das Vorhaben, welches von etlichen Personen gehegt und publizistisch nach außen vertreten wurden.535) Erst als die im Anschluss auf Berlin und Umland, aber auch alle in Berlin durch eine Niederlassung vertretenen Firmen beschränkte Ausstellung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolg zu werden versprach, fand diese die Unterstützung der staatlichen Behörden wie auch das Interesse des Kaisers.536) Nicht nur diese Entwicklung im Vorfeld, sondern auch weitere Indizien belegen ein durchaus gespanntes Verhältnis zwischen der Monarchie und der staatlichen Bürokratie einerseits und den Ausstellungsmachern andererseits: Handelsminister Berlepsch, der das Ehrenpräsidium der Ausstellung über531)
Vossische Zeitung vom 12. Oktober 1891, S. 2. Ein ausführlicher „Pressespiegel“ der Ausstellung findet sich in Stehen, Zeit, S. 38–390. 533) Offizieller Hauptkatalog, S. XIII. 534) Ebd., S. XV. 535) Wilhelm II. an Reichskanzler Caprivi, 20. Juli 1892. Zitiert nach dem Quellenanhang in Hans Herzfeld, Berlin als Kaiserstadt und Reichshauptstadt 1871–1945, Festschrift für Friedrich Meinecke, Tübingen 1952, S. 168 f. 536) Diesen Schluss lassen folgende Ausführungen zu: Vgl. Geppert, Ausstellungsmüde. 532)
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nommen hatte, musste noch während der Ausstellung wegen seiner liberalen handelspolitischen Positionen auf Druck konservativer Kräfte am 27. Juni 1896 zurücktreten. Dennoch behielt er das Ehrenpräsidium bei, was die Ausstellungspublizistik dankbar vermerkte. Prinz Friedrich Leopold war zwar von seinem Onkel als Protektor der Ausstellung zur Verfügung gestellt worden, abgesehen von seiner Präsenz bei der Eröffnungsfeier hatte er die Ausstellung aber nie besucht. Selbst bei der Abschlussveranstaltung ließ er sich durch einen Adjutanten vertreten.537) Ähnlich ist auch die Situation im rheinischen Düsseldorf zu bewerten, wo die Veranstalter zwar auf die Unterstützung der regionalen Behörden setzen konnten, beim Kaiser und anderen Repräsentanten des Reiches aber nur begrenzt auf Gegenliebe stießen.538) Solche Friktionen sollten keinesfalls nach außen hin dringen. In der Intention der Ausstellungsorganisatoren lag es, stattdessen ein Maximum an Einigkeit und Nähe zum Monarchen präsentieren zu können. Eine solche Fixierung auf die Monarchie und ihre Vertreter, wie sie bei den Festlichkeiten der großen Ausstellungen um die Wende auf das 20. Jahrhundert zu beobachten war, traf nicht nur auf Zustimmung, sondern forderte auch Widerspruch und Spott heraus. Mit Häme berichtete beispielsweise der sozialdemokratische Vorwärts von den Bemühungen der Initiatoren, dem Kaiser während der Eröffnungsveranstaltung der Berliner Gewerbeausstellung 1896 eine Entgegnung auf die Huldigung oder einen Kommentar zu den Exponaten zu entlocken. „Als die Ausstellung am Freitag offiziell eröffnet wurde, wie hingen da die Herren an den Lippen des Monarchen. Ihre langen Ansprachen troffen über von Ergebenheit. Aber der Mund des Monarchen blieb stumm. Festrede um Festrede ging vorbei, gespannt lauschte man, ob keine Erwiderung folgen werde. Wie hätte man aufgejauchzt, wie in seliger Entzückung geschwelgt; aber der Mund des Monarchen blieb stumm.“539)
Aber auch aus den Reihen derer, die der Ausstellung und ihren Machern durchaus nahe standen, wollte man die Anbiederung an die Monarchie nicht unkommentiert lassen: Laut Bericht der Berliner Presse nahm beim Festbankett des Komitees der Interessenten und Aussteller auch der Stadtverordnete und Rechtsanwalt Sachs ironisch Bezug auf „einzelne Vorgänge gelegentlich der Eröffnungsfeier“. Vom Staat, „der uns mehr tolerirt als unterstützt hat“, habe man nichts als „freie Bahn“ bekommen.540) 537)
Vgl. National-Zeitung. Erstes Beiblatt zu Nummer 606 vom 16. Oktober 1896. Vgl. Crome, Gewerbeausstellung, S. 21. 538) Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, III 5775, Die Gewerbe- und Kunstausstellung zu Düsseldorf im Jahre 1880; enthält: Schriftstücke zur Planung des Besuches des Kaisers und des Kronprinzen, darunter Schriftwechsel mit verschiedenen Polizeidienststellen, Schriftstücke über den Einsatz von Polizisten während der Ausstellung; zu 1902 vgl. ebd., XVIII 105, Protokollbuch des Ausschusses für Festlichkeiten, unpag. 539) 2. Beilage zum „Vorwärts“ vom 3. Mai 1896, Nr. 103. 540) Das Festbankett des Komitees der Interessenten und Aussteller, in: Berliner Presse Nr. 108 vom 8. Mai 1896, Erstes Beiblatt.
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Obwohl die Orientierung an der Monarchie und an der jeweiligen staatlichen Obrigkeit die offiziellen Feierlichkeiten der Ausstellungen prägten, waren die Formen von Ausstellungsöffentlichkeit auch ein Element der entstehenden spezifisch bürgerlichen Öffentlichkeit. Bei der Schlussfeier der Berliner Ausstellung, die der Kaiser mit viel Pomp eröffnet hatte, war das „liberale Bürgertum unter sich.“541) Dementsprechend wurde sie weithin als eine Veranstaltung wahrgenommen, die „einen ganz vorwiegend bürgerlichen Charakter“ trug.542) Unter den zwölf anwesenden Stadtverordneten, die durch das Los ausgewählt worden waren, befanden sich diesmal drei Sozialdemokraten. „Die Uniform war so gut wie garnicht vertreten: der vorgeschriebene Frack, in obligater Begleitung von weißer Binde, weißen Glacées und schwarzem Cylinder drückte, dem zivilistischen Charakter der Versammlung entsprechend, dieser das äußere Gepräge auf.“543) In der Rede von Bernhard Felisch, Mitglied des Arbeitsausschusses, drückte sich die ganze Ambivalenz der Beziehung zwischen Obrigkeit und der wirtschaftsbürgerlichen Elite aus: „Mit Stolz dürfen wir es aussprechen: die Ausstellung war das Werk freier Bürgerarbeit!“ Diesem fügte er aber gleich hinzu: „Einer Bürgerarbeit, beschienen von der Sonne unseres erhabenen Hohenzollernhauses, getragen von der Sympathie der hohen Staatsregierung und der Stadt Berlin.“544) Über die unmittelbare Zweckbindung hinaus kam in den Ausstellungen „ein gesteigertes Bedürfnis der bürgerlichen Gesellschaft nach neuen Formen öffentlicher Kommunikation zum Ausdruck.“545) Mehr noch als in den rituellen Höhepunkten der Eröffnungs- und der Schlussfeier, drückte sich diese Tendenz in den darüber hinausgehenden Veranstaltungen aus. Waren die feierliche Eröffnung und entsprechende Schlussfeiern in den frühindustriellen Gewerbeausstellungen meist die einzigen Höhepunkte, so differenzierte sich die Zahl und die Art der Veranstaltungen mehr und mehr, mit denen eine ausstellungsinterne Öffentlichkeit geschaffen wurde. „Wie für den Gelehrten das für die Gegenwart so bezeichnende Kongresswesen“, so war die „vielseitige persönliche Berührung ausgezeichneter Producenten und ausgezeichneter geistiger Kräfte“ ein Proprium der Ausstellungen.546) Schon im Kontext der Berliner Nationalausstellung von 1844 sind eine Vielzahl von Festen und Feierlichkeiten belegt, mit denen der Gewerbestand während der Ausstellungsdauer in die Öffentlichkeit trat und dementsprechend wahrgenommen wurde. Laut publizistischer Berichterstattung stachen vor
541)
EBd. In ähnlicher Tendenz die Berichterstattung in „Die Schlußfeier der Berliner Gewerbe-Ausstellung“, in: Tägliche Rundschau Nr. 244 vom 16. 10. 1896. 542) Vgl. National-Zeitung, Erstes Beiblatt zu Nummer 606 vom 16. Oktober 1896. 543) Schluß der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, in: Berliner neueste Nachrichten Nr. 487 vom 16. Oktober 1896, Morgenausgabe, S. 1–3, S. 2. 544) National-Zeitung. Erstes Beiblatt zu Nr. 606 vom 16. Oktober 1896. 545) Vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 9. 546) Schäffle, Industrieausstellungen, S. 315.
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allem der Empfang von 500 Gewerbetreibenden beim König zu „Thee, Theater und Soupe“, der am 5. Oktober stattfand, hervor, das Fest des Berliner Gewerbevereins am 8. Oktober, welches sich speziell an alle „fremden“ Industriellen wie auch die mit Preisen und Belobigungen ausgezeichneten Aussteller wandte, wie auch eine Feierlichkeit der Polytechnischen Gesellschaft am 10. Oktober im Kroll’schen Saal.547) Die erste öffentliche Veranstaltung der Berliner Gewerbeausstellung 1896, die nach dem Eröffnungsakt veranstaltet wurde, war das „Fest der Gewerke“, auf dem einzelne Handwerkszweige ihre Produkte zeigten.548) In Düsseldorf waren es 1880 wie 1902 Veranstaltungen des Bergbaus, die öffentlich stark wahrgenommen wurden. Der „begeisternden Aufregung dieser Gewerbsfeste“, so schloss die Leipziger Illustrierte Zeitung ihre Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben während der Ausstellung 1844, „entsprang nicht allein mancher zündende Gedanke, dessen Wirkung die Zukunft noch birgt, sondern sie war auch Veranlassung zur Bildung gewerbnütziger und volksfreundlicher Vereinigungen“.549) Auf diese Weise stiftete die Ausstellung Öffentlichkeit über die eigentliche Veranstaltung hinaus. „Die so vielfach beregten und allgemein gewünschten wandernden Zusammenkünfte der Industriellen nach Art der Naturforscher, Architekten, und Apotheker zum Austausch der gegenseitigen Erfahrungen, Ideen und Meinungen, sind durch diese allgemeine deutsche Gewerbe-Ausstellung in Berlin, wenn schon eigentlich wohl unabsichtlich, eingeleitet, und werden unzweifelhaft, ohne daß dieser Zweck eigens hervorgehoben würde, bei den folgenden deutschen Gewerbe-Ausstellungen sich von selbst wiederholen.“550)
Das prominenteste Beispiel eines mehr auf gesellschaftliche Probleme orientierten Zusammenschlusses ist der Centralverein für das Wohl der arbeitenden Classen, der im Anschluss an eine Veranstaltung auf der Berliner Gewerbeausstellung von 1844 gebildet wurde.551) Bei den zeitgenössischen Publizisten fand diese neue Form der Öffentlichkeit starke Beachtung.552) Nach Abschluss der Berliner Gewerbeausstellung von 1844 war es der gelernte Arzt Otto Lüning553), der als Redakteur und 547)
Vgl. „Die Industriellen in Berlin bei Gelegenheit der Gewerbe-Ausstellung“, in: Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Berlin 12 (1844), S. 42–45. 548) „Das Fest der Gewerke“, in: 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung Nr. 281 vom 5. Juni 1896. 549) Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt. Vgl. dazu Reulecke, Frieden, S. 45–58. 550) Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt 12 (1844), S. 42–45. 551) Vgl. dazu Reulecke, Frieden, S. 46 ff. 552) Vgl. zum Beispiel List, Gewerbsausstellung, S. 822–828 und folgende Artikel. 553) Zum Redakteur sowie zum Publikationsorgan vgl. siehe Thorsten Hanson, Vom Westphälischen Dampfboot zum Volksfreund. Zwei ostwestfälische Zeitungen als Beispiele für Funktionalität von Medien im Kontext der Revolution von 1848/1849, in: WF 49 (1999), S. 191–224; Uwe Synowsky, „Das Westphälische Dampfboot“ (1845–1848) und der Frühsozialismus im ostwestfälischen Raum, in: WF 35 (1985), S. 12–26; Kurt Koszyk, Das „Dampfboot“ und der Rhedaer Kreis. Die erste politische Zeitschrift Westfalens als
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Hauptschreiber des Weser- und späteren Westphälischen Dampfbootes die „Ergebnisse der Gewerbeausstellung“ zu resümieren suchte.554) Nicht die ökonomischen und technischen Fortschritte im Bereich der Industrie sollten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, sondern über die „geistigen Resultate“ der Ausstellung wollte er berichten, „über den Geist, welcher die Versammlungen beseelte, und über die Aussprüche und Vorschläge, in welchen er sich manifestirte.“ Auch die Redaktion des Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblattes erklärte ihren Lesern explizit, dass man „die mehrsten dieser Trinksprüche in ihrer ganzen Ausdehnung“ wiedergebe, „weil dieselben mit den dazugehörigen Reden von je her in Deutschland von Wichtigkeit waren und es immer mehr zu werden scheinen, indem sie die beste und ungestörteste Gelegenheit geben, große und nützliche Gedanken in größeren Kreisen zu verbreiten. Dazu kommt, daß es eine Eigenthümlichkeit des deutschen Charakters ist, daß er beim Mahle am Empfänglichsten für alles Edle und Große ist, und am wahrsten und offensten spricht.“555) Illustrationen und Drucke, die die Zusammenkünfte dokumentierten, machten diese neue Form der Kommunikation auch publik und breit wahrnehmbar. „Viribus unitis“, ein Spruchband mit dieser Aufschrift schmückte laut Berichterstattung der Illustrierten Zeitung den Kroll’schen Wintergarten, in dem das Festmahl der auswärtigen Industriellen stattfand. Graphisch wurde diese programmatische Aussage unterstützt, indem der Blick auf die Totale gewählt wurde. Schon bei der Berliner Ausstellung von 1844 wurde als eine Besonderheit betont, dass der Gewerbestand nun öffentlich hervortrete. „Selbst in dieser großen Stadt, wo so viele Feste aller Art wie Meteore erscheinen und dem größten Theile der Bewohner ungenossen und unbemerkt wieder verschwinden, erregte das großartige massenhafte Auftreten der deutschen Industrie allgemeines Aufsehen. Es war eben etwas Neues und Seltenes in Berlin den Gewerbefleiß aus seinem stillen demüthigen Wirken hinaus in die rauschende Öffentlichkeit schreiten zu sehen. Man war wohl so etwas auf den Messen gewohnt, wo es an emsiger Lebendigkeit, an geschäftigem Drängen und Treiben nicht fehlt, aber hier in der Residenz, wo ihre Erzeugnisse nur in prunkenden Uniformen, glänzenden Salons, in den schönen und reichen Umhüllungen reizender Formen zur bewunderten Erscheinung kommen, die Industrie selbstständig kühn, ja fast mächtig, in großer Gesammtheit, in den durch ihre drohenden Kriegswaffen ehrfurchtgebietenden Hallen des Zeughauses ganz wie zu Hause umherwandeln zu sehen, das war neu, einzig, ja sogar – witzig und darum gefiel es den Berlinern.“556)
Auf diese Weise wurde die Repräsentation der Gewerbetreibenden und Industriellen, wie sie sich im Fest- und Kongresswesen der Ausstellungen reali-
Spiegel der Presse im Vormärz, in: Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung Bd. 2 (1958), S. 1–60; Herbert Brims, „Das Westphälische Dampfboot“. Eine politische Zeitschrift des „wahren“ Sozialismus in Deutschland, Phil. Diss. Augsburg 1983. 554) Hierzu und zum Folgenden vgl. Anonym [Otto Lüning], Ergebnisse der Gewerbeausstellung, in: Weser-Dampfboot 1844, S. 341–345. 555) Anonym [Lüning], Ergebnisse, S. 344. 556) Leipziger Illustrirte Zeitung, zitiert nach Polytechnisches Centralblatt, S. 167.
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sierte, medial verstärkt. Der „Bürgerfleiß“557), der von den Veranstaltern immer wieder als eigentliche Triebkraft hinter den Ausstellungsunternehmungen genannt wurde, wurde damit sicht- und erkennbar. 3. Konsensformeln: Technik und Nation Nur in wenigen Städten wie beispielsweise in Berlin oder Düsseldorf entwickelte sich eine eigene Expositionstradition, mit der auch Bezugnahmen und Traditionsbildungen verknüpft war.558) In der Regel bedienten sich die Festivitäten der Industrie- und Gewerbeausstellungen der Formensprache und der Symbolik der nationalen und politischen Feste. Man griff auf die rituelle und symbolische ‚Grundausstattung‘ der populären (National-)Feste zurück und suchte zugleich bei Anwesenheit des Königs oder Kaisers, die Regeln des höfischen Protokolls zu beachten:559) Der Herrschereinzug, die huldigungsähnliche Begrüßung, der Festzug durch die Ausstellung, welcher gleichermaßen der Selbstrepräsentation wie der Augenscheinnahme der Exponate galt, sowie das anschließende Festmahl – all diese Elemente tauchten in jeder Eröffnungsveranstaltung auf. Neu im Repertoire der Fest- und Ausdrucksformen war die Präsentation von Technik, die untrennbar mit den Eröffnungs- und Schlussveranstaltungen verbunden war: Dabei standen der maschinelle Fortschritt oder eine Aufsehen erregende Technik allerdings nicht im Mittelpunkt der Eröffnungs- und Schlussfeierlichkeiten, im Gegenteil. Durchgängig bediente man sich der hergebrachten Feierformen, die deutlich im Vordergrund standen. Visuell dominierten die alten sozialen Eliten sowie traditionelle Dekorationselemente, selbst in den Eröffnungsansprachen wurde der technische Fortschritt zunächst nur am Rande thematisiert. Dennoch rückten technische Erzeugnisse und Möglichkeiten immer stärker in den Vordergrund und wurden in die Zeremonie verwoben: Der Eintritt des Königs wurde nicht nur musikalisch untermalt, sondern – wie in München 1854 – zugleich durch Springbrunnen unterstützt, die in diesem Moment in Betrieb gesetzt wurden. „Dieser Moment war einer der ergreifendsten“, so die Berichterstattung.560) Zu einem gängigen Gestaltungsmittel entwickelte sich der Einsatz einer Druckoder Rotationspresse, auf welcher eine Gedichtrezitation oder die erste Ausgabe der Ausstellungszeitung mit den entsprechenden Berichten gedruckt
557)
Vgl. exemplarisch Das Festbankett des Komitees der Interessenten und Aussteller, in: Berliner Presse Nr. 108 vom 8. Mai 1896, Erstes Beiblatt. 558) Gerhard Stahr, Kommerzielle Interessen und provinzielles Selbstbewußtsein. Eröffnungsfeiern der Rheinischen Eisenbahn 1841 und 1843, in: Hettling/Nolte, Feste, S. 38. 559) Vgl. Dieter Düding, Deutsche Nationalfeste im 19. Jahrhundert. Erscheinungsbild und politische Funktion, in: Archiv für Kulturgeschichte 69 (1987), S. 371–388, S. 376. 560) Amtlicher Bericht München, S. 155.
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wurde, die dann direkt an die Teilnehmer an der Eröffnungsveranstaltung verteilt wurden.561) In Düsseldorf 1880 eröffnete der Oberpräsident von Bardeleben die Ausstellung, indem er mit einem kunstvoll ausgeführten Schlüssel den Wasserhahn eines hydraulischen Verschlusses öffnete, „und langsam senkten sich die breiten Thore in die Erde, worauf die Fest-Versammlung in das prachtvolldekorierte Haupt-Vestibule trat. Der erste Eindruck war ein imposanter und feierlicher.“562) Unter den Klängen des Einzugsmarsches von Wagners „Tannhäuser“ begab sich die Festversammlung in das Hauptausstellungsgebäude. Dort erregten vor allem die zehn in Gang befindlichen Dampfmaschinen allgemeines Aufsehen. „Die weitläufigen Dampf- und Wasserleitungen hatten bei der Probe, die einige Tage vorher erfolgte, viele Mängel gezeigt […] Es war daher um so erfreulicher und überraschender, bei dem Rundgange von weitem schon das Geräusch zu vernehmen, welches die in der schönen Maschinenhalle arbeitenden Maschinen verursachten.“563) Den Wünschen des Kaisers, für Deutschland als Seemacht zu werben, kam man in Berlin bereitwillig nach. Zur Eröffnung der Ausstellung erschien der Kaiser mit einem Schiff, welches am Mast die purpurne Kaiserstandarte und am Bug die Kriegsfahne führte.564) In Düsseldorf setzte 1902 insbesondere der Kopf der Veranstaltung, Heinrich Lueg, darauf, dass eine eigene Schifffahrtsausstellung den Kaiser zu einem Besuch veranlassen werde.565) Mit Marine-Schauspielen oder öffentlich zugänglichen Kriegsschiffen bediente man aber nicht nur die Vorlieben des Monarchen, sondern schuf zugleich Publikumsattraktionen. Die Ambivalenz von Traditionsverhaftung und Modernität lässt sich besonders treffend am Gebrauch des Lichtes und verschiedener Formen der Beleuchtung zeigen: Licht in Form von Feuerwerk, bengalischem Feuer und Gebäudeilluminierungen war ein bevorzugtes Gestaltungsmittel von Festen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Das traditionelle Festelement wurde in den Ausstellungen und ihren Feierlichkeiten großzügig übernommen. Mit wachsendem technischen Fortschritt wurde es immer weiter verfeinert, von elektrischen Illuminationen abgelöst und damit modern umgedeutet.566) Die Lichtinszenierungen übertrugen die höfisch tradierte Formensprache auf neue Gegenstände. Damit wuchs ihnen eine neue Funktion zu: Waren die Illuminationen der feudalen Feste Ausdruck demonstrativer Verschwendung, so wur561)
Amandus Ferdinand Neukrantz, Ausführlicher Bericht über die große allgemeine deutsche Gewerbe-Ausstellung in Berlin im Jahre 1844, Berlin 1845, S. 28. 562) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880, S. 89, S. 75. 563) Ebd. 564) Vgl. Lindenberg, Pracht-Album, S. 21; Thiel, Berlin, S. 22. 565) Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, PräS. 1069, Lueg an Regierungspräsidenten am 27. 12. 1900. 566) Vgl. Stehen, Zeit; Binder, Elektrifizierung, S. 99–102.
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den sie nun als Investition in die entstehende Unterhaltungs- und Tourismusindustrie Element eines ökonomischen Kalküls.567) Die Popularisierung elektrischer Beleuchtung, die Anreise des Kaisers mit einem Kriegsschiff in Berlin 1896 oder die Böllerschüsse aus Kanonen der Krupp’schen Produktion in Düsseldorf 1902 rückten die technischen Neuerungen als selbstverständliche Bestandteile der Ausstellung wie auch als Ensembleteile des Theaters, welches die sozialen und politischen Eliten aufführten, ins Bewusstsein der Mitfeiernden, der Zuschauer wie auch der Leser und Betrachter entsprechender Printprodukte. Die Möglichkeiten der Technik, welche den Hintergrund für die Eröffnungs-Spektakel boten, wurden in den Reden und Ansprachen der Ausstellungsoffiziellen politisch wie räumlich verortet: Bei den Weltausstellungen stand verbal der „Völkerfriede“ im Vordergrund. Prinz Albert stellte 1850 bei einem Bankett seine Konzeption vor, nach der die Exposition eine „große, heilige Mission“ des Menschen, ein „wahres Zeugnis und ein lebendiges Gemälde der Stufe sein“ sollte, „auf die die Menschheit in der Erfüllung dieser großen Aufgabe vorgedrungen ist, und eine neue Quelle, aus der die Nationen ihre Kräfte in der Zukunft schöpfen sollen.“ Die Themen „Völkerfriede“ und Internationalismus, die die offiziellen Verlautbarungen durchzogen, waren in der Ausstellung selbst allerdings kaum noch aufzufinden, wurde in der sozialen Praxis der Ausstellung gar konterkariert.568) In den nationalen, regionalen und lokalen Ausstellungen stand ein anderer Topos im Vordergrund, nämlich der der regionalen Verbundenheit oder der Einbindung in die Nation. Inszeniert wurde dieses zunächst durch die nahezu obligatorische Dekoration mit Wappen und/oder Fahnen der beteiligten Regionen und Städte. Insbesondere die Nationalausstellungen in Mainz 1842 und in Berlin 1844 sind in eine Reihe zu stellen mit dem Kölner Dombaufest von 1842 und den Germanistentagen 1846 und 1847, erscheinen sie doch als „als Vorwegnahme und Abbild der in ihrer Industrie vereinten Nation“.569) Selbst bei der Folgeveranstaltung in München 1854 bekundete der bayerische König seine Hoffnung, „daß die deutsche Vereinigung, welche im Glaspalast repräsentirt ist, nicht blos vorübergehend, sondern bleibend und darum auch dauernd in ihren guten und gemeinnützigen Folgen sein werde“.570) Nach der Reichsgründung verlor sich der nationalintegrativ-emanzipatorische Duktus zugunsten eines durch Kaiserhaus und seine Vertreter personifizierten Nationalismus, der deutlich exkludierende und aggressive Züge annahm.
567)
Vgl. Wolfgang Schivelbusch, Lichtblicke. Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19. Jahrhundert, München 1983. 568) Vgl. Auerbach, Exhibition, S. 159–192. 569) Amtlicher Bericht Berlin , Bd. 1, Berlin 1845, S. 71. 570) Amtlicher Bericht München, S. 155.
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Trotz ihres im Detail keineswegs originellen Zuschnitts stellten die Eröffnungsfeiern in ihrer Gesamtheit einen neuartigen Typ großbürgerlicher Festkultur dar. Bereits Zeitgenossen haben daher die Industrie- und Gewerbeausstellungen als „die einzigen eigentümlich modernen Feste“ charakterisiert.571) In einem collageartigen Gesamtkunstwerk mischten sich neue soziale Eliten effektvoll mit Vertretern der traditionellen Ordnung. In ihrem Bild- wie auch Dekorationsprogramm bedienten sich die Feiernden vor allem traditioneller Formen, „they called upon an imagined past to address the difficulties of the present.“572) Dekoration und Staffage betonten die Einbindung in eine hergebrachte Ästhetik. Die technischen Demonstrationen standen für den Fortschritt und die damit verbundenen Möglichkeiten der industrialisierten Gesellschaft. Insbesondere die Zeremonien im Rahmen der Ausstellungen waren somit ein Ereignis, in dem Innovationen vorgeführt und demonstriert wurden, ohne einen Bruch darzustellen. Die Demonstration technischer Entwicklung und ihrer Möglichkeiten war eingebunden in ein Setting sozialer und politischer Kontinuität. Fortschritt und materielle Verbesserung, so die zentrale Botschaft, waren ohne Instabilität zu haben. Ausstellungen und insbesondere ihre Feste waren lebende Beispiele für den industriellen Prozess und die daraus resultierende neue soziale Ordnung. Auf diese Weise deuteten sie die industrialisierte Gesellschaft und stellten Sprache und die Symbole bereit, mit denen soziale Interaktion beobachtet und beschrieben werden konnte – Gegenargumente, Bestreitungen wie auch ironische Betrachtungen eingeschlossen.
Resümee In den vorangegangen Abschnitten wurden die Kommunikationsleistungen und Deutungsangebote der Ausstellungen mittels der Praxis der verschiedenen daran beteiligten Gruppen analysiert. Dem lag die methodische Vorüberlegung zu Grunde, dass sich „Wissen“ und die daran geknüpften Ordnungsvorstellungen nicht allein im Horizont von Diskursen und aufeinander verweisender Texte rekonstruieren lässt.573) Stattdessen wurde ein anthropologisch-konstruktivistisch motivierter Zugang vorgezogen: Indem die kulturellen Repräsentationsleistungen der Ausstellungen sowie die Praxis des Ausstellens und des Ausstellungssehens entschlüsselt und rekonstruiert wurden, sollte ein Zugang zu den vergangenen Prozessen der Sinnbildung sowie der vergangenen Weltauslegung freigelegt werden. Für die Analyse von Ausstellungen bedeutete dieses, sich neben den Darstellungs571)
Vgl. Helmut Lotze, Mikrokosmos, Leipzig 1864. Hoffenberg, Empire, S. 244. 573) Lipp, Kulturgeschichte, S. 31. 572)
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und Zeigbarkeitsregeln auch dem Zeigen und der Selbstdarstellung sowie der Wahrnehmung und der Rezeption zuzuwenden.574) Vermittelt über die Praxis des Ausstellens und der Ausstellungsrezeption gibt das Deutungs- und Symboluniversum der Ausstellung Auskunft über die Selbstthematisierung der sich ausstellenden Gesellschaft. Die diskursive Deutung der Praktiken innerhalb der Ausstellungen, wie sie von den Zeitgenossen vorgenommen wurde, waren dabei ein konstitutiver Bestandteil, nicht aber der Ausgangspunkt der Überlegungen. Eine wesentliche Herausforderung stellte das Sehen der Ausstellung dar, boten sich den Besuchern doch völlig neue Eindrücke: Waren breite Teile der Gesellschaft eine bis eineinhalb Generationen vorher noch von der Erfahrung des Mangels auch in lebenswichtigen Belangen geprägt, so präsentierten insbesondere die Ausstellungen nach der Jahrhundertmitte eine Welt des Überflusses. Durch gezielte Techniken und Inszenierungen wurde diese Vielfalt zusätzlich hervorgehoben. Auf wen diese Präsentation zielte, welches Publikum aus Sicht der Veranstalter von der Ausstellung vorrangig angesprochen werden sollte, konnte anhand von institutionellen Rahmenbedingungen wie den Zugangsregelungen, Öffnungszeiten und Eintrittsgeldern ermittelt werden: Von ihrem Anspruch her richteten sich auch die frühindustriellen, von der bürokratischaufklärerischen Gewerbeförderung getragenen Ausstellungen an ein unbegrenztes, möglichst großes Publikum. Die erhobenen Eintrittsgelder sowie die Öffnungszeiten zeigten aber, dass de facto nur eine begüterte Schicht die Ausstellungen besuchen konnte. Erst ab der Jahrhundertmitte, nachdem vor allem private Vereine die Trägerschaft der Ausstellungen übernommen hatten, zielte man auf ein Massenpublikum. Damit sich die Ausstellungen finanziell trugen, mussten möglichst viele Besucher Eintrittsgeld entrichten. Dennoch behielt man bestimmte Strategien der Besucherlenkungen bei: auf der einen Seite der freie oder reduzierte Eintritt für Sozial- und Statusgruppen wie Lehrlinge, Schüler, Soldaten, auf der anderen Seite der erhöhte Eintritt zu bestimmten Tageszeiten oder an festgelegten Wochentagen, um damit einem begütertem Publikum an „Elitetagen“, so der zeitgenössische Spott, eine exklusive Besichtigung zu ermöglichen. Aus der Publizistik, den Ausstellungsratgebern wie auch aus autobiographischen Zeugnissen wurden Beschreibungen des Sehens wie auch Sehmodelle erhoben, die einerseits die Erfahrung des Ausstellungsbesuchs spiegelten und andererseits die Seherfahrung der kommenden Ausstellungsbesucher im Vorfeld strukturierten. Je nach Erkenntnisinteresse, aber auch nach Geschlecht wurden unterschiedliche Arten der Wahrnehmung empfohlen, so beispielsweise der „schweifende Blick“ für den Flaneur, für den-, vor allem aber für diejenige, welche nur des Vergnügens und des Gesamteindrucks we-
574)
Vgl. Geppert, Welttheater, S. 12.
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gen die Exposition besuchte; der „fixierte Blick“ für den Fachmann, der der Informationsgewinnung wegen die Ausstellung besichtigte. Mit verschiedenen baulichen und technischen Vorrichtungen versuchten die Aussteller, die visuelle Wirkung der Exposition zu steigern: In ihrer Präsentation waren die Ausstellungen auf einen Panoramablick angelegt, der weniger auf das Detail, sondern auf den Gesamteindruck zielte und durch Aussichtstürme oder die Errichtung von Panoramahallen unterstützt wurde. Elektrische Bahnen und Fahrgeschäfte, wie sie in den Vergnügungsparks seit den 1880er Jahren aufgestellt wurden, verstärkten die Herausforderung an die Sinne zusätzlich. Die Beobachterperspektive ließ den einzelnen Besucher in die Position desjenigen aufrücken, der die Welt visuell ordnen und überblicken konnte. Die Detailfülle gewann mittels des Blicks auf die Dinge an Struktur, das Sehen von oben ließ die visualisierte industrialisierte Welt als begreif- und beherrschbar erscheinen. Mit dem Fortschritt des Mediums entwickelten sich auch immer weiter verfeinerte Präsentations- und Inszenierungsformen: Reihten die frühindustriellen Ausstellungen ihre Exponate im Rahmen der Klassifikationen recht simpel aneinander, so präsentierten die späteren Ausstellungen ihre Waren nicht nur mittels spezieller Schränke und Stellvorrichtungen, sondern versuchten diese zusätzlich über die Dekoration und die Schaffung eines thematischen Umfeldes mit Bedeutung aufzuladen. Dabei dominierten zwei Tendenzen: zum einen die Rückbindung an mythische und traditionell als kulturell hochwertig erachtete Gehalte, zum anderen verstärkt seit der Reichsgründung die „Aufladung“ mit nationalen Implikationen. Diese Tendenz verband sich mit verschiedenen Partizipationsangeboten: Der Besucher konnte nicht nur Maschinen und neue Produktionstechniken ansehen, sondern zugleich auch viele Exponate ausprobieren und probieren – sei es die neu entwickelte elektrische Eisenbahn, die als Transportmittel innerhalb der Ausstellung zur Verfügung stand, sei es Lebensmittel oder neuartige Produkten, die zum Verzehr und zum Ausprobieren zur Verfügung standen. Auf diese Weise konnte er bereits in den Ausstellungen seine ihm zugedachte Rolle als Konsument einnehmen, indem er abwog, auswählte und sich den Vorzügen und Annehmlichkeiten des technischen und industriellen Fortschritts hingab. Diese Prozesse der Wahrnehmung und Erfahrung wurden unterstützt durch ihre architektonische Einbettung, die sich von den Anfängen der Ausstellung bis zu ihrer Blüte charakteristisch wandelte: Die frühindustriellen Ausstellungen nutzten herrschaftliche Gebäude wie Residenzen des Landesherrn oder, so der Ausnahmefall, den Sitz der Ständevertretung. Es waren nicht nur die Kosten, die man für den Bau einer Halle scheute, die diese Wahl begründeten. Bewusst machte man den Herrschersitz zum Zentrum einer symbolischen Dingordnung: Auf diese Weise profitierte man nicht nur von den dort gegebenen Repräsentationsmöglichkeiten, sondern das symbolische Prestige strahlte gleichsam auf die Exponate und ihre Produzenten ab.
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Seit den 1840er Jahren deuteten sich erste Veränderungen dieses Arrangements an: Der Ort der Nationalausstellung in Berlin, das Zeughaus Unter den Linden, wurde breit kommentiert als ein Beleg dafür, dass die Wirtschaft und ihre Akteure nun gegenüber Militärs und Bürokratie in der öffentlichen Achtung aufgerückt seien. Der entscheidende Impuls zur Entwicklung einer eigenen Ausstellungsarchitektur aber war das Vorbild des internationalen Ausstellungswesens: Der Kristallpalast in London 1851 avancierte zu einem populären Symbol für den technischen Fortschritt und die sich damit eröffnenden Möglichkeiten. Zeitgenössisch wurde das Ausstellungsgebäude selbst als das beeindruckendste Exponat gewertet. Die von ihm ausgehende Faszination gab auch in Deutschland den Anstoß zu einer eigenen, ephemeren Ausstellungsarchitektur. Nach einer kurzen Phase, in der das Londoner Vorbild nachgeahmt wurde, entwickelte sich aber eine eigene Ausstellungsarchitektur. Gelegenheit zu Experiment und Formenreichtum boten sich deshalb, weil neben dem zunächst dominierenden Hauptgebäude nun eine große Zahl einzelner Ausstellungshallen und Pavillons entstanden. Mit der Ablösung der Neorenaissance durch den Historismus ging auch der Sieg der Architektengestaltung über die Ingenieurskunst einher: Nicht mehr der deutlich von seinen Materialien geprägte Hallenbau, sondern die mittels Stuck, Gips und ornamentaler Verzierung zu einem massiven Baukörper stilisierte Konstruktion beherrschte das Ausstellungsgelände. Mit dieser Verkleidung zielte man auf die Schaffung einer Illusionsarchitektur, bei der man auf traditionelle Hoheitsformen und im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch nationale Symbole und Architekturstile wie Gotik und Klassizismus zurückgriff. Der vorherrschende ästhetische Konservativismus suggerierte eine Kontinuität mit der Vergangenheit sowie Staats- und Herrschernähe. Ausstellungen waren nicht nur industrielle Spektakel, sondern lebende Beispiele für den industriellen Prozess und die daraus resultierende neue soziale Ordnung. Politische, ökonomische und soziale Hierarchien wurden aktiv neu interpretiert. Vor allem die Eröffnungs- und Schlussfeiern, die mit hohem repräsentativem Aufwand betrieben wurden, waren darauf angelegt, die Beziehung der einzelnen Personen- und Gesellschaftsgruppen zueinander symbolisch in Szene zu setzen. Von besonderer Bedeutung war immer die Verbindung von Obrigkeit und Ausstellungsorganisatoren: Obwohl in vielen Fällen durchaus nicht spannungsfrei, versuchte man von Seiten der „leitenden Herren“ rituell die Einigkeit zum Landesherrn oder zum Kaiser zu betonen. Auf der anderen Seite aber wurden die Ausstellungen gut der symbolischen Ebene und verbal zu einer Unternehmung erklärt, welches „lediglich opferwilligem und kraftvollem Bürgersinn sein Dasein verdankt“.575) Durch die Ambivalenz von Obrigkeitsnähe und zur Schau getragenem Selbstbewusstsein
575)
Vossische Zeitung vom 13. 10. 1891, S. 2.
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der die Ausstellung tragenden Gruppen entstanden Spannungen, die auch zeitgenössisch bereits wahrgenommen wurden. Der einzelne Besucher wie auch die Masse insgesamt waren in diesem Schauspiel Beobachter und Beobachtete zugleich. Der Massenbesuch war einerseits Ausweis für die Qualität einer Ausstellung, andererseits auch Erfahrungshintergrund für den Einzelnen. In den Ausstellungen war eine die lokalen und territorialen Erfahrungsräume übergreifende Öffentlichkeit erlebbar. Die Simultanität von Erfahrungen war keine imaginierte, sondern höchst real: Der einzelne Ausstellungsbesucher erlebte sich als Teil einer Masse, teilte die Bewunderung mit seinem Nachbarn ebenso, wie ihn die Enge und der große Zulauf verdross. Die Beteiligung an einer Ausstellung implizierte eine Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft, definierte Grenzen und Souveränität, schloss aber keinesfalls Spannungen zwischen und innerhalb der Gruppen aus. Auf diese Weise waren es die Ausstellungen selbst, die nicht nur in der „öffentlichen Meinung“ verankert waren, sondern die „Öffentlichkeit“ generierten. Zugleich bildete die dicht gedrängte Menge auch die unabdingbare Szenerie für die Inszenierung der Eröffnungs- und Schlusszeremonien. Der einzelne Ausstellungsbesucher war Subjekt und Nutznießer der neuen Relation von Macht und Wissen, von Produktion und Luxus. Die Ausstellungen schufen traditionalistische Zeremonien, in denen Innovationen eingeführt und verbreitet werden konnten, ohne Diskontinuität zu betonen. Verbesserung ohne Instabilität – das war die eine Seite des Versprechens, welches die Ausstellungen machten.576) Auf der anderen Seite waren in der Inszenierung der Eröffnungsfeierlichkeiten diejenigen deutlich hervorgehoben, denen Macht und Möglichkeit zukam, die Welt der Ausstellung zu ordnen und zu lenken. Die „leitenden Herren“ der Ausstellung, führende Repräsentanten aus Industrie und Gewerbe, standen vereint mit dem Landesherrn sowie Vertretern aus Politik, Bürokratie, Wissenschaft und Kunst für die Schichten, die das Gemeinwesen – wie in der Ausstellung vorexerziert – zum Wohle aller ordneten und lenkten. Dies war die Rhetorik der Macht, welche die Ausstellungen und ihre Repräsentationen prägte. Als „Agenten des Wandels“577) animierten sie Aussteller und Besucher dazu, an einem als gegeben und zu einem natürlichen Zustand stilisierten ökonomischen und sozialen Arrangement zu partizipieren und auf diese Weise idealiter ein Modell der sozialen Ordnung zu verinnerlichen.
576) 577)
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D. Themen der Ausstellung Ihren seit den vierziger Jahren wachsenden Erfolg verdankten die Ausstellungen dem steigenden Interesse an ökonomischen, technischen und damit verbundenen sozialen Fragen. Im Verlaufe der 1840er Jahre löste die „soziale Frage“ die „Verfassungsfrage“ zunächst in der Wissenschaft und in der gelehrten Diskussion, dann aber auch in den populären Medien als Hegemonialdiskurs ab.1) Das Sozialmodell der „einfachen Markt- und Handwerkergesellschaft“ (Hübinger) mit seiner Zielvorstellung einer „klassenlosen Bürgergesellschaft mittlerer Existenzen“ (Gall) wurde zunehmend in Zweifel gezogen und dem damit korrespondierendem Konzept einer konstitutionellen Verfassung nicht mehr zugetraut, der Gesellschaft Façon zu geben.2) So erklärte der konservative Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl im Jahre 1851, dass das politische Interesse gegenwärtig verschlungen werde von dem sozialen. „Das Zeitalter wird keine Ruhe, keine Fassung mehr gewinnen für die Reform der Verfassungspolitik, wenn nicht die Reform der Gesellschaft vorangegangen ist.“3) Innerhalb der sich etablierenden Disziplin der Sozialwissenschaften wurde Gesellschaft grundlegend neu beschrieben als System der Bedürfnisse und Bedürfnisbefriedigung. Die Probleme ihrer Verfasstheit waren theoretisch weder durch das politische System des liberalen Rechtsstaates noch durch das ökonomische System des liberalen Marktes zu lösen, so dass in den Sozialwissenschaften zunehmend richtungs- und handlungsoffene Modelle diskutiert wurden.4) In der Agenda einer breiten bürgerlichen, partiell auch darüber hinaus reichenden gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeit rückte diese Thematik an erste Stelle mit zwei Medienereignissen, die gegensätzlicher nicht sein konnten und dennoch spiegelbildlich aufeinander bezogen waren: dem Aufstand der schlesischen Weber einerseits, der Berliner Gewerbeausstellung andererseits. Beide ereigneten sich im Jahr 1844.5)
1)
Vgl. Werner Conze, „Arbeit“, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Grundbegriffe, Bd. 1, S. 154–215, S. 190; Carsten Quesel,Soziologie und soziale Frage: Lorenz von Stein und die Entstehung der Gesellschaftswissenschaft in Deutschland, Wiesbaden 1989, S. 3. 2) Vgl. Reinhard Blänkner, Die Idee der Verfassung in der politischen Kultur des 19. Jahrhunderts in Deutschland, in: Herfried Münkler (Hrsg.), Bürgerreligion und Bürgertugend. Debatten über die vorpolitischen Grundlagen politischer Ordnung, Baden-Baden 1996, S. 309–341, S. 326; Eckart Pankoke, Sociale Bewegung – Sociale Frage – Sociale Politik, Stuttgart 1970, S. 203. 3) Wilhelm Heinrich Riehl, Der Eindruck der Pariser Katastrophe, in: Augsburger Allgemeine Zeitung Nr. 348, Beilage vom 14. Dezember 1851. 4) Pankoke, Bewegung, S. 204; Hölscher, Sozialgeschichte, S. 319; Barkin, Controversy. 5) Auf das „in mehrfacher Hinsicht“ bemerkenswerte Jahr 1844 verweist Reulecke, Frieden, S. 45.
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Weniger die Begebenheiten selbst, sondern vielmehr die Berichterstattung darüber in Tageszeitungen, Wochenblättern und Familienzeitschriften und die damit einsetzende Stilisierung zur Sensation machten die Vorgänge in Schlesien zur ersten breit wahrgenommenen „Arbeiterrevolte“ in Deutschland – und dies, obwohl die Akteure durchaus anderes im Sinn hatten, als ihnen von der öffentlichen Meinung (und von Teilen der Geschichtswissenschaft) zugeschrieben wurde.6) Ein „Schrei des Entsetzens“ sei „durch ganz Deutschland gegangen“, so berichtete die Kölnische Zeitung, in Posen waren die Vorfälle laut Presse der „ausschließliche Gegenstand der Unterhaltung in allen Schichten“.7) Auch über den Tag hinaus wahrte sich die Wirkung der Hungerrevolte: So notierte Bruno Hildebrand in seiner 1848 erschienenen Schrift „Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft“, dass sich seit den Weberunruhen in Schlesien und Böhmen die Aufmerksamkeit aller Gebildeten den wirtschaftlichen Vorgängen zugewendet habe. Er beschrieb es als große Errungenschaft, dass die gebildeten Klassen nun ein Mitgefühl mit den Teilen der Gesellschaft ausgebildet hätten, die sie vorher nur in ihrer Dienstfunktion wahrgenommen hatten.8) In Leitartikeln über die ökonomischen Ursachen der schlesischen Ereignisse mischten sich Schuldzuweisungen an die moderne Art des Wirtschaftens, Sehnsüchte nach dem alten Zunftsystem und Zweifel an der staatlichen Industrialisierungspolitik. Die Zensurgesetze boten keine Handhabe gegen kritische Auseinandersetzungen mit der Wirtschaftspolitik, sondern untersagten lediglich die Aufwiegelung der „Handarbeiter gegen ihre Brodherrn“. Auf diesen Minimalkonsens hatten sich die verschiedenen regionalen Verwaltungen einigen können. Zunächst hatte man die Sprengkraft der sozialen Frage massiv unterschätzt und musste dann feststellen, wie brüchig der Wertekonsens auch schon innerhalb des eigenen Gesellschaftssegments geworden war. Öffentlich wurden nun die Rollen der Akteure, der Verleger und der Heimarbeiter, später der Fabrikherren und der Arbeiter, und ihre Stellung zueinander neu definiert. Aber nicht nur Pauperismus und Proletariat, Industrialisierungsgefahren und Staatsverantwortung, Wohltätigkeit und Revolutionsängste beherrschten die Diskussion. Nahezu zeitgleich mit der Aufstandsbewegung in Schlesien wurde in Berlin die allgemeine deutsche Gewerbeausstellung inszeniert, die
6)
Eine genaue Analyse der Deutungen und Umdeutungen bei Christina von Hodenberg, Aufstand der Weber. Die Revolte von 1844 und ihr Aufstieg zum Mythos, Bonn 1997. 7) Der bayerische Eilbote vom 19. Juni 1844; Kölnische Zeitung Nr. 173 vom 21. Juni 1844, zitiert nach Lutz Kroneberg/Rolf Schloesser (Hrsg.), Weber-Revolte 1844. Der schlesische Weberaufstand im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik und Literatur, Köln 1980, S. 186. Vgl. Christina von Hodenberg, Mit dem Rotstift gegen die soziale Frage. Die preußische Pressezensur und der schlesische Weberaufstand 1844, in: Forschungen zur brandenburgischen und preussischen Geschichte 9 (1999), S. 92–122. 8) Vgl. Carl Jantke, Zur Deutung des Pauperismus, in: ders./Dietrich Hilger (Hrsg.), Die Eigentumslosen. Der deutsche Pauperismus und die Emanzipationskrise in Darstellungen und Deutungen der zeitgenössischen Literatur, München 1965, S. 7–49, S. 24 f.
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den sich entwickelnden Industriestaat in Stellung brachte gegen zünftisch organisierte, vormoderne Wirtschaftsweisen, aber auch gegen die einsetzende Kapitalismuskritik. Diese Ausstellung war darauf gerichtet, das „glänzende Fortschreiten der Industrie“, im Berliner Fall vor allem der preußisch-deutschen, zu demonstrieren. In der Tat führte dieses Großereignis wie kaum ein anderes den Zeitgenossen den so häufig beschworenen „Fortschritt“ vor Augen. In den Mittelpunkt des Präsentations- und zum Teil auch Verkaufsgeschehens rückten die „Fabrikanten“ und „Industriellen“.9) Eine neue Gruppe der Gesellschaft schrieb sich mittels dieses Mediums in den kollektiven Wertehorizont ein. Laut amtlichem Ausstellungsbericht ernteten diese „wohlverdienterweise von allen Seiten die wärmsten Bezeugungen der Freude, der Teilnahme und Hochachtung.“10) Ihre Leistungen, sprich: die Produkte ihrer Gewerbetätigkeit, wurden klassifiziert und unter anderem nach dem Kriterium der Marktgängigkeit bewertet. Eine Flut von Medaillen und Urkunden verlieh den neuen Maßstäben sichtbaren Ausdruck nach außen und wurde von den geehrten Fabrikanten und Handwerkern auch zu Zwecken der Eigen- und der Produktwerbung eingesetzt.11) Aber auch der Appell an bürgerliche Wohltätigkeit, der im Anschluss an die Ereignisse in Schlesien vor allem in der konservativen und liberalen Presse vorgetragen wurde, erreichte die erste Gewerbeausstellung des Zollvereins in Berlin. Die massive Fortschrittsdemonstration, wie sie auf der Ausstellung inszeniert wurde, forderte zu Widerspruch heraus, der von religiöser ebenso wie von frühsozialistischer Warte aus formuliert wurde: Warnte ein anonymer Autor vor der „Vergottung“ der Industrie, so mahnte Otto Lünning als Redakteur des Westphälischen Dampfbootes, die Produzenten dieser Waren nicht aus dem Auge zu verlieren: Manches „gleißende Luxuswerk“ werde angestaunt, „ohne daß man an die blutigen Schweißtropfen denkt, die ihnen vielleicht ankleben“.12) Und tatsächlich wurde im Umfeld der Gewerbeausstellung mit dem Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen die profilierteste Initiative der frühbürgerlichen Sozialreform gegründet.13) Auch nach der Revolution von 1848 hielt sich dieses Interesse an ökonomischen und sozialen Fragen. Obwohl der bürgerliche Liberalismus politisch zum Schweigen verurteilt war, blieben Teile von ihm auf wirtschaftlichem Gebiet weiterhin popularisierend tätig.14) Ablesen lässt sich dieses an dem Interesse, welches Themen der Volkswirtschaft und der sozialen Verfassung in 9) Zur Begriffsgeschichte vgl. Dietrich Hilger, „Fabrik, Fabrikant“, in: Brunner/Conze/ Koselleck (Hrsg.), Grundbegriffe, Bd. 2, S. 229–252. 10) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 3, Berlin 1846, S. 227. 11) Fabrik, Münster 1980. 12) Anonym [Völkl], Gewerbeausstellung; Das Westphälische Dampfboot vom 5. Oktober 1844. 13) Vgl. dazu Reulecke, Frieden. 14) Vgl. Werner Conze, Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung in Deutschland. Das Beispiel Schulze-Delitzschs, Heidelberg 1965, S. 15 f.
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der Literatur und auf dem Zeitschriftenmarkt entgegen gebracht wurde: So erschienen nicht nur 1850 Bastiats Harmonies économiques und 1852 John Stuart Mills Principles of Political Economy in deutscher Übersetzung.15) Die Belehrung über die Phänomene der Volkswirtschaft wurde zugleich zum Ausgangspunkt vieler publizistischer Initiativen. Neben einer kleinen Zahl rein akademisch ausgerichteter Zeitschriften erklärten Publikationsorgane wie „Der deutsche Volkswirth“ (gegründet 1849), die „Volkswirtschaftliche Monatsschrift“ (1858) oder die „Vierteljahrschrift für Volkswirtschafth und Culturgeschichte“ (1863) nahezu wortgleich, dass „die Grundsätze einer gesunden Volkswirtschaft noch lange nicht die Geltung erlangt haben, die ihnen mit Recht, und besonders mit Rücksicht auf die jetzigen Zeitverhältnisse gebührt.“ Deshalb machten sie es sich zu ihrem populärwissenschaftlichen Programm, dieser „Unwissenheit“ entgegenzuarbeiten.16) Mit steigender Tendenz etablierten sich insbesondere in der zweiten Hälfte der vierziger und dann wieder seit Ende der fünfziger Jahre eine große Zahl von staats- und privatwirtschaftlichen Zeitschriften, die darauf setzten, das Interesse nicht nur eines Fachpublikums zu gewinnen, sondern einem breiteren Adressatenkreis die jeweils von ihnen verfochtenen wirtschaftspolitischen Maximen nahe bringen zu können.17) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen waren Produkt und Promotor dieses zunehmenden Interesses an sozioökonomischen Fragen:18) Wie kein anderes Medium waren sie genuin verbunden mit den sozialen und ökonomischen Umwälzungen der Zeit.19) Ihre offene und auf Visualisierung gerichtete Kommunikationsstruktur erlaubte den Ausstellungen im besonderen Maße und auf ganz spezielle Weise, diese Felder zu thematisieren.
15)
Zur Abgrenzung von Pauperismusliteratur von derjenigen, die die „soziale Frage“ behandelt, vgl. den Vorschlag von Martin Kukowski, Pauperismus in Kurhessen. Ein Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der Massenarmut in Deutschland 1815–1855, Damstadt/ Marburg 1995. 16) Vgl. Der deutsche Volkswirth, Februar 1849, Redigiert unter der Verantwortlichkeit der Fr. Wilman‘schen Buchhandlung, Nachfolger G. Jabusch, Druck von C. Krebs Schmitt, Frankfurt a. M. 17) Ausgewertet wurden die Einträge in Kirchner, Verzeichnis deutschsprachiger Zeitungen und Zeitschriften. Die Zuordnung einzelner Zeitschriften kann im Einzelfall umstritten sein, verdeutlicht aber doch die Tendenz. Zum Vergleich: Die absolute Zahl der staats- und privatwirtschaftlichen Zeitschriften zwischen 1682 und 1830 beziffert Faulstich (vgl. Faulstich, Mediengesellschaft, S. 243) mit 152. Rudolf Stöber, Vorläufige Pressestatistik zu Preußen vor 1871. Methodische Überlegungen und erste Ergebnisse, in: Bernd Sösemann (Hrsg.), Kommunikation und Medien in Preußen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 2002, S. 450–458. Vgl. auch Martina Kurzweg, Presse zwischen Staat und Gesellschaft. Die Zeitungslandschaft in Rheinland-Westfalen (1770–1819), Paderborn 1999. 18) Vgl. Nolte, Ordnung, S. 12–20, der das Ringen um die sozioökonomische Verfasstheit der Gesellschaft gar zu einer spezifisch deutschen Obsession erklärt. 19) Vgl. Luckhurst, Story, S. 5.
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Anzahl laufender staats- und privatwirtschaftlicher Zeitungen und Zeitschriften (1830–1870) 80
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Im Folgenden werden verschiedene Themenfelder der öffentlichen Diskussion um die soziale und ökonomische Verfasstheit der Gesellschaft herausgegriffen und nach dem Beitrag der Industrie- und Gewerbeausstellungen zu diesen Selbstverständigungsdebatten gefragt. Dazu ist eine methodische Vorbemerkung zu machen: Ausstellungen sprachen nicht die Sprache der Politik oder der Publizistik, sie waren in ihrer Kommunikationsleistung nicht lediglich als ein zusätzliches Glied in der weitgespannten Diskurskette um zentrale Probleme der Marktwirtschaft zu werten und zu analysieren. Wer die zeitgenössische intellektuelle Debatte um die soziale Verfasstheit der Gesellschaft oder die Ideologie des Freihandels in Auseinandersetzung mit der Schutzzollpolitik studieren will, ist zunächst auf andere Quellen verwiesen. Die Ausstellungen „argumentierten“, wie zu zeigen sein wird, auf einer anderen Ebene: Natürlich richteten sich Schrifttafeln und Katalogtexte an die Ratio des Ausstellungsbesuchers. Die Ausstellungsarrangements wirkten aber vor allem durch die Kombination von emotionalen, meist visuellen Reizen und rationalem Argument. Auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Debatte soll deshalb ein Set von Themen an verschiedene Ausstellungen herangetragen werden, um die Deutungsangebote der Ausstellungen mit den allgemeinen gesellschaftlichen Diskussionen abzugleichen. Die zeitgenössischen Ausstellungsinterpretationen wie auch theoretische Studien verweisen heuristisch auf vier Komplexe, die mit Blick auf die Genese der Marktgesellschaft und ihre Thematisierung in den Ausstellungen in den Blick zu nehmen sind: die Visualisierung und Neudefinition der „Arbeit und ihrer Akteure“ (D I), die Demonstration von industriellem und technischem Fortschritt und den
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Folgen (D II), das Verhältnis von Kunstgewerbe, Kunst und industrieller Produktion (D III) sowie die Etablierung eines neuen Fortschrittsbegriffs (D IV).20) Ausgehend von diesen Überlegungen werden die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgerichteten Ausstellungen im Folgenden als punktuelle Sonden verstanden. Daran werden die in ihnen realisierten Repräsentationen zu den genannten Themen und die sich daran entzündenden Diskussionen registriert und darüber eine Facette des gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskurses analysiert.21) Im „Ereignis“ Ausstellung scheinen dann grundlegende Strukturprobleme der Gesellschaft auf und werden der Analyse zugänglich.
I. Die Repräsentation der Arbeit, ihrer Akteure und ihrer Moral Konzentrierte man sich beim Durchwandern der Ausstellung einmal nicht auf die Objekte, sondern auf die Besucher, so fielen „bald hier, bald dort, größere oder kleinere Gruppen aus den Besuchern“ auf, „die mit besonders regem Interesse, voller Sachkunde und innerer Befriedigung, die Sehenswürdigkeiten betrachteten“, so das Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und der spätere Direktor der Bielefelder Oetker-Werke Richard Kaselowsky.22) In ihnen machte er die „Industrie-Arbeiter“ aus, die den rheinisch-westfälischen Produktionsstätten entstammten und die Düsseldorfer Ausstellung 1902 besuchten. Aus dieser (literarisch stilisierten) Beobachtung leitete der Autor eine Diskussion der Arbeiterfrage ab, in der er die „zwei Gesichter der Industrie-Arbeiter“ beschrieb: „So wie die Leute sich [auf der Ausstellung] präsentieren, machen sie den Eindruck wohlgesitteter, in guter Lebensstellung befindlicher, froher Menschen, deren ausdrucksvollen Gesichtern, deren schwieligen Händen man das Verständnis, aber auch die Schwere ihrer Arbeit ansieht.“ Die Ausstellung sei „ihr Triumph der Arbeit, den sie bereiten halfen, und der darum ihr Triumph, ihr Fest ist. Glückliches Land, dessen Bewohner froh und zufrieden – doppelt und dreifach glücklich, wenn sie es sind aus Freude am Schaffen und aus Stolz am Erreichten!“ Aus Sicht der Unternehmerschaft, für die der Parlamentarier sich äußerte, war dies auch wohl begründet: gute Löhne, vorbildliche Arbeiterschutzgesetze, zusätzliche private Wohlfahrtseinrichtungen, „die gerade in den rheinisch-westfälischen Industriebezirken besonders frühzeitig und umfangreich getroffen worden sind.“ Selbst die Bildung von Syndikaten, Kar-
20)
Die Bedeutung der genannten Faktoren wird jeweils einleitend zu den entsprechenden Kapiteln thematisiert. 21) Geppert, Welttheater, S. 43, legt in seinen Empfehlungen den Akzent vorrangig auf die sich um die Ausstellung gruppierenden Diskurse, eine empirische Arbeit verfehlte damit m.E. die eigentliche Kommunikationsstruktur der Ausstellung. 22) Vgl. DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 6, S. 189 f.
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I. Die Repräsentation der Arbeit, ihrer Akteure und ihrer Moral
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tellen und Trusts galt dem Autor vor allem als der Versuch, „Produktion und Konsumtion in Einklang“ zu bringen und somit zum Besten der Arbeiterschaft zu wirken. Diesem positiven Bild der industriellen Arbeiterschaft stellte Kaselowsky aber ein zweites gegenüber: Dem „guten Gesicht“ entsprach ein zweites, welches „zu Zeiten leidenschaftlicher Erregung“ und „bei Wahlkämpfen“ zu beobachten sei. Selbst der gut situierte Industriearbeiter unterliege dann „der Leidenschaft und der Einflüsterung falscher Freunde“. „Eherne Schritte der Arbeiter-Bataillone“ in den Straßen, „schwarze Gesellen“ bilden Posten, alle Räder stehen still“, so das Schreckenszenario. „Unheilschwangere Gewitterschwüle lagert über den Werken, wie schwarze Wolken ziehen die politischen oder gewerkschaftlichen Arbeiter-Organisationen die Massen zusammen gegen Ringe und Vereinigungen der Fabrikanten, und es bedarf manchmal nur einer Unvorsichtigkeit, um Schrecken und Verderbnis über sonst lachende Gefilde und arbeitsame Menschen zu verbreiten.“ Neben der Wirtschaftspolitik, von der der Autor industrie- und damit in seiner Denkart auch arbeiterfreundliche Gesetzgebungen forderte, sollten auch die Ausstellungen dazu dienen, „möglichst viel fröhliche Gesichter, möglichst viele zufriedene Existenzen um uns zu sehen“. Geschehen könne dieses durch die „Pflege des wirtschaftlichen und häuslichen Sinnes“, den die Ausstellungen insbesondere unter den Frauen anzuregen hätten. Der Vorschlag des Bielefelder Politikers steht nicht nur für die vom Schwarzweiß-Denken geprägte Wahrnehmung der Arbeiterschaft in vielen bürgerlichen Kreisen, sondern ebenso für den insgesamt defensiven Zugang der Ausstellungen zu den Problemen der sich ausbildenden Klassengesellschaft. Am Beispiel der bildungsbürgerlichen Diskussion der „Arbeiterfrage“, wie sie seit Mitte der fünfziger Jahre die Erörterung der „sozialen Frage“ ablöste23), können die ‚Blindstellen‘ der Expositionen identifiziert und ausgeleuchtet werden: Subsistenzarmut war weder ein Thema der Warenproduzenten und Aussteller noch der Ausstellungsorganisatoren. Dennoch konnte man sich dieser Problemlage nicht entziehen, sondern reagierte darauf, indem man Modellwohnungen für die Arbeiterschaft ausstellte oder Medaillen für vorbildlichen Arbeiterschutz in Fabriken vergab. Der sich formierenden Klassengesellschaft stellten die Ausstellungen ein Gesellschaftsbild sozialer Harmonie entgegen, in dem sie zukünftige Möglichkeiten darstellten, die sich dem Einzelnen wenn nicht jetzt, dann doch zukünftig in der Konsumgesellschaft bieten sollten. 1835, im Zeitalter des Aufstiegs moderner Nationalstaaten, war die erste belgische Gewerbeausstellung zum Symbol der soeben errungenen Unabhängigkeit geworden. Handel und Industrie repräsentierten zusammen mit der konstitutionellen Monarchie den „esprit de nationalité“. 1847 wurden in
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Kukowski, Pauperismus, S. 553.
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Belgien und Frankreich Medaillen verliehen mit der Aufschrift „fraternité des classes“.24) 1849 und damit nur wenige Monate nach der Niederschlagung der Pariser Revolution erschienen bei der jährlichen französischen IndustrieAusstellung blumengeschmückte Transparente mit der Aufschrift „fête du travail“, „culte du travail“ und „honneur au travail“.25) 1851 kursierte im Vorfeld der Weltausstellung in London der Slogan von der „dignity of labour“, während gleichzeitig das Organisationskomitee, das Central Working Classis Comitee, die Auffangorganisation der zerschlagenen Chartistenbewegung, von der Mitwirkung bei der Vorbereitung ausgeschaltet hatte.26) 1855 trug die Pariser Weltausstellung mit dazu bei, die Herrschaft Napoleons III. zu festigen, und ihre Folgeveranstaltung im Jahr 1867 ist als Versuch der Repräsentation einer umfassenden gesellschaftlichen Harmonisierung interpretiert worden.27) Das Auftauchen von kolonialen Sonderausstellungen stellte unter dem Signum einer expansionistischen Außenpolitik dem Staatsvolk die „Fremden“ gegenüber und integrierte so die Gesellschaft nach innen. Sonderschauen über öffentliche und private Sozialeinrichtungen suggerierten die Möglichkeiten eines individuellen Aufstiegs wie auch einer umfassenden sozialen Befriedung. Die Arbeit avancierte dabei zu einem wichtigen Identifikationspunkt: „Berlin und seine Arbeit“, so war etwa der offizielle Hauptkatalog der Berliner Gewerbeausstellung 1896 betitelt. Damit kontrastierte das den Ausstellungen unterliegende Gesellschaftsbild auf das Schärfste mit dem wirtschaftlichen und sozialen Status quo um die Jahrhundertwende: Insbesondere mit der „Zweiten industriellen Revolution“ am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Einzel- und auch der Mittelbetrieb weiter abgelöst vom Großbetrieb, der allein die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und industrieller Verwertung leisten konnte.28) Nicht das Handwerk und der zünftisch gebundene Meister, sondern der abhängig Beschäftigte stand für das Gros der arbeitenden Bevölkerung in der „reichsdeutschen Klassengesellschaft“.29) Die Hauptakteure der in diesem Jahrzehnt einsetzenden Konzentrationsprozesse, die Großbanken und Kreditinstitute, blieben auf der Hauptstadtexposition von 1896 unsichtbar.30) Dieses ist umso interpretationsbedürftiger, als es sich bei der Ausbildung des modernen Arbeitsbegriffs und der Kommodifizierung der kapitalistischen Lohnarbeit um einen „hochempfindlichen“ gesellschaftlichen Bereich han24)
Augustin, Medaillen, S. 12. Vgl. zum Kontext William H. Sewell, Work and Revolution in France. The Language of Labor from the Old Regime to 1848, London/New York/New Rochelle 1980. 26) Vgl. Auerbach, Exhibition, S. 128–137. 27) Vgl. Weber-Felber, Manifeste, S. 109. 28) Vgl. Hahn, Revolution, S. 44 f. 29) Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1849–1914, Bd. III, München 1995, S. 702, S. 772 f.; ders., Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1815–1845/49, München 1987, Bd. II, S. 141. 30) Thiel, Berlin, S. 21. 25)
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delt.31) Voraussetzungen der Industrialisierung und ihre Ursprünge lassen sich weit in die Vergangenheit, zum Teil gar bis in das Spätmittelalter zurückverfolgen. Auch technologische Erfindungen von weitreichender Wirkung hatte es bereits vor der neuzeitlichen Trias von Dampfmaschine, Puddelverfahren und Kokshochofen gegeben. Doch noch nie zuvor hatte ein so folgenreicher Wandel der Sozialordnung – noch dazu innerhalb von nur drei Generationen – stattgefunden wie im 19. Jahrhundert. Wenn Arbeit auch vor der Industrialisierung vielfältigem Wandel unterworfen war, so hatte sich in ihrer allgemeinen Zweckzuweisung und der damit verbundenen Bedeutungszuweisung kaum etwas geändert. Arbeit hatte bis in das 19. Jahrhundert hinein einen am Gebrauchswert orientierten, in der Regel subsistenzwirtschaftlichen „Zweck der Herstellung eines konkreten Produkts bzw. der Ausführung einer ganz spezifischen Handlung“.32) In der Arbeit zeigte sich nicht nur das handwerkliche und praktische Können des Einzelnen, zugleich spiegelte sich in ihr die individuelle Stellung in der Rangordnung der Gesellschaft.33) Die im Laufe der Zeit entwickelten soziokulturellen Steuerungsmechanismen, die informellen Regeln und Normen, institutionell verankerten Strukturen und Hierarchien sowie herrschaftlichen Kontroll- und Sanktionierungsapparate verhinderten, dass sich das Ökonomische aus dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang löste. Über die Sozialnorm der „Nahrung“ waren die Arbeit und die Arbeitenden eingebettet in vielfältige Lebens- und Sinnzusammenhänge, die das Ökonomische einschlossen in kosmologische, vor allem religiöse Weltbilder wie auch in soziale Bindungs- und Beziehungsgefüge. Die Arbeit trug weithin geradezu naturhafte Züge und war „wie religiöses Ritual und rauschhaftes Feiern fragloser Teil des kurzen Erdendaseins“.34) Völlig anders war die Arbeit in der industrialisierten bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts positioniert: Verkauf und Pflege des individuellen Arbeitsvermögens wurden zur Grundlage der Existenz, die Lohnarbeit zum Schlüssel für das Überleben und für alles, was darüber hinausging. Vor den Sinn und den Nutzen der Tätigkeit schob sich für immer größere Bevölkerungsteile ihre Bedeutung als abstraktes Mittel zum Gelderwerb. Die Arbeit wurde seit den 1880er Jahren so stark verändert „und geradezu neu konstituiert, daß man gewissermaßen von ihrer ‚Erfindung‘ sprechen könnte.“35) Die 31)
Türk, Arbeit, S. 10. Margrit Grabas, Individuum und industrielle Arbeit, in: Richard van Dülmen (Hrsg.), Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 331–359, S. 331. 33) Vgl. Richard van Dülmen, „Arbeit“ in der frühneuzeitlichen Gesellschaft, in: Kocka/ Offe (Hrsg.), Geschichte, S. 80–87. 34) Maase, Vergnügen, S. 41. 35) Zum Begriff der Kodifizierung vgl. Sebastian Conrad/Elisio Macamo/Bénédicte Zimmermann, Die Kodifizierung der Arbeit: Individuum, Gesellschaft, Nation, in: Kocka/ Offe (Hrsg.), Geschichte, S. 449–475, S. 450. 32)
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rechtliche und soziale Kodifizierung der Arbeit bildete eine Säule der sozialen Ordnung und ihrer entsprechenden Sozialsysteme. Am Ende dieses fundamentalen Transformationsprozesses stand die Institutionalisierung des Marktes, eine Neustrukturierung der Gesellschaft anhand marktbedingter Klassen, eine neue Organisation und eine neue Ideologie der Arbeit.36) Es etablierte sich das Modell einer marktvermittelten, auf Einkommen fixierten industriellen Lohnarbeit. Ungeachtet ihres schwankenden volkswirtschaftlichen Stellenwertes entwickelte sie sich zu einer wirklichkeitsstrukturierenden und soziokulturell normierenden Kraft.37) Dem korrespondierte die Ausbildung eines Diskursfeldes, auf dem der Arbeit eine neue Dignität und Sinnbestimmung zugesprochen werden sollte.38) Wie kein anderes war in diesem Sinne das 19. Jahrhundert eines der Arbeit. Der Tenor von der Arbeitsamkeit als grundlegender Tugend durchzog die Predigt, die Belehrung und auch die Schriften von Pfarrern, Schulmeistern und Pädagogen. Die Veränderung der Welt durch Arbeit schrieben sich Industrielle ebenso auf ihre Fahnen wie Sozialisten. In der „Religion der Arbeit“, so formulierte der französische Marxist Paul Lafargue, waren selbst die politischen Gegenspieler der Zeit vereint.39) Übereinstimmend kultivierten Vertreter aller politischen und weltanschaulichen Couleur die symbolische Bilderwelt der rauchenden Schlote, Schmiedehämmer, Fabrikpanoramen und der Arbeitermassen. Die Ausstellungen spielten bei der Ausprägung und Diskussion der Neukonzeption von Arbeit sowie der neuen Arbeitsideologie national wie international eine große Rolle. Auch im Selbstverständnis der Akteure schlug sich diese Überzeugung nieder: Als 1910 der Düsseldorfer Oberpräsident Freiherr von Rheinhaben an Friedrich Krupp von Bohlen und Halbach herantrat und unter Berufung auf die „glänzend gelungene Ausstellung“ in Düsseldorf im Jahre 1902 zu einer Vorbesprechung zwecks Neuauflage einlud, winkte dieser ab. Er bezweifelte, dass mit Blick auf die „politische und soziale Entwicklung der letzten Jahre“ ein „öffentliches Interesse“ an einer erneuten Ausstellung bestehe. Krupp gab zu bedenken, dass man die durch die Ausstellung verursachten „unproduktiven Ausgaben, die unsere Industrie bei der Wirtschaftslage, mit der Deutschland für die nächsten Jahre zu rechnen hat (Unsicherheit des Bestandes des Syndikats, Gestaltung der Arbeitsverhältnisse usw.), besser vermeiden sollte.“ Rheinhaben wertete in seiner Antwort gerade diese Hinweise als einen tatsächlichen Antrieb zur erneuten Organisation der Ausstellung. Seiner Meinung nach würde die Ausstellung sowohl die Geschlossenheit
36)
Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. II, S. 141. Grabas, Individuum, S. 331. 38) Vgl. für Deutschland Joan Campbell, Joy in Work, German Work. The National Debate, 1800–1945, Princeton/New Jersey 1989; Paul Bernstein, American Work Values. Their Origin and Development, New York 1997. 39) Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit, Frankfurt a. M. 1966, S. 23. 37)
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I. Die Repräsentation der Arbeit, ihrer Akteure und ihrer Moral
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der deutschen Großindustrie als auch ihr Selbstbewusstsein hinsichtlich der anstehenden Arbeitsgesetzgebung stärken.40) In dieser Korrespondenz taucht ein Motiv auf, das seit der Jahrhundertmitte zum festen Bestandteil des Ausstellungswesens geworden war: die Dokumentation und Beförderung der inneren sozialen Geschlossenheit und Harmonisierung. Industrielle Konzentrationsprozesse und Monopolbildungen, die interessenpolitischen Gegensätze zwischen Arbeitgebern verschiedener Branchen und vor allem zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hatten dieses Thema auf die Agenda der Ausstellungen rücken lassen. Die Perspektive der Ausstellungsmacher war eindeutig, sie nahmen Partei für die Seite der Industriellen und der Unternehmer. Wie in allen Visionen und symbolischen Konstruktionen öffentlicher Kultur versteckten und verheimlichten die Ausstellungen von Gütern und Maschinen ebenso viel, wie sie offenbarten. Ausstellungen sind nicht nur Orte des Erinnerns, sondern auch Instrumente des „Vergessens und Vergessen-Machens“.41) Während in den Inszenierungen der Expositionen die Status- und Sozialgruppen der Unternehmer und Gewerbetreibenden deutlich hervorstachen und vorteilhaft auf der gesellschaftlichen Bühne platziert wurden, da reduzierten die Ausstellungsmacher und Regierungsoffiziellen insbesondere die Lohnarbeiterschaft zu einer Marginalie. Bei der Darstellung der Arbeit und ihrer Akteure setzte man die Repräsentation traditioneller Arbeitsformen und der ihr verbundenen Sozialtypen neben die Demonstration modernster Technik (D I 1). Die immer weiter wachsende Arbeiterschaft war allenfalls als Konsument, nicht aber als gesellschaftliche Trägergruppe der Arbeit, gefragt. Dennoch konnte man sich den Problemlagen, die sich mit der Kommodifizierung der kapitalistischen Lohnarbeit auftaten, nicht entziehen, sondern reagierte darauf höchst vermittelt: Man inszenierte das sozialpaternalistische Konzept der Sozialpolitik, welches zunächst in einzelnen Betrieben, dann auch von Staatsseite praktiziert wurde. Dazu wurden beispielsweise Modellwohnungen für die Arbeiterschaft ausgestellt oder Medaillen für vorbildlichen Arbeiterschutz in Fabriken vergeben (D I 2). Der von Interessengegensätzen stark fragmentierten Klassengesellschaft stellten die Ausstellungen ein Gesellschaftsbild sozialer Harmonie entgegen. Integrierend sollte eine neue Moral der Arbeit wirken, die stark individualistisch zugeschnitten war und vor allem auf die Bildung und Selbsterziehung des Einzelnen setzte (D I 3).
40)
Vgl. den Schriftwechsel in Historisches Archiv der Firma Krupp FAH IV C 118. Krupp von Bohlen und Halbach an Freiherr von Rheinhaben am 18. Oktober 1910; ebd., Rheinhaben an Krupp von Bohlen und Halbach am 21. Oktober. Vgl. zur Ausstellungs„politik“ der Firma Krupp Wolbring, Krupp. 41) Herfried Münkler, Das kollektive Gedächtnis der DDR, in: Dieter Vorsteher (Hrsg.), Parteiauftrag: Ein neues Deutschland. Bilder, Rituale und Symbole der frühen DDR. Buch zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums vom 13. Dezember 1996 bis 11. März 1997, S. 458–468, S. 458.
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1. Die Arbeit und ihre Akteure Die erste große Veranstaltung, welche die Leitung der Berliner Gewerbeausstellung 1896 nach der Eröffnung organisierte, war das „Fest der Gewerke“ am 4. Juni.42) Hierzu eingeladen waren Funktionsträger und Beschäftigte der Berliner Handwerkerzünfte, die verschiedene Abordnungen und Delegationen stellten. In einem einstündigen Festzug43) defilierten über zehntausend Beteiligte durch das Ausstellungsgelände. Zwei „altdeutsche Herolde zu Pferde“ schritten dem Zug voraus, an dessen Spitze ein Transparent mit der Aufschrift „Ehre der Arbeit“ getragen wurde. Der Zug selbst bestand laut Berichterstattung aus einer Reihe von „Bildern schier endloser Art aus dem Gewerksleben Berlins“: „Wohlgenährte Gestalten“ bildeten als Abordnung der Schlächterinnung die Spitze des Zuges. Gemäß der traditionellen, seit dem späten Mittelalter gepflegten Hierarchie folgten die Konditoren mit ihrem Riesenbaumkuchen, die Vertreter der Barbier-, Friseur- und Heilgehilfen-Innung in ihren Rokokokostümen wie auch die Vergolder mit ihren „über und über vergoldeten Lehrbuben“. Den Höhepunkt bildeten laut Berichterstatter die Kosmetik- und Schminkfirma Ludwig Leichner, in deren Ensemble „Egypter und Egypterinnen, Römer und Römerinnen, Vertreter und Vertreterinnen der Rokokozeit“ sich zum „Lob des Schminkens“ vereinigten. 14 Musikkapellen spielten auf. Bevor sich die Teilnehmer des Festzuges in das Kneipenviertel der Ausstellung zerstreuten, verwandelten circa 20 000 elektrische Lichter das „nasse Viereck“ in einen „leuchtenden Blumengarten“. Als „Festzug“ gestaltet war diese Veranstaltung im Ausstellungsgeschehen besonders hervorgehoben und dadurch a-typisch. In ihren Ausdrucksformen und Aussagen hingegen stand sie, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, durchaus für das Gros der Repräsentation von Arbeit und ihrer Produkte. Was sich im Festzug kondensierte, war durchaus typisch: Die Ausstellungen präsentierten einerseits traditionelle Tätigkeitsformen und die mit ihnen verbundenen Sozial- und Berufsgruppen, andererseits den Gebrauch moderner Maschinen und Technologien, bei denen allerdings die menschliche Beteiligung weitestgehend ausgeblendet war. Die Arbeit und die Arbeitsleistung (un)gelernter Arbeiter kam in ihnen nur vermittelt und im Kontext eines sozialpaternalistischen und zugleich gesellschaftsharmonisierenden Arbeitsbildes vor. In der Darstellung der Arbeit und ihre Akteure blieben die Industrie- und Gewerbeausstellungen sowohl in den Inhalten wie in ihrer Ästhetik auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Wurzeln verhaftet: Zunächst waren sie als Bildungsmittel der Gewerbevereine wie auch der gewerbeför42)
Hierzu und zum Folgenden vgl. „Das Fest der Gewerke“. Zum Medium des Festzugs vgl. Wolfgang Hartmann, Der historische Festzug. Seine Entstehung und Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, München 1976. 43)
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I. Die Repräsentation der Arbeit, ihrer Akteure und ihrer Moral
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dernden staatlichen Stellen konzipiert und konzentrierten sich daher auf die Darstellung handwerklicher und (eng damit verbunden) kunstgewerblicher Arbeit. Schon in seinen Statuten hatte es sich der Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen zur Aufgabe gemacht, den Gewerbestand und damit vorrangig das Handwerk und das frühe Gewerbe mittels „Sammlungen von vorzüglichen Produktionen des In- und Auslandes, desgleichen von Modellen und Zeichnungen für Maschinen und andere Einrichtungen“ zu unterrichten. Gemäß dieses Vorbildes verankerten zahlreiche Gewerbevereine die Veranstaltung von „Ausstellungen des öffentlichen Gewerbefleisses“ in ihren Statuten.44) Vorbildersammlungen, die Präsentation vorbildlicher Produkte wie auch die Demonstration neuester Fertigungstechniken überwogen die Ausstellungspraxis. Durch ihre Präsentationsform waren die Exponate ihren jeweiligen Herstellern eindeutig zuzuordnen, insbesondere eigens für die Ausstellung angefertigte Schaustücke galten als Ausweis individueller Fertigkeiten. In den meist lokalen und regionalen Ausstellungen war die einheimische Handwerkerschaft vollständig vertreten, während die Fabrikanten, die weniger auf den lokalen Markt abzielten, nur zögerlich und vereinzelt ihre Produkte ausstellten.45) Im Mittelpunkt der frühen Ausstellungen standen der einzelne Handwerker und der traditionelle Gewerbetreibende, welche in hergebrachter Weise ihre Produkte herstellten und verkauften.46) Dieses Bild der Arbeit wurde auch in späteren Jahrzehnten beibehalten. Typisch ist die Inszenierung in der Abteilung Metallindustrie der Berliner Ausstellung 1896, in der neben den ausgestellten Maschinen eine Gruppe von Schmieden positioniert war, die traditionelle Arbeiten in einer Goldarbeiterwerkstatt ausführten.47) Größere Gruppen von arbeitenden Menschen tauchten entweder bei typischen Verrichtungen mit der Hand auf, wie im Fall der Zigarrenarbeiterinnen auf der Berliner Ausstellung 1896, oder in den Sonderausstellungen mit historischem wie auch exotischem Hintergrund.48) Handarbeit, so die implizite Botschaft, fand in „Alt-Berlin“ oder in „Kairo“ statt, also früher beziehungsweise in fernen Erdteilen. Auf diese Weise kaschierten die Ausstellungen großindustrielle Arbeitsbedingungen mit einem vorindustriellen Erscheinungsbild.49)
44)
Vgl. den Quellenanhang S. I–XXXXXXIV (sic!) bei Fliegner, Gewerbevereine. Vgl. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Regierung Aachen, Nr. 1648, 8072, beide Akten unpaginiert. Gessner, Industrialisierung, S. 136. 46) Vgl. dazu die Beiträge der „Arbeitsgruppe 3: Gesellschaftliche Träger der Gewerbeförderung im 19. Jahrhundert“, in: Bonz, Berufsbildung, S. 165–238. 47) 3. Beilage zum „Vorwärts“ Berliner Volksblatt Nr. 103, Sonntag, den 3. Mai 1896. 48) Vgl. Lindenberg, Pracht-Album, S. 158. 49) Diese Tendenz war nicht allein für die Expositionen charakteristisch, auch das Gros der Industriemalerei beispielsweise reduzierte bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert die Industrie auf das Handwerk. Vgl. Klaus Herding, Die Industrie als „zweite Schöpfung“, in: Sabine Beneke/Hans Ottomeyer (Hrsg.), Die zweite Schöpfung. Bilder der industriellen Welt vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Berlin 2002, S. 10–27, S. 11. 45)
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Eine zentrale Entwicklung im Wirtschaftsleben des 19. Jahrhunderts, „nämlich die Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft durch die Maschine in den wichtigsten Zweigen der gewerblichen Tätigkeit“, stand in den frühindustriellen Ausstellungen noch ganz im Hintergrund. Wohl traten die Ergebnisse der großen Umwälzungen im Mechanismus der Fabrikation von Ausstellung zu Ausstellung immer stärker hervor. Aber die „Maschinen selbst, die neuen Werkzeuge und damit auch das technologische Studium schienen noch aus den Ausstellungssälen verbannt“.50) In der Regel waren es praktische Probleme, die eine Ausstellung von Maschinen verhinderten. Exponate des „großen Maschinenbaus“ waren immobil und konnten allenfalls durch Modelle oder Zeichnungen repräsentiert werden. Andere Fabrikate verursachten auf Grund ihres Gewichts hohe Transportkosten. Hinzu kam, dass es sich in der Maschinenherstellung zumeist um Auftragsarbeiten handelte und deshalb keine Maschinen „auf Lager“ produziert wurden.51) Erst als die Herstellerfirmen ihrerseits die Öffentlichkeit suchten, fielen auch die Schwermaschinen stärker ins Gewicht und zogen ihrerseits ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf sich.52) Die Ausstellung von Maschinen und die Darstellung der Maschinenarbeit verbanden sich aber nicht mit der Repräsentation derjenigen, die sie bedienten, an ihnen oder mit ihnen arbeiteten. Einzelne auf Fotografien platzierte Menschen waren nicht als Arbeiter gekennzeichnet, sondern über ihre Kleidung und ihre Haltung als Aufpasser und Wärter zu identifizieren. Menschen kam in den populären Abbildungen vor allem die Funktion zu, die Größenverhältnisse zu verdeutlichen. Vor der riesigen Maschine schrumpfte die Person „gleichsam automatisch zum Pygmäen“.53) Die industrielle Arbeit, die mit dieser Maschine verrichtet wurde, schien sich selbsttätig zu erledigen.54) Individuelle Bedürfnisse oder Klasseninteressen waren in dieser Demonstration des Arbeitsprozesses ausgeblendet. Weit entfernt von Gestank, Schmutz und Lärm wurde die Maschinenarbeit in den Ausstellungen idealisiert. Die Exposition als Ganze war als Gemeinschaftswerk organischer und „freier Arbeit“ inszeniert und subjektiv erfahrbar.55) 50)
Paquet, Ausstellungsproblem, S. 147 f. Vgl. dazu Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München. 5tes Heft. Referat des V. Ausschusses über Maschinen (mit Ausschluß der haus- und landwirthschaftlichen Geräthe und der Apparate für chemische und pharmaceutische Zwecke, aber mit Einschluß aller Hilfstheile, auch der Arbeitsmaschinen), verfaßt von Dr. Julius Hülße, München 1855, S. 4 f. 52) Vgl. Karmarsch, Andeutungen, S. 145. 53) Herding, Industrie, S. 18. 54) In der Malerei fand diese Darstellungstendenz bis in die 1870er Jahre ihre Entsprechung, indem beispielsweise Putten die Maschinen bedienten und damit die Arbeit ebenfalls entpersonalisiert wurde. Vgl. Monika Wagner, Die neue Welt der Dampfmaschine. Industriebilder des 19. Jahrhunderts, in: Kunst und Technik in den 20er Jahren. Neue Sachlichkeit und Gegenständlicher Konstruktivismus, Ausstellung München 1980, München 1980, S. 12–29, S. 23. 55) Wagner, Ewigen, S. 216. 51)
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Abbildung 21: Blick in die Halle des Bochumer Vereins auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902
Die fehlende Würdigung der Arbeiterschaft auf den Industrie- und Gewerbeausstellungen avancierte zu einem der Hauptpunkte der Ausstellungskritik, welche die Expositionen auch in Deutschland von ihrem Beginn an begleiteten. Noch ganz unter dem Eindruck der publizistischen Wirkung des Aufstandes der Schlesischen Weber56) galt kritischen Besuchern der Berliner Gewerbeausstellung 1844 die Diskrepanz zwischen der dargestellten Fülle und Pracht der Produkte und dem Arbeiterelend als Provokation.57) Der Historiker, Kritiker und Essayist Karl August Varnhagen von Ense notierte folgende Eindrücke in seinem Tagebuch: „Die Fortschritte sind groß, die Fülle des Erzeugens, der Wetteifer der Erfindung und des Fleißes verdienen alle Anerkennung; aber die große Menge, die Masse des Volkes, hat wenig Vorteil davon, geht unberührt nebenher! Selbst diese Dresch- und Sägemaschinen, an unsere Bauern gelangen sie nicht. Der Vortrab unserer Zivilisation, die Reichen und Gebildeten, verzehren alles, und der nachziehende Haupttrupp, oder gar der Troß, kommt kümmerlich weiter.“58 ) 56)
Vgl. Hodenberg, Aufstand. Vgl. Reulecke, Friede, S. 52. 58) Varnhage, Tagebücher, zitiert nach Ruth Köhler/Wolfgang Richter (Hrsg.), Berliner Leben 1806–1847. Erinnerungen und Bericht o. O. 1954, S. 359. 57)
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Drastischer formulierte das frühsozialistische Weser-Dampfboot, wenn es anmerkte, dass „manches gleißende Luxuswerk angestaunt [werde], ohne daß man an die blutigen Schweißtropfen denkt, welche ihnen vielleicht ankleben.“ Man könne sich nicht mit dem Stolz auf die Produkte der Industrie begnügen, sondern müsse nach ihrer Entstehung und den Bedingungen fragen, unter welchen sie von den Arbeitern produziert wurden: „erhält er, der für unser Vergnügen, für unsere Bequemlichkeit sich abmüht, auch einen Lohn, welcher ihm eine menschliche Existenz sichert?“59) In den offiziellen Feierlichkeiten zur Eröffnung und während der Ausstellung wurde der Leistung der Arbeiter nur am Rande gedacht.60) Schon anlässlich der ersten Weltausstellung von 1851 erkannte mancher Besucher die sozialen Auswirkungen des rasanten Industrialisierungsprozesses als Problem, von dem auch die Ausstellungen tangiert waren. Ein Kritiker verwies auf die Diskrepanz zwischen dem dort repräsentierten „Prunk und Pomp der Industrie“ und der „Macht der tausend schwielenbedeckten Hände“.61) Der französische Nationalökonom Jérome Adolphe Blanqui nahm die Great Exhibition zum Anlass, vergleichende Studien zu der europäischen Arbeiterschaft zu betreiben.62) Ebenso motivierte den französischen Ingenieur und Sozialwissenschaftler Frédéric Le Play die Pariser Ausstellung von 1855 zu breit angelegten Forschungen zur Kultur und zu den Lebensbedingungen der Arbeiter in Europa.63) Blickt man auf die Berliner Gewerbeausstellung 1896 und damit auf einen der Expositionshöhepunkte zum Ende des Jahrhunderts, dann trifft man mit Friedrich Naumann auf einen prominenten Kritiker, der das genannte Defizit wiederum skizzierte: „In der Ausstellung denkt man nicht an den Arbeiter. Er ist der Untergrund, aber er wird verdeckt. Hin und wieder steht ein Arbeiter und bedient vor dem Publikum seine Maschine, aber der Arbeiter im Ganzen ist – glänzend vergessen! Es ist eigentlich unerhöhrt, daß man auf einer Gewebeausstellung sich so wenig um den Arbeiter kümmert wie in Berlin. Kein einziges Geschäft gibt auch nur die Zahl, die Arbeitszeit und den Lohndurchschnitt seiner Arbeiter an! Man hat Augen für alles, aber nicht für die Menschen. In dieser Hinsicht ist die Berliner Ausstellung grausam wie der ganze Kapitalismus.“64) 59)
Die Gewerbeausstellung in Berlin (Schluß), in: Weser-Dampfboot Nr. 77 vom 5. Oktober 1844, S. 309–310, S. 309. 60) Vgl. dazu Reulecke, Frieden, S. 51. 61) Randzeichnungen zur Tagesgeschichte. Die Londoner Weltmesse, in: Augsburger Allgemeine Zeitung vom 18. Mai 1851, Beilage S. 2. In ähnlicher Manier circa fünfzig Jahre später Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 45–48. 62) Jérome Adolphe Blanqui, Lettres sur l’Exposition universelle des Londres, Paris 1851, S. 198 ff. 63) Vgl. Frédéric Le Play, Les Ouvriers Européens. Etudes sur les travaux, la vie domestique et la condition morale des populations ouvrières de l’Europe, 6 Bände, Paris 1855. 64) Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 47. Eine Ausnahme, die aber als Spezialausstellung nicht mehr unter die hier behandelten allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen zu zählen ist, war die „Heimarbeiterausstellung“ in Berlin 1906, die explizit das Heimarbeiterelend thematisierte. Vgl. Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie 1906, S. 35.
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2. Die Befriedung der Klassengesellschaft: Der Arbeiter als Objekt von Bildungsbemühungen und Sozialfürsorge Auf die Herausforderung, die der Gesellschaft mit der zunehmenden Zahl von Industriearbeitern erwuchs, reagierten die Ausstellungen nicht im Sinne ihrer Kritiker, die eine umfassende Repräsentation des Arbeiterlebens sowie ihrer Arbeitsleistungen und Produktionsbedingungen forderten.65) Dennoch aber schlug sich die „Arbeiterfrage“ in den Ausstellungen nieder. Auf die enge Verbindung des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Classen, der unter dem Eindruck der Berliner Gewerbeaustellung 1844 gegründet wurde, ist bereits verwiesen worden.66) Trotz dieser folgenreichen Initiative blieb die Arbeiterschaft in den Inszenierungen der Ausstellungen unberücksichtigt. Bis in die sechziger Jahre blieben die Ausstellungsmacher und die Ausstellungen auch mit Blick auf die sozialen Spannungen in der Gesellschaft ganz den gewerbefördernden Wurzeln des Mediums verhaftet: Die Ausstellungen galten als Instrument der individuellen Belehrung und der Anschauung.67) Was zunächst für das Handwerk gedacht war, wurde nun auf die Arbeiterschaft übertragen. Diese sollte sich ebenfalls an den Exponaten bilden und weiterbilden. Bürgerlich-wohltätige Komitees wie auch die gewerbefördernden Behörden der Einzelstaaten vergaben Stipendien, um ausgewählten Gewerbetreibenden und Arbeitern den Besuch von Weltausstellungen zu ermöglichen.68) Dass die sich formierende Arbeiterbewegung die Expositionen dazu nutzte, internationale Kontakte zu knüpfen, ihre Organisationen auszubauen und zu verfestigen, lag nicht in der Intention der bürgerlichen Initiatoren.69) Auf nationaler Ebene waren es einzelne Betriebe, die durch Sparvereine oder kollektive Fahrten zu nationalen oder regionalen Ausstellungen den Besuch förderten.70) Auch die gängige Praxis der Ausstellungsverwaltung, bei kollektiven Besuchen von Arbeitern aus Ausstellerfirmen freien oder ermäßigten
65) Vgl. exemplarisch die zunächst in der Zeitschrift Die Hilfe und später wieder abgedruckte Forderung nach einem „Haus der Arbeit“ von Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 45–47. 66) Vgl. Reulecke, Frieden, S. 53 f. 67) Vgl. zum Beispiel klassisch die Bezeichung der Ausstellung als „Lehrmittel“, in: Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 220. 68) Vgl. Berichte preußischer Gewerbetreibenden (sic!) über die Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1867. In Verbindung mit dem Komité zur Beförderung des Besuchs der Pariser Industrie-Ausstellung seitens preußischer unbemittelter Gewerbetreibenden herausgegeben vom Centralverein in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen, Halle 1868; Auszüge aus den Reiseberichten von Geschäftsleuten und Arbeitern, zur Universalausstellung von 1867 nach Paris gesandt von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel, Stuttgart o. J. 69) Vgl. Weber-Felber, Manifeste, S. 108–109. 70) Arbeiterfahrten zur Gewerbeausstellung, in: Die Nation vom 13. Juni 1896, S. 566.
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Eintritt zu gewähren, entsprang dem gewerbefördernden Selbstverständnis der Macher und Organisatoren.71) Die Ausstellungsliteratur empfahl den Organisatoren und Ausstellern zwei Einrichtungen, um den unterstellten Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen. Auf der einen Seite sollten nach französischem und niederländischem Vorbild eine Galerie d’économie domestique72) oder, so die zeitgenössische Übersetzung, „Haushaltsabteilungen“ errichtet werden. In dieser waren erstmals 1855 in Paris preiswerte Konsumgüter versammelt worden, die der staatsoffiziösen Berichterstattung als Ausweis dafür galten, dass dem französischen Kaiser am Wohlergehen der Massen gelegen war. Einigen Kommentatoren der Weltausstellung, die 1867 in Paris stattfand,73) galt diese Sektion als entscheidender Schritt zu einer Neuausrichtung des Ausstellungswesens. „Die Weltausstellungen haben von jetzt an nicht mehr den Beruf die Summe der Macht der Industrie zu zeigen, sondern die Summe der Macht des Menschen in der Industrie“, so der österreichische Ausstellungsexperte Karl Thomas Richter.74) Auch in Deutschland sollte in vergleichbaren Spezialausstellungen dem Arbeiter gezeigt werden, „was ihm zur Ersparung an Haushaltungsmaterial, Arbeitsgeräthen, Kleidungs-, Ernährungs- und Erziehungskosten von der Industrie in verschiedenen Ländern angeboten wird“. „Die Requisiten seines Hausrathes in der Zweckmäßigsten und billigsten Form kennen zu lernen und die Bezugsquellen zu erfahren“ und umgekehrt auch den Industriellen mit den Bedürfnissen der wenig bemittelten Bevölkerungsklasse vertraut zu machen – dies sei die eigentliche „ebenso edle wie nützliche“ Idee, welche der „Klasse der Zweckmäßigkeit zu Grunde liege.75) Nicht „Zierlichkeit und neue Erfindungen“, sondern „Wohlfeilheit, Einfachheit, Brauchbarkeit und Haltbarkeit“ sollten die Produkte kennzeichnen, die hier ausgestellt wurden.76) 71)
Siehe dazu das Kapitel C 1 in dieser Studie. Die Idealvorstellung, dass die Ausstellungen vor allem als Bildungsmittel dienten, blieb selbst bei den Funktionären der Sozialdemokratie erhalten. Dieses kann am Beispiel der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 gezeigt werden: Gegen Vorwürfe, die Arbeiter hätten die Ausstellung boykottiert, argumentierte Die Neue Zeit: Niemand habe dass „was an der Ausstellung wirklich lernenswerth ist, […] so eifrig studiert wie der […] der intelligente, also klassenbewußte Arbeiter“. Dem „Tingeltangel“ aber habe man sich verweigert. Arbeiter und Gewerbeausstellung, in: Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens 15 (1897), Heft 1, S. 1–4, S. 4. 72) Visites et études de S.A.I. le Prince Napoléon. Guide pratique et complet à l`Exposition universelle de 1855, rèdigè en partie par Adrien Pascal, Paris 1855, S. 383. 73) Vgl. als Skizze der entsprechenden Abteilung Amtlicher Special-Catalog der Ausstellung Preussens und der Norddeutschen Staaten, Berlin ²1867, S. VI. 74) Karl Thomas Richter, Die soziale Frage auf der Weltausstellung im Jahre 1867, in: Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte 5 (1867), Bd. 4, S. 93–115, S. 107. 75) Exner, Aussteller, S. 75. 76) Hermann Grothe, Bericht über die internationale Ausstellung von Gegenständen für den häuslichen und gewerblichen Bedarf der arbeitenden Klassen, in: Der Arbeiterfreund. Zeitschrift des Centralvereins in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen, Halle 8 (1870), S. 1–45, S. 1.
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Realisiert wurden diese Vorschläge in der benannten Form kaum einmal: Die Grenzen zwischen der Präsentation von Haushalts- und Gebrauchsgegenständen speziell für die Arbeiterschaft als einer wenig konsumkräftigen Bevölkerungsgruppe und dem allgemeinen Angebot waren in der Praxis kaum auszumachen. Selbst nach Beobachtungen von Befürwortern der „Haushaltsabtheilungen“ ging „die schöne Idee“ rasch „verloren“.77) Ebenfalls theoretischer Natur blieb das Konzept der „Arbeiterausstellungen“, welches deutlich an die vor- und frühindustriellen Musterschauen von Lehrlingen und Gewerbeschülern angelehnt war.78) „Nicht der Fabrikant, nicht der selbständige Gewerbetreibende, schon gar nicht der Kaufmann“, sondern der „Arbeiter im engeren Sinne des Wortes“ sollte bei dieser Exposition im Vordergrund stehen.79) Der Arbeiter wolle, so unterstellte der österreichische Gewerbelehrer Wilhelm Exner, „den von ihm erreichten Grad von Geschicklichkeit, seinen Fleiß selbständig zur Anschauung bringen“. Auf diese Weise könne er sich „ebenfalls vor den Augen der Welt als nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft dokumentieren“. Seinen besonderen Ehrgeiz, so die idealistische Konzeption des Akademikers, werde er darin sehen, „auch über die Verwendung seiner nicht verdungenen Zeit, also über seine Thätigkeit als freier, öffentlicher Mann Zeugnis abzulegen.“ 1873 pries der Autor in der zweiten Auflage seines Werkes diese Institution wie „jeden Fortschritt des Ausstellungswesens, der dahin abzielt, den Antheil hervortreten zu lassen, welchen die Hand des Arbeiters an dem industriellen Erfolge hat“, als Mittel gegen das Erstarken der organisierten Arbeiterbewegung.80) Unter den Befürwortern der Ausstellungen artikulierte sich die Überzeugung immer wieder, die Expositionen könnten eine gesellschaftsintegrierende, vor allem klassenversöhnende Funktion übernehmen und damit zur Lösung der „Arbeiterfrage“ beitragen.81) Dass die tatsächlich realisierten Ausstellungsunternehmungen in diesem Sinne gewirkt haben, ist zu bezweifeln. Separate Arbeiterausstellungen sind für Deutschland nicht nachzuweisen, nur gelegentlich wurden Lehrlingsund Schülerarbeiten in die allgemeine Exposition integriert. In Deutschland präsentierten sich die Ausstellungen erst seit Anfang der siebziger Jahre mit umfangreichen Abteilungen zur privaten wie auch zur staatlichen Wohlfahrt, zum Schul- und Erziehungswesen sowie zum Arbeitsschutz, zur Gesundheitspflege und zur (Sozial-)Hygiene. International hatte diese Entwicklung bereits früher eingesetzt. Die Pariser Weltausstellung 1867
77)
Vgl. Exner, Aussteller, S. 76. Vgl. dazu Christiane Schiersmann, Zur Sozialgeschichte der preußischen ProvinzialGewerbeschulen im 19. Jahrhundert, Weinheim/Basel 1979. 79) Dazu und zum Folgenden vgl. Exner, Aussteller, Auflage 1866, S. 105–109, Auflage 1873, S. 100 ff. 80) Exner, Aussteller, Auflage 1873, 2. Ergänzung, S. 42. 81) Ein besonders profiliertes Beispiel bei Stefan Reiländer, Ausstellungen der Zukunft. Berlin 1900? Ein „greifbarer Plan“, Düsseldorf o. J. [1896], S. 76–87. 78)
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war unter das Motto La Paix Social gestellt worden. Im Gegensatz zu den Weltausstellungen seit 1851, in deren offiziellen Agenden vor allem die internationale Völkerverständigung betont wurde, setzte diese Ausstellung einen innenpolitischen Akzent: Napoleon III. drückte bei der Preisverleihung am 1. Juli damit die Hoffnung aus, dass die Weltausstellung eine neue Ära der Harmonie und des Fortschritts einleiten werde. Dazu propagierte er einen sozialpaternalistischen Kurs. Neben einem „Zurück zur Normalität“, welches beschworen wurde, zielten die französischen Ausstellungsmacher darauf, Ordnung und Stabilität zu visualisieren.82) Zum Gegenmodell dieser gewünschten Ordnung stilisierte man nicht das „waffenstrotzende Deutschland“, sondern vor allem den britischen Manchesterkapitalismus.83) Zu diesem Zweck hatte man auf der Weltausstellung eine 10. Abteilung konzipiert, in der die von Staat, Ländern, Kommunen und Einzelpersonen geschaffenen Institutionen zusammengefasst wurden, die der „Verbesserung der physischen und moralischen Verfassung der Bevölkerung“ dienten.84) In dieser Sektion sollten Gegenstände und Einrichtungen „eigens zu dem Zweck ausgestellt werden, die physische und moralische Lage des Volkes zu verbessern: Material und Methoden des Unterrichts der Kinder (Pläne und Modelle von Schulhäusern, Schulstuben-Mobiliar, Unterichtsgegenstände); Bibliothek und Material zum Unterricht Erwachsener in der Familie, Werkstatt, Gemeinde, in der Corporation; Hausgeräte, Kleidungsstücke und Nahrungsmittel aller Art, die sich durch ihre nützlichen Eigenschaften in Verbindung mit der Billigkeit des Preises auszeichnen; Probestücke der Volkstrachten der einzelnen Länder, Proben von Wohnungen, die sich durch Billigkeit in Verbindung mit den Bedingungen für Gesundheit und Behaglichkeit charakterisieren (Familienwohnungen für die einzelnen Classen von Arbeitern in den verschiedenen Ländern in städtischen und ländlichen Fabriken ....); Erzeugnisse aller Art, wie sie von selbständigen Handwerksmeistern gefertigt werden“ und die sich durch ihre „besondere Beschaffenheit, durch Neuheit oder Vollkommenheit der Arbeit, oder aber durch den nützlichen Einfluß empfehlen, welche diese Arbeit auf die physische und moralische Lage der Bevölkerung ausübt.“85)
82)
Kaiser, France, S. 234. So unterstützte der französische Hof die Entsendung von Arbeiterdelegationen zu den Londoner Weltausstellungen von 1862 und 1867, um den Kontrast zwischen dem französischen Paternalismus und dem englischen Manchesterkapitalismus augenfällig zu machen. Henry Fougère, Les délégations ouvrieres auyx Expositions universelles sous le Second Empire, Montlucon 1905, S. 66. Tatsächlich nutzten aber die französischen Arbeiter die Gelegenheit und nahmen Kontakt auf mit den Vertretern englischer Gewerkschaften. Vgl. Ranciére/Vauday, Expo, S. 23–44. 84) Catalogue analytique des documents, mémoires et rapports exposées hors classe dans le dixième groupe et relatifs aux institutions publiques et privées crées par l’état, les départements, les communes et particuliers pour améliorer la condition physiques et morale de la population, Paris 1867. Vgl. auch Alfons Luchet, L`Art industriel à lexposition universelle de 1867 – mobilier – vetements – aliments, Paris 1868, S. 28 ff. 85) Catalogue analytique des documents, mémoires et rapports exposées hors classe dans le dixième groupe et relatifs aux institutions publiques et privées crées par l’état, les départements, les communes et particuliers pour améliorer la condition physiques et morale de la population, Paris 1867. 83)
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Nicht nur der französische Staat, sondern auch die ausstellenden Unternehmer und Firmen zeigten sich bemüht, sozialen Sinn und arbeitspolitische Fortschrittlichkeit zu demonstrieren. Die Zeitschrift Der Arbeiterfreund wertete die Beiträge, die die preußischen Aussteller zur „physischen und moralischen Verbesserung der Bevölkerung“ auf der Pariser Weltausstellung zeigten, als Beleg für einen grundsätzlichen Wandel in der Einstellung zum Elend und zur Armut. Kritisch sind die entsprechenden Berichte der Aussteller vor allem als Elemente der Selbstdarstellung zu werten. Zahlreiche der betrieblichen Sozialinitiativen zielten darauf ab, die Arbeiter zum Erwerb von Wohneigentum zu bewegen, damit sesshaft zu machen und als Stammbelegschaft zu halten. Nicht nur die Verbesserung des Betriebsklimas, die Vermeidung von Streiks und die Bildung eines festen Arbeiterstammes, sondern auch die Absicherung unternehmerischer Handlungsfreiheit gegen Eingriffe des Staates bildeten den Hintergrund dieser Initiativen.86) In Deutschland wurde diese Entwicklung des internationalen Ausstellungswesens in spezifischer Weise aufgenommen und adaptiert: In den Expositionen zum Ende der siebziger Jahre waren Abteilungen zu „Lehrmitteln und sonstigen Schulbedürfnissen“, zum Arbeitsschutz und zur sozialen Hygiene sowie zur staatlichen und privaten Wohlfahrt fest etabliert. Nach bescheidenen Anfängen – in Hannover präsentierten 1878 lediglich 15 Aussteller ihre Leistungen und Produkte für dieses Gebiet87) – nahmen diese Abteilungen insbesondere in den achtziger und neunziger Jahren viel Raum ein und dokumentierten ein breites Spektrum von Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen.88) „Augenfällige Leistungen“ waren es in der Regel nicht, mit denen diese Abteilungen vor die Besucher traten. Stattdessen mühte man sich, mit Statistiken und Grafiken – „einem massenhaften schier unübersehbaren tabellarischen Material, diesem für den Laien durchaus ungeniessbaren Rohstoff“ – soziale und sozialpolitische Verbesserung zu dokumentieren.89) Die Motivation für solche Initiativen erwuchs aus dem Wunsch nach Systemstabilität. Dem Druck der erstarkenden Arbeiterbewegung und ihren politische Forderungen stellte man das Modell eines friedlichen Ausgleichs von Lohnarbeit und Kapital entgegen. Dabei visualisierte man nicht die sozialen Problemlagen, die sich auftaten, sondern stellte Ansätze zu ihrer Lösung vor: „Wenn die Erfolge der industriellen Entwicklung in dem glänzenden Rahmen einer Ausstellung gezeigt wer-
86)
Marie Louise von Plessen, Bürgerliche Selbstdarstellung und betriebliche Sozialpolitik auf der Pariser Weltausstellung 1867, in: ZUG 35 (1990), Heft Nr. 2, S. 145–153, S. 148. 87) Vgl. die Skizze in Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 218–220. 88) Vgl. Skizze und Wertung bei Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 172–180; „Augsburger Gewerbe-, Industrie- und kunsthistorische Ausstellung 1886“, in: Wochenblatt für Baukunde No. 53 vom 2. Juli 1886, S. 265 f. 89) Vgl. dazu Dr. J. Kastan, Gesundheitspflege und Wohlfahrtseinrichtungen, in: Berliner Tageblatt und Handelszeitung Nr. 312 vom 2. 6. 1896.
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Abbildung 22: „Die Kinder-Brutanstalt auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, nach der Natur gezeichnet“
den, so würde das Bild ein unvollständiges sein, das neben den Erzeugnissen der Industrie nicht auch die Bestrebungen zur Anschauung brächte, welche die Gefahren zu mindern suchen, denen die Arbeiter bei ihrer Thätigkeit ausgesetzt sind“, so skizzierte ein Berichterstatter die Zielsetzung der entsprechenden Abteilung in der Berliner Gewerbeausstellung 1896.90) Insbesondere die Exponate, an denen der medizintechnische Fortschritt sichtbar wurde, entwickelten sich zu Publikumsmagneten. So fand beispielsweise die Vorführung elektrisch beheizter Brutkästen aus Lyon, in denen für die Dauer der Ausstellung tatsächlich frühgeborene Säuglinge lagen, große Resonanz, obwohl ein zusätzliches Eintrittsgeld für diese ‚Attraktion‘ erhoben wurde. Selbst das ausstellungskritische SPD-Organ Vorwärts berichtete regelmäßig vom Gesundheitszustand und der Gewichtszunahme der betreuten Babys. Die Industrie habe gezeigt, „dass sie stets bestrebt ist, das Beste für den Teil der Menschheit zu liefern, für den das Beste eben noch gerade gut genug ist,
90)
Berlin und seine Arbeit, S. 742.
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für die Wissenschaft und für die, welche dankbar zu ihren Vertretern emporblicken, für die Kranken und Leidenden“, so resümierte Oberstabsarzt Prof. Dr. Albert Köhler. Sein Bericht über die Abteilung „Chirurgische Instrumente“ auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 zielte explizit darauf, nicht Details oder Fachinformationen, sondern den Eindruck eines rasanten medizinund gesundheitstechnischen Fortschritts zum Wohle aller zu vermitteln.91) Die Darstellung von Schul- und Erziehungseinrichtungen war nicht von einem Bildungsbegriff getragen, der – wie von Teile der liberalen Bewegung des Vormärz – diese als Vehikel zur Emanzipation der unteren Klassen fasste, sondern von einem wesentlich engeren Verständnis motiviert: „Was hat Unterrichtung und Erziehung auf der Berliner Gewerbeaustellung zu suchen?“, fragte rhetorisch der Berichterstatter des Familienblattes seine Leser, um dann auf die Wechselwirkung zwischen der Ausbildung des Arbeitspersonals und der Qualität des Produkts zu verweisen. In ähnlich utilitaristischer Manier argumentierte auch der Spezialkatalog der Berliner Gewerbeausstellung: Nach der Phase wirtschaftlicher Depression sei nun erkannt worden, dass allein „ein gut vorgebildetes, tüchtiges Arbeitspersonal“92) das negative Urteil über die deutsche Industrie revidieren könne, welches auf der Weltausstellung in Chicago gefällt wurde.93) Nicht das öffentliche Schulwesen präsentierte sich auf der Ausstellung, sondern vor allem die Träger der Fach- und Berufsausbildung wie Fachschulen, Gewerbeschulen und Einrichtungen der betrieblichen Berufsausbildung. Gezeigt wurden Arbeiten der Schüler und Unterrichtskonzepte.94) Zudem stellten Firmen aus, die Lehrmittel, Schulmöbel und didaktische Hilfsmittel herstellten und vertrieben. Modelle von modernen Schulgebäuden, Heizungsvorrichtungen und Lüftungssystemen ergänzten die Abteilung. In der bürgerlichen Sozialreform hatte noch die Vorstellung dominiert, dass individuelle Bildung und Ausbildung als Vehikel persönlichen Aufstiegs in eine gesicherte Stellung ein geeignetes Mittel zur Entproletarisierung seien. In den Schul- und Fachschulabteilungen der Ausstellungen trat dieser Aspekt zurück hinter den Beitrag, den Ausbildung zur Steigerung und Sicherung der Produktqualität leistete.95)
91)
Vgl. Dr. F. Slowronnek, Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Wohlfahrtseinrichtungen und Gesundheitspflege, in: Familienblatt. Tägliche Unterhaltungsbeilage zur Berliner Morgenzeitung Nr. 122 vom 27. Mai 1896, S. 1–2, S. 2. 92) Officieller Spezial-Katalog VIII. Gruppe XVIII und XIX der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Gesundheitspflege, Wohlfahrtseinrichtungen, Unterricht und Erziehung, hrsg. im Auftrage des Arbeitsausschusses, Berlin 1896, S. 50 f. 93) Ganz ähnlich auch Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 306. 94) Vgl. dazu die Kritik in „Von der Berliner Gewerbe-Ausstellung“, in: Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschland Nr. 120 vom 24. Mai 1896, S. 2. Eine Skizze der Düsseldorfer Ausstellung 1902 vgl. E. Czihak, Gruppe XX: Unterrichtswesen, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 18, S. 629–634. 95) Reulecke, Anfänge, S. 39.
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Zum Teil zusammengefasst mit der Abteilung für Schul- und Fachschuleinrichtungen, zum Teil in unmittelbarer Nachbarschaft dazu, präsentierten sich die Abteilungen zur privaten wie auch staatlichen Wohlfahrt. In diesen Sektionen dominierten zwei Gruppen: zum einen eine Vielzahl von privaten, vor allem kirchlichen und bürgerlich-philantrophischen Vereinen,96) zum anderen die staatlichen Behörden der Sozialversicherungen und Sozialfürsorge. Zum ersten Feld bot die Berliner Gewerbeausstellung von 1896 ein Kaleidoskop privater Wohltätigkeitsinitiativen, die in Berlin und in der Region tätig waren.97) Der Verein zur untentgeltlichen Erziehung schulentlassener Mädchen präsentierte seine Arbeit dort ebenso wie der Verein für häusliche Gesundheitspflege und das Waisenhaus Rudolf Mosse in Wilmersdorf. Pathos pur bot der Autor des Berliner Tageblatts seinen Lesern, wenn er als stilistisches Mittel ein vor der Erziehungsanstalt für Knaben und Mädchen aller Konfessionen zufällig belauschtes Gespräch einflocht: „‚Dorthin bringe unsere Jungen, wenn ich…‘ sagte eine blasse Dame zu ihrem recht bekümmert aussehenden Gatten.“98) Nach den Beobachtungen des Journalisten sollte der Besucher den Eindruck „mit nach Hause nehmen, daß der Sinn für soziale Hilfstätigkeit in Berlin herrliche Früchte zeitigt.“99) Die unzähligen Träger und Initiatoren der Wohlfahrtspflege aufzuzählen wäre, so die Berichterstattung, ein unmögliches Unterfangen. „Wollte man aber die Frage aufwerfen, auf was sich die Fürsorge all dieser Faktoren erstreckt, so wäre die Antwort einfach: es giebt überhaupt kein menschliches Bedürfnis, keine Not und kein Leiden, das nicht in das Arbeitsfeld einbezogen ist. Von der Geburtsbis zur letzten Ruhestätte […] wird dem Suchenden die helfende Hand geboten, die er nur vertrauensvoll zu ergreifen braucht, um in den weitaus meisten Fällen Rat und Hülfe zu erlangen.“100)
Neben die private Wohlfahrt traten betriebliche Einrichtungen, die sich ebenfalls der Sozialfürsorge widmeten. Ihre „Präsentationssprache“ soll am Beispiel der Gerresheimer Glasbläserei gezeigt werden, die sich an der Ausstellung in Düsseldorf 1902 mit Modellen ihrer Wohlfahrtseinrichtungen beteiligte. Das „überlieferte gute Einvernehmen zwischen Arbeit-Gebern und -Nehmern“ 96)
Vgl. dazu insbesondere Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, 302 b, in der die Vorbereitung und Ausstellungstätigkeit der Inneren Mission auf der Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1902 dokumentiert ist. Dazu Evangelische Liebesthätigkeit (Innere Mission) in Rheinland und Westfalen. Den Besuchern der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1902 dargereicht, Elberfeld 1902. 97) Vgl. dazu rein deskriptiv Elke Lehnert, Soziale Verantwortung im Spiegel einer gewerblichen Ausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 105–113; Meinolf Nitsch, Private Wohltätigkeitsvereine im Kaiserreich. Die praktische Umsetzung der bürgerlichen Sozialreform in Berlin, Berlin/New York 1999. 98) J. Tews, Unterricht und Erziehung, Bildungs- und Erziehungsanstalten, in: Der Zeitgeist Nr. 27. Beiblatt zum Berliner Tageblatt, Nr. 338 vom 6. Juli 1896. 99) Slowronnek, Gewerbe-Ausstellung, S. 1. 100) Stoffers, Industie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 318.
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sei von Beginn an erhalten worden, so erläuterte der Katalogtext, indem man Arbeiterwohnungen inklusive des dazugehörenden „Gemüselandes“ zur Verfügung stellte. Wirtschaftliches Wachstum und der Ausbau der Sozialleistungen gingen, so suggerierte eine illustrative „Statistik“, in der Entwicklung der Firma Hand in Hand. In ähnlicher Tendenz skizzierte die offizielle Ausstellungszeitschrift Die Woche das Wirken des „Philanthrophen von Essen“, der nicht nur im firmeneigenen Pavillon mit Exponaten seiner Produktion vertreten war, sondern auch mit Modellen seiner Arbeiterkolonien auftrat:101) Der Sohn und Nachfolger des Firmengründers, Friedrich Krupp, wurde dort als mildtätiger Mensch dargestellt. Das technische Erbe seines Vaters hatte er laut Darstellung in einer Zeit der sozialen Auseinandersetzungen um einen deutlich humanitär-künstlerlichen Zug bereichert. Beispielhaft dafür standen die neu erbauten Arbeiterkolonien und dazu gehörende Kirchengebäude.102) Im Vergleich zu früheren Ausstellungen hatte Krupp im Jahr 1902 seine Präsentation von „Wohlfahrtseinrichtungen“ deutlich erweitert und die Exponate in einem eigenen Katalog verzeichnet. Neben Stereoskopen, in denen der Besucher Bilder von Gebäuden und Wohlfahrtseinrichtungen sehen konnte, waren statistische Angaben zu den Aufwendungen gemacht wie auch Bilder angebracht, die verschiedene Motive aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege zeigten. Der Besucher bekam dort die Erlebnisse eines Arbeiters vorgeführt, der „trotz der Verlockungen seines hinter ihm stehenden Kameraden den Entschluss gefasst hat, eine Sparerklärung abzugeben“. Oder er konnte sich an Szenen des Familienglücks in einer der Arbeitersiedlungen erfreuen.103) Die im Kontext der Industrie- und Gewerbeausstellungen veranstalteten Kongresse zur Sozialpflege wie auch zum Arbeiterwohnungsbau vervollständigten die Präsentation, indem sie den Leistungswillen der wissenschaftlichen, sozialpflegerischen und politischen Eliten auf diesem Gebiet unter Beweis stellen sollten.104) Mit den Gesetzen zur Einführung einer für große Teile der Arbeiterschaft obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 1883, der Unfallversicherung von 1884 und der Invaliden- und Altersversicherung von 1889 rückte das Deutsche Reich in eine zentrale Position des Sozialfürsorgesystems. Als Träger dieser Initiativen war es darauf bedacht, sich in den Ausstellungen ent-
101)
Zur Präsenz der Firma Krupp auf den Weltausstellungen speziell unter dem Aspekt der Arbeiterfürsorge vgl. Kroker, Weltausstellungen. 102) Vgl. DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 10, S. 343–348. 103) Friedrich Krupp. Spezialkatalog Wohlfahrtseinrichtungen der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp zu Essen an der Ruhr, Ausstellung 1902, o.O. 1902. 104) Vgl. für Düsseldorf Festschrift des Rheinischen Vereins zur Förderung des Arbeiterwohnungswesens aus Anlaß des VI. Internationalen Wohnungskongresses Düsseldorf 1902 und der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung, Düsseldorf 1902.
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Abbildung 23: Produktionsvolumen und Sozialeinrichtungen – Glasbläserei Gerresheim auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902
sprechend zur Geltung zu bringen. Auf „mächtigen Tafeln“, so eine zeitgenössische Schilderung der Berliner Ausstellung 1896, hatte das Reichsversicherungsamt die Zahl derjenigen aufgelistet, die gegen Krankheit, Unfall und Invalidität versichert waren. Die Präsentation vermittelte den Eindruck, dass
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„kolossale Summen“ aufgewendet würden zur sozialen Absicherung.105) Klar markiert war auch der Initiator dieser Wohltaten. „Mittel- und Angelpunkt“106) der Gruppe XXI „Gesundheits- und Wohlfahrtspflege“ bildete eine mit rotem Samt ausgeschlagene sechseckige Nische, in deren Mitte ein Reiterstandbild Wilhelms I. als „Begründer der deutschen Arbeiterversicherung“ positioniert war. Am Sockel war folgende Inschrift angebracht: „Sieger wie keiner zuvor, / dem mächtigen Gegner ein Schrecken / Hier im friedlichen Werk lebt er den Schwächsten ein Freund.“107) Die Wände schmückten zwei Sozialgesetztexte, die Wilhelm I. erlassen hatte, und zwei entsprechende Erlasse seines Nachfolgers. In einem steinernen Obelisken, der zunächst auf der Pariser Weltausstellung 1900 aufgestellt worden war, führte das deutsche Reich auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902 vor, welche Goldmengen für die Arbeiterversicherung zwischen 1885 und 1899 aufgebracht worden waren: Die 961 000 Kilogramm Beton entsprachen dem Gewicht an dafür bezahlten gemünztem Goldes. Ein aufgebrachtes „A“ markierte den Anteil, den die Arbeiter selbst finanziert hatten, ein „U“ den Beitrag der Unternehmer. Der Reichsadler prangte auf dem obersten Stück des Obelisken und zeigte den staatlichen Zuschuss. „Wahrlich gigantische Beträge, wie sie kein anderes Land bisher für Zwecke der Arbeiterversicherung aufgebracht hat, und mit denen Unsummen Not und Elend gelindert […] worden sind“108), so resümierte der offizielle Ausstellungskatalog. Insbesondere das deutsche Sozialversicherungssystem war das Thema zahlreicher Ausstellungsinszenierungen nicht nur im Inland. Das Deutsche Reich präsentierte sich in Chicago 1892, in Brüssel 1897, Paris 1900 und in St. Louis 1904 als „international leader in social reform“.109) Die Schlussfolgerungen, die der Beobachter aus den Exponaten und Inszenierungen ziehen sollte, waren eindeutig. Es ging darum, „ein Bild zu schaffen, das eine herzerfreuende Sprache redete und den vollgültigsten Beweis dafür lieferte, mit welcher Umsicht und Gewissenhaftigkeit im Ausstellungsgebiet dafür Sorge getragen wird, daß nicht nur der Reiche und Wohlhabende 105)
So die Berichterstattung in der zeitgenössischen Publizistik. Slowronnek, GewerbeAusstellung, S. 2. 106) Vgl. Dr. jur. G.A. Klein, „Die Arbeiterversicherung im deutschen Reichs- und Düsseldorfer Ausstellungsgebiet, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 8, S. 262–264, S. 262. 107) Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 319. 108) Vgl. Klein, Arbeiterversicherung, S. 263. 109) Vgl. Ludwig Lass, Die deutsche Arbeiterversicherung als soziale Einrichtung. Im Auftrage des Reichs-Versicherungsamts dargestellt für die Weltausstellung in St. Louis, Vol. 1: Entstehung und soziale Bedeutung, Berlin 1904; Winfried Zacher (Reichsversicherungsamt), Guide to the Workmen’s Insurance of the German Empire: Newly Composed for the World’s Exhibition in Brussels, Berlin 1897; ders., Guide to the Workmen’s Insurance of the German Empire: Revised Edition Brought up to Date for the International Exhibition at Paris, Berlin 1900; vgl. dazu George Steinmetz, Regulating the Social. The Welfare State and Local Politics in Imperial Gemany, Princeton 1993, S. 5 f.
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D. Themen der Ausstellung Abbildung 24: Leistungen der Arbeiterversicherung des Deutschen Reiches – Düsseldorf 1902
Anteil habe an den Segnungen der Kultur, sondern daß auch dem Minderbemittelten und dem Mittellosen ein Platz an der Tafel des Lebens gegönnt sei!“110) Zugleich war deutlich markiert, wer die Initiatoren, die ausführenden Kräfte und die Nutznießer waren: Die staatliche und private Wohlfahrt und die Sozialgesetzgebung waren untrennbar mit dem politischen System und seinen Trägergruppen verbunden. In ihren Inszenierungen und Repräsentationen bewegten sich die Aussteller ganz in den Bahnen, welche die bürgerliche Sozialreform und später die staatliche Sozialgesetzgebung vorgaben: Wohlfahrt und Sozialreform waren „ein letztlich patriachalisches Verhalten gegenüber Unterprivilegierten, deren materielle Not es zu beheben galt, deren sichere Einbindung in die bürgerliche
110)
Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 324.
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Gesellschaft geleistet werden sollte, damit sie deren Bestand nicht gefährdeten“.111) Den Ausgangspunkt für eine Integration bildete die Inszenierung eines von allseitiger Harmonie geprägten Gesellschaftsbildes. Die mit der Ausbildung der Industriegesellschaft verbundenen Probleme konnten, so suggerierte die Bild- und Formensprache der Ausstellung, im Rahmen des politischen Systems behoben werden, so dass alle an der allgemeinen Hebung des Lebensstandards partizipierten. Die Illusion wurde bereits in der Ausstellung selbst widerlegt.112) Durch die Schließung einzelner Restaurationen, Maschinenparks und ganzer Abteilungen für das Publikum wahrnehmbar war die Ausstellung in Berlin 1896 von zahlreichen Streiks und Arbeitsniederlegungen begleitet. In Düsseldorf hatte man sich hingegen sowohl 1880 als auch 1902 bei den Aufbauarbeiten den Forderungen nach Lohnerhöhung gebeugt, um soziale Konflikte im Kontext der Exposition zu verhindern.113) Einbrüche des Realen in die Repräsentationen der Ausstellungen waren typisch und allgegenwärtig. Ein Modell der industrialisierten Gesellschaft, wie es die Industrie- und Gewerbeausstellungen entwarfen, beließ es nicht dabei, Lösungsansätze für die negativen Seiten zu skizzieren, die mit der Industrialisierung und den damit einhergehenden neuen Formen der Erwerbsarbeit verbunden war. Zugleich setzten die Ausstellungen darauf, die aus ihren vormodernen Bindungen und Sozialgeflechten entlassene Arbeit mit einer Ideologie zu versehen, die den neuen marktwirtschaftlich-kapitalistischen Verhältnissen entsprach. 3. „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis“ – Arbeit, Moral und Ikonographie Die Verse aus Schillers Gedicht Die Glocke waren insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein beliebter Referenzpunkt in den Industrieund Gewerbeausstellungen: „Arbeit ist des Bürgers Zierde,/Segen ist der Mühe Preis / Ehrt den König seine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß“, so war es in der Haupthalle der Hannover’schen Ausstellung von 1878, der Düsseldorfer Exposition von 1880, der Berliner Schau von 1896 und in zahlreichen weiteren Veranstaltungen zu lesen.114) Besonders ausführlich dokumentiert 111)
Reulecke, Anfänge, S. 50. Vgl. zum Beispiel das fiktive Zwiegespräch bei Naumann, Ausstellungsbriefe, S. 128. 113) Vgl. Vorwärts, Nr. 218 vom 17. September 1896; zu Düsseldorf vgl. Officieller Katalog der Gewerbe-Ausstellung, hrsg. vom Vorstand der Ausstellung, Düsseldorf ³1880, S. 20; Düsseldorfer Ausstellungszeitung. Amtliches Organ der Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke, verbunden mit einer DeutschNationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1902, No. 2 vom 1. April 1900. 114) Vgl. für Düsseldorf Sprüche in der Gewerbe- & Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880. Gesammelt auf Wunsch seiner Königlichen Hohheit des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, Düsseldorf 1880; für Hannover Jugler, Gewerbeausstellung; für Berlin Lindenberg, Pracht-Album, S. 30; als weiteres Beispiel „Die Detmolder Gewerbeausstellung III“, in: Lippische Post No. 64 vom 10. August 1881, S. 2. 112)
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sind diese und andere Spruchweisheiten für die Düsseldorfer Ausstellung 1880. Für die Maschinenhalle hatte der Maschinenmeister Vossköhler „kernige Sprüche“ geschmiedet, die auf Wunsch des Prinzen Friedrich Karl von Preußen gesammelt und in einer großformatigen Kunstdruckmappe veröffentlicht wurden. Neben Knittelversen, die auf regionale Besonderheiten anspielten oder Verhaltensmaßregeln und Sicherheitshinweise gaben („Ist in dem Kessel Dampf zu viel, / So hilft das Sicherheitsventil“), bezogen sich die Sprüche vor allem auf den Zusammenhang von Arbeit und Moral: Sie hielten ihre Leser zum Fleiß an („Lässige Hand macht arm“, „Je mehr Arbeit je mehr Ehre“, „Willenskraft Hilfe schafft“, „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“), priesen die Möglichkeiten neuer Technik („Dampf und Geist gepaart, hat viel Mühe gespart“) oder hielten zur Bildung an („Bildung macht frei / Einigkeit macht stark“, „Muthig bei der Arbeit“).115) Das sich herausbildende bürgerliche Selbstverständnis wurde immer mehr zum spezifisch bürgerlichen Stolz, der sich aus „redlicher Arbeit“ nährte.116) Damit war einerseits eine Abgrenzung zum Adel verbunden wie auch zum „Wucher“ und anderen Formen der als „unproduktiv“ qualifizierten Tätigkeit des Geld- und Kreditgewerbes. Andererseits leitete sich daraus der Anspruch einer ‚Verfleissigung‘ der unterbürgerlichen Bevölkerungsschichten ab. Arbeit, so suggerierte ihre Repräsentation auf den Ausstellungen, diente nicht nur der Befriedigung der Bedürfnisse, sondern auch der Daseinserfüllung.117) Die neuen Funktionseliten wie Unternehmer, Ingenieure und Techniker betonten in ihren Repräsentationen nicht die Spezifika und das grundlegend Neue ihrer Tätigkeit, sondern orientierten sich an Verhaltensforderungen, die auch an den vormodernen Handwerker und Gewebetreibenden gestellt worden waren: unermüdlicher Fleiß, die Willensanstrengung sowie – dieses als ein neuer Aspekt – die gesellschaftliche Nützlichkeit ihres Tuns. Die Träger der Ausstellung stilisierten sich auch in der Ikonographie der Arbeit zu den legitimen Erben der sozialen Entwicklung der Vergangenheit, die man im Sinne einer „reaktivierten Geschichte“ nun in den Kontext der Moderne transformierte.118) Die Mythisierung der Arbeit fand im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ihren visuellen Ausdruck vor allem in dem Bild eines hammerschwingenden kräftigen Mannes, der in Ausstellungsplakaten, Erinnerungsurkunden und anderen offiziellen Dokumenten und Darstellungen der Industrie- und Gewerbeausstellungen Verwendung fand: Meist stand das Motiv des Schmieds119 –
115)
Sprüche. Vgl. Michael Maurer, Die Biographie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisen in der formativen Phase des deutschen Bürgertums (1680–1815), Göttingen 1996, S. 588–590. 117) Ebd., S. 378.. 118) Hartmann, Festzug, S. 176. 119) Vgl. Hubert Köhler, Die Darstellung des Schmiedes in der bildenden Kunst. Aspekte eines Bildmotivs im Wandel der Zeitabläufe, in: Türk, Arbeit, S. 50–61; C. Daxelmüller, 116)
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Abbildung 25: Diplom zur Medaille in Gold, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf 1902
und damit des Handwerkers, dem zugeschrieben wurde, mit ‚Herz und Hand‘ zu arbeiten, damit sein Werk gelang120) – in Verbindung mit bäuerlichen oder handwerklichen Werkzeugen wie Sichel, Rechen, Sense oder Ähren. In dem Diplom zur goldenen Medaille der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1902 war die Personifikation der Arbeit mit Rüstung und Pferd ausgestattet und auf diese Weise der Vormoderne zugeordnet. Industrielle Konkurrenz wurde visuell als ritterlicher Wettkampf gefasst. Der Hammermann als Mischung aus schmiedendem Gott Vulcanus und Herkules war dabei ursprünglich kein Symbol für den Sozialismus, sondern stand zunächst für den allgemeinen Fortschrittsoptimismus des 19. Jahrhunderts und war ein Sinnbild industriellen Fleißes.121)
Zwischen Mythos und Realität. Der Schmied im Volksglauben, in: Michael Dauskardt (Hrsg.), Vom heißen Eisen – Zur Kulturgeschichte des Schmiedens. Ausstellungskatalog Hagen 1993, S. 229–240. 120) Wagner, Welt, S. 15. 121) Vgl. dazu die Diskussion der Jury für das Ausstellungsplakat Düsseldorf 1902 in Düsseldorfer Ausstellungs-Zeitung Nr. 2, 1. April 1900, S. 26–28. Zum Motiv des Vulkans als „Gott der Schmiede“ vgl. den Eintrag „Hephaistos“, in: Lexikon der Kunst, Bd. 3, Leipzig 1987, Nachdruck München 1996, S. 214.
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Abbildung 26: Offizielles Ausstellungsplakat der Düsseldorfer Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung 1902
Abbildung 27: Ausstellungsplakat der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung Mühlhausen (Thüringen) 1903
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Abbildung 28: Pracht-Album der Berliner Gewerbeausstellung 1896, nach dem Ausstellungsplakat gestaltet. Entwurf von Ludwig Sütterlin
Arbeit rückte in das Innere der gesellschaftlichen Hierarchie, während die Nichtarbeit und die Nichtarbeitenden stigmatisiert beziehungsweise – so war es in den Ausstellungen zu sehen – zum Objekt der Fürsorge wurden. Damit repräsentierten Ausstellungen eine Ideologie der Arbeit, die auf alle Gruppen der Erwerbstätigen übertragbar war. An diesem Idealbild menschlicher Erwerbstätigkeit, welches von der inneren Lenkung, der optimalen Vorbereitung durch individuelle Bildung sowie der Einbettung in die religiöse Sphäre geprägt war, hielten die Träger der Ausstellungen auch dann noch fest, als die tatsächlichen Umstände der Lohnarbeit diese Ziele für weite Teile der erwerbstätigen Bevölkerung unerreichbar gemacht hatten. Diese Beobachtung nun aber zu einer intentionalen ideologischen Ummantelung zunehmender Entfremdung zu erklären, bedeutete doch, die historische Wahrnehmung zu verfehlen: Auch der sozialdemokratische Arbeitsbegriff, der sich in der Vorstellung von der „Ehre der Arbeit“ konzentrierte, lehnte sich an Formen und Gehalte der handwerklichen Ehre an. Der Stolz auf die individuellen Fertigkeiten verband sich mit dem auf das eigene Können und war bewusst sehr allgemein gehalten, so dass sämtliche Formen der Erwerbsarbeit darunter gefasst werden konnten.122) Die Diskrepanz zwischen 122)
Josef Ehmer/Peter Gutschner, Befreiung und Verkrümmung durch Arbeit, in: Richard van Dülmen (Hrsg.), Die Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500–2000, Wien 1998, S. 283–303, S. 292; Thomas Welskopp, Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz, Bonn 2000.
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ökonomischer und technisch-organisatorischer Modernität und den vormodernen Formen ihrer Deutung war ein Phänomen, welches – allen Unterschieden im Einzelnen zum Trotz – alle politischen Lager kennzeichnete. Ihrer Bedeutung entsprechend provozierte die symbolische Darstellung der Arbeit Debatten.123) Das Plakat Ludwig Sütterlins zur Berliner Gewerbeausstellung 1896124) war nicht nur „das erste deutsche Affiche, [welches] echten Plakatstil hatte“125), sondern regte auch den Reichstagsabgeordneten Friedrich Naumann zu einer grundlegenden Ausstellungskritik an. In der „Parade der kapitalistischen Produktion“ und auf dem „Jahrmarkt der Leistungsfähigkeit“ fehle eben genau die Bevölkerungsgruppe, die diese Leistungen auch trage: „Die alte Zeit hat gezeigt, was sie kann. Es ist groß und verdient die angestrengteste Aufmerksamkeit. Sie kann die Industrie heben. Nun kommt der Arbeiter und fragt, was er von dieser Hebung hat. Der Hammer, das Sinnbild dieser Ausstellung, steigt aus der Erde und klopft an die Tore, er steigt, bis man ihn beachtet.“126) In die Repräsentations- und Visualisierungsprogramme der allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen, die vorrangig Fortschrittsvisionen popularisierten, fand solche Kritik keinen Eingang.
II. Industrieller Fortschritt und Technik in der Repräsentation der Industrie- und Gewerbeausstellungen Mit der industriellen Revolution ist die Technik zu einem der bestimmenden Faktoren nicht nur der ökonomischen Entwicklung im engeren Sinne, sondern für das moderne Gesellschaftssystem insgesamt aufgestiegen.127) Vor allem Kulturtheoretiker und Ethnologen haben Technik als einen Teil der materiellen Kultur verstanden und ihre kulturelle Dimension erschlossen.
123)
Wie stark das Plakat wirkte und auch die technische Umsetzung Widerspruch erregte verdeutlicht exemplarisch „Von der Berliner Gewerbeausstellung 1896“, in: BaugewerksZeitung vom 25. Janaur 1896, S. 1: „Das Plakat […] dürfte außerhalb Berlins mindestens ebenso ungetheilte Verwunderung, nicht Bewunderung auslösen wie in Berlin selbst.“ 124) Vgl. Hellmut Rademacher, Auf dem Weg zum künstlerischen Plakat. Ludwig Sütterlins Entwurf zur Berliner Gewerbeausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 97–103. 125) Walter von zur Westen, Reklamekunst aus zwei Jahrtausenden, Berlin 1925, S. 310. 126) Naumann, Reiche, S. 51. 127) Vgl. die allgemeinen Erläuterungen bei Helmut Albrecht, Technik als gesellschaftliches Phänomen, in: ders./Charlotte Schönbeck (Hrsg.), Technik und Gesellschaft, Düsseldorf 1989, S. 3–31, S. 3. Thomas J. Misa, Retrieving Sociotechnical Change from Technological Determinism, in: Merritt Roe Smith/Leo Marx (Hrsg.), Does Technology Drive History? The Dilemma of Technological Determinism, Cambridge 1994, S. 115–142. Wichtig für die Umorientierung der deutschsprachigen Technikgeschichte sind die Beiträge in Wilhelm Treue (Hrsg.), Deutsche Technikgeschichte. Vorträge vom 31. Historikertag am 24. September 1976 in Mannheim, Göttingen 1977.
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II. Industrieller Fortschritt und Technik
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Technische Objekte wirken als „Attraktionen, Optionen, Normen, Ritualisierungen, Kultivierungen, Imaginationen.“128) Neben ihrem Gebrauchswert entwickelte Technik einen wachsenden Symbol-, Macht- und Prestigewert für unterschiedliche Kontexte, welche vom privaten Verbraucher bis zur Beziehung zwischen den Nationen reichte.129) Die Wahrnehmung der Technik ist bis heute von einer grundlegenden Dichotomie gekennzeichnet: Dem Glauben an die Machbarkeit der Technik steht eine grundsätzliche Angst vor den Folgen der Technisierung gegenüber. Ihre Akzeptanz, Verbreitung und Wirkung entschied (und entscheidet) sich in speziellen Diskursen und Repräsentationen. Der Umgang mit technischen Dingen wird durch Bedeutungszuschreibungen und Bewertungen geprägt, die „die materielle Funktionalität“ übersteigen.130) Diese „Technikdebatten sind keine technischen Debatten“, so ist pointiert argumentiert worden, sondern sie sind vorrangig „Geltungskonflikte von Weltbildern“.131) Um diese Deutungen und Deutungskonflikte zu eruieren, sind insbesondere Aspekte des Techniktransfers von Interesse. Um sich im alltagskulturellen Selbstverständnis zu verankern, bedurften industrieller Fortschritt und Technik der inszenatorisch-vermittelnden Darstellung. Zu dieser Form der Popularisierung lieferten die Industrie- und Gewerbeausstellungen einen wichtigen Beitrag.132) Nicht die Erfindung, sondern erst die öffentliche Wahrnehmung sicherte einer neuen Maschine oder Produktionstechnik ökonomische Bedeutung und eine profitträchtige Vermarktung.133) Das Medium Ausstellung schaffte durch seine Visualisierung und Inszenierung diejenigen Zeichen- und Ausdruckssysteme, die die Technik popularisierten und in die Gesellschaft implementierten. Für den in dieser Studie betrachteten Zeitraum stechen vor allem zwei Prozesse ins Auge, die als besonders prägnante Schritte des technischen und industriellen Fortschritts in den Ausstellungen kommuniziert wurden: zum einen die Einführung der Maschinenindustrie, speziell der Spinn-, Web- und Dampfmaschinen seit 1800 wie auch – in der Technik, aber auch in der Wahrnehmung damit eng verbunden – die Eisenbahn zwischen 1820 und 1850, zum 128)
Maria Osietzki, Für eine neue Technikgeschichte, in: ÖZG 3 (1992), S. 293–318, S. 302. Radkau, Technik, S. 150. 130) Vgl. Karl H. Hörning, Technik im Alltag und die Widersprüche des Alltäglichen, in: Bernward Joerges (Hrsg.), Technik im Alltag, Frankfurt a. M. 1988, S. 51–94, S. 92. 131) Joseph Huber, Technikbilder. Weltanschauliche Weichenstellungen der Technologieund Umweltpolitik, Opladen 1989, S. 10. 132) Vgl. zur Neuorientierung der Technikgeschichte auch mit Blick auf das Ausstellungswesen den Beitrag von Eugene S. Ferguson, Expositions of Technology, 1851–1900, in: Melvin Kranzberg/Carol W. Pursell jr. (Hrsg.), Technology in Western Civilization, Volume I: The Emergence of Modern Industrial Society. Earliest Times to 1900, London/ Toronto 1967, S. 706–725. 133) Darauf haben bereits die zeitgenössischen Befürworter der Ausstellungen in ihren Erörterungen des Nutzens und der Grenzen des Expositionswesens verwiesen. Vgl. dazu Abschnitt B II in dieser Studie. 129)
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anderen die Elektrifizierung und ihre breite Nutzanwendung zwischen 1870 und 1890.134) Die besonderen Kommunikationsleistungen und Deutungen der Ausstellungen beschränkten sich nicht auf die Präsentation einzelner Innovationen. Im Hauptausstellungsgebäude als dem zentralen Repräsentationsbau der Ausstellung wurden diese eingebunden in allgemeine Deutungen. Dort kann abgeglichen werden, welcher Stellenwert der Repräsentation von Technik im Verhältnis zu anderen kulturellen Mustern und speziell Motiven aus dem bildungsbürgerlich geprägten Kanon in einem besonders elaborierten Öffentlichkeitssegment der Ausstellung zukam. 1. „Gewaltige, gehorsame Geschöpfe aus Menschenhänden und -gedanken“: Maschinen in den Industrie- und Gewerbeausstellungen Eine zentrale Entwicklung im Wirtschaftsleben des 19. Jahrhunderts, „nämlich die Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft durch die Maschine in den wichtigsten Zweigen der gewerblichen Tätigkeit“, stand in Deutschland in der ersten Hälfte des Jahrhunderts zunächst im Hintergrund der Industrie- und Gewerbeausstellungen. Die „Maschinen selbst, die neuen Werkzeuge und damit auch das technologische Studium schienen noch aus den Ausstellungssälen verbannt“.135) Dass man dieses Sujet, wie Paquet vermutet, für ungeeignet gehalten habe, die Aufmerksamkeit der Menschen zu fesseln, ist nicht nachweisbar.136) Schwierigkeiten bereitete es, dass sich die Maschinenproduktion zunächst auf individuelle und singuläre Auftragsarbeiten konzentrierte und deshalb keine Maschinen „auf Lager“ produzierte.137) Produkte des „großen Maschinenbaus“ waren immobil und konnten allenfalls durch Modelle oder Zeichnungen repräsentiert werden. Andere Fabrikate verursachten auf Grund ihres Gewichts hohe Transportkosten. Erst als die Hersteller von Produktionsmaschinen ihrerseits die Öffentlichkeit suchten, um ihre Produkte zu verkaufen, fiel auch die Maschinenindustrie und unter ihnen speziell die Schwermaschinen stärker ins Gewicht und zog ein hohes Maß an Aufmerksamkeit auf sich.138) Als der Journalist Ferdinand Neukrantz in seinem Bericht zur Berliner Gewerbeausstellung 1844 die Abteilung „Schwere Metallarbeiten, Maschinenbau, Eisengußwaaren …“ und in ihr speziell die aus Eisen gefertigten Ma134)
Vgl. dazu Huber, Technikbilder, S. 9. Paquet, Ausstellungsproblem, S. 147 f. 136) Ebd., S. 148. 137) Vgl. dazu Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München. 5tes Heft. Referat des V. Ausschusses über Maschinen (mit Ausschluß der haus- und landwirthschaftlichen Geräthe und der Apparate für chemische und pharmaceutische Zwecke, aber mit Einschluß aller Hilfstheile, auch der Arbeitsmaschinen), verfaßt von Dr. Julius Hülße, München 1855, S. 4 f. 138) Vgl. Karmarsch, Andeutungen, S. 145. 135)
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schinen voranstellte, wich er damit ab vom Usus des amtlichen Berichts, der diese Exponate erst in seinem zweiten Band aufnahm.139) Diese Praxis bedurfte der Begründung: Insbesondere den Maschinen, so argumentierte Neukrantz, verdankten „alle übrigen Industrie-Erzeugnisse mehr oder weniger den erreichten Grad ihrer Vollkommenheit“.140) Ihre Jahrhunderte währende Vorherrschaft im Bereich des Gewerbes habe die deutsche Industrie dadurch verloren, dass sie insbesondere in der Maschinenindustrie ins Hintertreffen geraten sei. Zwar seien Deutsche immer wieder an Innovation und Entwicklung von Maschinen beteiligt, so beobachtete der Journalist, aber die Maschinenbaukunst finde unter Beteiligung deutscher Ingenieure im Ausland statt, da in der Heimat die nötige Anerkennung für ihre Tätigkeit fehle. Mit dieser Bewertung und mit der Begründung, warum er die Maschinenindustrie hervorhebe, machte sich Neukrantz eines der Anliegen der preußischen Gewerbeförderung zu Eigen. Schon vor der Berliner Ausstellung waren Beuth und Borsig mit der Errichtung einer Dampfmaschine beauftragt worden, die in Potsdam die Wasserspiele und Fontänen in den Gärten von Sanssouci betreiben sollte. Im maurischen Stil errichteten die beiden Maschine und Maschinenhaus in Form einer Moschee, die öffentlich die Leistungskraft der neuen Technik demonstrieren sollte und zugleich mit dem populären orientalisierendem Stil um Aufmerksamkeit warb.141) Wie in anderen Staaten auch verlieh die preußische Technische Deputation für Gewerbe insbesondere Gewerbetreibenden aus der Textilproduktion Fertigungsmaschinen, um deren Möglichkeiten bekannt zu machen.142) Wie nötig diese Form der Popularisierung war, zeigt der zunächst vorherrschende Kenntnisstand und die Verbreitung: In Deutschland war die Wahrnehmung der zunehmenden Mechanisierung und Maschinisierung wie auch ihrer wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen vor allem vom englischen Beispiel geprägt.143) Die Londoner Weltausstellung demonstrierte die Vorrangstellung Englands in diesem Bereich deutlich. Eine mangelnde Beteiligung deutscher Firmen an der Ausstellung von Maschinen begründete die „Berichterstattungs-Kommission“, die der deutsche Zollverein 1851 nach London entsandt hatte, nicht nur mit den praktischen Schwierigkeiten, sondern vor allem mit dem „hohen Standpunkt“, auf dem sich die britische Industrie in dieser Branche bewegte.144) Kein Land habe es, so berichtete Lothar Bucher für die Nationalzeitung, „in der Beherrschung und Zähmung dieser künst139)
Vgl. Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 2, Berlin 1846, S. 452–563. Vgl. Neukrantz, Bericht, S. 40. 141) Vgl. Staschull, Revolution, insbesondere S. 112–120. 142) Vgl. Geheimes Staatsarchiv Berlin Rep 120 E, Nr. 24, insbesondere S. 12–28; für Sachsen vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 636–638. 143) Muhs, Einflüsse, S. 47. 144) Amtlicher Bericht über die Industrie-Ausstellung aller Völker zu London im Jahre 1851, von der Berichterstattungs-Kommission der Deutschen Zollvereins-Regierungen, Berlin 1852, S. 486. 140)
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lichen Tiere weiter gebracht, die, mit Feuer und Wasser gefüttert, zu jeder erdenklichen Arbeit abgerichtet werden, als England.“145) In keinem anderen Land seien aber auch die Folgewirkungen so groß: wohlfeile Produkte auf der einen, Arbeiterelend auf der anderen Seite. Nicht allein die Weltausstellung, sondern Bildungsreisen, Forschungstransfer und Industriespionage sorgten für eine Verbreitung der Maschinen auch in Deutschland.146) Bis 1871 waren im Maschinebau vor allem drei Schwerpunkte zu verzeichnen: die Textilmaschinen, die Dampfmaschine (zwecks Fortbewegung und Krafterzeugung) und die Landmaschinen. In den fünfziger und sechziger Jahren dominierte eindeutig die Dampfmaschine, von denen es aber gemäß einer Zählung des Zollvereins in den ihm angeschlossenen Staaten 1846 nur 1 518, 1861 dann immerhin bereits 8 695 Stück gab. Allein in Preußen wuchs die Zahl der Maschinenfabriken von 180 im Jahr 1852 auf 1200 in der Mitte der 1870er Jahre.147) Die industrielle Produktion löste sich damit rasch von den überkommenen natürlichen Kraftquellen.148) Einer der tragenden Faktoren der ökonomischen Aufwärtsentwicklung, aber auch der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Industrialisierung war der Eisenbahnbau, die Eisenbahn und speziell die auf ein Fahrgestell aufmontierte Dampfmaschine als Lokomotive.149) Wie sehr damit die Präsenz von Maschinen auf den Ausstellungen stieg, kann an dem Beispiel der Düsseldorfer Ausstellungen gezeigt werden, die in den Jahren 1851, 1880 und 1902 veranstaltet wurden und damit für unterschiedliche Stadien in der Entwicklung, Verbreitung wie auch der Ausstellung von Maschinen stehen. Nicht nur die Zahl der Maschinen, die den Besuchern vorgeführt wurden, sondern auch ihre Stellung im Rahmen der Ausstellung veränderte sich signifikant: In der Düsseldorfer „Ersten Provinzial-Gewerbeausstellung für Rheinland und Westfalen 1852“ waren die Maschinen in der zweiten von insgesamt fünf Gruppen zusammengefasst mit den „Werkzeugen“. Die Binnengliederung dieser Abteilung zeigt den weiten Begriff von Maschine, der dieser Klassifikation zu Grunde lag: 1. „Maschinen zu direktem Gebrauch“, zu denen dann auch zwei vereinzelte Dampfmaschinen außer Betrieb gezählt wurden, 2. „Gewerksmaschinen und Fabrikations-Werkzeuge“; in dieser Gruppe waren insbesondere die allein von Hand betriebenen Webstühle in Funktion zu sehen, 145)
Bucher, Skizzen, S. 226. Hans-Joachim Braun, Die Dampfmaschine. Technische Entwicklung, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen und Auswirkungen, in: Buddensieg (Hrsg.), Künste, S. 82–89. 147) Lenger, Revolution, S. 55. 148) Vgl. Siemann, Gesellschaft, S. 109. 149) Zur Eisenbahn und ihrer Deutung existieren zahlreiche Studien, so dass dieses Motiv hier nicht mehr aufgenommen wird. Vgl. dazu zuletzt Lothar Gall/Manfred Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999; Thomas Meurer, Die Eisenbahn in der deutschen Kunst, Bonn 1989. 146)
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3. „Bürgerliche Baukunst, Vorrichtungen zum Bauen und Ausschmücken, 4. Montierungs-, Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegenstände, 5. Acker- und Gartenbaumaschinen, 6. physikalische, musikalische, chirurgische und horologische Instrumente.“150) Dass diese Einteilung durchaus typisch für die Zeit war, zeigt der Vergleich mit der Nationalausstellung in München, welche drei Jahre später stattfand: Neben Dampfmaschinen, Dampfkesseln und Eisenbahnen waren auch hier „Maschinen und Vorrichtungen zur Bewegung fester und flüssiger Körper“, „zur Verarbeitung verschiedener Stoffe“ wie auch Mühlsteine, Vorrichtungen zu wissenschaftlichen Zwecken und „Artilleriegegenstände“ zusammengefasst.151) Wie auch in den folgenden Ausstellungen waren die Maschinen „exempt gestellt“,152) da die Maschinen einerseits auf eine besondere Energieversorgung angewiesen waren, andererseits aber in besonders großen Hallen untergebracht werden mussten. Im Fall der Düsseldorfer Ausstellung 1852 standen sie deshalb in zwei Nebenflügeln der Haupthalle. In Funktion befand sich eine Dampfpumpe, die den Springbrunnen in der Glashalle betrieb, wie auch eine Prägemaschine, die die an der Kasse zu 50 Pfennigen zu erwerbende Erinnerungs-Medaille lieferte. Eine „Barmer Bandflechtmaschine ließ die Garnspulen in lustigem Durcheinander tanzen.“153) Die Aussteller hatten sich darum bemüht, den Empfehlungen der Ratgeberliteratur zu folgen. Der Gewerbelehrer Karmarsch hatte empfohlen, dort, „wo es angeht […,] besonders interessante Maschinen von Zeit zu Zeit in Gang zu setzen“, so dass „auf ausgestellten Webstühlen gearbeitet wird u. dgl. m.“154) Im Gesamtbild der Ausstellung blieben die Maschinen aber im Hintergrund, quantitativ wie qualitativ. Folgt man den vorhandenen Rezeptionszeugnissen, dann trafen der „Telegraphenapparat“, die Vorführung der Daguerreotypie und ein mit Kölnisch Wasser gespeister Springbrunnen auf größere Resonanz.155) Erst mit zunehmender Anwendung der Maschinenindustrie erlangte das technisch-konstruktive Erscheinungsbild der Dampfmaschine auch symbolische Bedeutung. In Bildern und Drucken wurde vor allem im zweiten und dritten Jahrhundertdrittel dargestellt, wie aus der Verbindung von Feuer und Wasser mit dem Dampf eine bisher unbekannte Kraft erwuchs, die mittels Maschinentechnik beherrschbar war und produktiv umgesetzt werden konnte. 150)
Katalog der Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für Rheinland und Westphalen in Düsseldorf, S. 97 f. 151) Vgl. Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen IndustrieAusstellung zu München 1854. Referat des Ausschusses über Maschinen verfasst von Dr. Julius Hülße, in: Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München, 5tes Heft, S. 70–77. 152) Das Zitat und zum Folgenden Exner, Aussteller, S. 61. 153) Vgl. Most, Geschichte, S. 198. 154) Karmarsch, Andeutungen, S. 191. 155) Ausgewertet bei Engst, Düsseldorf, S. 25.
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In vielen Variationen wurde die von den Maschinen produzierte Bewegung als Symbol des beschleunigten industriellen Wandels gezeigt und damit zum „dinglichen Ausdruck für den abstrakten, utopisch aufgeladenen Fortschrittsbegriff“ stilisiert.156) Parallel dazu rückten auch in den Ausstellungen die Maschinen in eine herausgehobene Stellung: 1880 war die Düsseldorfer Exposition in insgesamt 22 Ausstellungsgruppen unterteilt, unter denen in der Abteilung Nr. IV. Maschinen und Transportwesen zusammengefasst waren. Wissenschaftliche Apparate, Musikinstrumente wie auch das gesamte Bau-, Dekorations- und Architekturgewerbe waren aus dieser Rubrik ausgegliedert und eigenen Gruppen zugeordnet worden, so dass der Maschinenbegriff viel enger gefasst war.157) 214 Exponate umfasste diese Gruppe, die inklusive zweier Kesselhäuser am Kopfende der Haupthalle untergebracht war.158) „Der Unterschied zwischen sonst und jetzt ist ein gewaltiger!“, so schwärmte der Ingenieur Adolf Schmal. „Hätte man vor ein paar Jahrhunderten eine Gewerbe-Ausstellung veranstaltet, so würde das eine tote Zusammenhäufung von Arbeiten geworden sein, die vielleicht dem Fleiß und Geschmack der einzelnen Verfertiger alle Ehre gemacht haben würden, deren Gesamtheit aber ohne Leben und Bewegung gewesen wäre. Und wie schnurrte und kreiste es heuer in der Maschinenhalle der Düsseldorfer Ausstellung in schier sinnverwirrendem Durcheinander! Wie bewegten sich von unsichtbarer Kraft getrieben die zahllosen Spindeln, die Werkzeug- und Arbeitsmaschinen, die Webstühle und Dampfhämmer! Ein Bild kräftigen Lebens bot die große Halle, trotzdem gerade die Gruppe des Maschinenwesens viele und große Lücken zeigte und die ausgestellten Dampfmaschinen mit ihrer Gesamtkraft von 1226 Pferden nur ein kleines Bruchteilchen von der gewaltigen Kraft bildete, welche der Ausstellungsbezirke im Dienst seiner Industrie unterhält.“159)
Die Bedeutung der Maschinenindustrie wurde zusätzlich unterstrichen durch ihre Funktion bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung: Durch Hydraulikpressen öffnete sich der Eingang zur Hauptausstellungshalle, die Dampfmaschinen lieferten nach dem Verklingen der Orchestermusik die (von den Zuschauern positiv aufgenommene) Geräuschkulisse.160) Auch die Inszenierung einzelner Maschinen wurde aufwändiger und im Detail subtiler. Am Beispiel des Ausstellungsbeitrags der Düsseldorf-Aachener Maschinenfabrik Piedboeuf wird gezeigt, wie sich die Aussteller bemüh-
156)
Ruppert, Kulturgeschichte, S. 30. Vgl. Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung, Düsseldorf 1880. 158) Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 2. Protokollbuch des Ausstellungsvorstandes 1878–1882. 159) Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 85. Eine nahezu parallele Schilderung der Maschinenhalle in Hannover 1878 findet sich bei Jugler, Gewerbe-Ausstellung, Teil 2, S. 80; ähnlich auch „Die Dampfmaschinen“, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9346 vom 28. September 1878, S. 1–3. 160) Vgl. dazu die Skizze in dem Kapitel C VI 1 in dieser Studie. 157)
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Abbildung 29: Ausstellungsstand der Piedboeuf’schen Werke Düsseldorf und Aachen
ten, einzelne Maschinen und Maschinenteile den Besuchern präsentiert und zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen wurden. Die Kollektivausstellung der Firma war um ein dorisches Säulenportal gruppiert, welches aus eigenen Produkten zusammengesetzt war: Eiserne Siederöhren bildeten den Korpus, die Sockel und Kapitelle waren aus gepressten Kesselböden zusammengesetzt. Um diese Säulen waren kleinere Ausstellungsobjekte gruppiert sowie Fotografien und Zeichnungen von Großprojekten wie drei in Köln errichtete Gasometer.161) Die Aussteller setzten bei der Selbstdarstellung ihres Unternehmens nicht vorrangig auf die Faszination technischer Möglichkeiten und Größe, sondern kleideten ihre Exponate in klassische Formen. An den Exponaten, die die Helios-AG auf der Frankfurter Ausstellung von 1891 ausstellte, lobte der Berichterstatter, dass „bei der Construction [...] in erster Linie der tüchtige Maschinentechniker mitgewirkt“ habe. Viele andere Exponate dieser Branche machten hingegen den Eindruck, „daß sie Werkstätten entstammen, in denen ursprünglich nur der Instrumentenbau gepflegt wurde.“162) Ex negativo wird damit auf die allgemeine Tendenz verwiesen: Durch die Imitation bereits bekannter und als wertvoll erach-
161) 162)
Vgl. Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 72. Illustrierte Zeitung (Leipzig) vom 3. 10. 1891, S. 632.
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teter Formen erhielt man Anschluss an den (noch) wirkungsmächtigen Bildungskanon des Bürgertums. Deutlich zeigt sich hier und an weiteren Beispielen der Legitimationsdruck, dem man sich gegenüber diesem Kanon ausgesetzt sah. Im Bericht zur Ausstellung 1902 geriet die Nennung der Anlagen, die der Ausstellung zur Stromerzeugung dienten, schon zu einer Aufzählung von Superlativen.163) Der Gruppe IV „Maschinen“ war eine eigene „Riesenhalle aus Eisenfachwerk“ errichtet worden.164) „Ihr hohes schönes Thor, das fast die ganze Breite der stattlichen weissen Giebelfront einnahm, schien die ganze Schar der Ausstellungsbesucher zum Eintritt einzuladen: Seht hier die neuen gewaltigen, gehorsamen Geschöpfe aus Menschenhänden und -gedanken, diese erzenen Kolosse und Zwerge, mit welch furchtbaren, freien und geduldigen Kräften sie bereit sind, dem Willen der Arbeit zu dienen! In keinem der Hauptgebäude der ganzen Ausstellung fand wohl der Ernst der Arbeit, die Intelligenz und die Energie des Menschengeschlechts einen so unmittelbar demonstrativen Ausdruck“.165)
Wie in den Ausstellungen zur Jahrhundertwende überhaupt und auch in der populärwissenschaftlichen, wissenschaftlichen und belletristischen Literatur wurde die Entwicklung der Maschinentechnik zum Gradmesser des menschlichen Fortschritts stilisiert. In der bildlichen Darstellung des Katalogs wurde durch die auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt ausgerichtete Reihung der Eisenträger und segmentierten Dachträger die Unendlichkeitsperspektive des Raumeinblicks betont. Wie in der Industriemalerei wurde auch in der Ausstellung und in ihrer fotografischen Verlängerung „die Infinitesimalstruktur zum Hilfsmittel für die Visualisierung zeitlich ununterbrochener, fortwährender Produktion.“166) Der Ausstellungsführer empfahl dem Besucher eben die Perspektive einzunehmen, die auch die Fotografie bot: „Der allgemeine Überblick über die eherne Parade in dem langgestreckten Saal, etwa von der Galerie über dem Vestibül aus, wird allen unvergesslich geblieben sein; ja, man darf sagen, dass er fast eine Feierlichkeit zu erwecken vermochte wie in einer majestätischen Kirche. Hier hatten Kraft und Stoff Wunder gewirkt. Und was sich dem Laien ferner aufdrängte bei einer nähern Betrachtung all der eisengeschaffenen Dinge, war es nun ein Fördergerüst, der Steven oder die Welle eines Schiffes, eine in gewaltigen Strebesäulen aufrecht stehende Dampfmaschine oder ein zierlicher Gasmotor: nirgends bisher hat sich die moderne Kultur der Technik klarer gezeigt.“167)
Die im Ausstellungskatalog vorgenommene Zuweisung von Kulturwerten findet ihre Entsprechung in zahlreichen Maschinendiskursen der Zeit:
163)
Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 108 ff. Ebd., S. 100. 165) Ebd. 166) Herding, Industrie, S. 15. 167) Dazu und zum Folgenden Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 101. 164)
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Abbildung 30: Blick in das Mittelschiff der Düsseldorfer Maschinenhalle 1902
„Die Maschine trat in unserer Ausstellung nicht nur auf als Herrin im wirtschaftlichen Leben, sie bewies zugleich wie nie zuvor, wie sehr wir auch die neuen und machtvollen Kulturqualitäten: das Streben nach Übereinstimmung zwischen Zweck, Materie und Form, ihr verdanken. Ihre Präzision, ihre reine ehrliche Zweckmäßigkeit, die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der ihr komplizierter Organismus arbeitet, das Absolute, Endgültige, das sie darstellt, besitzen auch einen unvergleichlichen ästhetischen Reiz; sie ist es, die uns von neuem zeigt, was es heißt, einen Gegenstand logisch aufzubauen.“
Die Organismus-Vorstellung, die noch bis zum 18. Jahrhundert vor allem am Topos des Uhrwerks festgemacht worden war, setzte das Organisationsprinzip industrieller Produktion unmittelbar gleich mit der natürlichen Ordnung der Welt. Die Leipziger Illustrierte Zeitung kommentierte einen Holzstich der Eisengießerei im Werk Borsigs mit dem Hinweis: „Wie der Geist Gottes über den Wassern“, so „schwebt der Geist seines Schöpfers, der Geist der Ordnung“ über dem Fabriksystem, in dem „nirgends und doch überall […] ein deus ex machina“ sichtbar sei.168) Die industrielle Produktionsweise wurde den Besuchern in sich, aber auch im Kontext der Gesamtausstellung als gesellschaftliches Sozialmodell vorgeführt. Die damit verbundene „Bereicherung unserer Kulturwerte“, so wurde im Düsseldorfer Ausstellungskatalog betont, sei „ungewaltsam entstanden […] wie ein Gebilde der Natur.“ Zugleich trat
168)
Illustrierte Zeitung vom 4. März 1848.
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die Maschine als eine Kraft auf, die die Natur gestaltete. In Hannover 1878 war es der Dampf, der – so die Schilderung des Ausstellungschronisten – „den Sturm anfacht“ und „Wasser zur Speisung des Wasserfalls“ hob.169) In diesen Ausstellungsinszenierungen und in ihren Deutungen findet sich der häufig zu beobachtende Versuch, das Neue hervorzuheben, dieses aber mit dem Hergebrachten, in diesem Fall der Natur, zu versöhnen.170) Letztlich war es aber die Maschinentechnik, die die Simulation von Natur ermöglichte. Durch dieses Arrangement war sie als die bedeutendere Kraft gekennzeichnet. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts teilte die Dampfmaschine ihre Bedeutung als Chiffre des Fortschritts zunehmend mit der elektrischen Leuchte, später der Flugmaschine und dem Auto.171) Dass das Maschinenbild seine symbolische Kraft in Bezug auf die Erklärung kosmologischer und biologischer Zusammenhänge einbüßte, lag außerhalb des Horizontes der Ausstellungen. Erst nach der Jahrhundertwende und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg entfaltete das Maschinenbild seine Wirkung „als Gegenbild zu Freiheit, Spontaneität und Kreativität, die maßgeblich zur Selbstbeschreibung des Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts zählen.“ Erst dann standen „den ‚freien Geistern‘ […] die ‚knechtischen Maschinen‘“ gegenüber.172) 2. „Dunkles Licht“ und „strahlende Helle“: Elektrizität als Technik und Sozialvision Die Kraftgenerierung und -übertragung mittels Elektrizität hat als Phänomen bereits die Zeitgenossen in besonderem Maße fasziniert.173) Ein wichtiges Medium für die Popularisierung der neuen Technik und ihrer Anwendung waren die Ausstellungen, unter denen in Deutschland die Frankfurter Internationale Elektrotechnische Ausstellung von 1891 heraussticht.
169)
Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 86. Vgl. für die Malerei Siegfried Salzman, Industrialisierung in der Malerei des 19. Jahrhunderts, in: Ernst Schmacke (Hrsg.), Industriebilder. Gemälde einer Epoche, Münster 1994, S. 9–19. 171) Zur Elektrizität vgl. den folgenden Abschnitt, zur Faszination des Autos, das in den Ausstellungen vor dem Ersten Weltkrieg zwar bereits gezeigt wurde, aber noch keine breite Beachtung fand, vgl. Wolfgang Ruppert, Das Auto. Herrschaft über Raum und Zeit, in: ders., Fahrrad, S. 119–161. 172) Käte Meyer-Drawe, Maschine, in: Christoph Wulf (Hrsg.), Vom Menschen. Handbuch der historischen Anthropologie, Weinheim/Basel 1997, S. 726–737, S. 732. 173) Thomas Parke Hughes, Networks of Power. Electrification in Western Society 1880–1930, Baltimore 1998; Hannah Leslie, Electricity before Nationalisation. A Study of the Development of the Electricity Supply Industry in Britain to 1948, London 1979; David E. Nye, Electrifying America. Social Meanings of a New Technology, Cambridge 1991; Alain Beltran/Patrice A. Carré, La fée e la servante. La société française face à l’électricité en France, Bd. 1, 1881–1918, Paris 1992 ; Radkau, Technik, S. 254–267. Grundlegend dazu Binder, Elektrifizierung. 170)
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Nicht allein Produzenten und Abnehmer waren von der „erweiterten Spezialausstellung“174) angesprochen, sondern das allgemeine Publikum. Nach dem Selbstverständnis der Veranstalter sollte eine elektrifizierte Welt zur Vorführung gebracht werden, in der neben den neuesten Methoden zur Erzeugung und Transformation des Stroms auch dessen Anwendung und der darin enthaltene Nutzen umfassend zu erleben sein sollten.175) Die Frankfurter Ausstellung stand in einer über zehnjährigen Tradition des Exponierens von Elektrizität: Die Weltausstellung 1878 in Paris zeigte zum ersten Mal elektrische Beleuchtung und fand deswegen weltweite Beachtung.176) Auch die Pariser Weltausstellungen von 1889 und von 1900 wurden als „Elektrizitätsausstellungen“ wahrgenommen, die eine wegen der Illuminationen des Eiffelturms, die andere wegen ihres märchenhaften Palais de l’Electricité.177) Die Wiener elektrotechnische Ausstellung von 1883 und die Philadelphia International Electrical Exhibition von 1884 hatten das Genre der Elektrofachausstellung über den Expertenkreis hinaus bekannt gemacht.178) In Deutschland war 1882 in München eine Internationale elektrotechnische Ausstellung veranstaltet worden, zu der 170 Aussteller meist aus Deutschland und Österreich, vereinzelt aus Frankreich und England Exponate beisteuerten.179) Eine elektrisch beleuchtete Fontäne und ein Theater integrierten neben technischen Darbietungen, bei denen vor allem Generatoren und Dynamos von Interesse waren, auch Unterhaltungselemente, ohne aber im Expertenkreis oder beim allgemeinen Publikum an die öffentliche Wahrnehmung der Frankfurter Ausstellung heranzureichen. In der Reihe der allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen hatte die Düsseldorfer Exposition von 1880 dieses Beispiel aufgenommen, auf der die Expositionsorganisatoren mit großen finanziellen Anreizen die Berliner Firma Siemens und Halske dazu bewegen konnten, eine elektrische Eisenbahn zu betreiben und zugleich eine elektrische Beleuchtungsanlage mit 14 Lichtern und einem „Zentrallicht“ zu installieren. Auf dem Dach der Hauptrestauration wurde eine entsprechende Beleuchtungsanlage angebracht, deren Licht durch Parabolspiegel gelenkt und verstärkt wurde.180) In den Ausstellungen zur Jahrhundertwende war die Elektrizität als Luxuskraft bereits wie selbstverständlich integriert. Illuminationen am Abend und
174)
Paquet, Ausstellungsproblem, S. 180. Dieser Umstand sowie die Einbettung der Ausstellung in die Tradition der allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen rechtfertigt es auch, diese außerhalb der Reihe aufzunehmen. Vgl. Offizieller Bericht über die Internationale Elektrizitätsausstellung, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1892, S. 17. 176) Vgl. Mattie, Weltausstellungen, S. 45. 177) Vgl. Wörner, Welt, S. 153 f. 178) Vgl. K.G. Beauchamp, Exhibiting Electricity, London 1997, S. 160–172. 179) Ebd., S. 167 f. 180) Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 54 a; HStA Düsseldorf, Regierung Düsseldorf – Handel und Gewerbe Nr. 24760, S. 712–714. 175)
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von Wasserspielen waren schon nicht mehr neu, die Generatoren zur Erzeugung elektrischen Stroms für die Ausstellungsbelange wurden in Szene gesetzt.181) Auch die Ausstellungsbeiträge von elektrotechnischen Firmen fanden „der Bedeutung der auf dem Gebiete der Elektrotechnik gemachten Erfindungen und Vervollkommnungen entsprechend“ hohe Aufmerksamkeit.182) Die Weiterentwicklung auf diesem Gebiet stand auch in der Wahrnehmung der Zeitgenossen für einen Fortschritt, der sich nicht auf Konsequenzen im wissenschaftlichen und industriellen Bereich beschränkte. „Wir ahnen, daß [die Elektrotechnik] Entdeckungen und Entwicklungen in sich birgt, die uns über kurz oder lang in Erstaunen setzen werden, auf die die Industrie, der Handel, der Verkehr nur zu warten scheinen. Heute gefunden, werden wir sie morgen schon angewendet sehen, denn nirgends wohl folgt die praktische Verwertung begieriger der Forschung auf ihrem mühsamen, doch großartigen Wege.“183)
Grundsätzlich sind zwei Typen der Repräsentation von Elektrizität zu unterscheiden: zum einen ihre Darstellung als Luxusgut, zum anderen die Demonstration ihrer weitreichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen. In der Düsseldorfer Ausstellung von 1880 stach bereits das doppelte Bild der Elektrizität hervor, wenn auch der Aspekt des Luxus noch deutlich überwog: Bei ihren festlichen Illuminationen kombinierten die Veranstalter herkömmliche und elektrische Beleuchtung. Überwiegend griff man auf konventionelle Lichtspender zurück, um im barocken Stil aufwändige Illuminationen zu veranstalten. Neben bengalischem Feuer und pyrotechnischem Feuerwerk zündete man nach Angaben der Veranstalter mehrere Zehntausend Lampions, Talglämpchen und ähnliche konventionelle Lichtquellen an. Einen „Glanzpunkt der Illumination“, „in der Grossartigkeit und Schönheit der Gesamtwirkung bisher unübertroffen“, bildete „stets die von elektrischem Lichte bald weiss bald buntfarbig beleuchtete Riesenfontaine.“ Der in die Luft geschleuderte Wasserstrahl regnete „in Myriaden blitzender und funkelnder Tröpfchen“ wieder herab. Elektrizität wurde hier vor allem als Luxusenergie zelebriert, welche die Illuminationstechniken des Barock ersetzte und verfeinerte.184) Elektrizität wurde gebraucht im Kontext einer modern perfektionierten, aber in den Formen fortgeführten barocken Inszenierung aus Feuerwerk, Wasserspielen und Theatermaschinerie.185)
181)
Vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 122–127. Führer durch die Berliner Gewerbeausstellung 1896, Berlin 1896, S. 196. 183) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 193. 184) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 55 f. 185) Cauter, Panoramic Ecstasy, S. 13. Als weiteren Beleg für die Faszinationskraft, die von der elektrischen Beleuchtung ausging, vgl. exemplarisch „Der erste Tag festlicher Beleuchtung“, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung. 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt Nr. 235 vom 23. 5. 1896. 182)
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Beim Publikum der Düsseldorfer Ausstellung stieß aber nicht nur diese Variante der Präsentation von Elektrizität auf Begeisterung, sondern auch die Vorführung ihres praktischen Nutzeffektes: Die elektrische Bahn zählte 42 150 Fahrgäste, die sich „durch die geheimnisvolle Kraft des elektrischen Funkens durch den Garten haben spazieren fahren lassen“.186) Auch die Nicht-Passagiere hatten ihre Freude daran, „indem sie nach Passiren des Zuges auf die Geleise losstürzten und, entweder Arm oder Fuss als Leitung vorstreckend, die Elektrizität an ihrem eigenen Körper probirten.“ Namentlich die Landbevölkerung tat sich dem Bericht zufolge besonders dabei hervor und provozierte sogar gelegentliche Betriebsstörungen. Besonders gelungen war die Ausstellung im Sinne der Popularisierung dann, wenn sich die Demonstration der technischen Neuerung mit einem vorzuführenden unterhaltenden Effekt verschränkte. Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt 1891 inszenierte die neue Energie auf 77 000 m² in einer sinnenfälligen Anordnung: Gegenüber dem Hauptgebäude im Stile einer herrschaftlichen Schlossanlage war der Haupteingang der Maschinenhalle samt Kesselhaus platziert, „die Quelle […], von der all die leuchtenden Wunder, die wir erblicken werden, ihre Nahrung erhalten.“187) Um diesen architektonisch und gestalterisch zentralen Komplex lagen verschiedene Gebäude, in denen die einzelnen Anwendungsmöglichkeiten vorgeführt wurden. Zugleich war die Technikschau aber mit Vergnügungseinrichtungen durchsetzt: Restaurants und Bierhallen gehörte ebenso zum Gesamtkonzept wie eine elektrisch betriebene Rennbahn, ein mit raffinierten Schaltanlagen versehenes „elektrisches Theater“, ein elektrisch beleuchtetes Panorama des New Yorker Hafens und eine künstliche Grünanlage aus einem betonierten See, Grotte und Wasserfall. Neben wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen trat das Bemühen, mittels einer spielerischen und ästhetischen Inszenierung den technischen Fortschritt erfahrbar zu machen.188) Inklusive des Fachpublikums, zu dem im weiteren Sinne nicht nur der Ingenieur und der Elektrotechniker, sondern auch der kundige Journalist oder der Gewerbelehrer zu zählen waren, besuchten 1,4 Millionen Personen die Frankfurter Ausstellung 1891. Das Gros der „Ausstellungsbummler“ war zu dieser elektronischen Wallfahrtsstätte gepilgert, um aus der luftigen Höhe eines Fesselballons ein Telefongespräch zu führen, im Ausstellungstheater ein elektrisches Ballett zu erleben, mit einer elektrischen Eisenbahn eine Fahrt zu unternehmen oder einem der populären Vorträge mit unterhaltenden Experimenten zu verfolgen. Die Ausstellung demonstrierte, „dass sich auf electrischem Wege mit einfachen Mitteln sehr viel in wirksamer Reclame machen
186)
Hierzu und zum Folgenden Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 54 f. 187) J.H., Zeitalter, S. 278. 188) Vgl. Stehen, Zeit; Binder, Elektrifizierung, S. 99–102.
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läßt“. Tausende von Glühlichtern oder auch „ein paar verschieden gefärbte, in passender Weise an den Speichen der rotirenden Riemenscheibe befestigte Glühlampen [genügten], um Abends die Aufmerksamkeit des Publikums mit mathematischer Sicherheit auf die betreffende Maschine zu lenken, welche sonst vielleicht ganz unbeachtet bleiben würde“.189) Für die Fachwelt allerdings stand eine andere Frage im Mittelpunkt, die die Ausstellung als „Plebiszit und Diskursmaschine“190) wesentlich mitentscheiden sollte: Zum ersten Mal gelang hier die Übertragung von Elektrizität, speziell von Wechselstrom, über eine Überlandleitung, die im Ort Lauffen am Neckar und damit 179 Kilometer vom Ort des Verbrauchs gelegen war.191) Die Frankfurter Ausstellung war explizit als ein wissenschaftliches Testfeld gedacht. Der einflussreiche Frankfurter Lokalpolitiker und Verleger der Frankfurter Zeitung Leopold Sonnemann hatte die Ausstellung angeregt, um damit den schwelenden „Frankfurter Systemstreit“ um die Zukunft der kommunalen Energieversorgung zu entscheiden. Gegen die wissenschaftlichen Autoritäten Thomas Alva Edisons, Werner von Siemens und Sigmund Schuckerts hatte sich der Frankfurter Magistrat dazu entschlossen, einem Unternehmen den Zuschlag für die Versorgung der Stadt zu geben, welches ein Wechselstromsystem favorisierte. Gleichstrom galt als sichere und ausgereifte Technik, die aber nicht wie der Wechselstrom eine Übertragung aus weiter Entfernung zuließ. Dieser Vorzug aber war ausschlaggebend für die zunächst getroffene Entscheidung der Frankfurter Stadtväter. Als die Fernübertragung des Wechselstroms aus dem 179 Kilometer entfernten Lauffen am Neckar gelang, wurde dieser gleichrangig neben dem Gleichstrom anerkannt.192) Die Wirkung der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung beschränkte sich nicht auf den Kreis der unmittelbaren Besucher, sondern wurde über die publizistische Resonanz um ein Vielfaches verstärkt. Hochglanzplakate, aufwändig erstellte Ausstellungsführer und andere Werbematerialien wurden ergänzt durch die Zeitschrift Electricität. Offizielle Zeitung der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung Frankfurt am Main 1891. Deren gesammelte Ausgaben ergaben allein einen tausendseitigen Band.193) Neben theoretischen und wissenschaftlichen Abhandlungen, die Grundsatzprobleme der Elektrotechnik diskutierten, wurden dort einzelne Attraktionen wie der Ausstellungsturm und sein elektrischer Aufzug beschrieben, die Beleuchtung des Wasserfalls erklärt sowie Artikel über „telephonirte Pre-
189)
Vgl. Schweizerische Bauzeitung vom 3. 10. 1891, S. 86 f. David Gugerli, Technikbewertung zwischen Öffentlichkeit und Expertengemeinschaft. Zur Rolle der Frankfurter elektrotechnischen Ausstellung für die Elektrifizierung der Schweiz, in: Andreas Ernst u. a. (Hrsg.), Kontinuität und Krise. Sozialer Wandel als Lernprozeß, Zürich 1994, S. 139–160, S. 140. 191) Vgl. Schivelbusch, Lichtblicke, S. 70. 192) Vgl. Stehen, Zeit, S. 35–37. Zum Ausgang in Frankfurt vgl. ebd., S. 673–676. 193) Vgl. Gugerli, Technikbewertung, S. 147. 190)
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digten“ abgedruckt. Die erklärte Absicht, den „Ton der Zeitung […] von theoretischer Trockenheit und laienhafter Flachheit gleichmässig fernzuhalten“, damit die Zeitschrift „für die weitesten Kreise ein dauerndes litterarisches Denkmal der Ausstellung werden konnte“, war ein erfolgreiches Programm. Der Selbsteinschätzung nach war die Zeitung „ein elektrotechnisches Gesamtkunstwerk, dessen frohe Botschaft unzählige Journalisten ‚in alle Welt‘ […] trugen.“194) Die Frankfurter Elektrotechnische Ausstellung von 1891 prägte die weiteren Topoi der Verständigung über Elektrizität bis zum Ersten Weltkrieg. Die Vorstellungen und Begrifflichkeiten vom „technischen Fortschritt“, „Gemeinnützigkeit“, aber auch von der „Rettung des Kleingewerbes“ durch die Kraftübertragungsmöglichkeiten der Elektrizität entwickelten sich in der Folge zu Schlüsselargumenten des Diskurses über die neue Technologie. Seit den neunziger Jahren wurde zu Gunsten der Elektrizität gegenüber den Kommunen als den Trägern der lokalen Energieversorgung argumentiert, dass sich insbesondere der Kleinbetrieb gegenüber der großindustriellen Konkurrenz mit der preiswerten Kraftübertragung halten könne. Die Elektrizität, so verkündete die liberaldemokratische Frankfurter Zeitung, sei diejenige Kraft, die die Dampfmaschine als den „unumschränkten Herrscher“ ablösen werde. Von einem „einzigen Punkt aus“ habe diese „Alle zum Gehorsam“ gezwungen; die Elektrizität hingegen „wird jedem Einzelnen das Quantum Kraft liefern, das er für seine Zwecke braucht, und dadurch befreit sie ihn aus der drückenden Knechtschaft des Großbetriebes und der Schablone. Der Gewinn wird ein doppelter sein: die freiere wirthschaftliche Bewegung und die Möglichkeit künstlerischer Eigenart. Von diesem Standpunkte aus eröffnet die Elektrotechnik die großartigsten Ausblicke in die Zukunft der Menschheit.“195) Das „strömende dunkle Licht, das an jeder beliebigen Stelle in strahlende Helle verwandelt werden kann“, ermögliche es, „alle Naturkräfte, die Wasserfälle, die Gezeiten des Meeres, die Winde, die Wärme der Sonne“ dienstbar zu machen und „in die Städte und zur Werkstatt des kleinen Mannes zu führen, der bis nun von der Dampfmaschine des großen Kapitalisten abhängig war.“196) Ausführlich beschrieb das Höchster Kreisblatt die Anwendungsmöglichkeiten für Klein- und Mittelbetriebe aus dem Bereich des Handwerks und des Kunstgewerbes, die auf der Ausstellung visualisiert wurden: Nähmaschinen für Schneider, Schuhmacher, Sattler und Tapezierer; eine Glasschleiferei; Bandsägemaschinen, Abrichte-, Füge- sowie Bohrmaschinen für die Holzverarbeitung. „Wer als Fachmann weiß, daß gerade die Maschinen für Holzbearbeitung (von allen Werkzeugmaschinen) die meiste Betriebskraft und
194)
Ebd. Frankfurter Zeitung vom 16. Mai 1891 (1. Morgenblatt), S. 1. 196) Ebd. 195)
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Tourengeschwindigkeit erfordern, der wird sich freuen zu sehen, wie sicher und ruhig dieses die elektromotorische Betriebskraft bewirkt“.197) Noch größeren sozialpolitischen Nutzen prophezeite die Vossische Zeitung. Anlässlich der Frankfurter Ausstellung rief sie eine Rede Werner von Siemens in Erinnerung, in der dieser der Elektrizität zusprach, dem Arbeiter seine Häuslichkeit wieder zu geben. Zur Arbeit müsse er sich nicht mehr in einer großen Fabrik zusammenfinden, sondern finde in seiner Wohnung alle nötigen Vorrichtungen und Energiequellen.198) Vor allem in sozialer Beziehung könne die Elektrizität „versöhnend und heilend wirken“, prophezeite die Zeitschrift Die Gegenwart: Im Idealfall seien die Elektrizitätswerke von städtischer oder staatlicher Seite zu führen. „Die Schädlichkeit übergroßer Einzelvermögen wie die mannigfaltigen Gefahren des verarmenden Proletariats in sittlicher und hygienischer Beziehung werden mehr und mehr vermindert, daß Wohlbefinden der grösseren Massen der Bevölkerung und der Ausgleich zwischen Stadt und Land durch Zuführung gleich billiger elektrischer Energie und Förderung der Industrie in Dorf und Stadt wird vermehrt werden.“199)
Die soziale Frage werde damit zwar nicht gelöst werden können, der „grelle Klassengegensatz“ aber gemildert und dadurch auch das „allgemeine Volkswohlsein“ gesteigert. „Ob Deutschland nach seiner Entwicklung der letzten Jahrzehnte in geistiger, sozialer und technischer Beziehung gegenüber den anderen Culturvölkern die Kraft zur Führung in dieser sozialwirthschaftlichen Richtung haben wird? Wir zweifeln nicht daran und wünschen es auf’s Lebhafteste!“200) Die liberale Frankfurter Zeitung verband mit der neuen Technologie gar hoch abstrakte Ziele: Da die „Ausnützung der Erde“ immer übersichtlicher werde, würden auch „die Menschen in ihren Einzel- und nationalen Schicksalen, in ihren ethischen und kulturellen Bestrebungen immer solidarischer. Die moderne billige Phrase vom praktischen Christentum nähert sich seiner Thatsache: der Solidarität des Menschengeschlechtes.“201) Elektrizität wurde als eine demokratische und soziale Zukunftstechnologie beschrieben, der deshalb die Funktion einer neuen „Culturmacht“ zukam.202) Dass mit der neuen Energiequelle auch bislang unbekannte Gefahren verbunden waren, trat neben dieser Euphorie in den Hintergrund. So berichtete die Nationalzeitung vom 20. 10. 1891 über einen Unfall mit tödlichen Folgen: Ein Monteur in der Transformatorstation in Lauffen hatte die sekundären 197)
Höchster Kreisblatt vom 12. 8. 1891, S. 4. Vossische Zeitung (Morgenausgabe) vom 13. 9. 1819, S. 1. 199) Die Gegenwart, Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 44 (1891), S. 278. 200) Ebd. 201) Frankfurter Zeitung vom 13. 6. 1891 (1. Morgenblatt), S. 1. 202) Vgl. ausführlich dazu Bernhard Stier, Staat und Strom. Die politische Steuerung des Elektrizitätssystems in Deutschland 1890–1914, Mannheim 1999, S. 45–48; zur Weiblichkeitsallegorie der Elektrizität und ihrer Deutung vgl. Maria Osietzki, Weiblichkeitsallegorien der Elektrizität als „Wunschmaschi-nen“, in: Technikgeschichte 63 (1996), S. 47–70. 198)
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Abbildung 31: Offizielles Werbeplakat der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 1891 in Frankfurt am Main
Leitungen berührt und war sofort gestorben. Daraus lasse sich aber, so der Berichterstatter, „nichts schließen, was man nicht schon vorher wusste.“ Für das Publikum hingegen, so habe die fünfmonatige Erfahrung während der Ausstellung gezeigt, stellten die hochgespannten Gleich- und Wechselströme bis 2000 Volt keine Gefahr dar.203) Der Kreis der Fortschrittskritiker war klein, denn: „die Welt war im Aufbruch, ihr Fortschritt unübersehbar.“204) Die Elektrotechnik wirkte ihrerseits der Kritik entgegen: 1896 in Berlin zeigte eine der weltweit führenden elektrotechnische Firma Siemens & Halske viel weniger technische Sensationen und spektakuläre Großapparate, sondern setzte ganz auf die Repräsentation der Sicherheitsleistungen. Ein „Block-Apparat für elektrische Weichenstellung“ demonstrierte die Möglichkeiten zur „unbedingt zuverlässigen Ein- und Ausfahrt von Eisenbahnzügen“, ein Feuermelder wie auch ein elektrischer Minenzünder sollten die Sicherheit insbesondere im Bergbau erhöhen.205) Die Industrie pries sich damit nicht mehr ausschließlich als diejenige Kraft an, die den Fortschritt umsetzte. Zu203)
Nationalzeitung vom 20. 10. 1891 (Morgenausgabe), S. 2. Vgl. Sieferle, Fortschrittsfeinde, S. 146. 205) Lindenberg, Pracht-Album, S. 166 f. 204)
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gleich zeigte sie, wie die Gefahren zu bändigen seien. Damit reagierte man auf die verstärkte Technik- und Zivilisationskritik, die seit Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte.206) 3. Der Fortschritt und seine Legitimation: Mythos und Tradition in der „Kuppelhalle“ Die Fest- und Hauptindustriehallen waren „Kulminationspunkte“ der Expositionen, konzentrierte sich in ihnen doch der innenarchitektonische und künstlerische Gestaltungswille der Ausstellungsorganisatoren.207) Insbesondere deren Gestaltung provozierte in vielen Fällen rege Diskussionen, in denen das Selbstverständnis der Veranstalter und – damit eng verbunden – die unterschiedlichen Ausstellungskonzepte aufschienen. Insbesondere das Verhältnis von technischer und industrieller Innovation und ihren Deutungs- und Legitimationsstrategien lässt sich daran analysieren. Mit dem Ausstellungsboom seit Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts208) entwickelte sich ein neuer Typus des Hauptgebäudes, der gegenüber den zahlreichen weiteren Pavillons besonders hervorgehoben war. Mit der Fest- oder der Haupthalle schufen die Organisatoren einen zentralen Veranstaltungsraum, der nicht nur einen Großteil der Exponate aufnahm, sondern dem zugleich eine repräsentative Funktion zukam: Architektonisch in der Regel durch eine überwölbende Kuppel hervorgehoben, dienten die zum Teil enorm großen Hallen den Veranstaltern zu zentralen Festveranstaltungen und zur Preis- und Medaillenverleihung.209) Architektonisch waren diese Gebäude in einen repräsentativen Teil und den Ausstellungstrakt aufgeteilt. Wie bei zeitgenössischen Museumsanlagen konnte der Besucher bereits im Grundriss und in der Ausstellung die unterschiedliche Funktion beider Gebäudeteile unterscheiden.210) Der repräsentative Gebäudeteil stach durch ein gesteigertes Maß an dekorativen Elementen, eine häufig mit allegorischen Malereien und Reliefs geschmückte Stirnwand oder großformatige Fenster und Fenstergruppen hervor. Der andere Gebäudepart war hingegen meist auf seine Funktion zur Überdachung der Exponate beschränkt und lediglich durch eine einheitliche Farbgebung oder raumteilende Elemente gestaltet. Dem Repräsentationsteil widmeten die Veranstalter besondere Aufmerksamkeit: Nach Ansicht der Veranstalter der Düsseldorfer Ausstellung 1902 206)
Vgl. Sieferle, Fortschrittsfeinde, S. 158 f. Stehen, Zeit, S. 59. 208) 1880: Rheinisch-Westfälische Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf; 1881: Provinzial-Gewerbe- und Industrie-Ausstellung Halle; Allgemeine Patent- und Muster-Ausstellung in Frankfurt am Main; 1882: Erste bayerische Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Nürnberg. 209) Vgl. Messel, Ausstellungsbauten, S. 474. 210) Vgl. Volker Plagemann, Das deutsche Kunstmuseum 1790–1870, München 1967, S. 66 ff. 207)
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war der Kuppelraum derjenige Gebäudeteil mit dem „ersten Anspruch“ auf eine besondere künstlerische Gestaltung, da er dazu diente, hohen Besuch zu empfangen, und zugleich auch für die meisten Besucher der Ausgangspunkt der Besichtigung war.211) Im Festsaal der Hauptausstellungshalle wurde der Besucher mit dem „Anspruch und Selbstwertgefühl der Aussteller oder des Ausstellungsunternehmens“ konfrontiert. Er konnte in dieser Räumlichkeit an den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen der Ausstellung, insbesondere der Eröffnung, dem Herrscherbesuch und der Schlussfeier teilnehmen. Er wurde zugleich auf die Bedeutung dessen eingestimmt, was er in den sich anschließenden und in anderen Gebäuden beherbergten Schauräumen der Ausstellung studieren und betrachten konnte und sollte. Kleinere und frühere Ausstellungen konnten eine solch reiche Verzierung, wie sie im Folgenden zu Grunde gelegt wird, kaum leisten.212) Meist beschränkten sich diese auf wenige Zitate, die dem Formenrepertoire der großen Ausstellungen entstammten: „Ganz besonderen Wert wurde auf die Dekoration gelegt, der man offenbar den gleichen Rang einräumte wie den Ausstellungsobjekten selbst“, so eine Einschätzung zur Düsseldorfer Ausstellung 1880.213) Von der Kolossal-Büste des Kaisers unter einem purpurfarbenen Baldachin über dem Hauptportal reichte die Dekoration über wappentragende Engel bis zum Grußwort „Salve“ im Mosaik-Terrazzo des Fußbodens. Die Wanddekorationen in den Räumen der Kunstausstellung, aber auch in der Textil- und in der Maschinenhalle waren teils ornamental, teils in allegorischer Darstellung von den Düsseldorfer Malern Karl Gehrts, Karl Sohn und Ernst und Fritz Roeber geschaffen worden. Ein weiteres Element der Präsentation zielte auf regionale und nationale Identitäten: Typisch waren die Darstellung des jeweiligen Landesherrn, der in den meisten Fällen zugleich auch das Protektorat über die Ausstellung übernommen hatte, und nach der Reichsgründung die des Kaisers. Die Herrscherporträts waren nicht nur architektonisch hervorgehoben, sondern waren auch bei zentralen Feierlichkeiten in den Vordergrund gerückt.214) Neben der Kaiserbüste, die für die nationale Einheit stand, waren zusätzlich regionale Symbole angebracht. So verzichtete man in der 1896 in Kiel stattfindenden Schleswig-Holsteiner Ausstellung fast völlig auf plastischen Schmuck, lediglich in den Repräsentationsräumen wurden Scheingewölbe eingezogen, im Kuppelsaal aus Nesselstoff, in seinen Vorhallen aus Holz. Auf regionale oder landsmannschaftliche Traditionen rekurrierte man durch Wappen der an der
211)
Die Kuppelgemälde im Hauptausstellungsgebäude, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 16 vom 16. August 1902, S. 551–556. 212) Für den Zeitraum von 1896 bis 1915 vgl. dazu den Katalog von Ciré, Ausstellungsbauten, S. 195–538. 213) Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung, S. 419. 214) Vgl. exemplarisch Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 37, der eine Fotografie der Eröffnungszeremonie zeigt.
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Ausstellung beteiligten Regionen und durch allegorische Huldigungen: Spruchbänder wie „Up ewig ungedeelt“ und „Schleswig-Holstein, meerumschlungen, deutscher Sitte hohe Wacht“ rahmten die Portalnischen in Kiel.215) Auf der Bayerischen Jubiläums-Landes-Ausstellung in Nürnberg 1906 war ein breites Bildband von Carl Marr um ein Rundbogenfenster angebracht, auf dem in verschiedenen Motiven der Bavaria gehuldigt wurde.216) Eine Spannung zwischen Zentralstaat und regionaler Identität wurde im Repräsentationsprogramm der Ausstellungen nicht thematisiert, im Gegenteil: Im Vergleich mit dem internationalen und insbesondere dem französischen Ausstellungswesen erklärten deutsche Kommentatoren die Vielfalt der Provinzexpositionen als Vorzug gegenüber einer stärker zentralisierten Ausstellungspraxis. Einen Höhepunkt des wirtschaftsbürgerlichen Repräsentationsbedürfnisses bildete die Berliner Gewerbeausstellung 1896. Ihr ‚Programm‘ der Selbstdarstellung war in der Festhalle des Hauptindustriegebäude gestaltet: Wo Wandelhalle und kleiner Kuppelraum in ungebrochenem Weiß gehalten und mit einem romanischen Brunnen ausgestattet das „beruhigende Vorspiel“ zum dekorativen Höhepunkt der Berliner Gewerbeausstellung 1896 bildeten, da stach die große Kuppelhalle durch einen hohen Dekorationsaufwand und einen überbordenden figürlich-allegorischen und ornamentalem Schmuck hervor. Als „frappierend“ schilderte ein der Ausstellung verbundener Berichterstatter den „gewaltigen Eindruck, den man beim Eintritt in die Lichtfülle empfängt; das Gewölbe über uns scheint ins Weite hineingerückt, eine Empfindung, die noch dadurch erhöht wird, dass die Wolken im Scheitel den Blick ins Freie sehr täuschend wiedergeben.“217) Das „Menschengewimmel zu ihren Füssen hoch überragend“, waren es mit Pallas-Athene, Ceres, Vulkan und Merkur vier Götterfiguren aus der griechischen Mythologie, mit denen der Bildhauer August Vogt die Kunst, die Industrie, die Landwirtschaft und den Handel deutete. Zu Füßen der dreifach überlebensgroßen Figuren ruhten zusätzlich „allegorische Gestalten“, die die Motive „in Begleitung anderer charakteristischer Vertreter des Buchdrucks, der Chemie, des Maschinenbaus und der Schifffahrt“ aufnahmen. An den diese Darstellungen tragenden Sockeln befanden sich prächtige Köpfe als Sinnbilder der vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer mit fantastischen Tierleibern von Drachen, Fischen und anderen Wasserwesen. Oberhalb derselben hoben sich „von baumartigem Geäst in kernig dekorativer Umrahmung die Wappen der Gewerbe ab […], 215)
Vgl. Offizieller Katalog der Ausstellung der Provinz Schleswig-Holstein verbunden mit Sonder-Ausstellungen und einer internationalen Schifffahrts-Ausstellung Kiel 1896, Kiel 1896, S. 27. 216) Vgl. Paul Johannes Rée, Bayerische Jubiläums-Landes, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nürnberg 1906, Nürnberg 1907, S. 25 f.; Jutta Tschoeke, Bayerische Jubiläums-Landes-Ausstellung Nürnberg 1906, in: Peter Klaus Schuster in Zusammenarbeit mit Tilmann Buddensieg (Hrsg.), Peter Behrens in Nürnberg. Katalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, München 1980, S. 92 ff. 217) Lindenberg, Pracht-Album, S. 90.
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über welche der Reichsadler schützend seine Fittige ausbreitet. Je zwei mächtige Relieffiguren, Fleiß und Treue, Friede und Stärke verkörpernd, sieht man zu beiden Seiten dieses Adlers, und hoch von der Kuppelwölbung leuchtet in goldenen Buchstaben herab: ‚Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis.‘“218) Durch das „freie, offene, glänzend schimmernde Schmuckwerk der Galerie“ fiel, so berichtete die Presse, „das Auge auf grandiose Malereien, die wiederum eine „Verherrlichung der Arbeit in idealer Darstellung uns bieten. […] Dort schildert der Historienmaler Klein-Chevalier die modernen Arbeitsformen unseres industriereichen Zeitalters, wie es sich mit den vier Elementen der Natur abfindet. Braune kraftvolle Gestalten mühen sich hier mit Spaten und Hacke ab, zu einem Tunnel oder Kanal den Raum der Erde abzuringen; daneben steht mit realistischer Wahrheit ein breiter Gesell am Ambos, das Feuer mächtig schürend, der Fischer müht sich, die reichen Schätze, die das Wasser bietet, in das schwankende Fahrzeug zu ziehen, und über Alles breitet sich die azurblaue Luft, aus welcher wiegend ein Adler mit gebreiteten Schwingen herabblickt.“219)
Durch Aufschüttung einige Meter erhöht, erlaubte der Aufenthalt in der Kuppelhalle zugleich einen Blick über die Ausstellungshallen und ihre Exponate. Laut Eigenwerbung der Veranstalter sollten sich „in diesem Raume Architektur, Bildnerei und Malerei zu einem Ganzen [vereinigen], welches in seiner grossartig-monumentalen und festlich-ernsten Stimmung eine würdige Einführung für die Betrachtung der Schätze gibt, welche als ein Ergebnis regen Kunstfleisses und emsiger gewerblicher Thätigkeit hinter dem Kuppelraume um einige Stufen vertieft, aufgestellt sind!“220) Der Eindruck von Erhabenheit auf Seiten der Veranstalter und der ihnen nahe stehenden Presse stand neben dem Widerspruch von kritischen Beobachtern des Ausstellungsgeschehens: „Tritt man durch den Haupteingang in das Industriegebäude, so sieht man sich einer von Löwen getragenen Springquellschale gegenüber, die unter einer kleinen Kuppel Platz gefunden hat. Wenige Schritte führen in die Hauptkuppel. Der Eindruck ist nicht übel. Weniger günstig wirkt die Kuppelmalerei. Arbeiter brechen die Erdrinde auf, auf einem Schmiedeherde züngelt die Flamme, ein Adler kreist in den Wolken, und ein Ungethüm ist zu sehen, das stark an das Ungeheuer erinnert, das auf dem Knackfuß’schen Bilde heranpfaucht“,
so die Beschreibung im sozialdemokratischen Vorwärts. „Was es bedeuten soll, weiß ich nicht, vielleicht den Umsturz, vielleicht die Verkörperung des Streiks; irgend etwas wird es schon sein sollen.“221)
218)
Deutsche Bauzeitung vom 2. Mai 1896, S. 226; Lindenberg, Pracht-Album, S. 29 f. Lindenberg, Pracht-Album, S. 97. 220) Deutsche Bauzeitung vom 2. Mai 1896, S. 226. 221) Die Eröffnungsfeier der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: 3. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt Nr. 103 vom 3. Mai 1896, S. 2. 219)
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Abbildung 32: Blick vom Kuppelsaal der Berliner Ausstellung 1896 in die Haupthalle. Links Personifikation der Industrie durch die griechische Göttergestalt Vulkan, rechts der Kunst durch eine figürliche Darstellung der Pallas-Athene.
Besonders attraktiv erschien bei der Deutung des industriellen und technischen Fortschritts der Rückgriff auf die Mythologie.222) „Prometheus, der Menschheit das Feuer bringend, eine kraftvolle, bekleidete Mannesgestalt in schwebender Haltung; – die Industrie, die für Krieg und Frieden arbeitet, im Hintergrunde der Blick in eine Maschinenhalle, die mit charakteristischen Erzeugnissen angefüllt ist; – Pallas Athene, als Erfinderin der Textilkünste, das Spinnen und Weben lehrend; – der Handel, die eine Hand auf den Erdglobus legend, während die andere den Kolonisten neue Wege weist. Im Hintergrund ein Telegraphenbau, Warenballen, ein Leuchtturm, vorne Handelsartikel.“223)
So hatte der Düsseldorfer Maler Fritz Roeber, zugleich Direktor der Kunstausstellung in der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeausstellung 1902, den
222)
Vgl. Die Geschöpfe des Prometheus – Der künstliche Mensch von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. von Rudolf Drux, Ausstellungskatalog Bielefeld 1994; Werner Hofmann, Der Tod der Götter, in: Buddensieg, Künste, S. 35–41. 223) Die Kuppelgemälde im Hauptausstellungsgebäude, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 16 vom 16. August 1902, S. 551–556.
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Zusammenhang von Tradition und Moderne künstlerisch entwickelt. Mit seinem Potpourri von Alt und Neu bediente er das Bedürfnis, technische und industrielle Neuerungen auch innerhalb ihrer wirtschaftlichen Nutzung als mythischen Ursprungs zu rechtfertigen und zu popularisieren.224) Wie auch August Vogt, der Bildhauer der Berliner Gewerbeausstellung, und viele andere bediente er sich dazu einer Montagetechnik, bei der er die dominierenden Allegorien mit auf Technik und Industrie verweisenden Versatzstücken kombinierte. Stilisierte Darstellungen moderner Errungenschaften traten dabei sowohl in der Bildkomposition als auch in der Gestaltung der Details deutlich in den Hintergrund. Auf diese Weise wurden unterschiedliche Realitätsebenen miteinander verknüpft und zugleich in ihrer Wertigkeit einander zugeordnet. Die Darstellung gewerblicher und industrieller Tätigkeiten war den griechischen Göttergestalten untergeordnet. War das Ausmaß an figürlichem sowie ornamentalem Schmuck außergewöhnlich, so waren der Stil und die Formen der Darstellung eher typisch: Wo die Gebäude im Rückgriff auf sakrale Archetypen wie Tempel oder Kapelle errichtet wurden, da orientierte sich auch die ornamentale Gestaltung nach innen an historischen Typologien und bediente sich überkommener, traditioneller Ausstattungsmuster. Ikonografische Traditionen sowohl der Herrscherals auch der Sakralrepräsentationen wie auch der Mythologie wurden umgedeutet oder ergänzt zu einer Industriesymbolik.225) Zu gewaltig erschienen die industriellen Hervorbringungen von neuen Energiequellen und ihren Anwendungsmöglichkeiten, zu offensichtlich auch die damit verbundenen Umwälzungen im sozialen und kulturellen Leben der Nationen, um in einer modernen Bildsprache die zureichende Selbstdarstellung der Industrie finden zu können.226) Stattdessen galt der Hochofen als moderne Version einer altgermanischen „Schwertschmiede“, die Lokomotive als „Dampfross“ und die Fabrik als eine irdische Filiale des „göttlichen Baumeisters“. Nicht die realistische Darstellung von Arbeitsprozessen, sondern deren Verklärung stand im Vordergrund, indem diese in die Vergangenheit verlegt wurden: Kein chemisches Werk, sondern eine „phantastische Halle“, in der von „Alchimisten chemische Produkte angefertigt“ werden; keine Förderbänder, sondern „Hochöfen, zu denen Frauen das Erz tragen“, keine Fördertürme und Schachtanlagen, sondern ein mit einer Fackel bewehrter Bergmann, der in einen Berg hinuntersteigt, aus dessen Seitenspalte „Gnomen und Zwerge lugen“; diese Szenerie eingerahmt in die Darstellung bäuerlicher Arbeit und Lebensart.227)
224)
Buddensieg, Industriekultur, S. 12. Vgl. Friedrich Rapp, Technik und Mythos, in: Theo Elm/Hans H. Hiebel (Hrsg.), Medien und Maschinen. Literatur im technischen Zeitalter, Freiburg 1991, S. 27–47. 226) Vgl. Buddensieg, Industriekultur, S. 21. 227) Die Kuppelgemälde im Hauptausstellungsgebäude, S. 555. 225)
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Ähnlich verbreitet war der Hinweis auf mythische Ursprünge des jeweiligen Industriezweiges. Insbesondere der Bergbau und die Montanindustrie luden zu einer Darstellungsweise ein, die Natur- und Technikelemente, Tradition und Moderne eng miteinander verknüpfte: Am Pavillon des Hoerder Bergwerk- und Hüttenvereins in Düsseldorf 1902 thronten neben dem Portal die Personifikationen von „Arbeit“ und „Segen“. Die Ecktürme des Gebäudes endeten in geflügelten Rädern, dem Symbol der Eisenbahn und damit des Fortschritts. Die Laterne der Kuppel wird von einer Weltkugel bekrönt. Damit steigerten sich von unten nach oben die Symbole von den Tugenden der Firma, Fleiß, Gottvertrauen, über einen Hinweis auf das Produkt Eisenbahnschienen bis zur Verdeutlichung des Anspruchs auf globale Wirkung.228) Die Halle des bergbaulichen Vereins, welcher auf der gleichen Ausstellung vertreten war, zeigte ein ganz auf den Kohlenabbau abgestimmtes Programm:229) Als Personifikationen ihrer Zunft flankierten ein Bergmann mit Spitzhaue und ein Hüttenmann mit Vorschlaghammer das Portal. Die offene Eingangshalle war mit Briketts ausgemauert und mit Kohlenblöcken und Kokspyramiden ausstaffiert. Rechts und links waren Stolleneingänge angedeutet. Überwölbt wurde diese zunächst naturalistisch gehaltene Szenerie von einem Deckengemälde, welches die urwüchsigen Landschaften der Steinkohlenzeit darstellen sollte. Andere naturalistische Details nahmen das Thema Bergbau immer wieder auf: eine Konsole, die aus einer Grubenlampe mit zwei Raben bestand; ein Ornamentband, auf dem sich neben einer Biene als dem Symbol für Fleiß urzeitliche Drachen-Echsen wanden; eine Kartusche, an der der Kopf der Industrie über grobe Taue mit einem Tender verbunden war und von Ästen als dem Ur-Rohstoff der Kohle gerahmt wurde.230) Aber nicht nur die Schwerindustrie, sondern auch kleinere Firmen bedienten sich des Zusammenhangs von Tradition, Natur und Mythos, um ihre Produkte mit Bedeutung und Legitimation aufzuladen: An dem Pavillon einer Heizungsfirma, wie er 1903 in Dresden errichtet wurde, schmückte eine Sonne den Schornstein, und über dem Portal flackerte ein Feuer, an dem sich zwei wenig bekleidete Gestalten wärmten.231) Dass diese und ähnliche Montagen verschiedener Versatzstücke durchaus nicht nur in der Vergangenheit gründeten, sondern auch aktuelle politische Anliegen ihren Platz fanden, zeigte das Hauptbild des Düsseldorfer Ausstellungsfrieses: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser“, so zitierte Roeber in seinem Gemälde ein Kaiserwort und folgte damit der Strategie der Ausstellungsleitung, durch eine besondere Betonung der Marine und der Flottenrüstung
228)
Eine Ansicht findet sich Zentralblatt der Bauverwaltung 22 (1902), Nr. 49, S. 300; Innenansicht bei Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 60. 229) Vgl. Ciré, Ausstellungsbauten, S. 184. 230) Details sind abgebildet in Architektonische Rundschau 18 (1902), Heft 10, S. 73 ff. 231) Für eine Ansicht des Pavillons der Firma Oswald Löbel für Warmwasser- und Heizungsanlagen, Zittau vgl. Kunstgewerbeblatt Neue Folge 14 (1903), S. 211.
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das Interesse des Herrschers für die Ausstellung zu wecken.232) Der Maler illustrierte dieses, „indem er uns inmitten der Komposition die gebietende Gestalt der bewaffneten, mit dem Hermelin geschmückten Germania zeigt, die ihr Volk vom Staden auf die Flotte führt. Gesetz, Verwaltung und kriegerischer Schutz in prächtig charakterisierten Gestalten folgen jener. An Bord eines festlich geschmückten Schiffes empfängt die Göttin des Glücks die Heranschreitenden und die Schiffsmannschaft jubelt der Germania zu, während im Vordergrunde rechts Hermes Güter und Warenballen heranbringen läßt.“233)
Flottenrüstung und Imperialismus wurden auf das Engste verbunden mit der Kolonisation und ‚Zivilisierung‘ der eroberten Völker sowie einem damit verbundenen Aufschwung des Handels und der Wirtschaft. In ihren besonders exaltierten Bildprogrammen zeigten die Ausstellungen traditionale Lebenswelten und Arbeitsformen, die einerseits durch historischmythologische Bezüge tief in die Vergangenheit eingebunden waren, andererseits moderne Elemente in diese Umgebung integrierten. In der griechischen Mythologie war die Göttin Athene als Lehrerin des Menschen gekennzeichnet, die ihm die Rinderzucht wie auch den Schiffbau beibrachte. Sie gab ihm Pflug und Egge, Spindel und Webstuhl und förderte den technischen Fortschritt.234) Vulkan oder Hephaistos galt als Schutzherr der Handwerker und speziell der Schmiede.235) Diese aus der Mythologie mit der modernen Industrie zumindest vage verbundenen Figuren wurden nun kombiniert mit der Darstellung von Dampfmaschinen und Lokomotiven. Die Insignien der neuen Zeit waren in der Regel nur angedeutet, im Vordergrund stand die Aufladung mit hergebrachten Formen und die Anbindung an einen traditionellen, im Bildungsbürgertum weiterhin aktualisierten Wertekanon, der durchaus für das politische Tagesgeschäft instrumentalisiert werden konnte. Die ungebrochen historische und vormoderne Ästhetik, wie sie am Beispiel der Berliner Kuppelhalle, aber auch an der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt aufgezeigt wurde, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Anachronismus. Im Konzept der Ausstellungen hingegen fielen Tradition, Mythos und Moderne nicht auseinander, „sondern [galten] als historische Synthesis im Sinne eines durch technische Modernisierung möglichen Aufbruchs in eine neue Zeit, deren Sinn und Notwendigkeit aus den uneingelösten Utopien der Menschheitsgeschichte resultieren.“236) Aus der Tradition einer engagierten Arbeitergeschichtsschreibung wurde vor allem der Widerstand gegen technische Neuerungen und insbesondere der
232)
Vgl. dazu Hüttenberger, 19. Jahrhundert, S. 51. Zur kritischen Rezeption des Frieses von Roeber vgl. Die Architektur der Industrieund Gewerbe-Ausstellung zu Düsseldorf 1902, in: Schweizerische Bauzeitung Bd. XL Nr. 13, S. 138–140, S. 139. 234) Vgl. Athena, in: Lexikon der Kunst Bd. 1, München 1996, S. 320 f. 235) Vgl. Friedrich Brommer, Der Schmiedegott in der antiken Kunst, Mainz 1978. 236) Stehen, Zeit, S. 679. 233)
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„Maschinensturm“ in den Blick genommen.237) Die Ausstellungen als ein Popularisierungsmedium stehen für eine gegenteilige Entwicklung: Sie zeigten die Faszination, die Maschineneinsatz und Elektrizität, darüber hinaus aber auch die ebenfalls auf den Ausstellungen präsenten Eisenbahnen freisetzen konnten.238) Als sichtbares Produkt der Arbeit wurde technischer und industrieller Fortschritt zum Vehikel bürgerlicher Leitwerte.239) Die Ausstellungsorganisatoren und die Aussteller setzten auf eine Ästhetisierung der Technik, um mittels künstlerischer Überformung die Produkte der Technik in einen allgemein anerkannten kulturellen Zusammenhang stellen zu können.240) „Technik“ und „Industrie“ wurden damit zu einem „Kulturwert der Moderne“ stilisiert und zum Gegenstand einer thematisch weit ausgreifenden Modernisierungs- und Technisierungsideologie.241) Die Präsentation der Technik diente damit nicht zuletzt auch der Prestigesteigerung der Ingenieure sowie der Anerkennung ihrer Arbeitsresultate.242) Aber die Ausstellungen zielten weit über das Anliegen hinaus, die mit der neuen Technik verbundenen Berufsgruppen mit Sozialprestige zu versehen: Nicht der Alltag der Produktion wurde durch die Ausstellungen pathetisch überhöht und verklärt, sondern die Potenziale einer nahen Zukunft auf Grundlage der gezeigten Produktionsbedingungen beschworen. Mit der kulturellen Aufladung der Präsentation von Maschinen und technischen Leistungen setzte die Ausstellung industriekulturelle Kalküle frei und prägte für viele Teile der Bevölkerung die „Realerfahrung“ der industrialisierten Gesellschaft.243)
237)
Als jüngste und viele Verzerrungen korrigierende Studie vgl. Michael Spehr, Maschinensturm. Protest und Widerstand gegen technische Neuerungen am Anfang der Industrialisierung, Münster 2000. 238) Vgl. dazu Franz Sonnenberger, Mensch und Maschine. Technikfurcht und Techniklob am Beispiel Eisenbahn, in: Zug der Zeit, Zeit der Züge. Deutsche Eisenbahn 1835–1895, Bd. 1, Berlin 1985, S. 24–37. 239) Vgl. Haltern, Welt, S. 20; Binder, Traum, S. 31–44. 240) Vgl. Fabrik, Münster 1980. 241) Burkhard Dietz/Michael Fessner/Helmut Maier, Der „Kulturwert der Technik“ als Argument der Technischen Intelligenz für sozialen Aufstieg und Anerkennung, in: dies. (Hrsg.), Technische Intelligenz und „Kulturfaktor Technik“. Kulturvorstellungen von Technikern und Ingenieuren zwischen Kaiserreich und früher Bundesrepublik, Münster 1996, S. 1–34, S. 4. 242) Vgl. Ulrich Linse, Die Entdeckung der technischen Denkmäler, in: Technikgeschichte 53 (1986), S. 201–222, S. 202. 243) Schivelbusch, Geschichte, S. 122.
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III. Kunstgewerbe und Kunst in den Industrie- und Gewerbeausstellungen „Die Ausstellungen der Industrie als geheimes Konstruktionsschema der Museen – die Kunst: in die Vergangenheit projizierte Industrieerzeugnisse“244)
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die (Hoch-)Kunst bürgerlich. Sie trat aus der Einbindung in Hof und Kirche heraus und wurde für ein größeres Publikum zu einem Medium der Selbstverständigung und Weltbewältigung.245) Mit dem Abschwächen der kirchlichen Bindung entstand insbesondere im stark bildungsbürgerlich geprägten Deutschland eine „säkulare Kunstfrömmigkeit“.246) Die Kunstreligion der Bürger bestand nicht nur in einer „Emphatisierung der Kultur, sondern sie lag gerade auch darin, daß Kunst und Kultur das zentrale Medium waren, um Sinnfragen in der Alltagswelt formulierbar und vermittelbar zu machen.“247) Zunächst war der enge Kreis des durch Besitz und Bildung vergesellschafteten Bürgertums Träger und Konsument der zunehmend öffentlichen Kunst. Schon bald aber öffneten sich die Institutionen und Medien, welche die Kunst popularisierten, breiteren Kreisen.248) Dieser Prozess ging teils auf Initiative bürgerlicher Kreise zurück, welche in der Kunst ein pädagogisches wie auch sozialreformerisches Mittel sahen, teils erklärt es sich mit der zunehmenden Kommerzialisierung des Kunstmarktes, der nun auf breitere Verwertung und Käuferschichten angewiesen war. Nicht nur mittels Museen und Kunstvereinen, entsprechenden Zeitschriften und populärer Literatur, historischer und künstlerischer „Festzüge“ wie auch „Dio- und Panoramen“ wurden Werke und Fragen der Kunst in das Alltagsleben großer Bevölkerungsschichten integriert.249) Darüber hinaus waren die Ausstellungen ein wesentliches Medium, in dem nicht nur die Kunst und ihre Erzeugnisse popularisiert und verkauft wurden, sondern in denen auch ihre Rolle in der (Markt-)Gesellschaft diskutiert wurde. Nicht nur die Kunstausstellungen im Speziellen250), sondern auch die Industrie- und Gewerbeausstellungen partizipierten daran: Zum Teil waren diese bereits in ihren Ursprüngen mit den Expositionen der Kunst und des Kunsthandwerks verbunden, zum Teil entwickelten sich aus dem gemein244)
Benjamin, Passagenwerk, S. 239. Vgl. Cleve, Geschmack, S. 346. 246) Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 692. 247) Manfred Hettling, Bürgerliche Kultur – Bürgerlichkeit als kulturelles System, in: Peter Lundgreen (Hrsg.), Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, Göttingen 2000, S. 319–339, S. 335. 248) Auf die große öffentliche Resonanz von Kunst verweist Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 693. 249) Vgl. Thomas Nipperdey, Wie das Bürgertum die Moderne fand, Berlin 1988, S. 51. 250) Zur Entwicklung dieser Sparte vgl. Koch, Kunstausstellung. 245)
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samen Interesse an einer möglichst großen Öffentlichkeitswirkung Kooperationen.251) Zunächst war die Geschichte des Kunstgewerbes auf das Engste mit dem mondialen und dem nationalen Ausstellungswesen verbunden.252) Kunstgewerbetreibende konnten wie auch andere Industrielle und Handwerker auf den Ausstellungen die präsentierten Vorbilder studieren. Zugleich waren die Expositionen sowie die ab den siebziger Jahren eingerichteten Spezialabteilungen und Fachausstellungen für diese Sparte ein wichtiger Absatzmarkt.253) Nicht nur die Weltausstellungen, sondern auch lokale und regionale Ausstellungen waren oft der Anlass für gewerbefördernde und gewerbepädagogische Impulse wie die Errichtung von Kunstgewerbeschulen, Zeichenschulen oder permanenten Mustersammlungen.254) In der Sache wie in der Bezeichnung war das Kunstgewerbe ein Produkt des 19. Jahrhunderts: Obwohl seit 1800 Wortbildungen wie „Kunstindustrie“, „Kunstgewerk“ oder „Kunstfleiß“ nachgewiesen sind, so blieben diese doch der Hochsprache vorbehalten. In der allgemeinen Verwendung war der Ausdruck „Kunstgewerbe“ für das 18. Jahrhundert inhaltsleer, da die Tätigkeit der Kunst deutlich von der Produktion des zünftisch gebundenen Handwerks getrennt war, die Kunst wurde als „gegensätzliches Addendum zum gewerblichen Produkt“ verstanden.255) Noch Gottfried Semper, einer der führenden Stichwortgeber für das Kunstgewerbe, verwandte in seinen Schriften vor allem die Bezeichnung „Technische Künste“.256) Erst mit den sechziger Jahren und mit fortschreitender Industrialisierung und maschineller Massenproduktion etablierte sich der Begriff in der Alltagssprache. In den siebziger Jahren rückte das Kunstgewerbe in das allgemeine Interesse von Volkswirtschaftlern, Handwerkspolitikern und – last not least – größerer Käuferschichten, die mit diesen Produkten ihr Bedürfnis nach Schmuck und Luxus stillten.257) Das Kunstgewerbe war aber im Verständnis der Zeitgenossen nicht allein ein wirtschaftliches Thema. Praxis und Theorie des Kunstgewerbes beschränkte sich keineswegs allein auf Fragen der Gestaltung und des Designs im engeren Sinne.258) Das Kunstgewerbe war eng verbunden mit Überlegungen zur Gesellschaftsformierung und zielte gleichermaßen auf die Blüte der Kunst
251)
Vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 24–31. Vgl. zur Definition des Begriffs Werner Sombart, Kunstgewerbe und Kultur, Berlin 1908, S. 1–15. 253) Vgl. Paquet, Ausstellungsproblem, S. 169. 254) Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseen, S. 14 f. 255) Vgl. ebd., S. 15 f. 256) Vgl. Wolf Tegehoff, Gottfried Sempers Begriff der Kunstindustrie, in: schön und gut. Positionen des Gestaltens seit 1850, hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte und dem bayerischen Kunstgewerbeverein, München/Berlin 2002, S. 130–135. 257) Vgl. Mundt, Kunstgewerbemuseum, S. 15. 258) Vgl. Barbara Mundt, Historismus. Kunstgewerbe zwischen Biedermeier und Jugendstil, München 1981, S. 31. 252)
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und den Wohlstand des Volkes, soziale Fürsorge und industrielles Wachstum, politische Macht und industrielles Wachstum.259) Neben den Produkten des Kunstgewerbes wurden auch Werke der Hochkunst sowie kunsthistorische Altertümer auf Industrie- und Gewerbeausstellungen präsentiert. Diese Exponate sollten den zeitgenössischen Kunstgewerbetreibenden und Industriellen als Vorbildersammlung dienen, an denen diese ihr Geschmacks- und Formempfinden schulen konnten. Beim Publikum sollten mit dem Sinn für das Schöne auch neue Bedürfnisse geweckt werden.260) Darüber hinaus kam der Kunst in den Überlegungen der bürgerlichen Ausstellungsinitiatoren die Aufgabe zu, zur sozialen Erziehung beizutragen.261) In diesem Sinn war beispielsweise die Forderung danach, dass Arbeiterhäuser nicht nur funktional, sondern auch schön zu sein hätten, im Selbstverständnis bürgerlicher Sozialreformer ein Schritt zur Entproletarisierung. Zugleich wurde mit der Ausstellung von Kunst eine zusätzliche Attraktion für das Publikum und eine Verkaufsmöglichkeit für die Künstler geschaffen. Im gesamten Erscheinungsbild der Ausstellung dienten die ausgestellten Kunstwerke dazu, die zur Schau gestellten Gewerbe- und Industrieerzeugnisse mit allgemein anerkannten und prestigeträchtigen „Werken“ zu kombinieren und auf diese Weise aufzuwerten.262) 1. Reformbewegung und Konsumanreiz – das Kunstgewerbe in den Industrie- und Gewerbeausstellungen „Alle Völker der Erde“, so leitete der Katalog zur Gruppe XII. der Münchner Allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung 1854 aus einer langen Betrachtung unterschiedlicher Kulturpraktiken ab, verbinde das Verlangen, „das Schöne mit dem Nothwendigen zu vermählen, und die Umgebungen und Umhüllungen des Menschen geschmückt und verschönert zu wissen.“263) Was die Berichterstatter der Münchener Nationalexposition zu einer anthropologischen Konstante stilisierten, ist in der Produktion wie in der Konsumpraxis 259)
Vgl. Jürgen Reulecke, „Kunst“ in den Arbeiterbildungskonzepten bürgerlicher Sozialreformer im 19. Jahrhundert, in: Mai/Pohl/Waetzoldt, Kunstpolitik, S. 83–93, S. 83; Monika Franke, Schönheit und Bruttosozialprodukt. Motive der Kunstgewerbebewegung, in: Angelika Thiekötter/Eckhard Siepmann (Bearb.), Packeis und Pressglas. Von der Kunstgewerbe-Bewegung zum Deutschen Werkbund. Eine wissenschaftliche Illustrierte, Gießen 1987, S. 167–173. 260) Cleve, Konsumenten, S. 549–562. 261) Vgl. Reulecke, Kunst. 262) Vgl. Benedict, Anthropology, S. 18. 263) Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München 1854, 12. Heft; Referat des XII. Ausschusses über Leistungen der bildenden Künste, verfasst von Ph. Foltz, Professor an der k.b. Akademie der bildenden Künste in München, in: Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahr 1854, München 1855, S. 1 f.
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vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgekommen. Seitdem gab es ein wachsendes Interesse an Konsum- und Gebrauchsgegenständen „traditionsorientierter Handfertigkeit“.264) Damit verband sich das Bedürfnis nach einer ästhetischen Reform der Sach- und Objektkultur, in der ein neues Geschmacksempfinden der Konsumenten wie auch eine ästhetische Verbesserung der Produkte angezielt wurden.265) Dieser Aufstieg des Kunstgewerbes war mit dem Ausstellungswesen untrennbar verbunden: Für Kunstgewerbetreibende waren die Ausstellungen ihr eigentlicher Markt, den Produzenten „drängte es mit seinen Neuerzeugnissen selbst immer am meisten zur Ausstellung.“266) In ihrer Entwicklung erhielt die Kunstgewerbebewegung entscheidende Impulse von den Expositionen und wirkte ihrerseits wesentlich auf diese zurück.267) Insbesondere die Weltausstellung 1851 war ein Anstoß zu Reformbemühungen: Nicht die Londoner ausgestellte industrielle Massenware, sondern die Stillosigkeit der meist prunkvollen und in kostbaren Materialien ausgeführten Einzelstücke motivierten Überlegungen und Initiativen zum Kunstgewerbe.268) Es verbreitete sich die Überzeugung, dass die Entwicklung der Formen und des künstlerischgestalterischen Empfindens mit der technischen und industriellen Entwicklung nicht Schritt gehalten habe. In der Londoner Ausstellung habe sich „zur Beschämung der ganzen civilisirten Welt die unglaubliche Geschmacklosigkeit, die gedankenlose Nachtreterei verrotteter Formen und Zusammenstellungen“ gezeigt, so ein repräsentatives Urteil.269) Vergleichbare Kritik am Form- und Gestaltempfinden wurde in den sechziger und siebziger Jahren auch auf deutschen Ausstellungen häufig geäußert: Während sich das Gewerbe in die „Richtung des Nothwendigen und Nützlichen durch tausendfache Anwendung der Chemie und Mechanik entwickelte“, entfernten sich Kunst und Industrie voneinander, so beurteilten die Berichterstatter zur Münchener Nationalausstellung von 1854 die Entwicklung.270) „Die jetzige Mode zu kunstgewerblichen Dingen“ bestehe darin, dass „an Stelle der vollendet schönen Form irgend ein blendender oder geistreich sein wollender Gedanke substituiert wird, der, wenn er erst einmal die Anerkennung des kunstgewerblichen Proletariats gefunden hat, allen möglichen
264)
Bernward Deneke, Europäische Volkskunst, Frankfurt a. M. 1980, S. 11. Vgl. Cleve, Geschmack. 266) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 165. 267) Vgl. Cleve, Volkskunst, S. 26. 268) Tegehoff, Gottfried, S. 131. 269) Wilhelm Hamm, Vorwort, in: Illustrirter Katalog der Pariser Industrie-Ausstellung von 1867, Leipzig 1868, unpaginiert. 270) Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München 1854, 12. Heft; Referat des XII. Ausschusses über Leistungen der bildenden Künste, verfasst von Ph. Foltz, Professor an der k.b. Akademie der bildenden Künste in München, in: Bericht der Beurtheilungs-Commission bei der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahr 1854, München 1855, S. 4. 265)
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Objekten aufgepropft wird.“271) Im raschen Wechsel der Moden und Stile ging nach Ansicht des Ausstellungstheoretikers Exner der Sinn für die Formen des Gegenstandes und für seine Funktionen verloren. „Ein jeder Gewerbsmann imitierte der anderen Stoff und Weise und glaubte ein Wunder von Geschmack getan zu haben, wenn er Porzellantassen wie vom Fassbinder gemacht, Gläser wie Porzellan, Goldschmuck wie Lederriemen, Eisentische von Rohrstäben usw. zustande gebracht hatte.“272) Man bemühe sich stattdessen einmal, so die Empfehlung Exners, „einen Krug zu erfinden, der nichts weiter sein wolle als ein Krug – ob das nicht eine schwierigere Aufgabe ist, als ihm die Gestalt eines Löwen zu geben, dessen aufwärts getragener Schweif den Henkel abgiebt, während das geöffnete Maul eine Röhre trägt, aus welcher die Flüssigkeit herausfliesst.“273) Auch 1880 beklagte das Mitglied des Hauptarbeitsausschusses der Düsseldorfer Ausstellung, August Becker, diese Situation in seiner Eröffnungsrede: „Vornehmes Zurückhalten und Sichabschliessen gegen das Gewerbe auf der einen Seite, Mangel an Kunstverständnis und Befangenheit in Materialismus auf der anderen Seite haben in dieser Beziehung einen Niedergang geschaffen, der tief zu beklagen ist.“274) International war die Londoner Weltausstellung der Anstoß zu einer Reform, die mit dem Wirken Henry Coles und Gottfried Sempers verbunden war. In England konnte man dabei an Initiativen der Arts and Crafts-Bewegung anknüpfen.275) In den deutschen Staaten war es die Tradition der Gewerbeförderung und speziell die dabei praktizierte Vorbilderbewegung, mit denen dem Handwerk geholfen werden sollte:276) In den von der preußischen Königlich technischen Deputation für Gewerbe herausgegebenen „Vorbildern für Fabrikanten und Handwerker“ empfahlen Schinkel und Beuth den Handwerkern, sich an den klassischen Vorbildern zu orientieren, ohne aber eigene Kompositionsversuche zu unternehmen. Damit arbeiteten sie der Trennung von Handwerk und künstlerischem Gestalten sowie einem Verschleiß der Formkultur weiter zu.277) 271)
Exner, Aussteller, 2. Auflage, S. 88. Ähnlich die Kritik bei Jakob von Falke, Geschichte des modernen Geschmacks, Leipzig 1880, S. 352. 273) Exner, Aussteller, 2. Auflage, S. 88. 274) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 72 f. 275) Vgl. dazu zuletzt Linda Parry (Hrsg.), William Morris. Ausstellungskatalog London, London 1996. 276) Vgl. insbesondere die von der Technischen Deputation für Gewerbe in Berlin veröffentlichten „Vorbildern für Fabrikanten und Handwerker“, in denen beispielsweise Details antiker Bauten zur Förderung des Geschmacks sowie Entwürfe für die direkte Nachahmung künstlerisch vorbildlich gestalteter Gegenstände publiziert wurden. Peter C. W. Beuth/Friedrich Schinkel, Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker, hrsg. von der technischen Deputation für Gewerbe, Berlin 1831–36. 277) Vgl. dazu Waentig, Wirtschaft, S. 233. 272)
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Unter dem Eindruck des Besuchs der Weltausstellung in London 1851 und seiner eigenen Beteiligung als Architekt bei der Planung und Realisierung der Ausstellungen von Kanada, Türkei mit Ägypten, Schweden und Dänemark verfasste Gottfried Semper die 1852 veröffentlichte Schrift „Wissenschaft, Industrie und Kunst. Vorschläge zur Anregung nationalen Kunstgefühles“. In dieser beschäftigte er sich mit dem gestörten Verhältnis der drei Faktoren unter den neuen Produktionsbedingungen: Der wachsende Einfluss kapitalistischer Produktionsverhältnisse und des Marktes, der rasante Anstieg wissenschaftlicher und technischer Innovationen habe zudem die missliche Situation herbeigeführt. Der „Ueberfluss an Mitteln“ konnte von der handwerklich-gewerblichen Praxis in der Formgebung nicht bewältigt und umgesetzt werden, sondern führte zu einer Verwirrung der Stile, welche aber ihrerseits „nichts anderes [war] als das klare Hervortreten gewisser Anomalien in den bestehenden Verhältnissen der Gesellschaft, die bisher nicht so klar und deutlich vor aller Welt in ihren Ursachen und Wirkungen erkannt werden konnten.“278) Sempers These in dem im gleichen Jahr erschienenen „Idealen Museum für Metallotechnik“ lautete, dass die „hohe Entwicklung der modernen praktischen Wissenschaft […] kein Gegenstück in einem angemessenen Fortschritt der Künste, des allgemeinen künstlerischen Empfindens und des Geschmacks“279) habe. Als Therapie empfahl er, von der willkürlichen Verwendung historischer Stile abzugehen und sich stattdessen an „Urmotiven“ der Gestaltung zu orientieren, wie sie nicht nur an historischen Beispielen, sondern auch im Schaffen „halbbarbarischer Völker“ zu studieren seien.280) Letztlich zielte er damit auf die „Hebung des Volksgeschmacks“, den Semper durch einen „zweckmäßigen und möglichst allgemeinen Volksunterricht“ anhand von „historisch, ethnographisch und technologisch“ geordneten Museen sowie einem Lehr- und Prämierungssystem auszubilden versuchte.281) Die Vorschläge Sempers sowie die Anregungen zahlreicher weiterer Autoren wurden in Deutschland weder unmittelbar noch in Reinform umgesetzt.282) Erst von der erneut in London stattfindenden Exposition 1862 und der Pariser von 1867 gingen entscheidende Impulse aus.283) Je weiter man sich in der Ausstellung von den Produktgruppen entfernte, die von ihrer „Kunst und Schönheit“ lebten, umso eher erschienen die deutschen Exponate dem Ausstellungskritiker Friedrich Pecht als international konkurrenzfähig. Allein das Kinderspielzeug lobte er, um gleich danach kritisch zu fragen, ob es nicht
278)
Semper, Wissenschaft, S. 4. Ebd., S. 72. 280) Vgl. ebd. 281) Zur Würdigung Sempers vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 338. 282) Zu nennen sind hier vor allem die Schriften von Schwabe, Förderung; Jakob von Falke, Aesthetik des Kunstgewerbes. Ein Handbuch für Haus, Schule und Werkstätte, Stuttgart 1883. 283) Vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 337. 279)
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„curios, vielleicht sogar ein wenig demüthigend [sei], daß diese Kindereien fast der einzige Artikel sind, in dem wir alle Welt aus dem Felde schlagen, und sonst in nichts?“284) Erst in den siebziger Jahren wuchs in Deutschland das Interesse an Fragen der Gestaltung und des Designs. Nicht nur in entsprechenden Kunstgewerbeschulen und Akademien wurden die damit verbundenen Fragen thematisiert, sondern vor allem die Ausstellungen der Produkte von Industrie, Gewerbe und Kunstgewerbe gaben Anlass zu Betrachtungen dieses Problems: Eine Grundforderung vieler Autoren war, dass der Gewerbetreibende selbst wieder Künstler werden müsse, um die Trennung von Produktion und Gestaltung aufzuheben.285) „Die Verbrüderung der Industrie mit der Kunst“ galt dem Berichterstatter des Hannoverschen Kuriers als Zielvorstellung für die Exponate des Kunstgewerbes, welche die Ausstellung beheimatete.286) In einer Zeit, in der sowohl „die Berechtigung der Mechanik“ als auch „das Bestreben der Menschen nach Schönheit der Formen“ unbestreitbar seien, gebe es nur eine mögliche Lösung des Gegensatzes: „daß man der Kunst die Führerschaft der Industrie anvertraut, daß die Industrie alle Vortheile, die ihr die Mechanik gewährt, auszubeuten sucht, insoweit es die Leitung durch die Kunst gestattet.“287) Mit dem Aufschwung des Kunstgewerbes etablierte sich einerseits ein spezieller Expositionsstrang. Die 1875 in Leipzig abgehaltene Kunst- und Kunstgewerbeausstellung und die in München ein Jahr später organisierte Kunstund Kunstindustrieausstellung waren der Auftakt zu einer Reihe von Fachausstellungen.288) In den allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen wurden teilweise separate Abteilungen eingerichtet, in denen die Kunstgewerbetreibenden ihre Produkte ausstellen konnten. Von Glasmalerei, Kirchengerät, Gold-, Silberschmiede- und Metallarbeiten über Holzschnitzwerk bis zu Stickarbeiten reichte beispielsweise die Bandbreite der in Düsseldorf 1880 so präsentierten Exponate. „Eine Sammlung und Konzentrierung der Gedanken“ sei unbedingt notwendig, damit die Produkte des Kunstgewerbes entsprechend wahrgenommen und belehrend würden, so begründeten die Veranstalter die vorgenommene Klassifizierung.289) Bereits auf der Ausstellung in Düsseldorf 1902 aber hatte man die zunächst in der Gruppe XXII zusammengefassten Gegenstände des Kunstgewerbes ausgedünnt. Viele Objekte, so die Metallwaren, das Glas- und Steingut, die Textilien wie auch Möbel und Musikinstrumente, waren „in ihren organischen Zusammen284)
Friedrich Pecht, Kunst und Kunstindustrie auf der Weltausstellung von 1867. Pariser Briefe, Leipzig 1867, S. 266. 285) Exner, Aussteller, S. 88. 286) „Die Kunst im Gewerbe“, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9235 vom 25. Juli 1878, S. 2. 287) Exner, Aussteller, S. 87. 288) Vgl. Heinrich Waentig, Die Kunstgewerbebewegung in Deutschland, in: Thiekötter/ Siepmann (Bearb.), Packeis, S. 157–164. 289) Vgl. dazu Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1881, S. 205–217, S. 205.
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Abbildung 33: Bilderrahmen und Innendekoration – Ausstellungsstand der Firma F.G. Conzen
Abbildung 34: Möbel-Ausstellung von H. Pallenberg, Köln
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hängen“ belassen worden, erst dann kämen die besonderen Leistungen einer ansprechenden Gestaltung zur Geltung.290) In vielen anderen Ausstellungen hatte man von vornherein auf separate Kunstgewerbeabteilungen verzichtet und nur im Arrangement der Gegenstände Konzessionen an diese Produktionssparte gemacht.291) Insbesondere in den Kollektivausstellungen „vollständiger Zimmereinrichtungen“ kam das Kunstgewerbe, vor allem die Möbelherstellung und alle der Innenarchitektur verpflichteten Gewerbe, zur Geltung.292) Die Diskussion um Elemente der Gestaltung und des Stils war in Form von „Fibeln“ und „Katechismen“ breit popularisiert worden.293) Eine „Hauptaufgabe dieser modernen Gewerbe-Ausstellungen wird immer darin bestehen, fördernd auf die Geschmacksbildung des Publicums einzuwirken“, so erklärte ein Berichterstatter zur Hannoverschen Industrie- und Gewerbeausstellung 1878. Der rein technische Fortschritt verberge sich leicht der oberflächlichen Beschauung, so dass er in vielen Fällen nur von den Preisrichtern und den Spezialisten erkannt würde. „Das Gefällige der äußeren Erscheinung dagegen drängt sich freier an die Sinne heran, offenbart sich der aufmerksamen Betrachtung, bildet und bereichert in angenehmer Weise die Vorstellungskreise der Beschauer.“294) In diesen Teilen der Ausstellung verbanden sich nach Ansicht vieler Berichterstatter Vorbilderstudium und moderne Formgebung auf ideale Weise: „Diese Zimmereinrichtungen haben die bestimmte Mission, das Kunstverständnis zu verbreiten, das Bedürfnis nach künstlerischer Formentwicklung der mannichfaltigsten Gebrauchsgegenstände zu erwecken.“295) Wo die „alten Kunstschätze der Museen“ dem Betrachter fremd gegenüber stünden, da seien die Wohnräume eine unmittelbare Aktualisierung der Verbindung von Tradition, Kunst und Handwerk. „Diese Wohnräume sind für den unmittelbaren Gebrauch bestimmt und allen Anforderungen des modernen Lebens angepasst. Die Form musste zurückgreifen auf frühere Jahrhunderte, in denen ein reicheres Kunstleben blühte, aber durch die Anpassung an die neuere Technik haben die Formen den warmen Hauch des Lebens erhalten. Wir werden so voll eingeführt in ein stilvoll arrangiertes Ganzes“.296)
290)
Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 325. Vgl. die ähnliche Argumentation bei K. Landsberg, Das Kunstgewerbe auf der provinziellen Gewerbe-Ausstellung zu Hannover, in: Nordwest. Wochenschrift für das öffentliche Leben des nordwestlichen Deutschlands, No. 34 vom 25. August 1878, S. 284–285, S. 284. 291) Zur Begründung vgl. Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 23 f. 292) Vgl. Mundt, Historismus, insbesondere S. 82–132. 293) Vgl. zum Beispiel Jakob Falke, Die Kunst im Hause, Wien 1871; Georg Hirth, Das Deutsche Zimmer der Renaissance. Anregungen zur häuslichen Kunstpflege, München 1880. 294) „Die Kunst im Gewerbe. Dritter Artikel“, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9242 vom 30. Juli 1878, S. 2. 295) Landsberg, Kunstgewerbe, S. 284. 296) „Die Kunst im Gewerbe. Vierter Artikel“, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9264 vom 11. August 1878, S. 1.
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Der „Verständigungszusammenhang“ zwischen Produzenten und Konsumenten, dessen Anfänge Ingeborg Cleve analysiert hat297), löste sich aus der staatlichen Gewerbeförderung und dem Museumswesen. Eine eigene Konsumindustrie entstand, die Stil und Moden zu Konsumanreizen umfunktionierte. Zur Ausstaffierung der bürgerlichen Lebenswelt griffen Architekten, Kunstgewerbetreibende und Konsumenten zunächst in „eklektizistischer Manier je nach Bedarf auf ein Konglomerat von unterschiedlichen historischen Stilformen“ zurück, um damit den pragmatischen Zweckbauten wie auch den Wohnungen als Ausdruck eines bürgerlichen Lebensstil „eine bereits als legitimiert geltende ästhetische Überhöhung zu geben.“298) In Absetzung zum international führenden französischen Stil, dem zweiten Empire und dem Rokoko, orientierte man sich am „nationalen Historismus einer (alt)deutschen Renaissance“ – „schwer, dunkel, reichlich verziert“.299) Die Gestaltungsprinzipien entsprachen der spezifischen Funktion, die man dem Kunstgewerbe mit einer eigentümlichen ästhetisch-sozialen Ideologie zuschrieb: Das „alte Handwerk“ und unter ihm insbesondere Sparten wie Möbel, Buchschmuck und Glasverarbeitung wurden zu einem „Gegengewicht“ zur modernen Industrieproduktion stilisiert und sollte Tradition bewahren und fortschreiben. Der Anspruch auf gesellschaftliche Wirksamkeit von Kunst erhöhte sich mit dem Jugendstil: Führende Architekten und Künstler kehrten sich vom Historismus ab, wandten sich vor allem Alltags- und Gebrauchsgegenständen zu und orientierten sich an gemeinsamen Grundformen in der Ornamentik und in den Gestaltungsprinzipien.300) Zumindest in der Programmatik löste man sich damit endgültig vom Vorbild des klassischen, vor allem der Antike verpflichteten Museum und orientierte sich an Formen der Natur. Ein grundlegendes Ziel einte die Praktiker und Theoretiker des Jugendstils mit ihren späteren Kritikern, für die vor allem der Deutsche Werkbund stand: nämlich die Durchdringung aller Lebensbereiche durch die Kunst und – eng damit verbunden – die Hoffnung auf eine umfassende soziale Wirkung.301) Einen weiteren Schritt in der Beziehung von Kunst und Industrie markiert die Gründung des Werkbundes, der unter Beteiligung von Hermann Muthesius und Fritz Schuhmacher 1907 im Anschluss an die dritte Deutsche Kunstgewerbeausstellung in München gegründet wurde. Ihm gehörten mit Peter Behrens, Henry van de Velde, Hans Poelzig und Walter Gropius die führenden Architekten der Zeit an, aber auch Sozialpolitiker und Sozialreformer wie Friedrich Naumann oder der junge Theodor Heuss fanden sich unter
297)
Cleve, Geschmack. Wolfgang Mommsen, Bürgerliche Kultur und künstlerische Avantgarde 1870–1918, Kultur und Politik im deutschen Kaiserreich, Frankfurt a. M. 1994, S. 35. 299) Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 733. 300) Sibylle Wilhelm, „Kunstgewerbebewegung“. Ästhetische Welt oder Macht durch Kunst, Frankfurt a. M. 1991, S. 233. 301) Vgl. ebd., S. 173. 298)
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seinen Gründern. Seine Ziele waren hoch gesteckt und gingen weit über die Förderung des Kunstgewerbes im engeren Sinne hinaus: „Eine gleichmäßig gute und edle Gestaltung und Durchbildung jedweden Erzeugnisses“ müsse „das Ziel der Zeit sein“, so proklamierte der erste Aufruf zur Gründung des Bundes.302) Mittels der „Durchgeistigung“ und künstlerischen Gestaltung der handwerklichen und der industriellen Produktion sollte der Spalt, der sich zwischen bildender Kunst und der modernen industriellen Welt gebildet habe, geschlossen werden. Kunst sollte ihres sakralen Charakters entkleidet werden, um als eine „einfache, überall verwendete Sprache“ die Lebensumgebung nicht nur der bürgerlichen Kreise, sondern der Allgemeinheit zu prägen. „Wir sehen die nächste Aufgabe, die Deutschland nach einem Jahrhundert der Technik und des Gedankens zu erfüllen hat, in der Wiedereroberung einer harmonischen Kultur“, so der Mitgründer Fritz Schumacher.303) Damit verband sich ein Programm, das weit über Fragen des Designs im engeren Sinne hinauswies: Guter Geschmack und Qualität der Arbeit sollten einerseits die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt steigern, andererseits die Massen vom „formlosen Materialismus“ der Konsumgüter befreien, damit entproletarisieren, die Klassen verbinden und bestehende Gegensätze ausgleichen. Obwohl mit Kriegsbeginn beendet, wurde die Werkbundausstellung von 1914, die von einer Millionen Menschen besucht wurde, zum „Leucht- und Höhepunkt der Bewegung“.304) Ökonomisch gesehen war die Kunstgewerbebewegung nur bedingt erfolgreich: Nicht mit, wie es den Zielen und dem Selbstverständnis der Kunstgewerbebewegung und den Überlegungen des Werkbundes entsprochen hätte, sondern gegen die Industrie etablierte sich eine spezielle und quantitativ wenig bedeutende Produktionssparte, die den künstlerischen Anspruch gegen die maschinelle Massenfertigung stellte. Auch wenn die staatliche Kunstförderung und die Kunstgewerbebewegung auf diese Weise die qualitative Leistung des Handwerks erhöhten, so verbesserten sie dessen Absatzchancen doch nur in bestimmten Segmenten. Nach wie vor produzierte das kunstgewerblich ausgerichtete Handwerk zu höheren Stückpreisen als die industrielle Konkurrenz. Deshalb waren nur Wohlhabende, nicht aber die Masse der Bevölkerung in der Lage, sich die aufwändige handwerkliche Qualitätsproduktion zu leisten. Erst in der „Werkstättenbewegung“ wie im „Industrie-Jugendstil“ oder in den Arbeiten der Künstler der Darmstädter Mathildenhöhe etablierten sich Produktionsformen, die Massenfertigung mit kunstgewerblichem
302) Zitiert nach Friedrich Naumann, Deutsche Gewerbekunst. Eine Arbeit über die Organisation des deutschen Werkbundes, Berlin-Schöneberg 1908, S. 4. 303) Fritz Schumacher, Die Wiedereroberung harmonischer Kultur, in: Kunstwart 21 (1908), Heft 2, S. 135–138, S. 138. 304) Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 736.
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Anspruch kombinierten und als Vorläufer von modernem Industriedesign zu sehen sind.305) Die Idee Sempers und anderer Theoretiker, Kunst und Industrie im Kunstgewerbe miteinander zu verschmelzen, trat nach und nach hinter den Versuch zurück, mit dem Anspruch des Künstlerischen dem wachsenden Konkurrenzdruck der industriellen Massenproduktion auf Segmente des Handwerks zu begegnen. Der künstlerische Anspruch wurde zum Mittel in der Marktkonkurrenz, das Kunsthandwerk zur Spezialität und Ergänzung des Maschinenprodukts, das vor allem dazu diente, „dem lokalen und individuellen Bedürfnis gerecht zu werden.“306) Diese ökonomische Nebenrolle soll aber keineswegs dazu verleiten, die Funktion des Kunstgewerbes bei der Ausbildung der modernen Massenproduktion und ihrer Formgebung gering zu schätzen: Das Kunstgewerbe galt bereits den Zeitgenossen als „unmittelbare Verbindung“ zwischen den Größen Kunst und Industrie.307) Nicht in der Praxis, wohl aber für die Theoriebildung war das Kunstgewerbe ein Scharnier zwischen Prozessen der Geschmacksbildung im 19. und moderner Formgebung und Design des 20. und 21. Jahrhunderts. 2. Sozialutopie und Legitimation – Kunst und kunsthistorische Altertümer in den Ausstellungen Wo der Zusammenhang zwischen den kommerziellen Interessen der Aussteller, der Ausstellungsmacher und dem Kunstgewerbe auf der Hand liegt, da erklärt sich die darüber hinausgehende Präsenz von Kunst und kunsthistorischen Altertümern in den Industrie- und Gewerbeausstellungen aus einem Geflecht von ökonomischen, sozialen und kulturellen Interessen. Neben der reinen Industrie- und Gewerbeausstellung waren vielfältige Mischformen zu beobachten. Dabei war die Präsentation einzelner Kunstwerke oder eine separate Kunstausstellung dem Teil der Exposition, in denen die Erzeugnisse von Industrie und Gewerbe zu sehen waren, quantitativ wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich untergeordnet. Die „marriages of art and industry“ (Raphael Samuel) stellten nie eine gleichberechtigte Verbindung beider Partner dar, sondern das Schwergewicht lag immer bei Industrie und Gewerbe. Im Allgemeinen war die Künstlerschaft dennoch an einem gemeinsamen Arrangement interessiert, nur in Einzelfällen gab es Kritik an dem un-
305) Karl Heinrich Kaufhold, Fragen der Gewerbepolitik und der Gewerbeförderung, in: Mai/Pohl/Waetzoldt (Hrsg.), Kunstpolitik, S. 95–109, S. 107. 306) Friedrich Fischbach, Die Bedeutung der deutschen Kunstindustrie, in: Blätter für Kunstgewerbe 1 (1872), S. 69–76, S. 74. 307) Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 1 – Sitzungen des Hauptkomitees und des Vorstandes, Sammlung hektographierter und gedruckter Denkschriften 1878–1881: Circular Nr. IX an die Mitglieder des Haupt-Comitees der Gewerbe-Ausstellung vom 30. November 1880.
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gleichgewichtigen Verhältnis von Industrie und Kunst.308) Die Berliner Gewerbeausstellung von 1896, an der sich große Gruppen der Künstler und Architekten nach einem Streit um den Veranstaltungsort nicht beteiligten, ist in dieser Hinsicht als Ausnahme zu werten.309) Zunächst einmal bedeuteten die Ausstellungen für die Künstler selbst, die mit der „Verbürgerlichung“ der Kunst ihr Metier immer mehr auch als Lebensunterhalt zu bestreiten hatten, eine Gelegenheit, die eigenen Erzeugnisse vor einer großen Kundschaft auszustellen und zu verkaufen. Mit dieser Zielsetzung waren beispielsweise die hamburgischen Ausstellungen gestartet, in denen in den 1820er Jahren die Kunstprodukte die Angebote von Industrie und Gewerbe in den Hintergrund gedrängt hatten.310) In vielen bedeutenden Ausstellungsstädten hielt sich die Verbindung von Kunst- und Industrieausstellung. Beide Seiten konnten so auf ein größeres Zuschauerinteresse hoffen. In der Düsseldorfer Ausstellung 1880 konnten beispielsweise die ausstellenden Künstler 212 der insgesamt 984 Werke verkaufen und damit einen Erlös von 285 000 Mark erzielen.311) Die Initiative zur Provinzialausstellung in Düsseldorf 1902 ging sogar von einer Vereinigung örtlicher Künstler aus, die durch die Gewinne der Exposition die Errichtung eines eigenen Kunstausstellungsgebäudes für Rheinland und Westfalen finanziert bekam.312) Die Industriellen und Gewerbetreibenden, die in der Regel Initiatoren und Organisatoren der Ausstellungen waren, integrierten Kunstausstellungen nicht aus altruistischem Interesse an der Kunstförderung. Dass dabei ein kaufmännisches Kalkül wie auch der Wunsch nach kultureller Aufwertung von Industrie und Gewerbe die „leitenden Herren“ der Ausstellung bewegte, zeigt eine Niederschrift des Düsseldorfer Zentralgewerbevereins aus dem Jahr 1882, dessen Vorstand sich zum Teil personell mit dem Ausstellungsvorstand deckte: Deutsche Ware war nach ihrer Überzeugung auf dem Weltmarkt nur abzusetzen, wenn Gestaltung und Formgebung konkurrenzfähig waren. Ebenso war der Massenkonsum nach innen von der Attraktivität der Ware abhängig. Zugleich spielte ein lokal- und regionalpolitisches Interesse in das 308) Vgl. Teichlein, Briefe, S. 323–327: „Deutlicher als irgendwo steht es diesen Glaspalästen an der Stirne geschrieben: Dies ist keine Zeit der dauernden, ideengesättigten und maßvollen Lebensformen, welche sich in monumentalen Bauwerken verkörpern lassen, dies ist vielmehr eine rastlose, irrende, suchende Übergangsperiode, und Alles, was sie aus innerstem Beruf und Bedürfnis zu bauen vermag, das ist nicht Haus, nicht Palast, nicht Kirche, sondern prägt nur den Charakter ihres unstätten Seins, ihrer geistigen ‚Durchgangspunkte‘ aus, es ist, mit einem Wort, eine Art von Bahnhof.“ 309) Vgl. Lessing, Gewerbeausstellung, S. 281: „Man hatte die Empfindung, dass die Ausstellung geflissentlich auf das Niveau des Kleingewerbes heruntergedrückt werden solle, daß man die Wortführer der Fabrikviertel unter sich lassen müsse. Die Folgen dieses Bruches mit den eigentlichen Spitzen des künstlerisch schaffenden Berlins sind unheilvoll gewesen.“ 310) Vgl. Korn, Gewerbeausstellungen, S. 24–31. 311) Weidenhaupt, Gewerbe- und Kunstausstellung, S. 427. 312) Vgl. Hüttenberger, 19. Jahrhundert, S. 58.
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Engagement für die Kunst hinein: Die Vertreter des nordwestdeutschen Industriegebietes legten Wert darauf, die Förderung der rheinisch-westfälischen Kunst nicht dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg oder dem Nationalmuseum in München, den Landesgewerbehallen in Karlsruhe oder in Stuttgart zu überlassen, sondern dieses auch in der eigenen Region zu leisten.313) Das industrielle Ballungszentrum an Rhein und Ruhr, für welches die Düsseldorfer Ausstellung stand, versuchte sich auf diese Weise mit dem symbolischen Kapital auszustatten, welches die Kunst zu bieten schien. Die Einbeziehung von Kunstwerken und kunsthistorischen Altertümern konnte vor allem in Deutschland sehr direkt an die Tradition einer vom Vorbilderglauben motivierten Gewerbeförderung anknüpfen: Die Exponate dienten als Lehrmittel für die Gewerbetreibenden wie für die Konsumenten. Beide Gruppen sollten die klassischen und bereits anerkannten Exponate studieren, an ihnen ihren Geschmack ausbilden und sich dann bei Produktion und Konsumption entsprechend daran orientieren. „Namentlich die Erzeugnisse des alten Kunstgewerbes, die trotz des besonderen Entrees, das für ihre Besichtigung erhoben wurde, von über 80000 Personen besucht wurde, schien wohl geeignet, auf das moderne Gewerbe fördernd und veredelnd einzuwirken,“ so berichtete ein Beobachter der Düsseldorfer Gewerbeausstellung 1880.314) Damit kam den Sonderschauen innerhalb der Ausstellungen eine ähnliche Funktion zu wie den Gewerbemuseen, die in Berlin 1867, in Hamburg und Nürnberg 1869 und in Leipzig 1873 gegründet wurden. Neben ihrer Schausammlung boten diese Institutionen auch fachliche Beratung und Hilfestellung bei der Ausführung von Mustern für einzelne Gewerbe, Unterricht und Anleitung im Zeichnen und Kopieren von Vorlagen an.315) Ob die Ausstellung historischen Kunstgewerbes diese Funktion erfüllt hat, wollte auch der zeitgenössische Beobachter der Düsseldorfer Gewerbeausstellung von 1880 nicht definitiv bejahen, konstatierte e aber einen „grossen und wohltuenden Einfluss auf die beteiligten Kreise“. Die ihr zugeschriebene Wirkung empfahl die Kunst darüber hinaus auch als Mittel der ästhetischen Erziehung: Das Kunstgewerbe im Speziellen sollte der Rettung des nach Ansicht der Zeitgenossen vom Untergang bedrohten Handwerk dienen. Zum Idealtyp des sich aus der drohenden Proletarisierung befreienden Einzelhandwerkers wurde der junge Aussteller stilisiert, der sich „in seinen wenigen Musestunden – Abends nach Feierabend“ die Stile der
313)
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Regierung Düsseldorf, Handel und Gewerbe, Nr. 13587, unpag. 314) Hierzu und zum Folgenden Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 7. Ähnlich auch in Hannover, wo ebenfalls eine Sammlung kunstgewerblicher Altertümer gezeigt wurde. Vgl. Die allgemeine Gewerbeausstellung der Provinz Hannover, in: Weser-Zeitung Bremen Nr. 11330 vom 30. Juli 1878 (Morgenausgabe), S. 1. 315) Ute-Konstanze Rasp, Das Gewerbemuseum und die Königlichen Kreisbaugewerkschulen und Kunstgewerblichen Fachschulen Kaiserslautern, 1874–1918, Bonn 1995, S. 26.
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historischen Vorbilder aneignete und damit die Grundlage für die Marktfähigkeit der Produkte sicherte.316) Die Qualität handwerklicher Produktion sollte auf ein besseres, dem künstlerischen Entwicklungsstand entsprechendes Niveau gebracht werden. Der Handwerker konnte dann hochwertige Erzeugnisse anbieten und sich auf diese Weise auch wirtschaftlich verbessern.317) In Preußen hatten Beuth und Schinkel in den zwanziger Jahren für das Studium ihrer Vorbildsammlungen mit dem Argument geworben, dass nur eine gelungene Form auch den Verkauf der Produkte garantiere.318) Wie sich das Handwerk „mit und neben der Industrie auf eigenen Bahnen in die Höhe arbeiten kann“, das war laut Ansicht des Vorsitzenden des Arbeitsausschusses der Düsseldorfer Ausstellung von 1880, Lueg, die Funktion von Kunst und kunstgewerblichen Altertümern.319) Das Ideal der Formvollendung und der Schönheit war mit dem Markt, auf dem sich die Produkte zu behaupten hatten, untrennbar verbunden. Die Hoffnung auf Entproletarisierung und selbständige Arbeit beschränkte sich aber nicht auf das Handwerk. Mit Blick auf die gesamte Gesellschaft gingen nicht erst die Protagonisten des Deutschen Werkbundes von einer umfassenden sittlichen und sozialmoralischen Funktion der Kunst aus.320) Schon in den Überlegungen bürgerlicher Sozialreformer war vereinzelt seit den vierziger321), verstärkt seit den siebziger Jahren die Idee von der erzieherischen Funktion der Kunst artikuliert worden:322) Zunächst war diese im oben beschriebenen Sinne dezidiert mit der Handwerkerfrage verknüpft. Aber auch dem Industriearbeiter sollten „Arbeitsfreude“ und Stolz auf die eigene Leistung vermittelt werden.323) Dem Österreicher Karl Richter, Berichterstatter über die Weltausstellung in Paris 1867, galt die Kunst sogar als der wichtigste Beitrag zur Lösung der sozialen Frage, die er vor allem als Folge der Maschinenarbeit beschrieb: „Das Einzige, was die Maschine nicht kann, zwang sie auch wieder unter die Herrschaft des Menschen. Dieses Einzige ist der Geist, der Form und Inhalt in wechselvoller Reihe zu bestimmen vermag. Wir finden den Geist des Menschen in der Arbeit durch die Schönheit des Werkes wieder. […] Die Maschine befreit in zahlreichen Werken die menschliche Hand von allem Kampf mit der Materie, aber sie gestattet der menschlichen Hand wieder zu erscheinen in der ganzen Macht ihrer Freiheit in der Idee – im Muster.“324)
316)
Vgl. Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 203. Kaufhold, Fragen, S. 104. 318) Beuth/Schinkel, Vorbilder, Vorwort S. IV. 319) Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke, Düsseldorf 1880, S. 71. 320) Vgl. zur zeitgenössischen Diskussion Joan Campbell, Der Deutsche Werkbund 1907–1934, Stuttgart 1981, S. 41–72. 321) Vgl. für ein frühes Beispiel „Ueber die ästhetische Erziehung der Proletarier“, in: Deutsche Vierteljahrsschrift 11 (1848), S. 106–161. 322) Vgl. hierzu und zum Folgenden Reulecke, Kunst, S. 83–93. 323) Vgl. neben den Belegen bei Reulecke, Kunst, auch Campbell, Joy, S. 28–41. 324) Richter, Frage, S. 104. 317)
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Abbildung 35: Arbeiterzug, von Pallas Athene zur Ausstellung geleitet. Aus den Mappen Düsseldorfer Künstler. Studien von Alexander Frenz
Ein zweiter Strang, an dem die pädagogisch-soziale Funktion der Kunst diskutiert wurde, gewann seit den neunziger Jahren an Gewicht und widmete sich der Frage, wie dem Arbeiter in seiner häuslichen Umwelt und in der Freizeit eine ästhetisch wertvolle Umgebung geschaffen werden könne, um damit eine sittliche Veredelung herbeizuführen.325) Beiden Argumentationen lag der Versuch zu Grunde, bürgerliche Werte und ihre Symbolisierungen zur Integration der Arbeiterschaft einzusetzen. In den Ausstellungen wurden diese idealistischen Vorstellungen in der zeitgenössischen Kunstproduktion wie auch in speziellen Ausstellungen zu Arbeiterhäusern und dementsprechenden Kongressen thematisiert.326) Dass tatsächlich die durch Pallas Athene personifizierte Kunst die Arbeiterschaft zur Industrie- und Gewerbeausstellung und der damit verbundenen Möglichkeiten der Anschauung und des Lernens geleitet hat, wie es der Düsseldorfer Künstler Alexander Frenz dargestellt hat, erscheint zweifelhaft. In der Selbstlegitimation der industrialisierten Gesellschaft, wie sie sich in den Ausstellungen darstellte, war dieser Gedanke allerdings präsent. Die erzieherische Wirkung, die der Kunst zugesprochen wurde, spricht für das ihr zugesprochene allgemein hohe Prestige: Stark geprägt durch das Bil-
325)
Vgl. die Belege bei Reulecke, Kunst, S. 88–90. Vgl. Gladbacher Aktien-Baugesellschaft M.Gladbach, Bericht über deren bisherige Thätigkeit nebst Beschreibung u. Zeichnungen errichteter Wohnungen; verfaßt aus Anl. des bei Gelegenheit der Industrie- u. Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1902 in Düsseldorf stattgefundenen VI. Internat. Wohnungskongresses, Mönchengladbach 1902; Robert Hundt, Bergarbeiter-Wohnungen im Ruhrrevier. Ausgegeben im Mai 1902 gelegentlich der Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Düsseldorf, Berlin 1902. 326)
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dungsbürgertum, war die Kunst zur „Trägerin menschlicher Ideale“ und des Nationalgedankens327) avanciert und ihre Pflege zu einer Staatsaufgabe geworden. Symbolisch stand die Kunst für „Wahrheit und Sinn [...], für das Gefühl vermittelte sie noch – das Ganze“.328) Im Gegensatz zur Industrie, die mit ihren ständig neuen Waren und Produkten das „Flüchtige“ repräsentierte, stand sie für das „Ewige“. Mit diesem Prestige, welches der Kunst in allen „Kulturmilieus“ des Kaiserreichs zukam,329) versuchten die Ausstellungsoffiziellen sich und ihre Expositionen zu schmücken. Die Künste gaben den Industrieerzeugnissen einen repräsentativen Rahmen, mit dessen Hilfe Industrie und Gewerbe Kulturfähigkeit und darüber auch Herrschaftsanspruch demonstrierten.330) „Ohne sich der Überheblichkeit schuldig zu machen“, habe die Industrie die Hand der Kunst ergriffen und mit ihr gemeinsam die Ausstellung in Düsseldorf 1902 realisiert, erklärte der Vorsitzende des Hauptausschusses Heinrich Lueg in seiner Eröffnungsansprache.331) Auch die Industrie sei „trotzdem und alledem berufen [...], die idealen Güter der Menschheit zu pflegen. Der Gedanke des Idealismus liegt anscheinend so weit vom industriellen Getriebe, so weit entfernt vom Russ und Rauch der Fabriken, so weit entfernt von dem Hasten und Rennen nach materiellem Gewinn, – aber meine Herren, was ist der Zweck und das Wesen der Industrie anders, als ein Volk von Grund auf zu heben, seine Kultur zu fördern und es so dem Ideal der Menschheit näher zu bringen?“
Nicht nur der „Griffel und der Pinsel“, sondern auch „die Hand, die den Hammer schwingt, der sinnende Geist, der am Reissbrett sitzt, seien „Kulturträger und Kulturvertreter im edelsten Sinne des Wortes“, erklärte Lueg. „Schönheit gepaart mit Kraft, harmonische Gliederung, das Streben nach dem Höchsten sind in dem so plump erscheinenden und doch so feinen Räderwerk der industriellen Organisation für den Sehenden zu schauen wie in jedem Kunstwerk.“ Zumindest in der Programmatik und dem Selbstverständnis der Aussteller fungierte die Kunst als Traditionsanker und Legitimationsgrund. Insbesondere die kunsthistorischen Altertümer standen für vergangene Größe und die Wurzeln des regionalen und nationalen Bewusstseins. Sie strahlten unmittelbar in die Gegenwart aus, wenn sich Handwerker wie Besucher ihre ästhetische Wirkung zu eigen machten, daran lernten und diese fortentwickelten.332) Sie verwiesen auf die historischen Zusammenhänge der jeweiligen 327)
Dieser wichtige Aspekt wird im folgenden Kapitel thematisiert. Vgl. dazu Mommsen, Kultur, S. 18: „Die neue bürgerliche Kultur war von Anbeginn an mit der Idee der Nation eng verschwistert. Kultur wurde ganz überwiegend als eine nationale Angelegenheit empfunden.“ 328) Nipperdey, Bürgertum, S. 26. 329) Vgl. Mommsen, Kultur, S. 7. 330) Vgl. dazu Wagner, Ewigen, S. 209. 331) Hierzu und zum Folgenden vgl. Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 29. 332) Vgl. Denkschrift über den Plan einer kunsthistorischen Ausstellung in Verbindung mit der Deutsch-nationalen Kunstausstellung, Düsseldorf 1902, S. 8.
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regionalen, später dann der nationalen Identität und bildeten ein komplementäres Pendant zu den Zukunftsvisionen, welche durch Technik und industriellen Fortschritt symbolisiert wurden. Die gegenwärtige Warenwelt wie auch die technisch-industriellen Neuerungen präsentierten sich eingebettet in ein Gesamtarrangement, welches Fortschritt, Kommerz, Kunst, Tradition und Herkunft auf das Engste miteinander verknüpfte. Das Zusammenspiel von Industrie und Kunst ist für die britischen Verhältnisse in einer Weise charakterisiert worden, welche auch für die deutsche Ausstellungskultur bis in die 1890er Jahre gilt: „Commerce funded culture, while culture reimbursed and glamorized commerce.“333) Mit dem Aufkommen der Moderne funktionierte diese Symbiose nicht mehr. Dieser Zusammenhang wurde aus zwei Richtungen brüchig: Selbst der Vertreter einer traditionellen Kunstauffassung Fritz Roeber334), der in Düsseldorf 1902 den Vorsitz der Kunstausstellung inne hatte, konstatierte, dass „der Zauberstab, mit dem die Kunst das Bedeutendste und Unscheinbarste [...] zum Kunstwerk macht“, vor den Maschinen seine Kräfte versage. „Alles, was Künstlerhand geschaffen hat, reicht nicht an den monumentalen Eindruck dieser in Bewegung befindlichen kolossalen Massen. Ganz neue Begriffe von grossartiger Erhabenheit, ja, von Schönheit werfen sie in die Welt. […] Hier ist der Ingenieur selbst Künstler geworden.“335) Damit deutete sich an, dass sich die enge Symbiose von Kunst und Industrie lockerte. Eine kunstinterne Entwicklung beförderte diesen Prozess zusätzlich: Die künstlerische Avantgarde, die in kritischer Absetzung zur Moderne eben diese wachsende Spannung thematisierte, blieb dabei außen vor. Nicht die allgemeine Industrie- und Gewerbeausstellung, sondern separate Ausstellungen waren das Medium der modernen Kunst, zu deren Programm die Entdeckung alternativer Wirklichkeiten, nicht die Reproduktion der Realität wurde. Mit dem Aufkommen eines Kunstmarktes und dem damit verbundenen Galeriewesen wurde die Kunst oder zumindest Teile von ihr zu einer ‚autonomen‘ Sphäre. Mittels Experiment und Avantgarde löste sie sich von der klassischen Bürgerlichkeit, um zugleich aber auch deren neue Verkörperung darzustellen. Die neue, höchst ambivalente Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft lässt sich wohl nirgendwo prägnanter studieren als am Beispiel des Expressionismus: In scharfer Konkurrenz zu traditionellen Stilrichtungen stand er für eine neue Unabhängigkeit der Kunst, um auf der anderen Seite in Themenwahl und Malstil – Überwältigung durch Technik und Großstadt, Zerrissenheit des Individuums – zutiefst eingebunden zu sein in die Auseinandersetzung mit der Moderne.
333)
Gilbert, Fairs, S. 20 f. Zur Charakteristik vgl. den entsprechenden Eintrag in Kunstmuseum Düsseldorf (Hrsg.), Lexikon der Düsseldorfer Malerschule 1819–1918, München 1998, S. 155 f. 335) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 61. 334)
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Nicht die weitere Entwicklung von Kunst und Gesellschaft muss hier das Thema sein, sondern die Konsequenzen dieses Prozesses für das Medium Industrie- und Gewerbeausstellung: Die „Einheit des kulturellen Bewußtseins“, welche dem Bürgertum zu Beginn des Kaiserreichs noch als „geistiges Rückgrat“ gedient hatte, 336) ging verloren und wich einer Pluralisierung kultureller Entwürfe. Aus dem Bürgertum selbst artikulierte sich das „Unbehagen in und an der bestehenden Kultur“, welches sich unter anderem am „PompösSelbstherrlichen in der offiziösen politischen Kultur“ entzündete.337) Damit konnte die Kunst für die Expositionen von Handel und Gewerbe nicht mehr im oben beschriebenen Sinne funktionieren. Der Wegfall dieses Bausteins in der Inszenierung der Expositionen ist ein weiteres Erklärungsmoment dafür, dass die allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen nach dem Ersten Weltkrieg in dieser Form nicht mehr stattfanden.
IV. Die Visualisierung des Fortschritts in der industrialisierten Gesellschaft Die Industrie- und Gewerbeausstellungen entwarfen ein Modell der industrialisierten Gesellschaft und animierten die Besucher dazu, daran zu partizipieren. Auf diese Weise sollte sich der Einzelne die unterlegten Ordnungsmodelle, Wertvorstellungen und Zukunftsverheißungen zu eigen machen. Um Identifikation zu ermöglichen verorteten das Deutungsangebot und der Erfahrungsraum Ausstellung den industriellen Fortschritt und die materielle Welt räumlich und zeitlich. Ein entscheidendes Ordnungsmuster für das 19. Jahrhundert war das der Nation, welches auf den Ausstellungen in Deutschland in doppelter Hinsicht präsent war: Zum einen wurden in den nationalen, regionalen und lokalen Expositionen nationale Identifikationsmuster popularisiert, die kleinräumigere Kommunikationsräume überformten und in eine größere Sphäre der Konsum- und Warenöffentlichkeit integrierten. Auf diese Weise dienten die Ausstellungen als Medien der inneren Nationenbildung. Zum anderen waren die deutschen Einzelstaaten und später das Deutsche Reich seit der Londoner Great Exhibition als Aussteller bei den Weltausstellungen beteiligt. Der direkte Vergleich beförderte das Nationalbewusstsein damit auch in Abgrenzung zu anderen Staaten. Beide Aspekte sind ebenso wie die Diskussion um die Veranstaltung einer Weltausstellung in Deutschland auf ihren Beitrag zum Nation Building der industrialisierten Gesellschaft zu befragen. Über das Modell der Nation hinaus boten die Ausstellungen auch weitere Orientierungsrahmen, welche sie durch Grenzziehungen und durch zeitliche 336)
Vgl. Mommsen, Kultur, S. 110. Hans-Ulrich Thamer, Der Januskopf der Moderne, in: Halbzeit der Moderne. Katalog zur Ausstellung im westfälischen Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, hrsg. von Klaus-Jürgen Sembach u. a., Stuttgart 1992, S. 169–183, S. 169. 337)
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Verortung etablierten. In den Gesamtinszenierungen der Ausstellungen übernahmen „Chronotope“ diese Leistungen. In fiktiven, in die Vergangenheit oder fremde Erdteile verlegte Ensembles wurden verschiedene Zeitschichten und Räume künstlich zusammengefügt und für den Besucher synchron erlebbar gemacht.338) Pseudo-mittelalterliche Ensembles gehörten zum Standardrepertoire der großen Ausstellungen und boten ihren Besuchern die Möglichkeit, auf dem begrenzten Raum der Ausstellungen und Sonderausstellungen simultane Reisen in Raum und Zeit zu unternehmen. Dabei stand die Erfahrung vergangener Größe und Schaffenskraft neben dem damit umso heller strahlenden visuellen Eindruck des aktuellen modernen Fortschritts: „Von der unscheinbaren Kreuzwölbung des Spandauer Thores“, welches 1896 im Ausstellungsterrain „Alt-Berlin“ gezeigt wurde, „bis zur monumentalen Pracht der Kuppelwölbung im Industriepalaste, welch ein Abstand!“339), so staunte der offizielle Katalog der Berliner Gewerbeausstellung und bot damit seinen Lesern und den Ausstellungsbesuchern zugleich eine Sehhilfe. Das Staunen über den Fortschritt verband sich in der Visualisierung der Ausstellung mit deutlichen Hinweisen auf eine evolutionäre Entwicklung: Nicht der Bruch mit der Vergangenheit, sondern das Zeigen der Wurzeln der zeitgenössischen Gesellschaft war das den Expositionen unterliegende Programm. Die Sonderausstellung „Kairo“, anlässlich der Ausstellung 1896340), oder die Erste Deutsche Kolonialausstellung, in der deutsche afrikanische Besitzungen und ihre Kultur präsentiert wurden,341) imaginierten nicht-europäische Welten, die als vormodern und der eigenen Gesellschaft nicht ebenbürtig qualifiziert wurden. Ethnographische Dörfer dienten als Kontrastfolie, auf der der im eigenen Erdteil und von Mitgliedern einer anderen Rasse (so die in der Berichterstattung oft enthaltene Implikation) erzielte Fortschritt umso heller strahlte.342) Deutsche Kolonialpolitik und ihre Visualisierung beförderten gleichermaßen die Idee einer territorialen Expansion wie den Nationalismus nach innen, womit „Exotismus“ und Nationalismus spiegelbildlich aufeinander verwiesen.343)
338)
Zum Begriff vgl. Mikhail Bakhtin, Forms of Time and the Chronotope in the Novel. Notes toward a Historical Poetics, in: Michael Holquist (Hrsg.), The Dialogic Imagination, Austin 1981, S. 84–258, S. 84. Zur Interpretation vgl. Alexander C. T. Geppert, Sites, Cities, Sights: Fin-de-Siècle Expositions and the Urban Fabric, in: Jahrbuch des Kulturwissenschaftlichen Instituts 2001/2002, S. 251–277, S. 271 f. 339) Berlin und seine Arbeit, S. 861. 340) Carl Krug, Officieller Führer durch die Special-Abtheilung Kairo der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Berlin o. J. [1896], S. 3. 341) Vgl. Gustav Meinecke, Deutschland und seine Kolonien. Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonial-Ausstellung, Berlin 1897. 342) Vgl. zur Interpretation dieser Visualisierungsstrategie Bennett, Complex, S. 90. Anders Wörner, Vergnügung, S. 118. 343) Ähnlich argumentiert Hoffenberg mit Blick auf englische Imperialausstellungen. Vgl. Hoffenberg, Empire, S. XIV.
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1. „Deutscher Stil“, „deutsche Arbeit“, „deutsches Reich“ – Nation und Nationalismus in den Industrie- und Gewerbeausstellungen „In dem Ausstellungsgebäude für ‚Nahrungs- und Genussmittel‘ staunten zwei Berliner Damen die mehrere Meter hohe massive Chokoladensäule an. Die eine las laut die Inschrift: ‚Ein Reich, ein Volk, ein Gott.‘ Die andere meinte, ‚un das alles aus purer Choklade! Jrosartig!‘“344)
Eine Weltausstellung hat vor der Expo 2000 in Hannover in Deutschland nicht stattgefunden. Obwohl die direkte Konfrontation und der internationale Vergleich fehlten, waren die Ausstellungen in den deutschen Staaten wie auch im späteren Reich dennoch wichtige Instanzen der Bildung eines Nationalbewusstseins. Neben der Publizistik, der Literatur, Festen und Denkmälern waren sie ein Medium, mit dem ein gemeinsamer visueller Code etabliert wurde, in dem die Qualitäten der deutschen Nation, ihr spezifischer Stil und ihre historischen Wurzeln popularisiert wurden. Unter anderem über diese Vehikel wurde das Elitenphänomen Nationalismus zu einer Massenerscheinung.345) In der Nationalismusforschung wurden Fragen nach der intensivierten Kommunikation und der daraus hervorgegangenen Komplementarität der sozialen Beziehungen vor allem in Studien untersucht, die sich dem Konzept des Nation Building verschrieben haben.346) Dieser Erklärungsansatz geht weit über eine rein funktionale Erklärung des Nationalismus hinaus und nimmt auch die affektiven, emotionalen und ästhetischen Aspekte in den Blick.347) In den Ausstellungen waren es Faktoren wie der „Deutsche Stil“ und, in Erweiterung dazu, die „deutsche Arbeit“, welche zu zentralen nationalen Identifikationsangeboten wurden.348) Am Anfang standen die Nationalausstellungen der vierziger und fünfziger Jahre. Sie waren ein Teil der Öffentlichkeit, in dem die innere Einigung Deutschlands beschworen wurde. Nach dem Kölner Dombaufest 1842, parallel zu den bürgerlichen Sänger- und Schützenfesten und noch vor den Germanistentagen von 1846 und 1847 war insbesondere die vom Zollverein beschlossene und von Preußen ausgerichtete „Allgemeine deutsche Gewerbe-
344)
Kladderadatsch 49. Jahrgang Nr. 19 vom 10. Mai 1896, S. 74. Vgl. Wolfgang Hardtwig, Vom Einzelbewusstsein zur Massenbewegung. Frühformen des Nationalismus in Deutschland 1500–1840, in: ders. (Hrsg.), Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500–1914, Göttingen 1994, S. 34–54. 346) Karl W. Deutsch, Nationenbildung – Nationalstaat – Integration, Düsseldorf 1972. 347) Vgl. Heinz-Gerhard Haupt/Charlotte Tacke, Die Kultur des Nationalen. Sozial- und kulturgeschichtliche Ansätze bei der Erforschung des europäischen Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert, in: Wolfgang Hardtwig/Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Kulturgeschichte heute, Göttingen 1996, S. 255–283. 348) Für die Ausstellungen ist dieser Zusammenhang beschrieben worden von Catherine Albrecht, Pride in Production: The Jubilee Exhibition of 1891 and Economic Competition between Czechs and Germans in Bohemia, in: Austrian History Yearbook XXIV (1993), S. 101–118. 345)
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Ausstellung“ von 1844 Ausdruck einer deutschen Nationalbewegung, in diesem Fall als „Vorwegnahme und Abbild der in ihrer Industrie vereinten Nation“.349) Die Berliner Ausstellung war, wie der Amtliche Bericht verkündete, ein „vaterländisches Unternehmen“, eine „deutsche Angelegenheit“ und die Teilnahme daran eine „Frage der Ehre für die deutsche Industrie“.350) In den offiziellen Texten der Ausstellung erschien die Berliner Exposition von Industrie und Gewerbe als eine Antizipation der deutschen Einheit: „Von den Alpen bis zur Nordsee, von den Ardennen bis jenseits des Niemen, hatte sich die Tätigkeit gemeinsinniger Männer vereinigt, um in einem großen Gemälde die Erzeugnisse ihrer industriellen Aufmerksamkeit dem Vaterlande vor Augen zu legen. Es hatte sich gezeigt, daß das vaterländische Gefühl, welches uns seit Jahrtausenden verbindet, nicht erstorben, daß es in unsern Tagen wieder lebendiger und durchdringender geworden war.“351)
Auch wenn die Beschickung der Ausstellung durch Gewerbetreibende zeigte, dass die deutschen Staaten unterschiedlich stark engagiert waren352), nahmen doch alle dem Zollverein angeschlossenen Regierungen mindestens durch die Entsendung von Kommissionen teil.353) Eine ähnliche Veranstaltung, die parallel zur Leipziger Messe 1850 stattfinden sollte, aber nicht vom Zollverein ausgerichtet wurde, konnte solchen Zuspruch nicht für sich verbuchen.354) Die zweite im Auftrag des Zollvereins veranstaltete Ausstellung in München 1854 wurde zugleich auf Österreich ausgedehnt, hatte die Habsburgermonarchie doch am 19. Februar 1853 in einem Zollvertrag erweiterte Handelsbeziehungen zum Zollverein aufgenommen. Nachdem die erste Einladung in den deutschen Staaten nur wenig Resonanz gefunden hatte, beteiligten sich letztlich an der Ausstellung selbst mit einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle fast alle deutschen Staaten.355) In seiner Replik auf die Eröffnungsansprache wünschte der bayerische König, dass „die deutsche Vereinigung, welche im Glaspalaste repräsentiert ist, nicht bloss vorübergehend, sondern bleibend darum auch dauernd in ihren guten und gemeinnützigen Folgen sein werde“.356) Die Nationalausstellungen fanden in Deutschland allerdings keine
349)
Der Vorgängerveranstaltung in Mainz 1842 mangelte der ‚offizielle‘ Charakter, da diese von privater Seite aus organisiert wurde. Haltern, Weltausstellung, S. 28. 350) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 2, S. 36. 351) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 1, S. 71. Vgl. Haltern, Weltausstellung, S. 28. 352) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 3, Berlin 1845, S. 47–50: „Uebersicht der von den einzelnen Gebieten betheiligten Aussteller, der Sendungen und der Werthe derselben“. 353) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 145. 354) Steinbeis, Generalbericht, S. 95 f.: „Die Ausstellung konnte insofern als eine allgemeine deutsche nicht betrachtet werden, als viele Provinzen Deutschlands sehr wenig, einzelne gar nicht vertreten waren.“ 355) Offizielle Absagen kamen vom Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, dem Herzogtum Holstein Lauenburg und dem Fürstentum Waldeck. Vgl. Amtlicher Bericht München 1855, S. 36. 356) Ebd., S. 159.
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Fortsetzung.357) Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das mit der raschen Folge der Weltausstellungen zu erklären, auf denen sich die auf den Export bedachten deutschen Firmen zu profilieren hatten.358) Auch nach der Reichsgründung kreiste die Diskussion eher darum, ob in Deutschland eine Weltausstellung abzuhalten sei, als dass nochmals ein nationales Projekt geplant wurde. Die großen Provinzialausstellungen der achtziger und neunziger Jahre hatten mit Blick auf die Nation und die Bildung eines Nationalbewusstseins eine andere Stoßrichtung als die Nationalausstellungen der vierziger und fünfziger Jahre. Der Akzent verschob sich von der „inneren Einigung der Deutschen zur Machtstellung Deutschlands in Europa und in der Welt“.359) Seit den siebziger Jahren waren die Ausstellungen unter anderem dezidiert als Repliken auf missglückte Auftritte bei Weltausstellungen gedacht: In Düsseldorf 1852 glaubten die Veranstalter der Düsseldorfer Gewerbeausstellung, eine schlechte Präsentation in London ausgleichen zu müssen.360) Zur Weltausstellung 1876 in Philadelphia hatte das Wort des deutschen Ausstellungskommissars Franz Reuleaux, der die deutsche Ware als „billig und schlecht“ bezeichnet hatte,361) nicht nur Protest ausgelöst, sondern war auch einer der Anstöße zu den Ausstellungen in Hannover und Düsseldorf.362) Die sächsisch-thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 erklärte sich ebenso wie die Ausstellungen in Berlin und Nürnberg 1896 zu einer Veranstaltung, „die nicht bloss Propaganda für die in Leipzig ausstellenden Länder [macht], sondern zugleich für die Gesamtindustrie Deutschlands, von der es dem Auslande nahezu ein Vollbild vorführt.“ Solange keine deutsche Nationalausstellung stattfinde, so erklärten die Veranstalter, möge man die sächsisch-thüringische wie auch andere Ausstellungen „in größerem Stile betrachten und bewerten.“363) Bereits im Vorfeld der Pariser Weltausstellung
357)
Vgl. Karl Karmarsch, Geschichte der Technologie seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, München 1872, S. 170. 358) Vgl. zu diesem Argument und weiteren Erörterungen Paquet, Ausstellungsproblem, S. 158. 359) Nipperdey, Geschichte, Bd. 2, S. 257. 360) Vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, XII Nr. 176, S. 7 f. 361) Vgl. Franz Reuleaux, Briefe aus Philadelphia, Braunschweig ²1877, S. 5. Vgl. zur zeitgenössischen Rezeption Gustav Hirth, Franz Reuleaux und die deutsche Industrie auf der Weltausstellung zu Philadelphia, Leipzig 1876. 362) Vgl. R. Hartmann, Geschichte der Residenzstadt Hannover von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Hannover 1880. Auch die Presse verbreitete diese Argumentation. Vgl. exemplarisch Die Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover, in: Hamburger Nachrichten Nr. 172 vom 22. Juli 1878 (Abendausgabe), S. 1. Für Düsseldorf vgl. Stadtarchiv Düsseldorf, „Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880, bearbeitet und herausgegeben im Auftrag und unter Mitwirkung des Vorstandes der Ausstellung, Düsseldorf 1881“, S. 8. 363) Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897, Im Auftrage des geschäftsführenden Ausschusses bearbeitet von Johannes Kleinpaul, Leipzig o. J. [1897], S. XI.
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1900 begründeten die Organisatoren der Rheinisch-westfälischen IndustrieAusstellung 1902 ihr Engagement damit, dass die im Ruhrgebiet beheimatete Schwerindustrie schon aus Platzmangel in Frankreich nicht angemessen repräsentiert sein könne. In seiner Eröffnungsrede verkündete der Ausstellungsvorsitzende dann folgerichtig, dass in Paris „die deutsche, und insbesondere die rheinisch-westfälische Grossindustrie räumlich totgedrückt“ worden sei, „Luft und Licht zur Entfaltung waren ihr versagt.“364) Auf der Ausstellung 1902 könne die deutsche Industrie, als dessen Repräsentanten die Provinzen Rheinland und Westfalen auftreten sollten, beweisen, „daß wir den friedlichen Wettstreit mit anderen Nationen nicht nur nicht scheuen, sondern daß wir auf manchen Gebieten größere und bessere Leistungen aufzuweisen haben, als andere Nationen.“365) In dem in den Ausstellungen zu beobachtenden Nationalismus verbanden sich unterschiedliche Motive: Der Redakteur der Düsseldorfer Ausstellungszeitung pries die Veranstaltung als ein „Kollektivinserat“, welches sich insbesondere im „recht heißen Wettlauf“ der Nationen bewähren werde. „Wie im Leben überhaupt und ganz speziell im Wirtschaftsleben alles Wettstreit und Kampf ist, so ist auch die Ausstellung selbst ein Krieg, freilich ein Krieg im Frieden, sich abspielend auf einem nach allen Regeln der Kunst stylisierten und geschmückten Hintergrunde, jedoch auf alle Fälle ein Krieg, der dem Besiegten nicht minder schmerzliche Wunden zu schlagen vermag, als sonst das ‚Feld der Ehre‘ erträgt.“366)
Die Organisatoren der Sächsisch-thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung verglichen ihre Veranstaltung mit einer Heerschau: Ähnlich wie diese zur Selbstvergewisserung einer Armee diene, solle auch die Gewerbeausstellung „das Selbstvertrauen der von aussen bedrohten Industriellen stärken, soll Freund und Feind zeigen, was man geworden, was man zu leisten im Stande ist, soll neue Freunde gewinnen, zweifelhafte Parteigänger in treue Kunden verwandeln.“367) Von der Prämisse des Markterfolges war die Suche nach dem „deutschen Stil“ nicht zu trennen. In diesem Zusammenhang hatte die Kunst die Vorreiterrolle auch im gewerblichen Ausstellungswesen: Mehr als Industrie und Gewerbe waren es ihre Vertreter und Zusammenschlüsse, die den nationalen Gedanken in Expositionen beförderten: „Die Einheit, die uns das Vaterland noch nicht bieten kann, wir wollen sie wenigstens gründen in der deutschen Kunst, wir wollen die nationale Kunst und die nationale Einheit“368), so das 364)
Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 28. Ebd., S. 14. 366) „Ausstellungsgedanken von Dr. S. Tschierschky-Langenberg: Was ist und zu welchem Zweck beschicke ich die Düsseldorfer Ausstellung 1902?“, in: Ausstellungszeitung der Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, No 3, 1. Mai 1900, S. 42–45, S. 42. 367) Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. XXIII. 368) Heinrich Deiters, Geschichte der allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft von ihrer Entstehung im Jahre 1856 bis auf die Gegenwart, Düsseldorf o. J., S. 8. 365)
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Motto der 1858 in München abgehaltenen Ausstellung der Deutschen Kunstgenossenschaft. Nach weiteren auf die Kunst beschränkten Ausstellungen in Köln 1861 und in Wien 1868 verbanden sich die Interessenverbände von Kunst und Industrie erstmals in Düsseldorf 1880: Wo sich die Exposition von Industrie und Gewerbe auf den rheinischen und westfälischen Raum beschränkte, da stellten Künstler aus ganz Deutschland ihre Werke aus. Insbesondere die Reichsgründung gab starke Impulse zu einer breiten, zum Teil „sogar hitzig geführten Debatte“ über Fragen der Kunst und des Stils.369) Bereits vorher geübte Kritik an der mangelnden künstlerischen Ausbildung, Stilsicherheit und Originalität deutscher Produzenten erhielt durch den militärischen Sieg zusätzliches Gewicht: Jetzt sah man die Zeit einer „‚allgemeinen Abrechnung‘ […] vor allem auch mit dem französischen Geschmack“ gekommen.370) Die „verderblichen Einflüsse des welschen Tandes“ müssten nun den Erzeugnissen deutscher Art weichen.371) Insbesondere dem Kunstgewerbe und den plastischen Künsten sollte dabei laut einem Ausstellungskatalog von 1880 die Aufgabe zukommen, die deutsche Industrie „in die Lage zu bringen, mit Frankreich auch bezüglich des Geschmacks […] zu konkurrieren.“372) Auf der Schlussfeier der Düsseldorfer Ausstellung 1880 hob der Ehrenpräsident die besondere Leistung der Kunst für diese Ausstellung hervor: Es sei ein „glücklicher Gedanke“ gewesen, Kunst- und Gewerbeausstellung miteinander zu verbinden. Nicht die Förderung des Handwerks, sondern die Ausbildung und Verfestigung des nationalen Charakters standen ganz im Vordergrund der Überlegungen: Die Kunst habe das „Banner der deutschen Nationalität fest aufgepflanzt und treu bewahrt“. Deutsche Kunst sei gleich weit entfernt vom „Partikularismus, der baierisch oder preußisch malen möchte“ wie von der „Internationalität, welche dem deutschen Sinn widerstrebt“. Gelte dieses auch für Wissenschaft und Gewerbe, so stehe doch insbesondere die Kunst im Einklang mit dem nationalen Empfinden. Daran, so beschrieb der Redner den besonderen Zweck der Verbindung von Kunst und Industrie, sollten sich auch Gewerbetreibende und Industrielle orientieren.373) Der Vorsitzende der Kunstausstellung, August Becker, hatte die nationalintegrative Wirkung der Kunst bereits zur Eröffnung hervorgehoben. Ihm galt die Kunstausstellung 1880 wie auch ihre Vorgänger als Beleg dafür, „dass es eine nationale deutsche Ausdrucksweise in der Kunst gibt, die sich gleich geblieben ist von den Zeiten Dürers und Holbeins an bis auf unsere Tage. Charakterisieren
369)
Reulecke, Kunst, S. 86. Ebd., S. 87. 371) So die Argumentation von Hermann Schwabe, Kunstindustrielle Bestrebungen in Deutschland, in: Der Arbeiterfreund. Zeitschrift für die Arbeiterfrage 8 (1870), S. 416 ff. 372) Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung Düsseldorf 1880, S. 206. 373) Stadtarchiv Düsseldorf, XVIII 1 – Sitzungen des Hauptkomitees und des Vorstandes, Sammlung hektographierter und gedruckter Denkschriften 1878–1881: Circular Nr. IX an die Mitglieder des Haupt-Comitees der Gewerbe-Ausstellung vom 30. November 1880. 370)
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lässt sich diese nationale Ausdrucksweise kurz mit den Worten: geistvoll und innig in der Empfindung, bescheiden in der Ausstattung, und in der Darstellung strenges Anlehnen an die Natur.“ Allen modischen Abirrungen zum Trotz hafteten diese Charakteristika allen „wirklich gediegenen deutschen Kunstwerken“ an: „der gesunde deutsche Sinn behielt immer die Oberhand.“374) Die Diskussion um eine „deutsche Kunst“ im engeren Sinne wurde von einer ästhetisch interessierten Bildungsschicht geführt, erhitzte sich insbesondere im Kontext der Internationalen Kunstausstellung in Berlin 1891 noch einmal und gewann an Dichte und Reichweite bis in die unmittelbaren Vorkriegsjahre.375) Der aus Künstlern, Industriellen, Intellektuellen und Politikern bestehende Werkbund nahm dabei ab 1907 eine Sonderstellung ein: Obwohl nun unter Anton von Werner seit Jahrzehnten eine offizielle nationalistisch überhöhte Staatskunst betrieben wurde, forderte der Zusammenschluss einen nationalen Kunststil, welchen er im Schaffen der offiziösen Künstler nicht erkennen konnte. Dieses sei zwar mit „imperialistischem Expansionsdrang“ angereichert, doch handelte es sich um eine „späte Ausformung des liberal-emanzipatorischen Nationalismus.“376) Diese von einer ästhetisch interessierten Bildungsschicht geführte Diskussion kam programmatisch in den Eröffnungsreden und Schlussfeiern der Expositionen zur Sprache. Nicht nur Kunstzeitschriften im engeren Sinne, sondern auch weitere Teile der Presseorgane thematisierten diese Auseinandersetzungen.377) Wesentlich breitere Wirkung hatten andere Kanäle der Nationalisierung innerhalb der Ausstellungen: Insbesondere die Gewerbetreibenden und Industriellen bestimmter Sparten nutzten die Ausstellungen, um gegen das in ihren Augen falsche Urteil der Minderwertigkeit deutscher Produkte vorzugehen. Schon die theoretische Literatur und die Publizistik beschrieben die Möglichkeit, den Besucher von der Gleich- und Höherwertigkeit nationaler Produkte zu überzeugen, als einen der Vorzüge des Ausstellungswesens.378) Als Reaktion auf die Düsseldorfer Ausstellung 1852 erklärte die Düsseldorfer Zeitung, dass durch diese und ähnliche Expositionen
374)
Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung und einer Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer, Düsseldorf 1880, S. 72 f. 375) Vgl. die Analyse der Auseinandersetzung der Berliner Secession bei Peter Paret, Die Berliner Secession. Moderne Kunst und ihre Feinde im Kaiserlichen Deutschland, Frankfurt a. M. 1983, S. 91–224. 376) Wolfgang Hardtwig, Kunst, liberaler Nationalismus und Weltpolitik, in: ders. (Hrsg.), Nationalismus, S. 246–273, S. 273. 377) Vgl. exemplarisch die Eröffnungsansprache des Direktors der Gewerbe- und KunstAusstellung Düsseldorf 1880, bearbeitet und herausgegeben im Auftrag und unter Mitwirkung des Vorstandes der Ausstellung, Düsseldorf 1881, S. 24. 378) Vgl. dazu Abschnitt B II dieser Studie.
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„den Leuten die Augen aufgingen […], sie können das Heimische gegen das Fremde abwägen und für die vaterländische Industrie ersprießliche Vergleiche ziehen. Sie lernen einsehen, daß man nicht nach Leeds zu reisen braucht, um eine echte, schöne Klinge zu sehen, daß das westphälische Linnen sich vor dem englischen nicht zu schämen habe, daß wir die Pariser Juweliere entbehren können, daß wir, mit einem Worte, nicht halb so dumm und geschmacklos sind, wie wir es selbst gewöhnlich glauben.“379)
Die nationale Konkurrenz als direkter Vergleich zwischen Produkten blieb auch in der Folgezeit ein Motiv der Ausstellung, an dem sich Nationalität artikulierte: „Deutscher Schaumwein“ sei kein „minderwertiges Surrogat für echten französischen Champagner“, verkündete die Koblenzer Kellerei Deinhard & Co noch 1902. Die ganze Szenerie des Ausstellungsarrangements war darauf ausgerichtet, den Besucher über die Produktion des Weines zu informieren und damit von der Qualität des Produkts zu überzeugen. In einer Werbeschrift appellierte die Firma auch an das „Nationalgefühl“. Nicht in dem Sinne, dass sich der Kunde nur aus Patriotismus der schlechteren deutschen Ware zuzuwenden habe; „Nur darf das ausländische Etikett keine grössere Empfehlung sein, als das deutsche, und allein der wirkliche Wert muss entscheiden.“380) Dass sich dort, „wo Patriotismus en vogue war, auch ein kruder und cleverer Geschäftspatriotismus einstellte, […] verwundert kaum.“381) Die deutsche Chemieindustrie beispielsweise profilierte sich vorrangig auf den Weltausstellungen, darüber hinaus aber auch in den Ausstellungen in Deutschland als eine „deutsche“ Wissenschaft, um auf diese Weise für den Ausbau staatlicher Forschung zu werben.382) Auch mit der Elektrizität und der Elektrotechnik verband sich die Repräsentation von wirtschaftlicher Macht, technischer Vorrangstellung und nationaler Stärke.383) Werner (von) Siemens war die Galionsfigur für die Bemühungen, mit denen sich Ingenieure und Elektrotechniker zu (Mit-)Trägern der Nation stilisierten. Umgekehrt wirkten Höchstleistungen auf dem Gebiet von Technik und Industrie ihrerseits auf das nationale Profil zurück.384) Eingeschränkt waren diese Demonstrationen von Nationalismus in den Industriezweigen, die vorrangig auf den Export angelegt waren: Schon in seinen Briefen von der Weltausstellung in Philadelphia hatte Reuleaux moniert, dass
379)
„Die Gewerbe-Ausstellung“, in: Düsseldorfer Zeitung Nr. 212 vom 31. August 1852, S. 2. 380) Deinhard & Co., Wie entsteht der deutsche Sekt? Dargestellt auf der Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, Köln 1902, S. 7. 381) Nipperdey, Geschichte, Bd. 2, S. 264. 382) Vgl. Berlin und seine Arbeit, S. 402. In der Literatur vgl. Radkau, Technik, S. 403. Vgl. dazu H. Danneel, Die Elektrochemie und die Metallurgie der für die Elektrochemie wichtigen Metalle auf der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1902, Halle 1903; Gustav Keppeler, Chemischer Führer durch die Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, Leipzig 1902. 383) Vgl. Binder, Elektrifizierung, S. 155 ff. 384) Vgl. Radkau, Technik, S. 132.
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„Deutschland in den gewerblichen und bildenden Künsten keine anderen Motive mehr [wisse], als tendenziös-patriotische, die doch auf den Weltkampfplatz nicht hingehören“. Die der Chemie eng verbundene Farbenindustrie, in welcher sich die Vormachtstellung Englands zur Jahrhundertmitte um 1900 zu Gunsten Deutschlands umgekehrt hatte, hatte diese Lektion gelernt und zeigte sich wie andere Sparten auch, die vorrangig auf den Export angewiesen waren, nur verhalten nationalistisch.385) Die Diskussion um nationale Stile erweiterte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts und umfasste die Arbeit im Gesamten, welche nun nicht nur zur „Signatur der Zeit“, sondern auch zur Charakterisierung und Messlatte der Leistung ganzer Völker erklärt wurde.386) Arbeit wurde nun in den nationalen Raum eingeschrieben, zum einen durch Kodifizierung des Arbeitsrechtes, Verwaltung der Arbeitslosigkeit und andere Regelungsmechanismen, zum anderen auf einer ideologischen Ebene.387) Stolz verwies der Ausstellungsvorsitzende Heinrich Lueg darauf, dass auf dem Düsseldorfer Ausstellungsgelände 1902 die englischen Werkbänke, die noch 1880 das Bild geprägt hatten, verschwunden seien und durch Produkte des deutschen Maschinenbaus ersetzt wurden. Ausgehängte Statistiken zum deutschen Export nach England sollten die nationalen Erfolge im industriellen Wettstreit untermauern.388) Diese Verbindung von Arbeit und Nation war ein Vehikel dafür, dass die bestehende Gesellschafts- und Staatsordnung zunehmend mit der Nation identifiziert wurde389), wohingegen regionale und lokale Deutungsmuster in ihrer Bedeutung zurücktraten. Nation wurde anschaulich durch das, was sie in der Vergangenheit geleistet hatte, die kunsthistorischen und kunstgewerblichen Altertümer gaben Zeugnis davon. Die Nation war der Rahmen, in dem auch der weitere Fortschritt zu realisieren war. Selbst in regionalen und lokalen Ausstellungen wurden die Landeswappen und Wappen der in der Ausstellung vertretenen Städte und Regionen durchweg kombiniert mit Fahnen in Reichsfarben.390) Dabei standen nationale und regionale Symbolik nicht in 385)
Vgl. Maiken Umbach, Made in Germany, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte Bd. II, München 2001, S. 405–418, S. 407. 386) Frank Trommler, Die Nationalisierung der Arbeit, in: Reinhold Grimm/Jost Hermand (Hrsg.), Arbeit als Thema in der deutschen Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Königsstein 1979, S. 102–125. 387) Vgl. Conrad/Macamo/Zimmermann, Kodifizierung, S. 461–463. 388) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 28. 389) Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 256. 390) So mischten sich beispielsweise im Straßenschmuck der Detmolder Ausstellung „das deutsche Schwarz-Weiß-Roth mit dem lippischen Roth-Gelb und dem schaumburg-lippischen Blau-Roth-Weiß“. Lippische Gewerbeausstellung in Detmold 1881. Die Eröffnungsfeier, in: Lippische Landes-Zeitung No. 164 vom 16. Juli 1881, S. 1. Vgl. auch Die Braunschweigische Gewerbe-Ausstellung 1877 in Braunschweig unter dem Protectorate Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig 1877, S. 14. Vgl. auch Staatsarchiv Detmold, L 115 D, Nr. 32. Vgl. auch Stadtarchiv Essen, Rep. 102, Abtlg. XX, Nr. 1. Die Eröffnung der allgemeinen Gewerbeausstellung in Essen, Essener Volkszeitung,
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Spannung, sondern existierten parallel zueinander. Dem Selbstverständnis der Organisatoren der Sächsisch-thüringischen Gewerbeausstellung in Leipzig 1897 nach war das Unternehmen eine „Frucht des Gemeinsinns der Einwohnerschaft [und des] Lokalpatriotismus“.391) Darüber hinaus aber waren diejenigen eingeladen, mit denen man wirtschaftlich auf das Engste verbunden war: „die Industrien des Königreichs Sachsen, der benachbarten Länder und Kreise“, mit denen Industrie wie Handel „täglich, fast stündlich verkehren, mit denen sie von Kindesbeinen aufgewachsen, mit denen sie durch Tausende von Interessen und Fäden verknüpft sind“. Mit diesem Arrangement repräsentiere man ein Viertel der deutschen Wirtschaftskraft und mache ähnlich wie die Expositionen in Berlin und Nürnberg 1896 „nicht bloss Propaganda für die in Leipzig ausstellenden Länder, sondern zugleich für die Gesamtindustrie Deutschlands, von der es dem Ausland nahezu ein Vollbild vorführt.“ Allein in Sparten wie dem Kunstgewerbe dominierten teilweise eindeutig regionale und landsmannschaftliche Zuschreibungen.392) Im Überbau der Ausstellungen wie auch in der offiziellen Repräsentation spielte der Reichsnationalismus aber eine große Rolle und wurde nicht als Konkurrenz zu den regionalen Eigenheiten gesehen.393) Die Vorstellungen von der „deutschen Arbeit“ und dem „deutschen Stil“ hatten ein hohes Integrationspotenzial. Einer der Vordenker dafür, „Arbeit“ mit nationalen Implikationen zu versehen, war der Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl: Beim „wahren Fortschreiten der Kultur“, so schrieb er in seinem Buch Die deutsche Arbeit, solle „zuletzt jeden Arbeiter das Bewußtsein begeistern, daß er nicht bloß für sich und die Seinen, sondern zugleich für die Nation arbeitet, daß er mitwirkt, die Grundlagen unseres lebendigsten Lebens, unserer Volkspersönlichkeit, eigenartig zu gestalten.“394) Im letzten Drittel des Jahrhunderts nahm die Beschäftigung mit dem Faktor Arbeit und der Arbeitserfahrung in allen weltanschaulichen Lagern zu.395) Nicht allein fortschreitende Maschinisierung, Hoch-
223, 1893 von 19. 6. Enthalten in: Zeitungsausschnittssammlung der Stadtbücherei Essen (1893), 139, Za 15,1. 391) Vgl. dazu und im Folgenden Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. XVI f. 392) Vgl. die verschiedenen Anträge auf Industrie- und Gewerbeausstellungen in Brandenburg, die vor allem auf das regionale Kunstgewerbe abzielen, in Landeshauptarchiv Brandenburg, Regierung Potsdam, Rep. 2 A I HG Nr. 3396, S. 166 ff., S. 340. 393) Damit ist im industriell-gewerblichen Bereich eine deutlich andere Entwicklung zu beobachten als beispielsweise im Bereich des Militärs. Hier gelingt die Integration zu einer Nationalsymbolik nicht, so die These von Jakob Vogel, Nationen im Gleichschritt. Der Kult der „Nation in Waffen“ in Deutsch-land und Frankreich 1871–1914, Göttingen 1997, S. 281. 394) Wilhelm Heinrich Riehl, Die deutsche Arbeit, Stuttgart 1861, S. 107. Hervorhebungen im Original. 395) Vgl. exemplarisch Detlev Freiherr von Liliencron, Arbeit adelt. Genrebild in zwei Akten, Leipzig 1887; Karl Biedermann, Die Erziehung zur Arbeit – eine Forderung des Lebens an die Schule, Leipzig 1883; F. W. Otto, Arbeit und Christentum. Eine zeitgeschichtliche Studie, Gütersloh 1871.
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industrialisierung und eine damit verbundene kollektive wie individuelle Verdichtung von Arbeit waren dafür verantwortlich, sondern auch die Auseinandersetzung mit der aufkommenden Arbeiterbewegung.396) Im internationalen Vergleich wurde nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch ihre soziale Organisation und Einbettung zu einem nationalen Markenzeichen: Die Ausstellung zur Leistung der deutschen Sozialsysteme avancierten zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Element der nationalen Selbstdarstellung auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts.397) Der Erste Weltkrieg wirkte katalysatorisch für die Nationalisierung der Arbeit, „er machte die nationale Stilisierung offiziell“.398) Der friedliche Wettstreit der Industrie wurde nun zu einem wichtigen Bestandteil der militärischen Auseinandersetzung. In zahlreichen publizistischen und literarischen Zeugnissen wurden „Hammer und Schwert“399), die industrielle Produktion und der militärische Kampf, parallelisiert. Die nationalchauvinistische Wendung machte vor dem Ausstellungswesen nicht Halt: Eine im Dezember 1916 herausgegebene Propagandapostkarte kontrastierte die Frühjahrsmessen in Leipzig und Lyon. Dabei stand nicht nur eine leere Ausstellungsfläche gegen die Suggestion von Fülle. Deutschem Fortschritt – „Größte Auswahl in allen weltbekannten Artikeln sein 500 Jahren“ – stand die magere Präsentation der Franzosen gegenüber, deren Exponate meist „made in England“ waren oder sich an deutsche Produktionen anlehnten. 2. Deutschland in der Welt, die Welt in Deutschland – Nationale Repräsentation im In- und Ausland Dass die Weltausstellungen gerade im 19. Jahrhundert aufkamen und populär wurden, erscheint auf den ersten Blick paradox: In bisher unbekannten Ausmaßen wurden parallel zur Nationenbildung und zum Nationalismus internationale, ihrem Anspruch nach die Welt umgreifende Zusammenkünfte organisiert. In der Rhetorik der Macher und Organisatoren waren die inter- und übernationale Verständigung sowie der „Völkerfriede“ eines der vorrangigen Ziele des internationalen Ausstellungswesens. Die Weltausstellungen symbolisierten die Überzeugung, die Völker politisch und kulturell zusammenzuführen, idealiter galten sie als „eine Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens“.400) Diese Tradition hatte Prinz Albert bei der Londoner Weltausstel-
396)
Vgl. Trommler, Nationalisierung, S. 106. Vgl. dazu die Ausführungen zur „Befriedung der Arbeit“ in dieser Studie, Abschnitt D I. 398) Trommler, Nationalisierung, S. 118. 399) Christoph Wieprecht, Hammer und Schwert, Mönchengladbach 1918. 400) So zum Beispiel die offizielle Einladung für die Weltausstellung in Wien 1873. Zitiert nach Fuchs, Repräsentation, S. 9. Vgl. dazu Jutta Pemsel, Die Wiener Weltausstellung von 1873, Wien/Köln 1989, S. 15–19. 397)
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lung 1851 begründet, und verbal fand sie auch dann noch ihre Fortsetzung, als die Weltausstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend zu Demonstrationen nationaler Macht und Stärke mutierten. In der Ausstellungspraxis fand sich von den hehren Intentionen der offiziellen Programme und der Eröffnungsansprachen nur wenig wieder: Ausgehend von der Great Exhibition, in der die Hälfte der Ausstellungsfläche für die nationale Industrie reserviert war und die somit vor allem die Überlegenheit britischer Produkte repräsentierte, dominierte eine nationale Anordnung die Klassifikationsschemata der Ausstellungen.401) Der Rhetorik von Völkerverständigung und internationalem Kulturfortschritt zum Trotz waren die Weltausstellungen ein effektives Mittel dazu, nationale Identitäten zu stiften und zu verfestigen. In den Weltausstellungen schufen sich die Nationen ein Mittel der Relation und der Differenzierung: Im direkten Nebeneinander der nationalen Repräsentationen gelang es, einen visuellen Code zu etablieren, mit dem die Qualitäten jeder Nation, ihr spezifischer Stil und ihre historischen Wurzeln symbolisiert wurden.402) Spätestens mit dem Aufkommen der Nationalpavillons, die zu Gunsten einer großen gemeinsamen Ausstellungshalle eingesetzt wurden, avancierte das Nationale zum Prinzip der Inszenierung und Gestaltung. „Statt sich nun mittels und separiert nach Branchen zu präsentieren, wird die Integration nationaler Ökonomie und Kultur in die gemeinsame Fassung zur zentralen Präsentationsstrategie.“403) Deutschland in der Welt, die Welt in Deutschland – die Ausstellungen in Deutschland und im deutschen Reich waren in vielfacher Hinsicht eingewoben in das world wide web des Ausstellungsgenres. Nach innen wirkten die Weltausstellungen als Schrittmacher des nationalen Expositionswesens. Nach außen sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Deutsche Industrielle, Gewerbetreibende und die Führung der einzelnen Staaten sowie des Reiches waren als Aussteller an den Weltausstellungen beteiligt; ebenso standen Deutschland und speziell die Reichshauptstadt Berlin als Austragungsort für eine Weltausstellung zur Diskussion.404) 401)
Selbst die Pariser Ausstellung von 1867, die die Ausstellungsflächen der Rotunde des Hauptgebäudes wie Tortenstücke auf die einzelnen Nationen verteilte und damit auch eine Zusammenschau der Produktgattungen ermöglichte, ging davon letztlich nicht ab. Vgl. Mattie, Weltausstellungen, S. 20. 402) Vgl. Bjarne Stoklund, The Role of the International Exhibitions in the Construction of National Cultures in the 19th Century, in: Ethnologia Europaea 24 (1994), S. 35–44, S. 38; Elfie Rembold, Exhibitions and National Identity, in: National Identities 1 (1999), Nr. 3, S. 221–225. 403) Christian Rapp, Architektur zwischen Behältnis und Zeichen, in: Ulrike Felber/Elke Krasny/Christian Rapp, Österreich auf Weltausstellungen 1851–1992, Bd. 2, Wien 1995, S. 10. 404) Hierfür sind vor allem die Bestände Bundesarchiv Berlin, R 43 (Reichskanzlei), Bd. 575–577, relevant in denen die Diskussion um eine Weltausstellung in Deutschland dokumentiert sind. In der Forschung vgl. Fuchs, Reich, S. 61–88; Cornelißen, Repräsentation, S. 148–161; Pohl, Weltausstellungen, S. 381–425.
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In der Beteiligung Deutschlands an den in Europa und Nordamerika ausgetragenen Weltausstellungen lassen sich deutlich drei Phasen unterscheiden: Seit 1851 war Deutschland zunächst als Vereinigung der Zollvereinsstaaten auf den Weltausstellungen präsent. Ein einheitlicher Auftritt existierte nicht, im Kalkül der Regierungen kam den Weltausstellungen nur wenig Bedeutung zu. Nicht nationale, sondern allein handelspolitische Intentionen motivierten das Engagement der Einzelstaaten.405) Erst mit der Weltausstellung in Wien 1873 und damit zwei Jahre nach der Reichsgründung warb das Reich unter den deutschen Industriellen und Gewerbetreibenden mit dem Appell an „nationale Ehre und patriotische Pflicht“ für die Teilnahme.406) Die Beteiligung an den Weltausstellungen avancierte zunehmend zu einem nationalen Politikum und einem Mittel der Außenpolitik. „Das Motiv der Darstellung nationaler Einheit und Stärke rückte in den deutschen Abteilungen der Weltausstellungen ersichtlich in den Vordergrund.“407) Auf der Weltausstellung in Chicago 1893 hatte sich das Reich erstmalig mit einem eigenständig konzipierten Repräsentationsbau gezeigt. Nach den Plänen des Düsseldorfer Regierungsbaumeisters Johannes Radke wurde ein eklektizistischer Bau erstellt, der Architekturmotive des deutschen Spätmittelalters und der deutschen Renaissance zu einem „charakteristisch deutschen Gepräge“ zu kombinieren suchte.408) Auf dieser Linie fuhr man 1900 in Paris wie auch 1904 in St. Louis fort. Es waren auch politische und außenpolitische Überlegungen, die den Boykott der Weltausstellung 1889 in Paris motivierten: Offiziell war es die „deutschlandfeindliche Stimmung in Frankreich“, die die Reichsregierung veranlasste, selbst privaten Interessenten die Teilnahme an der Pariser Weltausstellung 1889 zu verbieten.409) Seit den 1890er Jahren hatte sich auch das Interessengeflecht zwischen Ausstellern und Reichsregierung deutlich verschoben: Nicht mehr die auf den Export angewiesenen Firmen waren die treibenden Kräfte einer deutschen Ausstellungsbeteiligung, sondern Vertreter der Reichsregierung drängten auf die Teilnahme Deutschlands und versuchten gezielt, Firmen durch Übernahme der Kosten dazu zu motivieren. Die politische Repräsentation Deutschlands wandelte sich damit zu einer „regierungsoffiziellen Angelegenheit“.410) Sichtbar wurde dieses an der offiziellen Ausstellungsarchitektur: Der historistische Zeitgeist verband sich mit dem Bemühen des jungen Nationalstaates, sich als Erbe und Vollender einer tief in der deutschen Geschichte verwurzelten Tradition zu legitimieren. Besonders
405)
Fuchs, Reich, S. 62. Ebd., S. 63. 407) Cornelißen, Repräsentation, S. 158. 408) Amtlicher Bericht über die Weltausstellung in Chicago 1893, erstattet vom Reichskommissar, Bd. 1, Berlin 1894, S. 120. Vgl. dazu Paul Sigel, Exponiert. Deutsche Pavillons auf den Weltausstellungen, Berlin 2000, S. 34–39. 409) Vgl. Pohl, Weltausstellungen. 410) Cornelißen, Repräsentation, S. 157. 406)
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in Paris 1900 und in St. Louis führte sich das Kaiserreich als Erbe preußischer Großmachtpolitik vor, indem man sich an signifikante Bauten der preußischen Monarchie anlehnte.411) Von dem Ideal des „Erfahrungsortes der Weltgemeinschaft“412) hatte sich das Medium Weltausstellung weit entfernt und wurde stattdessen zur Bühne politischer und kultureller Rivalitäten zwischen den Staaten und ihren Interessenvertretern. Die Idee vom „Made in Germany“, welche sich in den Ausstellungen und den Diskussionen darum artikulierte, war mehr als nur die Diskussion um ein ehemaliges Kainsmal, welches nun zum Markenzeichen geadelt wurde. Mit dem Ideologem der Deutschen Arbeit verbanden sich weitgehende nationale Zuschreibungen, die insbesondere im Medium der Weltausstellung zum Tragen kamen. So verwies beispielsweise der Reichskommissar für die Brüsseler Weltausstellung 1910 dezidiert darauf, dass Deutschland sich als „Kulturnation“ profilieren solle: Der offizielle Berichterstatter Gottfried Stoffers umriss die Grundzüge des deutschen Programms: „Ein dreifaches galt es also […] für Deutschland in Brüssel zu zeigen: die Wirksamkeit eines streng mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Geistes, den Umfang und die Bedeutung der verwaltenden Tätigkeit des Staates in seinen weitesten Ausstrahlungen und das Umsichgreifen neu-kultureller, insbesondere künstlerischer Tendenzen.“413) In eine ähnliche Richtung verweist die Diskussion darum, ob eine Weltausstellung in Deutschland abzuhalten sei: Seit dem Abschluss der Berliner Gewerbeausstellung von 1879 setzten sich die zu diesem Zweck gegründete Vereinigung von 1879 unter Vorsitz des Kommerzienrats Fritz Kühnemann und der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller unter Leitung von Max Goldberger die Ausrichtung einer solchen Veranstaltung zum Ziel.414) Ob sich um diesen Kern eine – wie zeitgenössisch sowohl von Befürwortern wie Gegnern des Unternehmens geschrieben wurde – „Weltausstellungsbewegung“ entwickelte, ist nicht abschließend nachprüfbar. Eine wirkliche Massenbasis der verschiedenen, gelegentlich auch kooperierenden Initiativen ist nicht zu verzeichnen. Es war eine Gruppe von Funktionären aus den Verbänden und Kammern von Industrie und Handel sowie Stadtverordneten und Funktionsträgern in der Stadt Berlin, die verstärkt seit Beginn der neunziger Jahre das Thema immer wieder in der Presse lancierten.415) Der Adressat dieser Bemühungen im politischen Bereich war die Reichskanzlei: Zwar hatte der Kaiser, laut einer Notiz im Reichs-Anzeiger vom 13. August, entschieden, 411)
Vgl. Sigel, Exponiert, S. 32–60. Gerhard Wegner, Optimistisch, jung, global, faszinierend. Die Herausforderung der Expo 2000, Hannover 1997, S. 13. 413) Vgl. Gottfried Stoffers, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Deutschland in Brüssel, Köln 1910, S. 7–15, S. 8. 414) Diese Initiativen sind bereits öfter dargestellt worden. Vgl. exemplarisch Geppert, Ausstellungsmüde. 415) Vgl. dazu die Sammlung von Presseausschnitten, Resolutionen und Berichten in BA Berlin, R 43, Nr. 577–578. 412)
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„daß dem Plane einer Weltausstellung in Berlin von Reichs wegen nicht näher zu treten sei“.416) Dennoch aber versuchten die interessierten Kreise, Kanzler und Kaiser bzw. die entsprechenden zugeordneten Beamten umzustimmen. Auf Seiten Bismarcks war die Absage vor allem außenpolitisches Kalkül: Bereits 1879 scheute er sich, durch die Ankündigung einer Weltausstellung einen „Wechsel auf die Zukunft“ auszustellen, von dem man angesichts möglicher „politischer Wechselfälle“ nicht wisse, ob und wie man ihn einlösen könne.417) Was Bismarck vor allem als Element der Außenpolitik sah, wurde von den Befürwortern in ähnlicher Weise, wenn auch mit anderen Vorzeichen gewertet: Die Ausstellungen galten ihnen als ein Mittel der nationalen Repräsentation sowie der Nationalisierung nach innen und außen. In diesem Sinne verteidigte der Führer der deutschen Sozialdemokratie, August Bebel, im Reichstag das Projekt einer Weltausstellung in Deutschland als „Kulturmission“.418) Selbst die bürgerlich-nationalen Befürworter konzedierten, dass eine Weltausstellung in Berlin keinen wirtschaftlichen Nutzen für das Gros der deutschen Industrie und des Gewerbes bringen werde, wenn man vom Fremdenverkehrsgewerbe und der Gastronomie der Stadt Berlin absehe. So konnte der Verbandsvertreter Georg Bobertag nur an einem Punkt, nämlich in der „hohen politischen und patriotischen Bedeutung“ für eine internationale Exhibition in Berlin plädieren: „Seien wir nicht all zu nüchtern, all zu kaufmännisch“, forderte der Autor auf. Deutschland sei es seiner internationalen Stellung schuldig, eine Ausstellung zu organisieren. Als eine „Ehrensache des deutschen Volkes“ bezeichnete Anton Haarmann, Generaldirektor des Georg-Marien-Bergwerks- und Hütten-Vereins sowie Präsident der Osnabrücker Handelskammer, das Projekt einer Berliner Weltausstellung.419) Mitstreiter Bobertag konstatierte, das Deutschland mehr als jede andere Nation „der fortwährenden Stärkung der Centripetalkraft, der Festigung des Reichsgedankens und der nationalen Verbindung“ bedürfe, als welche die Weltausstellung dienen könne.420) „Die geplante Weltausstellung soll die Achtung vor der schaffenden Arbeit des deutschen Volkes in Gewerbe und Landwirtschaft im deutschen Volke selbst und in der ganzen Welt kräftigen und heben und die deutsche Arbeitsleistung fördern und beleben.“421) Adressat dieser und ähnlicher Überlegungen war zunächst die nationale Öffentlichkeit, dann aber auch die internationale Konkurrenz und vor allem 416)
Zitiert nach Geppert, Ausstellungsmüde, S. 4. Bundesarchiv Berlin, R 43, Nr. 575, Bd. 1, S. 24. Vgl. zur dezidiert politischen Beurteilung der Weltausstellungen durch Bismarck auch Poh, Weltausstellungen, S. 381–425. 418) Stenographische Berichte des Deutschen Reichstages, Bd. 128 (1893), S. 737. Vgl. dazu Cornelißen, Repräsentation, S. 151. 419) A. Haarmann, Vor dem Rubicon. Ein letztes Wort der Beherzigung zur Ausstellungsfrage, Berlin 1892, S. 38 420) Vgl. Georg Bobertag, Eine Weltausstellung in Deutschland. Beiträge zur Geschichte des Berliner Weltausstellungsplanes in vier Vorträgen, Berlin 1892, S. 23. 421) [Franz] Huber, Die Berliner Welt-Ausstellung, Stuttgart 1892, S. 5, S. 8. 417)
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Frankreich. Als die französische Regierung den deutschen Überlegungen zu einer Weltausstellung im Jahr 1900 zuvorgekommen war, erklärte der Handelskammer-Syndicus Stefan Reiländer, dass „Ausstellungen in der heute gepflogenene Form nicht dem deutschen Geiste, dem deutschen NationalCharakter [entsprechen] – Der Deutsche sieht weniger auf Aeußerlichkeit, auf Prunk und Luxus, als vielmehr auf innern Gehalt, auf festen und gesunden Kern, was anders ist, ist eben nicht deutsch.“422) Deshalb solle man zwei Ausstellungen abhalten: „Frankreich in gewohnter Weise eine internationale Pracht-Ausstellung, Deutschland dagegen eine einfache aber dauernde Waarenmuster-Ausstellung.“423) Wie die „kriegerischen Erfolge von 66 bis 71 auch den fast ausnahmslos dem Handel und Gewerbe obliegenden Deutschen im Auslande zu Gute kamen“, wertete Bobertag als eine bemerkenswerte Beobachtung: „Es scheint fast so, als ob unsere Siege auf dem Schlachtfelde auch das ‚Prestige‘ des Deutschthums in der gewerblichen Arbeit fest begründen würden, als ob wir nun auch der Güte unserer Produkte nach als Industrievolk ersten Ranges anerkannt werden sollten.“424) Ein im März 1907 unter dem Titel „Eine Weltausstellung in Berlin“ veröffentlichter Artikel ließ die Diskussion noch einmal kurz aufflackern. Eine zustimmende Resolution des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller und des Zentralausschuß Berliner kaufmännischer, gewerblicher und industrieller Vereine vom April 1907 traf allerdings auf den Widerstand der Großindustrie, insbesondere des Verbandes der Eisen- und Stahlindustriellen. Eine Umfrage der Berliner Handelskammer unter den ihr angeschlossenen Unternehmen ergab darüber hinaus, dass die Mehrzahl der Unternehmen nicht an einer Exposition interessiert war, so dass die Befürworter erneut nicht auf die Unterstützung der Regierung rechnen konnten.425) 3. „Welch ein Abstand!“ – Die Verortung des Fortschritts in Zeit und Raum Die Begriffs- und Ideengeschichte hat gezeigt, dass sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts die allgemein geteilten Vorstellungen von der Zukunft beschleunigten und sich im Kontext der Industrialisierung dauerhaft veränderten. „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ entfernten sich zunehmend voneinander.426) Die Zukunft wurde immer weniger religiös gebunden als Endzeit
422)
Reiländer, Ausstellungen, S. VII. Ebd. 424) Bobertag, Weltausstellung, S. 58. 425) Vgl. dazu Bundesarchiv Berlin, R 43, 20. 1, Nr. 585, S. 8 f. Ausführlich in der Literatur dazu Paquet, Ausstellungsproblem, S. 281 f. 426) Vgl. Reinhart Koselleck, „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ – zwei historische Kategorien, in: ders. (Hrsg.), Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1989, S. 349–375. 423)
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interpretiert, sondern als ein offener Erwartungszeitraum vorgestellt.427) Seit den 1830er Jahren bekam „Fortschritt“ dann „Schlagwortcharakter“: Die Bewegung in die Zukunft war nicht mehr eindeutig gebunden an einen Gegenstand oder ein Subjekt, sondern wurde als allgemeines Phänomen gedeutet. Dass die Entwicklung „nach vorne“ gehen würde, dafür standen in der Überzeugung des Großteils der Zeitgenossen neben der Wissenschaft vor allem Technik und Industrie. Sie bildeten seit den 1830er Jahren das „empirisch ständig einlösbare Substrat“428) des Fortschrittsbegriffs.429) Für viele Protagonisten der technischen Welt lag die neue Dimension, in welcher der Fortschritt zu messen sei, auf der Hand: Eine Ermittlung der Leistung sämtlicher Eisenbahnen der Welt, so rechnete der Volkswirt Schmal 1880 den Lesern seines Ausstellungsberichtes vor, käme zu dem Ergebnis, dass die Welt nun 46 Millionen Pferdestärken in Dampfkraft geschaffen habe. Diese Entwicklung wurde erst möglich, so der Kommentator der Düsseldorfer Ausstellung, durch finanzielle Aufwendungen von bis zu 140 Milliarden Mark. „Das sind […] die Massstäbe, mit welchen man das wirtschaftliche Wachstum unseres Zeitalters zu messen hat. Die klassischen Völker des orientalischen und abendländischen Alterthums hatten davon ebenso wenig auch nur eine leise Ahnung als die Kulturnationen des erwachenden Mittelalters und der neuen Zeit.“430) Gut zwanzig Jahre später zur Ausstellung in Düsseldorf 1902, welche nach dem Willen ihrer Organisatoren dezidiert als „Markstein“ des Fortschritts dienen sollte, nahm sich die Bilanz des technischen und industriellen Fortschritts nicht nur imposanter aus, auch ihre „Insignien“ hatten sich gewandelt. Nicht mehr der Dampf und die damit generierten Pferdestärken, sondern die Elektrizität und ihre Anwendung standen für den industriellen Fortschritt: „Wie stolz waren wir“, so blickte der Ausstellungsvorsitzende in seiner Eröffnungsansprache 1902 auf die Exposition von 1880 zurück, „ein elektrisches Miniaturbähnchen von wenigen hundert Metern Länge zeigen zu können und das Gelände ‚mit 12 elektrischen Lampen und einem grossen Centrallicht‘, wie es in dem Ausstellungsbericht heißt, zu erleuchten! Heute wird unser Gelände des Abends durch Hunderte von Bogenlampen und durch zahllose Glühlichter in eine Flut elektrischen Lichtes getaucht sein“.431) Rechneten die Zeitgenossen die zu beobachtenden Entwicklungsschritte hoch, dann ergaben sich für die Zukunft „schwindelerregende Aus427) Vgl. Lucian Hölscher, Weltgericht oder Revolution. Protestantische und sozialistische Zukunftsvorstellungen im deutschen Kaiserreich, Stuttgart 1989, S. 23. 428) Reinhart Koselleck, Fortschritt, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Grundbegriffe, Bd. 2, S. 351–423, S. 409. 429) Diesen Befund bestätigt indirekt auch die Studie von Sieferle, Fortschrittsfeinde, insbesondere S. 143–166. 430) Schmal, Gewerbe-Ausstellung, S. 84. Ähnlich auch Offizieller Katalog der SächsischThüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. XI. 431) Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 28.
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sichten“.432) Der industrielle, technische und (natur)wissenschaftliche Fortschritt war in seiner Richtung und in seinen Wirkungen zwar nur noch bedingt zu prognostizieren, wurde aber spätestens mit der Hochindustrialisierung als unumkehrbar erkannt. Auch in der Sicht konservativer oder sozialistischer Kapitalismuskritiker war nun allgemein „eine Rückkehr in die Strukturen der vorindustriellen Gesellschaft […] ausgeschlossen.“433) In dieser Situation kam den Ausstellungen eine Orientierung stiftende Funktion zu. Die Expositionen machten den Fortschritt begreifbar, indem sie die Umrisse der kommenden Gesellschaft als bereits in der Gegenwart verankert vorstellten. Sie zeigten die Zukunft als künftige und planbare Gegenwart.434) Die Demonstration neuer Technik und ihrer Anwendungsmöglichkeiten, aber auch die fantastisch-utopischen Eindrücke in den Vergnügungsparks visualisierten eine Möglichkeit der Entwicklung: Der Blick in die Zukunft suggerierte doch Vorausschaubarkeit und Planung.435) Verdeutlicht werden kann dieses am Beispiel des Telefonverkehrs auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896: In einem öffentlichen Fernsprecher wurde erstmals „die ‚Verbindung‘ der Sprechenden“ vorgeführt und zugleich auf Plakaten und Wandanschlägen die zukünftige Nutzung und der mögliche Stellenwert des Telefons dargestellt. Unmittelbare Anwendung und Vision zukünftigen Nutzens waren auf diese Weise unmittelbar miteinander verknüpft.436) Fünf Jahre zuvor hatte Wilhelm I. laut Bericht der Vossischen Zeitung anlässlich der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung erste Versuche mit dem Fernsprecher noch zurückhaltend kommentiert: „‚Die Herren‘, so sagte der Kaiser, ‚die dies in die Welt bringen, können froh sein, daß sie nicht vor vierhundert Jahren gelebt haben, damals würden sie wahrscheinlich als Hexenmeister verbrannt worden sein.‘“ Solche „Hexenmeister“ hatten sich, so führte die zeitgenössische Presse aus, in Frankfurt „zu Hauf“ zusammen gefunden, und diese konnten sich freuen, „in einem Zeitalter geläuterter Ansichten zu leben und ungefährdet wirken zu können.“437) Der (utopische) Blick in die Zukunft war mit dem Verweis in die Vergangenheit verknüpft. Nicht der Bruch mit der Geschichte, sondern die Versöhnung des Alten und des Neuen lag in der Intention der Ausstellungsmacher. Deshalb schwächten die Ausstellungen den Überschuss zeitgenössisch vorstellbarer Handlungsmöglichkeiten mit Hilfe seiner Historisierung ab. Das Gros der Industrie- und Gewerbeausstellungen beschränkte sich dabei auf den Blick in die Vergangenheit, welcher durch historische Kunst- und Kunst-
432)
Hölscher, Entdeckung, S. 130. Ebd. 434) Vgl. Gugerli, Technikbewertung, S. 148. 435) Vgl. dazu den Abschnitt D II in dieser Arbeit. 436) Vgl. Heiko Zache-Carus, Der Post- und Telefonverkehr auf der Gewerbeausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 159–161. 437) Vossische Zeitung vom 13. 10. 1891, S. 2. 433)
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gewerbeexponate oder architektonische Reminiszenzen getan werden konnte. In größeren Ausstellungen traten zwei weitere Komponenten hinzu: zum einen historische Stadtaufbauten, die eine Reise in die Vergangenheit erlauben sollten, zum anderen „Völkerschauen“, exotische Szenerien und Kolonialausstellungen, die als Repräsentation einer fremden, weniger entwickelten Gesellschaft als Kontrastfolie fungierten.438) Aufbauten historischer Städte waren vor allem von den Weltausstellungen her bekannt und wurden als Bestandteile der Vergnügungsareale eingesetzt.439) Aber auch in den nationalen und provinziellen Ausstellungen waren sie wichtige Elemente im Ensemble der Exposition. Die Nachbildung des „Altleipziger Meßviertels“ in der Sächsisch-Thüringischen Gewerbeausstellungen von 1897 sollte nach dem Willen der Veranstalter dezidiert auf die historischen und ökonomischen Wurzeln der aufstrebenden Industriestadt verweisen.440) Der Berichterstatter für das österreichische Museum für Kunst und Industrie, der die Ausstellungen in Berlin, Stuttgart, Kiel und Nürnberg besucht hatte, wertete diese architektonischen Ensembles in diesem Sinne gar als „unentbehrliche Requisiten“ der Expositionen.441) Die erste deutsche Kolonialausstellung wurde 1896 in Berlin abgehalten und diente neben wissenschaftlichen Zwecken vor allem dazu, für den Kolonialgedanken wie auch für die dort hergestellten Erzeugnisse zu werben.442) Sie stand in einem engen thematischen Zusammenhang mit der Sonderausstellung „Kairo“, welche auf einer Fläche von 36 000 Quadratmetern ihren Besuchern einen Eindruck von der historischen wie auch der zeitgenössischen arabischen Stadt geben wollte.443) Ihr Vorbild hatte dieses Unternehmen in der rue de Caire, welche auf der Pariser Weltausstellung 1889 gezeigt wurde. Völkerschauen und Kolonialausstellungen bildeten einen unabhängigen Ausstellungsstrang, der sich wie in Berlin gelegentlich mit allgemeinen Industrieund Gewerbeausstellungen verband.444) In den im Folgenden näher zu analysierenden Ensembles „Alt-Berlin“ und „Kairo“ verbanden sich ideelle und kommerzielle Interessen in einer Weise, 438)
Vgl. exemplarisch Gustav Meinecke, Einleitung, in: Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896 – Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonial-Ausstellung, Berlin 1897, S. 1–13, S. 1. 439) Vgl. dazu die eingehende Analyse bei Wörner, Vergnügung, S. 49–144. 440) Vgl. ebd., S. 112. 441) Industrieausstellungen von 1896, in: Mittheilungen des k. u. k. oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie Nr. 130 (1896), S. 198–202, S. 199. 442) Vgl. Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896. Amtlicher Bericht über die erste Deutsche Kolonial-Ausstellung, hrsg. von dem Arbeitsausschuss der Deutschen KolonialAusstellung: Graf von Schweinit, C. v. Beck, F. Imberg, G. Meinecke, Berlin 1897, S. 8–12. 443) Vgl. Paulette Red-Anderson, Eine Geschichte von mehr als 100 Jahren. Die Anfänge der Afrikanischen Diaspora in Berlin, Berlin 1995, S. 12. 444) Vgl. Stefan Arnold, Propaganda mit Menschen aus Übersee – Kolonialausstellungen in Deutschland, 1896 bis 1940, in: Robert Debusmann/János Riesz (Hrsg.), Kolonialausstellungen – Begegnungen mit Afrika?, Frankfurt a. M. 1995, S. 1–24, S. 3–6.
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die für das Ausstellungswesen typisch war: Den Veranstaltern galten die Sonderausstellungen als Publikumsmagneten, die man ihrer Sogwirkung wegen gerne in die Ausstellung integrierte.445) Hinter dem Aufbau der mittelalterlichen Stadtkulisse stand neben dem Verein für die Geschichte Berlins, welcher die künstlerische und fachliche Beratung übernahm und vor allem an der ideellen Seite des Projekts interessiert war, ein Finanzkonsortium, welches das Gelände und die dort errichteten Bauten seinerseits an einzelne Aussteller verpachtete. Restaurationen, Cafés, Konditoreien, Verkaufsstände für Glas, Porzellan, Gold- und Silberwaren sowie Werkstätten mit Verkauf waren hier für die Ausstellungszeit vertreten, konnten laut Ausstellungsbericht aber nur mäßige Gewinne machen. Aus einer ähnlichen Konstellation war auch die Sonderausstellung „Kairo“ entstanden: Organisiert von dem deutschen Afrikareisenden und Ägyptenspezialisten Willi Möller sowie ausgeführt von Architekten und Kunstmalern, die ebenfalls mit dem Land vertraut waren, stellten auf dem Gelände europäische und arabische Gewerbe- und Handeltreibende ihre Produkte und Dienstleistungen aus. Auch die ägyptische Regierung sowie verschiedene Handelskooperativen aus Kairo und dem Umland förderten das Unternehmen, um den eigenen Export zu unterstützen. Finanziell trug sich das Unternehmen sowohl durch Eintrittsgelder der Besucher als auch durch die Pachtzinsen der Aussteller.446) „Zwei Welten sind es, die uns hier gegenüberstehen. Dort das Berlin verflossener Jahrhunderte, das Berlin der Kurfürsten, mauerfest und wehrhaft mit seiner Ringmauer und dem massigen Wachturm, […] – dort drüben aber auf weitem Terrain ein ins Wirkliche übersetzter Ausschnitt des farbensprühenden Orients, ein getreues Abbild der Wirklichkeit im sagenumwobenen Pharaonenlande.“447) Beide Sonderausstellungen waren darauf angelegt, eine Illusionslandschaft zu schaffen, in der der thematisierte Ort für den Besucher unmittelbar erlebbar wurde: In „Alt-Berlin“ sollte auf 45 000 Quadratmetern anhand von 120 nachgebildeten Bauten das Berlin des Jahres 1650 gezeigt werden. Das alte Festungswerk wurde durch das Spandauer und das Georgentor dargestellt. Die gleichnamigen Straßenzüge sowie das Heiliggeist-Viertel rückten perspektivisch zusammen. Das Hauptbecken eines Karpfenteiches diente als Spree, ein Ausläufer davon als Stadtgraben. Neben dem im Ziegelrohbau ausgeführten Rathaus waren verschiedene Bürgerhäuser, eine „RembrandtMühle“ und ein Irrgarten aufgebaut. Auf das Schloss der Hohenzollern, den Dom und die „lange Brücke“, später Kurfürstenbrücke, hatte man aus Raum-
445)
Vgl. Lindenberg, Pracht-Album, S. 180. Vgl. auch Reiländer, Ausstellungen, S. IX: „die Straße in Cairo, der Riesenbaum aus Californien, der Wigwam des Indianers, die chinesischen und japanischen Bazare und nationalen Wirthschaften und Wohnungen sind ganz unentbehrliche Zugmittel aller großen modernen Ausstellungen“. 446) Vgl. die Angaben in Krug, Führer. 447) Alt-Berlin und Kairo, in: Berliner Illustrierte Zeitung vom 3. Mai 1896, S. 8.
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D. Themen der Ausstellung Abbildung 36: Kairo – Offizielle Postkarte der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896
Abbildung 37: „Alt-Berlin“ – Offizielle Postkarte der Berliner Gewerbeausstellung 1896
mangel verzichtet. Der Stadtteil Alt-Cölln war am Endpunkt der Georgenstraße nur noch durch ein Diorama angedeutet.448) Im Gegensatz zu anderen mittelalterlichen Ensembles, welche in London, Paris, aber auch in Düsseldorf oder Stuttgart auf Ausstellungen zu sehen waren, konnten die Berliner Erbauer nur auf wenige Vorbilder zurückgreifen, so dass „das rein Archäologische hin und wieder mit Zuhilfenahme einiger aus dem Geist des kurfürstlichen Berlins empfundenen politischen Linien zu der höheren künstlerischen Wahrheit verklärt werden“ musste. Auf diese Weise erreichte man nach Ansicht des Berichterstatters eine „verblüffende ‚Echtheit‘“, die von Besuchern und Kommentatoren gerühmt worden sei.449)
448)
Vgl. Kühnemann, Groß-Berlin, S. 84–86; Führer durch die Sonderausstellung von Berolinensien des Vereins für die Geschichte Berlins in der Heiliggeistkirche zu Alt-Berlin auf der Gewerbe-Ausstellung zu Berlin 1896, Berlin 1896; Gaby Huch, „Alt-Berlin“ – eine mittelalterliche Stadt wird lebendig, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 125–133. 449) Vgl. Maximilian Rapsilber, Die Sonder-Ausstellung Alt-Berlin, in: Berlin und seine Arbeit,S. 861–866, S. 861.
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Abbildung 38: Fotografie der Spandauer Straße – Alt-Berlin
In ähnlicher Weise verfuhren die Macher von „Kairo“: Eine Fülle klassischer Bauwerke „aus der Glanzepoche arabischer Baukunst“, so zum Beispiel ein Tempel aus der Zeit Kleopatras oder ein auf 35 Meter verkleinerter Nachbau der Cheops-Pyramide inklusive elektrischem Aufzug waren mit zeitgenössischen Gebäuden und Ensembles kombiniert.450) Natürlich seien, so konzedierten die Berichterstatter, einzelne Gebäude aus Kairo entgegen der Realität „zusammengerückt“. Aber jede einzelne Anlage „ist ganz genau, ja täuschend, nachgebildet und der Charakter des Ganzen entspricht durchaus der Wirklichkeit.“451) In den „Eingeborenendörfern“ und historischen Bauten zeigten „Kairo“ und die deutsche Kolonialausstellung anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung zusammen über 500 Afrikaner aus den deutschen Kolonien und aus Ägypten.452) „Wenn die Sonne schiene und wenn es warm wäre, […] könnte man sich in der That nach Sansibar versetzt glauben“453), so der Kommentar eines Ausstellungskritikers.
450)
Vgl. Krug, Führer. Lindenberg, Pracht-Album, S. 184. 452) Vgl. Illustrirter Amtlicher Führer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Mit einer Übersichts-Karte der Ausstellung, Berlin 1896, S. 212. 453) Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. V. Die deutsche Kolonialausstellung Berliner, in: Berliner neueste Nachrichten Nr. 239 vom 23. Mai 1896. 451)
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Angelegt waren diese Architekturensembles darauf, eine Kontrastwirkung zu erzielen: Von der „unscheinbaren Kreuzwölbung des Spandauer Thores“ im Ausstellungsteil „Alt-Berlin“, welcher die Stadt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor Augen führen sollte, „bis zur monumentalen Pracht der Kuppelwölbung im Industriepalaste, welch ein Abstand!“454) Zugleich aber, so der Ausstellungsbeobachter Maximilian Rapsilber, seien die beiden Punkte „fest aneinandergeheftet durch die Jahrhunderte lang betheiligte unermüdliche Arbeitsamkeit, deren sich Berlin gemeinsam mit den Landesfürsten vor aller Welt berühmen darf.“ Dieses darzustellen erklärte Rapsilber als den eigentlichen Zweck der „Schöpfung von Alt-Berlin“.455) Trotz aller Bemühungen um Fiktion blieb der Einbruch der Wirklichkeit nicht aus: Wenn die Panoramasicht auf „Alt-Berlin“ durch ein „davorgestelltes Maschinenhaus […] unangenehm beeinträchtigt“ war oder ausgehängte Reklametafeln den suggestiven Eindruck störten,456) so trifft das für den ästhetischen Eindruck durchaus zu. Mit Blick auf die Wahrnehmung des Kontrastes von damals und heute konnten solche ‚Irritationen‘ die Wirkung der Ausstellung jedoch durchaus steigern. Als „klein und beschaulich“ allerdings schilderten die Berichterstatter der Illustrirten Zeitung ihren Lesern „Alt-Berlin“, aber so „hübsch und interessant sich alles ansieht, […] wir können doch froh sein, daß wir der Neuzeit angehören und nur die letzte Phase des bedeutungsvollen Wegs erlebt haben: vom Fischerdorf zur Weltstadt!“457) Ganz explizit war dieser Kontrast von Vergangenheit und Gegenwart im „Gewerbedorf“ der Stuttgarter Landesausstellung „für Elektrotechnik und Kunstgewerbe“ angelegt. Das „liebliche Idyll aus vergangenen Tagen“458) war absichtlich nur als Fassade gestaltet, hinter denen dann „die Vorteile der modernen Maschinentechnik für das Kleingewerbe“459) visualisiert wurden. Die altertümliche Außenfassade des Gewerbedorfes kontrastierte auf das Schärfste mit dem Interieur, welches aus modernen Maschinen und Produkten bestand.460) Eine traditionelle Weberwerkstatt war so neben einem modernen Textilbetrieb platziert worden. Auch „Alt-Berlin“ vermittelte eine ähnliche Botschaft: Im Kontrast zum nur wenige S-Bahn-Minuten entfernten modernen Stadtzentrum kam eindrucksvoll die Entwicklung der Stadt zur Geltung. „Berlin kann es sich heute leisten, dem Fremden zu zeigen, wie klein es einst gewesen“, so kommentierte in Berichterstatter der Illustrirten Zeitung diese Sonderausstellung.461) Auf diese Weise diente auch „Alt-Berlin“ dazu, den kulturellen und politischen Anspruch der Reichshauptstadt zu demonstrieren. 454) 455) 456) 457) 458) 459) 460) 461)
Berlin und seine Arbeit, S. 861. Rapsilber, Sonder-Ausstellung, S. 861. Ebd., S. 862, S. 865. Illustrirte Zeitung vom 11. April 1896, S. 449. Stuttgarter-Ausstellungs-Nachrichten Nr. 15 vom 25. Juni 1896, S. 173. Ebd., Nr. 7/8 vom 6. Juni 1896, S. 96. Vgl. Woerner, Vergnügung, S. 105 f. Illustrirte Zeitung vom 26. September 1896, S. 369.
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In ähnlicher Richtung, wenn auch mit einem anderen Akzent, ‚funktionierten‘ die Sonderausstellungen zu fremden Völkern und zu den Kolonien. Der richtig verstandene Orient könne, so folgerte der Berichterstatter zu „Kairo“, „heute, wo wir den Zwang und die Neigung empfinden, unsere historisch gewordenen Zustände und Institutionen abermals kritisch zu überprüfen“, für Vertreter aller politischen Lager ein „Bindeglied“ sein, welches den „Weg zu unserer heutigen Entwicklung erschliessen“ könnte.462) Obwohl insbesondere die ägyptische Gesellschaft in den wissenschaftlichen und populären Begleittexten als Hochkultur gewürdigt wurde, war die Ausstellung eingeborener Völker von der Vorstellung beherrscht, „Primitives“ zu zeigen. Dies machte sich zunächst an der Überlegenheit europäischer Produkte fest: Viel Diplomatie war aufzubringen, so konnte es der Besucher auf einer Schautafel zur Geschichte der Sonderausstellung Kairo lesen, um authentische Muschrabije, arabische Vorhänge, zu kaufen. Neben vielen gute Worten an die Frauen und Ehemänner sowie Süßigkeiten für die Kinder galt als „Haupttrumpf“ die Bezahlung, für welche man so viele „helle europäische Glasfenster bekommt als das Herz begehrt.“463) Mit diesem Hinweis war der Verhandlungserfolg laut Ausstellungstafel fast immer gesichert. Die Berichterstattung bezeichnete die Afrikaner als „Eingeborene“, „Naturkinder“, „unsere fernen Landsleute“ oder auch als „afrikanische Schutzbefohlene“ aus dem „dunklen Weltteil“. Ihre materielle Kultur galt als „Erzeugnisse des Eingeborenenfleißes“, die einen „Einblick in die mehr oder minder entwickelte Kunstfertigkeit und den Kunstsinne der Bewohner unserer Schutzgebiete“ geben sollten.464) Über die in den Ausstellungen stattfindende Begegnung mit „dem Fremden“ haben bereits die Zeitgenossen kritisch reflektiert.465) Mit der Visualisierung des „Eingeborenen“ wie auch seiner Pro-
462)
Rapsilber, Sonder-Ausstellung, S. 870. Berlin und seine Arbeit, S. 870. 464) Deutsche Kolonialzeitung Nr. 48 vom 1. 12. 1898, S. 433; Deutsche Kolonialzeitung Nr. 28 vom 9. 7. 1903, S. 281 465) Vgl. als eine von vielen kritischen Stimmen A. Merensky, Die Missionsabteilung der deutschen Kolonialausstellung auf der Berliner Gewerbeausstellung, in: Allgemeine Missions-Zeitschrift. Monatshefte für geschichtliche und theoretische Missionskunde 23 (1896), S. 337–343, S. 339: „Bei der hier sich zunächst findenden Ausstellung von Eingeborenen eilen wir vorüber, denn obwohl ihre Wohnstätten für den, der nicht selbst in Neuguinea oder Afrika war, sehenswert sind, so ergreift uns doch herzliches Mitleiden mit den Leuten selbst, die hier tagtäglich Gegenstand der Neugierde sind, und die, um diese zu befriedigen, tanzen und schreien müssen, selbst vielen von ihnen gewiß zum Überdruß. Wir fürchten, daß diese Leute mit Verachtung und Bitterkeit gegen uns erfüllt werden.“ Anstoßgebend für eine Reihe weiterer Artikel Thimothy Mitchell, Orientalism and the Exhibitionary Order, in: Nicholas B. Dirks (Hrsg.), Colonialism and Culture, Ann Arbor 1992, S. 289–317. Vgl. daneben Sylvaine Leprun, Le Théâtre des colonies. Scénographie, acteurs et discours de l’imaginaire dans les expositions 1855–1937, Paris 1986; Zeynep Çelik, Displaying the Orient. Architecture of Islam at Nineteenth-Century World’s Fairs, Berkeley/Los Angeles/ Oxford 1992. 463)
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dukte wurde die Vorstellung von der Überlegenheit der eigenen Kultur und später auch der weißen „Rasse“ transportiert. Die Darstellung der indigenen Gesellschaften und Kulturen dienten im Repräsentationsprogramm der Ausstellung zur Inszenierung des Fortschritts. Sie repräsentierten den Punkt der menschlichen Entwicklung, „at which human history emerges from nature but has not yet properly begun its course.“466) Die Ausstellung fremder Menschen wie auch der Urzustand diente der betrachtenden Gesellschaft dazu, sich der eigenen Entwicklung in (vermeintlicher) imperialer, zum Teil auch rassischer Überlegenheit zu vergewissern.467) Wissenschaftlichen Ansprüchen konnten weder die historischen Stadtaufbauten wie auch die Kolonialausstellungen genügen. Beide inszenierten sich „als effektvoll inszenierte künstliche Ersatzwelten aus Holz, Gips und Pappmaché, die, oft angereichert mit ‚lebendem Inventar‘ in altertümlicher Kleidung und folkloristischem Beiwerk, ein stimmungsvolles, aber ahistorisches Bild einer vergangenen Zeit vorführten.“468) Im Gesamtbild der Ausstellung diente die Konstruktion des Fremden wie auch die suggestive Repräsentation vergangener Entwicklungsstufen dazu, die im Kern der eigenen Gesellschaft zu beobachtenden Entwicklungsschritte historisch herzuleiten und damit zu normalisieren. „Alt-Berlin“ und „Kairo“ fungierten wie auch andere Chronotope als identitätsstiftende Inszenierungen, die es dem Besucher erlaubten, sich und die ihn umgebende Gesellschaft im Prozess des Fortschritts räumlich und zeitlich zu verorten. Als Repräsentationen traditioneller Kultur verwiesen sie zugleich auf die Fähigkeiten ihrer Macher und Organisatoren, die Vergangenheit hervorzurufen und zur Legitimierung der Gegenwart einzusetzen. Verbunden waren Vergangenheit und Gegenwart durch die menschliche Arbeit und die Produkte des Gewerbefleißes. Auch diese Inszenierungen, sowohl Alt-Berlin als auch Kairo, waren in das System marktwirtschaftlich-kapitalistischen Austauschs eingebunden: Damals wie heute, hier wie dort ‚funktionierte‘ die Gesellschaft über Produktion und Erwerb, so die suggestive Botschaft.
Resümee Ausstellungen stifteten für ihre Besucher eine geordnete Welt, mit der sie eine eigene Wirklichkeit schufen und zugleich auf die ausstellende Gesellschaft zurückverwiesen. Damit brachen sich in ihren Repräsentationen auch zentrale Themen und Problemfelder der sozialen wie ökonomischen Entwicklung Bahn. 466)
Vgl. Bennett, Complex, S. 92. Vgl. Peter Stallybrass/Allon White, The Politics and Poetics of Transgression, London 1986, S. 42. 468) Woerner, Vergnügung, S. 123. 467)
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Resümee
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Zu einem konfliktreichen Thema, welches bereits die Zeitgenossen besonders sensibel verfolgten, entwickelte sich die Repräsentation von Arbeit in den Ausstellungen: Den Inszenierungen und Visualisierungen unterlag ein vormodernes Modell, welches vor allem auf den Berufs- und Sozialtypus des Handwerkers abzielte. Die entsprechende Ästhetik stand in zum Teil krassem Gegensatz zur Realität der Lohnarbeit einer wachsenden Industriearbeiterschaft.469) Vertreter der Ausstellungsleitung und der Regierung priesen in ihren Ansprachen die Lohnarbeiter dafür, die monumentalen Ausstellungshallen errichtet zu haben, über die Gestaltung der Eintrittspreise und Öffnungszeiten hingegen wurden sie oftmals von den Ausstellungen selbst ferngehalten.470) Als sich die Expositionen zu Massenattraktionen entwickelt hatten, besuchten sie auch Millionen von Arbeitern und ihre Familien. Sie bekamen dort Produkte und Maschinen als Repräsentationen abstrakter Arbeit dargestellt, nicht aber als Bilder eines Arbeitsprozesses, an dem sie maßgeblich beteiligt waren. Der Gesellschaft inhärente soziale Spannungen und Ungleichheiten wurden auf diese Weise ausgeblendet. Stattdessen wurden in aufwändigen Inszenierungen die Möglichkeiten zu individueller Bildung gezeigt, welche sich laut Botschaft der Ausstellungen mit einem sozialen Aufstieg und entsprechender Absicherung verbanden. Diesem Ausstellungspart wurden Visualisierungen staatlicher, betrieblicher und privater Wohlfahrtseinrichtungen und Sozialfürsorgesysteme an die Seite gestellt. In den Repräsentationen der Ausstellungen wurde auch darüber hinaus der Tugend- und Normenkatalog des Bürgertums facettenreich visualisiert: auf der einen Seite der starke Akzent auf die selbst verantwortete Lebensführung des Einzelnen, auf der anderen Seite die Nutzung moralischer Imperative zur Integration nach innen und zur Abgrenzung nach außen. Mit der ZurschauStellung betrieblicher, später auch staatlicher Sozialfürsorge setzte das Unternehmertum auf die Befriedung der Arbeiter, denen ihr Anteil an den wirtschaftlichen Erfolgen vor Augen geführt werden sollte. Zugleich ließ sich über die Wohltätigkeit die wachsende Schicht der Besitzbürger in das kulturelle Geflecht der Bürgerlichkeit einordnen. Dieses Normgerüst hielt das Bürgertum aber nur für die Zeit zusammen, in der sich die Dynamik der Industrialisierung und ihre sozialen Folgewirkungen in Grenzen hielten. Als die Debatte über den „Geist des Kapitalismus“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts erneut aufflammte, zeigte dies, „wie sehr der normative Kitt zwischen den auseinanderbrechenden Fraktionen des Bürgertums bereits bröckelte.“471)
469)
Vgl. Hoffenberg, Empire, S. 166. Vgl. dazu das Kapitel C I in dieser Arbeit. 471) Christina von Hodenberg, Der Fluch des Geldsacks. Der Aufstieg des Industriellen als Herausforderung bürgerlicher Werte, in: Manfred Hettling/Stefan-Ludwig Hoffmann (Hrsg.), Der bürgerliche Wertehimmel. Innenansichten des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2000, S. 79–104, S. 104. 470)
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Am Beispiel der Maschinenindustrie und der Elektrotechnik wurde gezeigt, wie „Technik“ und „Industrie“ in den Inszenierungen der Ausstellungen zu „Kulturwerten der Moderne“ stilisiert wurden. Nach der Jahrhundertmitte, so wurde am Beispiel der Düsseldorfer Ausstellungen von 1852, 1880 und 1902 gezeigt, rückte die dampfgetriebene Maschine in das Zentrum der Aufmerksamkeit und wurde zu einer der Hauptattraktionen der Ausstellung. Inszenierungen und Kommentare stilisierten die Motorenkraft zum Ausdruck des technischen Fortschritts schlechthin. Maschinenhäuser waren die Kraftzentren der Ausstellung und wurden zum Ausdruck des Leistungswillens der menschlichen Arbeit erklärt. Nicht der Blick auf das Detail, sondern die Perspektive auf die Totale sollten nach der Inszenierung der Aussteller den Eindruck des Gros der Besucher prägen: Die Maschinenhallen suggerierten durch ihre auf einen weit entfernten Fluchtpunkt zulaufende Blickperspektive wie durch das Fehlen jeglicher menschlicher Beteiligung den Eindruck einer immer fortwährenden und sich selbst verrichtenden Tätigkeit.472) Elektrotechnische Abteilungen und spezielle Ausstellungen dienten dazu, den Nutzen und die Gefahrlosigkeit der neuen Energieform Strom zu demonstrieren. In der Frankfurter Elektrotechnischen Ausstellung von 1891 bündelten sich verschiedene Repräsentationsformen und wurden zugleich in ihrer Inszenierung gesteigert: Elektrizität wurde zum einen als Luxus und Vergnügen spendende Kraft inszeniert, so wenn sie zum Antrieb für ausstellungseigene Eisenbahnen oder für Illuminationen von Gebäuden und Wasserspielen genutzt wurde. Zum anderen zeigte sich „der Strom“ als Energieform des kleinen Mannes, dem durchaus anti-monopolistische und demokratische Kraft zugesprochen wurde: Insbesondere dem Handwerk sollte damit die Möglichkeit geboten werden, sich von der Dampfkraft zu befreien, dessen Nutzung ihn in Abhängigkeit von der Großindustrie brachte. Elektrisch betriebene Amüsementbetriebe standen neben wissenschaftlichen Experimenten wie der gelungenen Fernübertragung von Wechselstrom, um auf diese Weise das gesamte Spektrum der Anwendung und des Nutzens von Strom zu demonstrieren. Die künstlerische Gestaltung der wichtigsten Repräsentationsgebäude wurde analysiert, um die Präsentation von technischem und industriellem Fortschritt mit der Selbstdarstellung der Aussteller und dem Selbstverständnis der Ausstellung abzugleichen. Deutlich zeigte sich in der Repräsentation der Legitimationsdruck von Industriellen, Gewerbetreibenden, Technikern und Ingenieuren gegenüber der dominanten bildungsbürgerlichen Kulturpraxis und dem entsprechenden Kanon von Formen und Gehalten. Nicht allein die Integration von Kunstgegenständen diente dazu, die ausgestellten Produkte von Industrie und Gewerbe mit symbolischem Kapital auszustatten. Auch die Exponate der Industriellen und Gewerbetreibenden selbst lehnten
472)
Herding, Industrie, S. 15.
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sich an das überkommene Formenrepertoire an: Maschinen im Stil von Musikinstrumenten, Stahl- und Eisenerzeugnisse in Form einer dorischen Säule – auf diese Weise inszenierten die Ausstellungen ihre Exponate zu Medien einer thematisch weit ausgreifenden Modernisierungs- und Technisierungsideologie. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Technik und industrieller Fortschritt keine eigene Ästhetik und Präsentationssprache, sondern waren eingebunden in die bürgerliche Hochkultur: Die führenden Ausstellungsmaler und Bildhauer verknüpften mythische und traditionelle Elemente mit der Darstellung moderner Technik und Industrie. Auf diese Weise bemühten sich Organisatoren und Aussteller, Innovationen in Technik und Industrie als gegebene, fast naturwüchsige Elemente zu zeigen, die mühelos in die traditionelle Gesellschaft zu integrieren seien. Nicht die Neuerung und das technisch Spektakuläre sollten im Vordergrund stehen, sondern die Versöhnung von Tradition und Moderne. Industriellem und technischem Fortschritt wurde zugesprochen, die Brüche und Verwerfungen der industrialisierten Gesellschaft beheben zu können, ohne das bisherige Gesellschaftssystem und damit auch das ihm unterliegende Machtgefüge zu verändern. Für die Gesamtinszenierung der Industrie- und Gewerbeausstellungen hatten Kunst und Kunstgewerbe zunächst eine marktvorbereitende Funktion. Auf den Ausstellungen konnten die Kunstgewerbetreibenden nicht nur kunsthistorische Vorbilder studieren, sondern fanden dort auch ihren natürlichen Markt beziehungsweise Möglichkeiten zur Marktvorbereitung. Die Ursachen für die Entstehung dieser Produktionssparte sind in der prekären Stellung des Handwerks gegenüber der Industrieproduktion zu sehen. In Deutschland waren es insbesondere verschiedene Protagonisten der staatlich-bürokratischen Gewerbeförderung, die Teilen des Handwerks die Besetzung dieser Nische empfahlen. Ökonomisch erwies sich aber bald, dass das Kunstgewerbe keinesfalls als ‚Rettungsanker‘ für das Gros des Handwerks dienen konnte. Allen Untergangsprognosen zum Trotz, die von der bürgerlichen bis zur marxistischen Seite geäußert wurden, entwickelte sich das Gros des Handwerks in Richtung von Reparatur-, Dienstleistungs- und Zulieferbetrieben.473) Darüber hinaus hatte das Kunstgewerbe eine besondere Bedeutung mit Blick auf die gesellschaftliche Selbstverständigung über die Folgen der Industrialisierung sowie hinsichtlich der Entwicklung einer Konsumkultur. Zum einen galt das Kunstgewerbe einem kleinen Kreis von Architekten, Gewerbeförderern und Intellektuellen als ein wichtiges Element der ästhetischen Erziehung. Darüber versprach man sich, zur Lösung der gesellschaftlichen Spannungen und insbesondere der sozialen Frage beitragen zu können – Hoffnungen, die zumindest im Rückblick als illusionär gelten müssen. In der Aus-
473)
Vgl. dazu Lenger, Sozialgeschichte; Josef Ehmer, Soziale Traditionen in Zeiten des Wandels. Arbeiter und Handwerker im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M./New York 1994.
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einandersetzung mit den Produkten des Kunstgewerbes entwickelte sich aber eine eigene Konsumkultur: Am Beispiel der Ausstellung von Zimmereinrichtungen konnte gezeigt werden, wie Bedürfnisse geweckt und so für breitere Schichten ein mehr konsumorientiertes Kaufverhalten angestoßen wurde. Schon in den neunziger Jahren gingen die Veranstalter allgemeiner Industrie- und Gewerbeausstellungen davon ab, separate Abteilungen für Kunstgewerbe einzurichten. Stattdessen wurden die Produkte dieses Zweiges in die jeweiligen Warengruppen integriert. Allein bei Zimmereinrichtungen, Möbeln und bei der lokalen und regionalen Kleinkunst prägte das Kunstgewerbe weiterhin die Ausstellung und weckte ein entsprechendes Konsumbedürfnis bei den Besuchern. Mit dem Deutschen Werkbund und damit verwandten Initiativen entwickelten sich dann (Vor-)Formen des modernen Designs, welches das Kunstgewerbe in der Zuschreibung von Bedeutung an Waren und Konsumprodukte ablöste. Die Produkte der bildenden Kunst und zum Teil auch der Malerei dienten dazu, Publikum anzuziehen und zugleich die Produkte von Industrie und Gewerbe mit Prestige aufzuladen und damit aufzuwerten. Die Industrie finanzierte deshalb die Ausstellung von Kunst in den Ausstellungen, die Kunst ‚veredelte‘ im Gegenzug die Produkte der Industrie. Der Funktionszusammenhang von Kunst und Industrie, wie er in den deutschen Ausstellungen vor allem in den achtziger und neunziger Jahren bestand, wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert brüchig: Zum einen schwand die integrierende Kraft der Kunst, die selbst in den bürgerlichen Schichten nicht mehr als „kulturelles Rückgrat“ (Nipperdey) dienen konnte. Zum anderen setzten sich avantgardistische Kunstrichtungen dezidiert von der offiziösen Vereinnahmung ab, die die enge Symbiose von Kunst und Industrie mit sich gebracht hatte. Die Industrie- und Gewerbeausstellungen entwarfen ein Modell der industrialisierten Gesellschaft. Um dieses den Besuchern nahe zu bringen, rekurrierten sie in ihren Visualisierungen auf verschiedene Möglichkeiten, Ordnung zu stiften und den technischen und industriellen Fortschritt in Zeit und Raum zu verorten. Dazu bedienten sie sich verschiedener Ordnungsmuster. Ein populäres Denkmodell der Zeit, mit dem politische und soziale Entitäten definiert wurden, war das der Nation. Ihre Repräsentation in den Ausstellungen änderte sich zwischen den 1820er Jahren und dem Ersten Weltkrieg auf charakteristische Weise: Die Nationalausstellungen der vierziger und fünfziger Jahre fungierten als Teilöffentlichkeit einer Nationalbewegung, die vor allem nach innen zielte. Die Vereinigung von Produkten und Vertretern der Industrie und des Gewerbes aus allen Landesteilen und Kleinstaaten galt vielen Kommentatoren und den Veranstaltern als Vorwegnahme der nationalen Einigung: Auf wirtschaftlichem Gebiet wurde in Mainz 1842, in Berlin 1844 und in München 1854 praktiziert, was politisch bis dahin nicht erreicht wurde. Dieser Strang der Nationalausstellungen wurde nach 1854 nicht fortgesetzt. Gründe dafür waren die weitere Entwicklung des Nationalbewegung in einem
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veränderten politischen Kontext wie auch die seit 1851 in rascher Folge stattfindenden Weltausstellungen, die die Kräfte der sich daran beteiligenden Staaten und Aussteller banden. Erst nach der Reichsgründung fand der Nationalismus in den Ausstellungen wieder stärkere Resonanz. Die großen Provinzialausstellungen verstanden sich immer öfter als Gegenreaktionen auf Weltexpositionen, bei denen die deutschen Aussteller vermeintlich oder tatsächlich benachteiligt worden seien. Auch wenn in Deutschland vor dem Jahr 2000 keine Weltausstellung stattfand, fungierten die Expositionen von Industrie und Gewerbe dennoch als Medien eines Vergleichs und der Konfrontation zwischen den Nationen. Von den Befürwortern einer Weltausstellung in Deutschland wurde immer wieder angeführt, dass man eine solche Veranstaltung vor allem brauche, um das „Deutschtum“ im In- und Ausland zu fördern. Wirtschaftliche Aspekte traten gegenüber diesem Argument in den Hintergrund. „Deutsche Arbeit“ und „deutscher Stil“ waren zwei zentrale Punkte in der Visualisierung der Ausstellungen, die den Besuchern zur nationalen Identifikation angeboten wurden. Bei dem Versuch, über die Arbeit und ihre Produkte das ‚Deutschsein‘ zu definieren, vermischten sich ökonomische und politische Motive: Das Kainsmal „Made in Germany“ zu einem Qualitätsnachweis zu wandeln bedeutete, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Insbesondere in den vierziger und fünfziger Jahren galt es aus der Sicht vieler Gewerbetreibender, auch innerhalb Deutschlands die einheimischen Produkte gegen die von der Kundschaft bevorzugten ausländischen Fabrikate aufzuwerten. Zugleich aber brachten die Stilisierungen mit sich, der eigenen Nation mittels der hergestellten Waren verschiedene Werte zuzuschreiben: Solidität, Qualität und direkter Nutzen wurden als deutsche Eigenschaften stilisiert, die vor allem im Vergleich zum französischen oder „welschen Tand“ hervorstachen. Dabei kamen Industrie und Gewerbe ein hohes Integrationspotenzial zu: Zwar entzogen sich exportorientierte Branchen der Nationalisierung der Arbeit und ihrer Produkte. In der Breite der Ausstellungsbesucher fanden diese Tendenzen aber großen Widerhall. Mit den Ergebnissen seiner Arbeit, die als ‚deutsch‘ qualifiziert wurde, konnte sich der katholische Bergarbeiter wie der protestantische Unternehmer, der nationalkonservative Junker wie auch der sozialdemokratische Vorarbeiter identifizieren. Über das Nationale hinaus dienten weitere Elemente dazu, den technischen und industriellen Fortschritt räumlich wie zeitlich zu verorten: Mittelalterliche Stadtbauten wie „Alt-Berlin“ oder exotische Ensembles wie „Kairo“ dienten in der Gesamtwirkung der Ausstellung als Kontrastfolien. Gegenüber der als vormodern und in vielerlei Hinsicht als primitiv dargestellten Kultur außereuropäischer Länder stach der Entwicklungsstand der eigenen Gesellschaft besonders deutlich hervor. Szenerien wie „Alt-Berlin“ ordneten die Gegenwart in ihre historische Entwicklung ein: Die Zeitreise in die eigene Vergangenheit diente dem Kontrast, wie auch der Rückversicherung der vermeintlichen Wurzeln des Fortschritts. Die zu beobachtende und zu prognostizieren-
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D. Themen der Ausstellung
de rasante Entwicklung wurde hergeleitet aus der Vergangenheit und damit gleichsam zu einem natürlichen Vorgang erklärt. Dieses legitimierte die experimentellen Zukunftsentwürfe, die ihrerseits die Gegenwart aktivierten.474)
474)
Krasny, Zukunft, S. 314.
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E. Resümee und Ausblick „Guckkastenbilder einer neuen Welt erscheinen in ihr, Zeiten, die auf den Abgang der unsrigen geduldig warten. […] Man zeigt, was sein sollte, und verhüllt die Widerstände, die sich seiner Verwirklichung entgegensetzen. Wenn aber der Traum schon so sichtbar ist, muß die Decke zu zersprengen sein, unter der er sich regt.“1)
Virtuelle Welten sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Bereits das 19. Jahrhundert errichtete imaginäre Wirklichkeiten, wie am Beispiel der Industrie- und Gewerbeausstellungen und ihrer Inszenierungen gezeigt wurde. Sie zu erleben war nicht ausschließlich denjenigen vergönnt, die tatsächlich zu einer Ausstellung reisten. Journalisten und Publizisten suchten darüber hinaus nach Wegen, ihre Leser mit den Mitteln der Printmedien durch die Exposition zu geleiten. In der August-Ausgabe von Blackwood’s Magazine beispielsweise führte ein ungewöhnlicher Gast durch die 1851 in London stattfindende Weltausstellung: Der 1778 verstorbene französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire war aus dem Schattenreich der Toten auferstanden, mit dem Zug von Paris („where else could his spirit rise?“) nach London gereist, um dort die Exhibition of the Works of Industry of all Nations zu sehen und kritisch-geistvoll zu kommentieren.2) Im Kontext der deutschen Ausstellungen überwogen humoristische Genreskizzen, in denen lokale oder regionale Originale wie das Düsseldorfer „fussige Hermännche“, der Kölner „Tillekatessenhändler Antun Meis“ oder ein Berliner Unikum, der Magistratsbeamte Piefke diese Rolle übernahmen und in zeitkritisch-satirischer bis clownesker Manier ihre (mehr oder weniger) amüsanten Erlebnisse schilderten.3) Eine dritte Variante war der bei Journalisten wie Lesern gleichermaßen beliebte Briefbericht. In einem Fortsetzungsartikel der Vossischen Zeitung aus dem Jahr 1896 lud, um nur ein Beispiel herauszugreifen, der verliebte Vetter seine „allerschönste Base“ zu einer mehrere Wochen fortgesetzten Traumreise „kreuz und quer durch die Berliner Gewerbeausstellung“ ein, so der Titel der Artikelserie.4)
1)
Siegfried Kracauer, Guckkasten-Bilder, in: ders., Aufsätze 1932–1965, Frankfurt a. M. 1990, S. 78–84, S. 79. 2) [William Henry Smith], Voltaire in the Crystal Palace, in: Blackwood’s Edinburgh Magazine Vol. 70 (430), August 1851, S. 142–153. 3) Vgl. dazu die Fortsetzungsgeschichte “Dat fussige Hermännche auf der Ausstellung”, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung; Wächters, Gewerbeund Kunstausstellung; Hoster, Antun; Heinrich Marie Hoster, Däm Herr Antun Meis seinen Herr Nevöh, ‚es Hermännche … wie seinen Ohm Antun, Renteneer zu Kölle, auf der Industrie- und Gewerbeausstellung zu Düsseldorf, Köln o. J. [1880], Brennglas, Gewerbe-Ausstellung; Schultze und Müller auf der Berliner Gewebe-Ausstellung 1896. 4) Vgl. „Kreuz und quer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung“, in: Achte Beilage zur Vossischen Zeitung No. 241 (Morgenausgabe) vom 24. Mai 1896 ff.
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Schon die Nennung der Charaktere lässt erahnen, dass es dem auferstandenen Philosophen, den lokalen und regionalen Originalen und dem verliebten Paar höchst unterschiedlich erging: Während die Protagonisten der humoristischen Skizzen in einer Reihe von Missgeschicken und Zwischenfällen durch die Ausstellungshallen, Vergnügungsareale und Restaurationen stolperten und sich dabei „köstlich amüsierten“5), standen der Dichterfürst und Philosoph Voltaire und das verliebte Paar um die Jahrhundertwende für zwei ganz gegensätzliche Zugänge, mit denen das mögliche Rezeptionsspektrum angedeutet wird: Die große Bewunderung für die Disziplin und den Arbeitseifer des 19. Jahrhunderts, mit der Voltaire den Kristallpalast betrat, wich bald dem Zweifel am Sinn und dem Nutzen dieser vielen Dinge einer schönen neuen Welt.6) Seiner Meinung nach waren die technischen Errungenschaften der Ausstellungen vor allem reiner Luxus, aus blanker Eitelkeit zur Schau gestellt. Wie freute er sich daher, als er eine sinnvolle und zugleich praktische Erfindung entdeckte: An einem Vorführstand brachte es jemand fertig, mit einem kleinen Hölzchen auf einen Streich Feuer zu entfachen. Voltaire war außer sich vor Begeisterung – und die Umstehenden ungehalten, weil seine Euphorie über das 1829 erfundene Streichholz die Vorführung einer dampfbetriebenen Druckerpresse störte, welche die Parlamentsberichte der Times einen halben Tag früher als bisher aufs Papier brachte. Aber Voltaire blieb uneinsichtig: Auf die Parlamentsberichte könne er durchaus länger warten, der Qualität der Kommentare komme etwas mehr Zeit eher zugute. Während seines Besuchs gesellten sich ihm die unterschiedlichsten Charaktere zu: der fortschrittsgläubige Professor für Maschinenbau; der zivilisationskritische Mahner mit dem Ruf nach der Rückkehr zur Einfachheit; der rein materialistisch ausgerichtete Kaufmann aus Manchester, dem Herzen des boomenden Englands; der englische Protestant, der ihm den Nutzen einer Religion erklärte, die auf die Metaphysik verzichte. Keinem dieser Personen gelang es, Voltaire mit der Zeit zu versöhnen, die sich im Kristallpalast präsentierte, oder gar von den Fortschritten der Zivilisation zu überzeugen. Insbesondere die modernen Kriegswaffen ließen in ihm die Überzeugung reifen, dass sich der Mensch nicht grundlegend geändert habe, sondern „das alte Spiel mit besseren Geräten“ betreibe. „Voltaire went back quite contented that he had lived in Paris a century ago.“ Eine ganz andere Perspektive eröffneten die Briefe des Vetters Paul an seine „schönste Base“, die er in seinem Traum über die Berliner Gewerbeausstellung geleitete: Nicht zu Fuß, sondern im „noch unerfundenen, elektrisch lenkbaren Luftschiff“, von dem allerdings eine bereits realisierte Variante im Vergnügungsareal der Ausstellung schon zum Einsatz kam. „Betrachte Dir so
5) 6)
Baron, S. 33. Dazu und zum folgenden [Smith], Voltaire.
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aus den höheren Regionen die Wunder, die die fleißige Menschenhand und die freundliche Natur an dem grünen Strand der Spree gebaut haben.“ Gemeinsam bewegten sich die Verliebten vom Hof-Juwelier des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach zum „Schlaraffenland“ der Konditoren und Süßwarenhersteller Gebrüder Thiele. Auf jeden Wunsch der eigensinnigen Base weiß ihr Kavalier sofort zu reagieren – „Du willst wirklich einen Thee, verehrte Base? Dann hinüber zu […] Höltings Theepavillon“ –, da sich im Ausstellungsterrain alle Möglichkeiten des Konsumierens und Genießens boten. Auch der zwischenzeitlich befleckte Sonnenschirm der Base kann in der Gruppe 1 Textilindustrie unmittelbar gereinigt werden („Du bleibst nun Kunde von Coundé. Und dankbar denke ich daran, wie nicht nur Dein Schirm, sondern auch Dein Gesicht bei Coundé wieder heller geworden ist“). Juweliergeschäft und Kaffeeausschank, Vergnügungsareal und Modekonfektion – dies waren die Ingredienzien eines Schlaraffenlandszenarios, in dem sich alle Wünsche augenblicklich erfüllten und Konsum und persönliches Wohlbefinden auf das Engste miteinander verknüpft schienen.7) Allen Texten gemeinsam war, dass sie das Spiel mit Fiktion, Realität und ihrer Repräsentation in ihrer literarischen Gestaltung aufnahmen. Während sich aber beispielsweise die Anwesenheit der Base auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 als Traum entpuppte („Die Phantasien sind entschwunden, Du bist gar nicht hier“), war das emphatisch beschriebene Szenario der Industrie- und Gewerbeausstellung keineswegs irreal. Auch wenn die Ausstellung als Repräsentation nur stellvertretend auf eine andere Wirklichkeit verwies, konstituierte sie doch selbst einen Erfahrungsraum, der neue Formen des Produzierens, Verkaufens und vor allem des Konsumierens zeigte und erlebbar machte. Dabei griff der Deutungsanspruch der Ausstellung über die Gegenwart hinaus, wenn er auch vergangene und zukünftige Zustände deutete. Die Illusionsmaschine oder, in der Sprache der Zeit, „der Riesentingel – genannt Gewerbeausstellung“8) suchte Realität abzubilden, war Realität und zugleich als Inszenierung deutlich gekennzeichnet. Der Einbruch der Realität in die Fassadenwelt, der sich regelmäßig einstellte9), tat dabei der Wirkung keinen Abbruch, im Gegenteil: Diese Konstellation spielte ihrerseits mit der doppelten Konstitution von Wirklichkeit, welche die Ausstellungen prägte.10) Die Erscheinungsform von Welt, wie sie den Zeitgenossen in den Industrieund Gewerbeausstellungen entgegentrat, zielte auf ein industrialisiertes Bewusstsein, welches auf der Ebene der ästhetischen Wahrnehmung verankert
7)
Vgl. Kreuz und quer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: Achte Beilage zur Vossischen Zeitung No. 241 (Morgenausgabe) vom 24. Mai 1896. 8) Beilage zum Vorwärts Nr. 218 vom 17. September 1896. 9) Immer wieder sind beispielsweise Klagen darüber geäußert worden, dass Ausstellungen bei ihrer Eröffnung immer noch einer großen Baustelle glichen. 10) Vgl. „Die Verkäufe einzelner Gebäude“, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, 1. Beiblatt Nr. 376 vom 26. 7. 1896.
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werden sollte. Deshalb wurde das Vorhandene inszeniert, die Aura des Originals mit der Deutung der Vergangenheit und der Projektion der Zukunft verknüpft. Entlang dieser Achse entwickelte sich die Wahrnehmung des Gebotenen: Spektakel und Dekoration, Kulisse und Verkleidung, Inszenierung und Gestaltung als Kommunikationsmittel des Realen.11) Diese Repräsentation versuchte für das entworfene Bild einzunehmen und provozierte zugleich Widerspruch. Bevor wir die Analyse der zeitgenössischen Inszenierungen sowie ihre Interpretationen resümieren – Fortschrittskritik und Konsumeuphorie sind am Beispiel von Voltaire sowie von Vetter und Base bereits angeklungen – ist eine methodische Prämisse in Erinnerung zu rufen, die sowohl die Tragweite als auch die Grenzen der Ergebnisse charakterisiert: Industrie- und Gewerbeausstellungen sind komplexe Artefakte, keine offenen Fenster, durch die man in die zeitgenössische Gesellschaft hineinblicken könnte. Die Entwicklung des Genres Ausstellung, insbesondere die Rück- und Sogwirkung des internationalen Ausstellungswesens, aber auch andere Einflüsse wie das veränderte Angebot der Konsumindustrie oder die wachsenden Möglichkeiten der Freizeitund Vergnügungsindustrie beeinflussten die Repräsentation von sozialen und ökonomischen Modellen und Ordnungsvorstellungen in den Ausstellungen von Industrie und Gewerbe. Auf diesem Hintergrund wurde einleitend die Frage nach dem Zusammenhang von dem in den Ausstellungen visualisierten Modell einer industrialisierten Gesellschaft und der tatsächlichen Entwicklung in Deutschland gestellt. Dass es Wechselwirkungen zwischen beiden Größen gibt, ist im Verlaufe der Studie an vielen Beispielen demonstriert worden. In welcher Weise diese beiden Ebenen aber miteinander verzahnt waren, ist umso schwerer nachzuweisen: Die Ausstellungen, so das entwickelte Argument, produzierten „Denkbilder“, die „direkt an den Erfahrungen und Interessen eines breiten Publikums ansetzen“.12) Auf diese Weise fungierten sie als eine deutende Instanz, die zu den Vorprägungen und Erfahrungen des Einzelnen beitrugen, Wahrnehmungen und deren Verarbeitung beeinflussten und den Blick auf die Wirklichkeit modifizierten. Eine Analyse der Praxis in den Ausstellungen sowie der Deutungsangebote legte die mentalen Bilder und ihre Syntax frei, mit denen sich die Zeitgenossen über die Industrialisierung und ihre gesellschaftlichen Folgen verständigten.13) Die Kommunikationsleistung der Ausstellungen, ihre Deutungsangebote und ihre Erfahrungsräume sollen resümierend in diachroner Perspektive dargestellt werden. Zugleich sollen die jeweils im Anschluss an die Hauptkapitel
11)
Vgl. Krasny, Zukunft, S. 314. Gottfried Korff, Omnibusprinzip und Schaufensterqualität: Module und Motive der Dynamisierung des Musealen im 20. Jahrhundert, in: Michael Grüttner/Rüdiger Hachtmann/Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.), Geschichte und Emanzipation. Festschrift für Reinhard Rürup, Frankfurt a. M./New York 1999, S. 728–754, S. 731. 13) Vgl. Gilcher-Holtey, Nacht, S. 84–86. 12)
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bereits separat zusammengefassten Ergebnisse in weiterreichende Kontexte eingeordnet werden. Dabei sind neben den großen Linien der Interpretation der deutschen Geschichte, die mit dem Zusammenhang von ökonomischer und politischer Entwicklung argumentieren, insbesondere die Industrialisierungsforschung, die Geschichte der Repräsentationen, des Bürgertums und des Konsums von Interesse. In ihrer Anfangsphase markierten die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe einen qualitativen Sprung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Wirtschaft und Ökonomie. Durch diese Form von Repräsentation wurde dem ökonomischen Feld und seinen Akteuren gesellschaftliche Bedeutung zuerkannt und diese öffentlich demonstriert. Dass das Aufkommen dieses Mediums einen eminenten Wandel markierte, sticht dann besonders klar hervor, wenn man im Kontrast dazu die Position von Ökonomie und kommerziellem Handeln in der Lebenswelt und in der Wissensordnung der Frühen Neuzeit sieht: Trotz einer gewissen Verquickung von Politik und Wirtschaft – ein Verhältnis, in dem die Politik zudem eindeutig dominierte – waren die meisten Lebens- und Sozialbereiche noch nicht oder nur marginal von der Wirtschaftsordnung tangiert. „Von einem integralen Wirtschaftsbegriff, der den Bereich des Marktes mit dem der Produktion verklammert hätte, kann noch gar keine Rede sein“, so Johannes Burkhardt.14) Im Normen- und Mentalitätsgefüge hatte die „Wirtschaft“ ebenso wenig einen rechten Platz wie in der zeitgenössischen Wissensordnung. Diese Zuordnung änderte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts grundlegend, wie an verschiedenen Öffentlichkeitssegmenten gezeigt werden kann: Mit Blick auf die kameralistische und – so ‚avant la lettre‘ – nationalökonomische Lehr- und Forschungsliteratur lassen sich die 1830er Jahre als Umbruchphase des ökonomischen Diskurses definieren. Im Übergang zum 19. Jahrhundert verließ das ökonomische Argument die Sphäre der Wissenschaft und wurde Teil der öffentlichen Diskussion um Modernität.15) Während gelehrte Journale, ökonomische Sozietäten und frühe Gewerbevereine relativ geschlossene Öffentlichkeitssegmente in dieser gesellschaftlichen Selbstverständigung bildeten,16) waren die frühindustriellen Ausstellungen ungeachtet der de facto bestehenden sozialen Segmentierung ihrer Besucher auf eine allgemeine Öffentlichkeit gerichtet. Trotz ihrer Wurzeln in der staatlichen Gewerbeförderung sind die Expositionen deshalb nicht allein in ihrer Funktion als Verbreitungsinstanzen technischer Neuerungen zu würdigen. Was schon mit der Trägerschaft staatlicher Instanzen der Gewerbeförderung
14)
Johannes Burkhardt, Die Entdeckung des Handels. Die kommerzielle Welt in der Wissensordnung der frühen Neuzeit, in: Wirtschaft in Wissenschaft und Literatur. Drei Perspektiven aus historischer und literaturwissenschaftlicher Sicht, Augsburg 1993, S. 5 f. 15) Tribe, Economy. 16) Vgl. zu dem Zusammenhang von Industrialisierungsakzeptanz und Öffentlichkeit die interessante Deutung von Brose, Politics, S. 267 ff.
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begonnen hatte, verstärkte sich mit ihrem Übergang auf staatsnahe, aber private Gewerbevereine. Der ökonomische Sektor stellte sich in dieser Öffentlichkeit als ein eigenständiger und zweckrationaler Bereich dar, der sich zunehmend von herrschaftlichen Konnotationen emanzipierte. Mit der Etablierung und Legitimierung des Markt- und Konkurrenzprinzips grenzte man sich von der adlig-ständischen Ökonomik ab. Man repräsentierte einen Kodex aufgeklärten Wirtschaftsverhaltens, welcher die Beschränkungen auf partikulare soziale Einheiten wie „das ganze Haus“ oder „die Familie“ wie auch die Vorstellung von statischer Bedarfsdeckung durchbrach. Zugleich wurde auch im Bereich der Wirtschaft eine partikularstaatliche „patriotische“ Gemeinwohlorientierung entwickelt, die sich im Repräsentationshaushalt der frühindustriellen Ausstellungen mit der Ausbildung einer individualisierten, leistungs- und erfolgsbezogenen Handlungsethik verband.17) Dabei machte die Visualisierung der materiellen und sozialen Welt, wie sie auf den Ausstellungen betrieben wurde, öffentlich sichtbar, was ansonsten nur privat und für die Mehrzahl unsichtbar geblieben wäre. Die Ausstellungen enthüllten Menschen, Güter und Maschinen sowie ihre kommerziellen und sozialen Verbindungen zueinander. Gesellschaftlich eingeordnet waren die Expositionen zu diesem Zeitpunkt in den sozialen Kontext der jeweiligen Region oder Stadt. Die ersten Nationalausstellungen in Mainz, Berlin und München fungierten darüber hinaus als Medien einer inneren Nationenbildung, in denen sich die Demonstration von wirtschaftlicher und (gewünschter) politischer Einigkeit miteinander verbanden. Mit der fortschreitenden Industrialisierung entwickelten sich die Ausstellungen nicht nur quantitativ zu einem Massenmedium, welches in seinen Hochzeiten mehrere Millionen Besucher anzog und seine Breitenwirkung über Publizistik und andere Medien um ein Vielfaches steigerte. Zudem erhöhte sich das Ausdrucks- und Repräsentationspotentzial der Expositionen. Der Start in das „Halbjahrhundert der Weltausstellungen“ (J. Lessing) im Jahr 1851 machte das Medium Industrie- und Gewerbeausstellung populär und wies zugleich deutlich über den Zuschnitt der frühindustriellen Ausstellung hinaus. Ihre Träger, die frühindustriellen Gewerbevereine, wandelten sich zu mittelständischen, zum Teil auch (groß)industriellen Interessenvereinigungen. Auch wenn diese Trägergruppen für sich und ihre Ausstellungen reklamierten, ein allgemein verbindliches Bild der Gesellschaft sowie auf das allgemeine Wohl bedachte Zukunftsvisionen zu repräsentieren, so waren die Expositionen doch Ausdruck von Weltanschauung, Ideologie und Interessen derjenigen, „die sie zimmerten“18) – ohne aber, dass die gewaltigen Expositionen darin aufgingen. Im Gegenteil: Sowohl die Visualisierungen und Re-
17) 18)
Vgl. Schulze, Gemeinnutz, S. 59–626. Chartier, Vergangenheit, S. 11.
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präsentationen forderten Diskussionen heraus als auch die „blinden Flecken“ des Verschweigens und des Nicht-Thematisierens. Die Ausstellungen entwickelten die Präsentation von Industrie-, Gewerbeund Handwerksprodukten zur Leistungsschau und zum industriellen Spektakel. Wie Flugschriften, Zeitungen oder die Literatur wurden auch Ausstellungen „gelesen“. Auf Grund der ihnen eigenen Kommunikationsstruktur leisteten sie aber mehr als ein geschriebener Text. Die Ausstellungen boten ihren Besuchern „lebende“ Beispiele für den industriellen Prozess und die daraus resultierende soziale Ordnung. Sie boten eine öffentliche, massenhaft besuchte und damit als kollektiv erlebte Erfahrung. Die Angebote und Inszenierungen der Ausstellungen luden die Besucher ein, sich kunstgewerbliche Produkte und andere Souvenirs zu kaufen, Spezialitäten zu konsumieren, zwischen den einzelnen Darbietungen in neuartigen Verkehrsmitteln zu reisen, an Zeremonien und aufwändig inszenierten Festveranstaltungen teilzunehmen. Die Gleichzeitigkeit dieses Erfahrungsprozesses für eine große Zahl von Besuchern war keine imaginierte, sondern höchst real: Der einzelne Ausstellungsbesucher erlebte sich als Teil einer Masse, teilte die Bewunderung mit seinem Nachbarn ebenso, wie ihn die Enge und der große Zulauf verdross. Der Besuch einer Ausstellung implizierte eine Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft, definierte Grenzen nach außen und innen, schloss aber keinesfalls Spannungen zwischen und innerhalb der Gruppen aus. Auf diese Weise waren es die Ausstellungen selbst, die nicht nur in der „öffentlichen Meinung“ verankert waren, sondern „Öffentlichkeit“ generierten. In ihren Schaustellungen, technischen Vorführungen und vor allem in den Festivitäten demonstrierten sie die Stellung einzelner Gesellschaftsgruppen in der neuen Ordnung und zueinander. Die Inszenierungen der Ausstellungen wie auch ihre Deutungen in Literatur und Publizistik demonstrierten für den Zuschauer und Teilnehmer Verbindungen zwischen neuer Technologie, der Organisation der Arbeit und der sozialen und politischen Konstruktion des (immer stärker als Nation gefassten) Gemeinwesens. Die Konstruktion neuer Symbole und Formen der sozialen Interaktion stellte eine neue öffentliche Sprache für die soziale Ordnung bereit und versuchte dabei, kulturelle, soziale und politische Differenzen zu nivellieren. Nicht eine Diskursanalyse über, in oder am Rande der Ausstellungen produzierter Texte, sondern die dort vollzogene Praxis des Ausstellens wie auch des Sehens und des Wahrnehmens bot einen Zugang, um die Deutungs- und Erfahrungsleistung der Ausstellungen sowie die Handlungsskripte von Ausstellern und Besuchern zu erfassen. Die wichtige Stellung, die dem Medium Ausstellung bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zukam, erklärt sich vor allem daher, dass es in seinen Visualisierungs- und Inszenierungsmöglichkeiten und damit für die Phantasieproduktion der Gesellschaft nahezu konkurrenzlos war. Erst mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich das Medienensemble. Mit der stärkeren Kommerzialisierung der Kunst, einem
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veränderten Markt für die Massenfreizeit wie auch mit dem frühen Kino wurden die Expositionen in ihrer Bedeutung abgelöst. Das Medium Ausstellung war eine Neuerung und verlangte dem Besucher eine Erweiterung seiner Wahrnehmung ab: Nur wenig mehr als eine Generationenspanne von einer Gesellschaft entfernt, die in weiten Teilen vom Mangel am Lebensnotwendigen gezeichnet war, präsentierten die Industrie- und Gewerbeausstellungen seit der Jahrhundertmitte in steigendem Maße ein Bild des allgemeinen Konsums und des Überflusses. Über die Analyse publizistischer „Sehhilfen“ wurde nicht der mentale Niederschlag des Rezeptionsvorgangs, wohl aber wurden die medialen Rahmenbedingungen und damit auch die Muster der Wahrnehmung dieses Bildes rekonstruiert. Eine Analyse der Ordnung der Dinge, wie sie in den Ausstellungen vorgenommen wurde, enthüllte die Werte und Überzeugungen, die dem Tun der Ausstellungsmacher und Organisatoren unterlag: Auch wenn keines der angewandten Klassifikationssysteme – das enzyklopädische, das didaktische, das szientistische und das produktorientierte – ganz aufgegeben wurde, verlagerten sich die Schwerpunkte der Inszenierung doch in charakteristischer Weise. Sie wandelten sich von der Darstellung des Fertigungsprozesses zur Präsentation des Produkts, von dem singulären Prototyp des handwerklichen Könnens zur preiswert gearbeiteten Industrieware. Mit speziellen Inszenierungsmethoden und ausgeklügelten Präsentationstechniken, wie zum Beispiel der Darstellung von Quantitäten oder einer ausgesprochenen Gigantomanie, aber auch in der Kombination mit Objekten der Hochkultur suchte man die eigene Ware symbolisch aufzuwerten. Den Besucher sprachen die Ausstellungsinszenierungen seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer weniger als Mitbewerber und potenziellen Geschäftspartner an, sondern vor allem als Konsumenten: die Ausstellungen boten die Möglichkeit, sich „right on the spot“ von der Qualität eines Produkts zu überzeugen. Wettbewerbe zwischen Maschinen und einzelnen Herstellern standen nicht allein für das Konkurrenzprinzip, sondern rückten den Beobachter auch in die Rolle des Bewertenden. Eingesetzte Jurys, verliehene Medaillen und entsprechende Expertisen verifizierten das Qualitätsurteil zusätzlich. Der Besucher wurde im Idealfall zu demjenigen, der selbstbewusst und wissend auswählte, im anderen Extrem – auch das lag schon im Bewusstsein der Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts – degenerierte er zum Objekt der Verführung. Die Geschichte des Konsumierens und des Konsumenten in Deutschland ist noch nicht geschrieben, obwohl seit Beginn der neunziger Jahre auch in Deutschland die Anregungen der englischsprachigen Forschungen zur Konsumgeschichte vielfältig aufgenommen wurden.19) Weiterreichende Interpretationsangebote, mit denen verschiedene Prozesse zusammenfassend be19)
Vgl. konzentriert auf das 20. Jahrhundert Heinz-Gerhard Haupt, Der Konsument, in: ders./Ute Frevert (Hrsg.), Der Mensch des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1999, S. 301– 323; König, Geschichte; Prinz, Konsum, S. 11–34.
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schrieben oder eine Periodisierung vorgenommen wurde, gibt es deshalb vorrangig aus der Perspektive der amerikanischen und englischen Gesellschaft. Mit Blick auf den Zusammenhang von „Konsum und Bürgerstatus“20) ist das „Zeitalter des höfischen Konsums“ als ein erstes Großmodell charakterisiert worden, in dem sich politische Ideologie mit der Praxis des Konsums verband.21) Die frühindustriellen Gewerbeausstellungen in Deutschland waren ein Medium, mit dem die Beschränkung des Luxuskonsums auf den exklusiven Kreis des Hofes überwunden wurde. Zunächst wurde die Bürgeröffentlichkeit, dann ein prinzipiell unbeschränktes Massenpublikum in die Welt des Konsums eingeführt, indem Angebote vorgeführt und Bedürfnisse geweckt wurden. Zugleich konnten die Besucher in den wachsenden Vergnügungsparks und Restaurationen direkt konsumieren. Der Topos vom „geächteten Verbraucher“ und vor allem der „geächteten Verbraucherin“, die in der britischen und amerikanischen Diskussion als Gegenbild zum „asketischen Staatsbürger“ aufblitzten, fanden in den deutschen Ausstellungen kein Gegenstück und – so zeichnet es die bisherige Forschung – spielten im um mehrere Jahrzehnte zeitversetzten deutschen Selbstverständigungsdiskurs keine ähnlich gewichtige Rolle.22) Stattdessen waren die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe rhetorisch das gesamte 19. Jahrhundert dem „Gemeinwohl“ verpflichtet; diese Selbststilisierung behielten die Ausstellungsmacher auch dann noch bei, als in der Ausstellungspraxis die Präsentation von Ware, die Anregung zum Konsum und die Selbstrepräsentation einer gesellschaftlichen Gruppe deutlich überwogen. In den Festivitäten und Ritualen der Ausstellung und insbesondere der zentralen Eröffnungs- und Schlussfeiern, aber auch im Gesamtbild der Ausstellung war ein Moment deutlich angelegt: Während der einzelne Besucher wie auch die große Masse zugleich als Subjekte und Nutznießer der neuen Relation von Macht und Wissen, von Produktion und Luxus dargestellt wurden, waren in diesem Szenario diejenigen deutlich markiert, denen Macht und Möglichkeit zukam, die „Welt“ auszustellen, sie zu ordnen und zu lenken. Mit den „Fabrikanten“ und „Industriellen“ schrieb sich eine neue Berufs- und Statusgruppe in den kollektiven Wertehorizont ein.23) Schon die Zeitgenossen reflektierten diesen Prozess: Laut amtlichem Bericht der Berliner Gewerbeausstellung 1844 ernteten die Unternehmerschaft und die Gewerbetreibenden „wohlverdienterweise von allen Seiten die wärmsten Bezeugungen der Freude, der Teilnahme und Hochachtung, welche wiederum zu neuer Anstrengung und Ausdauern in den Mühen und Sorgen dieses Berufes anzufeuern wohl geeignet waren.“24) Die Ausstellungen zeigten diese Sozial- und
20)
So die zentrale Untersuchungsperspektive von Grazia, Sex, S. 277. Vgl. Williams, Dream; Kroen, Aufstieg, S. 533–564. 22) Vgl. Kroen, Aufstieg, S. 538. 23) Zur Begriffsgeschichte vgl. Hilger, Artikel, S. 229–252. 24) Amtlicher Bericht Berlin, Bd. 3, Berlin 1846, S. 227. 21)
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Statusgruppe als diejenigen gesellschaftlichen Akteure, die die Wirtschaft zum Wohl aller ordneten und lenkten. Dies war die Rhetorik der Macht, die die Ausstellungen prägte. Durch ihre Deutungs- und Erfahrungsangebote waren die Ausstellungen dabei nicht nur Reflexe dieser Entwicklung, sondern fungierten als „Agenten des Wandels“:25) Sie animierten die Besucher dazu, an einem als gegeben und natürlich stilisierten ökonomischen und sozialen Arrangement zu partizipieren und auf diese Weise das repräsentierte Modell der sozialen Ordnung zu verinnerlichen. Noch grundsätzlicher lässt sich auf einer anthropologischen Ebene nach den menschlichen Sinnen und ihren Wandlungen fragen, ohne dass auf diesem für die Geschichtswissenschaft noch fremdem Gebiet abschließende Antworten möglich sind26): Timothy Mitchell hat in einem wegweisenden Aufsatz rekonstruiert, wie eine ägyptische Delegation die Pariser Weltausstellung von 1889 wahrgenommen hat. Die Zeugnisse des ‚fremden Blicks‘ haben ihn zugleich zu einer These animiert, die den grundsätzlichen Wandel der Wahrnehmung in Europa thematisiert: nicht mehr die direkte Anschauung, sondern die Repräsentation wurde seit dem Ende des 18. Jahrhundert zu einem Prinzip von Weltbeobachtung erhoben.27) Damit schlägt er eine grundsätzlich andere Richtung ein als die vielen Ausstellungskritiker, die sich vor allem an der Missrepräsentation gestoßen haben, nicht aber das Prinzip der Repräsentation an sich kritisierten: „The exhibition does not alienate us from the real world; it creates an effect called the real world, in terms of which we can experience what is called alienation.“28) Das Sehen von Repräsentationen eröffnete die vermittelte Wahrnehmung von Phänomenen, die ansonsten unbekannt geblieben wären. Andererseits aber wurde die unmittelbare Wahrnehmung abgelöst durch das Denken in medial vorgegebenen und meist normativen Bildern. Neuere Ergebnisse der historischen Forschung zum Mittelalter und insbesondere zur Frühen Neuzeit verweisen darauf, wie gewichtig Formen der symbolischen Kommunikation bereits in der Vormoderne waren. Dennoch scheint erst mit den Medien- und Kommunikationsrevolutionen der Moderne diese Entwicklung ein Massenphänomen geworden zu sein. Wenn diese Annahme zutrifft, dann ließe sich damit an Ergebnisse der Sozialpsychologie und Psychoanalyse anknüpfen: Mit der Bedeutungszunahme der Repräsentation erscheint auch subjektives Erleben primär in vorgefertigten Erwartungsmustern, in Bildern, möglich. Im Denken des Bürgertums verdichtete sich dieses Motiv in der Denkstruktur des Gegensatzes von Sein und Schein. In der Moderne, so hat der Foucault-Schüler Gilles Deleuze mit einem
25)
Hoffenberg, Empire, S. 27. Als Ausnahme für die neuere und neueste Geschichte das in Bielefeld beheimatete Forschungsprojekt zu “Vertrauen als historische Kategorie”. Vgl. Ute Frevert, Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003. 27) Mitchell, World. 28) Ebd., S. 225. 26)
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deutlich zivilisationskritischen Zug konstatiert, „räumt das produktive Unbewusste das Feld zugunsten eines Unbewussten, das nicht nur mehr ausdrücken kann – im Mythos, in der Tragödie, im Traum […]. Die Tragödie ist nur mehr Phantasieproduktion, Ausdrucksproduktion. Das Unbewusste hört auf, das zu sein, was es ist: Fabrik, Werkstatt, und wird an deren Stelle Theater, Bild, Inszenierung.“29) Die Vorstellung von einer ‚Ursprünglichkeit‘ der menschlichen Wahrnehmung, die der Äußerung Deleuzes unterliegt, ist selbst wohl nur ein ideologisches Konstrukt. Dennoch aber sind die Konsequenzen einer solchen Entwicklung doch als grundlegend zu werten. Am Beispiel des Theaters lassen sich die (möglichen) Folgen einer solchen Wahrnehmungsveränderung zeigen:30) Spätestens seit dem Theatertheoretiker Gottsched verabschiedete das bürgerliche Theater die subversiven und schillernd-ambivalenten Figuren wie den „Hanswurst“ oder den „Harlekin“ aus der Volkskultur. An Stelle dessen trat eine „einfache“ Repräsentation. Diese zielt vor allem auf direkte Identifizierung und verlor damit ihre produktive Dimension. Jedes Bild der Phantasie, welches das Theater produzierte, war auf diese Weise gesellschaftlich gebrochen. Ohne mit dem Wandel des Sehens zugleich auch auf gesellschaftliche Entfremdungsprozesse zurückzuschließen,31) bietet diese Perspektive doch einen wichtigen Befund für eine (noch zu schreibende) Geschichte der menschlichen Wahrnehmung.32) Für die Ausstellungen von Industrie und Gewerbe gilt aus dieser Perspektive, dass sie zu einer „Schule des Blicks [wurden], zu einem optischen Simulator, in dem der zunächst extrem erfahrene Sinneneindruck, das sensationelle, weil ungewohnte Erlebnis immer wieder eingeübt werden konnte, bis es zur Selbstverständlichkeit und zum alltäglichen Bestandteil menschlichen Sehens wurde.“33) In den Industrie- und Gewerbeausstellungen ging es weniger um einzelne Zeichen als vielmehr um eine Mediatisierung von Wirklichkeit, um eine Prägung der Wahrnehmung der industriekulturellen Öffentlichkeit. Im Schnittpunkt von staatlichen und ökonomischen, technischen und wissenschaftlichen, bildungspolitischen und künstlerischen Interessen etablierten sich die Ausstellungen und produzierten Erscheinungsformen von Welt. Abgesehen von der realen Präsentation von Erfindungen und technischen Neuerungen, schufen und popularisierten die Ausstellungen eine Sprache der Dinge, ein Formenvokabular der Präsentation und der Lesbarkeit dieser industriekul29)
Gilles Deleuze/Félix Guattari, Anti-Ödipus, Frankfurt a. M. 1974, S. 69. Vgl. zum Folgenden Henri Lefèbvre, Kritik des Alltagslebens, Bd. 1, München ²1975, S. 31 ff. 31) Vgl. zum Beispiel den in diese Richtung argumentierenden Thomas Kleinspehn, Der flüchtige Blick. Sehen und Identität in der Kultur der Neuzeit, Reinbek bei Hamburg 1989, S. 319 f. 32) Vgl. Robert Jütte, Geschichte der Sinne. Von der Antike bis zum Cyberspace, München 2000; Christoph Wulf, Auge, in: ders., Menschen, S. 446–458. Die genannten Autoren gehen aber allesamt von meist normativen Texten aus. 33) Oettermann, Panorama, S. 79. 30)
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turellen Öffentlichkeit selbst. Auf diese Weise wurden Repräsentationsbeziehungen aufgebaut, bei denen „eine Figur für ein Abstraktum steht, das selbst nicht sichtbar ist.“34) Dingliche Objekte wurden zu „Ausdrucksmitteln einer Vorstellung“.35) In den Ausstellungen ging es also wesentlich um ein Ausloten der sinnlichen Qualitäten der Objekte, um jene bunte, diversifizierte, reichhaltige Repräsentation zu erzeugen, die nicht zuletzt die Akzeptanz eben dieser Ordnung im Alltag herbeiführen sollte. Auch den Ausstellungsmachern und den zeitgenössischen Theoretikern war dieser Umschlag vom Technischen ins Ästhetische, vom Abstrakten ins Sinnliche sowie die Notwendigkeit der Zusammenführung dieser unterschiedlichen Niveaus der Wahrnehmbarkeit bewusst.36) Im Mittelpunkt stand das Finden und Erfinden einer Sprache der Dinge, die die industriekulturellen Leistungen als Grundlage der Gesellschaftsordnung und gleichzeitig als einigendes Band um die verschiedenen Interessengruppen und Akteure wahrnehmbar machte und als allgemein gültig vorstellte.37) Im Medium der Ausstellung waren über die Praktiken hinaus Semantik und Syntax der Deutungsangebote zu entschlüsseln, mit denen zentrale Fragen der industriellen und der damit verbundenen sozialen Entwicklung interpretiert wurden. Dieser Schritt erlaubte es, bildlich gesprochen, hinter die Kulissen der Ausstellung zu schauen und die dortigen Deutungsangebote mit den virulenten gesellschaftlichen Problemlagen in Zusammenhang zu setzen. In Deutungsangeboten und Erfahrungsräumen etablierte das Ausstellungswesen Denkmodelle und Strukturen, die dem aufsteigenden Bürgertum und einer anwachsenden Mittelklasse entgegen kamen, ihrer Vision der industrialisierten Gesellschaft entsprachen und diese erfahrbar machten. Politische, ökonomische und soziale Hierarchien wurden aktiv neu interpretiert, soziale und ökonomische Praktiken im Sinne der Aussteller erklärt und bewertet. Zum Ideal erhoben wurde der „redliche“, „schöpferische“, meist zusätzlich als „unermüdlich“ und „selbstlos“ qualifizierte „Bürgerfleiß“. „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis“ – in diesem Vers verdichtete sich die bürgerliche Arbeitsideologie, wie sie in den Visualisierungen der Ausstellungen zum Ausdruck kam. Die Konturen dieses Arbeitsbegriffs wurden zunächst durch die Abgrenzungen zu konkurrierenden Modellen geschärft: In der Frühindustrialisierung forderte nicht die unselbständige proletarische Lebensweise diesen Tugend- und Normentwurf heraus. Zunächst entwickelte sich der Reichtum zu einem Problem, zumindest in der Repräsentation: Wer
34)
Chartier, Vergangenheit, S. 65. Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. ²1991, S. 49. 36) Vgl. Wilhelm Exner, Einleitung zu den Fachberichten über die Weltausstellung, in: Berichte über die Weltausstellung in Paris, hrsg. durch das k. k. Österreichische GeneralCommissariat, Bd. 2, Wien 1902, S. IX. 37) Vgl. Krasny, Zukunft, S. 314. 35)
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Reichtümer angehäuft hatte, der zeigte sie nicht. Mit dieser Strategie setzte man sich auf der einen Seite dezidiert vom Adel ab, der mit unstatthaften Einnahmen und Verschwendungssucht in Verbindung gebracht wurde. Aber auch die ‚Geldaristokratie‘, die ihr Vermögen nicht durch standesgemäße Arbeit, sondern durch Spekulation und Geldgeschäfte erworben hatte, entsprach nicht dem „bürgerlichen Wertehimmel“. Es sei „nicht mit Rinderzungen auszusprechen, welche wunderschönen Dinge der jewandte Bürger-Fleiß der Jeld-Faulheit bietet, wie reizend, wie bequem er dieser dicken und frechen Dirne das Leben macht!“, so ließ der Genreschriftsteller Adolph Brennglas den kleinen Magistratsbeamten Piefke im Anblick der Warenmengen der Nationalausstellung 1844 berlinern.38) „Bürgerfleiß“ war es, der die Ausstellungen möglich machte und die in ihnen gezeigten Exponate hervorbrachte, nicht Spekulation oder Aktiengewinne. Geldhäuser, Banken und Versicherungsgesellschaften, die spätestens mit der Hochindustrialisierung einer der entscheidenden Faktoren im Industrialisierungsprozess waren, wie auch die seit 1850 entstehenden, vor allem aber zwischen 1890 und 1914 aufblühenden Kartelle blieben auf den Ausstellungen unsichtbar.39) Auch die Interessenverbände der Industrie waren in den Ausstellungen allenfalls durch parallel stattfindende Verbandstreffen oder Kongresse präsent, nicht aber durch eigene Stände, Pavillons, Festzüge oder ähnliches.40) Industriemagnaten wie Angehörige der Familie Krupp traten wie auch andere Unternehmer persönlich allenfalls als soziale Wohltäter in Erscheinung. Angehörige des Adels waren auf den Ausstellungen lediglich anlässlich der Eröffnungsfeiern vertreten, auf denen sich die Organisatoren und die „leitenden Männer“ in den Reigen der führenden Personen einordneten. Eine zentrale Rolle in der Inszenierung spielte der jeweilige Landesherr beziehungsweise nach der Reichsgründung der Kaiser, der vor allem als Personifikation des Nationalstaates diente. Ihnen gesellten sich andere Repräsentanten der Staatsgewalt und der Bürokratie hinzu. Reale Konflikte zwischen Staatsführung, Ministerien, gehobener Beamtenschaft und den Ausstellungsorganisatoren wurden im Interesse der Demonstration von Einigkeit zwischen den führenden Instanzen von Staatsführung, Bürokratie und Wirtschaft ausgeblendet. Staatsnähe sollte demonstriert werden, um auf diese Weise Industrie und Gewerbe zu einer das Gemeinwesen und die Nation tragenden Säulen zu erklären.
38)
Brennglas, Gewerbe-Ausstellung, Bd. 2, S. 12 f. Vgl. Rolf Walter, Wirtschaftsgeschichte. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, Köln 1995, S. 86–88; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 622–631; Thiel, Berlin, S. 21; Morten Reitmayer, Bankiers im Kaiserreich. Sozialform und Habitus der Hochfinanz, Göttingen 1999, S. 350–355. Zur Kartellbildung vgl. Hans Jaeger, Geschichte der Wirtschaftsordnung in Deutschland, Frankfurt a. M. 1988, S. 111 f. 40) Jaeger, Geschichte, S. 112 ff. 39)
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Ein unmittelbarer Anspruch auf politische Partizipation wurde in der Repräsentation der Ausstellungen nicht erhoben. Dennoch trat die neue Sozialund Statusgruppe der Unternehmer, Industriellen und Gewerbetreibenden inszenatorisch nicht hinter die traditionellen Eliten zurück, im Gegenteil: Die Ausstellungsorganisatoren und Aussteller ließen sich anlässlich der Ausstellungen von weltlichen wie kirchlichen Würdenträgern und politischen wie kulturellen Eliten ihre Leistungskraft und ihr technisches Können bestätigen. Die Bühne für die gemeinsamen Auftritt von Kaiser oder Landesherrn und den „leitenden Herren“ der Ausstellungsorganisation boten die ephemeren Bauten und Exponate der Ausstellung. Die Errungenschaften der industriellen Welt zu produzieren, zu ordnen und zu präsentieren lag – so der Subtext der Ausstellung – in den Händen des Bürgertums. Wenn laut Bericht der Düsseldorfer Zeitung zur Eröffnung der rheinländisch-westfälischen Ausstellung 1902 der Minister der öffentlichen Arbeiten, von Thielen, „rundweg erklärte, solch eine Maschinenhalle habe er überhaupt noch nicht gesehen“; wenn der Kronprinz darum bat, die Zeit für das vorgesehene Mittagessen zu kürzen, um die Besichtigung der Haupthalle nicht vorzeitig unterbrechen zu müssen („was ich hier sehe, ist viel zu interessant, als daß ich mich davon trennen könnte“); wenn der kommandierende General des 7. Armeekorps von Bissing von sich gab, dass „eine solche Unsumme von Wissen und Leistungsfähigkeit auf einem derartigen Terrain zusammengedrängt zu sehen, […] vielleicht das Höchste [sei], was man von der Leistung des menschlichen Geistes erwarten kann“,41) dann reflektieren diese publizierten Äußerungen nicht primär eine tatsächliche oder vermeintliche Haltung zur Ausstellung. Vor allem offenbart dieser mediale Nachhall die Selbstdarstellungsstrategie der „leitenden Herren“ und der Aussteller, die sich in ein strahlendes Licht setzten. In der visuellen und inszenatorischen Rhetorik der Ausstellungen waren sie es, die das „Höchste, was man von der Leistung des menschlichen Geistes erwarten kann“, zum Wohle aller lenkten und entfalteten. „Wunderbar strahlten zu ihrem löblichen Thun die Tausenden von elektrischen Lichtern von der Ausstellung und der im Zauberglanz den Strom überspannenden Brücke, in den Saal hinein, der alte Vater Rhein aber trieb mit merkbarem Zögern seine Wogen thalabwärts vorbei an der Stätte dieses gastlichen Festes.“42) Diese Form der Selbstrepräsentation lief keinesfalls auf eine „Feudalisierung“ hinaus, wie es in der Historiographie dem Bürgertum vor allem von Vertretern der These von einem „deutschen Sonderweg“ attestiert wurde. Obwohl der Kommerzienratstitel, der auch auf Grund von Verdiensten um die Ausstellungsorganisation verliehen wurde, und staatliche Auszeichnungen von Exponaten und Arrangements begehrt waren,43) dominierten im Reprä41)
Nachklänge vom 1. Ausstellungstage, in: Düsseldorfer Zeitung Nr. 121 vom 2. Mai 1902, S. 2. 42) Der Abend der Presse, in: Düsseldorfer Zeitung Nr. 121 vom 2. Mai 1902, S. 2. 43) Vgl. dazu Kaudelka-Hanisch, Kommerzienräte.
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sentationsprogramm der Ausstellungen die Nichtbeachtung und die Abgrenzung vom Adel. Nicht Angleichung an den Adel, sondern Staatsnähe der eigenen Sozial- und Statusgruppe war das entscheidende Moment, welches die Ausstellungsleitungen zu inszenieren trachteten und mit der auch der einzelne Aussteller, der eine vom Ministerium bereitgestellte Auszeichnung erhalten hatte, warb.44) Soziale Integration durch den Staat, aber nicht eine Anlehnung an den Adel – diese Tendenz kennzeichnet die rituelle Praxis und die Inszenierungen der Expositionen. Die Darstellung von „Arbeit“ auf den Ausstellungen war eingebunden in ein doppeltes Verweissystem: Stellte man Menschen bei der Arbeit dar, dann stattete man diese mit handwerklich-zünftischen Attributen aus. Neben diesen traditionell anmutenden Arrangements standen Exponate der modernsten Maschinentechnik, die deutlich auf neue Produktionsregimes verwiesen. Tradition und Modernität wurden nicht im Konflikt zueinander dargestellt. Laut Visualisierung verblieb das technisch Revolutionäre in der Maßstäblichkeit der traditionellen Lebenswelt. In den Bildprogrammen der Ausstellungen, die traditionelle und futuristische Entwürfe der Arbeit umklammerten, rekurrierte man auf mythische Stoffe und Symbole und griff damit weit zurück in den kollektiven Ideenhaushalt: Das visuelle Programm der Industrie- und Gewerbeausstellungen suchte die Fortschrittsproblematik des 19. Jahrhunderts dadurch zu lösen, dass es das Alte bewahrte und das Neue zugleich verwirklichte.45) So wurden beispielsweise die moderne Technik und ihre Errungenschaften als Instrumente inszeniert, mit denen uralte Menschheitsträume nun erfüllt werden könnten. Für das Bild von Gesellschaft, welches die Ausstellungen vermittelten, hatte diese Grundtendenz vielfältige Konsequenzen, von denen im Folgenden zwei aufzunehmen sind: erstens die Repräsentation der Technik in ihrem Verhältnis zur (bildungsbürgerlich geprägten) Hoch- und Allgemeinkultur sowie, zweitens, die Darstellung des unselbständigen, lohnabhängigen „Arbeiters“ als neuen Sozialtypus. Als neues Element einer sich immer mehr technisierenden Gesellschaft fand die Technik neben den überkommenen Kulturwerten der humanistischen Bildung oder neben der hochgeschätzten Kunst der Antike nur wenig Anerkennung.46) Die Angehörigen der neuen Berufsgruppen, die Techniker und Ingenieure, blieben anderen akademischen Professionen gegenüber nachgeordnet. Noch im Kaiserreich wurde ihnen beispielsweise trotz der formalen
44)
Vgl. zu dieser Diskussion und dem aktuellen Forschungsstand Dieter Ziegler, Das wirtschaftliche Großbürgertum, in: Lundgreen, Sozial- und Kulturgeschichte, S. 113–136, S. 125 f. 45) Vgl. zu einem ähnlichen Phänomen in der städtischen Kultur Frankfurts Lenger, Revolution, S. 379; Jürgen Stehen, Frankfurter Nationalfeste des 19. Jahrhunderts, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 64 (1998), S. 267–292. 46) Vgl. Dietz/Fessner/Maier, Kulturwert, S. 4.
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Gleichstellung von technischen Hochschulen und Universitäten der Zugang zu höheren staatstragenden Positionen in der Verwaltung verwehrt. Um dem entgegen zu arbeiten, wurden in den Repräsentationen der Ausstellung zwei sich ergänzende Wege eingeschlagen: Verstärkt seit Beginn des 20. Jahrhunderts, vereinzelt aber auch schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde Technik zu einem tragenden „Kulturwert der Moderne“ stilisiert, wie am Beispiel der Elektrizitätsausstellungen und entsprechender Ausstellungssektionen in allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen gezeigt wurde. Dem Strom und seinen Anwendungsmöglichkeiten wurde zugesprochen, nicht nur wirtschaftlich und technisch völlig neue Möglichkeiten zu eröffnen, sondern auch in sozialer Hinsicht zur Verbesserung der Gesellschaft beizutragen. Aber selbst dieses Werben für neue technische Errungenschaften, und damit sind wir beim zweiten Motiv, bediente sich rhetorisch wie auch visuell bildungsbürgerlicher Gehalte. Speziell Motive aus der antiken Mythenwelt und der literarischen Klassik dienten dazu, die Produkte der Technik und der Industrie sowie ihre Produktionsmittel aufzuwerten. Im Bildprogramm der Ausstellung bediente man die zeitgenössisch weit verbreitete Haltung, dass „der Geist, der die Tiefen bewegt, auf Quellen zurück[zuführen sei], die jenseits aller Technik liegen.“47) Die Ausstellungen nahmen diese Argumentation in ihrem Sinne auf und visualisierten Technik und Industrie als Potenzen, die ihre Entstehung „den tiefsten Quellen des Lebens, Natur und Geist, […] der Schöpferkraft des Ingeniums“ verdankten.48) Athene und Hermes, Elfen und Trolle, aber auch „deutsche Arbeit“ und „deutscher Gewerbefleiss“ waren es, die den technischen und industriellen Fortschritt hervorbrachten. Die Aussteller setzten auf eine Ästhetisierung der Technik, wenn sie Dampfmaschinen mit gotischen Gehäusen und dorischen Säulen verzierten und so als „Tempel“ inszenierten. In moderneren Varianten wurden die Maschinen zu Repräsentationszwecken in kunstvoll mit Kacheln und Ornamenten ausgestatteten Hallen untergebracht. Insbesondere in der Architektur der Ausstellungen war deutlich erkennbar, dass sich keine eigene Ästhetik des Modernen entwickelte. Dieses eher defensive Verhältnis der technischen Intelligenz und des Wirtschaftsbürgertums gegenüber dem arrivierten Bildungskanon und der Hochkunst hielt sich mindestens bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Erst dann sind erste Ansätze zu einer eigenen Ästhetik der Technik und davon abgeleiteter Präsentationsformen zu beobachten.49) Dieses Verhalten aber eindimen47) Vgl. Ulrich Wendt, Die Technik als Kulturmacht in sozialer und geistiger Beziehung, Berlin 1906, S. 303. 48) Diesen Gedanken fasst in Worte beispielsweise Enno Heidebroek, Technische Pionierleistungen als Träger des industriellen Forschritts, in: Zeitschrift des Verbandes Deutscher Ingenieure 71 (1927), S. 809–815, S. 815. 49) Vgl. dazu den Beitrag über Reuleaux, der auch für das deutsche Ausstellungswesen eine wichtige Rolle spielte, von Hans-Joachim Braun, Technik als „Kulturhebel“ und „Kulturfaktor“. Zum Verhältnis von Technik und Kultur bei Franz Reuleaux, in: Burkhard Dietz/Michael Fessner/Helmut Maier (Hrsg.), Technische Intelligenz und „Kulturfak-
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sional nur als Verschleierung von Klasseninteressen werten zu wollen, ginge an der historischen Wirklichkeit vorbei: Nicht allein das Bürgertum machte Anleihen bei traditionellen Form- und Symbolbeständen. Auch die frühe Arbeiterbewegung beispielsweise bediente sich ähnlicher Formen, so dass dieses Muster der Auseinandersetzung mit den Modernisierungsprozessen klassen- und schichtübergreifend war.50) Hochkultur wurde dabei nicht in einem Gegensatz zur sich ausbildenden industrialisierten Gesellschaft präsentiert, sondern als zwei unterschiedliche, aber durchaus aufeinander zu beziehende Faktoren. Die fortschrittskritische Idee von der Kunst als ein Fluchtpunkt, in dem sich nicht-entfremdete, ursprüngliche Lebens- und kulturelle Ausdrucksformen halten konnten, ist ein Denkmodell, welches die Ausstellungen nicht thematisierten. Mit zunehmender Industrialisierung entwickelte sich mit der Lohnarbeiterschaft eine neue gesellschaftliche Größe51). Anhand der Korrespondenz von Krupp von Bohlen-Halbach mit dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten konnte direkt belegt werden, welche Funktion den Ausstellungen gegenüber der Arbeiterschaft zugedacht war: Die die Ausstellung tragenden Eliten verstanden ihre Unternehmungen aktiv im Sinne einer Befriedung der Gesellschaft. Dabei war die Tätigkeit des nicht-handwerklichen Arbeiters weitgehend ausgeblendet. Die Maschinenarbeit wurde als Selbstverrichtung visualisiert, die nicht der menschlichen Arbeit bedürfe. Die wachsende Arbeiterschaft konnte sich allenfalls als Konsument wie auch als Objekt von betrieblicher und staatlicher Sozialfürsorge repräsentiert finden. Die Pariser Weltausstellung 1867, die deutlich vom sozialpaternalistisch-populistischen Regierungsstil Napoleons III. in der Zweiten Republik geprägt war, hatte hier ein Vorbild gegeben, welches man in Deutschland auf eigene Weise aufnahm: Neben die unternehmerische Selbstdarstellung als Träger betrieblicher Sozialpolitik trat seit den achtziger Jahren der Staat, der sich in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zum „Interventionsstaat, [zum] Staat der Daseinsvorsorge, [zum] Wirtschafts- und Sozialstaat“52) entwickelte. Der Arbeiter war Nutznießer der neuen Welt des Luxus und der Absicherung von Grundrisiken, ohne aber eine darüber hinaus weisende Rolle zu erhalten. Die Idee vom Konsumenten, dem als „aktiven Verbraucher“ zugleich auch Rechte zugestanden würden, entwickelte sich in
tor Technik“. Kulturvorstellungen von Technikern und Ingenieuren zwischen Kaiserreich und früher Bundesrepublik, Münster 1996, S. 35–43. 50) Auch in der Arbeiterbewegung sind solche Transfer- und Transformationsprozesse zu beobachten. Vgl. Kaschuba, Lebenswelt, S. 124; Gottfried Korff, „Heraus zum 1. Mai“. Maibrauch zwischen Volkskultur, bürgerlicher Folklore und Arbeiterbewegung, in: Dülmen/Schindler, Volkskultur, S. 246–281. 51) Vgl. Gerhard A. Ritter/Klaus Tenfelde, Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn 1992, S. 130–139. 52) Nipperdey, Geschichte, Bd. II, S. 471.
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Deutschland vergleichsweise spät und außerhalb der Ausstellungsrepräsentationen.53) Der Zuschnitt der Ausstellungen änderte sich im Laufe der Zeit und passte sich den politischen Veränderungen an: Bis auf wenige Ausnahmen (Mainz 1842, Berlin 1844, München 1854) luden die Ausstellungen in Deutschland die Gewerbetreibenden aus dem regionalen, lokalen oder kleinstaatlichen Umfeld ein. Während sich die Stärkung des Heimatgefühls zunächst auf lokale und regionale Räume bezog, fungierten die Ausstellungen später als Vermittlungsinstanzen zwischen Regionalbewusstsein und Reichsnationalismus: Die ausstellenden Industriellen wurden als Repräsentanten der deutschen Industrie wie auch als diejenigen ihres Heimatkreises gekennzeichnet und gefeiert. Im Ideologem der „deutschen Arbeit“ verloren sich aber regionale Identitäten zunehmend und wurden durch mehr und mehr national vergleichende Zuschreibungen – „welscher Tand“ versus deutsche Solidität und ähnliche Oppositionen – ersetzt, so dass die Nation zum dominanten Ordnungsrahmen der industrialisierten Gesellschaft aufrückte. Die „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“ habe die deutsche Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt und belastet, so eine einflussreiche Interpretation zur deutschen Geschichte.54) Die Industrie- und Gewerbeausstellungen zeigen das Bemühen der sie tragenden Schichten, Modernität in Tradition einzubinden. Die inszenierten Ausstellungslandschaften boten Einblicke in die sich wandelnde Physiognomie des affirmativ-geglätteten Selbstbildes der Industriekultur. Die Welt der Ausstellungen war zugleich angelegt als Alternative zur politisch verfassten Gesellschaft. Der in die Tradition und die geltende Lebensweise eingebundene technische und industrielle Fortschritt, der nach der Reichsgründung immer stärker als Nation gefasst wurde, bot eine Konsensplattform für alle Klassen, die Interessengegensätze zu nivellieren versuchte. Die industrielle und kapitalistische Wirtschafts- und Sozialordnung der Ausstellungen zeigte sich als selbstlaufender Fortschrittsprozess, dessen weitere Entwicklung die Visualisierungen der Ausstellungen in buntesten Farben zeigte. Abschließend soll ein Blick auf die Entwicklung des Ausstellungswesen nach dem Ersten Weltkrieg geworfen werden. Mit dieser Perspektive stellt sich zum einen die Frage, was den Erfolg des Mediums Ausstellung bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts erklärt, zum anderen, ob es Nachfolgemedien gab, die in den weiteren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in ähnlicher Weise die Phantasieproduktion der Gesellschaft mitgestaltet haben. Die seit der Jahrhundertwende zu beobachtende Krise im Ausstellungswesen führte zu einem umfassenden Formwandel: Insbesondere die „enzyklopädischen“ Ausstellungen, die aus den allgemeinen Industrie- und Gewerbe53)
Kroen, Aufstieg, S. 544. Vgl. für Deutschland Christoph Nonn, Verbraucherprotest und Parteiensystem im wilhelminischen Deutschland, Düsseldorf 1996. 54) Vgl. dazu Lenger, Revolution, S. 377.
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ausstellungen hervorgegangen waren, konnten nicht mehr an die früheren Erfolge anknüpfen. Sie verloren ihren Charakter als „umfassende Kristallisationspunkte zivilisatorischen Fortschrittes“.55) Stattdessen prägte ein Formund Funktionswandel die Expositionen im 20. Jahrhundert: Einen klaren Bruch im internationalen Ausstellungswesen markierte vor allem der Erste Weltkrieg, mit dem sich internationale Ausstellungen per se zunächst verboten: Das Medium wurde von allen Kriegsparteien extrem politisch aufgeladen und als Propagandamittel eingesetzt.56) Für Deutschland beispielsweise wurde unter anderem eine „Verbündetenausstellung“ angeregt, auf der die Produkte der Kriegswirtschaft ausgestellt werden sollten. Bereits vor Kriegsende, so empfahl der mit dem Ausstellungswesen befasste Geheime Regierungsrat Wilhelm Gensch, sollten Ausstellungen gezielt vorbereitet werden, um dann nach Beendigung der Militäraktionen im In- und Ausland den „Verleumdungskampagnen“ der Kriegsgegner entgegenzuarbeiten.57) Eine internationale Exposition kam unter diesen Umständen erst wieder 1925 zustande. Paris war der Austragungsort für die Exposition Internationale des Arts Décoratifs, die bewusst keine Allgemeinausstellung war und auf moderne architektonische und kunstgewerbliche Akzente setzte. Eine allgemeine Weltausstellung fand dann erst wieder 1929 in Spanien statt, wobei aber die Exposición General d’España sowohl quantitativ wie auch, folgt man dem zeitgenössischen Urteil, qualitativ nicht an die Vorgänger vor 1914 anschließen konnte.58) Auch national schloss die Ausstellungskultur zwar an die Erfolge der Vorkriegszeit an, entwickelte sich aber in neuen Formen. Zu nennen ist einmal der Trend, der die Ausstellungskultur zunehmend wegführte von der allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellung: Der Austausch unter Fachleuten und Spezialkunden, soweit er auf den persönlichen Kontakt wie auch die direkte Betrachtung von Produkten angewiesen war, fand zunehmend in Fachund Spezialausstellungen statt. Zudem nahmen die Ausstellungen oftmals Charakteristika der Messe an, wenn bei ihnen auch der Verkauf stärker zum Tragen kam. Die erste große deutsche Ausstellung nach dem Weltkrieg, die deutsche Gewerbeschau 1922 in München, präsentierte deshalb zwar für einzelne Branchen und Ausstellergruppen „Hochvollendetes“. Insgesamt aber reichte die Ausstellung trotz massiver Unterstützung aus Reichsmitteln an die großen allgemeinen Ausstellungen der Vorkriegszeit nicht heran. Als Ganzes betrach-
55)
Detlef Briesen, Über den Wandel der ästhetischen und politischen Kultur in der frühen Bundesrepublik. Ein Vergleich der Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ Düsseldorf 1937 mit der Großen Rationalisierungsausstellung „Alle sollen besser leben!“ in Düsseldorf 1953, in: Geschichte im Westen 16 (2001), Heft 1, S. 47–72, S. 50. 56) Vgl. dazu den Rückblick des Ausstellungstheoretikers Paquet, Wandlung, S. 52. 57) BA Berlin, R. 3101, Nr. 586/1 (Bestand Potsdam), S. 178–180. 58) Vgl. neben der vielfältigen Spezialliteratur Mattie, Weltausstellungen, S. 146–153.
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tet, bot sie kaum mehr als die kurz vor dem Krieg veranstaltete Bayerische Gewerbeschau 1912.59) Stattdessen fügten nun die Messen, dabei vor allem die neue Leipziger und die Frankfurter Veranstaltungen, ihren eigenen Veranstaltungen Elemente der Ausstellungskultur hinzu, so dass sich beide Formen einander annäherten.60) Attraktiv wurden die Ausstellungen anscheinend dann, wenn sie inhaltlich neue Schwerpunkte setzten, wie dieses beispielsweise die Gesolei vermochte. Mit der „Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“ fanden in Düsseldorf die Organisatoren 1926 nationale Beachtung: Programm der Ausstellung war es, den Kriegsfolgen und der wirtschaftlichen Depression ein positives Bild gegenüber zu stellen. „Wenn wir uns wieder emporarbeiten“, so erklärte der Initiator der Exposition, Ernst Poensgen61), bei der Eröffnung der Veranstaltung, „und als freies Volk auf freiem Grund und Boden schalten und walten wollen, dann gibt es nur einen Weg: mit allen Mitteln versuchen, möglichst bald alle Lasten abzutragen. Derartige Leistungen verlangen ein dauerndes Höchstmaß an vollwertiger Arbeit und können nur dann vollbracht werden, wenn die Menschen, von denen sie verlangt werden, durch und durch gesund sind. Und hierin liegt der Kernpunkt der Bedeutung der Gesolei für Deutschland Wirtschaft.“62) Damit hatte man den Zeitgeist getroffen, reagierte auf den Stimmungsumschwung in den „goldenen Jahren“ der Weimarer Republik und fand mit dem Projekt breite Resonanz. Alles in allem aber war dieser Erfolg die Ausnahme von der Regel. Nur auf der kommunalen Ebene war Mitte der zwanziger Jahre noch ein Boom von Ausstellungen zu verzeichnen, der sich insbesondere den Bemühungen der Stadtverwaltungen verdankt, durch Großveranstaltungen und einer „Festivalisierung“ ihrer Stadtpolitik die Infrastruktur ihrer Kommunen zu fördern.63) Nach dem Boomjahr 1925 sank die Zahl der (nun gemeinsam erfassten) Messen und Ausstellungen, hatten sich doch die Angehörigen verschiedener Branchen aus Kostengründen dazu entschieden, nur noch wenige zentrale Ausstellungen zu beschicken.64) Zudem sah das Statut des „Deutschen Ausstellungs- und Messe-Amtes“ vor, die Zahl der Ausstellungen zu begrenzen
59)
Vgl. Morgenroth, Ausstellungen, S. 52. Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 117–146. 61) Zum gewerbepolitischen Einfluss der Familie Poensgen vgl. Manfred Bierganz, Der Eifeler Unternehmer Albert Poensgen, in: Eifel-Jahrbuch 1999, S. 33–37. 62) Zitiert nach Engst, Düsseldorf, S. 74. Zur – so der Autor – „Ideologiegeschichte“ der Ausstellung Gesolei vgl. Ekkehard Mai, GESOLEI und PRESSA: zu Programm und Architektur rheinischen Ausstellungswesens in den zwanziger Jahren, in: Kurt Düwell/ Wolfgang Köllmann (Hrsg.), Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr nebst Resümees der Historiker- und Kunsthistoriker-Tagung in Essen vom Juni 1982, Wuppertal 1985, S. 271–287, S. 272–276. 63) Vgl. Hartmut Häußermann/Walter Siebel (Hrsg.), Festivalisierung der Stadtpolitik. Stadtentwicklung durch große Projekte, Opladen 1993. 64) Vgl. Friedrich Zadow, Die deutschen Handelsmessen, Berlin 1929, S. 10. 60)
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und nur noch „aussichtsvolle Veranstaltungen“ zu fördern oder seinen Mitgliedern zu empfehlen.65) Die damit eingeleitete Zentralisierung des Expositionswesens setzte sich bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs fort. 1933 wurde es verpflichtend, Messen und Ausstellungen vom „Werberat der deutschen Wirtschaft“ genehmigen zu lassen.66) Zentral bestand mit Leipzig nur noch ein Messeplatz, der auch international von Bedeutung war. Das nationale Ausstellungswesen wurde zunehmend für politische Zwecke instrumentalisiert: So popularisierte zum Beispiel die Wanderausstellung des Deutschen Hygienischen Museums die „Rassengesetze“, und die ursprünglich vom Werkbundgedanken inspirierte Düsseldorfer Ausstellung von 1937 propagierte unter dem Titel Schaffendes Volk die Erfolge des Vierjahresplans.67) Das regionale und lokale Ausstellungswesen entwickelte sich bis zum Kriegsausbruch weiter, zum Teil nutzten verschiedene NS-Organisationen diese für ihre Zwecke: Zunächst dominierten mit den zeitgenössisch so genannten „braunen Messen“ Verkaufsveranstaltungen für die Endverbraucher und zur Förderung des Absatzes von Klein- und Mittelbetrieben, ohne damit tatsächlich die mittelstandspolitischen Versprechen der Wahlkämpfe in den zwanziger und beginnenden dreißiger Jahre einzulösen.68) Bei diesen und ähnlichen Veranstaltungen war die absatzwirtschaftliche Funktion nur noch Dekorativum, der direkte ökonomische Nutzen trat hinter den symbolischen Gehalt des Ausstellens zurück. Es blieb „oft nichts als der repräsentative Zweck einer kulturellen oder politischen Sinngebung übrig.“69) Aber auch mit dieser veränderten Funktion blieben die Ausstellungen im Kalkül großer Investoren- und Interessengruppen attraktiv. Ausstellungsorganisatoren und Aussteller, Regierungen wie Interessenverbände und Firmentrusts nutzten die Expositionen als Vehikel, um einerseits neue Produkte, andererseits bestimmte Anschauungen und Weltsichten zu verbreiten.70) Mit Blick auf die Popularisierung technischen Fortschritts wirkten die Ausstellungen weiterhin „abschnittsbildend“. Wie kein anderes Medium verdichteten sie die wirtschaftlich-technische Entwicklung und führten ihre praktische Nutzanwendung vor.71) Mit dem Hinweis, dass der Phonograph nicht nur auf der Pariser Weltausstellung 1878, sondern bald auch in nahezu jeder Großstadt
65)
Vgl. Zukunftsaufgaben der deutschen Ausstellungs- und Messe-Politik (1927). Vorträge und Reden anläßlich der konstituierenden Sitzung des Großen Ausschusses des Deutschen Ausstellungs- und Messe-Amtes am 8. September 1927 zu Berlin, Berlin 1927, S. 37–44, S. 37. 66) Vgl. Rudolf Haake, Das städtische Messe- und Ausstellungswesen, Berlin 1938, S. 11. 67) Schäfers, Werkbund; Thamer, Geschichte. 68) Vgl. Möller, Messe- und Ausstellungswesen, S. 136 ff. 69) Paquet, Wandlung, S. 55 f. 70) Vgl. die sehr weitgehende Interpretation der amerikanischen Ausstellungskultur bei Rydell/Gwinn, Fair, S. 235 f. 71) Mai, Expositionen, S. 43.
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vorgeführt wurde, konterte Paquet die Ausstellungsgegner, ist „nichts gegen die Bedeutung gesagt“, die die Ausstellungen beispielsweise für „die allgemeine Verbreitung und Anerkennung einer Erfindung eines wichtigen sozialen Gedankens hatten“. Der Ausstellungsorganisator Eyth erinnerte daran, „daß gerade die großen Ausstellungen es waren, die, seitdem Le Play im Jahre 1867 das Beispiel dazu gegeben hat, durch ihre Vorführungen aus dem Gebiet der Sozialpolitik, des Versicherungswesens usw. das der allgemeinen Wohlfahrt hochwichtige Verständnis und Interesse für diese Frage in der Bevölkerung außerordentlich gefördert haben.“72) Dass nicht nur das Ausstellungswesen, sondern auch die Werbung sich dahin entwickelte, weniger Produkte um ihrer spezifischen Qualität wegen anzupreisen als diese vielmehr mit Images aufzuladen, fand in den Ausstellungen des 19. Jahrhunderts seinen Anfang. Die visuelle consumer culture der Ausstellungen wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts zunehmend überlagert von einer immer stärker präsenten Visualisierung von Kaufanreizen und Produktkonnotationen in anderen Medien, welcher sich insbesondere die Werbebranche bediente.73) Dieser Prozess wie auch die innere Entwicklung des Genres führten dazu, dass die Ausstellungen ihre Funktion als Werbeträger für ein breites Publikum zunehmend verloren. Es gibt einen weiteren Faktor, der die Bedeutung der Ausstellungen einschränkte: Die allgemeinen Industrie- und Gewerbeausstellungen waren zunächst Anstoß und Schrittmacher eines sich entwickelnden städtischen Freizeitlebens gewesen, welches sich nicht mehr in den Bahnen der Familie abspielte. In der Folgezeit wurden sie vom Erfolg dieser Entwicklung zunehmend in Frage gestellt: Die Expositionen verloren in dem Maße an Attraktion, in dem ihr eine öffentliche Freizeit-Infrastruktur Konkurrenz machte: Gaststätten, Gärten, Kegelbahnen und Verkaufsbuden als Orte des „kleinen Genusses“ im Spiel, im Gespräch, beim Tanz – „auch im Sinn einer Kultur des Konsums, des Kaffeetrinkens und Rauchens, des Flanierens und Schauens“.74) Die Medien dieser neuen Unterhaltungs- und Freizeitindustrie waren die Zeitungen, das Theater und die Tanzmusik, ihre Orte die Gastwirtschaft und das Kaffeehaus, die Kneipe und der Biergarten, der Rummelplatz und die Sonntagspromenade. Auch wenn materielle und soziale Barrieren blieben, verkörperten die „Kultstätten des Vergnügens“ doch allesamt neue, schichtübergreifende Formen städtischer Alltagskultur, die vor allem durch ihre Vielfalt und ihre offene Kommerzialisierung gegenüber älteren Freizeitformen hervorstachen. Hinzu traten die verschiedenen Formen der Werbung, die in immer subtilerem Maße mit den Produkten ganze Images und Lebensstile
72)
Paquet, Ausstellungsproblem, S. 289. Vgl. dazu Lamberty, Reklame; Heidrun Homburg, Werbung – „eine Kunst, die gelernt sein will“. Aufbrüche in eine neue Warenwelt 1750–1850, in: Jb f. WG 1(1997), S. 11–52. 74) Wolfgang Kaschuba, Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert, München 1990, S. 22. 73)
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verknüpften.75) Als erstes elektronisches neues Medium bot sich das Kino als „Theater des kleinen Mannes“ an, nach dem Ersten Weltkrieg wurde es von Grammophon und Rundfunk unterstützt. Mit dieser und den zuvor skizzierten Entwicklungen büßten die Industrie- und Gewerbeausstellungen zunehmend an Bedeutung ein.
75)
Vgl. zur Geschichte der Werbetechniken Reinhardt, Reklame.
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Anhang I. Industrie- und Gewerbeausstellungen in den deutschen Staaten und im Deutschen Reich 1790–1913 Berücksichtigt sind alle Expositionen, die als „allgemeine Industrie- und Gewerbeausstellungen“ von ihrem Anspruch und ihrer tatsächlichen Beschickung den städtischen Rahmen wie auch den Kleinbezirk überschritten haben. Zugrundegelegt wurden dabei die im Archiv- und im Literaturverzeichnis nachgewiesenen Quellen. Vollständigkeit wurde in diesem Rahmen angestrebt, kann aber nicht absolut gewährleistet werden: Wegen der schwierigen Überlieferungslage und der lückenhaften Vorarbeiten zum Thema kann nicht ausgeschlossen werden, daß trotz einer umfassenden Recherche in der Ausstellungsliteratur, trotz der Nachforschungen in zentralen Archiven und Bibliotheken sowie der Durchsicht einschlägiger Stadtgeschichten und der (meist zeitgenössischen) Ausstellungsliteratur einzelne Ausstellungen nicht in die Liste aufgenommen wurden.1) Schwierigkeiten ergibt vor allem die Abgrenzung einzelner Typen von Ausstellungen, die von ihrer Funktion her wie auch von ihrer Raumwirkung nicht eindeutig voneinander getrennt werden können. Zugleich zeigt die hohe Zahl von Ausstellungen, welche die Ausstellungskommission der deutschen Industrie (s. u.) für die Jahre ab 1909 ermittelte, dass es sich dabei tatsächlich nur um einen Ausschnitt handelt, dem sich eine Vielzahl von Fach-, Spezialund Lokalausstellungen hinzu gesellten, die im Folgenden nicht berücksichtigt sind. Die ab den siebziger Jahren in steigender Zahl zu verzeichnenden Fachexpositionen wurden nur dann aufgenommen, wenn ihnen vom Ausstellungsspektrum und in der zeitgenössischen Bewertung eine über das Fachpublikum hinaus reichende Bedeutung zugesprochen wurde. Voneinander abweichende Angaben über die Zahl der Aussteller und Exponate, der Zuschauer und der finanziellen Resultate wurden jeweils getrennt nachgewiesen, in der Analyse aber entweder zu einem Mittelwert vereinigt oder, bei einer eindeutig möglichen qualitativen Bewertung der unterschiedliche Auskunft gebenden Quellen, zugunsten eines Wertes entschieden. Die Weltausstellungen als wichtige Referenzpunkte des deutschen Ausstellungswesens sind ebenfalls mit Angaben zur deutschen Beteiligung (farblich abgesetzt durch eine graue Schattierung) aufgenommen, in die quantitative Auswertung aber nicht miteinbezogen worden. Für die qualitative Bewertung hingegen waren ihr Vorbild und ihre Konkurrenz durchaus von Interesse. Einschränkend gilt, dass der Begriff „Weltausstellung“ im Verlauf des 19. Jahr-
1)
Vgl. dazu ergänzend die Hinweise zur Überlieferungslage im Abschnitt A V. Quellen der Ausstellung.
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Anhang
hunderts durchaus inflationär gebraucht wurde. Erst 1912 wurden erste allgemeine Kriterien festgelegt, bevor 1928 mit dem Pariser Bureau International des Expositions eine Institution gegründet, die ein verbindliches Reglement aufstellte.2) Die nach diesem Kriterienkatalog als Weltausstellung qualifizierten Unternehmen sind in der Aufstellung berücksichtigt worden. Mit dem Jahr 1908 ändert sich die zur Verfügung stehende Datenbasis grundlegend: Mit der ständigen Ausstellungskommission für die deutsche Industrie war eine Institution gegründet worden, in der sämtliche Ausstellungen erhoben und/oder gemeldet wurden. Die Zahl der ermittelbaren Unternehmungen schnellt damit in die Höhe, weil nun auch alle Fachausstellungen, lokalen und regionalen Expositionen aufgenommen werden. Da es keine archivalische Überlieferung zur Ausstellungskommission gibt, sind diese Ergebnisse nur über den veröffentlichten Kataster zu ermitteln und nicht weiter zu differenzieren. Zugleich zeigt die hohe Zahl der hier genannten Ausstellungen, wie begrenzt die Datenbasis für den Zeitraum vor 1908 ist.
2)
Vgl. Christine Kalb, Weltausstellungen im Wandel der Zeit und ihre infrastrukturellen Auswirkungen auf Stadt und Region, Frankfurt a. M. u. a. 1994, S. 54 ff. und S. 233 ff.
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913
Ausstellungen im deutschen Reich, Zahlenangaben erhoben aus dem Kataster der Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie3) 1909: 318 Ausstellungen in Deutschland, 676 Ausstellungen mit deutscher Beteiligung 1912: 253 Ausstellungen in Deutschland 1913: 223 Ausstellungen in Deutschland, 578 Ausstellungen gesamt Jahr/Ort
Benennung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
1790 Hamburg4) Kunst- und Handwerksausstellung
60 Aussteller, 198 Exponate
1791 Hamburg
Kunst- und Handwerksausstellung
60 Aussteller, 185 Exponate
1792 Hamburg
Kunst- und Handwerksausstellung
43 Aussteller, 166 Exponate
1794 Hamburg
Kunst- und Handwerksausstellung
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1797Hamburg5) Kunst- und Handwerksausstellung 1803 Hamburg
Kunst- und Handwerksausstellung
60 Aussteller, 153 Exponate
1804 Lübeck
Gewerbeausstellung
1805 Lübeck
Gewerbeausstellung
210 Exponate 4 177
1811 Düsseldorf6)
Gewerbeausstellung des Großherzogtums Berg
14
„fünftägig“ 134 Exponate
1812 Stuttgart7) Kunst- und In1. 5.–14. 6. dustrieausstellung 1815 Hamburg 1816
Stuttgart8)
Kunst- und Handwerksausstellung Ausstellung von Kunstwerken
1817 Düsseldorf9)
II. Düsseldorfer GewerbeAusstellung
1817 Lübeck10)
Gewerbeausstellung
3)
mehr als 27
minus 185 Kurantmark 546 Kurantmark Einnahmen Eintritt, Kosten von 284 Kurantmark
–
–
–
–
218 Exponate 1. 5.–4. 6.
–
September
245 Exponate
Vgl. BA Berlin, R 3101, Nr. 3645, Nr. 586 (Bestand Potsdam), S. 210 f.
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
1818 München
Gewerbeausstellung
1819 Nürnberg
Gewerbeausstellung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1. Sept. bis 15. Okt.
176
9 514
+ 1 792 Taler
6. Sept. bis 10. Okt.
116, zeitgenössisch „über 200“
45 726
minus 288 fl. 21 kr.
1821 München11) Gewerbeausstellung 1822 Berlin12)
Ausstellung vaterländischer Fabrikate
1824 München
Bayer. Gewerbeausstellung
1824 Stuttgart13) Württ. Gewerbeausst. 1824 Berlin14)
Preuß. Gewerbeausstellung
1824 Dresden15) Sächsische Gewerbeausstellung
13 611 169
1825 Dresden16) Gewerbeausstellung des Königreiches Sachsen 1826 Lübeck
Gewerbeausstellung
189 Exponate
1826 Dresden17) Sächsische Gewerbeausstellung 1827 Stuttgart18) Kunst- und In23. April dustrieausstellung bis 31. Mai 1827 Augsburg
182
48 073
minus 292 fl. 18 kr.
41 873
354 fl. 1 kr.
Bayer. Gewerbeausstellung
1827 Dresden19) Sächsische Gewerbeausstellung 1827 Berlin
Preuß. Gewerbeausstellung
1830 Stuttgart20) Industrie- und Ge- 1. 5.–6. 6. werbeausstellung
208 113
1831 Dresden21) Industrie- und Gewerbeausstellung 1832 Hamburg22) Gewerbeausstellung
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173 Aussteller mit 524 Exponaten
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
Dauer
1833 Stuttgart23) Kunst- und In1. Mai dustrieausstellung bis 2. Juni 1834
München24)
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
128
–
437 fl. 40 kr.
–
456 fl. 40 kr.
Bayerische Industrieausstellung November
1834 Dresden25) Gewerbeausstellung
286
1834 Hamburg26)
Gewerbeausstellung
1835 München
Bayer. Industrieausstellung
1835 Hannover
Hannov. 1. Allg. Gewerbeausstellung
381
Kunst- und In1. Mai dustrieausstellung bis 31. Mai
233
II. Allg. Gewerbeausstellung
385
1836
Stuttgart27)
1837 Hannover
209 Aussteller mit 685 Exponaten
1837 Düsseldorf Ausstellungen 13. Juli von Erzeugnissen bis des Regierungsbe- 14. August zirks Düsseldorf 1837 Darmstadt28)
113 Aussteller, 3000 Exponate
Industrie- und Gewerbeausstellung des Gewerbevereins des Großherzogtums Hessen
1837 Dresden29) Sächsische Gewerbeausstellung
364
1838 Hamburg30)
Gewerbeausstellung
190 Aussteller mit 876 Exponaten
1838 Düsseldorf31)
GewerbeAusstellung
1838 Osnabrück32)
Osnabrücker Gewerbeausstellung
1838 Königsberg33)
Kunst- und Gewerbe-Ausstellung in Königsberg
1838 Karlsruhe34)
Ausstellung inländischer Fabrikate
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+ 309 Taler
Mai bis September 6 356
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
1839 Stuttgart35) Industrieausstellung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1. Mai bis 31. Mai
283
69 651
1855 fl. 37 kr.
1840 Dresden36) Sächs. Gewerbeausstellung 1840 Nürnberg37) 1842
Mainz38)
364
Bayer. Gewerbeausstellung
1000
Deutsche Industrieausstellung
715
mehr als 75 000
1. Mai bis 31. Mai
303
114 849 2465 fl. 29 kr.
Mai bis Oktober
3040
260 000
1842 Darmstadt II. Industrie- und Gewerbeausstellung des Gewerbevereins des Großherzogtums Hessen 1842 Osnabrück39)
Osnabrücker Gewerbeausstellung
1842 Stuttgart40) Industrieausstellung 1842 Oldenburg41)
Gewerbe-Ausstellung inländischer Industrie-Erzeugnisse
1844 Berlin42)
Allg. Deutsche Gewerbeausstellung
1844 Hannover
IV. Allg. Gewerbeausstellung
348
1844 Leipzig43) 1845 Dresden44) Ausstellung sächsischer IndustrieErzeugnisse 1845 Königsberg
Gewerbeausstellung
1845 Altona45)
Öffentliche Ausstellung der gewerblichen Erzeugnisse der Herzogthümer Schleswig und Holstein
1846 Bremen46) Gewerbeausstellung
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683
vier Wochen
226 Aussteller mit 1 323 Exponaten
ca. 4 000
+ 300 Taler
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
Dauer
1846 Kassel
Ausstellung von Gewerbs-Erzeugnissen aus Kurhessen
13. Juli bis 1. August
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1693 Exponate
ca. 3 000
minus 100 Taler
1846 Rostock47) Allgemeine Gewerbe-Ausstellung zu Rostock 1846 Karlsruhe48)
Ausstellung inländischer Fabrikate
1847 Altona49)
Gewerbe-Ausstellung für die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenbrug, veranstaltet vom Industrieverein Altona
1848 Bremen50) Gewerbeausstellung 1849 Berlin
Berliner Gewerbeausstellung
1850 Leipzig51)
Allgemeine Deutsche Industrieausstellung
1850 Hannover
V. Allg. Gewerbeausstellung
1851 London
Weltausstellung, Deutsche Gruppe
1852 Chemnitz
Sächsische Gewerbeausstellung
1852 Düsseldorf52)
Provinzial-Gewerbeausstellung
15. August bis 15. Oktober
861
1 440
255
15. Juli bis 1. Oktober
17 062 Aussteller aus 28 Ländern
6 039 195
756
mehr als 60 000
+ 5 000 Taler
7 500
+/– 0
1852 Bremen53) Gewerbeausstellung 1852
Breslau54)
1854 München55) Allg. IndustrieMai bis und GewerbeOktober ausstellung aus den Zollvereinsstaaten und Österreich-Ungarn
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6897
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
1855 Paris56)
Internationale Ausstellung. Deutsche Gruppe
1856 Cannstatt
Württembergische Gewerbeausstellung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
25 000
–
6 700
+/-–0
–
2887 fl. 54 kr.
2175
27. 9.–5. 10.
327
1856 Bremen57) Gewerbeausstellung 1858 Cannstatt58)
Gewerbe-Fort26. 9 –3. 10. schrittsausstellung
175
1859 Hannover
IV. Allg. Gewerbeausstellung
1860 Kaiserslautern59)
Zweite Pfälzische Industrieausstellung
23. Sep408 tember bis 14. Oktober
1861 Karlsruhe60)
Allgemeine Landes-Industrieausstellung
25. August bis 27. September
1861 Jena61)
Allgemeine Thüringische Gewerbe-Ausstellung
100 000
1862 London62) Internationale Ausstellung, Deutsche Gruppe
2875
1863 Hamburg63)
Hamburger Gewerk-Ausstellung
191 mit ca. 1 800 Ausstellungsstücken
1863 Lübeck
kommerzielle Gewerbeausstellung
150 Aussteller mit 3 349 Exponaten
1864 Duisburg64) Gewerbeausstellung 1864 Merseburg Gewerbeausstellung 1865 Berlin
Photographische Ausstellung
1865 Breslau
Gewerbeausstellung
1865 Stettin
Gewerbeausstellung
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
1865 Dresden
Gewerbeausstellung
1865 Erfurt
Gartenbauausstellung
1865 Köln
Gewerbeausstellung
1865 Frankfurt a. M.
Gewerbeausstellung
1865 Böblingen
Gewerbeausstellung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
9.–17. September
1865 Koblenz65) Gewerbeausstellung für den Regierungsbezirk Koblenz
236 Aussteller 8606
1865 Bremen66) Gewerbeausstellung
187 Aussteller
1867 Chemnitz67)
Gewerbe- und Industrieausstellung der sächsischen Länder
1867 Paris
Weltausstellung Deutsche Gruppe
1868 Berlin
Ausstellung für Frauenindustrie
1868 Königsberg
I. Preuß. Provinzialgewerbeausstellung
1868 Bonn
Kunsthistorische Ausstellung
1868 Frankfurt a. M.
Maschinen- und Viehausstellung
17. Mai bis 1. Okt.
+/–0
1128
52 200 Aussteller aus 32 Ländern 2984
7.–10. Mai
1869 Hamburg68)
Industrie- und Ge- Aug. und werbeausstellung September 214 Aussteller, 1 209 Exponate
1869 Osnabrück69)
Industrie- und Gewerbeausstellung
1869 Wittenberg70)
Allg. Deutsche Gewerbeausstellung
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Finanz. Ergebnis
290 1200 Aussteller
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
1870 Kassel
Allg. Industrieausstellung Internationale Ausstellung für das Hauswesen
1870 Herford
Gewerbe- und In- 25.–29. Mai 170 dustrieausstellung
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
4)
Hierzu und im Folgenden vgl. Korn, Gewerbeausstellungen. Hierzu und im Folgenden vgl. Korn, Gewerbeausstellungen. 6) Schäfers, Volk, S. 22. 7) Vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 25–31; Cleve, Fortschritt, S. 160. 8) Vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 31–33. 9) Vgl. Schäfers, Volk, S. 24. 10) Korn, Ausstellungswesen, S. 38. 11) Bericht von der auf Veranlassung des Central-Ausschusses des polytechnischen Vereins für Bayern abgehaltenen Industrie-Ausstellung im Oktober 1822. Sekundär dazu von Zwehl, Aufbruch, S. 153 f. 12) Paquet, Ausstellungsproblem, S. 133. 13) Vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 44 f. 14) Mieck, Gewerbepolitik, S. 144. 15) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. Aktenmaterial Staatsarchiv Dresden, FA, Loc. 39785, vol. I–V. Acta. Industrie-Ausstellungen betr., 1841–1874. 16) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 17) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 18) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 53. 19) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 20) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 53. 21) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 22) Korn, Ausstellungswesen, S. 42. 23) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 53. 24) Über die Industrie-Ausstellung zu München, gehalten im November 1834, München 1835. Hinweis bei Gessner, Industrialisierung, S. 135. Siehe auch Pfisterer, Verein. 25) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 26) Korn, Ausstellungswesen, S. 42. 27) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 53. 28) Verhandlungen des Gewerbvereins für das Großherzogtum Hessen, 1837, 3. Quartalsheft, S. 24 ff. 29) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 30) Korn, Ausstellungswesen, S. 42. 31) Schäfers, Werkbund, S. 25. 32) Pasing, Gewerbeausstellungen, S. 145–155. 33) Beschreibung und Beurtheilung [...] der Kunst- und Gewerbe-Ausstellung in Königsberg, 1838, Bd. 1–4. 34) Vgl. Susanne Asche/Konstanze Ertel/Anke Mührenberg, Fabrik im Museum – Industrie und Gewerbe in Durlach, Karlsruhe 2003, S. 15. 35) Bericht Mainz, S. 127. 36) Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 37) Kerkhoff, Landesausstellungen, S. 246. 38) Verzeichnis der zur Allgemeinen deutschen Industrieausstellung in Mainz eingelieferten Gegenstände, Mainz 1842; F.X.M. Zippe, Die allgemeine deutsche Industrieausstel5)
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913
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lung zu Mainz, im Jahre 1842. Ein Bericht nach ihrer Beschauung, in: Encyclopädische Zeitschrift des Gewerbewesens 1842, S. 633–39; 664–682, 690–716. 39) Pasing, Gewerbeausstellungen, S. 145–155. 40) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 178. 41) Verzeichnis der Gewerbe-Ausstellung inländischer Industrie-Erzeugnisse, Oldenburg, 1 (1842), 2 (1844). 42) Katalog der Gewerbe-Ausstellung im Königl. Zeughaus zu Berlin, Berlin 1844. Eine Analyse der Angaben zu den Besucherzahlen bei Beckmann, Gewerbeausstellungen, S. 130 f. 43) Hinweis bei Neukrantz, Bericht, S. 5. 44) Vgl. Katalog der Sächsischen Gewerbe-Ausstellung zu Dresden, Dresden 1845. Vgl. auch Kiesewetter, Industrialisierung, S. 667–672. 45) Verzeichnis der im Jahre 1845 im Saale der Tonhalle zu Altona ausgestellten gewerblichen Erzeugnisse der Herzogthümer Schleswig und Holstein, Altona 1845. 46) Johannes Jacobi (Bearb.), Bremische Gewerbekammer in den Jahren, 1849–1884. Eine geschichtliche Darstellung. Im Namen und Auftrag der Gewerbekammer bearbeitet von Johannes Jacobi, Bremen 1884, S. 244. 47) Bericht über die Gewerbe-Ausstellung zu Rostock, Mai 1846. 48) Vgl. Asche/Ertel/Mührenberg, Fabrik, S. 15. 49) Vgl. Bericht über die vom Altonaer Industrieverein veranstaltete Gewerbe-Ausstellung für die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Altona 1847. 50) Jacobi, Gewerbekammer, S. 244. 51) Die deutsche Industrie-Ausstellung in der Central-Halle zu Leipzig. Nebst einem nach Fächern und Ländern geordneten Verzeichnis der Aussteller und ihrer Erzeugnisse und der Angabe der mit Preisen gekrönten Fabrikanten und Arbeiter. Mit hundert in den Text gedruckten Abbildungen und einem Vorwort von Wieck, Leipzig 1850. 52) Schäfers, Werkbund, S. 26. 53) Jacobi, Gewerbekammer, S. 247. 54) Erwähnung bei Schäfers, Werkbund, S. 26. 55) Katalog der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München im Jahre 1854, München [1854]. 56) Gilt nach der offiziellen Klassifikation des Bureau International des Expositions nicht als Weltausstellung. 57) Jacobi, Gewerbekammer, S. 247. 58) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 190 ff.. 59) Vgl. Kernmann, Industrieausstellung. 60) Friedrich von Weech, Karlsruhe – Geschichte der Stadt und ihrer Verwaltung, Karlsruhe 1904, S. 496 f. 61) Katalog der Allgemeinen Thüringischen Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1861, o. O., o. J. 62) Gilt nach der offiziellen Klassifikation des Bureau International des Expositions nicht als Weltausstellung. 63) Über den Plan einer Hamburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung im Jahr 1889. Den Mitgliedern der Ausstellungs-Commission von Gewerbe-Verein und KunstgewerbeVerein, Hamburg 1887, S. 10; Korn, Ausstellungswesen, S. 65. 64) Vgl. Staatsarchiv Düsseldorf, Reg.Präs., Nr. 1035, S. 36 ff. 65) Landeshauptarchiv Koblenz, Abteilung 623, Nr. 4305, Blatt 21. In der Sekundärliteratur vgl. Fliegner, Gewerbevereine, S. 296–298. 66) Korn, Ausstellungswesen, S. 85 f.; Lührs, Jahren, S. 11–20. 67) Karmarsch, Geschichte, S. 170. 68) Industrie- und Gewerbe-Ausstellung August und September 1869 von Erzeugnissen des hamburgischen Gewerbefleisses in den Sälen der Börsen-Arkaden und Halle neben der Börse, Hamburg 1896; Korn, Ausstellungswesen, S. 73. 69) Pasing, Gewerbeausstellungen, S. 145–155. 70) Karmarsch, Geschichte, S. 170.
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Anhang
II. Allgemeinausstellungen und größere Spezialausstellungen im Deutschen Reich 1870–1914 Jahr/Ort
Benennung
Dauer
1871 Ulm1)
Schwäbische In16. Juli bis dustrieausstellung 30. Sept.
1871 Dresden
Sächsische InMai bis dustrieausstellung September
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1163
142 065; + 6 000 bis 180 000 8 000 s.fl.
1872 Naumburg Industrieausstellung
Aug. und September
1873 Wien
Weltausstellung. Reichsdeutsche Gruppe
Mai bis Okt.
1873 Berlin
Fischereiausstellung
15. März bis 15. April
1873 Duisburg
Industrieausstellung
1874 Berlin
Baugewerbliche Ausstellung
204
1874 Bremen3)
Regionale Gewerbeausstellung im Rahmen der Intern. Landwirtschaftsausstellung
70 Aussteller 160 000 mit 240 Exponaten
1875 Dresden
Gewerbe- und Industrieausstellung
1875 Frankfurt a. M.
Historische Ausstellung kunstgewerblicher Erzeugnisse
1875 Leipzig
Kunst- und Kunstgewerbeausstellung
1875 Königsberg4)
II. Preuß. Provinzialausstellung
1876 Philadelphia
Weltausstellung
10. Mai bis 14 420, davon 9,9 Mil- Reichs10. Novem- ca. 3500 deut- lionen zuschuß ber sche Aussteller 0,484 Mill.5)
1876 Hamburg
Ausstellung hamburgischer Industrie-Erzeugnisse
sechs Wochen
1876 München
Kunst- und Kunstindustrieausstellung
1876 Erfurt
Große Gartenbauausstellung
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53 000, davon 7 Mil7524 deutsche lionen Aussteller
3,2– 3,6 Mill. M. Reichszuschuß2)
100 000 + 20 000
+ 138 000
446 Aussteller knapp 80 000
plus 26 550 Mark + 210 000
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1877 Karlsruhe6)
Badische Kunst1. August und Gewerbeaus- bis 15. Okstellung tober
1877 Braunschweig
Gewerbeausstellung
15. Juli bis 8. August
512
85 594
+ 32 000
1878 Paris
Weltausstellung
1. Mai bis 52 835 Aus31. Oktober steller
16 Millionen
1878 Hannover
Allgemeine Gewerbeausstellung
Juli und August
392 695 + 32 0007)
1878 Halle
Gewerbeausstellung
1878 Breslau
I. Schlesische Kunstgewerbeausstellung
1878 Erfurt
Gartenbauausstellung
1878 Leipzig
Gewerbe- und Industrieausstellung
1878 Kassel
Gewerbeausstellung
1878 Paris
Internationale Ausstellung
17. Oktober bis 20. April
12 779 Aussteller aus 37 Länder
1,33 Millionen
1879 Berlin
Gewerbeausstellung
1. Mai bis 1. Oktober
ca. 2000
ca. 2 + 500 00 Millionen
ca. 3600
– 100 000
+ 180 000
Reichszuschuß 0,6 Mill.8)
1879 Offenbach Hess. Landesgewerbeausstellung
+ 58 000
1879 Münster
Kunstgewerbeausstellung
+ 180 000
1879 Leipzig
Kunstgewerbeausstellung
1879 Wernigerode9)
Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für das Harzgebiet
1880/ Melbourne Weltausstellung 1881
1880 Düsseldorf10)
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Oktober bis Mai
Gewerbe- und 9. Mai bis Kunstausstellung 1. Oktober für Rheinland und Westfalen
12 779 Aussteller aus 37 Ländern, davon 963 Deutsche
1 33 Millionen
3 049
1 160 000 + 261 702; andere Angabe + 244 000
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
1880 Berlin
Internationale Fischereiausstellung
1880 Wetzlar
Gewerbeausstellung
1880 Nordhausen
Gewerbeausstellung
1880 Liegnitz
Niederschlesische Gewerbeausstellung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
500 000 – 200 000
1880 Mannheim Gewerbeausstellung 1880 Bromberg
Gewerbeausstellung
1880 Züllichau
Gewerbeausstellung
1881 Frankfurt a. M.
Allgemeine deut- 10. Mai sche Patent- und bis Oktober Musterausstellung
1881 Stuttgart11) Württembergische Gewerbeausstellung
19. Mai bis 9. Oktober
– 400 000 1496; 1700
1881 Breslau
Schlesische Mai bis Gewerbe- und In- Oktober dustrieausstellung
1881 Halle
Gewerbe- und Industrieausstellung
1881 Braunschweig
Gewerbe ausstellung
1881 Konstanz
Bad. Gewerbeausstellung
1881 Insterburg12)
Gewerbe-Ausstellung zu Insterburg
1882 Nürnberg13)
Bayer. Landesge- 15. Mai bis 3211 werbe-, Industrie- 15. Oktober und Kunstausstellung
1882 München
Intern. Elektrizitätsausstellun
1883 Amsterdam
Weltausstellung: Internationale Koloniale en Uitvoerhandelstentoonstelling
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1. Mai bis 31. Oktober
539 530; + 25 747 ca. 1 + 304 000 Millionen + 50 000
28 Länder beteiligt
2 Millionen
+ 367 000
ca. 1,4 Millionen
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
1883 Schwerin
Gewerbeausstellung
1883 Berlin
Hygieneausstellung
1885 Antwerpen Weltausstellung. Deutsche Gruppe
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
844 997 2. Mai bis 2. November
Finanz. Ergebnis
– 542 296
14 472 Aus-l 3,5 Mil steler, davon lionen 1100 Deutsche
1885 Oldenburg Gewerbeausstellung
+ 90 000
1885 Nürnberg
Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen
1885 Görlitz
Gewerbe- und Industrieausstellung
+ 30 000
1885 Oldenburg Gewerbe- und Industrieausstellung
+ 90 000
1886 Augsburg
Mai bis September
– 300 000
Gewerbeausstellung
1886 Darmstadt Hessische Gewerbeausstellung 1887 Freiburg14) Landesgewerbeausstellung
+ 18 000
1887 Chemnitz
Gewerbeausstellung
1888 München
Kunstgewerbeausstellung
1888 Berlin
Kunstgewerbeausstellung
1888 Bremen
Industrieausstellung
Mai bis Oktober
1888 Melbourne Internationale Ausstellung 1889 Hamburg15) „Hamburgische Gewerbe- und Industrie-Ausstellung 1889“ 1889 Berlin
Dt. Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung
1889 Paris
Weltausstellung
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15. Mai bis Oktober
6. Mai bis 31. Oktober
1 155
ca. 2 Millionen
abweichende Angaben: + 90 000, + 400 000
1010
ca. 1 Millionen
– 100 000
61 722 Aussteller
28,12 Millionen
1 154
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454 Jahr/Ort
Anhang Benennung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
1890 Bremen16) Nordwestdeutsche Gewerbeausstellung
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
125 000 – 140 000
1890 Tilsit
Gewerbeausstellung
1891 Frankfurt17)
Internationale 16. Mai bis Elektrotechnische 19. OktoAusstellung ber
1892 Leipzig
Sächsische Gewerbeausstellung
1893 Chicago
Weltausstellung
1893 Erfurt
Thüringische Gartenbau- und Industrieausstellung
1893 Essen19)
Allgemeine Gewerbe-Ausstel lung für den Stadt- und Landkreis Essen
1894 Danzig
Nordostdeutsche Gewerbeausstellung
1894 Freiberg i. S.
Gewerbeausstellung
1894 Erfurt
Gr. Thüringische 1. Mai bis Gewerbe- und In- 30. Septemdustrieausstellung ber
1894 Insterburg20)
Ausstellung von Lehrlingsarbeiten und GewerbeAusstellung
456
1140 000 Keine Angaben + 60 000
April bis Oktober
50 000 Aussteller aus 50 Ländern, davon 5600 Deutsche
3,6 Mill. Reichszuschuß18)
17. Juni bis 16. Juli 1893
+ 78 000
1894 Schandau21) 1895 Lübeck22)
„Deutsch-Nordische Handels- und Industrieausstellung“
1895 Königsberg
Industrie- und Gewerbeausstellung
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1 750 Aussteller, davon abweichende Angabe von 2000
– 390 000 Mark, abweichende Angabe – 450 000
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
1895 Straßburg
Provinzialgewerbeausstellung für Elsaß-Lothringen, Baden und Pfalz
1895 Posen
Gewerbeausstellung der Provinz Posen
1895 Karlsruhe23) Elektrische Ausstellung
Dauer
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
1. September–15. Oktober
1895 Köln
Landwirtschaftliche Ausstellung
1896 Berlin
Gewerbeausstellung
1896 Dresden
Sächs. Handwerksund Kunstgewerbeausstellung
1896 Nürnberg
Bayerische Gewerbeausstellung
1896 Breslau
Ausstellung für Bäckerei und Konditorei
1896 Danzig
Allgemeine Ausstellung, besonders für Hygiene
1896 Graudenz
Westpreußische Gewerbeausstellung
1896 Kiel
Industrie-, Gewerbe- und internationale Schiffahrtsausstellung
1. Mai bis 3835 15. Oktober
7 415 000 – 1 900 000
Mai bis Oktober
1896 Stuttgart24) Württemb. Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgewerbe 1896 BadenBaden
Internationale Ausstellung und Wettstreit
1896 Straßburg
Industrie- und Gewerbeausstellung für Elsaß-Lothringen, Baden und bayerische Rheinpfalz
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Zahl der Aussteller/ Exponate
– 700 000
500 000
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Anhang
Jahr/Ort
Benennung
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Besucherzahl
1897 Leipzig25)
Sächs.-Thüringische Industrieund Gewerbeausstellung
24. April bis 19. Oktober
3 027 Aussteller
2 300 000 – 619 000
1900 Paris
Weltausstellung
14. April bis 12. November
76 112 Aus48,13 steller, davon Millio5151 Deutsche nen
1901 Leipzig
Gewerbeausstellung
1901 Wernigerode
Kochkunstausstellung
1902 Görlitz
Oberlausitzer Gewerbeausstellung
1902 Düsseldorf27)
Rhein.-Westf. 1. Mai bis Industrie-, Ge20. Oktowerbe und Kunst- ber ausstellung
2931
1902 Bromberg
Gewerbe- und Sa- 7. bis nitätsausstellung 16. Juni
350
1902 Lissa i. P.
Kreisgewerbeausstellung
Juni
500
1903 Dresden
Deutsche Städteausstellung
1904 St. Louis
Weltausstellung
30. April bis 1. Dezember
3721 deutsche 19,69 Aussteller Millionen
1904 Düsseldorf Internationale 15. Mai bis Kunstausstellung, 15. Oktober Große Kunst- und Gartenbauausstellung 1904 Danzig
Gewerbeausstellung
1904 Bromberg
Gewerbeausstellung
1904 Leipzig
Hygieneausstellung
Finanz. Ergebnis
5 Mill. Reichs zuschuß26)
5 094 125 + 1 400 000, abweichende Angabe 1 600 000
Reichszuschuß 3,5 bis 5 Mill.28)
2,7 Millionen
1904 Halberstadt Kochkunstausstellung 1904 Aschersleben
Kochkunstausstellung
1904 Fulda29)
Gewerbe-Ausstellung Fulda
1905 Lüttich
Weltausstellung
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April bis Oktober
ca. 2000
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I. Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 Jahr/Ort
Benennung
1905 Kaiserslautern
IV. Pfälzische Gewerbe- und Industrieausstellung
1905 Kassel
Jubiläumsgewerbeausstellung
1905 Görlitz
Niederschlesische Gewerbe- und Industrieausstellung
1905 Berlin
Ausstellung der Ton-, Zementund Kalkindustrie
Dauer
Zahl der Aussteller/ Exponate
Mai bis Oktober
550
Besucherzahl
Finanz. Ergebnis
Automobilindustrie 1905 Berlin 1905 Oldenburg Nordwestdeutsche Kunst- und Gewerbe-Ausstellung 1905 Leipzig
Kochkunstausstellung
1905 Zeitz
Kochkunstausstellung
1906 Mailand
Weltausstellung
1906 Nürnberg
Bayer. Landes-, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung
1906 Dresden
III. Kunstgewerbeausstellung
1906 Berlin
Jahrhundert (Kunst)ausstellung
Januar bis Juni
500
1906 Berlin
Heimarbeiterausstellung
15. Januar bis 28. Februar
300
1907 Berlin
Deutsche Armee-, 1. Juni Marine- und Ko- bis 30. Sept. lonialausstellung
1908 München
Kunsthandwerk-, Industrie-, Gewerbe- und Handelsausstellung
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– 1 000 000
Defizit
Mai bis Oktober
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Anhang
1)
Vgl. Schwankl, Ausstellungswesen, S. 202 ff. Abweichende Datumsangabe (1870) Karmarsch, Geschichte, S. 170. 2) Unterschiedliche Angaben bei Paquet, Ausstellungsproblem, S. 334 und Gessner, Industrialisierung, S. 143. 3) Korn, Ausstellungswesen, S. 88. 4) Vgl. dazu den Katalog Die allgemeine Preußische Provinzial-Gewerbeausstellung, Königsberg 1875, ²1879. 5) Hinweis Gessner, Industrialisierung, S. 143. 6) Weech, Karlsruhe, S. 496 f. 7) Hartmann, Geschichte, S. 759. 8) Hinweis Gessner, Industrialisierung, S. 143. 9) Vgl. Officieller Katalog der Gewerbe-Ausstellung für das Harzgebiet, Wernigerode 1879. 10) Schäfers, Werkbund, S. 27 f. 11) Schwankl, Ausstellungswesen, S. 225–262. 12) Vgl. Katalog der Gewerbe-Ausstellung zu Insterburg, Insterburg 1881. 13) Die bayerische Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung. Bericht. Reprint hrsg. vom Bayerischen Gewerbemuseum Nürnberg 1982. 14) Offizieller Katalog der Oberrheinischen Gewerbeausstellung in Freiburg im Breisgau, Freiburg o. J. [1887] 15) Offizieller Katalog der Hamburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung im Jahre 1889 mit einem Situationsplan, Hamburg ²1889; Korn, Ausstellungswesen, S. 115 ff. 16) Offizieller Katalog der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung Bremen 1890, Berlin 1890; Lührs, Jahren, S. 11–20. 17) Stehen, Zeit. 18) Hinweis Gessner, Industrialisierung, S. 143. 19) Vgl. Katalog der Allgemeinen Gewerbe-Ausstellung für den Stadt- und Landkreis Essen vom 17. Juni bis 16. Juli 1893 im Stadtgarten zu Essen, Essen 1993. 20) Vgl. Katalog der Insterburger Lehrlingsarbeiten- und Gewerbe-Ausstellung, Insterburg 1894. 21) Illustrierter Katalog der Schandauer Kunst- und Gewerbeausstellung, hrsg. vom Verlag der Schandauer Kunst- und Gewerbe-Ausstellung, Bd. 3, 1894. 22) Officieller Katalog der Deutsch-Nordischen Handels- und Industrie-Ausstellung zu Lübeck vom 21. Juni bis 30. September 1895, Berlin 1895. Vgl. dazu auch BA Berlin R 43, 578, S. 88–102. 23) Vgl. Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe für das Jahr 1895, XI. Jahrgang. Im Auftrag der städtischen Archivkommission bearbeitet, Karlsruhe 1895, S. 86 ff. 24) Vgl. Stuttgarter Ausstellungs-Nachrichten. Zeitung für die Elektrizitäts- und Kunstgewerbeausstellung zu Stuttgart im Jahre 1896, Stuttgart 1896. 25) Hochmuth, Problem, S. 137–165; Morgenroth, Ausstellungen, S. 51. 26) Hinweis Gessner, Industrialisierung, S. 143. 27) Schäfers, Werkbund, S. 30 ff. 28) Unterschiedliche Angaben bei Paquet, Ausstellungsproblem, S. 334, und Gessner, Industrialisierung, S. 143. 29) Ausstellungs-Zeitung. Offizielles Organ der Gewerbe-Ausstellung Fulda, 1. 1904– 8. 1904.
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II. Archive und Archivquellen
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II. Archive und Archivquellen 1. Archive des Bundes 2. Landes- und Staatsarchive 3. Kreis- und Stadtarchive 4. Wirtschaftsarchive 5. Bildarchive 6. Museen 7. Handschriftliche Unikate/Rara in Bibliotheken 1. Archive des Bundes Bundesarchiv Berlin Reichskanzlei R 43, Nr. 575–588. Reichswirtschaftsministerium R 3101, Nr. 585, Nr. 586, Bd. 1–2; Nr. 3645. Stenographische Berichte des Deutschen Reichstages, Bd. 128 (1893). Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin I. HA 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, D XXII 8, Nr. 1–5; Nr. 9, 1–4. I. HA 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, E V (Ausbildung der Gewerbetreibenden), Nr. 7, 28, 115–118.. I. HA 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, E XVI „Ausstellungen, Messen“, Nr. 7–24, Nr. 113–151. I. HA 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, E XIV c „Innungen, Handwerkskammer, Genossenschaften, Gewerbevereine“. I. HA Rep. 77, Ministerium des Innern, Tit. 1053, Nr. 13, Bd. 1. I. HA Rep. 77, Ministerium des Innern, Tit. 1053, Nr. 13, Beiakte III. I. HA Rep 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 87. I. HA Rep. 151 Finanzministerium, Nr. 17, 27, 32, Bd. 1.
2. Landes- und Staatsarchive NRW Hauptstaatsarchiv/Landesarchiv Düsseldorf Regierung Düsseldorf, Handel und Gewerbe, Nr. 13292, Bd. 1–2, 24760, 34262. Regierung Düsseldorf, Präsdialbüro, Nr. 188, 1035–37, 1069. Landratsamt und Kreisausschuss Düsseldorf, Nr. 500. Regierung Aachen, Nr. 1648, 1649, 8072. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv in Hannover Hann. 180 Hannover Nr. 1224, 6346. – HR 15, Nr. 478: Gewerbeverein für die Provinz Hannover – HR 15, Nr. 478, Gewerbeverein für die Provinz Hannover, Bd. I: 1833–1920. – HR 15, Nr. 1335, 1365 Hauptstaatsarchiv Stuttgart Königliches Kabinett I, E 11: Ministerium des Kirchen- und Schulwesens, Büschel 83, 85, 86, 87. Staatsarchiv Osnabrück Dep. 3b IV, Fach 36/41.
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Anhang
Staatsarchiv Münster Oberpräsidium B 120, 1770, Bd. 1; 2780, Bd. 1–4; 2781, 2782, Bd. 1; 6782. Staatsarchiv Detmold L 115 D (Gewerbeausstellung 1881). M 1 I U 97. Landeshauptarchiv Brandenburg, Regierung Potsdam Rep. 2A I HG Nr. 3396–3400. Rep. 2A I P Nr. 893.
3. Kreis- und Stadtarchive Stadtarchiv Düsseldorf Abt. II 176 [Ausstellung 1852] Abt. III 2689–2691. Abt. XVIII, Ausstellungen 1852–1985: 1–42, 54 a., 227–275, 277–302 a + b, 546, 792. Abt. XX 146 a. Stadtarchiv Essen Rep. 102, Abtlg. XX, Nr. 1–15 (Ausstellung Essen 1892/93) Kommunalarchive des Kreises und der Stadt Herford – Acte B 381 – Aufruf zur Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Herford [December 1869] – Katalog der der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung auf dem Sützenhofe [Schützenhofe] zu Herford. Abzuhalten vom 15. bis 29. Mai 1870, gedruckt von E. Heidemann, Herford 1870 – Reglement der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung [Februar 1870] Stadtarchiv Hannover – Fa. Jänecke, Nr. 1334: Programm für die Eröffnung der sechsten des Gewerbe-Vereins für das Königreich Hannover 1859. – Fa. Jänecke, Nr. 1335: „Zur Nachricht und Beachtung“. Besucherregeln auf der Gewerbeausstellung 1859. – Fa. Jänecke Nr. 1365: Bericht über die sechste allgemeine Ausstellung inländischer gewerblicher Erzeugnisse“ 1859, von der Direktion dies Gewerbe-Vereins 1859. – Katalog der Gewerbeausstellung von 1878 (HB 4675). – HB 562, 100 Jahre Gewerbeverein für Hannover 1834–1934, hrsg. von Ingeniuer Ludwig Meyer, Hannover 1934.
4. Wirtschaftsarchive Westfälisches Wirtschaftsarchiv (Dortmund) S 4/15 [Rheinische Firmen auf den Weltausstellungen] S 11 – Diapositive S 18 – Musterbücher, Kataloge, Prospekte S 32 – Druckschriften B. 3 b – Ausstellungen und Messen, K 2 Nr. 924–927. Historisches Archiv Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (Essen) FAH IV C 118.
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III. Zeitungen und Zeitschriften
5. Bildarchive Bundesarchiv Koblenz Bildarchiv B 0513/14/18 – N B 0513/14/17 – N 73/30A/43 Forschungsstelle Politische Ikonographie, Kunstgeschichtliches Seminar Universität Hamburg Abbildung der Medaille zur Gewerbeausstellung Berlin 1844 Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Gesamtansicht und verschiedene Detailansichten Gewerbeausstellung Berlin 1844 Gesamtansicht Gewerbeausstellung Berlin 1849 Gesamtansicht Gewerbeausstellung Berlin 1896 Bildarchiv Foto Marburg Abbildung des „Kristallpalastes“ 1851 5EN-L“-M12-1851-1. Landesgewerbeanstalt Nürnberg Photomappe T. 14 und 15.
6. Museen Deutsches Historisches Museum Berlin, DHM Medaillen der Berliner Gewerbeausstellung 1844 Postkarten der Berliner Gewerbeausstellung 1896 Stadtmuseum Düsseldorf Exponate der Düsseldorfer Ausstellung 1902 in der Dauerausstellung Heimatmuseum Treptow (Berlin) Foto- und Dokumentensammlung zur Ausstellung „Die verhinderte Weltausstellung“ 1896. Historisches Museum der Stadt Hannover Am Hohen Ufer, Fotosammlung
7. Handschriftliche Unikate/Rara in Bibliotheken Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt: Erinnerungsalbum von Carl Iffland. Roter Kallikoeinband mit einer Ansicht der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung von Westen, 1891. Lippische Landesbibliothek Detmold: Otto Westermann, Gewerbe-Ausstellung der beiden Fürstentümer Lippe und Schamburg Lippe, Detmold 1881 Stadtbibliothek Essen, Zeitungsausschnittssammlung, Za 15,1 (1893).
III. Zeitungen und Zeitschriften Bevorzugt eingesehen wurden die lokalen und regionalen Zeitungen, die in den Ausstellungsorten zu beziehen waren. Deren Artikel sind in den Fußnoten nachgewiesen. Ergänzend werden hier die Jahrgänge sonstiger Zeitungen und Zeitschriften genannt, die herangezogen wurden. Auch hier gilt, dass die einzelnen Artikel in den Fußnoten nachgewiesen sind.
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Allgemeine Missions-Zeitschrift. Monatshefte für geschichtliche und theoretische Missionskunde 23 (1896). Architektonische Rundschau 18 (1902). Art Journal. 1855 Exposition Catalogue, London 1855. Augsburger Allgemeine Zeitung 1844, 1851, 1880. Ausstellungs-Tageblatt. Amtliches Organ der Ausstellung Düsseldorf 1902. Ausstellungszeitung der Bayerischen Landesausstellung zu Nürnberg 1882. Ausstellungszeitung der Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902. Baugewerks-Zeitung 11 (1879), 26 (1894). Beiblatt zum Berliner Tageblatt /Handelszeitung 1896. Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt 12 (1844). Berliner Illustrierte Zeitung 1896. Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie 1896, 1906. Berliner Morgenzeitung 1896. Berliner neueste Nachrichten 1896. Berliner Tageblatt und Handelszeitung 1896. Berliner Volksblatt 1896. Blätter für Kunstgewerbe 1 (1872) Centralblatt der Bauverwaltung, hrsg. vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten 1896, 1902. Das Zollvereinsblatt 1843 Der Arbeiterfreund. Zeitschrift des Centralvereins in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen, Halle 4 (1867), 8 (1870). Der Bautechniker 16 (1896), Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt 1896. Deutsche Bauzeitung 13 (1879), 30(1896), 36 (1902) Deutsche Kolonialzeitung 1898, 1903. Deutsche Vierteljahrsschrift 8 (1845). Deutsche Warte VII (1896). Deutsches Kunstblatt. Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunstgewerbe 1854 Die Gartenlaube 1902. Die Gegenwart, Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 44 (1891), Die kleine Presse (Frankfurt) 1891. Die Nation (Berlin) 1896. Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens 15 (1897). DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung, Düsseldorf 1902. Die Zeit. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft, Wissenschaft und Kunst 1896. Düsseldorfer Ausstellungszeitung. Amtliches Organ der Industrie- und Gewerbeausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke, verbunden mit einer Deutschnationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf 1902 Düsseldorfer Zeitung 1852. Essener Volkszeitung 1893. Familienblatt. Tägliche Unterhaltungsbeilage zur Berliner Morgenzeitung 1896. Frankfurter Zeitung 1891–1892. Gartenlaube 1891, 1896, 1902. Groß-Berlin. Wochen-Rundschau über die Entwicklung Berlins und der Vororte 1896
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III. Zeitungen und Zeitschriften
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Hamburger Nachrichten 1878. Hannoverscher Kurier 1878. Haude & Spenersche Zeitung (Berlin) 1827. Herforder Kreisblatt 1881. Höchster Kreisblatt 1891. Illustrierte Zeitung (Leipzig) 1844, 1848, Nachfolgetitel 1891, 1895, 1896. Kladderadatsch (19) 1896. Kölnische Zeitung 1844. Kreuzzeitung (Berlin) 1891. Kunstgewerbeblatt Neue Folge 14 (1903). Kunstwart 21 (1908). Leipziger Illustrirte Zeitung 1844, 1848. Lippische Landes-Zeitung 1881–1882. Lippisches Volksblatt 1881. Mittheilungen des k.k. oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie Nr. 130 (1896). Morgenblatt für gebildete Leser 1844. Morgenblatt für gebildete Stände 1851. National-Zeitung (Berlin) 1851, 1891, 1896. 00. Nordwest. Wochenschrift für das öffentliche Leben des nordwestlichen Deutschlands 1878 Österreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst und das Berg- und Hüttenwesen Bd. 2 (1896). Polytechnisches Centralblatt 1844, 1896. Schweizer Bauzeitung 1891, 1902. Stuttgarter Ausstellungs-Nachrichten 1896. Tägliche Rundschau (Berlin) 1844. The Times 1851. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 1823, 1827. Vorwärts (Berlin) 1896. Vossische Zeitung (Berlin) 1891, 1896. Weser-Dampfboot 1844. Weser-Zeitung Bremen 1878. Wochenblatt für Baukunde No. 53 1896. Wochenblatt für Baukunde. Organ der Architekten- und Ingenieur-Vereine von Bayern, Elsass-Lothringen, Frankfurt a. M., Mittelrhein, Niederrhein-Westfalen, Ostpreussen und Württemberg 1886. Zentralblatt der Bauverwaltung16 (1896), 22 (1902).
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IV. Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Allgemeinausstellungen und große Spezialausstellungen in Deutschland vor und nach der Reichsgründung, Gebietsstand vom 18. Januar 1871, in: Möller, Messewesen, S. 106. Abbildung 2: Bürgerliche Selbstdarstellung – das Hauptkomitee der Industrie- und Gewerbeausstellung Düsseldorf 1880 in einem „Erinnerungsalbum“, in: Stadtarchiv Düsseldorf, PG 1 „Erinnerung an die Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880. Sr. Exzellenz dem Königlichen Oberpräsidenten der Provinz Westfalen Herrn von Kühlwetter ehrfurchtsvoll gewidmet von dem Vorstande der Ausstellung“. Abbildung 3: Besuchermenge in der Düsseldorfer Ausstellung 1902, in: Stoffers, Industrieund Gewerbe-Ausstellung, S. 49. Abbildung 4: Plan der Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunst-Ausstellung zu Düsseldorf 1880, in: Stadtarchiv Düsseldorf, PG 1 „Gewerbe- und Kunst-Ausstellung Düsseldorf 1880“. Abbildung 5: München 1854 – Blick von der untersten Gallerie durch das Hauptschiff nach Westen, im Hintergrund der Glaspalast-Brunnen nach Voit und der Orgelprospekt, in: Hütsch, Glaspalast, S. 35. Abbildung 6: Hannover 1878 – Blick auf einzelne „Trophäen“ in der Haupthalle der Ausstellung, vom Eingang aus fotografiert, in: Jugler, Gewerbe-Ausstellung, S. 49. Abbildung 7: Pavillons in der Abteilung für Nahrungs- und Genussmittel in der Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Lindenberg, Pracht-Album, S. 145. Abbildung 8: Ausstellung der Gebrüder Stollwerk, Düsseldorf 1902, in: Fils, Weltausstellung, Abbildung 16 (unpaginiert). Abbildung 9: Elektrische Eisenbahn der Firma Siemens & Halske auf der Berliner Industrie- und Gewerbeausstellung 1879; zur Verfügung gestellt vom Archiv der Siemens AG/Öffentlichkeitsarbeit. Abbildung 10: Der Nordeingang zum Querschiff der Kristallpalastes, in: Dickinson’s Comprehensive Pictures of the Great Exhibition, London 1854, S. 56. Abbildung 11: Der Kristallpalast aus der Vogelperspektive, in: Dickinson’s Comprehensive Pictures of the Great Exhibition, London 1854, S. 9. Abbildung 12: Das ehemalige Deutschordenshaus in Mainz (der heutige Landtag von Rheinland-Pfalz) war 1842 großherzoglich-hessisches Palais und wurde ab dem 12. September diesen Jahres für eine fünfwöchige Ausstellung genutzt, in: http://www.landtag. rlp.de/Internet-DE/nav/1b9/broker.jsp?_ic_uCon=51a2581e-b6bb-a01b-e592-6bf983 c6eaca. Abbildung 13: „Der Glas-Pallast (in München)“. Populärer Stahlstich einer perspektivischen Ansicht von Südwesten, in: Hütsch, Glaspalast, Erste Umschlagseite. Abbildung 14: Gesamtansicht des Ausstellungs-Terrains Berlin 1896, in: Lindenberg, Pracht-Album, S. 8–9. Abbildung 15: Haupt-Industriegebäude der Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Lindenberg, Pracht-Album, S. 23. Abbildung 16: Central-Verwaltungsgebäude der Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Deutsche Bau-Zeitung 30 (1896), S. 493. Abbildung 17: Blick auf die Düsseldorfer Ausstellung, Nördlicher Teil, in: Stoffers, Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, S. 41. Abbildung 18: Hauptindustriehalle der Düsseldorfer Ausstellung 1902, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Fotoarchiv. Abbildung 19: Die Krupphalle auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902, in: Historisches Archiv Krupp, Essen, Fotosammlung, 117 a. Abbildung 20: Nach der Eröffnungsfeier Berlin 1896 – Momentaufnahme, in: Lindenberg, Pracht-Album, S. 25.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Abbildung 21: Blick in die Halle des Bochumer Vereins auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902, in: Däbritz, Verein, S. 297. Abbildung 22: „Die Kinder-Brutanstalt auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, nach der Natur gezeichnet“, in: Beilage zum „Vorwärts“. Berliner Volksblatt vom 16. September 1896; „Der Kinderbrutapparat – im Betriebe“, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Berlin Abendausgabe XXV. Jahrgang Nr. 393 vom 4. 8. 1896. Abbildung 23: Produktionsvolumen und Sozialeinrichtungen – Glasbläserei Gerresheim auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 1, S. 31. Abbildung 24: Leistungen der Arbeiterversicherung des Deutschen Reiches – Düsseldorf 1902, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 8, S. 262. Abbildung 26: Diplom zur Medaille in Gold, Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Düsseldorf 1902, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Bild Nr. 005-136-041. Abbildung 26: Offizielles Ausstellungsplakat der Düsseldorfer Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung 1902, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Bild Nr. 805-133-277. Abbildung 27: Ausstellungsplakat der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung Mühlhausen (Thüringen) 1903, in: May, Deutsch, S. 216. Abbildung 28: Pracht-Album der Berliner Gewerbeausstellung 1896, nach dem Ausstellungsplakat gestaltet. Entwurf von Ludwig Sütterlin. Abbildung 29: Ausstellungsstand der Piedboeuf’schen Werke Düsseldorf und Aachen, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Bild Nr. 005-120-015. Abbildung 30: Blick in das Mittelschiff der Düsseldorfer Maschinenhalle 1902, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Bild Nr. 005-133-087. Abbildung 31: Offizielles Werbeplakat der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 1891 in Frankfurt am Main; Fotografie vom Original. Abbildung 32: Blick vom Kuppelsaal der Berliner Ausstellung 1896 in die Haupthalle. Links Personifikation der Industrie durch die griechische Göttergestalt Vulkan, rechts der Kunst durch eine figürliche Darstellung der Pallas-Athene, in: Lindenberg, PrachtAlbum, S. 83. Abbildung 33: Bilderrahmen und Innendekoration – Ausstellungsstand der Firma F.G. Conzen, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Sign. 0-1-18-54.0000. Abbildung 34: Möbel-Ausstellung von H. Pallenberg, Köln, in: Stadtarchiv Düsseldorf, Sign. 0-1-18-54.0000. Abbildung 35: Arbeiterzug, von Pallas Athene zur Ausstellung geleitet. Aus den Mappen Düsseldorfer Künstler. Studien von Alexander Frenz, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 2 vom 7. Mai 1902, S. 53. Abbildung 36: Kairo – Offizielle Postkarte der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, in: Heimatmuseum Treptow (Berlin), Bildarchiv Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Abbildung 37: „Alt-Berlin“ – Offizielle Postkarte der Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Heimatmuseum Treptow (Berlin), Bildarchiv Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Abbildung 38: Fotografie der Spandauer Strasse – Alt-Berlin. in: Lindenberg, Pracht-Album, Fotografie von Ottomar Anschütz, S. 191.
V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur 1844. Ein Jahr in seiner Zeit. Katalog des Westfälischens Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Ausstellung vom 1. Dezember 1885–2. Februar 1986, Münster 1985. Abelshauser, Werner, Umbruch und Persistenz: Das deutsche Produktionsregime in historischer Perspektive, in: GG 27 (2001), Nr. 4, S. 503–524. Adam, Judith A., The Form Emerges: The World’s Columbian Exposition, in: dies., Amusement Park Industry, S. 19–40.
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Adams, Judith A., The American Amusement Park Industry. A History of Technology and Thrills, Boston 1991. Adams, Judith A., The Promotion of New Technology through Fun and Spectacle. Electricity at the World’s Columbian Expositinon, in: Journal of American Culture 18. 2. (1995), S. 45–55. Agnew, Jean-Christophe, Worlds Apart: The Market and the Theatre in Anglo-American Thought 1550–1750, New York 1986. Ahlström, Göran, Technological Development and Industrial Exhibitions 1850–1914. Sweden in an International Perspective, Lund 1995. Aimone, Linda/Carlo Olmo, Le esposizioni universali 1815–1900. Il progresso in scena, Turin 1990. Albrecht, Catherine, Pride in Production: The Jubilee Exhibition of 1891 and Economic Competition between Czechs and Germans in Bohemia, in: Austrian History Yearbook XXIV (1993), S. 101–118. Albrecht, Günther (Hrsg.), Geschichte. Bild. Museum: Zur Darstellung von Geschichte im Museum, Köln 1989. Albrecht, Helmut/Charlotte Schönbeck (Hrsg.), Technik und Gesellschaft, Düsseldorf 1989. Albrecht, Helmut, Technik als gesellschaftliches Phänomen, in: Albrecht/Schönbeck (Hrsg.), Technik, S. 3–31. Alings, Reinhard, Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal – zum Verhältnis von Nation und Staat im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, Berlin/New York 1996. Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. November 1827 und Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Verteilung der Preise für die öffentliche Nationalausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1827. Von dem Geheimen Ober-Finanzrath Beuth am 30. Oktober 1827 erstattet, in: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen 6 (1827), S. 664–285. Allgemeine Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover für das Jahr 1878, Hannover 1878. Allgemeine Gewerbe-Ausstellung für den Stadt- und Landkreis Essen, in: Essener VolksZeitung Nr. 139 vom Mittwoch, den 21. Juni 1893. Allwood, John, General Notes: International Exhibitions and the Classification of their Exhibits, in: Journal of the Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce 128 (1980), S. 450–455. Allwood, John, The Great Exhibitions, London 1977. Alt-Berlin und Kairo, in: Berliner Illustrierte Zeitung vom 3. Mai 1896, S. 8. Altick, Richard D., The Shows of London, Cambridge/London 1978. Amtlicher Bericht über die allgemeine Ausstellung deutscher Industrie- und GewerbsErzeugnisse zu München im Jahre 1854, von der zur Einleitung und Durchführung bestellten Commission veröffentlicht, München 1855. Amtlicher Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844. Drei Bände, Berlin 1846. Amtlicher Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, 4 Bde., Berlin 1845 f. Amtlicher Bericht über die Industrie-Ausstellung aller Völker zu London im Jahre 1851, von der Berichterstattungs-Kommission der Deutschen Zollvereins-Regierungen, Berlin 1852. Amtlicher Bericht über die Weltausstellung in Chicago 1893, erstattet vom Reichskommissar, 2 Bände, Berlin 1894. Anonym [Otto Lüning], Ergebnisse der Gewerbeausstellung, in: Weser-Dampfboot 1844, S. 341–345. Anonym [Wilhelm Gustav Werner Völkl], Die Berliner Gewerbeausstellung und die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier mit besonderer Bezugnahme auf den Rongeschen Brief. Ein Brief aus Berlin von einem Protestanten, Münster 1845.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Anonym, Die Deutsche Bauausstellung in Dresden, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 20 (1900), Nr. 66, S. 400 f. Anonym, Die Messen und Märkte und deren Verhältnis zum Handel, in: Gewerbeblatt aus Württemberg, hrsg. von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel Nr. 39 vom 29. September 1867, S. 345–349.l Anonym, Die Messen und Märkte und deren Verhältnis zum Handel, in: Gewerbeblatt aus Württemberg, hrsg. von der Königlichen Zentralstelle für Gewerbe und Handel Nr. 40 vom 6. Oktober 1867, S. 355–361. Anonym, Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereines, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, Nr. XXIX (1845), Heft 1, S. 255–275. Anonym, Gewerbe-Ausstellung in Potsdam, in: Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Bd. XIX (1846) April/Mai/Juni, S. 38 f. Anonym, Vorläufiger Entwurf zur Errichtung eines Weihnachtsbazars, in: Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweigs 1844, S. 244–246. Appleby, Joyce, Economic Thought and Ideology in Seventeenth Century England, Princeton 1978. Appleby, Joyce, New Cultural Heroes in the Early National Period, in: Thomas L. Haskell/ Richard F. Teichgraber III (Hrsg.), Culture, S. 163–188. Arbeiter und Gewerbeausstellung, in: Die Neue Zeit XV (1896–97), Bd. 1, S. 1–4. Arbeiterfahrten zur Gewerbeausstellung, in: Die Nation vom 13. Juni 1896, S. 566. Arbeitsgruppe 3: Gesellschaftliche Träger der Gewerbeförderung im 19. Jahrhundert, in: Bonz (Hrsg.), Berufsbildung, S. 165–238. Arnold, Stefan, Propaganda mit Menschen aus Übersee – Kolonialausstellungen in Deutschland, 1896 bis 1940, in: Debusmann/Riesz, Kolonialausstellungen, S. 1–24. Asche, Susanne/Konstanze Ertel/Anke Mührenberg, Fabrik im Museum – Industrie und Gewerbe in Durlach, Karlsruhe 2003. Ash, Mitchell G., Wissenschaftspopularisierung und Bürgerliche Kultur im 19. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 322–334. Assmann, Aleida, Externalisierung, Internalisierung und kulturelles Gedächtnis, in: Sprondel (Hrsg.), Objektivität, S. 422–435. Assmann, Aleida und Jan, Schrift – Kognition – Evolution, in: Havelock (Hrsg.), Schriftlichkeit, S. 2. Aubin, Hermann/Wolfram Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1976. Auerbach, Jeffrey A., The Great Exhibition of 1851. A Nation on Display, New Haven/ London 1999. Augsburger Gewerbe-, Industrie- und kunsthistorische Ausstellung 1886, in: Wochenblatt für Baukunde No. 53 vom 2. Juli 1886, S. 265 f. Augsburger Gewerbe-, Industrie- und kunsthistorische Ausstellung 1886 in den Nr. 8–87 des Wochenblattes für Baukunde. Organ der Architekten- und Ingenieur-Vereine von Bayern, Elsass-Lothringen, Frankfurt a. M., Mittelrhein, Niederrhein-Westfalen, Ostpreussen und Württemberg 1886. Augsburger Gewerbe-, Industrie- und kunsthistorische Ausstellung 1886 o. O. o. J. [Augsburg 1886]. Augustin, Ines, Die Medaillen und Plaketten der großen Weltausstellungen 1851–1904, Karlsruhe 1985. AUMA-Kalender o. O. [Köln], fortlaufend seit 1918. Ausstellungs- und Messe-Ausschuß der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Rückblick auf ein halbes Jahrhundert. Von der Ständigen Ausstellungskommission zum Ausstellungs- und Messeausschuß der Deutschen Wirtschaft e. V., Köln 1957. Ausstellungsgedanken von Dr. S. Tschierschky-Langenberg: Was ist und zu welchem Zweck beschicke ich die Düsseldorfer Ausstellung 1902?, in: Ausstellungszeitung der Gewerbeausstellung Düsseldorf 1902, No 3, 1. Mai 1900, S. 42–45.
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Anhang
Auszüge aus den Reiseberichten von Geschäftsleuten und Arbeitern, zur Universalausstellung von 1867 nach Paris gesandt von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel, Stuttgart o. J. Badisches Landesgewerbeamt Karlsruhe. Tätigkeitsbericht und Rückblick auf 8 Jahrzehnte staatliche Gewerbeförderung in Baden, Karlsruhe 1952. Bakhtin, Mikhail, Forms of Time and the Chronotope in the Novel. Notes toward a Historical Poetics, in: Holquist (Hrsg.), Imagination, S. 84–258. Barkin, Kenneth D., The Controversy over German Industrialization 1890–1902, Chicago 1970. Baron Mikoschs Erlebnisse auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, hrsg. von Fidelio, Berlin ohne Jahr [1896]. Baron, Robert A., Review of Tony Bennett, The Birth of the Museum, in: Culturefront 5 (1996), Nr. 1, S. 66. Barth, Dieter, Das Familienblatt – Ein Phänomen der Unterhaltungspresse des 19. Jahrhunderts. Beispiele zur Gründungs- und Verlagsgeschichte, in: Allgemeines Börsenblatt des deutschen Buchhandels 15 (1975), Sp. 121–316. Barth, Fredrik, Economy, Agency and Ordinary Lives, in: Social Anthropology 5 (1997), S. 233–242. Barthes, Roland, Der Eiffelturm, München 1970. Baudrillard, Jean, La societé de consommation. Ses mythes, ses structures, Paris 1970. Bausinger, Hermann, Populäre Kultur zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg, in: Maase/Kaschuba (Hrsg.), Schund, S. 29–46. Bausinger, Hermann/Klaus Beyer/Gottfried Korff (Hrsg.), Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991. Beauchamp, K.G., Exhibiting Electricity, London 1997. Becker, Frank (Hrsg.), Systemtheorie und Geschichtswissenschaft, Frankfurt a. M. 2004. Becker, Frank, Bilder von Krieg und Nation. Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864–1913, München 2001. Beckmann, Uwe, Der Weg nach London: Das deutsche Ausstellungswesen vor 1851 und die Great Exhibition, in: Bosbach/Davis (Hrsg.), Weltausstellung, S. 257–265. Beckmann, Uwe, Gewerbeausstellungen in Westeuropa vor 1851. Ausstellungswesen in Frankreich, Belgien und Deutschland. Gemeinsamkeiten und Rezeption der Veranstaltungen, Frankfurt a. M. 1989. Beckmann, Uwe, Weltausstellungen 1851–1876. Die Beteiligung von metallverarbeitenden Unternehmen des bergischen und märkischen Raumes, in: Dascher (Hrsg.), Feld, S. 179–189. Beenken, Hermann, Das 19. Jahrhundert in der deutschen Kunst, München 1944. Béguet, Bruno (Hrsg.), La Science pour tous. Sur la vulgarisation scientifique en France de 1850 à 1914, Paris 1990. Behrens, S., Krebsschaden des Austellungswesens, Berlin 1907. Beltran, Alain/Patrice A. Carré, La fée e la servante. La société française face à l’électricité en France, Bd. 1, 1881–1918, Paris 1992. Benedict, Burton, The Anthropology of World’s Fairs, in: ders. (Hrsg.), Anthropology, S. 1–65. Benedict, Burton (Hrsg.), The Anthropology of World’s Fairs. San Francisco’s Panama Pacific International Exposition of 1915, London/Berkeley 1983. Beneke, Sabine/Hans Ottomeyer (Hrsg.), Die zweite Schöpfung. Bilder der industriellen Welt vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Berlin 2002. Benjamin, Walter, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, Frankfurt a. M. 1980. Benjamin, Walter, Das Arkaden-Projekt, in: ders., Schriften, Bd. 5/2., S. 1044–1052. Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt a. M. 1970.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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sche und pharmaceutische Zwecke, aber mit Einschluß aller Hilfstheile, auch der Arbeitsmaschinen), verfaßt von Dr. Julius Hülße, München 1855. Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Verteilung der Preise für die öffentliche Nationalausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1822. Von dem Vorsitzenden derselben, Geheimen Ober-Finanzrath Beuth, am 27. Oktober 1822 erstattet, Berlin 1823. Bericht über den Ausspruch der Kommission zur Vertheilung der Preise für die öffentliche Ausstellung vaterländischer Fabrikate vom Jahre 1822, von dem Vorsitzenden derselben, Geh. Ober-Finanzrath Beuth, am 27. Oktober 1822 erstattet, in: Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 2 (1823), S. 29–52. Bericht über die erste allgemeine Monaths-Versammmlung der in München wohnenden Vereinsmitglieder, als Extrabeilage zu Nr. 38 des Anzeigers für Kunst- und Gewerbfleiß 3 (1817), unpaginiert. Bericht über sämmtliche Erzeugnisse, welche für die dritte zu Laibach im Jahre 1844 [...] eröffnete Industrie-Ausstellung des Vereins zur Beförderung und Unterstützung der Industrie und Gewerbe, in Innerösterreich, dem Lande ob der Enns und Salzburg, Grätz 1845. Berichte preußischer Gewerbetreibenden (sic!) über die Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1867. In Verbindung mit dem Komité zur Beförderung des Besuchs der Pariser Industrie-Ausstellung seitens preußischer unbemittelter Gewerbetreibenden herausgegeben vom Centralverein in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen, Halle 1868. Berlin am 1. Mai: An der Köpenicker Brücke, „Ein Sonntagnachmittag auf der Treptower Chaussee“, in: Berliner Illustrirte Zeitung Nr. 18 vom 3. Mai 1896, S. 6. Berlin und seine Arbeit. Amtlicher Bericht der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Zugleich eine Darstellung des gegenwärtigen Standes unserer gewerblichen Entwicklung, hrsg. vom Arbeits-Auschuss: Fritz Kühnemann, Bernhard Felisch, Ludwig Max Goldberger, Berlin 1898. Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. V. Die deutsche Kolonialausstellung Berliner, in: Berliner neueste Nachrichten Nr. 239 vom 23. Mai 1896. Berman, Marshall, All That Is Solid Melts Into Air. The Experience of Modernity, Harmondsworth 1988. Bernstein, Paul, American Work Values. Their Origin and Development, New York 1997. Bertsch, Christoph, …und immer wieder Maschinenräder. Beiträge zu einer Kunstgeschichte der Industriellen Revolution, Berlin 1986. Beta, Ottomar, Die Marine-Schauspiele, in: Kühnemann (Hrsg.), Groß-Berlin, S. 266 f. Beuth, Peter C. W. /Friedrich Schinkel, Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker, hrsg. von der technischen Deputation für Gewerbe, Berlin 1831–36. Beutler, Christian, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, Ausstellungskatalog des Staatlichen Museums für angewandte Kunst, München 1973. Beyer Andreas/Vittorio Lampugnani/Gunter Schweikhart (Hrsg.), Hülle und Fülle. Festschrift für Tilmann Buddensieg, Alfter 1993. Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Die Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Bildern, Berlin 1997. Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Die verhinderte Weltausstellung. Beiträge zur Berliner Gewerbeausstellung 1896, Berlin 1996. Bezirksamt Treptow-Köpenick (Hrsg.), Bibliographie zur Berliner Gewerbeausstellung 1896. Literatur, Kataloge, Musikstücke, Zeichnungen, Pläne, Eigenverlag Berlin 1996. Biedermann, Karl, Die Erziehung zur Arbeit – eine Forderung des Lebens an die Schule, Leipzig 1883. Biefang, Andreas, Politisches Bürgertum in Deutschland 1857–1868. Nationale Organisationen und Eliten, Düsseldorf 1994. Bierganz, Manfred, Der Eifeler Unternehmer Albert Poensgen, in: Eifel-Jahrbuch 1999, S. 33–37.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Anhang
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Anhang
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Crome, Petra, Public Relations und die Berliner Gewerbeausstellung 1896, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 11–28. Crossick, Geoffrey/Serge Jaumain (Hrsg.), Cathedrals of Consumption. The European Department Store 1850–1939, Ashgate 1999. Csáky, Moritz/Peter Stachel (Hrsg.), Speicher des Gedächtnisses. Bibliotheken, Museen, Archive. Teil 1: Absage an und Wiederherstellung von Vergangenheit – Kompensation von Geschichtsverlust, Wien 2000. Czihak, E., Gruppe XX: Unterrichtswesen“, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbeund Kunstausstellung Nr. 18, S. 629–634. Däbritz, Walther, Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation in Bochum. Neun Jahrzehnte seiner Geschichte im Rahmen der Wirtschaft des Ruhrbezirks, Düsseldorf 1934. Daehr, H., Die Bauten der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 (Treptower Park, Gebäude für Chemie, wissenschaftliche Instrumente und Photographie), in: Österreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst und das Berg- und Hüttenwesen Bd. 2 (1896), S. 286–288. Daelen, Eduard, Aus der Geschichte des Künstlervereins „Malkasten“. Zur Jubelfeier seines 50jährigen Bestehens 1848–1898, Düsseldorf o. J. [1898]. Damisch, Hubert, L’amour m’expose, in: Les Cahiers du Musée National d’Art Moderne 29 (1983), S. 79–89. Daniel, Ute, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001. Dann, Otto (Hrsg.). Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, München 1984. Danneel, H., Die Elektrochemie und die Metallurgie der für die Elektrochemie wichtigen Metalle auf der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1902, Halle 1903. Das Fest der Gewerke, in: 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung Nr. 281 vom 5. Juni 1896. Das Festbankett des Komitees der Interessanten und Aussteller, in: Berliner Presse Nr. 108 vom 8. Mai 1896, Erstes Beiblatt. Das fussige Hermännche auf der Ausstellung, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbeund Kunstausstellung Nr. 7, S. 250–252. Das persönliche Regiment. Reden und sonstige öffentliche Äußerungen Wilhelms II. Zusammengestellt von Wilhelm Schröder, München 1907, S. 96. Dascher, Ottfried (Hrsg.), „Mein Feld ist die Welt“. Musterbücher und Kataloge 1784– 1914, Dortmund 1984. Daum, Andreas W., Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848–1914, München 1998, ²2002. Dauskardt, Michael (Hrsg.), Vom heißen Eisen – Zur Kulturgeschichte des Schmiedens, Ausstellungskatalog Hagen 1993. Davis, John R., Book Review. The Great Exhibition of 1851: A Nation on Display, in: History in Focus: The Victorian Era, http://www.ihrinfo.ac.uk/ihr/Focus/Victorians/davisJ. htm, Zugriff vom 3. 7. 2002. Davis, John R., The Great Exhibition, Aldershot (Sutton Publishing) 1999. Davison, Graeme, „Exhibitions“, in: Australian Cultural History 2 (1982/83), S. 3–19. Daxelmüller, C., Zwischen Mythos und Realität. Der Schmied im Volksglauben, in: Dauskardt, Eisen, S. 229–240. Debord, Guy, The Society of Spectacle, Detroit 1983. Debusmann, Robert/János Riesz (Hrsg.), Kolonialausstellungen – Begegnungen mit Afrika?, Frankfurt a. M. 1995.
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Anhang
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Die Eröffnung der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: Kladderadatsch (19) Nr. 18 vom 3. Mai 1896. Die Eröffnung der Berliner Gewerbe-Ausstellung. Berlin im Festgewande, in: Berliner neueste Nachrichten 204 vom 1. 5. 1896, S. 1–2. Die Eröffnungsfeier der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: 3. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt Nr. 103 vom 3. Mai 1896, S. 2. Die Geschöpfe des Prometheus – Der künstliche Mensch von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. von Rudolf Drux, Ausstellungskatalog Bielefeld 1994. Die Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover, in: Hamburger Nachrichten Nr. 172 vom 22. Juli 1878 (Abendausgabe), S. 1. Die Gewerbeausstellung in Berlin (Schluß), in: Weser-Dampfboot Nr. 77 vom 5. Oktober 1844, S. 309–310. Die Gewerbe-Ausstellung in Berlin, in: Deutsche Bauzeitung 13 (1879), S. 199 f. Die Gewerbeausstellung in Berlin, in: Weser-Dampfboot Nr. 76 vom 2. Oktober 1844, S. 304–305. Die Gewerbe-Ausstellung und die Sittlichkeit, in: Kladderadatsch Jg. XLIX Nr. 21 vom 24. 5. 1896, S. 82. Die Gewerbe-Ausstellung, in: Düsseldorfer Zeitung Nr. 212 vom 31. August 1852, S. 2. Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung Düsseldorf 1880. Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer Deutsch-Nationalen Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902. Im Auftrag des Arbeits-Ausschusses unter Mitwirkung der Ausstellungsleitung und der Gruppen-Vorsitzenden herausgegeben von Gottfried Stoffers, Düsseldorf 1903. Die Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf, in: Centralblatt der Bauverwaltung, hrsg. vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten, XXII (1902), vom 3. Mai, S. 210–213, S. 212. Die Industriellen in Berlin bei Gelegenheit der Gewerbe-Ausstellung, in: Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Berlin 12 (1844), S. 42–45. Die Kunst im Gewerbe, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9235 vom 25. Juli 1878, S. 2. Die Kunst im Gewerbe. Dritter Artikel, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9242 vom 30. Juli 1878, S. 2. Die Kunst im Gewerbe. Vierter Artikel, in: Hannoverscher Kurier Nr. 9264 vom 11. August 1878, S. 1. Die Kuppelgemälde im Hauptausstellungsgebäude, in: DIE WOCHE der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung Nr. 16 vom 16. August 1902, S. 551–556. Die Schlußfeier der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: Tägliche Rundschau Nr. 244 vom 16. 10. 1896. Die Stufenbahn auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, in: 1. Beilage zum Vorwärts. Berliner Volksblatt Nr. 124 vom 30. Mai 1896, S. 4. Die Untersuchungen an Dampfmaschinen und Dampfkesseln und an einigen Rheinischen und Westfälischen Kohlensorten auf der Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke in Verbindung mit einer Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Düsseldorf 1880. Im Auftrag des Vorstandes der Ausstellung herausgegeben unter besonderer Mitwirkung von F. Böcking und H. von Reiche, Professor des Maschinen-Baues an der Königl. rheinisch-westfälischen technischen Hochschule zu Aachen, Aachen 1880. Die Verkäufe einzelner Gebäude, in: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, 1. Beiblatt Nr. 376 vom 26. 7. 1896. Diers, Michael, Schlagbilder. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1997. Dietz, Burkhard/Michael Fessner/Helmut Maier (Hrsg.), Technische Intelligenz und „Kulturfaktor Technik“. Kulturvorstellungen von Technikern und Ingenieuren zwischen Kaiserreich und früher Bundesrepublik, Münster 1996.
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Anhang
Dietz, Burkhard/Michael Fessner/Helmut Maier, Der „Kulturwert der Technik“ als Argument der Technischen Intelligenz für sozialen Aufstieg und Anerkennung, in: dies. (Hrsg.), Technische Intelligenz und „Kulturfaktor Technik“, Münster 1996, S. 1–34. Dipper, Christof (Hrsg.), Faschismus und Faschismen im Vergleich. Wolfgang Schieder zum 60. Geburtstag, Greifswald 1998. Dirks, Nicholas B. (Hrsg.), Colonialism and Culture, Ann Arbor 1992. Dirks, Nicholas B./Geoff Eley/Sherry B. Ortner (Hrsg.), Culture/Power/History. A Reader in Contemporary Social Theory, Princeton 1994. Dittrich, Elke Märchenschloß und Eisenhalle – Die Architektur der Berliner Gewerbeausstellung, in: Bezirksamt Treptow von Berlin (Hrsg.), Weltausstellung, S. 57–74. Doerry, Martin, Übergangsmenschen. Die Mentalität der Wilhelminer und die Krise des Kaiserreichs, Weinheim/München 1986. Domansky, Elisabeth, Der Deutsche Werkbund, in: Niethammer (Hrsg.), Gesellschaft, S. 268–275. Döring, Wilhelm (Hrsg), Handbuch der Messen und Ausstellungen, Darmstadt 1958, S. 10–17. Düding, Dieter, Deutsche Nationalfeste im 19. Jahrhundert. Erscheinungsbild und politische Funktion, in: Archiv für Kulturgeschichte 69 (1987), S. 371–388. Düding, Dieter, Politische Öffentlichkeit – politische Feste – politische Kultur, in: ders./ Friedmann/Münch, Festkultur, S. 9–34. Düding, Dieter/Peter Friedemann/Paul Münch (Hrsg.), Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Hamburg 1988. Dülmen, Richard van (Hrsg.), Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500–2000, Wien 1998. Dülmen, Richard van (Hrsg.), Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2001. Dülmen, Richard van/Norbert Schindler (Hrsg.), Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags, Frankfurt a. M. ²1984. Dülmen, Richard van, „Arbeit“ in der frühneuzeitlichen Gesellschaft, in: Kocka/Offe (Hrsg.), Geschichte, S. 80–87. Dupays, Paul, Vie prestigieuse des expositions historique, Paris 1939. Düwell Kurt/Wolfgang Köllmann (Hrsg.), Zur Geschichte von Wissenschaft, Kunst und Bildung an Rhein und Ruhr nebst Resümees der Historiker- und Kunsthistoriker-Tagung in Essen vom Juni 1982, Wuppertal 1985. Ehmer, Josef/Peter Gutschner, Befreiung und Verkrümmung durch Arbeit, in: Dülmen (Hrsg.), Erfindung, S. 283–303. Ehmer, Josef, Soziale Traditionen in Zeiten des Wandels. Arbeiter und Handwerker im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M./New York 1994. Ein Wort der Mahnung, in: Groß-Berlin. Wochen-Rundschau über die Entwicklung Berlins und der Vororte vom 18. Mai 1896, S. 1. Ein Wort über die Gewerbeausstellungen des Zollvereines, in: Deutsche Vierteljahrsschrift, Nr. XXIX (1845), Heft 1, S. 255–275. Einhoff, Ute, Die Dauerbauten der Gesolei: Kunstmuseum und Kunstpalast, Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde, Rheinterrasse, in: Wiener (Hrsg.), Gesolei, S. 50–61. Eiselen, Fritz, Die Krupp-Ausstellungshalle auf der Düsseldorfer Ausstellung, in: Deutsche Bau-Zeitung 36 (1902), S. 244. Elm, Theo/Hans H. Hiebel (Hrsg.), Medien und Maschinen. Literatur im technischen Zeitalter, Freiburg 1991. Engel, Helmut, Die Architektur der Wilhelminischen Zeit in Berlin, in: Ribbe (Hrsg.), Berlin-Forschungen IV., S. 53–104. Engelsing, Rolf, Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft, Stuttgart 1973.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Anhang
Festschrift des Rheinischen Vereins zur Förderung des Arbeiterwohnungswesens aus Anlaß des VI. Internationalen Wohnungskongresses Düsseldorf 1902 und der Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung, Düsseldorf 1902. Fillitz, Hermann (Hrsg.): Der Traum vom Glück. Die Kunst des Historismus in Europa. Ausstellungskatalog zur Ausstellung im Künstlerhaus und der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 13. September bis 6. Januar 1997, Wien/München 1996. Fils, Alexander, Die ‚Kleine Weltausstellung‘ in Düsseldorf 1902 in alten Ansichten, Zaltbommel 1982. Fisch, Stefan, Polytechnische Vereine im „Agriculturstaat“ Bayern bis 1850, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 49 (1986), S. 539–577. Fisch, Stephan, „Lichtpunkt in unserer industriellen Dämmerung“ – Entstehung und Bedeutung des (poly)technischn Vereinsweses in Bayern bis 1850, in: Müller, Aufbruch, S. 492–499. Fischbach, Friedrich, Die Bedeutung der deutschen Kunstindustrie, in: Blätter für Kunstgewerbe 1 (1872), S. 69–76. Fischer, Wolfram, Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in Deutschland am Beginn der Industrialisierung, in: ders., Wirtschaft, S. 65–72. Fischer, Wolfram, Der Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden 1800–1850, 1. Bd.: Die staatliche Gewerbepolitik, Berlin 1962. Fischer, Wolfram, Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Aufsätze – Studien – Vorträge, Göttingen 1972. Flemming, Ulrich, Kristallpalast/Paxton (Veröffentlichungen zur Architektur, Heft Nr. 7), Berlin 1967. Fliedl, Gottfried (Hrsg.), Die Erfindung des Museums. Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution, Wien 1996. Fliedl, Gottfried, Museums- und Ausstellungspolitik: Verdinglichtes Erbe, in: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik 84 (1986), Nr. 6, S. 66–78. Fliedl, Gottfried/Roswitha Muttenthaler/Herbert Posch (Hrsg.), Erzählen, Erinnern, Veranschaulichen. Theoretisches zur Museums- und Ausstellungskommunikation, Wien 1992. Fliegner, Helmut Alfred, Gewerbevereine in den preußischen Rheinlanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Beziehungen zum Zentralgewerbeverein in Berlin, zu den Staatsorganen und den wirtschaftlichen, politischen und gewerberechtlichen Tagesfragen in den Frühphasen der Industrialisierung, Bonn 1972. Fohrmann, Jürgen/Harro Müller (Hrsg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Frankfurt a. M. 1977. Foreman-Peck, James, A History of the World Economy. International Economic Relations since 1850, Brighton 1983. Foucault, Michel Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1994. Foucault, Michel, Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, Frankfurt a. M./Berlin/Wien 1976. Fougère, Henry, Les délégations ouvrieres auyx Expositions universelles sous le Second Empire, Montlucon 1905. François, Etienne/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte Bd. II, München 2001. Franke, Monika, Schönheit und Bruttosozialprodukt. Motive der Kunstgewerbebewegung, in: Thiekötter/Siepmann, Packeis, S. 167–173. Frauberger, Heinrich, Wanderung durch die Düsseldorfer Ausstellung, in: Die Gartenlaube Nr. 36 (1902), S. 616–619. Frei, Helmut, Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur, Leipzig 1997. Freitag, Werner, Das Dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933–1945, Bielefeld 1997.
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Frevert, Ute, Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003. Friebe, Wolfgang, Architektur der Weltausstellungen 1851 bis 1970, Stuttgart 1973. Friedl, Gottfried (Hrsg.), Die Erfindung des Museums. Anfänge der bürgerlichen Museumsidee in der Französischen Revolution, Wien 1996. Friedrich Krupp. Spezialkatalog Wohlfahrtseinrichtungen der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp zu Essen an der Ruhr, Ausstellung 1902, o. O. 1902. Friedrich, Peter/Günter Valjak, Messen, Ausstellungen, Mehrzweckhallen, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch, S. 535–564. Friemert, Chup, Die gläserne Arche. Kristallpalast London 1851 und 1854, München 1984. Frierende Kellner, in: Berliner Tageblatt und Handelszeitung. 1. Beiblatt zum Berliner Tageblatt Nr. 227 vom 5. Mai 1896, unpaginiert. Fuchs, Eckardt, Nationale Repräsentation, kulturelle Identität und imperiale Hegemonie auf den Weltausstellungen: Einleitende Bemerkungen, in: Comparativ 9 (1999), Heft 5/6, S. 8–14. Fuchs, Eckardt, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, Leipzig 2000 (Themenheft der Zeitschrift Comparativ). Fuchs, Eckhardt, Das Deutsche Reich auf den Weltausstellungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ Heft 5/6 (1999), S. 61–88. Führer durch die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Berlin 1896 [Verlag Hirschhausen]. Führer durch die Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1880 mit einem Plane d. Stadt u. d. Ausstellung, Düsseldorf 1880. Führer durch die Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf 1880, Düsseldorf 1880. Führer durch die Sonderausstellung von Berolinensien des Vereins für die Geschichte Berlins in der Heiliggeistkirche zu Alt-Berlin auf der Gewerbe-Ausstellung zu Berlin 1896, Berlin 1896. Galison, Peter/Emily Thompson (Hrsg.), The Architecture of Science, Cambridge/London 1999. Gall, Lothar/Manfred Pohl (Hrsg.), Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999. Gally, J. M., Das Ausstellungswesen und sein Wert für Handel, Gewerbe und Industrie, Exportförderung und Fremdenverkehr. Studien, Erfahrungen und Reformvorschläge eines praktischen Fachmannes, Wien/Leipzig ²1911. Gauchet, M., La Révolution des pouvoirs. La Souveraineté, le peuple et la Représentation 1789–1799, Paris 1995. Gebhardt, Winfried, Fest, Feier und Alltag. Über die gesellschaftliche Wirklichkeit des Menschen und ihre Deutung, Frankfurt a. M. 1987. Geertz, Clifford, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. ²1991. Geertz, Clifford, Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie von Kultur (1973), in: ders., Beschreibung, S. 7–43. Geißler, Friedrich, Die Entstehung und der Entwicklungsgang der Handelskammern in Österreich, in: Mayer, Jahre, S. 54. Geitel, Max, Die Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896. Die Vorläuferinnen der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, Teil III: Die Allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, in: Polytechnisches Centralblatt vom 27. April 1896, S. 167–170. Geppert, Alexander C. T., Ausstellungsmüde: Deutsche Großausstellungsprojekte und ihr Scheitern, 1880–1930, in: Wolkenkuckucksheim 5 (2000), Heft 1, ohne Paginierung. Geppert, Alexander C. T., Exponierte Identitäten? Imperiale Ausstellungen, ihre Besucher und die Frage der Wahrnehmung, 1876–1937, in: von Hirschhausen/Leonhard (Hrsg.), Nationalismen, S. 181–203. Geppert, Alexander C. T., Sites, Cities, Sights: Fin-de-Siècle Expositions and the Urban Fabric, in: Jahrbuch des Kulturwissenschaftlichen Instituts 2001/2002, S. 251–277.
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Anhang
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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V. Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
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Danksagung Spätestens seit Danksagungen in akademischen Qualifikationsschriften selbst Gegenstand der kulturwissenschaftlichen Forschung geworden sind, haben diese ihre Unschuld verloren. Wie ein Geschenk ist auch der Dank eine Gabe (oder eine Gegengabe) in Netzwerken aus Tauschbeziehungen. Die ihnen zugedachten Funktionen sind vielfältig, ihr Gebrauch ist daher immens verzwickt. Diesen Zusammenhängen entkommen zu wollen, ist vermutlich naiv, aber dennoch einen Versuch wert: „Danken“ ist laut etymologischem Wörterbuch eine Rückbildung zu „denken“ und heißt dem Sinn nach „in Gedanken halten“. In diesem Sinne ist mir unvergesslich, wie viel Unterstützung ich erfahren habe und wie wenig davon ich zurückgeben kann. Was zwischen den Buchdeckeln zu lesen ist, basiert auf einer Studie, die von der Philosophischen Fakultät der Universität in Münster im Wintersemester 2003/2004 als Habilitationsschrift angenommen wurde. Diese wurde zwar als Einzelarbeit eingereicht, wäre aber ohne die Hilfe, die Kritik und die Anregung vieler nicht zustande gekommen. Hans-Ulrich Thamer hat die Arbeit in mehrerer Hinsicht befördert: als akademischer Lehrer, als (Mit-)Diskutant und nicht zuletzt als Gutachter. Barbara Stollberg-Rilinger, Ruth Mohrmann, Jürgen Reulecke und Ulrich Pfister haben die Studie ebenfalls begutachtet. Ihre Hinweise waren für mich sehr wertvoll. Im Wesentlichen ist die Arbeit während meiner Zeit am Historischen Seminar in Münster entstanden. Die dortige Atmosphäre von Freiheit und ermunternder Herausforderung war mir ein wichtiger Ansporn. Aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen möchte ich insbesondere Frank Becker, Peter Hoeres, Armin Owzar und Rüdiger Schmidt nennen. Letzterem bin ich besonders verbunden, da er mich auch während der letzten Schritte zum Abschluss der Habilitation intensiv unterstützt hat. Von den vielen Möglichkeiten, meine Arbeit auch an anderer Stelle zu diskutieren, habe ich sehr profitiert. Besonders in Erinnerung sind mir zwei Runden, die – vermutlich von den Beteiligten völlig unbemerkt – wichtige Impulse und Ermunterungen in kritischen Phasen gegeben haben: das Kolloquium von Wilfried Loth und Ewald Frie in Essen sowie die Göttinger Tagung zur „Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte“ um Hartmut Berghoff und Jakob Vogel. Bis aus dem Manuskript ein Buch wurde, gab es zwei weitere Stationen, die dieses Vorhaben zeitweilig in den Hintergrund treten ließen: eine Vertretungsprofessur am Institut für Geschichte in Magdeburg und die Leitung der Abteilung Bildung und Forschung bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin. Aber selbst dort, wo thematisch das 19. Jahrhundert in weite Ferne gerückt war, gab es Anregungen und praktische Unterstützung. Dass das Buch trotz dieser „Ablenkungen“ fertig wurde, verdanke ich ebenfalls mehreren Helfern: Anselm Doering-Manteuffel hat zusammen mit
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Danksagung
Dietrich Beyrau und Lutz Raphael die Studie in seine Reihe aufgenommen. Als Herausgeber gab er nicht nur wertvolle Hinweise, sondern ermunterte auch produktiv. Cordula Hubert vom Oldenbourg Verlag hat das Lektorat übernommen und dabei dezent, aber kontinuierlich die nächsten Schritte angemahnt. Der Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort und die Junge Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften haben die Drucklegung finanziert. Meine Frau Christiane und unsere Kinder Simon, Tobias, David und Sarah waren einfach immer da. Deshalb ist ihnen das Buch gewidmet. Berlin, im September 2007
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Thomas Großbölting
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Register Personenregister Abraham, Johann 125 Albert, Johann 120, 207 f., 299 Albert, Prinz v. Sachsen-Coburg und Gotha 394 Baedeker, Fritz 155 Bagel, August 156, 158 Bardeleben, Moritz Freiherr von 158, 288, 298 Bastiat, Frédéric 308 Bebel, August 398 Becker, August 369, 389 Becker, Friedrich Wilhelm 158 Behrens, Christian 230 Behrens, Peter 374 Benjamin, Walter 42, 72, 192, 233 f., 250 Berlepsch, Hans Freiherr von 292 Beuth, Peter Christian Wilhelm 72, 99, 101 f., 369, 379 Billing, Hermann 272 Bismarck, Otto von 398 Bissing, Moritz von 428 Blanqui, Jérome Adolph 320 Bobertag, Georg 399 Boenigk, Otto von 144 Borsig, August 347 Bowring, John 91 Brennglas, Adolph 183, 190, 220, 427 Brewster, Gilbert 149 Bucher, Bruno 201 Bucher, Lothar 127, 188, 223, 253, 256, 341 Bueck, Henry Axel 155 Bunsen, Christian von 256 Busse, Christian Gottlieb 149 Carl, Heinrich Conrad 149 Chaptal, Jean Antoine Claude 88 Cole, Henry 369 Cook, Thomas 142 Cosack von Mülmann, Carl 151 Daelen, Rainer 154, 156 Dawans, Frédéric 156 Desberger, Franz Ednard 118 Deus, Familie 155 Dietze, Erich 155
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Dörffel, Paul 161 Dürer, Albrecht 389 Edison, Thomas Alva 352 Exner, Wilhelm Franz 223, 225, 227, 235, 260, 323, 369 Eyth, Max 163, 165 Felisch, Bernhard 161, 294 Flender, Alfred Friedrich 155 Flottwell, Heinrich Eduard von 289 Frenz, Alexander 380 Friedrich Wilhelm (Kronprinz) 160 Friedrich Wilhelm III. 257, 292 Gahlen, Hugo von 155 Gally, Joseph M. 148 Gensch, Wilhelm 433 Gert, Karl 357 Golberger, Max 397 Grimm, Hermann 68 Gropius, Walter 374 Haarmann, Anton 398 Hagemeister, Robert Eduard von 158 Hammer, Ludwig 152 Haniel, Franz 156, 158 Haniel, Ludwig 156, 158 Hartmann, Ernst 224 Henckel, Johann Gottfried 125 Herwarth von Bitterfeld 288 Heuss, Theodor 374 Heye, Ferdinand 156, 158 Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton Fürst von 153 Holbein, Hans 389 Hornbostel, Theodor Ritter von 113 Huber, Franz C. 142 Humboldt, Alexander von 260 Inden, Rudolf
156
Jäh, Walter C. 168 Jencke, Johann Friedrich
159
Karmarsch, Karl 79 f., 113, 116–118, 179–181, 199, 257, 343
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516 Kaselowsky, Richard 310 f. Kerr, Alfred 246, 281, 287 f. Klasing, Delius 155 Kleist-Retzow, Hans Hugo von 153 Koch, Alexander 235 Köhler, Albert 327 Krupp, Alfred 274 Krupp, Friedrich A. 159, 274, 314, 329 Kugler, Franz 68 Kühnemann, Fritz 160, 397 Kurtzel, August 119 Lafargue, Paul 314 Le Play, Frédéric 210, 320 Leichner, Ludwig 316 Lené, Peter Joseph 277 Leopold, Friedrich 288, 293 Lessing, Julius 162, 170, 420 Lewald, Thomas 163 Lietz, Hugo 155 Lindenberg, Paul 187 List, Friedrich 91, 94, 104 f., 147 Lueg, Heinrich 154–156, 158–160, 260, 270, 288, 381, 392 Lueg, Karl 156, 158 Lüning, Otto 295, 307 Mangoldt, Heinrich von 282 Marr, Carl 358 Marx, Karl 12, 234 Massenbach, Leo von 153 Möller, Willi 403 Mosse, Rudolf 328 Müller von Nittendorf, Adam 94 Müller, Heinz C. 272 Mulvany, William Thomas 156 Muthesius, Hermann 280, 374 Napoleon I., Bonaparte 130, 257 Napoleon III., Charles Louis N. Bonaparte 312, 324 Naumann, Friedrich 9, 184, 246 f., 273, 276, 320, 338, 374 Neufcháteau, Nicolas Louis Francois de 86, 88, 282 Neukrantz, Arnandeus Ferdinand 258, 340 f. Nordhoff, Joseph Bernhard 155 Pallenberg, Heinrich 372 Paquet, Alfons 31, 128, 136, 436 Paxton, Joseph 127, 254 f. Piedboeuf, Jaques 156, 158, 228, 344 f.
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Register Poelzig, Hans 374 Poensgen, Ernst 156, 158, 237, 434 Preußen, Friedrich Karl von 334 Preußen, Leopold von 290 Radke, Johannes 396 Rapsilber, Maximilian 406 Reichensperger, August 188, 256 Reiländer, Stefan 399 Reuleaux, Franz 107, 125, 263, 387, 391 Rheinbaben, Freiherr von 159, 314 Richter, Karl Thomas 322, 379 Riehl, Wilhelm Heinrich 305, 393 Roebner, Ernst 357, 360 Roebner, Fritz 289, 357, 382 Roscher, Wilhelm 119, 121, 148 Schieß, Ernst 156 Schimmelbusch, Franz 151 Schinkel, Karl Friedrich 68, 72, 277 f., 369, 379 Schmal, Adolf 344, 400 Schmitz, Bruno 201, 230, 265 Schnütgen, Johann Wilhelm Alexander 155 Schuckert, Sigmund 352 Schuhmacher, Fritz 3 74 f. Semper, Gottfried 210, 217, 366, 369 f., 376 Siemens, Werner von 291, 352, 354, 391 Simmel, Georg Friedrich 189, 193, 269 Simons, Hans 155 Skiff, Frederic J. V. 196 Sohn, Karl 357 Sombart, Werner 30, 245 f. Sonnemann, Leopold 290–292, 352 Stein, Johann Heinrich junior 155 Steinbeiß, Ferdinand 119, 128 Stobwasser, Erich 106 Stolberg, Joseph Theodor Graf von 151 Stüve, Johann Carl Bertram 111 Sütterlin, Ludwig 337 f. Tausch, Julius 151 Teichlein, Arthur 261 Thielen, Karl Hermann Peter von 428 Trinkaus, Christian Gottfried 141, 155 f., 158 Unger, August 230 Ungewitter, Hugo 194 Varnhagen von Ense, Karl August
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Ortsregister Velde, Henry van de 280, 374 Vogt, August 358, 361 Voit, August von 261 Voltaire 415 f. Waagen, Gustav 68 Waldner, Heinrich August 166 Weinling, Christian Albert 120, 147
Wendling, Gustav 194 Werner, Anton von 390 Westermann, Otto 11 Wied, Wilhelm Adolph Maximilian Carl von 288 Wilhelm I. 401 Wilhelm II. 272, 287, 291
Ortsregister Aachen
108, 344 f.
Barmen 130, 343 Berlin 27, 47 f., 55, 81, 83 f., 105–107, 124–126, 131 f., 138 f., 144, 148,160 f., 164, 169 f., 178–184, 185, 189, 193, 195 f., 200–203, 218 f., 223, 225, 229, 237–239, 243, 245, 248, 258 f., 263–270, 279–281, 285 f., 289, 295–299, 303,305–307, 312, 316 f., 319 f., 326–328, 330, 333, 337 f., 340 f., 355, 358, 360, 377 f., 384, 386 f., 390, 393, 395, 397–399, 401–404, 412, 414, 417, 420, 423, 432 Bielefeld 310 f. Bochum 158, 276, Braunschweig 202, 286 Bremen 133 Breslau 131, 133, 260 Brüssel 178, 195, 331, 397 Chemnitz 131 Chicago 195, 213, 262, 280, 327, 331, 396 Detmold 11, 43, 48, 135 f., 202, 277 Dresden 108, 131 f., 241, 362 Dublin 260 Dülken 158 Duisburg 48, 130, 158 Düsseldorf 10, 47 f., 54 f., 63, 90, 108, 130–132, 137–141, 150–152, 154–156, 158–161, 170, 179, 180, 185, 194 f., 199, 201, 203, 212 f., 222, 224 f., 228, 230 f., 236 f., 240–243, 245, 250, 257, 259, 263 f., 270–272, 274–276, 286, 293, 295, 297–299, 310, 328, 330–336, 342–345, 347, 349 f., 356 f., 360, 362, 371, 377–379, 381 f., 387, 389 f., 392, 396, 400, 404, 410, 415, 431, 435 Elberfeld
130
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Erfurt 133, 138 Essen 48, 130, 160, 201, 329 Frankfurt 12, 94, 112, 138, 209, 290–292, 131 f., 345, 348 f., 351–355, 363, 401, 410, 434 Gerresheim Hagen
330
158
Hannover 23, 47, 108, 113, 116, 128, 132, 137, 178 f., 197, 225 f., 259, 325, 333, 348, 371, 373, 385, 387 Hamburg 46, 93, 100, 102, 378 Herford 48 Höchst 353 Hoerde 362 Hückeswagen 158 Kairo 195, 248, 317, 384, 402 f., 407 f., 413 Karlsruhe 102, 179 Kassel 131 Kaub 275 Kiel 357 f., 402 Koblenz 232, 391 Köln 125, 155, 160, 201, 299, 306, 372, 385, 389, 415 Königsberg 131 Krems 260 Lauffen 352, 354 Leipzig 94, 104, 128, 133, 183, 191 f., 259, 347,370 f., 378, 386, 393 f., 434 London 12, 24–26, 30, 63, 65, 70, 74, 84, 90, 93, 127, 137, 152, 169, 178, 182, 193, 203, 207 f., 217, 223, 254, 256, 260–262, 278, 303, 312, 341, 368 f., 387, 394, 404, 415 Lübeck 93
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518 Lyon
Register 326, 394
Mainz 47, 120 f., 124–126, 169, 178, 202, 257 f., 299, 412, 420 Mühlhausen 336 München 12, 47, 93, 102 f., 108, 113, 118, 126 f., 131 f., 142, 146, 169, 181, 183, 201 f., 204, 220, 224, 251, 259–262, 264, 282, 286, 289, 297, 299, 343, 349, 367, 386, 389, 412, 420, 432, 433 Neapel 194 Neufchateau 282 New York 222, 260, 351 Nürnberg 131, 133, 137, 223, 267, 358, 378, 393, 402 Osnabrück
Paris 9, 30, 67, 88, 104, 106, 127, 142,147, 163, 180, 193, 213, 225, 244, 270, 276, 312, 322 f., 331, 349, 387, 391, 396 f., 402, 404, 424, 431, 433, 435 Philadelphia 107, 139, 213, 244, 387 Remscheid 130 Rom 13, 194 Saint Louis 244, 331, 396 f. Solingen 130 Stuttgart 110, 131 f., 179, 402, 404 Turin
146
Wien
110, 138, 142, 180, 349, 389, 396
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Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit Herausgegeben von Dietrich Beyrau, Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael
Die Reihe Ordnungssysteme nimmt Impulse auf, die sich seit zwei Jahrzehnten aus der Revision politik- und sozialgeschichtlicher Forschungsansätze entwickelt haben. Als Forum einer methodisch erneuerten Ideengeschichte wird sie der Wirksamkeit politisch-kultureller Traditionen Europas seit dem Zeitalter der Aufklärung Rechnung tragen. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dem konkreten Wechselspiel ideeller, politischer und sozialer Prozesse.
Die Reihe Ordnungssysteme hat insbesondere das Ziel: – vergleichende Studien zu den nationalen Eigenarten und unterschiedlichen Traditionen in der europäischen Ideengeschichte zu fördern, – gemeineuropäische Dimensionen seit der Aufklärung zu untersuchen, – den Weg von neuen Ideen zu ihrer breitenwirksamen Durchsetzung zu erforschen.
Die Reihe Ordnungssysteme verfolgt einige Themen mit besonderem Interesse: – den Ideenverkehr zwischen Europa und Nordamerika, – die Beziehungen zwischen politischen und religiösen Weltbildern, – die Umformung der politischen Leitideen von Liberalismus, Nationalismus und Sozialismus im 20. Jahrhundert – die Herausbildung traditionsstiftender, regionenbezogener Gegensatzpaare in der europäischen Ideenwelt, wie zum Beispiel den Ost-West-Gegensatz.
Die Reihe Ordnungssysteme bemüht sich um eine methodische Erneuerung der Ideengeschichte: – Sie verknüpft die Analyse von Werken und Ideen mit ihren sozialen, kulturellen und politischen Kontexten. – Sie untersucht die Bedeutung von Wissenssystemen in der Entwicklung der europäischen Gesellschaften. – Sie ersetzt die traditionelle Ideengeschichte der großen Werke und großen Autoren durch eine Ideengeschichte, die Soziabilität und Kommunikation als tragende Gestaltungskräfte kultureller Produktion besonders beachtet. – Sie bezieht Institutionen und Medien der Kulturproduktion systematisch in die Untersuchung ein.
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Band 1: Michael Hochgeschwender Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen 1998. 677 S. ISBN 3-486-56341-6 Band 2: Thomas Sauer Westorientierung im deutschen Protestantismus? Vorstellungen und Tätigkeit des Kronberger Kreises 1999. VII, 326 S. ISBN 3-486-56342-4 Band 3: Gudrun Kruip Das „Welt“-„Bild“ des Axel Springer Verlags Journalismus zwischen westlichen Werten und deutschen Denktraditionen 1999. 311 S. ISBN 3-486-56343-2 Band 4: Axel Schildt Zwischen Abendland und Amerika Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre 1999. VIII, 242 S. ISBN 3-486-56344-0 Band 5: Rainer Lindner Historiker und Herrschaft Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrußland im 19. und 20. Jahrhundert 1999. 536 S. ISBN 3-486-56455-2 Band 6: Jin-Sung Chun Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit Die westdeutsche „Strukturgeschichte“ im Spannungsfeld von Modernitätskritik und wissenschaftlicher Innovation 1948–1962 2000. 277 S. ISBN 3-486-56484-6 Band 7: Frank Becker Bilder von Krieg und Nation Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864–1913 2001. 601 S. und 32 S. Bildteil ISBN 3-486-56545-1
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Band 8: Martin Sabrow Das Diktat des Konsenses Geschichtswissenschaft in der DDR 1949–1969 2001. 488 S. ISBN 3-486-56559-1 Band 9: Thomas Etzemüller Sozialgeschichte als politische Geschichte Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 2001. VIII, 445 S. ISBN 3-486-56581-8 Band 10: Martina Winkler Karel Kramář (1860–1937) Selbstbild, Fremdwahrnehmungen und Modernisierungsverständnis eines tschechischen Politikers 2002. 414 S. ISBN 3-486-56620-2 Band 11: Susanne Schattenberg Stalins Ingenieure Lebenswelten zwischen Technik und Terror in den 1930er Jahren 2002. 457 S. ISBN 3-486-56678-4 Band 12: Torsten Rüting Pavlov und der Neue Mensch Diskurse über Disziplinierung in Sowjetrussland 2002. 337 S. ISBN 3-486-56679-2 Band 13: Julia Angster Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie Die Westernisierung von SPD und DGB 2003. 538 S. ISBN 3-486-56676-8 Band 14: Christoph Weischer Das Unternehmen ‚Empirische Sozialforschung‘ Strukturen, Praktiken und Leitbilder der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland 2004. X, 508 S. ISBN 3-486-56814-0
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Band 15: Frieder Günther Denken vom Staat her Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970 2004. 364 S. ISBN 3-486-56818-3 Band 16: Ewald Grothe Zwischen Geschichte und Recht Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970 2005. 486 S. ISBN 3-486-57784-0 Band 17: Anuschka Albertz Exemplarisches Heldentum Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart 2006. 424 S., 46 Abb. ISBN 3-486-57985-1 Band 18: Volker Depkat Lebenswenden und Zeitenwenden Deutsche Politiker und die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts 2006. 573 S. ISBN 3-486-57970-3 Band 19: Lorenz Erren Selbstkritik und Schuldbekenntnis Kommunikation und Herrschaft unter Stalin (1917–1953) 2007. 427 S. ISBN 978-3-486-57971-1 Band 20: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.) Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte 2006. 536 S. ISBN 3-486-57786-7 Band 21: Thomas Großbölting „Im Reich der Arbeit“ Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in den deutschen Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790-1914 2007. 518 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-486-58128-7
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Band 22: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.) Ordnungen in der Krise Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900–1933 2007. 566 S. ISBN 978-3-486-58177-5 Band 23: Marcus M. Payk Der Geist der Demokratie Intellektuelle Orientierungsversuche im Feuilleton der frühen Bundesrepublik: Karl Korn und Peter de Mendelssohn 2008. 415 S. ISBN 978-3-486-58580-3 Band 24: Rüdiger Graf Die Zukunft der Weimarer Republik Krisen und Zukunftsaneignungen in Deutschland 1918–1933 2008. Ca. 480 S. ISBN 978-3-486-58583-4 Band 25: Jörn Leonhard Bellizismus und Nation Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750–1914 2008. Ca. 960 S. ISBN 978-3-486-58516-2 Band 26: Ruth Rosenberger Experten für Humankapital Die Entdeckung der Personalführung in Wissenschaft und Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland 2008. Ca. 464 S. ISBN 978-3-486-58620-6
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