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German Pages 411 [412] Year 2007
Klara Vanek Ars corrigendi in der frühen Neuzeit
Historia Hermeneutica Series Studia Herausgegeben von
Lutz Danneberg
Wissenschaftlicher Beirat
Christoph Bultmann · Fernando Domı´nguez Reboiras Anthony Grafton · Wilhelm Kühlmann · Ian Maclean Reimund Sdzuj · Jan Schröder · Johann Anselm Steiger Theo Verbeek
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Walter de Gruyter · Berlin · New York
Klara Vanek
Ars corrigendi in der frühen Neuzeit Studien zur Geschichte der Textkritik
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Walter de Gruyter · Berlin · New York
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앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISSN 1861-5678 ISBN 978-3-11-019234-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
쑔 Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Inhaltsverzeichnis Übersicht Einleitung .............................................................................................................................1 Kapitel 1: Die Quellen im Kontext......................................................................15 1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557 ........................................................................16 1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571 .................................................52 1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597.....................................................................63 1.4 Die Abhandlungen als Quellen der textkritischen Theorie........................................94
Kapitel 2: Textkritik und Philologie ....................................................................99 2.1 Textkritik als Textverbesserung ...................................................................................101 2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit ........................................118 2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen .................................137
Kapitel 3: Die Personen in den Methodenlehren ......................................155 3.1 Correctores, emendatores und critici.....................................................................................156 3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten................................................163 3.3 Der tüchtige corrector.......................................................................................................179
Kapitel 4: Die Texte ...................................................................................................197 4.1 Antike Literatur..............................................................................................................198 4.2 Gegenstand der Verbesserung .....................................................................................211 4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften.................................................225
Kapitel 5: Methoden der Textkritik ...................................................................249 5.1 Beschreibung von Fehlern............................................................................................250 5.2 Erklärung von Fehlern ..................................................................................................270 5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung .............................................287
Abschließende Betrachtungen ..............................................................................311
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Inhaltsverzeichnis
Ausführliches Inhaltsverzeichnis Einleitung .............................................................................................................................1 „Text“, „Kritik“ und „Philologie“ ..................................................................................3 Geschichte der Philologie und Textkritik in der Forschung .......................................6 Die Quellen ........................................................................................................................8 Zielsetzungen, Vorgehen und Aufbau des Buches.....................................................10 Formalia ..........................................................................................................................13 Danksagung......................................................................................................................14
Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur: Die textkritischen Quellen im Kontext .............................................................15 1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557 ........................................................................16 1.1.1 Francesco Robortello (1516–1567) zwischen Florentiner und Paduaner Gelehrsamkeit.........................................................................................................16 1.1.2 Die Ars corrigendi und Robortellos humanistische Philologie...........................24 1.1.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta ................................................................30 1.1.4 Robortellos Kontroversen und die Ars corrigendi als Polemiktraktat...............34 1.1.4.1 Die Auseinandersetzung mit Carlo Sigonio ..........................................34 1.1.4.2 Das Gerangel um die Ps.Longin-Ausgabe ............................................40 1.1.4.3 Robortellos argumentative Strategien in der Ars corrigendi ..................44 1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571 .................................................52 1.2.1 Der Privatgelehrte und Gräzist Willem Canter (1542–1575)...........................52 1.2.2 Die Ratio emendandi zwischen Rhetores-Editorik und notae-Sammlungen .........55 1.2.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta ................................................................58 1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597.....................................................................63 1.3.1 Kaspar Schoppe (1576–1649): Student unter Einfluss des mos Gallicus .........63 1.3.2 Die Ars critica im Zusammenhang von Schoppes frühen philologischen Arbeiten...................................................................................................................71 1.3.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta ................................................................76 1.3.4 Die testimonia: Schoppes Anbindung an die philologische Tradition ..............82 1.3.4.1 Die Autoren der testimonia........................................................................83 1.3.4.2 Textkritik in philologischer Fachliteratur ..............................................87 1.4 Abhandlungen zur Textverbesserung als Quellen der textkritischen Theorie ........94
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VII
Kapitel 2: Grammatica, critica und die Ars corrigendi: Textkritik und Philologie ...........................................................................................99 2.1 Textkritik als Textverbesserung ...................................................................................101 2.1.1 Thema der Abhandlungen: correctio / emendatio.................................................101 2.1.2 Ars: Kunstfertigkeit und Methodenlehre..........................................................106 2.1.3 Metaphern und bildliche Ausdrücke für Textkritik.........................................110 2.1.4 Die Artes corrigendi als Verbesserungslehren .....................................................116 2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit ........................................118 2.2.1 Schoppes Rückbindung an römische Philologiekonzepte .............................118 2.2.2 Die hellenistische grammatica-Tradition .............................................................123 2.2.3 Die critica und enzyklopädische Bildungsgedanken .........................................130 2.2.4 Textkritik, grammatische Gelehrsamkeit und Philologie ...............................135 2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen .................................137 2.3.1 Adversaria, annotationes und variae lectiones ...........................................................137 2.3.2 Philologie zwischen Profilierung und Professionalisierung ...........................142 2.3.2.1 Vermischte notae-Sammlungen..............................................................143 2.3.2.2 Notae-Sammlungen zu einzelnen Texten.............................................145 2.3.3 Artes corrigendi und die notae-Sammlungen.........................................................147 2.3.4 Notae-Sammlungen als philologische Fachliteratur .........................................152
Kapitel 3: Correctores und corruptores: Personen in den textkritischen Methodenlehren .......................................155 3.1 Correctores, emendatores und critici.....................................................................................156 3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten................................................163 3.2.1 Die unzulänglichen librarii...................................................................................163 3.2.2 Anklage der eigenen Zunft: Der imperitus, audax iuvenis und aegrotus .............166 3.2.3 Exkurs: Robortellos Polemik gegen einzelne corruptores..................................172 3.2.4 Der corruptor als zeitgenössisches Motiv............................................................177 3.3 Der tüchtige corrector.......................................................................................................179 3.3.1 Ingenium: Angeborene Anlagen und Begabung.................................................179 3.3.2 Eruditio: Bildung und Gelehrsamkeit.................................................................182 3.3.3 Virtus: Richtiges Verhalten und gelehrte Tugenden........................................189 3.3.4 Über Kompetenzen und Textgüte.....................................................................193
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Kapitel 4: Scriptores, libri manuscripti und lectiones: Texte als Gegenstand von Textverbesserung ..............................................197 4.1 Antike Literatur..............................................................................................................198 4.1.1 Zitierte Korpora...................................................................................................198 4.1.2 Umgangsweisen mit antiker Literatur und ihre Funktionen ..........................206 4.2 Gegenstand der Verbesserung .....................................................................................211 4.2.1 Antike Schriftsteller .............................................................................................211 4.2.2 Bücher und Handschriften .................................................................................213 4.2.3 Textstellen .............................................................................................................217 4.2.4 Sprachliche Elemente ..........................................................................................220 4.2.5 Über das frühneuzeitliche Textverständnis......................................................222 4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften.................................................225 4.3.1 Über Handschriften, Ausgaben und Drucke ...................................................225 4.3.2 Robortellos Exkurs über das Schreibmaterial..................................................229 4.3.3 Paläographisches Wissen ....................................................................................232 4.3.4 Kodikologische Kenntnisse................................................................................236 4.3.5 Über Sigel und Konventionen der Handschriftenbeschreibung ...................244
Kapitel 5: Loci corrupti, ihre Ursachen und die emendatio: Methoden der Textkritik ..........................................................................................249 5.1 Beschreibung von Fehlern............................................................................................250 5.1.1 Die Typologien von Robortello, Canter und Schoppe...................................251 5.1.2 Die Tradition von Fehlertypologien..................................................................256 5.1.2.1 Die barbarismi in der ars grammatica........................................................256 5.1.2.2 Fehlermodi in Patristik und älterer Bibelkritik ...................................260 5.1.2.3 Rhetorische Figur in der frühen Neuzeit.............................................262 5.1.3 Der Vergleich der Fehlerklassifizierungen .......................................................264 5.1.4 Typologien und Methode ...................................................................................267 5.2 Erklärung von Fehlern ..................................................................................................270 5.2.1 Die compendiosa scribendi ratio ................................................................................271 5.2.2 Das Prinzip der similitudo.....................................................................................275 5.2.3 Glossen..................................................................................................................280 5.2.4 Inkompetenz.........................................................................................................282 5.2.5 Fehlererklärung durch Kenntnis der Ursachen ...............................................285
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IX
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung .............................................287 5.3.1 Textkritik in Mittelalter und früher Neuzeit.....................................................287 5.3.2 Emendatio ope codicum.............................................................................................290 5.3.3 Emendatio ope coniecturae.........................................................................................293 5.3.4 Die Rechtfertigung von Textverbesserung.......................................................297 5.3.4.1 Die fides: Kompetente correctores und verlässliche Handschriften .....298 5.3.4.2 Sprachgebrauch und Sinnkohärenz......................................................301 5.3.5 Möglichkeiten und Grenzen von Textkritik.....................................................307
Abschließende Betrachtungen ..............................................................................311 Buchdruck, Universitäten und die Philologie des 16. Jahrhunderts .......................311 Frühneuzeitliche Textverbesserung: Eine Rekonstruktion .....................................314 Die Ars corrigendi-Literatur als Methodik der Philologie...........................................320 Über die Erfindung der Textkritik im 16. Jahrhundert ..............................................324
Anhang ...............................................................................................................................329 Abbildungsverzeichnis..................................................................................................329 Abkürzungsverzeichnis.................................................................................................331 Konkordanzen ...............................................................................................................333
Bibliographie ...................................................................................................................337 1. Quellen ..............................................................................................................................337 1.1 Frühneuzeitliche Textausgaben und Übersetzungen .........................................337 1.2 Andere Quellen .......................................................................................................345 2. Literatur ab 1851 ..............................................................................................................368 2.1 Editionen und Übersetzungen ..............................................................................368 2.2 Forschungsliteratur .................................................................................................370
Index....................................................................................................................................397 Antike..............................................................................................................................397 Mittelalter und frühe Neuzeit ......................................................................................399
Einleitung Die Geschichte der Philologie ist unterschiedlich gut erforscht: Über das 19. Jahrhundert weiß man recht viel, damals bildeten sich die deutsche Modelluniversität und ihre zentralen Disziplinen Altertumswissenschaft, Geschichte und Germanistik heraus. Frühere Epochen aber – etwa das 17. Jahrhundert – sind weit weniger erschlossen. Auch die Philologie während des Renaissancehumanismus gerät seltener in den Blick der modernen Historiographie. Dass die frühneuzeitliche Philologie so wenig untersucht ist, steht im Widerspruch zu ihrer häufig und formelhaft beschworenen Bedeutung für die antike Literatur und die Entwicklung der modernen Wissenschaften: Sie sei es gewesen, die die antiken Wissensbestände in die moderne Welt hinüberrettete und die antiken Schriften der Gelehrtenwelt zur Verfügung stellte. Erst das habe es ermöglicht, die Texte wieder zu entdecken, kritisch zu lesen, mit der Empirie abzugleichen und so viele Anstöße für neue Ideen und wissenschaftliche Forschungen zu geben. Dieses Buch nähert sich der Philologie in der frühen Neuzeit aus der Perspektive der Methodengeschichte. Thema ist die Textkritik, die aus Quellen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts rekonstruiert wird. Damit kommt eine Zeit in den Blick, in der man sich intensiv mit der überlieferten antiken Literatur beschäftigte. Um diese Textbestände angemessen zu erfassen, verfeinerten die Gelehrten die Techniken der Textedition und erweiterten ihre diesbezüglichen Kenntnisse erheblich. Die frühneuzeitliche Reflexion der Textverbesserung ist Teil einer Textphilologie, die sich zur intensiven Erforschung einer vielfältigen und allzu oft korrupten Überlieferung herausbildete. Im Zuge der Antikebegeisterung des 15. Jahrhunderts schafften gewiefte Händler im Auftrag etwa der Medici-Fürsten viele Handschriften aus Griechenland nach Italien, und auch in den heimischen Klöstern begab man sich auf die Suche nach verborgenen Schätzen. Das Korpus bekannter Texte erweiterte sich. Wie während anderer „Renaissancen“ auch ging das Interesse an früheren Zeiten mit verstärkten philologischen Aktivitäten einher, die den Zugriff auf die Überreste dieser Epochen sicher-
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Einleitung
stellen sollten.1 Oftmals überschnitten sich diese Blütezeiten mit anderen, etwa buchgeschichtlichen Entwicklungen, mit Veränderungen und Innovationen im Buchmaterial (Papyrus in Pergament), in der Buchform (Umschrift von Rolle auf Kodex) oder in der Schrift (Umstellung von Majuskel auf Minuskel). Die Bildungsbewegung des Renaissancehumanismus im 15. Jahrhundert verbindet sich mit zwei Ereignissen der Buchgeschichte: mit der Erfindung der Vervielfältigungstechnik (Buchdruck) und mit der Einführung billigeren Materials (Papier) nach Europa. Die veränderten Bedingungen verbesserten die Zugänglichkeit der antiken Schriften erheblich. Die Buchproduktion verlagerte sich aus den Klöstern in weltliche Skriptorien und es kam zu einer umfassenden Abschreibetätigkeit im 14. und 15. Jahrhundert: Die meisten der heute überlieferten Kodizes sind humanistische Manuskripte aus dieser Zeit. Diese Entwicklung wurde im 15. und 16. Jahrhundert fortgeführt vom Buchdruck im Prozess der Herstellung der editiones principes und der ersten verbesserten gedruckten Ausgaben. Sie blieben oftmals über Jahrhunderte die Standardausgaben, kommen im Gegensatz zur Textüberlieferung in der Manuskriptkultur aber erst allmählich in den Blick der Textforschung. Deswegen ist es teilweise schwierig, die Geschichte einzelner Texte und ihrer Ausgaben in der frühen Neuzeit zu rekonstruieren, die oftmals die einzigen Zeugen von wieder gefundenen, dann aber auch wieder verlorenen Handschriften und ihren Lesarten sind.2 Von entsprechend großer Bedeutung sind viele editiones principes als Zeugnisse der frühen Philologie.3 Die Qualität dieser ersten Druckausgaben wird damals wie heute unterschiedlich eingeschätzt. So wie manch ein Frühneuzeitforscher die Verdienste der humanistischen Gelehrten angesichts massiver Handschriftenverluste und -verderbnisse –––––––––––––– 1 2
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Man denke etwa an die karolingische oder makedonische Renaissance. Vgl.: W. Treadgold: Renaissances before the Renaissance, 1984; P. Schreiner: Art. „Renaissance in Byzanz“, LMA 7, 1995, Sp. 717f.; F. Brunhölzl: Art. „Renaissance, Karolingische“, ebenda, Sp. 718ff. Standardwerke zur frühneuzeitlichen Druckgeschichte gibt es für die lateinische Literatur (F. L. A. Schweiger: Bibliographisches Lexicon der Römer, 1834) und für die griechische Literatur (S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1–3, 1838, 1839, 1845). Die Druckgeschichte einzelner Autoren berücksichtigen oftmals die Artikel in der Reihe des CTC (P. O. Kristeller u. a.: Catalogus translationum et commentariorum, 1960–2003). Ansonsten bleibt man für die frühneuzeitliche Druckgeschichte auf Einzeluntersuchungen und auf Berichte in späteren Ausgaben angewiesen. Einschlägig für die mittelalterliche Text- und Überlieferungsgeschichte sind darüber hinaus etwa K. Büchner: Überlieferungsgeschichte der lat. Literatur, 1961; H. Erbse: Überlieferungsgeschichte der griech. klassischen und hellenistischen Literatur, 1961; H. Rüdiger: Antike Literatur in der Renaissance, 1961; L. D. Reynolds: Texts and transmission, 1983; C. Gastgeber: Überlieferung der griech. Literatur im MA, 2003; P. Klopsch: Überlieferung der lat. Literatur im MA, 2003. Eine Sammlung der Vorworte aus den editiones principes ist B. Botfield: Praefationes et epistolae editionum principum, 1861. Georg Helmann legte kürzlich eine Untersuchung der Philologie vor, die sich unter anderem auf die Analyse dieser Vorworte aus dem 15. Jahrhundert stützt (Antike Literatur und Textkritik, 2003).
Einleitung
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anzweifelt,4 fehlte es auch in der frühen Neuzeit nicht an kritischen Stimmen: Der humanistisch gebildete Niccolò Perotti (1429/30–1480) etwa warnte davor, dass Ausgaben entstünden, die verderbte Texte mit einer großen Zahl an Fehlern in hohen Stückzahlen reproduzierten und über die europäischen Bibliotheken verbreiteten.5 In diesen Studien wird es nicht darum gehen, in diesem Streit einen Richterspruch zu fällen oder gar den Grad des Fortschritts der Philologie im Vergleich mit früheren oder späteren Epochen zu beurteilen. Vielmehr soll mit einem genauen Blick in die Quellen gezeigt werden, was konkret in dieser Zeit für die Philologie methodisch geleistet worden ist. Den frühneuzeitlichen Gelehrten zeichnete nämlich wesentlich – und zwar unabhängig von seiner jeweiligen Fachgelehrsamkeit – sein Umgang mit antiken Texten aus. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit den Methoden der gelehrten Praxis der Philologie und der Reflexion ihrer Normen und Ziele. Durch textnahe Analyse und eingehende historische Kontextualisierung der Quellen möchten wir weiterreichende Aufschlüsse über das Funktionieren und Selbstverständnis von frühneuzeitlicher Philologie erhalten, insbesondere über die verhandelten Methoden und Wissensbestände innerhalb der Reflexion textkritischer Verfahren. Ziel ist eine Bestandsaufnahme des philologischen Denkens und der Entwurf eines differenzierten Bildes der behandelten Themen im Zusammenhang mit Textverbesserung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. „Text“, „Kritik“ und „Philologie“ Zentral in diesen Studien sind Textkritik und Philologie, beides Ausdrükke, denen eine gewisse Unbestimmtheit anhaftet und deshalb im Vorfeld kurz definiert werden sollen. Im Zusammenhang mit Textarbeit ist ja gern von „Kritik“ die Rede. So wird etwa Lorenzo Vallas Traktat über die Konstantinische Schenkung als Manifest der frühneuzeitlichen Kritik angesehen, in dem Valla auf Fragen der Echtheit und der historischen Umstände eingeht, die Textkorrektheit aber nicht diskutiert.6 Für unsere Belange ist der Begriff „Kritik“ zu vage. Die Ars corrigendi-Literatur des 16. Jahrhunderts ist eine Lehre von der Verbesserung von Texten, die im –––––––––––––– 4
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So bemerkt etwa Edward John Kenney, dass „the Italian humanists of the fourteenth and fifteenth centuries may well have inflicted more damage on classical texts by their efforts at correction than they removed. Be that as it may, what is beyond dispute is that their activities were unsystematic and, since they could not, or at all events did not, control their sources, essentially anti-philological.“ (Classical text, 1974, S. 3). In seiner Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470 (ed. J. Monfasani 1988). Auch Herbert Jaumann titelt seine verdienstvolle Untersuchung über die Geschichte der Literaturkritik Critica (1995) und geht an manchen Stellen auf die Textkritik ein.
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Einleitung
Deutschen wohl am ehesten mit Verbesserungslehre oder Textkritik zu erfassen ist. Der Begriff „Text“ selbst wird erst im 20. Jahrhundert in der Editionsphilologie und der Linguistik terminologisch diskutiert.7 Wie Untersuchungen über die Begriffsgeschichte von „Text“ zeigen, findet er sich als Terminus weder in der Grammatik noch in der Rhetorik.8 „Text“ besitzt auch keine Entsprechung im Begriffsapparat der frühen Neuzeit. Die vielen unterschiedlichen Textbegriffe bewusst vernachlässigend, die sich vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet haben, wird „Text“ in den vorliegenden Studien in einer editionsphilologischen Bedeutung benutzt, die sich an das Alltagsverständnis anschließt. Im Folgenden werden mit „Text“ sprachliche Gebilde in schriftlicher Form bezeichnet, die in ihrem Umfang über Sätze hinausgehen, dabei eine sinnhafte Einheit bilden und im Zusammenhang mit materialen Überlieferungsträgern wie Handschriften oder gedruckten Büchern stehen. Diese Minimalbestimmung von „Text“ sagt nichts darüber aus, wie authentisch gemessen an Autorintention oder Autograph ein vorliegender Text ist. Im Unterschied zu „Text“ hebt der Begriff „Literatur“ auf die Bedeutung von „Werk eines Autors“ und auf inhaltliche Aspekte ab. Die eigentliche Wortbedeutung von „Kritik“ führt auf das Adjektiv criticus zurück. Es leitet sich von kritikÒj ab, und das wiederum über krit»j (Beurteiler, Richter) von kr…nein, was „unterscheiden“, „auswählen“, „erklären“ bedeutet und von dem das lateinische cernere abstammt. KritikÒj und criticus selbst sind Termini aus dem Umfeld der antiken Philologie und tragen die Bedeutung von „zum Beurteilen gehörig und fähig“.9 Ein entsprechendes Nomen findet sich nur im Griechischen als kr…sij und bedeutet so viel wie „Entscheidung“, „Beurteilung“. Ausgehend von kr…sij bzw. Kritik in der Grundbedeutung von „Beurteilung“ lassen sich philologische Praktiken danach unterscheiden, welchen Gegenstand sie in den Blick nehmen, also etwa, ob die textuelle Verfasstheit – der Wortlaut – des Textes beurteilt wird oder sein Inhalt. Textkritik kann als Verfahren definiert werden, das den Wortlaut eines Textes behandelt. Dahingegen beschäftigt sich die Literaturkritik mit der Bewertung der literarischen Leistung eines Schriftstellers. Sie ist auf die Inhalte der Texte ausgerichtet und damit von der Textkritik distinkt. Enger verbunden ist die Textkritik mit der Interpretation, der Echtheits- und der historischen Kritik. Alle drei Tätigkeiten zielen auf den Inhalt der Texte, –––––––––––––– 7 8 9
Einleitend vgl. etwa: G. Martens: Art. „Text“, RL 4, 1984, S. 403–417; C. Knobloch: Textbegriff, 1990; M. Scherner: Begriffsgeschichte von ‚Text‘, 1996; M. Scherner: Art. „Text“, HWP 10, 1998, Sp. 1038–1044. M. Scherner: Begriffsgeschichte von ‚Text‘, 1996, S. 109. Außerdem findet sich die medizinische Bedeutung dies criticus als Tag, an dem sich eine Krankheit entscheidend ändert. Vgl. Art. „criticus“, TLL 4, 1909, Sp. 1211f., hier: Sp. 1211.
Einleitung
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textkritische Erkenntnisse eröffnen zuweilen neue interpretatorische Möglichkeiten, erhärten Thesen über ein Plagiat oder beeinflussen Datierungsfragen. Umgekehrt können Textverständnis, Kenntnisse über den Autor und den historischen Kontext wesentliche Voraussetzungen für das Gelingen von textuellen Verbesserungen sein. Die Begriffe der philologia oder des philologus wurden in der frühen Neuzeit nur spärlich verwendet.10 So findet dieses Wort keinen Eingang in den Index des von Silvia Rizzo (1973) zusammengestellten Wortschatzes der Philologie zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Auch wurde Philologie lange Zeit mit der Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts verbunden.11 Trotzdem scheint es aus heutiger Sicht – auch oder vielleicht gerade vor dem Hintergrund des Verlustes des einstigen Status der Philologie als Leitwissenschaft und Bildungsideal – vertretbar, die Textarbeit der frühneuzeitlichen Gelehrten allgemein als „Philologie“ zu bezeichnen. Mit „Philologie“ lassen sich bestimmte gelehrte Tätigkeiten erfassen. Ich schließe mich hier dem Münchner Frühneuzeitforscher Florian Neumann an, der in einem Aufsatz über Paganino Gaudenzio und Kaspar Schoppe das Unternehmen folgendermaßen bestimmte: Wenn von den beiden Gelehrten im Folgenden dennoch als „Philologen“ im Sinne einer Sammelbezeichnung von „Sprachforscher, Sprachkenner, Schriftkundiger“ die Rede sein wird, dann hat das praktische Gründe: Es soll um die Tätigkeiten der beiden Gelehrten auf dem Gebiet gehen, das wir heute mit „Philologie“ benennen, genauer: um ihre Auseinandersetzung mit Fragen der Wort- und Sprachgeschichte vornehmlich des lateinischen Idioms und ihre Beschäftigung mit Texten (v. a. römischer) Autoren.12
Für die Belange der vorliegenden Untersuchung wird diese Verwendungsweise nur um die Kenntnis und das Studium der griechischen Sprache und Literatur erweitert. Mit „Philologie“ ist die Beschäftigung des frühneuzeitlichen Gelehrten mit antiken Texten gemeint und seine gelehrten Praktiken wie Sprachgeschichte, Grammatik oder Lexikographie einschließlich Interpretation, Literatur- und Textkritik. Ausdrücklich geht es mit der Verwendung dieses Begriffs nicht darum, irgendeine Art von disziplinärer Verfasstheit dieser Betätigung zu suggerieren. –––––––––––––– 10 11
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Etwa E. Keßler: Petrarcas Philologie, 1975, S. 97f.; F. Neumann: Zwei furiose Philologen: Gaudenzio und Schoppe, 2001, S. 178. Darauf nimmt beispielsweise eine ältere Darstellung der antiken Wortgeschichte von filÒlogoj, filolog…a, filologe‹n in der Einleitung Bezug: „Geflissentlich haben wir darauf verzichtet Rücksicht zu nehmen auf die modernen Terme Philolog, Philologie, philologisch, welche vor allem seit Fr. Aug. Wolf aufgekommen sind. Unserer Meinung nach sind sie zu sehr mit neueren wissenschaftstheoretischen Auffassungen verbunden um auf homogene Weise in eine Untersuchung, wie wir sie uns vorgestellt haben, aufgenommen zu werden.“ (G. R. F. M. Nuchelmans: Studien über filÒlogoj, filolog…a und filologe‹n, 1950, S. 2, Hervorhebungen bei Nuchelmans). F. Neumann: Gaudenzio und Schoppe, 2001, S. 178.
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Einleitung
Geschichte der Philologie und Textkritik in der Forschung Die Reflexion von gelehrten und wissenschaftlichen Praktiken wird in der Regel sowohl von den Vertretern des Faches selbst übernommen als auch von Vertretern der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie und -historiographie. Die Philologie konnte allerdings selten externe Betrachter so weit interessieren, dass sie sich der Theorie des Faches und seiner Geschichte eingehender gewidmet hätten. Deshalb blieb es den Philologen selbst überlassen, sich Gedanken über ihre Methoden zu machen und die eigene Geschichte zu erforschen. Allgemeine Darstellungen der Philologiegeschichte der frühen Neuzeit gibt es nur wenige. Dafür muss man auf ältere Arbeiten zurückgreifen, in erster Linie auf John Edwin Sandys dreibändiges Standardwerk A history of classical scholarship, und zwar den zweiten Band zum Zeitraum From the revival of learning to the end of the eighteenth century (1908), der prosopographisch nach einzelnen Philologen und nach Ländern (in Italy, France, England, and the Netherlands) angeordnet ist. In seiner Materialfülle ist Sandys bis heute unübertroffen und unersetzlich. Andere ältere Darstellungen sind Conrad Bursians Geschichte der classischen Philologie (1883), Ludwig von Urlichs Grundlegung und Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft (1892), Alfred Gudemans Grundriß der Geschichte der klassischen Philologie (1909), Frederick William Halls Companion to classical texts (1913) und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs Geschichte der Philologie (1921). Systematisch gehen Leighton Duham Reynolds und Nigel Guy Wilson die Geschichte des Editionswesens mit ihren Scribes & Scholars (1968, 3. Auflage 1991) an, und Rudolf Pfeiffer gibt einen Überblick über die neuzeitliche History of classical scholarship from 1300–1850 (1976, deutsch 1982). Außer solcher allgemein angelegten Arbeiten zu einer Epoche wird Philologiegeschichte aus der Perspektive einzelner Philologen geschrieben. Neben einer Reihe von älteren biographischen Arbeiten wie etwa von Mark Pattison über Isaac Casaubon (1875), Hermann Hagen über Jacob Bongars und Pierre Daniel (beide 1879), Charles Dejob über MarcAntoine Muret (1881), Wilhelm Rüdiger über Piero Vettori (1896) oder Paul Lehmann über Franciscus Modius (1908) gibt es eine Reihe von modernen Arbeiten, etwa Christiaan Lambert Heesakkers zu Janus Dousa (1976), William McCuaig zu Carlo Sigonio (1988) und John Lewis zu Adrien Turnèbe (1998). Darüber hinaus finden sich einige Untersuchungen, die die frühneuzeitliche Text- und Druckgeschichte einzelner antiker Texte oder Autoren zum Thema haben, man denke etwa an Jan A. Gruys zu Aischylos (1981), Monique Mund-Dopchie ebenfalls zu Aischylos (1984), Julia Haig Gaisser zu Catull (1993) und John O’Brien zu den Anacreontea (1995). Diese materialreichen Forschungen sind überaus nützlich und leisten meist Pionierarbeit.
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Einschlägig und wegweisend für die Geschichte der Textkritik in der frühen Neuzeit bleiben speziell darauf ausgerichtete biographische Studien wie der erste Band von Anthony Graftons Joseph Justus ScaligerBiographie (1983) oder auch das Buch von John F. D’Amico über Beatus Rhenanus (1988).13 Hier werden exemplarisch und äußerst aufschlussreich die wichtigen Stränge der Philologiegeschichte in sozialer wie methodenhistorischer Hinsicht kontextualisiert und mit konkreten Epochengegebenheiten und einzelnen Philologen verbunden. Von überaus großem Nutzen ist außerdem die systematische Untersuchung von Silvia Rizzo über den Lessico filologico (1973), den Wortschatz frühneuzeitlicher Philologen, den sie anhand von Briefwechseln, Einleitungen und Handschriftensubskriptionen rekonstruiert. Dabei spannt sie den Bogen von Francesco Petrarca und Coluccio Salutati über Guarino von Verona, Poggio Bracciolini, Ambrogio Traversari und Lorenzo Valla bis zu Angelo Poliziano und Filippo Beroaldo, um nur die Hauptfiguren ihrer Untersuchung zu nennen. In der Gesamtschau gibt es nur wenige historiographische Arbeiten über die Methode der Textkritik im engeren Sinne. Angestoßen wurde diese Forschung von Remigio Sabbadinis Storia e critica di testi latini (1914) sowie Giorgio Pasqualis Storia della tradizione e critica del testo (1934). Als dann Sebastiano Timpanaro La genesi del metodo del Lachmann (1963, deutsch 1971) untersuchte, knüpfte er ausdrücklich an Pasquali an. Dabei skizziert er die verschiedenen Verfahren der recensio und emendatio, die als textkritische Verfahren schon vor Karl Lachmann (1793–1851) seit der Renaissance angewandt wurden, und bewertet vor diesem Hintergrund Lachmanns Methode neu. Vor allem theoretische Schriften zur Philologie nehmen Antonio Bernardini und Gaetano Righi in ihrem Concetto di filologia e di cultura classica (1947) in den Blick, beschränken sich dabei allerdings auf eine knappe Nacherzählung der Inhalte einzelner textkritischer Methodologien. Edward John Kenney führt in The classical text (1974) die Geschichte der Textkritik und der Philologie in der Tradition von Sabbadini, Pasquali und Timpanaro fort. Dabei erweitert er den Gegenstand der Textkritikgeschichte um die Methodologien, deren Beschreibung er der Schilderung der textkritischen Praxis vorausschickt. Wie schon Timpanaros Arbeit ist auch jene von Kenney darauf ausgerichtet, die Entwicklung der Textkritik von der Renaissance bis in das 19. Jahrhundert nachzuzeichnen, um im Anschluss daran allerdings noch die methodischen Auseinandersetzungen um die Lachmannsche Methode im 20. Jahrhundert zu diskutieren. Die Geschichtsschreibung der textkriti–––––––––––––– 13
Nicht mehr einarbeiten konnte ich leider die detaillreiche, umfassende und überaus instruktive Studie von Hélène Parenty über Casaubon (Isaac Casaubon helléniste: des ‚studia humanitatis‘ à la philologie, 2006), auf die hiermit ausdrücklich verwiesen sei.
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schen Theorie und Praxis ist häufig vom Interesse geleitet, die Entwicklung und den Fortschritt der Methode der Textkritik mit Blick auf die Verfahren zu schildern, die Karl Lachmann in die Textkritik einführte, sowie jene, die in seiner Nachfolge entwickelt wurden. Im Unterschied dazu bemühen sich die vorliegenden Studien darum, die historischen Quellen im Anschluss an Arbeiten zur frühneuzeitlichen Philologiegeschichte – wie jene von D’Amico, Grafton und Rizzo – auf ihre Aussagen über Philologie und Textkritik einer einzelnen Epoche hin zu befragen. Die Quellen Frühneuzeitliche Gelehrte legten ihre Gedanken zur Textkritik in vielfältigen Textgattungen nieder. Auf solche Ausführungen stößt man bei der Durchsicht des überlieferten Materials in Einleitungen und Widmungsepisteln zu Editionen, in Briefen an gelehrte Kollegen und in Gedichten. Pietro Bembo erfand gar einen Dialog zwischen Pomponio Leto und Ermolao Barbaro, in dem die beiden Renaissancegelehrten über Vergil- und Terenz-Lesarten in zwei Handschriften aus Bembos Besitz plauderten, von denen eine übrigens der berühmte Codex Bembinus (Vaticanus lat. 3226, 4./5. Jhd., siehe Abbildung 18 in diesem Buch) war.14 Textkritische Überlegungen wurden mit jeweils eigenen Absichten und aus verschiedenen Anlässen veröffentlicht, waren unterschiedlich lang – von einzelnen Sätzen bis hin zu ganzen Schriften – und behandelten thematisch verschiedene Aspekte des Themas. In seiner Diversifizität sperrt sich das Quellenkorpus insgesamt einem systematischen Zugriff durch die Forschung.15 Anders liegt der Fall bei drei eigenständigen Traktaten aus der frühen Neuzeit: 1557 sollte der italienische Gräzist Francesco Robortello eine Abhandlung über eine Ars corrigendi vorlegen. Und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts folgten ihm darin zwei weitere Methodenschriften zur Verbesserung. Es handelt sich um die Ratio emendandi des niederländischen Gräzisten Willem Canter von 1566 (und 1571 in zweiter Auflage) sowie um die Ars critica des fränkischen Juristen Kaspar Schoppe aus dem Jahre 1597. Diese Abhandlungen eignen sich für eine Untersuchung der Methoden der Philologie im Gegensatz zu den anderen Äußerungen deswegen so gut, weil sie ausdrücklich als Methodenlehren konzipiert waren –––––––––––––– 14 15
De Virgilii Culice et Terentii fabulis, 1505/1530. Vgl. dazu auch A. Grafton: Bembo and the ‚Scholia Bembina‘, 1981. Eine gelungene systematische Arbeit, die sich auf solche Quellen stützt, ist die bereits erwähnte Untersuchung von Silvia Rizzo (1973). In ihrer Zielsetzung, den philologischen Wortschatz der Philologen zu rekonstruieren, ist es durchaus legitim, den unterschiedlichen Charakter ihrer Quellen zu übergehen.
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und als Propädeutiken schon von ihrer Anlage her eine gewisse Allgemeingültigkeit beanspruchten. Die Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe wurden in der Geschichte der Philologie bereits häufiger erwähnt. Robortello und Schoppe finden beispielsweise Aufnahme in die Ahnenreihe der großen Philologen von der Renaissance bis zur Gegenwart von Antonio Bernardini und Gaetano Righi, alle drei werden von Leighton Duham Reynolds und Nigel Guy Wilson als Verfasser von „theoretical studies of textual criticism“ erwähnt, Herbert Jaumann bespricht sie in seiner Geschichte der Literaturkritik in einem Exkurs über Textkritik und auch Anthony Grafton spannt diese Traditionslinie in einem Aufsatz über Schoppes Textkritik auf.16 Allerdings bleiben diese Darstellungen kurz und gehen nicht über Inhaltsangaben und Verweise auf ihre Verwandtschaft hinaus. Als einziger untersucht Edward John Kenney die drei Abhandlungen systematisch und setzt sie inhaltlich vor allem im Hinblick auf die Fortentwicklung der textkritischen Verfahren miteinander in Verbindung.17 Viele seiner Hinweise werden in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen, kontextualisiert und weitergeführt. Die Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe als Korpus von Methodenlehren zur Textkritik zu erfassen, steht auch in einer älteren Tradition. Die ältere Wissenschaftshistoriographie reicht zurück bis in die zeitliche Nähe der Abhandlungen selbst. So führte etwa Johann Heinrich Alsted im Abschnitt über die Critica seiner Encyclopaedia von 1630 Robortello und Schoppe im Zusammenhang mit der Definition von Kritik auf.18 Daniel Georg Morhof beschrieb alle drei im Buch 5 über den criticus des ersten Bandes seines Polyhistor (1747, erste Auflage 1688) als jene, qui artem ipsam methodice tradiderunt, Martin Schmeitzel meinte in seiner Historie der Gelehrheit (1728), dass „endlich im XVI. Sec. Robortellus und Scioppius den Anfang gemacht, Critische Regeln vorzuschreiben“ und Johannes Matthias Gesner nannte Robortello, Canter und Schoppe in seiner Isagoge (1774) als Verfasser textkritischer Methodenlehren.19 Die Entscheidung, die Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe zum Ausgangspunkt für eine Bestandsaufnahme des textkritischen Denkens ihrer Zeit zu machen, stimmt mit einer verhältnismäßig widerspruchsfreien und bemerkenswert weit zurückreichenden und konstanten Rezeption ihrer Gedanken überein. –––––––––––––– 16 17 18 19
A. Bernardini/G. Righi: Concetto di filologia, 1953, S. 46–51; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 283; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 160–164; A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998, S. 235f. E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 29–40. J. H. Alsted: Encyclopaedia, 1630, S. 2214. D. G. Morhof: Polyhistor, ed. quarta 1747, S. 921f.; M. Schmeitzel: Historie der Gelehrheit, 1728, S. 446 (Hervorhebungen bei Schmeitzel); J. M. Gesner: Isagoge in eruditionem universalem, 1774, S. 147.
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Zusätzlich zu den Verbesserungslehren berücksichtigen diese Studien Äußerungen zur Textkritik, die entweder in einem inhaltlichen Bezug zu Themen oder zur Terminologie stehen, oder die von Robortello, Canter und Schoppe selbst angesprochen wurden. Abgesehen von einzelnen Schriften über den Buchdruck und Beiträgen zu Debatten sind die Methodenlehren durch entsprechende Andeutungen und Bezugnahmen vor allem mit einer Vielzahl philologischer Fachveröffentlichungen verbunden. Diese Editionen, Kommentare, notae-Sammlungen und kürzere Abhandlungen zu einzelnen philologischen Themen werden bibliographisch erfasst und gelegentlich als zusätzliche Quellen herangezogen. Zielsetzungen, Vorgehen und Aufbau des Buches Bei der Untersuchung der Quellen stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen zielen diese Studien auf die Erfassung der relevanten historischen Umstände, die die einzelnen Schriften beeinflussten, zum anderen auf eine erschöpfende Analyse und geordnete Darstellung der dort niedergelegten Methodenlehre der Textkritik. Es geht darum, die entsprechenden Konzepte der Textkritik freizulegen und systematisch darzulegen. Uns interessiert, welche Themen in Verbindung mit Textkritik zur Sprache kamen und welcher Wissensstand vorherrschte. Die Darstellung der Methode der Textverbesserung wird von dem Vorhaben begleitet, die verwendete Terminologie mit dem zeitgenössischen Gebrauch abzugleichen. Dazu wird auf die verdienstvolle Rekonstruktion des lessico filologico von Silvia Rizzo (1973) zurückgegriffen und auf frühneuzeitliche Zeugnisse, deren Kenntnis sich aus der Analyse der in den Abhandlungen zitierten Philologica ergibt. Außerdem werden die einzelnen Themen mit eventuell existierenden Vorlagen, historischen Vorgängern oder Denktraditionen ins Verhältnis gesetzt. Angestrebt ist eine Art Momentaufnahme in der Geschichte der textkritischen Reflexion in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das Thema der vorliegenden Arbeit greift ein verschiedentlich formuliertes Forschungsdesiderat auf. Es wird verschiedentlich bezweifelt, dass es überhaupt theoretisch durchdrungene Zugänge zu antiker Literatur und ihrer editorischen Verarbeitung gegeben habe. Diesbezüglich sei beispielsweise eine Äußerung des Konstanzer Altphilologen Peter Lebrecht Schmidt wiedergegeben, die Textkritik nehme als „zentrale humanist. Aktivität des 14. bis 16. Jh.“ entsprechende
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Bemühungen des frühen 19. Jh. vorweg, einer Epoche, von der sich die T.[extkritik] des Humanismus durch das Fehlen einer expliziten, kontinuierl. praktizierten und vermittelten Methodik abhebt. Die Forsch. ist denn auch erst auf dem Wege, vereinzelte Bemerkungen mit der textkrit. Praxis zu einzelnen Autoren durch führende Humanisten (Petrarca, Salutati, Poliziano) zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.20
Diesen Eindruck Schmidts, in der frühen Neuzeit habe es keine „explizite[] Methodik“ der Textkritik gegeben, wollen die vorliegenden Studien mit der Darstellung der textkritischen Reflexion von Robortello, Canter und Schoppe korrigieren. Es gilt zu zeigen, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine methodische Erfassung der textkritischen Reflexion aufgekommen ist, die in der Nachfolge der Gelehrsamkeitstradition des genannten Angelo Poliziano stand. Der hier gewählte Weg geht von propädeutischen Schriften zur Textverbesserung aus und führt über die kontextuelle und systematische Analyse dieser Schriften hin zu einer Zusammenführung der dort ermittelten Erkenntnisse. Ziel sind Aufschlüsse über die Motive, Gelehrsamkeitstraditionen und das institutionelle Umfeld der philologischen Arbeit einerseits und über die Verfahren und Wissensbestände der Textkritik andererseits. Die historische und systematische Analyse der Abhandlungen stützt sich in erster Linie auf die Auswertung der Quellen, die jeweils auf Latein und in deutscher Übersetzung zitiert werden.21 Ein Problem des Textverständnisses stellen die zahlreichen, auf den ersten Blick Andeutungen und Bezugnahmen auf antike und zeitgenössische Personen und Schriften dar. Neben der Ermittlung einer Reihe von historischen Kontexten erwies es sich als unerlässlich, die dort angesprochenen frühneuzeitlichen Schriften – Editionen, notae-Sammlungen und sonstigen Abhandlungen – direkt einzusehen. Die Autopsie der frühneuzeitlichen Drucke fand in den Universitätsbibliotheken von Bonn, Düsseldorf, Göttingen, Köln, München und in der Bayerischen Staatsbibliothek statt, überwiegend aber in der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek.22 Die Einsichtnahme des in der Ars corrigendi-Literatur zitierten Schrifttums erschloss ein zu den Abhandlungen komplementäres und umfangreiches Quellenkorpus zur frühneuzeitlichen Philologiegeschichte, das im Anhang ausführlich dokumentiert wird. –––––––––––––– 20 21
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Art. „Textkritik“, LMA 8, 1997, Sp. 604–607, hier Sp. 604. Alle Übersetzungen ins Deutsche stammen – sofern nicht anders gekennzeichnet – von der Verfasserin. Beistand bei philologischen und Übersetzungsfragen leistete Markus Stein, der keine Mühe und Zeit scheute, und dem für seine kompetente Hilfestellung an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Verwiesen sei außerdem auf die gelegentlich genutzte Bibliotheca Palatina, die Heidelberger Bestände in der Vaticana, deren Mikrofiche-Ausgabe sich im Bestand vieler Bibliotheken findet (1989–1995, München: K. G. Saur Verlag).
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Das Buch gliedert sich in fünf Kapitel und in ein Fazit. Im ersten Kapitel werden die Abhandlungen einzeln vorgestellt und der Kontext ihrer Entstehung aufgewiesen. Francesco Robortello, Willem Canter und Kaspar Schoppe werden darin biographisch porträtiert. Daran schließt jeweils ein Überblick über ihre philologischen Tätigkeiten bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der textkritischen Abhandlung an. Außerdem werden die Editionsgeschichte und der Aufbau der Abhandlungen vorgestellt. Im ersten Kapitel finden sich darüber hinaus zwei Exkurse: Kapitel 1.1.4 zeichnet die Kontroversen nach, in die Robortello verwickelt war, und die seine Methodenlehre wesentlich beeinflussten. Kapitel 1.3.4 wiederum stellt die testimonia und ihre Verfasser vor. Dabei handelt es sich um Ausschnitte aus philologischen Schriften, die Schoppe in die Ars critica eingebunden hatte. In den vorliegenden Studien werden sie als zusätzliches Quellenmaterial berücksichtigt. Den Abschluss des ersten Kapitels bildet ein Vergleich der Methodenschriften mit Blick auf Motive, Stil, Textgestaltung, Länge und Hauptthemen. Die restlichen vier Kapitel beschäftigen sich mit einzelnen Aspekten der frühneuzeitlichen Textkritik. Das Kapitel 2 behandelt das allgemeine Verhältnis von Textkritik und Philologie, insbesondere Definitionen und Beschreibungen von Textkritik (2.1), die Verortung der Textkritik in zeitgenössische und historischen Philologiekonzepte (2.2) und die Textgattung der Methodenlehren und ihren Vergleich mit den gängigen Publikationsgattungen der frühneuzeitlichen Philologie (2.3). Das dritte Kapitel ist den Personen gewidmet, die im Zusammenhang mit Textkritik vorkommen. Abgesehen von den Bezeichnungen der Textkritiker (3.1) geht es in den Kapiteln 3.2 und 3.3 um zwei Grundtypen von Textkritikern und den in diesem Zusammenhang erläuterten Tugend- und Gelehrsamkeitspostulaten. Das darauf folgende Kapitel nimmt den Gegenstand der Methodenlehren in den Blick und die im Einzelnen zitierten Literaturkorpora (4.1), die verschiedenen Funktionen von Texten und das dahinterstehende Textverständnis (4.2) sowie die vorkommenden, textkritisch relevanten Kenntnisse über Bücher und Handschriften (4.3). Das letzte Kapitel beleuchtet die Verfahren der Textverbesserung: Es geht um die Beschreibung von Fehlern mithilfe von Typologien und deren historischen Vorbilder aus der antiken ars grammatica (5.1) sowie um deren Erklärung aus ihrer Genese heraus und durch fachliches Wissen (5.2). Und Kapitel 5.3 stellt vor, wie im 16. Jahrhundert die beiden Verbesserungsverfahren Handschriftenvergleich und Konjektur besprochen wurden. In einigen abschließenden Bemerkungen geht es darum, die Rekonstruktion der textkritischen Gedanken des 16. Jahrhunderts zu rekapitulieren sowie die frühneuzeitliche Ars corrigendi-Literatur wissenschafts- und methodenhistorisch einzuordnen.
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Formalia In neulateinischen Texten weichen die Schreibweisen teilweise erheblich voneinander und von der Orthographie des klassischen Latein ab. Außerdem waren im frühneuzeitlichen Druckwesen Abkürzungen gebräuchlich. In diesem Buch wird in längeren, abgesetzten Zitaten sowie in den Titelangaben im Anhang die Schreibweise – einschließlich der zuweilen eigenwilligen Interpunktion – der jeweiligen Vorlage grundsätzlich beibehalten. Davon ausgenommen ist nur die Akzentsetzung, auf die gänzlich verzichtet wird, sowie: Ú
I ij j ß u, v
qȣࠝ oder qȣ;
Ć, ē, Ň, ş
ae ii ii i ss (wie heute üblich) que an/am, en/em, on/om, un/um
Zitate im Fließtext wie auch einzelne lateinische Wörter werden dagegen in der Orthographie des klassischen Latein wiedergegeben.23 Da ältere Arbeiten (dazu werden übrigens kategorisch alle Schriften bis 1850 gezählt) zuweilen überaus lange Titel besitzen, werden im Text Quellen grundsätzlich mit einem Kurztitel nachgewiesen, unter dem sie im Anhang des Buchs verzeichnet werden. Dort finden sich die ausführlichen Titel mit Bibliotheksnachweis und Signatur des hier benutzten Exemplars. Auf den Einzelexemplarnachweis wird nur in den (wenigen) Fällen verzichtet, in denen Nachdrucke oder moderne Editionen existieren. Die hier im Mittelpunkt stehenden Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe werden wie folgt abgekürzt: Rob. Ars corr., 1557 Cant. Ratio emend., 1571 Schop. Ars crit., 1597
Die Abhandlungen werden nach folgenden Ausgaben zitiert: Einzig in Robortellos Fall liegt uns eine moderne Ausgabe (G. Pompella 1975) vor, nach der auch zitiert wird, allerdings nennen wir das Datum des Ersterscheinens. Beim Cantertext halten wir uns an die zweite, erweiterte und vor allem besser erreichbare Ausgabe von 1571 (gelegentlich auch an die Praefatio der Erstausgabe von 1566) und bei Schoppe schließlich an der Erstausgabe von 1597. Ausführlich über die Editionsgeschichte informiert –––––––––––––– 23
Im Zweifelsfall nach Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., 1913–1916.
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der jeweilige Abschnitt im ersten Kapitel. Außerdem sei auf die Konkordanzen der verschiedenen Ausgaben im Anhang verwiesen. Neben den Hauptquellen von Robortello, Canter und Schoppe werden für die Rekonstruktion der Textkritik in diesen Studien noch die testimonia herangezogen (siehe Kapitel 1.3.4), die Schoppe in seiner Abhandlung (Ars crit., 1597, fol. D4r–E8r) wiedergibt – sie werden nach der Textfassung von Schoppe (1597) zitiert, allerdings unter dem Titel und der Jahreszahl des ursprünglichen Schrift: Bud. Ass., 1515 Riv. Castig., 1539 Scal. Caus. ling. Lat., 1540 Mur. Var. lect., 1580 Gulielm. Verisim, 1582 Gulielm. Quaest. 1583
Frut. Verisim., 1584 Lips. Somn., 1585 Lips. Praef., 1585 Vulc. Praef., 1594 Merul. Praef., 1595 Casaub. Animad., 1596
Danksagung Diese Studien wurden Ende 2005 an der Düsseldorfer Heinrich Heine Universität im Fach Philosophie unter der Betreuung von Christoph Kann als Dissertation angenommen. Finanziell unterstützt wurden sie von der NRW-Graduiertenförderung sowie mit einem Stipendium der Gerda Henkel-Stiftung im Rahmen des Projekts „Humanismus“. Außerdem ermöglichte mir die Rolf und Ursula Schneider-Stiftung mehrere überaus fruchtbare, arbeitsame und anregende Aufenthalte an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Ich habe in der Zeit an der HAB viel gelernt, und den hilfsbereiten, kompetenten und freundlichen Menschen dort, vor allem Jill Bepler, verdanke ich viel. Von Anfang an hat mich bei diesem Projekt Helmut Zedelmaier begleitet, der verschiedene Versionen las und kritisch kommentierte. Markus Stein stand mir mit seinem philologischen Sachverstand und Spürsinn bei der Überarbeitung zur Seite, von seiner Mühe hat dieses Buch sehr profitiert. Mit Genauigkeit, Ausdauer und scharfem Verstand lasen unter anderem Inken Kiupel und Sandra Möller das Manuskript Korrektur. Bedanken möchte ich außerdem bei meinen Freunden, bei meinen drei Van ks und vor allem bei Palo für Beistand und Nachsicht.
Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur: Die textkritischen Quellen im Kontext Der grossen und sauern M(he, die sich bey | diesem Studio zu erkennen giebet, nicht zu gedencken. Denn (berlegen wir, was die ersten Critici nicht vor Staub u. Dampff einfressen, was sie vor scharffe Augen haben, vieles und wiederholtes Angucken, unerm(detes Nachsinnen anwenden m(ssen, da sie die fast vermoderte, und aus feuchten oder staubichten Lchern hervorgezogene, und fast unleserlich gewordene, und von ungeschickten Schreibern zerst(mmelte Manuscripta zu rechte und ins reine bringen, und zum Gebrauch, so viel mglich correct, uns vorlegen knnen u.s.w. so kan man leicht urtheilen, was wir denselben vor grossen Danck schuldig sind.1
Der Jurist und Historiker Martin Schmeitzel (1679–1747) gibt sich Mühe, seinen Lesern die Verdienste der frühen Philologie nahe zu bringen. Er schildert den Arbeitsalltag in verdreckten Bibliotheken und sucht nach Verständnis und Dankbarkeit für die mühsame Tätigkeit des Verbesserns von Texten. Auch wenn die philologische Praxis vielleicht nicht ganz so dramatisch war, stellt sie Schmeitzel auf eine Weise dar, wie es auch im 16. Jahrhundert üblich war: Selbstaufopferung, umfassende Gelehrsamkeit, Fleiß und das Bemühen, für die wenig aufregende Tätigkeit Anerkennung zu ernten. Solchen Beschreibungen begegnet man in frühen theoretischen Schriften an vielen Stellen, etwa bei Francesco Robortello, Willem Canter und Kaspar Schoppe, die die Tätigkeit der Textverbesserung in selbstständigen Abhandlungen reflektieren, methodische Anleitungen an die Hand geben und zeigen, wie man ein guter Textverbesserer wird. In diesem ersten Kapitel werden die textkritischen Abhandlungen in ihrem historischen, sozialen und gelehrten Kontext vorgestellt. Es geht darum, wer Robortello, Canter und Schoppe waren, in welchen konkreten Lebenslagen sie sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung befanden und von welchen Gelehrsamkeitstraditionen sie beeinflusst wurden. Es soll außerdem ermittelt werden, in welchem Verhältnis die Abhandlungen zu anderen Arbeiten des jeweiligen Philologen standen. Schließlich werden die Texte selbst vorgestellt, und zwar zum einen ihre Editionsgeschichte und formale Gestaltung, zum anderen der inhaltliche Aufbau und die Hauptargumente. –––––––––––––– 1
M. Schmeitzel: Historie der Gelehrheit, 1728, S. 442f. (Fn. 10).
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557 1.1.1 Francesco Robortello (1516–1567) zwischen Florentiner und Paduaner Gelehrsamkeit Er war nicht allein ein stoltzer / hochm(thiger und mißg(nstiger Mann; sondern | auch ein rechter Zncker und Lster=Maul / der durchaus keinen parem neben sich leiden konte.2
In der Nachwelt hinterließ Francesco Robortello das Bild eines streitlüsternen und rechthaberischen Menschen. Dieses Urteil gründet sich auf zahlreiche fachliche und private Konflikte, in die der Italiener Zeit seines Lebens verwickelt war. Dem Eindruck, ein schwieriger Charakter gewesen zu sein, stehen die Verdienste gegenüber, die er als Gräzist, Herausgeber antiker Schriften und universitärer Lehrer auf sich vereint. Geboren wurde der umstrittene Gelehrte am 9. September 1516 als Sohn des Notars Abb. 1: Porträt F. Robortello Andrea Robortello (bis c.1549) in Udine.3 Unter der Obhut des humanistischen Dichters und Gelehrten Gregorio Amaseo (1464–1541) studierte Francesco Robortello lateinische und grie–––––––––––––– 2 3
Art. „Robortellus“, in: A. Clarmund (i. e.: J. C. Rüdiger): Vitae clarissimorum virorum 7, 1708, S. 43–54, hier: S. 45f. Die ausführlichste Darstellung von Robortellos Leben ist G.-G. Liruti: Vite ed opere da letterati del Friuli 2, 1762, S. 413–483. Angaben zur Biographie enthalten außerdem: G. G. Capodagli: Udine illustrata, 1665, S. 254–258; A. Teissier: Les éloges des hommes savans 2, ed. quarta, 1715, S. 290–293; Art. „Robortellus“, in: A. Clarmund (i. e.: Johann Christoph Rüdiger): Vitae clarissimorum virorum 7, 1708, S. 43–54; N. C. Papadopoli: Historia Gymnasii Patavini 1, 1726, S. 318f.; Art. „Robortellus“, Jöcher 3, 1751, Sp. 2147ff.; A. Fabroni: Historia academiae Pisanae 2, 1792, S. 411–416; Art. „Robortello“, NBG 42, 1863, Sp. 447f.; Nomenclator philologorum, 1871, S. 477; F. Di Manzano: Cenni biografici dei letterati friulani, 1885, S. 175f.; L. v. Urlichs: Geschichte der Altertumswissenschaft, 1892, S. 53; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 140–143; T. Bozza: Scrittori politici italiani, 1949, S. 34f.; G. Marchetti: Il Friuli, 1959, S. 274–283; A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 9f.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1980, S. 693ff.; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 19f.; M. J. Wilmott/ C. B. Schmitt: Biobibliographies, 1988, S. 835; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 8f., 12ff., 25–30; Art. „Robortello, Francesco“, Letteratura italiana 1991, S. 1516f.; J. H. Gaisser: Catullus (CTC), 1992, S. 283f.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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chische Literatur.4 Später wechselte er an die Universität Bologna und besuchte dort die Vorlesungen über Rhetorik und Poesie von Romolo Amaseo (1489–1552), des Sohns des Gregorio Amaseo.5 Als Robortello um 1538 seine Lehrtätigkeit aufnahm, verschlug es ihn zunächst nach Lucca, an eine Universität unter dem Einfluss der Florentinischen Gelehrsamkeit. Aus dieser Zeit ist ein Briefkontakt mit dem Florentiner Philologen Piero Vettori (1499–1584) bezeugt. Um 1540 hatte Robortello offenbar versprochen, ihm eine Handschrift von Ciceros De legibus zuzusenden, für die sich Vettori in einem Brief bedankte.6 Robortello verlieh seiner großen Wertschätzung für Vettori auch in der Ars corrigendi eindringlich Ausdruck, nennt ihn dort Petrus Victorius vir doctissimus und lobt seine Rechtschaffenheit und Glaubwürdigkeit.7 Vettori lehrte seit 1538 am Florentiner Studio. Durch seine Persönlichkeit und methodische Herangehensweise prägte er die Florentiner Gelehrsamkeit, wobei er die von Angelo Poliziano (1454–1494) begonnene Tradition weiterführte. Die Verbindung Robortellos zur philologischen Gelehrsamkeit der Florentiner Schule verfestigte sich, wie Robortello selbst in seiner Ars corrigendi vermerkt, ... cum in Etruria essem tunc et operam navarem in Academia Pisana potentissimo et optimo Duci Florentiae Cosmo.8
Robortello wurde 1543 oder 1544 vom Medici-Fürsten Cosimo I. an die gerade wiedereröffnete Academia Pisana berufen. Die Universität in Pisa –––––––––––––– 4
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Gregorio Amaseo wurde 1489 gemeinsam mit seinem Bruder Girolamo (1467–1517) vom Kaiser Friedrich III. zum poeta laureatus gekrönt. Ab 1499 hielt er sich in Venedig auf, wo er auch an der angesehenen Scuola di San Marco unterrichtete. In späteren Jahren lehrte er in Udine und Bologna. Vgl. R. Avesani: Art. „Amaseo, Gregorio“, DBI 2, 1960, S. 655–658; J. B. Ross: Giovanni Battista Egnazio, 1976, S. 564f. Pikanterweise war Romolo ein Kind, das Gregorio mit einer Nonne gezeugt hatte. Gregorio musste für seine Missetat eine hohe Geldstrafe zahlen und zwei Jahre im Kerker fristen. Den Lehrstuhl für Rhetorik und Poetik in Bologna hatte Romolo Amaseo bereits seit 1513 inne. In den Jahren 1520 bis 1524 lehrte er in Padua, um anschließend wieder nach Bologna zurückzukehren, wo dann Robortello seine Vorlesungen besuchte. 1544 berief ihn Papst Paul III. an die Universität in Rom, wo er sich auch der Erziehung des späteren Kardinals Alexander Farnese widmete. Amaseo lehrte bis 1550 an der Sapienza. Seine letzten beiden Lebensjahre wirkte er dann als Sekretär von Julius III. Vgl. E. Costa: La prima cattedra d’umanità nello Studio Bolognese, 1907, S. 26ff.; R. Avesani: Art. „Amaseo, Romolo“, DBI 2, 1960, S. 660–666; G. B. Parks: Pausanias (CTC), 1971; S. 219f.; zu Briefen von Amaseo: E. Billanovich/G. Frasso: Amaseiana, 1979. Vettori an Robortello, 1. Februar 1540; abgedruckt mit italienischer Übersetzung in P. Vettori: Epistolae, 1586 (ed. & ital. trad. G. Pompella 1991), S. 46ff. Weitere Hinweise auf diesen Briefwechsel finden sich bei W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 22; P. L. Schmidt: Die Überlieferung von Ciceros ‚De legibus‘, 1974, S. 434. Ausführliche Angaben zu Vettori siehe Kapitel 1.1.4.3, S. 44. Rob. Ars corr., 1557, S. 15/16–19. „... als ich damals in Etrurien war und an der Pisaner Akademie mit Eifer dem so überaus mächtigen und besten Florentiner Fürsten Cosimo diente.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 16/8f.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
war das Prestigevorhaben der Medici, und Cosimo ließ es sich nicht nehmen, die neuen Professoren selbst auszusuchen und einzustellen.9 Robortello wurde am ersten Lehrstuhl für die humanitates an der neu gegründeten Universität angestellt und unterrichtete dort Latein, Griechisch und antike Literatur. Der starke Einfluss, den die Medici jetzt in Pisa ausübten, äußerte sich auch darin, dass sie bei der Reorganisation der Universität 1543 das Florentiner Gelehrsamkeitsmodell auf Pisa übertrugen. Mit dem Eintritt in eine Bildungsanstalt der Medici standen Robortello auch andere Bildungsinstitutionen der Florentiner Fürsten offen. Die wichtigsten waren die Biblioteca Laurenziana und die öffentliche Biblioteca di San Marco, aus deren Bestand Robortello einige Manuskripte für seine textkritische Arbeit einsah. Aus der Fülle der antiken Literatur und Themen, mit denen er sich in dieser Zeit beschäftigte und die im Übrigen in einer Sammelschrift verschiedener kleinerer Schriften 1548 erschienen, sticht als größere Arbeit der Kommentar zur aristotelischen Poetik heraus. Die nächste Station seiner universitären Laufbahn war Venedig. Auch angesichts der Versuche des Medicifürsten, ihn in Pisa zu halten, waren die Bedingungen zu verlockend, die in Venedig in Aussicht standen. Robortello übernahm 1549 den Lehrstuhl für Latein von Giovanni Battista Egnazio (1478–1553) an der Scuola di San Marco und setzte sich dabei gegen den Mitbewerber Carlo Sigonio (1522/3–1584) durch. In dieser Zeit heiratete Robortello Camilla Belloni. Sie war die Tochter des angesehenen, aus Udine stammenden Notars Andrea Belloni (1480–1554), der mit Robortellos Vater, der kurz vor der Hochzeit verstarb, eng befreundet war. Andrea Belloni, der selbst humanistisch gebildet war und sich vor allem für Epigraphik und Geschichte interessierte, unterstützte Robortello auf seinem weiteren Lebensweg, wie etwa später bei seiner Bewerbung nach Padua.10 In Venedig gestaltete sich das Verhältnis zu Egnazio schwierig. Die Situation eskalierte, als Robortello sich mit abwertenden Urteilen über die mangelnde Qualität der philologischen Arbeit Egnazios nicht zurückhielt und ihn öffentlich wegen ungenügender Bildung diffamierte.11 Dass –––––––––––––– 9 10
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Vgl. auch Commissione rettorale per la storia dell’ Università di Pisa: Storia dell’Università di Pisa 1, 1993, S. 531. Robortello und Belloni standen in einem Briefwechsel, von dem einige Briefe erhalten sind. Angaben dazu in G.-G. Liruti: Vite ed opere da letterati del Friuli 2, 1762, S. 413; G. Marchetti: Il Friuli, 1959, S. 283; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 26. Zu Belloni vgl. A. Petrucci: Art. „Belloni“, DBI 7, 1965, S. 768f. Eine genauere Analyse dieses Briefwechsels mit längeren zitierten Passagen und einer italienischen Übersetzung liefert M. Venier: Belloni, Robortello ed Egnazio, 1998. Und in der Tat glaubt der Egnazio-Biograph James Bruce Ross, dass „... we have sufficient evidence to characterize his [Egnazio’s, KV] learning as broad rather than deep, as primarily Latin rather than Greek, as historically oriented but essentially biographical and anecdotal, and as formulated primarily for popular and academic audiences rather than for the world of scholars.“ (Giovanni Battista Egnazio, 1976, S. 553).
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Robortello seinen Studenten gegenüber schlecht über Egnazio sprach, wird auch in Christian Gottlieb Jöchers Allgemeinem Gelehrten-Lexikon erwähnt: Robortello ging nach Venedig ... und kriegte daselbst mit Baptista Egnatio Streit, welchen er durch seine Schmäh-Reden dergestalt aufbrachte, dass solcher seines hohen Alters ohngeachtet, einmahl den Dolch gegen Robortellum zohe.12
In dieser Venediger Zeit begann auch die Auseinandersetzung mit Vincenzo Maggi (lat. Madius, c.1498–c.1540/1563), einem Philosophen aus Brescia, der genauso wie Robortello die aristotelische Poetik herausgegeben und in seinen Explanationes Robortello wegen Verbesserungen und der Deutung dieses Textes angegriffen hatte. 1551 folgte Robortello dem Ruf nach Padua auf den Hauptlehrstuhl für die humanitates. Er trat die Nachfolge von Lazzaro Bonamico (1477/8– 1552) an, der hier bereits seit 1530 Griechisch und Latein gelehrt hatte.13 Dabei handelte es sich um den ältesten Lehrstuhl für Griechisch in Italien überhaupt, den zum ersten Mal Demetrios Chalkondyles (1423–1511) innehatte.14 Unterstützt wurden die humanitates im Paduaner Studio von einem niedriger dotierten Lehrstuhl, den ein gewisser Giovanni Fasolo (1518–1571) bereits seit 1544 bekleidete.15 Wenngleich Robortello den Historiker aus Modena, Sigonio, bei seiner (dann auch erfolgreichen) Bewerbung um die Nachfolge seines Lehrstuhls in Venedig noch unterstützte, gerieten Robortello und Sigonio bald in einen Streit um verschiedene Themen der römischen Historiographie und der Livius-Philologie. Diese Kontroverse eskalierte. Das darauf folgende fachliche wie persönliche Zerwürfnis sollte ihr ganzes Leben lang andauern und von Rivalität, deftiger Polemik, übler Nachrede und zuweilen sogar von physischer Bedrohung geprägt sein. Doch auch Robortellos Beziehung zu Paolo Manuzio (1512–1574), dem Sohn des Druckers Aldo Manuzio (1449–1515) und Zögling von Egnazio, war problematisch. Paolo Manuzio leitete ab 1533 die venezianische Offizin und veröffentlichte unter anderem historiographische und philologische Arbeiten. Robortello polemisierte gegen die Arbeiten von Manuzio und konkurrierte mit ihm bei der Herausgabe antiker Literatur. Ein ähnlich schlechtes Verhältnis wie zu Manuzio und Sigonio unterhielt Robortello noch zu Marc-Antoine Muret (1526–1585), der –––––––––––––– 12 13 14 15
Art. „Robortellus“, Jöcher 3, 1751, Sp. 2147. Vgl. N. C. Papadopoli: Historia Gymnasii Patavini 1, 1726, S. 319; R. Avesani: Art. „Bonamico“, DBI 11, 1969, S. 533–540; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 8. Über Chalkondyles’ Antrittsvorlesung, in der er im Jahre 1463 über die Bedeutung der Griechisch-Kenntnisse sprach, informiert D. J. Geanakoplos: Chalcondyles on the inauguration of Greek, 1974. Vgl. W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983, S. 88, 90, 97f. (Fn. 11).
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aus Frankreich emigriert war und in Venedig in den Jahren 1555 bis 1558 unterrichtete.16 Als akademischer Lehrer beeinflusste Robortello nachfolgende Gelehrtengenerationen. So erwarb beispielsweise der Philosoph Jacobo Zabarella (1533–1589) wahrscheinlich von 1551 bis 1553 bei Robortello das philologische Rüstzeug für seine Aristotelesexegese.17 Etwa zur gleichen Zeit saß Francesco Patrizi (1529–1597) in Robortellos Vorlesungen.18 Im ersten seiner zehn Dialoge Della historia von 1560, in denen er sich mit Robortellos geschichtstheoretischer Abhandlung De historica facultate von 1548 auseinander setzt, schreibt Patrizi: Il Robortello mi fu maestro, & io gli son compare. & è huom senza alcun fallo di eccelletissima dottrina.19
Einige seiner Schüler stammten aus anderen Ländern und gehörten den entsprechenden nationes der Universität an. Als nationes wurden jene Gemeinschaften ausländischer Lehrenden und Studenten bezeichnet, die seit dem Mittelalter – mit juristischen und administrativen Sonderrechten ausgestattet – als Institutionen innerhalb der Universitäten existierten.20 In Italien hielten sich die nationes verhältnismäßig lange und trotzten sogar noch einige Zeit den restriktiven Bestimmungen der Gegenreformation, sodass in Padua fast die Hälfte der Studenten sowie viele Lehrende ausländischer Abstammung waren und einer anderen Konfession angehörten. Zwischen 1553 und 1555 hörte beispielsweise der aus der oberrheinischen Drucker- und Gelehrtenfamilie stammende Basilius Amerbach (1533–1591) während seines Studienaufenthalts in Italien Robortellos philologische Vorlesungen.21 Begleitet wurde er von einem Mentor, dem –––––––––––––– 16 17 18
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Da diese Debatten einen großen Einfluss auf den Lebensweg und das Schaffen Robortellos ausübten, werden der Verlauf und die Inhalte dieser Streitigkeiten ausführlich in einem Exkurs (Kapitel 1.1.4) dargestellt. Vgl. E. Keßler: Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung, 1971, S. 53; C. B. Schmitt: Art. „Zabarella“, DSB 14, 1976, S. 580ff.; C. Blackwell: Vocabulary as a Critique of Knowledge, 2001, S. 134 (Fn. 10). Biographische Angaben bieten unter anderem: F. Walkhoff: Francesco Patrizis Leben und Werk, 1920, S. 12–22; F. Lamprecht: Mensch und Geschichte bei Patrizi, 1950, S. 9–13; E. Keßler: Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung, 1971, S. 51f.; A. Seifert: Cognitio historica, 1976, S. 63–79; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1979, S. 551ff.; C. B. Schmitt: Art. „Patrizi, Francesco“, DSB 10, 1974, S. 416f.; M. J. Wilmott/C. B. Schmitt: Biobibliographies, 1988, S. 830f. „Robortello war mir mein Lehrer und ich sein Gefährte. Er ist unzweifelhaft ein Mann von ausgezeichneter Gelehrsamkeit.“ F. Patrizi: Diece dialoghi della historia, 1560, S. 6r bzw. fol. B2r. Den Hinweis auf diese Stelle gibt F. Lamprecht: Mensch und Geschichte bei Patrizi, 1950, S. 10. Zur Lage ausländischer Studenten an italienischen Universitäten vgl. etwa P. Costil: Paul Manuce à Padoue, 1932; N. Hammerstein: Relations with authority, 1996, S. 148f. Basilius war der Sohn des Basler Juraprofessors Bonifacius Amerbach (1495–1562) und der Enkel des Basler Druckers Johannes Amerbach (c.1440–1513). Nach seinem Aufenthalt in
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Juristen Georg Tanner (c.1520–c.1580).22 Beide, Amerbach und Tanner, wirkten später als Multiplikatoren innovativer Methoden in der Jurisprudenz, die sich unter anderem durch historische und kritische Zugriffe auf die Quellen (etwa Corpus iuris civilis) auszeichneten.23 Neben Amerbach und Tanner hatte Robortello mit Anton Edelman aus Augsburg in den Jahren 1552 bis 1555 einen weiteren deutschsprachigen Hörer, der in einem Brief schreibt, er habe in Padua Vorlesungen bei dem magnificus dominus Robortellus tam in Graeco quam Latino gehört.24 Einige Schüler Robortellos waren außerdem Mitglieder der natio polonica. Ein polnischer Schüler war etwa Andrzej Nidecki Patrycy bzw. Andreas Patricius (1522–1587).25 Der katholische Geistliche hörte neben seinem Studium des kanonischen und römischen Rechts Robortellos Vorlesungen in den humanitates von 1553 bis 1556. Bei ihm erlernte er die Prinzipien philologischen Arbeitens,26 die in der Jurisprudenz in ihrer humanistischen Ausprägung des mos Gallicus in dieser Zeit an Relevanz gewannen. Über Patrycy lernte Robortello die Schriften des polnischen Historikers Marcin Kromer (1512–1589) kennen, dem er – offenbar ohne ihn jemals persönlich getroffen zu haben – ein Vorwort widmete, das dann in der zweiten Auflage von Kromers polnischen Geschichte De origine et rebus gestis Polonorum 1558 abgedruckt wurde.27 ––––––––––––––
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Italien immatrikulierte er sich im Jahre 1557 an der berühmten juristischen Fakultät in Bourges, neben Orléans die wichtigste Vermittlungsstelle der humanistisch geprägten Jurisprudenz. 1562 wurde er in Basel Professor, wo er unter anderem Scipio Gentilis (1563– 1616, siehe oben S. 68), einen Lehrer von Kaspar Schoppe promovierte. Angaben zu Basilius Amerbach finden sich in: Art. „Amerbach: Basilius“, ADB 1, 1875, S. 397; R. von Stintzing: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 211 (Fn. 2); B. R. Jenny: Die Amerbachkorrespondenz, 1983, S. 210f.; Art. „Amerbach, Basilius“, DBE 1, 1995, S. 114. Tanner hatte in Bourges unter anderem bei François Baudouin (1520–1572/74) studiert. Später arbeitete Tanner als Philologe an den Novellen des Corpus iuris civilis und wurde Professor für griechische Sprache und für Jurisprudenz in Wien. Zu Tanner vgl.: R. von Stintzing: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 233–236; G. Kisch: Erasmus und die Jurisprudenz, 1960, S. 366f. (Fn. 31); H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 56ff. (Fn. 24); Art. „Tanner, Georg“, DBE 9, 1998, S. 656. Zum so genannten mos Gallicus siehe Kapitel 1.3.1, S. 66. Brief von Edelman an Guido Panziroli aus dem Jahre 1568, zitiert in: E. Veronese Cesaricciu: Edelman in Padova, 1981, S. 98. Biographische Angaben finden sich in L. Hajdukiewicz: Art. „Nidecki Patrycy“, PSB 22, 1977, S. 713–717; und W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983, S. 87f. Weiterführende Literatur zu Patrycy (hauptsächlich auf Polnisch) verzeichnet W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 297. Vgl. W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 23 (Fn. 59). Robortello sandte diese Widmung an Kromer mit Hinweis auf seine Freundschaft zu Patrycy. Kromer studierte lange in Italien bei Romolo Amaseo, Robortellos ehemaligem Lehrer (siehe oben S. 17), sowie bei dem humanistischen Rechtsgelehrten Andrea Alciato (1492–1550) in Bologna (vgl. H. Barycz: Art. „Kromer Marcin“, PSB 15, 1970, S. 319–325; W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983, S. 88; Art. „Cromer“, DBE 2, 1995, S. 403).
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Ein weiteres Mitglied der natio polonica war Franciszek Mas owski (lat. Franciscus Maslovius, 1530–1590), der in Padua in den Jahren 1553 bis 1557 Philosophie und Jura studierte und bei Robortello die humanitates hörte. Robortello und Mas owski pflegten ein enges Lehrer-SchülerVerhältnis, das von fachlicher und persönlicher Unterstützung und Wertschätzung getragen war – so lobte Mas owski ihn etwa im Vorwort zu seiner Ps.Demetrios von Phaleron-Übersetzung als jemanden, der die Rhetorik tam apte, tam distincte, tam exquisite pertractat.28 1557 löste Robortello seine Lehrverpflichtung in Padua auf und verschwand in aller Stille in Richtung Bologna. Der Streit mit Sigonio war eskaliert, als Robortellos Ars corrigendi erschien. Robortello wurde die Situation an der Universität Padua, die eng mit Venedig und dem Einflusskreis Sigonios verbunden war, unerträglich. An der Universität von Bologna kam Robortello an die Stätte seiner eigenen Ausbildung zurück. Inhaltlich konzentrierte er sich dort stärker auf historiographische Fragestellungen – aus dieser Zeit stammen zahlreiche Abhandlungen über römische Geschichte, die dort 1559 in einer Sammelschrift gedruckt wurden. Im Herbst 1561 machte der venezianische Senat Robortello ein günstiges Angebot, was ihn dazu bewog, nach Padua zurückzukehren.29 In Padua hatte Sigonio in der Zwischenzeit nach zähen Verhandlungen 1560 den Hauptlehrstuhl für die humanitates errungen. Wahrscheinlich bekam Robortello zunächst die niedrigere Stelle von Giovanni Fasolo. Als Robortello und Sigonio hier wieder aufeinander trafen, keimten die Feindseligkeiten erneut auf und dauerten so lange an, bis diesmal Sigonio das Feld räumte und seinerseits nach Bologna ging. Anschließend bekam Robortello in Padua seinen alten Hauptlehrstuhl wieder zurück. Er unterrichtete jetzt die humanitates und Moralphilosophie. Allerdings sollte sich sein Stand in Padua in den Folgejahren erneut verschlechtern. Um 1565 scheiterten offenbar Verhandlungen um einen Lehrstuhl in Neapel,30 und 1566 übernahm Giovanni Fasolo den Hauptlehrstuhl für die humanitates.31 So blieben Robortello in seinem letzten Lebensjahr nur noch Vorlesungen in Moral–––––––––––––– 28
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„... so überaus geschickt, so deutlich und bestimmt sowie so vorzüglich.“ F. Mas owski: Vorrede. In: Ps.Demetrios von Phaleron: De elocutione, transl. F. Mas owski 1557, fol. Aiiv. Angaben zu Mas owski aus B. Weinberg: Demetrius Phalereus (CTC), 1971, S. 34; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 112; J. Czerniatowicz: Art. „Mas owski“, PSB 20, 1975, S. 124f.; L’Europe des humanistes, 1995, S. 296. Vgl. E. Costa: La prima cattedra d’umanità nello Studio Bolognese, 1907, S. 33. Vgl. R. d. Maio: La mancata biografia di Paolo IV di Robortello, 1965. Vgl. dazu: W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983, S. 93, 97f. (Fn. 11). Giovanni Fasolo behielt diesen Lehrstuhl als alleiniger Vertreter der humanitates bis 1571, dann kam Antonio Riccoboni aus Rovigo (1541–1599) nach Padua, mit dem er nicht mehr konkurrieren konnte. Fasolo starb im gleichen Jahr.
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philosophie. Am 18. März 1567 starb Robortello verarmt im Alter von annos L. Menses VI. dies IX an einer Rippenfellentzündung.32 Robortellos Leben war von Unstetigkeit gezeichnet, die seinem ausgeprägten Verlangen nach beruflicher Anerkennung und den entsprechenden Posten an den angesehenen Universitäten geschuldet war – in mindestens einem Falle aber auch der Ausweglosigkeit und massiven Einschüchterung durch seine aufgebrachten Gegner, vor denen er dann Reißaus nahm. Dass seine Gelehrsamkeit und Kompetenzen zu seiner Zeit durchaus geschätzt waren, spiegelt sich in den universitären Stationen seiner beruflichen Laufbahn: Lucca, Pisa, Venedig, Padua, Bologna und nochmals Padua. Pisa war eng mit der Florentinischen Gelehrsamkeit verbunden, Venedig als Druckerstadt gelehrtes Zentrum vor allem für die Philologen und die Patavische Universität das wohl vornehmste Ziel der peregrinationes academicae des europäischen Gelehrtennachwuchses. Seine Studenten kamen aus mehreren Ländern und gehörten unterschiedlichen Konfessionen an. Neben den katholischen Polen waren etwa mit Basilius Amerbach auch Protestanten unter seinen Schülern. Er vermittelte den Studenten in Padua, die meist an der medizinischen oder juristischen Fakultät eingeschrieben waren, jene Kenntnisse in den alten Sprachen und der antiken Literatur, die sie dazu befähigten, nach philologischen Grundsätzen mit autoritativen Texten ihrer Disziplin – etwa mit dem Corpus iuris civilis oder mit Galen – umzugehen. Mit der Philologie und der Textkritik gab Robortello jene Gelehrsamkeit, die er selbst mit der Florentinischen Tradition eines Poliziano und Vettori aufgenommen hatte, an die neue Philologengeneration weiter, die ihrerseits zu Vertretern des mos Gallicus oder zu von Jaumann so genannten Iatrophilologen wurden.33 Die Heftigkeit, mit der Robortello seine Konflikte austrug, lag sicherlich in Robortellos aufbrausendem und wohl auch geltungsbedürftigen Wesen begründet. Allerdings spielte im Hintergrund auch ein zeitgenössischer Methodenstreit in diese Debatten hinein. Gegner Robortellos wie Manuzio, Sigonio oder Muret kritisierten nämlich an der Philologie polizianisch-vettorischer Prägung, sie beschränke sich auf die kleinteilige Unternehmung der Textrestitution – Aspekte der inhaltlichen Texterfassung, seiner literarischen und moralischen Ausdeutung dagegen grenze sie aus.34 –––––––––––––– 32
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Das gibt das Gedicht auf seinem Grabstein wieder, den Mitglieder der natio germanica und die Universität Padua stifteten. Im Wortlaut findet es sich in G. Ghilini: Teatro d’huomini letterati 2, 1647, S. 93; oder N. C. Papadopoli: Historia Gymnasii Patavini 1, 1726, S. 319. Guiseppe Pompella druckt eine Fotografie des Grabmals ab (Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 37). Vgl. H. Jaumann: Iatrophilologia, 2001. Zu diesem Methodenstreit siehe den ausführlichen Exkurs in Kapitel 1.1.4.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.1.2 Die Ars corrigendi und Robortellos humanistische Philologie Auch wenn sich Robortello mit seinem streitbaren Gemüt im Leben viele Feinde machte, so sind die philologischen Meriten weitgehend unbestritten, die er als Latinist und Gräzist erwarb.35 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ars corrigendi stand er auf dem Gipfel seiner Karriere und konnte auf eine ganze Reihe von Arbeiten zurückblicken. In seiner ersten Arbeit als Herausgeber antiker Autoren hatte sich Robortello Cicero gewidmet. Zusammen mit Lucio Giovanni Scoppa gab er 1544 in Venedig eine neue Ausgabe der Epistolae ad familiares heraus.36 Den mittig gesetzten Cicero-Text rahmen Kommentare und kritische Bemerkungen hochrangiger Gelehrter dieser Zeit wie Sebastiano Corradi (1510–1556), Angelo Poliziano, Piero Vettori, Philipp Melanchthon (1497–1560), Erasmus von Rotterdam (1467/9–1536), Guillaume Budé (1468–1540) und anderen. Diese Edition erfuhr noch mindestens zwei weitere Auflagen, in denen die Anzahl der Kommentare weiter erhöht wurde.37 Auf dem Gebiet der griechischen Literatur arbeitete Robortello nachweislich bereits seit Ende der 1540er Jahre zu Aischylos. Von den weit über 70 Stücken des Tragödiendichters aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert wählte im Rom des Hadrian (2. Jhd. n. Chr.) ein unbekannter Rezensent sieben Stücke aus. Nur diese sieben wurden im Zuge der Umschrift der antiken Literatur während des 3. und 4. Jahrhunderts von der Rolle auf den Kodex übertragen.38 Abgesehen von indirekt überlieferten Fragmenten sind alle anderen Stücke verloren. Die überlieferten Handschriften stammen aus Byzanz, wo Aischylos nach dem 9. Jahrhundert vielfältige philologische Beachtung erfuhr – im westlichen Mittelalter war er dagegen unbekannt. Allerdings wurden in der byzantinischen Überlieferung die sieben kanonisierten Stücke nochmals auf die so genannte Triade –––––––––––––– 35
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Beispielsweise war der Altertumswissenschaftler Ludwig von Urlichs (1813–1889) der Ansicht, dass Robortello unzweifelhaft Verdienste zukommen: „... Fr. Robortello (1516–67), Professor an verschiedenen Orten, mehrfach in Padua, ein gründlicher Hellenist, [war] ebenso in der lateinischen Litteratur und den Altertümern bewandert. [Seine Arbeiten] ... zeichnen sich durch Sorgfalt und Kenntnis, auch der Metrik aus. Er war auch der Erste, welcher in seiner Schrift: de arte s. ratione corrigendi antiquos libros den Anfang zu einer Theorie der Kritik gemacht hat.“ Geschichte der Altertumswissenschaft, 1892, S. 53. Von dem gebürtigen Neapolitaner Scoppa sind grammatikalische Schriften bekannt sowie philologische Bearbeitungen von Ovid, Persius und Vergil (vgl. Letteratura italiana 1991, S. 1613; L’Europe des humanistes, 1995, S. 385). Abgesehen von der Pariser Auflage von 1549 bei Roigny wurde diese Cicero-Edition 1557 ebenfalls in Paris mit weiteren Kommentaren – etwa von Andreas Alciato oder Petrus Ramus (1515–1572) – bei Jacob Dupuys veröffentlicht. Zur antiken und mittelalterlichen Text- und Überlieferungsgeschichte vgl. F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 199f.; E. Vogt: Art. „Aischylos“, DKP 1, 1964, Sp. 192–198; V. R. Lachmann/F. E. Cranz: Aeschylus (CTC), 1971, S. 6f.; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. XLIX–LIV.
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(Der gefesselte Prometheus, Sieben gegen Theben und Die Perser) beschränkt. Neue Impulse erfuhr die Aischylos-Philologie dann in Thessaloniki Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts, als zunächst Thomas Magistros (bis n.1346) ausführliche Scholien zur Triade schrieb. Anschließend verfasste Demetrios Triklinios (c.1280–1340) eine philologische Studie zu Aischylos und entdeckte in seiner Textrezension den Agamemnon und die Eumeniden wieder.39 Demetrios hinterließ zwei Textfassungen, von denen die zweite als Autograph überliefert ist (der Neapolitanus II.F.31, auch Farnesianus genannt). Als einzige Aischylos-Handschrift geht der so genannte Mediceus (eigentlich Laurentianus 32,9) aus dem 10. Jahrhundert in seiner Textfassung auf die spätantike Rezension zurück. Die editio princeps des griechischen Textes war eine Aldine von 1518, die den Text von sechs Tragödien umfasste (Der gefesselte Prometheus, Sieben gegen Theben, Die Perser, Agamemnon, Die Eumeniden, Die Schutzflehenden).40 1552 wurden – wahrscheinlich unabhängig voneinander – zwei Ausgaben mit einem verbesserten Text veröffentlicht. Eine Ausgabe stammt vom französischen Philologen und typographus regius Adrien Turnèbe (1512–1565),41 die andere von Francesco Robortello. Robortello brachte zuerst in einer editio princeps die byzantinischen Scholien heraus, die Kommentare von Maximos Planudes (c.1255– c.1305), Manuel Moschopulos (c.1265–c.1313), Thomas Magistros und Chalkondyles umfassen. Robortello widmete den Band einem gewissen Mariano Savelli (bis 1599).42 Zwischen der Veröffentlichung der Scholien und des Textes lagen einige Monate, in denen Robortello wahrscheinlich aufgrund der Einsichtnahme einer Kopie des Mediceus zu dem Schluss kam, dass der Agamemnon und die Choephoren bislang irrtümlich für ein einziges Stück gehalten worden waren. Robortello erkannte also als Erster, dass es sich eigentlich um sieben Aischylos-Dramen handelte. Er veröffentlichte die Textausgabe in Venedig unter dem Titel AISCULOU TRAGWDIAI EPTA. Aeschyli Tragoediae septem; geholfen hatten ihm dabei gelehrte Freunde, beispielsweise Mariano Savelli, der Aristoteles-Kom–––––––––––––– 39 40 41
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Vgl. dazu N. G. Wilson: Scholars of Byzantium, 1983, S. 247–253. Ausführliche Studien zur Aischylos-Philologie in der frühen Neuzeit sind J. A. Gruys: Early printed editions of Aeschylus, 1981 und M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984. Adrien Turnèbe war lecteur royal für die humanitates und dann für Griechisch am Collège de France. In das Amt des königlichen Druckers für griechische Literatur folgte Turnèbe 1551 dem nach Genf exilierten Robert Estienne (1503–1559), und löste damit die Druckerdynastie der Stephani in dieser Funktion ab. Vgl. zu Turnèbe M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 45f.; J. Letrouit: Turnèbe (Centuriae Latinae), 1997; sowie die intellektuelle Biographie von J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998. Zur Aischylos-Ausgabe vgl. M. MundDopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 46–57; und J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 120– 125. Über Savelli ist nur wenig bekannt, wie Monique Mund-Dopchie bemerkt: „... le jeune Mariano Savelli, dont on ne connaît pratiquement rien ...“. Siehe dort auch zu einigen Angaben zu Savelli (Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 26 (Fn. 12)).
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mentator Ludovico Castelvetro aus Mantua (c.1505–1571) und der Griechen Michael Sophianos aus Chios (c.1530–1565).43 Ebenfalls im Jahre 1552 veröffentlichte Robortello eine Ausgabe des im europäischen Mittelalter unbekannten militärstrategischen Handbuchs des Griechen Aelian aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert.44 Er stattete die Tactica theoria mit zahlreichen Illustrationen aus und veröffentlichte separat eine Übersetzung. Im Anhang der lateinischen Version findet sich auch die Übersetzung von Theodoros Gaza (c.1400–1475/6).45 Entgegen seiner Behauptung, er habe den Text aus mehreren alten Handschriften gewonnen, stützt er seine Ausgabe wohl nur auf eine – heute verlorene – Abschrift des Venetus Marcianus gr. 516 (Anfang 14. Jhd.).46 Eine weitere editio princeps besorgte Robortello von dem ästhetischen Traktat Perˆ Ûyouj, der zwar lange Zeit dem Longin zugeschrieben wurde, aber von einem Anonymus aus dem ersten Jahrhundert stammt.47 Für seine Ausgabe stützte sich Robortello wohl auf den Marcianus gr. 522, eine Abschrift des einzigen Hauptzeugen der Überlieferung (Ambrosianus, heute Parisinus gr. 2036).48 Er präsentiert den Text ohne Einleitung oder Kommentar, markiert aber unsichere Stellen mit textkritischen Zeichen und fügt dem Text Marginalnoten mit kurzen inhaltlichen und textkritischen Anmerkungen bei, die er – der entsprechenden Bemerkung im Titel zufolge – als eine Art Kommentar konzipiert bzw. als, so Robortello, annotationes, ... quae instar Commentariorum sunt (siehe Abbildung 3, S. 41). Mit der Ausgabe des Ps.Longin kam Robortello nur wenige Wochen Paolo Manuzio zuvor, der eine Edition zusammen mit einer lateinischen Übersetzung aus der Hand von Marc-Antoine Muret geplant hatte. –––––––––––––– 43
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Eine Beschreibung dieser Edition zusammen mit ausführlichen Zitaten aus dem Widmungsbrief und der Einleitung (beide an Mariano Savelli gerichtet) findet sich auch in S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 32ff. Vgl. dazu noch A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 58ff.; J. A. Gruys: Early printed editions of Aeschylus, 1981, S. 47–66; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 19–44; J. Irigoin: Tradition et critique des textes grecs, 1997, S. 119; J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 121f. Sophianos ist als Mitarbeiter von Robortello belegt (E. Gamillscheg/D. Harlfinger: Repetitorium der griechischen Kopisten 800–1600, 1989, Nr. 393, S. 149). Das war – entgegen Robortellos Behauptung (liber a Francisco Robortello Utinensi nunc primum Graece editus) – keine editio princeps. Vielmehr verzeichnet S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 18 eine vorgängige Ausgabe von 1532. Mit eigener Paginierung (fol. Ar–Civv) unter dem Titel Aeliani de instruendis aciebus opus ad divum Hadrianum: A Theodoro Thessalonicensi Latinum factum, & Antonio Panormitae Alphonsi Regis praeceptori dicatum. Vgl. dazu S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 18; A. Dain: Histoire du texte d’Élien, 1946, S. 303ff.; A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 63f.; E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 33; A. Dain: Les manuscrits, 1975, S. 162f. Vgl. hierzu F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 248; B. Weinberg: Bibliography of Longinus to 1600, 1950, S. 146f.; G. Damschen: Art. „Peri hypsus“, Volpi 1999, S. 1640. Vgl. C. M. Mazzucchi: La tradizione del PERI UYOUS, 1989.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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Schließlich brachte Robortello 1555 eine heute seltene KallimachosAusgabe auf den Weg.49 Robortello hatte sich bereits in seiner Zeit in Lucca mit Kallimachos beschäftigt, was dann in seine notae-Sammlung von 1543 einfloss. Die Edition erschien zusammen mit einer lateinischen Prosa-Übertragung und einigen byzantinischen Scholien. Viele von Robortellos Editionen sind kommentiert. Berühmt wurde sein Kommentar zur aristotelischen Poetik von 1548. Robortello redigierte und kommentierte den Text, als er in Pisa lehrte, und widmete ihn dem Medici-Fürsten Cosimo I. Dass der Kommentar erfolgreich war, zeigt die zweite verbesserte Auflage, die 1555 in Basel bei Johannes Herwagen (1497–c.1558) erschien. Robortello stattete den griechischen Text mit einer lateinischen Übersetzung aus, und mit einem ausführlichen Kommentar, den er Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica nannte. Die Explicationes waren die erste ausführliche neuzeitliche Kommentierung dieser Schrift und machten Robortello bis in die heutige Zeit bekannt, wobei er nunmehr hauptsächlich in der Literaturtheorie rezipiert wird.50 Robortellos Poetik-Kommentar wurde in seiner Zeit auch zum Ausgangspunkt für eine Debatte über zentrale Fragen der antiken Dichtungslehre, die in die Ars corrigendi hineinspielte. Gegenspieler Robortellos war dabei Vincenzo Maggi, der in seinem Kommentar zur aristotelischen Poetik auf der Grundlage der Arbeiten von Bartolomeo Lombardi (bis c.1540) aus Verona eine abweichende Interpretation der aristotelischen Dichtungslehre vorlegte. Gemeinsam mit Edition und Kommentar zu Aristoteles’ Poetik erschien unter dem Titel Paraphrasis ein Kommentar zu der literaturtheoretischen Abhandlung De arte poetica des Horaz.51
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Angaben nach S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 428. Sie wird ebenfalls erwähnt in: Kallimachos: Hymni et epigrammata, ed. R. Pfeiffer 1949, S. lxxiv und S. lxxxvii; A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 56f. Vgl. dazu etwa C. Diano: Robortello interprete della cartarsi, 1960; K.-J. Miesen: Das Wahre, Gute und Schöne in der Kontroverse zw. Robortello und Maggi, 1967; F. Donadi: La ‚catarsi storica' secondo Robortello, 1969/1970; B. Hathaway: Criticism in the late Renaissance, 1972, S. 214–224; G. Breitenbürger: Metaphora, 1975, S. 4–28; E. E. Ryan: Robortello and Maggi on Aristotle’s theory of catharsis, 1982; P. B. Diffley: Commentaries on the ‚Poetics‘, 1984; B. Vickers: Rhetoric and poetics, 1988, S. 718f. Allerdings wird der philologische Rahmen von Robortellos Beschäftigung mit poetologischen Themen in dieser Betrachtungsweise meist vernachlässigt. Allein Bernard Weinberg berücksichtigt die philologischen und textkritischen Grundlagen (Robortello on the ‚Poetics‘, 1952; Literary criticism in the Renaissance, 1963). Nicht greifbar war mir Gra yna Urban-Godziek: Elegia resansowa przemiany gatunku w polsce i w Europie, Krakau: Universitas 2005. Zu Robortellos Beschäftigung mit Horaz vgl. A. Greco: Art. „Robortello“, EO 3, 1998, S. 455.
28
Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Im gleichen Jahr 1548 erschien in einer Sammelschrift kleinerer philologischer Arbeiten eine Explicatio in Catulli Epithalamium, Robortellos Kommentar zu Catulls carmen 61.52 In dieser Sammelschrift finden sich auch seine Explanationes in Virgilium, ursprünglich eine Vorlesung, die Robortello in Pisa gehalten hatte. Ein Schüler Robortellos, ein gewisser Giovanni Battista Busdraghi aus Lucca, hatte diese Vorlesung zum ersten Buch der Aeneis von Vergil mitgeschrieben. In den nachfolgenden Jahren beschäftigte sich Robortello weiter mit Aristoteles. Die Disputatio in libros politicos Aristotelis ist eine schriftliche Fassung einer Vorlesung, die Robortello 1550 in Venedig über die Politik hielt und die 1552 gedruckt wurde.53 Außerdem existiert ein handschriftlich überlieferter Kommentar zur aristotelischen Topik, die Explanationes in Topica (heute: Vaticanus lat. 6528).54 Neben Editionen und Kommentaren finden sich in Robortellos Werk notae-Sammlungen, Zusammenstellungen kürzerer Bemerkungen zu einzelnen Stellen bei unterschiedlichen antiken Autoren. Ein erster Band solcher Annotationes erschien bereits 1543 und enthält Robortellos frühe textkritische Arbeiten aus seiner Zeit in Lucca. Eine zweite Auflage kam fünf Jahre später 1548 heraus und ist um einen Band erweitert. Neben unterschiedlichen text-, echtheits- und literarkritischen Problemerläuterungen einzelner Stellen bei den Griechen Aristoteles, Kallimachos, Philostrat und Herodian sowie den Römern Cicero, Caesar, Lukrez, Catull, Horaz, Tibull, Properz und Sueton nutzte Robortello diese Schrift auch für polemische Ausfälle gegen seine Philologenkollegen. So bemängelt er darin beispielsweise die Übersetzung von Diogenes Laertios’ (3. Jhd. n. Chr.) Skizze des Lebens des Kynikers Diogenes, die Erasmus von Rotterdam für seine Apophthegmata angefertigt hatte: Erasmus vir doctissimus, si illius opera legas, ita alicubi videbitur dormitasse, ut mireris. In apophthegmatis, quae ex Diogene Laertio vertit in latinum, legendis deprehendi hunc errorem: qui ut pateat apertius; subscribam primum Laertii verba graeca; deinde Erasmi conversionem et interpretationem. Postremo rationes, cur putem illum esse lapsum.55
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Vgl. dazu auch J. H. Gaisser: Catullus (CTC), 1992, S. 283. Beschreibungen dieses Bandes finden sich in T. Bozza: Scrittori politici italiani, 1949, S. 34f.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1980, S. 694. Angaben nach C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1980, S. 694. „Wenn man die Werke des überaus gelehrten Erasmus liest, dann scheint es, dass er gelegentlich geschlafen hat, sodass man sich wundert. Beim Lesen der Apophthegmata, in denen er [Stellen] aus Diogenes Laertios ins Lateinische übersetzte, bin ich auf einen Fehler gestoßen. Damit dieser ganz klar wird, gebe ich zunächst den griechischen Wortlaut des Laertios wieder, dann die Übertragung und Übersetzung des Erasmus. Schließlich die Gründe, warum ich glaube, dass er einen Fehler gemacht hat.“ F. Robortello: Annotationes 1543, S. 25v.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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Diese Kritik Robortellos an Erasmus von Rotterdam wurde übrigens in der Gelehrtengemeinschaft verschiedentlich als unverhältnismäßig empfunden. Eine prominente Verteidigung des Erasmus verfasste etwa Petrus Nannius (1496/1500–1557) im Buch 8 seiner SÚmmikta sive Miscellanea von 1548.56 Weitere zwei Bände solcher notae-Sammlungen erschienen schließlich 1557 zusammen mit der Ars corrigendi.57 Diese Annotationes stehen im Zusammenhang mit einer Debatte um Aspekte in der Historiographie, die wesentlich auf die Auswahl der antiken Schriften und der damaligen Herausgeber wirkte: In erster Linie wettert Robortello hier gegen ihm missliebigen Kollegen Carlo Sigonio und Paolo Manuzio und breitet teilweise bereits in der Ars corrigendi angeführte Beispiele noch einmal ausführlich aus. Die Ars corrigendi ist also nicht Robortellos einzige Methodenschrift – er hatte sich schon Gedanken zur Geschichtsschreibung (De historica facultate), zu verschiedenen literarischen Gattungen wie auch zur Rhetorik (De rhetorica facultate) gemacht.58 Betrachtet man die Ars corrigendi im Kontext des ganzen philologischen Werks von Robortello, dann erscheint sie als die Arbeit eines vielseitig interessierten Philologen, der sich sowohl textkritisch als Herausgeber als auch inhaltlich als Kommentator hervorgetan und dabei einen beträchtlichen Umfang an griechischer und lateinischen Literatur berücksichtigt hatte.
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Vgl. A. Polet: Petrus Nannius, 1936, S. 161ff. Für diese notae-Sammlung von 1557 bürgerte sich in der Folgezeit die Bezeichnung Emendationes im Gegensatz zu den Annotationes für die ersten beiden notae-Sammlungen von 1543 und 1548 ein – einer der ersten, der diese notae-Sammlungen so unterschied, war Sigonio in seinen eigenen Emendationes. Dies setzt sich auch in der Forschungsliteratur fort. Da Robortello selbst aber emendationes im Titel nicht verwendete, werden in der vorliegenden Untersuchung diese Schrift und seine beiden anderen notae-Sammlungen dennoch alle als Annotationes bezeichnet. Diese kürzeren Abhandlungen erschienen in einer Sammelschrift im Jahre 1548 (im Literaturverzeichnis unter Varia opuscula erfasst). Von diesem geschichtstheoretischen Traktat liegt ein Nachdruck (in E. Keßler: Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung, 1971, o. Pag.) vor, von den kürzeren literarkritischen Abhandlungen eine moderne Edition (in B. Weinberg: Trattati di poetica e retorica del cinquecento, 1970, S. 493–537).
30
Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.1.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta 1557 war für Robortello ein dramatisches Jahr. Allgegenwärtig war der Streit mit Carlo Sigonio, der jetzt eskalierte, und die Querele mit Paolo Manuzio. Robortello entschloss sich zu einem Rundumschlag in mehreren Schriften, die er in einem Band versammelte und 1557 veröffentlichte. Das Buch erschien in Padua bei Innocenzo Olmo, einem Verleger, der mit dem Drucker Grazioso Perchacino zusammenarbeitete.59 Entsprechend ist auf dem Titelblatt Patavii, Apud Innocentium Olmum vermerkt und im Kolophon dieser Ausgabe (fol. 59v) Patavii, Excudebat Gratiosus Perchacinus.60 Am Anfang steht die Schrift De convenientia supputationis (fol. *iir–Ar), in der Robortello (gegen Sigonio) zu beweisen versucht, dass die Angaben in den 1546 bei Ausgrabungen auf dem Forum Romanum entdeckten Inschriften der so genannten Fasti Capitolini mit den römischen Magistratslisten von Livius und Dionysios von Halikarnassos übereinstimmen.61 Hier gibt auch es auf fol. *iir bis *iiiv eine Vorrede, die an einen venezianischen Adligen namens Giovanni Donato adressiert ist. Den zweiten Beitrag bildet die Ars corrigendi (fol. Ar–B8v bzw. S. 1r–9v), die sich über 16 verhältnismäßig große Quartseiten erstreckt. Die notae-Sammlung Annotationes in zwei Büchern (fol. Cr–Pivr bzw. S. 9v–60r) schließt den Band ab. Das ganze Buch durchzieht eine mitunter beißende Polemik, mit der Robortello seine Gegner torpediert und die im Zusammenhang mit Debatten steht, in die Robortello verwickelt war (siehe dazu ausführlich Kapitel 1.1.4). Der Band verfehlte seine Wirkung nicht – Robortello fürchtete nach dem Erscheinen um sein Leben und verließ Padua überstützt. Allein ihre Textgeschichte macht allerdings deutlich, dass die Ars corrigendi nicht nur ein Polemiktraktat ist. Herausgelöst aus dem ursprünglichen Veröffentlichungszusammenhang wurde sie als selbstständige Abhandlung mehrere Male nachgedruckt: Sie erschien im Anhang von Kaspar Schoppes Ars critica von 1597 und auch noch einmal in ihrem Nach-
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In der Herzog-August-Bibliothek finden sich drei Exemplare: S: Alv.: Lo 308 (2) 2°, H: QuH 15 (3) und A: 154.1 Quodl. 2°. Das Exemplar A: 154.1 Quodl. 2° ist in einer digitalisierten Fassung frei im Internet abrufbar unter http://diglib.hab.de/drucke/154-1quod-2f-1/start.htm. G. Borsa: Clavis, 1980, S. 253. Sigonio hatte als erster (zutreffend) eine zweite, von den Chronologien von Livius, Dionysios von Halikarnassos und (von Livius abhängig) Cassiodor unabhängige, Tradition der römischen Konsularlisten festgestellt. Zur römischen Archäologie und den Fasti Capitolini vgl. ausführlich W. McCuaig: Fasti Capitolini and Roman Chronology in the 16th c., 1991, zu Robortellos De convenientia supputationis insbesondere S. 152f.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
Abb. 2: Das Titelblatt der Ars corrigendi
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
druck von 1662 (siehe Kapitel 1.3.3).62 Außerdem nahm der Heidelberger Gelehrte und Bibliothekar der Palatina Janus Gruter (1560–1627) die Ars corrigendi in den zweiten Band seiner philologischen Anthologie Lampas sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus von 1604 auf (S. 14–28). Schließlich publizierte noch der Mitbegründer der Göttinger Universität und Literärhistoriker Christoph August Heumann (1681–1764) die Ars corrigendi im Anhang seiner Commentatio de arte critica von 1747 auf den Seiten 70 bis 105. Heute liegt die Ars corrigendi in einer modernen Edition vor. Giuseppe Pompella veröffentlichte 1975 (in Neapel bei Luigi Loffredo) eine kritische Revision des Textes zusammen mit einer ausführlichen Einleitung und Kommentierung sowie einer italienischen Übersetzung. Diese Textfassung liegt meinen Ausführungen und Interpretationen der Ars corrigendi zugrunde. Die äußere Gestaltung des Textes divergiert von Ausgabe zu Ausgabe.63 Abgesehen von Abschnitten, die in den verschiedenen Ausgaben unterschiedlich gesetzt sind, ist der Text ein Fließtext ohne typographische Untergliederung. Ich zitiere ausschließlich nach der modernen Ausgabe, wobei sich die Länge des Textes hier auf sechzehn Seiten erstreckt. Angesichts der fehlenden typographischen Strukturierung des Textes müssen einige Abschnitte inhaltlich voneinander abgesetzt werden. Grob lassen sich eine Einleitung, zwei unterschiedlich lange Abschnitte des Hauptteils sowie eine Art Schluss ausmachen. In der Einleitung, die sich über knapp zwei Seiten erstreckt (S. 1/1–2/31), umreißt Robortello den Themenkreis Textkritik, wobei er insbesondere darauf eingeht, dass seine Ars corrigendi die erste Methodenlehre der Kritik darstellt und dass es sich bei der Textkritik um eine voraussetzungsreiche und anspruchsvolle Tätigkeit handelt.64 Desweiteren wendet sich Robortello der ars zu, also der Anlage und Zielsetzung der Kunstlehre. Entsprechend seiner Überzeugung, es handele sich bei der Textkritik um eine anspruchsvolle Tätigkeit, –––––––––––––– 62
63 64
Der moderne Herausgeber von Robortello, Guiseppe Pompella, übersah in seiner Rezension von Robortellos Text die Schoppe-Ausgabe von 1597, wahrscheinlich aufgrund der einfacheren Zugänglichkeit des erweiterten Nachdrucks aus dem Jahre 1662 (Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 26f.). Weitere Einzelheiten zur Textgeschichte und -gestalt können in der Einleitung zur Edition von Guiseppe Pompella nachgelesen werden: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 26–30. Die Ars corrigendi und Robortellos textkritische Methode werden in der Forschungsliteratur behandelt von: J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 141f.; A. Bernardini/ G. Righi: Concetto di filologia, 1953, S. 46f.; A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 65–70; E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 29–36; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 167; G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975; R. Stillers: Literaturtheorie in der ital. Renaissance, 1988, S. 139f.; B. Richardson: Print culture in Renaissance Italy, 1994, S. 109f.; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 160f.; J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 17–20.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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diskutiert Robortello am Ende der Abhandlung die Kompetenzen, mit denen Philologen ausgestattet sein sollen. Der Hauptteil, in dem Robortello die Methode der Textkritik vorstellt, umfasst zwei Abschnitte, in denen er anhand zahlreicher Beispiele zwei Verfahren der Textkritik erläutert. Die beiden Verfahren sind zum einen die Verbesserung mit Hilfe von Handschriften und zum anderen die Verbesserung mittels Konjektur. Der Handschriftenvergleich wird auf den Seiten 2/31 bis 5/12 nur kurz abgehandelt, und der Großteil der Ausführungen in diesem Abschnitt entfällt auf sachliche Exkurse. So schildert Robortello auf knapp einer Seite die Geschichte von Handschriften in der Antike und im Mittelalter, wobei er vor allem auf die Geschichte der so genannten langobardischen Schrift abhebt (S. 2/34–3/28). Daneben macht er einige Ausführungen zur Herstellung und Geschichte antiker Schreibmaterialien wie Papyrus und Pergament (S. 3/28–4/35). Im zweiten Abschnitt über Verfahren der Textkritik beschäftigt sich Robortello mit der Verbesserung von Handschriften mittels Konjektur, also einer Vermutung des Textkritikers (S. 5/13–15/7). Er unterscheidet zwei Instanzen, die bei der Verbesserung von Texten eine Rolle spielen, nämlich ‚innere Hilfsmittel‘ (i. e. Kompetenzen) und ‚äußere Hilfsmittel‘ (i. e. Handschriften). Daran schließt Robortello den längsten Abschnitt an (S. 7/34–15/7) und die gleichsam den Kern der Ars corrigendi bildende Klassifizierung von acht Arten von Konjekturen, die er jeweils ausführlich mit Beispielen erläutert. Dieser Abschnitt fällt auch deswegen so lang aus, weil Robortello seine Ausführungen zu den entsprechenden Lesarten und ihren Verbesserungen extensiv auch dazu nutzte, polemische Invektiven gegen seine Gegner zu formulieren und sich so in philologischen Debatten zu positionieren. Im letzten Abschnitt der Ars corrigendi (S. 15/8–16/36) spricht Robortello schließlich über die Rolle der fides, der Verlässlichkeit der Arbeit von Philologen, die von ihren Kompetenzen sowie von ihrem Umgang mit Handschriften beim Verbessern abhängt. In diesem Zusammenhang nennt er vorbildhafte Philologen und diskutiert das Problem von Texten, die nur schwach bezeugt sind. Auch geht er auf seine eigene fides ein, die er wegen seiner philologischen Arbeiten und seines Umgangs mit Handschriften gewährleistet sieht. Den Abschluss der Abhandlungen bildet ein scharf formulierter Angriff auf missliebige Kollegen.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.1.4 Robortellos Kontroversen und die Ars corrigendi als Polemiktraktat Robortello war in eine ganze Reihe von Debatten verwickelt, die sich erheblich auf sein Leben auswirkten. Sie waren außerdem ein wichtiger Bezugsrahmen für sein philologisches Schaffen und beeinflussten die Verfasstheit seiner Verbesserungslehre. In der Ars corrigendi spielen gleich mehrere Auseinandersetzungen eine Rolle, die sich in der Sprache, in der Auswahl der besprochenen Stellen und in der Schärfe der Ausfälle gegen missliebige Kollegen spiegeln. Robortello stritt mit Vincenzo Maggi um die aristotelische Poetik und Maggis Explanationes von 1550, er polemisierte gegen die Ausgabe der Anacreontea von Henri Estienne (lat. Henricus Stephanus, 1531–1598) und machte abfällige Bemerkungen über die TerenzPhilologie von Marc-Antoine Muret. Besonders heftig fallen die Beschimpfungen aus, mit denen Robortello Paolo Manuzio und Carlo Sigonio überzog. 1.1.4.1 Die Auseinandersetzung mit Carlo Sigonio Carlo Sigonio wurde 1522 oder 1523 in der Nähe von Modena geboren.65 Er studierte in Modena, wo ihn Antonio Bendinello (1515–1575) unterrichtete, mit dem er sich später wegen eines Plagiatvorwurfs zerstritt.66 Robortello stellte sich übrigens in diesem Streit auf die Seite Bendinellos und zitierte dessen P. Cornelii Scipionis Vita (1549) in der Ars corrigendi als sachliche Rechtfertigung einer Lesart.67 1538 wechselte Sigonio an die Universität Bologna, wo er Philosophie und Medizin hörte sowie die humanitates bei Romolo Amaseo, der schon Robortellos Lehrer in Bologna gewesen war (siehe Kapitel 1.1.1, S. 17). Nach drei Jahren ging er nach Pavia, wo er Vorlesungen in Philosophie und Physik besuchte. Sigonio unterrichtete nach seinem Studium 1546 in Modena Griechisch und konkurrierte 1548 vergeblich mit Robortello um einen Lehrstuhl für Latein in Venedig. Das Zerwürfnis zwischen Robortello und Sigonio begann bereits 1550, als Sigonio Robortellos Abhandlung über die Namen der Römer kritisierte. 1551 ging Robortello von Venedig aus an die berühmte Univer–––––––––––––– 65
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Angaben zu Sigonio finden sich in: P. Costil: Paul Manuce à Padoue, 1932, S. 330ff.; A. H. McDonald: Livius (CTC), 1971, S. 345f.; W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983; W. McCuaig: Sigonio, 1989; A. Ottaviani: Art. „Sigonio“, EO 3, 1998, S. 477f. Angaben zu Bendinello aus: Art. „Bendinelli“, Jöcher 1, 1710, Sp. 950; Art. „Bendinellus“, Zedler 3, 1733, Sp. 1099; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 110; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 3, 7, 63f. Rob. Ars corr., 1557, S. 8/15–18.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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sität in Padua, und als seinen Nachfolger berief man – noch auf Robortellos eigene Empfehlung – Sigonio. Venedig und die venezianische Universität in Padua waren die Hauptschauplätze der Debatte zwischen Sigonio und Robortello. In Venedig war Sigonio eng mit seinem Verleger Paolo Manuzio verbunden. Außerdem stand er mit Marc Antoine Muret in Kontakt, einem Freund von Manuzio, der von 1554 bis 1557 hier lehrte. In der Folgezeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Sigonio und Robortello schnell, und die gegenseitige Verachtung ging so weit, dass sie einander sogar körperlich bedrohten. Eine zunehmende Rolle spielte dabei auch die immer stärker werdende persönliche Konkurrenz, da Sigonio ebenso wie Robortello nach dem prestigeträchtigen Lehrstuhl für die humanitates in Padua trachtete. Offenbar errang Sigonio in dem sozialen Ränkespiel allmählich die Oberhand – jedenfalls wurde die Situation für Robortello in Padua 1557, also zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ars corrigendi, unerträglich. Robortello verließ die Stadt und suchte sich in Bologna eine neue Anstellung. Nach dem Weggang Robortellos bemühte sich Sigonio um eine Versetzung auf die jetzt vakante Stelle in Padua. Für diese Belange spannte er auch die polnischen Studenten ein, unter anderem Robortellos Schüler Patrycy.68 Sigonios Bemühungen um den Hauptlehrstuhl für die humanitates in Padua blieben lange erfolglos. Erst 1560 übernahm er diesen ehrenvollen Posten. Nachdem es Kardinal Girolamo Seripando aus Bologna (1493–1563) zunächst einmal gelungen war, den Streit zwischen Robortello und Sigonio zu schlichten,69 eskalierte die Situation völlig, als Robortello 1561 nach Padua zurückkehrte und Sigonio und Robortello sich hier wieder begegneten.70 In ihrem Schlagabtausch scheuten sie keine persönliche Diffamierung und Denunziation, wodurch eine äußerst feindselige und verleumderische Atmosphäre entstand. Ein Ende hatte diese unrühmliche Episode erst, als Sigonio 1563 seinerseits Padua verließ und einen Lehrstuhl in Bologna annahm, an dem er bis zu seinem Tod 1584 lehrte. Eine wichtige Ursache des Streits zwischen Sigonio und Robortello lag, wie bereits erwähnt, in ihrer Konkurrenz um akademische Posten. Richtig verständlich werden der dramatische Verlauf und die Erbitterung, mit der die Kontroverse geführt wurde, jedoch erst, wenn man sich die –––––––––––––– 68 69
70
Vgl. dazu W. McCuaig: Patricius, Sigonio, Panvinio, and the Polish nation at Padua, 1983, S. 88. Vgl. J. H. Gaisser: Catullus (CTC), 1992, S. 284; P. Costil: Paul Manuce à Padoue, 1932, S. 340. Nach Pierre Costil war Seripando ein Freund von Paolo Manuzio. Costil erwähnt in diesem Zusammenhang die Existenz eines Briefes von Manuzio an Robortello, in dem Manuzio seine Zufriedenheit über die Beendigung des Streites äußert. Auszüge dieses Briefs finden sich in G.-G. Liruti: Vite ed opere da letterati del Friuli 2, 1762, S. 435. Seripando war es auch, auf dessen Initiative die Kurie später Paolo Manuzio nach Rom berief (vgl. J. Bignami Odier: La bibliothèque Vaticane de Sixte IV à Pie XI, 1973, S. 49). Vgl. dazu W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 42–49, 54f.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
inhaltlichen Streitpunkte, die einzelnen Veröffentlichungen sowie den Einsatz für oder gegen andere Gelehrte und die Gründe dafür vor Augen führt. Sigonios Tätigkeit als Gelehrter erstreckte sich vor allem auf die lateinische Philologie, auf die Herausgabe von Schriften des römischen Geschichtsschreibers Livius und auf das Verfassen eigener historiographischer Abhandlungen. Ganz entsprechend kreiste auch die Debatte Robortellos mit Sigonio um Themen und Texte römischer Historiographie.71 Die beiden Gelehrten stritten sich zum einen um die Herkunft und Bedeutung von römischen Namen und zum anderen um den Text und die Kommentierung von Livius. Diese Debatte stand im Hintergrund der Ars corrigendi und erklärt die zahlreichen Anmerkungen und Andeutungen, die Auswahl des philologischen Gegenstands und den polemischen Stil der Abhandlung. Robortello nennt Sigonio an sieben Stellen in der Ars corrigendi und führt ihn stets als negatives Beispiel für Textkritik an.72 An einer Stelle führt Robortello ein Beispiel folgendermaßen aus: Quare reprehendendus est Sigonius, qui in lib. De nominibus Rom. cap. 26, quod inscribitur a corporis partibus, statuit Silos et Simos a naso dici, atque de Simis cum afferre vult testimonium, citat Plin. lib. XI cap. 59, ubi leguntur verba illa, quae ego superius adscripsi. Certe Simos nullus veterum, qui Latine locuti sunt, protulit ut cognomentum, nec enim unquam apud Rom. fuit in usu. Quid igitur nugatur Sigonius? vel quis illius non perspiciat inscitiam?73
Robortello wirft Sigonio vor, falsche Schlüsse über die Namensgebung aus dem Zeugnis von Plinius zu ziehen. Damit zeige Sigonio seinen Unverstand (inscitia). Konkret bezieht sich Robortello hier auf eine Stelle in Sigonios De nominibus Romanorum, eine Abhandlung, die Sigonio als Beitrag zu der laufenden Auseinandersetzung mit Robortello 1555 verfasste. Diese Debatte begann, als Robortello 1548 in seiner Sammlung kleinerer Schriften eine Abhandlung De nominibus Romanorum veröffentlichte und Sigonio sie in seiner Entgegnung De praenominibus Romanorum (1550) scharf –––––––––––––– 71 72 73
Die folgende Darstellung dieser guerra letteraria orientiert sich an W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 24–30. Vgl. außerdem: G.-G. Liruti: Vite ed opere da letterati del Friuli 2, 1762, S. 427–430; A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 71f. Rob. Ars corr., 1557, S. 7/3–14, 7/22–31, 8/34–9/5, 11/26–33, 11/33–12/4, 12/5–9, 14/23–29. „Daher muss Sigonius getadelt werden, der in seinem Buch De nominibus Romanorum, im Kapitel 26, das mit A corporis partibus überschrieben ist, feststellt, dass [die Namen] Sili und Simi von der Nase abgeleitet werden. Und als er für Simi einen Beleg anbringen will, zitiert er Plinius, Buch 11, Kapitel 59, wo jene Wörter zu lesen sind, die ich weiter oben notiert habe. Sicherlich führte keiner der Alten, die Latein sprachen, Simus als Beinamen auf, denn er wurde bei den Römern niemals benutzt. Was schwätzt Sigonius also nur herum? Und wer könnte seinen Unverstand übersehen?“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/34–9/5 (Hervorhebung in ed. 1975).
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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kritisierte.74 Trotz dieses Angriffs scheint ihr Verhältnis noch so weit in Ordnung gewesen zu sein, dass sich Robortello 1551/1552 erfolgreich für Sigonio als Nachfolger seines Lehrstuhls in Venedig einsetzte. Allerdings schickte er eine Kritik von Sigonios De praenominibus nach, die er 1554 in einem Vorwort für einen Nachdruck von Fragmenten der Fasti 1555 formulierte.75 Auf diese Schrift reagierte Sigonio wiederum mit einer Abhandlung De nominibus Romanorum, die 1555 in der zweiten Auflage der Fasti-Ausgabe von Sigonio erschien und auf die sich Robortello wohl in dem hier zitierten Textstück bezieht. Die weitere Auseinandersetzung kreiste um drei Arbeiten von Sigonio: um Verbesserungen des Textes von Livius in Sigonios Edition von 1555, um die Anmerkungen, die Sigonio dieser Livius-Ausgabe als Scholia beigegeben hatte, und um die ebenfalls dort veröffentlichte Chronologia. Mit der Livius-Edition griff Sigonio die Arbeit mehrerer Philologen vor ihm auf. Nach den frühen Bearbeitungen durch Francesco Petrarca (1304–1374) und Lorenzo Valla (1407–1457) war die editio princeps des Livius-Textes 1469 in Rom einer der ersten lateinischen Drucke überhaupt.76 Neben weiteren italienischen Editionen wurde Livius-Philologie auch innerhalb oberrheinischer Gelehrtenkreise betrieben. Diese Gelehrten hatten große Fortschritte in der Philologie römischer Historiographen erzielt, die Texte in verbesserten Versionen zur Verfügung gestellt und grundlegende Kenntnisse über römische Geschichte erarbeitet. Eine wichtige Edition besorgte 1531 der für Johannes Froben (c.1460–1527) arbeitende Simon Grynäus (1493–1541) in Basel.77 Diese Ausgabe ist für die Geschichte der Livius-Philologie deshalb bedeutsam, weil sie die editio princeps der bis dahin unbekannten Bücher 41 bis 45 war, die eine von Simon Grynäus in der Klosterbibliothek Lorsch 1527 entdeckte Handschrift (der so genannte Laureacensis) beherbergte. Wichtige Beiträge zur Livius-Philologie waren außerdem die Froben-Edition aus dem Jahre 1535 von Beatus –––––––––––––– 74 75
76 77
Erschienen ist diese Abhandlung in Sigonios erster Auflage der Fasti, Modena bei Antonio Gadaldini 1550, auf fol. Er–E6r. Diese Ausgabe war mir nicht greifbar (Angaben aus W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 10 (Fn. 20)). Bei diesem Nachdruck handelt es sich um die von Bartolomeo Marliani (1488–1566) besorgte Ausgabe der Fasti-Fragmente (Rom 1549), den Robortello 1555 in Venedig besorgte. Den Brief von Robortello gibt es auch im Nachdruck (Federico Patetta: Appunti su Carlo Sigonio. In: Atti e memorie della R. Deputazione di storia patria per le provincie modenesi s. 5, 6, 1910, S. 39–48 (Angaben aus W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 28f.)). Zur Editionsgeschichte des Livius-Textes vgl. J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 96f.; L. D. Reynolds: Livy (Texts & transmission), 1983; J. F. D’Amico: Textual criticism of Rhenanus, 1988, S. 126f.; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 23. Vgl. dazu C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 156ff.; L. D. Reynolds: Livy (Texts & transmission), 1983, S. 214; J. F. D’Amico: Textual criticism of Rhenanus, 1988, S. 127; H. Scheible: Brief von Grynaeus an Camerarius, 1989, S. 144.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Rhenanus (1485–1547) und Sigismund Gelenius (1497–1554)78 sowie die Annotationes in Livium von Heinrich Glarean (1488–1563).79 Sigonios Edition stützte sich auf die Ausgabe von Michel Vascosan, die 1552 in Paris erschienen war und die verschiedenen notae-Sammlungen der bisherigen Bearbeiter umfasste. Darunter waren auch die nochmals abgedruckten Annotationes von Glarean, die Sigonios eigene Ausführungen in seinen Scholia maßgeblich motivierten. Sigonio veröffentlichte den von ihm verbesserten Livius-Text unter Auslassung der Kommentare seiner Vorgänger nur mit seinen eigenen Scholia, in denen er allerdings gegen Glarean polemisierte.80 Der lange bei Froben als Korrektor tätige Glarean beschwerte sich darüber beim Basler Drucker Johannes Herwagen in einem Brief von 1555.81 Robortello solidarisierte sich mit Glarean und druckte den Brief im Zusammenhang mit dem Streit mit Sigonio 1557 ab. Sigonio reagierte auf diese Zurechtweisung 1557 in seinen Emendationes in einem eigenen Abschnitt Mea adversus Henricum Glareanum opinio defensa.82 In der Ars corrigendi geht Robortello auf diesen Streit zwar nicht eigens ein, er dürfte aber den Hintergrund für die Erwähnung Glareans als vorbildhafter Philologe bilden, genauso wie Robortello an der gleichen Stelle auch Beatus Rhenanus und dessen Livius-Arbeit lobend hervorhebt.83 Neben den Scholien veröffentlichte Sigonio in seiner Livius-Edition noch die Chronologia. Dabei handelt es sich um eine Abhandlung, in der Sigonio die Unterschiede zwischen der Chronologie der Magistratslisten bei Livius und den so genannten Fasti Capitolini beschreibt, also jener Marmorinschriften auf dem Kapitol, die 1546 bei Ausgrabungen auf dem Forum Romanum entdeckt worden waren. Robortello versuchte in De convenientia supputationis, die 1557 zusammen mit der Ars corrigendi erschienen war, (zu Unrecht) zu beweisen, dass die Chronologien von Livius und Dionysios von Halikarnassos mit den Fasti consulares übereinstimmen. Da Sigonio die Bögen von Robortellos Schrift schon vor dem Erscheinen einsehen konnte, verfasste er dazu eine Entgegnung, die einige Monate später ebenfalls in seinen Emendationes erschien.84 –––––––––––––– 78 79 80 81 82 83 84
Diese Ausgabe besitzt Lesarten von zwei heute verlorenen Handschriften (F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 114; J. F. D’Amico: Textual criticism of Rhenanus, 1988, S. 127–136). Mir war die Auflage von 1543 greifbar. Erschienen 1540, ich konnte den französischen Nachdruck von 1542 einsehen. Vgl. W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 24f. Auszug des Briefes in A. H. McDonald: Livius (CTC), 1971, S. 343f. Vgl. Zu dieser ganzen Debatte auch S. 343–346. C. Sigonio: Emendationes, 1557, S. 41r–44v. Rob. Ars corr., 1557, S. 15/22–26. C. Sigonio: Emendationes, 1557, S. 1r–8r. Die archäologischen Hintergründe erläutert W. McCuaig: Fasti Capitolini and Roman Chronology in the 16th c., 1991, hier S. 152f.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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Schließlich wurden Verbesserungen am Livius-Text von Sigonio Gegenstand der Auseinandersetzung. Robortello kritisierte sie in seinen Annotationes, die wie De convenientia supputationis mit der Ars corrigendi 1557 in einem Band erschienen waren. Ebenso bemängelt Robortello in der Ars corrigendi selbst Sigonios Umgang mit Livius: Ablatione, de qua loquebamur, in corrigendo caute est utendum, ne nobis accidat quod correctori Livii novo, qui corrumpit verba Livii ... Tu igitur audes hoc tollere, o Sigoni?85
An dieser Stelle, wo Robortello Konjekturen mittels ablatio (Tilgung) bespricht, rügt er Sigonio wegen einer unzulässigen Streichung im LiviusText. Dabei macht er darauf aufmerksam, dass man dieses Verfahren nur caute (zurückhaltend) anwenden sollte. Eine weitere Parteinahme Robortellos gegen Sigonio verschärfte 1557 die Situation zwischen ihnen noch einmal erheblich und führte dann zum endgültigen Bruch: Robortello bekam einen (auf Italienisch verfassten) Brief von Gabriele Faerno (1510–1561) an Paolo Manuzio in die Hände und ließ ihn ohne das Einverständnis des angesehenen und hoch gelehrten Bibliothekars der Vaticana 1557 in Mailand unter dem Titel Epistola qua continetur censura emendationum Livianarum Caroli Sigonii drucken.86 In diesem Brief kommt Faerno der Aufforderung Paolo Manuzios nach, die Eingriffe des Sigonio im Text von Livius zu prüfen, und beurteilt Sigonios Arbeitsweise überaus negativ. Er verbessert die Eingriffe von Sigonio und ergänzt die Arbeit durch weitere eigene Eingriffe in den Livius-Text. Er wirft Sigonio vor, eine unkritische Auswahl der Manuskripte getroffen und zu wenig umsichtig gearbeitet zu haben. Dass Faerno nach dem Druck den vertraulich gemeinten Inhalt des Briefes zurücknimmt, veranschaulicht aber, wie sehr die Veröffentlichung vom Bestreben Robortellos geleitet war, seinen Gegner Sigonio als Gelehrten zu verleumden. Sigonio antwortete auf die Attacken Robortellos mit seinen Emendationes, einer notae-Sammlung, die im gleichen Jahr 1557 nach der Ars corrigendi erschien. Sigonio knöpft sich hier gleich eine ganze Reihe von Robortellos Schriften vor: Auf den Seiten 1r bis 8r geht er auf Robortellos Bemerkungen De convenientia supputationis ein sowie auf den Seiten 8v bis 17r auf die –––––––––––––– 85
86
„Mit der Auslassung, von der wir sprachen, ist beim Verbessern vorsichtig umzugehen, damit uns nicht das [gleiche] passiert wie dem neuen Korrektor des Livius, der die Worte des Livius verdirbt ... . Du wagst es also, dieses [Wort] zu streichen, o Sigonio?“ Rob. Ars corr., 1557, S. 11/26–33. Vgl. L. Ceretti: Critica testuale a Terenzio del Faerno e Manuzio, 1954, S. 526–529; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 66; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 27f. Nachgedruckt wurde dieser Brief nach Faernos Tod in: Francesco Robortello: Ephemerides Patavinae, 1562, S. 47–52 (mit einer zweiseitigen Zählung) sowie in einer Livius-Ausgabe des 18. Jahrhunderts (ed. A. Drakenborch, Bd. 7, 1746, S. 245–249). Zur Person Faernos siehe S. 46.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
im gleichen Band erschienene Ars corrigendi, wobei er die zentralen Stellen der Ars corrigendi ausführlich zitiert und verteidigt. In gleicher Form bespricht und verteidigt Sigonio dann auch die von Robortello in seinen Annotationes von 1557 beanstandeten Stellen, und zwar auf den Seiten 17v bis 39v sowie 46v bis 52r Stellen aus dem ersten Band und auf den Seiten 52v bis 92r Stellen aus dem zweiten Band. Im Widmungsvorwort des zweiten Bandes der Emendationes druckt Sigonio dann Robortellos Abhandlung De nominibus Romanorum vollständig ab (S. 94v–95v) und erläutert seine Sichtweise anschließend auf den Seiten 95v bis 124v in aller Ausführlichkeit. Außerdem bespricht er im weiteren Verlauf der Emendationes Stellen aus den notae-Sammlungen Robortellos von 1543 bzw. 1548 (S. 125r–148r), um am Ende noch auf Robortellos Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica einzugehen (S. 148v–155r) sowie das Vorwort zur Alian-Übersetzung (S. 155v–157r) zu diskutieren. 1.1.4.2 Das Gerangel um die Ps.Longin-Ausgabe Neben Sigonio wird auch dessen Freund Paolo Manuzio zur Zielscheibe für Robortellos Angriffe. Der Sohn und Erbe des Aldo und dessen venezianischer Offizin hatte seine Ausbildung unter anderem bei dem Latinisten Giovanni Battista Egnazio genossen, einem Gelehrten, mit dem Robortello zu seiner Zeit in Venedig verfeindet war und dem er ungenügende Bildung vorgeworfen hatte (siehe Kapitel 1.1.1, S. 18).87 Manuzios Sympathien für Robortello dürften von Anfang an wenig ausgeprägt gewesen sein. 1533 übernahm er die Druckerei, doch beschränkte er sich ebenso wenig wie sein Vater auf die Tätigkeit als Verleger, sondern tat sich auch als Philologe hervor, unter anderem mit einer großen CiceroAusgabe (Venedig 1540–1547).88 Manuzios Tätigkeit als Philologe nimmt sich Robortello zum Anlass, ihn an fünf Stellen in der Ars corrigendi anzugehen.89 Robortello kritisiert dabei eine notae-Sammlung Manuzios zu Cicero (Scholia von 1543)90 und mehrere Stellen seiner Cicero- und Asconius-Textkritik. Das Verhältnis zwischen Robortello und dem angesehenen –––––––––––––– 87
88 89 90
Angaben zu Paolo Manuzio finden sich in: Nomenclator philologorum, 1871, S. 355; W. Pökel: Philologisches Schriftsteller-Lexikon, 1882, S. 167; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 100f.; P. Costil: Paul Manuce à Padoue, 1932; H. Gerstinger: Sambucus’ Briefe, 1968, S. 23f.; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 112; M. J. C. Lowry: Art. „Paolo Manuzio“, Contemporaries of Erasmus 2, 1986, S. 380f. Diese Gesamtausgabe setzt sich aus sechs Einzelausgaben zusammen und trägt deswegen keinen übergeordneten Kollektivtitel. Rob. Ars corr., 1557, S. 12/16–20, 12/27ff., 12/31–13/6, 13/31–14/1, 14/10ff. Manuzios Scholia erschienen zuerst in seiner Cicero-Gesamtausgabe, mir war der Nachdruck bei Robert Estienne aus dem gleichen Jahr zugänglich.
1.1 Die Disputatio de arte corrigendi von 1557
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Verleger war auch deswegen belastet, weil sie teilweise an gleichen Texten arbeiteten und damit zueinander in direkter Konkurrenz standen: So publizierte Robortello 1554 die editio princeps von Perˆ Ûyouj des Ps.Longin (Abbildung 3)91 und kam damit Manuzios Edition (mit einer Übersetzung Murets) nur wenige Wochen zuvor.92 Das dürfte auch ein Hinweis darauf sein, warum Robortellos Edition im fernen Basel von Johannes Oporin (1507–1568) verlegt wurde, einem Drucker, der mit den Pressen in Venedig konkurrierte und ein ganz ureigenes Interesse hegte, einer venezianischen Veröffentlichung den Rang abzulaufen.93 Der Text des Ps.Longin beinhaltet darüber hinaus eine Sappho-Ode, die sonst nur in der lateinischen Übertragung von Catull (carmen 51) überliefert ist und die Robortello, wie bereits erwähnt (siehe Kapitel 1.1.2, S. 28), schon 1548 kommentiert hatte.94 Nach der Veröffentlichung von Robortellos Ausgabe platzte das gemeinsame Editionsprojekt zwiAbb. 3: Das Titelblatt von Robortellos schen Muret und Manuzio – jeder editio princeps des Ps.Longin von 1554 sollte in der Folgezeit eigene Publikationen aus dieser Arbeit hervorbringen: Muret veröffentlichte die Ode der Sappho herausgelöst aus dem Ps.Longin in seinem Kommentar zu Catull ein paar Monate nach Robortello.95 Manuzio wiederum brachte den griechischen Text ohne die geplante Übersetzung von Muret ein Jahr später heraus.96 Die Übersetzung Murets dagegen wurde nie gefunden. –––––––––––––– 91 92 93 94 95 96
Das hier abgebildete Exemplar gehörte dem Gräzisten Martin Crusius (1526–1607) und befindet sich heute im Bestand der Universitätsbibliothek Tübingen. Vgl. dazu B. Weinberg: Bibliography of Longinus to 1600, 1950. Siehe dazu Kapitel 1.1.2. Weiterführend zur Ausgabe von Paolo Manuzio ist noch G. Costa: P. Manuzio e lo Ps.Longino, 1984. Zu Oporin vgl. M. Steinmann: Johannes Oporinus, 1967. Vgl. M. Morrison: Estienne and Sappho, 1962; J. H. Gaisser: Catullus and his Renaissance readers, 1993, S. 163f.; E. Pöhlmann: Art. „Textgeschichte“, DNP 12/1, 2002, Sp. 211–222, hier: Sp. 211. M.-A. Muret: Commentarius in Catullum, 1554, S. 57v–58r. Angaben zu Murets Catull-Kommentar auch in M. Morrison: Estienne and Sappho, 1962, S. 389. Ausführliche bibliographische Angaben zu Manuzios Ausgabe bei B. Weinberg: Bibliography of Longinus to 1600, 1950, S. 147.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Obwohl sie in ihren Ausgaben mit diesem Text arbeiteten, beziehen sich weder Manuzio auf Robortellos editio princeps des Ps.Longin noch Muret auf dessen Sappho-Erstausgabe. Robortello selbst äußerte sich 1557 dazu: Gleich zu Beginn des ersten Buchs der Annotationes – im Kapitel mit der Überschrift Graeca Ode Sapphus restituta, ac emendata, quam Catullus in Latinum verterat – gibt er sowohl die griechische Sappho-Ode als auch die lateinische Übersetzung von Catull wieder.97 In diesem Zusammenhang stehen auch die Andeutungen Robortellos auf die Arbeiten des Philologen und Druckers Henri Estienne:98 Quare perridiculus est is, qui nuperrime, editis quibusdam insulsi hominis Graeci lusibus, Anacreontis odas esse scribit, hoc utens argumento, quod in cortice essent descripti: ut hac ratione scilicet nobis imponeret.99
Robortello bezeichnet ihn als überaus lächerlich und kritisiert seine im Jahre 1554 in Paris erschienene editio princeps der Anakreonteen.100 Es handelt sich um Gedichte, die fälschlicherweise dem Lyriker Anakreon von Teos aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert zugeschrieben wurden, tatsächlich aber wohl um die Zeitenwende und später entstanden. Diese Textausgabe der Anacreontea ist insofern Teil der Debatte um die Sappho-Ode, als Estienne der zweiten Auflage von 1556 die von Robortello zum ersten Mal edierte Ode Sapphos anhängte, ihn aber ebensowenig wie Muret und Manuzio in diesem Zusammenhang nannte.101 Robortello kontert hier nun damit, dass er die Autorschaft Anakreons bezweifelt und Estienne vorwirft, er mache bei seiner Anacreontea-Edition falsche Angaben zu den verwendeten Handschriften.102 Dabei bezieht sich Ro–––––––––––––– 97 98
F. Robortello: Annotationes, 1557, lib. 1, cap. 1, S. 9r–9v. Etienne verkehrte in Paris in den Kreisen der Pléiade und arbeitete nach dem Fortgang seines Vaters Robert nach Genf in der familiären Druckerei, die sein Onkel Charles übernommen hatte. Im Jahre 1556 gründete Henri seine eigene Offizin in Genf. Sein Lebenswerk wurde die Herausgabe des auf der Grundlage von Guillaume Budés lexikographischer Arbeit (Commentarii Linguae Graecae) ausgearbeiteten Thesaurus linguae Graecae, der im Jahre 1572 erschien und Henri materiell völlig zugrunde richtete. Angaben zu Estienne etwa in: H. Widmann: Henricus II Stephanus, 1970; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 126f.; K. Lloyd-Jones: Philology and philosophy in the translations of Estienne, 1994; C. Demaizière: Henri Estienne (Centuriae latinae II), 2006. 99 „Deswegen ist derjenige überaus lächerlich, der kürzlich einige Spielereien eines abgeschmackten Griechen herausgab und schrieb, dass sie die Oden des Anakreon seien. Dabei benutzte er als Argument, dass sie auf Baumrinde [i. e. Papyrus] geschrieben waren. Auf diese Weise freilich wollte er uns täuschen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 4/27–30. Diese Stelle gibt mit einer englischen Übersetzung auch John O’Brien wieder: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 18. 100 Zu den Anacreontea vgl. F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 201; R. Pfeiffer: Dichter und Philologen im frz. Humanismus, 1958, S. 79ff.; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 79f.; J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995. 101 Vgl. dazu M. Morrison: Estienne and Sappho, 1962. 102 Vgl. dazu E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 31f. Die folgende Darstellung orientiert sich an J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 13–22.
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bortello wohl auf folgende Bemerkung von Estienne in dessen Kommentar zu den Anacreontea: In altero exemplarium, nimirum in eo quod in libro, id est cortice, scriptum reperi, primum locum occupat haec oda: & recte, meo quidem iudicio. Proponit enim in hac versuum suorum argumentum.103
Und entsprechend schreibt Robortello gegen Ende der Ars corrigendi: Nunc extiterunt (si diis placet) qui excitant ab inferis Anacreontas, Halicarnasseos. Brevi etiam revixisse audietis Sappho illam et Menandrum, ne dubitate. Extiterunt, inquam, qui manuscriptos libros citant, nec tamen proferunt qui sint, ubi sint, cuius notae sint.104
Robortello fordert hier einen Nachweis für die verwendeten Handschriften. Und mit Dionysios von Halikarnassos spielt er auf eine weitere Stelle an, wo Estienne behauptet, er habe ein zweites Manuskript für die Anacreontea-Ausgabe gebraucht. Im Vorwort zu einer Ausgabe kleinerer Schriften des Dionysios von Halikarnassos von 1554, das Estienne an Piero Vettori richtet, versichert er, dass er den Text der Anacreontea nach zwei Handschriften korrigierte: ex duobus his alterum in membranis, alterum in cortice arboris scriptum erat.105
Robortello wird sich auf diese oder eine ähnliche Stelle im Vorwort bezogen haben. Er beschuldigte Henri Estienne, seine Leser zu hintergehen. Auch heute wird bezweifelt, dass Henri Estienne zusätzlich zum Palatinus einen zweiten Kodex einsah.106 Die Vehemenz, mit der Robortello gegen Sigonio und Manuzio sowie gegen Estienne und Muret vorging, ist also mit einem Wettbewerb um akademische Posten verbunden und auf konkurrierende philologische Arbeiten zurückzuführen. Ein weiterer Faktor tritt zutage, wenn man untersucht, welche Gelehrte Robortello im Gegensatz zu den kritisierten Philologen als lobenswert, geschickt und nachahmenswert hervorhebt. –––––––––––––– 103 „Diese Ode steht am Anfang in der einen der [beiden] Handschriften, allerdings in jener, die auf Baumrinde [i. e. Papyrus] geschrieben ist. Und dies ist freilich nach meinem Urteil richtig. Denn in dieser [Ode] stellte er den Inhalt seiner Verse vor.“ H. Estienne: Observationes in Anacreontis carmina, 1554, S. 65. 104 „Neuerdings tauchten Leute auf (wenn ich das so sagen darf), die Anakreone und Halikarnasseer von den Toten wieder erwecken. Ihr werdet in Kürze sogar hören, dass jene Sappho und Menander wieder zum Leben erwacht sind. Zweifelt daran nicht. Es tauchten Leute auf, sage ich, die Handschriften anführen, aber nicht zeigen, welche es sind, wo sie sind und welche Güte sie haben.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/26–30. 105 „Von den beiden [Handschriften] war die eine auf Pergament, die andere auf Baumrinde [i. e. Papyrus] geschrieben.“ Henricus Stephanus Petro Victorio patricio Florentino, in: Dionysios von Halikarnassos: Opuscula, ed. H. Estienne 1554, fol. *vir. 106 Man geht von einem codex unicus aus dem 10. Jahrhundert aus, der ursprünglich die griechische Anthologie beinhaltet hatte und im 13./14. Jahrhundert aufgeteilt wurde in den Palatinus 23 und den Parisiensis gr. Supp. 384 (J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 14f.).
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.1.4.3 Robortellos argumentative Strategien in der Ars corrigendi Als Gegenpol zu Manuzio und Sigonio präsentiert Robortello mit Piero Vettori eine Leitfigur der italienischen Philologie des 16. Jahrhunderts.107 Vettori (lat. Petrus Victorius) stammte aus einer Florentiner Patrizierfamilie und blieb sein Leben lang eng mit dem wechselhaften politischen Geschick seiner Geburtsstadt verbunden.108 Er beteiligte sich am Sturz der Medici 1527 und am Widerstand gegen Kaiser und Papst 1529. Als sich die Medici 1530 endgültig die Herrschaft in Florenz sicherten, floh Vettori vor möglichen Repressalien auf seinen Landsitz in San Casciano. Erst 1534 sollte er sich mit den Medici-Fürsten so weit wieder gutstellen, dass er es wagte, nach Florenz zurückzukehren. Von 1538 an unterrichtete er bis zu seinem Tod am Florentiner Studio zunächst Latein, dann ab 1543 griechische Sprache und Literatur. Und nach seiner Ausgabe der Nikomachischen Ethik 1547 erweiterte sich seine Lehre noch um die Moralphilosophie. Vettori wurde für seine Editionsarbeit, für seine Kommentare wie auch als Aristoteliker zu seiner Zeit in der Gelehrtenwelt hoch geschätzt. In seiner philologischen Arbeit stützte sich Vettori auf viele Manuskripte, die schon Angelo Poliziano bearbeitet hatte. Sie waren ihm direkt zugänglich, weil sie – wie auch Robortello in der Ars corrigendi betont – in den Bibliotheken von Florenz lagen: cuivis intueri licet adhuc Florentiae, in Medicea, et Marciana bibliotheca, manuscriptos libros, ubi publice asservantur, quibus [sc. Politianus] usus est.109
Vettori griff Polizianos Arbeiten auf und besorgte auf der Grundlage der von Poliziano bearbeiteten Handschriften Textausgaben.110 Und tatsächlich gründet Vettoris Ruhm auf seiner Herausgeberschaft griechischer Literatur – man denke etwa an seine Aristoteles-, Euripides- und Xeno–––––––––––––– 107 Beispielsweise lauten Einschätzungen in der Philologiehistoriographie: „Piero Vettori ... may be regarded as possibly the greatest Greek scholar of Italy, as certainly the foremost representative of classical scholarship in that country during the sixteenth century, which, for Italy at least, may well be called the saeculum Victorianum.“ J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 135 (Hervorhebung bei Sandys). Auch Rudolf Pfeiffer bezeichnete diese Zeit im Anschluss an die Formulierung von Sandys als saeculum Victorianum (Klassische Philologie 2, 1982, S. 170f.). 108 Angaben zu Vettori finden sich in: W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 135–140; M. E. Cosenza: Dictionary of Italian humanists, 1962, Bd. 4, S. 3671–3679; B. Weinberg: Demetrius Phalereus (CTC), 1971, S. 35f.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1982, S. 220ff.; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 52–70; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 124ff.; M. J. Wilmott/C. B. Schmitt: Biobibliographies, 1988, S. 839f.; D. Marsh: Xenophon (CTC), 1992, S. 175. 109 „Jeder kann noch in Florenz die Handschriften, die [Poliziano] benutzte, in der Bibliotheca Medicea und in der Marciana einsehen, wo sie öffentlich aufbewahrt werden.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/12f. 110 Vgl. dazu auch E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 5 (Fn. 5); A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 53.
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phon-Editionen. Von Bedeutung sind sein Kommentar zur aristotelischen Rhetorik (1548), auf den auch Robortello in der Ars corrigendi Bezug nimmt,111 und seine Arbeiten am Cicero-Text (philosophische und rhetorische Schriften, 1536–1537). Viele seiner kritischen Arbeiten, Lesarten und Verbesserungen wurden eigenständig unter dem Titel Variae lectiones veröffentlicht, 1553 in 25 Büchern, weitere 13 Bücher im Jahre 1568 und alle 38 Bücher noch einmal 1582. In den Variae lectiones finden sich auch zahlreiche Stellen zu Festus, für die Vettori wieder Polizianos Arbeit zugrunde legte und dessen Abschrift einer stark verderbten FestusHandschrift benutzte, die dort verwendeten Abkürzungen auflöste, auf Probleme der Vorlage hinwies und zahlreiche Stellen selbst verbesserte.112 Robortello nimmt in der Ars corrigendi zum einen an mehreren Stellen auf konkrete Arbeiten von Vettori Bezug,113 zum anderen drückt er auch allgemein seine große Wertschätzung des Gelehrten aus. Er ordnet Petrus Victorius vir doctissimus seiner Auswahl an vorbildhaften Philologen zu und nennt ihn in dieser Reihe an dritter Stelle nach Poliziano und Giovanni Piero Valeriano (1477–1558).114 Vettori prägte durch seine Persönlichkeit und seine Herangehensweise die Florentiner Gelehrsamkeit. Robortello kam mit dieser Gelehrsamkeit in Berührung, als er in den Jahren 1543 bis 1549 in Pisa lehrte – einer von den Medici nach dem Vorbild von Florenz gestalteten Universität – und mit Vettori Briefkontakt hatte.115 Die philologischen Arbeiten von Robortello und Vettori waren oftmals voneinander abhängig. Das zeigt etwa Vettoris Aischylos-Ausgabe von 1557, mit der er an Robortellos Edition von 1552 anknüpfte und dann den textus receptus bis zur Revision von Thomas Stanley von 1663 bildete.116 Später widmete sich Vettori der aristotelischen Poetik, zu der er 1560 einen Kommentar veröffentlichte, und auch hier beschäftigte er sich mit einem Text, den Robortello bereits bearbeitet hatte.117 Vettoris Edition der Schrift Perˆ ˜rmene…aj wiederum, einer griechischen Rhetorik aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., die unter dem Namen des Demetrios von Phaleron kursierte, liegen Robortellos entspre–––––––––––––– 111 Rob. Ars corr., 1557, S. 9/11f. Hier bezieht sich Robortello auf P. Vettori: Commentarii in Aristotelis de arte dicendi, 1548, S. 519. Zu diesem Rhetorik-Kommentar Vettoris vgl. auch W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 32. 112 Vgl. dazu mit Zitaten der entsprechenden Stellen: A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 139f. 113 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/30ff., 7/33, 9/8–12. 114 Rob. Ars corr., 1557, S. 15/16–19. 115 Vgl. die autobiographische Aussage in der Ars corrigendi (S. 16/8f., zitiert auf S. 17). 116 Zu Vettoris Arbeit am Aischylos-Text vgl. J. A. Gruys: Early printed editions of Aeschylus, 1981, S. 77–96; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 124–149. 117 Zu Vettoris Arbeit an der aristotelischen Poetik vgl. W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 50f.; A. Porro: Vettori editore di Aristotele, 1983.
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chende Bemerkungen in der Ars corrigendi zugrunde. Robortello erwähnt, dass er selbst eine sehr alte Handschrift (manuscriptum perantiquum) des Ps.Demetrios besitzt.118 Außerdem ermutigte er seinen polnischen Schüler Franciszek Mas owski (siehe Kapitel 1.1.1, S. 22) zur Übersetzung dieser Schrift. Mas owskis lateinischer Ps.Demetrios und seine hinzugefügten explicationes schwieriger Stellen entstanden mit direkter Hilfe Robortellos, der ihm im Seuchenjahr 1555 Zuflucht in seinem Haus gewährte und Bücher lieh, etwa die Handschrift des griechischen Textes aus Robortellos eigenem Besitz sowie sein Exemplar der Vettori-Ausgabe.119 In der Ars corrigendi lobt Robortello die 1557 in Padua gedruckte Übersetzung von Mas owski überschwänglich: et id ostendi saepe nobili ac docto iuveni Francisco Maslovio Polono, auditori meo, qui nuper Demetrii Phalerei librum in Latinum tam apte et eleganter vertit, ut nihil addi possit.120
Eine enge Freundschaft pflegte Vettori mit dem römischen Philologen Gabriele Faerno, dessen Brief an Paolo Manuzio über Sigonios LiviusVerbesserungen – wie oben (siehe Kapitel 1.1.4.1, S. 39) ausgeführt – eine gewichtige Rolle im Streit zwischen Robortello und Sigonio gespielt hatte. Die gegenseitige Sympathie basierte unter anderem auf verwandten Ansichten über das Erfordernis einer genauen Untersuchung von Handschriften, was in die Diskussion über das Verhältnis von historischer Quellenarbeit und Literaturdeutung dieser Jahre hineinspielte.121 Faerno kam 1548 nach Rom. Er arbeitete seit 1550 als Korrektor in der Vaticana, ab 1554 offiziell unter dem Titel eines revisore, und erwarb den Ruf eines herausragenden Textkritikers.122 Man schätzte Faerno darüber hinaus als neulateinischen Dichter und wegen seiner gelungenen Übertragung der –––––––––––––– 118 Rob. Ars corr., 1557, S. 11/5f. Aus Vettoris Hand gibt es eine (anonym erschienene und sehr seltene) Ausgabe von 1542 sowie zehn Jahre später (1552) eine unter seinem Namen erschienene Ausgabe. Vgl. dazu ausführlich R. Mouren: Vettori, Giunti et le traité ‚Du style‘, 2004. 119 Vgl. dazu: B. Weinberg: Translations and commentaries of Demetrius, 1951, S. 364f.; B. Weinberg: Demetrius Phalereus (CTC), 1971, S. 34ff., 40f. 120 „Und dies habe ich häufig dem edlen und gelehrten jungen Mann Franciszek Mas owski aus Polen gezeigt, meinem Schüler, der neulich die Schrift des Demetrios von Phaleron so geschickt und elegant ins Lateinische übersetzte, dass dem nichts hinzugefügt werden kann.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 11/6ff. 121 Vgl. dazu A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 65–69. 122 Angaben zu Faerno aus: Nomenclator philologorum, 1871, S. 151; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 147f.; L. Ceretti: Critica testuale a Terenzio del Faerno e Manuzio, 1954; S. Prete: Il Terenzio Vaticano lat. 3226, 1970, S. 15f.; J. Bignami Odier: La bibliothèque Vaticane de Sixte IV à Pie XI, 1973, S. 61f. (Fn. 62); G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 110f.; S. Prete: Camerarius on Plautus, 1978, S. 223; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 65–70; W. McCuaig: Sigonio, 1989, S. 27f.; S. Foà: Art. „Faerno, Gabriele“, DBI 44, 1994, S. 146ff.
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Aesopischen Fabeln in lateinische Verse. Nach Faernos Tod 1561 brachte Vettori dessen unvollendet gebliebene Terenz-Edition zu Ende und kümmerte sich um die Drucklegung. Stellte sich Robortello in der Ars corrigendi explizit in die Tradition von Vettoris textkritischer Methode, die in der Nachfolge von Poliziano vor allem auf die historische Erforschung von Handschriften ausgerichtet war, so geschah dies, um sich von gegenläufigen Einstellungen zur Philologie abzugrenzen, und um für Vettori Partei zu ergreifen. Denn Vettori war offenbar starker Kritik einiger Philologen ausgesetzt. Unter ihnen befand sich auch Paolo Manuzio, der mit Vettori um Fragen der Philologie der Cicero-Briefe ad familiares stritt. Er bemängelte, Vettori beschränke sich auf die reine Textarbeit und vernachlässige die Stil- und Sacherklärung. Vettori verteidigte sich und ging etwa in den Posteriores castigationes von 1541 ausführlich auf die Vorwürfe ein. Hier veröffentlichte er auch zahlreiche Verbesserungen, begründete sie ausführlich und prangerte im Gegenzug viele Fehler Manuzios an.123 Sicherlich war dieser Angriff von Manuzio auf Vettori ein weiterer Grund, warum Robortello Manuzio und dessen Cicero-Philologie so massiv in der Ars corrigendi bekämpfte. In seiner Kritik an Vettori wurde Manuzio von Marc-Antoine Muret unterstützt, der den Florentiner etwa in seinem Catull-Kommentar von 1554 scharf attackierte.124 Diese Kritik richtete sich gegen eine Philologie, die sich auf die Herstellung sauberer Textfassungen beschränkte. Vettori sah in Nachfolge und Fortführung von Poliziano die primäre Aufgabe der Philologie darin, den Wortlaut der Texte auf der Grundlage der handschriftlichen Überlieferung zu rekonstruieren. Während der Angriffe von Manuzio und Muret solidarisierte sich auch Faerno mit Vettori: Beispielsweise äußerte er sich kritisch über Sigonios Livius-Philologie (siehe Kapitel 1.1.4.1, S. 39) und bewertete im Rahmen seiner eigenen philologischen Arbeit am Terenz auch die Edition des Franzosen Marc-Antoine Muret als mangelhaft: In einem Brief an Murets Freund und Verleger Paolo Manuzio (undatiert, c.1557) gutachtet er angesichts der Fehler in Murets Terenz-Edition von 1555, Manuzio solle – in Anbetracht des guten Rufs des Hauses – auf das Verlegen von textkritischen Arbeiten von Muret künftig besser verzichten.125 Die Terenz-Philologie von Muret spielt auch in die Ars corrigendi hinein, da Robortello ihn mit quidam Terentii novus emendator –––––––––––––– 123 Vgl. zu Vettoris Cicero und zu dieser Kontroverse: W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 19–24; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 88f. 124 Murets Ausfälle gegen Vettori schildert A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 89ff. 125 Vgl. dazu: H. W. Lawton: Éditions de Térence, 1926, S. 189f.; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 92. Eine kommentierte Edition dieses Briefs mit Einleitung bietet L. Ceretti: Critica testuale a Terenzio del Faerno e Manuzio, 1954, S. 539–551.
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meint und eine von ihm abgelehnte Verbesserung erwähnt, die sich in Murets Annotationes von 1550 findet.126 Bei dieser Diskussion ging es um zwei Auffassungen über philologische Arbeit.127 Vettori und Faerno stehen für eine textkritische Ausrichtung, die Lesartenvarianten systematisch aus Handschriften verzeichnet und bei Entscheidungen über Lesarten und Verbesserungen historische Authentizität vor die Lesbarkeit stellt. Dagegen strebten Manuzio, Sigonio und Muret danach, für den Leser die Texte so aufzubereiten, dass er aus ihnen verwertbare, etwa ästhetische und historische Erkenntnisse ziehen kann. Oder, wie der Philologiehistoriker Anthony Grafton diese Positionen beschreibt: We have passed from Florence to Leiden, from politics to poetry and back, and yet we still encounter the same contradictory maxims and methods. One set of humanists seeks to make the ancient world live again, assuming its undimmed relevance and unproblematic accessibility; another set seeks to put the ancient texts back into their own time, admitting that reconstruction of the past is difficult and that success may reveal the irrelevance of ancient experience and precept to modern problems.128
Estiennes Motive für die Edition der Anacreontea lagen etwa darin, der aktuellen französischen Dichtung Vorlagen zu liefern. Wie Muret war auch er eng mit der Pléiade verbunden.129 Die Amours von 1552 des Pierre de Ronsard (1524–1585), der die Anacreontea schon vor der Drucklegung sichten durfte, waren wesentlich von den griechischen Gedichten inspiriert.130 Philologen wie Denis Lambin (1520–1572), Turnèbe und Estienne rekonstruierten griechische Texte, die Dichter der Pléiade wie Ronsard mit ihrer Poesie imitierten. Entsprechendes bemerkt auch Mary Morrison über Estienne und seine Anacreontea: „For him erudition was clearly not an end in itself; it had a very important use for the inspiration of living works of French literature.“131 –––––––––––––– 126 Rob. Ars corr., 1557, S. 16/24–36. Die entsprechende Stelle ist: M.-A. Muret: Annotationes in Terentium, 1550, S. 747. 127 Mit dieser Einschätzung lehne ich mich unter anderem an die Erkenntnisse von Anthony Grafton an (etwa: Scaliger 1: Textual criticism, 1983; Renaissance readers and ancient texts, 1991). 128 Renaissance readers and ancient texts, 1991, S. 26f. 129 Mit ihrem Namen lehnte sich diese Vereinigung an die Pleias an, eine siebenköpfige Dichtergruppe unter Ptolemaios Philadelphos (3. Jhd. v. Chr.), die sich ihrerseits nach der Sternformation der sieben Pleiaden benannte. Vgl. dazu R. Pfeiffer: Dichter und Philologen im frz. Humanismus, 1958; F. Stoessl: Art. „Pleias“, DKP 4, 1972, Sp. 923; M. M. Fontaine: Art. „Pléiade“, DLLF 3, 1984, S. 1761f. 130 Die Amours gelten als Paradebeispiel für die Rezeption neu erfasster antiker Texte. Vgl. dazu R. Pfeiffer: Dichter und Philologen im frz. Humanismus, 1958, S. 79f.; J. H. Gaisser: Catullus and his Renaissance readers, 1993, S. 147–150 (mit weiterführenden Literaturangaben). 131 M. Morrison: Estienne and Sappho, 1962, S. 391.
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Robortello setzt in der Ars corrigendi Vettori und Faerno in Gegensatz zu Sigonio, Manuzio, Muret und Estienne und positioniert sich damit in diesem Methodenstreit. Allerdings ging die Auseinandersetzung – wie die Schilderung der Kontroversen deutlich zeigt – über einen sachlichen Meinungsaustausch weit hinaus. Auch wenn Robortello im Zusammenhang mit den Angriffen auf Vettori schreibt, non possum non ingemiscere ob communem iacturam, nam; sed mihi temperabo,132 und damit nahelegt, im Streit um Vettori eine distanzierte Haltung einzunehmen, zeugen Stil und Anlage der Ars corrigendi vom Gegenteil. Abgesehen von den fachlichen Debatten um einzelne Texte oder Probleme, die im Hintergrund von Robortellos Abhandlungen stehen, finden sich eine ganze Reihe an persönlichen Diffamierungen, die Robortello nicht gerade als einen gemäßigten und nüchternen Streitakteur ausweisen: Manuzio sei so überheblich, dass Robortello sich das Lachen nicht verkneifen konnte (risum tenere non potuit), er ließe sich in seiner Arbeit durch Unverstand (inscitia) und Waghalsigkeit (temeritas) lenken.133 Außerdem lese er antike Bücher entgegen seiner Behauptung nicht oder zumindest nicht sorgfältig (non legit, nec evolvit diligenter).134 Sigonio wiederum sei unerfahren (imperitus), betreibe Blödsinn (nugatur), und seine Eingriffe seien ebenfalls von Unverstand (inscitia) geleitet, weswegen er eine Stelle nicht versteht (non intelligens locum) und einen falschen Eingriff macht.135 Des Weiteren betont Robortello, dass ihn die Missgunst (obtrectatio) des Vincenzo Maggi keineswegs bewege, weil sie höchstens auf dessen Ungelehrtheit zurückzuführen ist, die er anschließend ausführlich erläutert.136 Und Henri Estienne, den er – wie schon Muret – nicht namentlich nennt, betitelt er wegen seines Versuchs, die Gelehrtenschaft über Handschriften zu täuschen, als überaus lächerlich (perridiculus).137 Das Bild der unfähigen und persönlich zu verachtenden Philologen kontrastiert Robortello mit einer ganzen Reihe an vorbildhaften, tugendhaften und kompetenten Philologen, und in ihre Mitte stellt er Piero Vettori. Diese Traditionskette markiert er zum einen mit Philologen, die er mit positiven Attributen ausstattet – genannt werden etwa der vir eruditissimus et amplissimus Antonio Agustín (lat. Antonio Augustinus, 1517–1586), Robortellos nobilis ac doctus auditor Franciszek Mas owski, der vir eruditus et optimus Antonio Bendinello, der philosophus summus und optimus vir Simone Porzio (lat. Simon Portius, 1496–1554) sowie der medicus vir doctissimus ––––––––––––––
132 „Ich vermag es nicht, nicht über seine allgemeine Verwerfung aufzustöhnen! Freilich. Aber ich werde mich mäßigen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/20f. 133 Rob. Ars corr., 1557, S. 12/27ff., 12/35, 14/10ff. 134 Rob. Ars corr., 1557, S. 13/3f. 135 Rob. Ars corr., 1557, S. 7/6, 9/4f., 14/24. 136 Rob. Ars corr., 1557, S. 16/14–24. 137 Rob. Ars corr., 1557, S. 4/27.
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Heinrich Mathisius (bis 1565).138 Zum anderen listet Robortello gegen Ende seiner Abhandlung Philologen auf, die über fides (Verlässlichkeit) verfügen, weil sie sich in ihrer textkritischen Arbeit auf Handschriften stützen.139 Dazu zählt er Angelo Poliziano, den Vergilphilologen Giovanni Piero Valeriano, den Verfasser einer notae-Sammlung zu Ciceros Philippinischen Reden (1543) Girolamo Ferrario (1501–1542),140 Beatus Rhenanus, Heinrich Glarean und den deutschen lutherischen Gräzisten Joachim Camerarius (1500–1574). Robortello verfolgt in der Ars corrigendi also eine Strategie gegen seine Widersacher, die in einem Dreischritt funktioniert: Er kanzelt ihre Arbeit fachlich ab, stellt ihre persönliche Ungeeignetheit fest und kontrastiert das Ganze mit vorbildhaften Philologen. Die Identifizierung der zahlreichen Anspielungen auf Personen und ihre philologischen Arbeiten zeigt, welch großen Einfluss die Kontroversen, in die Robortello in dieser Zeit verwickelt war, auf die Ars corrigendi hatten. Die Auswahl der behandelten Texte, Themen und der angeführten Personen sowie deren Kritik oder Lobpreisung ist auch von diesen Debatten bestimmt. Robortello konzipierte die Ars corrigendi nicht nur als Methodenlehre, sondern auch als Beitrag zu diesen Kontroversen, womit sie ein beredtes Zeugnis frühneuzeitlicher philologischer Debattenkultur darstellt. Wenn es den modernen Betrachter befremdet, mit welcher Vehemenz da um einzelne Lesarten in antiken Texten gestritten wurde, bringt die Analyse der Ars corrigendi zumindest ein paar Aspekte zutage, die in diesen Kontroversen – jenseits der sachlichen Auseinandersetzung über die –––––––––––––– 138 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/33, 8/16, 11/6f., 16/10f., 16/13. Die Identifizierung von Mathisius ist nicht sicher. Die Artikel im Zedler und DHM gehen davon aus, dass es zwei Personen (Henri Mathisius und Corneille-Henri Mathisius) gegeben habe, der Artikel in der BNB dagegen, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, die ein Verwirrspiel mit ihrem Namen trieb. Da es für die Nennung bei Robortello besser passt, folge ich der zweiten Deutung. Demzufolge wäre Mathisius ein am Ende des 15. Jahrhunderts geborener Arzt aus Brügge gewesen, der längere Zeit in Pisa studiert und praktiziert sowie als Leibarzt von Karl V., Philipp II. von Spanien und der ungarischen Königin Marie gewirkt habe. Nach der BNB verstarb Mathisius 1565 nach einem Sturz vom Pferd. Es werden ihm Kommentare zu Hippokrates zugeschrieben. Vgl. Art. „Mathisius (Cornelius Heinr.)“, Zedler 19, 1739, Sp. 2069f.; Art. „Mathisius (Heinr.)“, Zedler 19, 1739, Sp. 2070; Art. „Mathisius, (Corneille-Henri)“ und Art. „Henri Mathisius“, DHM 3, 1778, S. 187; V. Jacques: Art. „Mathys“, BNB 14, 1897, Sp. 69ff.; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 112. 139 Rob. Ars corr., 1557, S. 15/8–26. 140 Ferrarios philologische Arbeit bezog sich auf Arnobius, Cicero und Minucius Felix. Er wurde in Correggio geboren und starb in Rom. Ferrarios emendationes zu Cicero werden heute noch für relevant erachtet, weil Ferrario hierin verschiedene Lesarten aus dem später verlorenen Codex Colotianus aufnahm. Vgl. Nomenclator philologorum, 1871, S. 156; A. C. Clark: Textual criticism of Cicero’s ‚Philippics‘, 1900; M. E. Cosenza: Dictionary of Italian humanists, 1962, Bd. 2, S. 1383; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 111; R. H. Rouse/ M. D. Reeve: Cicero, Speeches (Texts & transmission), 1983, S. 76, 96.
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Richtigkeit einzelner Lesarten – eine Rolle spielen und den Charakter der Debatten erhellen.141 Wesentlicher sozialer Bezugsrahmen war die Konkurrenz um akademische Posten, die Sigonio und Robortello geradezu exemplarisch vorführten: Sie stritten um Lehrstühle, die mit erheblichem gelehrten und sozialen Prestige verbunden waren. Denn neben dem Ansehen, das ein Professor für die humanitates an sich bereits genoss, ging es in ihrem Fall um einen Lehrstuhl in Padua, einer im ganzen damaligen Europa berühmten Lehreinrichtung. Neben solchen umkämpften akademischen Ehren konkurrierten die zerstrittenen Philologen auch, weil sie die gleichen Texten bearbeiteten. Daraus ergab sich ein Wettlauf um Veröffentlichungen, ersichtlich an der Episode, als Robortello mit der editio princeps des Ps.Longin einem gleichgerichteten Projekt von Manuzio und Muret knapp zuvorkam. Hier spielten auch die Druckereien und ihre Orientierung an ökonomischen Aspekten mit hinein, die oftmals – das weiß man von Rekonstruktionen anderer frühneuzeitlicher Editionen142 – massiven Druck auf die Korrektoren und Philologen ausübten, um als Erste auf dem Markt zu sein und so die Verkaufsaussichten zu verbessern. Im Hintergrund der in der Ars corrigendi angesprochenen Debatten und Kontroversen steht außerdem eine allgemeine Diskussion um Methoden, Verfahren und Ziele philologischer Arbeit, in der sich Robortello mit der Ars corrigendi positionierte. Operiert wurde dabei mit der Anerkennung und Missachtung von Leistungen Anderer, mit Lobpreisungen und Plagiatvorwürfen. Wichtig waren außerdem Zeugen und Gewährsleute, wenn Robortello gegen Sigonio gerichtete Kritiken anderer mit (im Falle von Glarean) oder aber ohne (im Falle von Faerno) Einverständnis ihrer Verfasser weiter verbreitete und in der Debatte nutzte. Stilistisch zeigen die zahlreichen persönlichen Diffamierungen einerseits und der dazu kontrastiv verwendete Tugenddiskurs andererseits, wie stark diese Kontroversen in eine Gelehrtenkultur eingebunden waren, deren argumentative Strategien immer auch persönlich gemeint waren. –––––––––––––– 141 Eine Untersuchung über die frühneuzeitliche philologische Streitkultur ist – wie dies schon Florian Neumann (Reimmann und die Philologie, 1998, S. 189) feststellte – ein dringendes Forschungsdesiderat. Neben Neumann legt auch Anthony Grafton Nachdruck auf die Rolle, die persönliche Invektiven in Kontroversen um philologische Fragestellungen spielten (Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 57, 69f., 88–92). 142 Erinnert sei etwa an den Wettlauf bei der Bibel-Edition im Falle von Erasmus von Rotterdams Novum Instrumentum (1516) und des von Rom kontrollierten Projekts der spanischen Complutenser Polyglotte (1522). Die schlechte textkritische Qualität der ersten Auflage von Erasmus’ Text wird verschiedentlich darauf zurückgeführt, dass sein Basler Verleger Johannes Froben die Arbeiten so massiv vorantrieb. Vgl. dazu B. Hall: Biblical scholarship: editions & commentaries, 1963, S. 50ff.; H. Holeczek: Einleitung zur Ed. Erasmus ‚Novum Instrumentum‘ (1516), 1986, S. XXIII–XXIX; A. Hamilton: Humanists and the Bibel, 1996, S. 106f., 109–112.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571 1.2.1 Der Privatgelehrte und Gräzist Willem Canter (1542–1575) Guillaume Canter étoit de belle taille; il avoit le corps robuste & bien proportionné, la peau blanche, le visage aimable & vermeil, l’oeil vif, les cheveux noirs; & une belle ame | habitoit ce beau corps. Il étoit propre dans ses habits, mais ennemi du luxe. Il vêcut dans une parfaite chasteté, quoi-qu’il ait passé ses jours dans le c libat. Il ne disoit jamais aucune parole sale, & lorsqu’on faisoit des contes où il y avoit quelques mots obcénes, il rougissoit comme une vierge pudique.143
Antoine Teissier (1632– 1715) beschreibt Willem Canter (lat. Gulielmus Canterus) in seiner Historia literaria als sensiblen und etAbb. 4: Porträt W. Canter was weltfremden Gelehrten, womit er als charakterliches Gegenstück zum rabiaten Robortello erscheint. 1542 in Leeuwarden oder Utrecht geboren, wurde Canter bereits mit zwölf Jahren nach Löwen geschickt, um hier bei Cornelius Valerius van Auwater (1512–1578) zu studieren.144 Löwen konnte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bereits auf eine lange Gelehrtentradition zurückblicken: Die Universität war 1425 gegründet worden, 1517 das Collegi–––––––––––––– 143 A. Teissier: Les éloges des hommes savans 3, ed. quarta 1715, S. 79f. 144 Biographische Angaben zu Canter finden sich in: A. Teissier: Les éloges des hommes savans 3, ed. quarta 1715, S. 78–83; Art. „Canter (Willem)“, NNWB 2, 1852, S. 37f.; v. Slee: Art. „Canter“, ADB 3, 1876, S. 766f.; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 216f.; H. de Vocht: Einleitung und Kommentar zur Ed. Valerii Epistolae, 1957, S. 53–58; V. R. Lachmann/F. E. Cranz: Aeschylus (CTC), 1971, S. 23f.; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 179f.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1975, S. 697; R. Pfeiffer: Klassische Philologie 2, 1982, S. 157; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 239f.; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 161f.
1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571
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um trilingue, wo verstärkt humanistische Studien betrieben wurden. Infolgedessen war dies ein Ort des akademischen Austauschs und des Studiums der klassischen Sprachen im Norden Europas. 1560 schickte Valerius seinen begabten Schüler für zwei Jahre nach Paris. Dort vervollkommnete Canter seine Griechischkenntnisse unter anderem bei Jean Dorat (lat.: Auratus, 1504/8–1588), der als Mitglied der Dichtergruppe Pléiade seine Begeisterung für die griechische Kultur und Sprache auch als Lehrender weitervermittelte. Canter hörte in Paris eine von Dorats berühmten Homer-Vorlesungen, von der er so fasziniert war, dass er Ausschnitte in seinen Novae lectiones von 1571 niederschrieb.145 In Paris traf Canter niederländische und belgische Gelehrte wieder: Aus dem gleichen Grunde wie Canter waren hier auch Lucas Fruterius (c.1541–1566), der spätere Kurator und Bibliothekar der Universität Leiden Janus Dousa d.Ä. (1545– 1604) oder der Jurist Hubertus Giphanius (1533/4–1604). Canter machte auch Bekanntschaft mit französischen Gelehrten. Neben Denis Lambin lernte er beispielsweise den schon damals berühmten Joseph Justus Scaliger (1540–1609) kennen. Wegen der konfessionellen Unruhen verließ Canter 1562 Paris und reiste mehrere Jahre durch Italien, wo er auch mit den Robortello so feindlich gesonnenen Carlo Sigonio und Marc-Antoine Muret zusammenkam (siehe Kapitel 1.1.4). Diese Gelehrten erleichterten ihm in Italien den Zugang zu wertvollen Handschriften. Canter kehrte wahrscheinlich erst 1567 über Basel wieder nach Löwen zurück. Hier verbrachte er die letzten acht Jahre seines kurzen Lebens. Auch verkehrte er in den humanistischen Kreisen, die sich um die Druckerei des Christoph Plantin (1520–1589) gebildet hatten. Eine Überschwemmung im Januar 1573, die nicht vor den schützenden Deichen Halt machte und Löwen unter Wasser setzte, erfasste auch Teile von Canters Bibliothek – von dem Schock über diese Ereignisse sollte er sich nie wieder ganz erholen. 32-jährig verstarb er im Sommer 1575 an einem Fieber. Anders als Robortello, der von einem Lehrstuhl zum anderen wechselte, vermied es Canter trotz einschlägiger Angebote sorgfältig, sich institutionell in die Lehre einzubinden. Wie auch sein Bruder Dirk Canter (lat. Theodorus Canterus, 1545–1616)146 war Willem aufgrund seines Elternhauses finanziell unabhängig und begab sich auf eine ausgedehnte peregri-
––––––––––––––
145 Diesen Hinweis gibt R. Pfeiffer: Klassische Philologie 2, 1982, S. 133 (Fn. 35), 135. Die Stelle ist: W. Canter: Novae lectiones, ed. tert. 1571, S. 333–337. 146 Dirk war der jüngere Bruder Willems und studierte wie er in Löwen und Paris, wo er vor allem bei Denis Lambin Unterricht nahm und umfängliche philologische Studien betrieb. Um 1570 kehrte er nach Löwen zurück und schlug eine politische Laufbahn in Utrecht ein. Angaben zu Theodor Canter finden sich bei J. A. Gruys: The correspondence of Dirk Canter, 1978, S. vii–ix.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
natio academica, um sich weiterzubilden. Canters Reiseunternehmungen spiegeln auch die besondere Situation der Gelehrsamkeit jenseits der Alpen wider. Während italienische Gelehrte wie Carlo Sigonio, Gian Vincenzo Pinelli (1535–1601) und Paolo Manuzio sich darin gefielen, ihren Gästen aus dem Norden den Zutritt zu Bibliotheken und ihren eigenen Sammlungen zu eröffnen, gehörten für die meisten nordeuropäischen Philologen weite (und beschwerliche) Reisen zum akademischen Werdegang: Nur so konnten sie die vielen Handschriften und gedruckten Bücher mit eigenen Augen einsehen und Kontakte zu anderen Philologen knüpfen, die später eventuell der Arbeit helfend zur Hand gingen. Canters gelehrtes Zuhause war die griechische Philologie. Während seines Aufenthalts in Paris arbeitete er mit Joseph Justus Scaliger an einem Athenaios-Fragment sowie an Lykophron. Paris war damals ein Zentrum der griechischen Philologie. Prägend für die Entwicklung der Gräzistik in Frankreich war die enge Zusammenarbeit von Philologen wie Denis Lambin oder Adrien Turnèbe mit der Pléiade, der Dichter wie Pierre de Ronsard und Joachim Du Bellay angehörten (siehe Kapitel 1.1.4.3, S. 48). Voraussetzung für die Blüte des Griechischen in Paris war allerdings die vorhergehende Entwicklung: So brachten einzelne herausragende Griechischlehrer wie der aus Konstantinopel stammende Ianos Laskaris (1445–1534) das sprachliche Wissen zu den französischen Gelehrten. Institutionelle Förderung der Gräzistik außerhalb der Sorbonne hatte Laskaris zusammen mit dem einflussreichen Gräzisten Guillaume Budé beim französischen König Franz I. mit aller Dringlichkeit eingefordert, woraufhin 1530 das Collège de France gegründet wurde, wo humanistische Studien und vor allem die Gräzistik mit Nachdruck gepflegt wurden. Kreuzungen der gelehrten Kommunikation lagen für Canter – der ja keine universitäre Anbindung besaß – während seiner Reisen auch in den Druckereien. Dabei besuchte er etwa Johannes Oporin in Basel, wo er manche seiner philologischen Arbeiten zur Drucklegung brachte. Später arbeitete er in der Antwerpener Offizin des Christoph Plantin als Korrektor der Septuaginta bei der Antwerpener Polyglotte (1572) mit.147 Ebenfalls bei Plantin erschienen mehrere Schriften Canters, unter anderem 1571 die dritte Auflage seiner Novae lectiones und die mit ihnen zusammengebundene Ratio emendandi in zweiter Auflage. Letztere stattete Canter mit einer Widmungsvorrede aus, die an Plantin gerichtet war und in der er ganz im Stil der Zeit die Gelehrsamkeit des Druckers pries. Plantin brachte nach Canters Tod mehrere seiner philologischen Arbeiten zum Druck, unter anderem 1579 und 1580 seine Editionen von Sophokles und Aischylos. –––––––––––––– 147 Zur Plantin’schen Offizin und dem dortigen humanistischen Zirkel vgl. L. Voet: History of the Officina Plantiniana at Antwerp I, 1969, S. 362–395.
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1.2.2 Die Ratio emendandi zwischen Rhetores-Editorik und notae-Sammlungen Wenn Canter auch zum Zeitpunkt der zweiten Auflage seiner Verbesserungslehre 1571 mit 29 Jahren noch jung war, hatte er sich doch bereits durch Arbeiten vor allem zur griechischen Literatur einen guten Namen als Philologe gemacht. Gräzisten waren meist gut angesehen, da die Kenntnis des Griechischen in der Gelehrtenrepublik immer noch verhältnismäßig wenig verbreitet war. Entsprechend hoch waren Canters philologische Meriten. Wegen der schlechten allgemeinen Griechischkenntnisse waren Gräzisten viel mit Übersetzungen ins Lateinische beschäftigt, was sich auch an Canters Beispiel gut ablesen lässt. Die Ratio emendandi steht in engem Zusammenhang mit der griechischen Philologie und erschien in der ersten Fassung im Anhang zu einer großen Ausgabe. Dabei handelt es sich um Canters Übersetzung der Reden des Aelios Aristides, eines griechischen rhetor aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert, die 1566 bei Johannes Oporin in Basel gedruckt wurde.148 Canter präsentiert die Übersetzung der Reden in drei Bänden. Außerdem hängt er noch einen Band mit Übersetzungen von weiteren neun griechischen Rednern an, nämlich von Gorgias, Thukydides, Lesbonax, Andokides, Herodes Atticus, Antisthenes, Lysias, Deinarch und Alkidamas. Wahrscheinlich basiert seine Übersetzung auf der griechischen editio princeps (Florenz bei Guinta 1517) sowie auf Teilausgaben von 1497 und 1519.149 In seinen Marginalnoten zur Übersetzung setzt er sich auch mit textkritischen Problemen auseinander und legt hier – wie er im Vorwort erklärt – den Text der Aldina editio zugrunde, deren Lesarten er mit dem Buchstaben A kennzeichnet (wohl die Aldine zweier Aristides-Reden von 1513).150 In diesem Vorwort erklärt er weiter: Iam sub ipsum editionis nostrae initium vir optime de literis omnibus meritus, & singulare totius Germaniae decus, I. OPORINUS, Aristidem suum, a doctissimo viro, A. ARLENIO, quondam cum libro manuscripto collatum, qua est humanitate & morum elegantia, nobiscum lubens communicavit: qui codex & nostras coniecturas permultas confirmavit, & novas emendationes aliquot, quas O. litera insignivimus, nec non defectuum supplementa subiecit.151
–––––––––––––– 148 149 150 151
Auszüge der Widmung finden sich in M. Pade: Thucydides (CTC), 2003, S. 153. Angaben nach S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 246–249. W. Canter: Prolegomena in Aristidem, in: Aristides: Orationes, transl. W. Canter 1566, fol. ֿ5v. „Aufgrund seiner Bildung und der Feinheit seines Charakters teilte mir bereits zu Beginn selbst meiner Ausgabe J. Oporin, ein Mann, der sich aufs Beste um alle Wissenschaften verdient gemacht hat und eine einzigartige Zierde ganz Germaniens ist, seinen Aristides bereitwillig mit, der vorher von dem hochgelehrten A. Arlenius mit einer Handschrift verglichen worden war. Der Kodex [von Oporin] bestätigte sehr viele meiner Konjekturen und lieferte einige neue Verbesserungen, die ich mit dem Buchstaben O kennzeichnete, sowie Ergänzungen von Lücken.“ W. Canter: Prolegomena in Aristidem, in: Aristides: Orationes, transl. W. Canter 1566, fol. ֿ6r.
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Neben der Aldine stützt Canter also seinen Aristides-Text auf Lesarten und Verbesserungen, die aus einem Exemplar von Johannes Oporin stammen und die Canter mit dem Sigel O kennzeichnet. Auch wenn das hier nicht eindeutig ist, handelte es sich dabei um eine Handschrift von Oporin,152 die Canter auch in der Ratio emendandi erwähnt.153 Außerdem finden sich nach Canters Aussage in diesem Exemplar Varianten, die der niederländische Buchhändler und Gelehrte Arnold Arlenius (c.1510– n.1574) aus einer weiteren Handschrift kollationiert hatte.154 Eine andere Arbeit zur griechischen Literatur war Canters Ausgabe eines Fragments des so genannten Peplos, einer Textsammlung, die fälschlicherweise Aristoteles zugeschrieben wurde. Die überlieferten Fragmente umfassen Epigramme auf Helden aus den homerischen Epen. Im Anhang des Peplos wurden lateinische Epigramme des Ausonius (c.310–394) veröffentlicht, propter argumenti similitudinem, wie es im Titel heißt.155 Ausonius hatte bereits einige der Peplos-Gedichte ins Lateinische übertragen. Canter veröffentlichte diese Ausgabe 1566 in Basel zusammen mit kritischen Anmerkungen. In der mit einem Widmungsbrief an seinen Lehrer Cornelius Valerius ausgestatteten Peplos-Ausgabe ordnet Canter den Text und seine lateinische Übertragung auf gegenüberliegenden Seiten an und hängt die Annotationes dem Text in einem separaten Abschnitt an. Dabei zählt er die Verse in der lateinischen Übersetzung durch und bezieht sich in den Anmerkungen auf diese Zählung. 1571 legte Plantin die Edition in Antwerpen ein zweites Mal auf.156 Im gleichen Jahr wie der Ps.Aristoteles erschien auch eine Arbeit zur Alexandra des Lykophron, die Canter zusammen mit Joseph Justus Scaliger zu Wege gebracht hatte. Canter richtete den griechischen Text ein, erklärte in Marginalnoten schwierige Wörter und lieferte dazu eine wörtliche, auf der rechten Seite gegenüber abgedruckte Übersetzung. Dem folgen eine freiere Übertragung in lateinische Iamben von Scaliger sowie ein Abschnitt mit Annotationes von Canter zu seiner Übersetzung.157 –––––––––––––– 152 Es könnte sich um jene Handschrift handeln, die auch in der Einleitung zur Edition eines Inventariums der von Oporin nachgelassenen Handschriften erwähnt wird. Hier findet sich der Hinweis, dass Canter seine Aristides-Ausgabe von 1566 offenbar mit Hilfe einer Handschrift von Oporin angefertigt hatte (C. Gilly: MSS in der Bibliothek des Oporinus, 2001, S. 28). 153 Cant. Ratio emend., 1571, S. 4. 154 Zu Arlenius vgl.: M. Schanz: Arlenius Peraxylus, 1884; B. R. Jenny: Arlenius in Basel, 1964. 155 Weitere Ausonius-Textkritik veröffentlichte Canter auch in seinen Novae lectiones, etwa in Buch 3, Kapitel 16 der Ausgabe von 1564 oder in Buch 5, Kapitel 23 von 1566. Vgl. dazu H. de la Ville de Mirmont: Le manuscrit de l’Ile de Barbe, 1917, S. 117–125. Zur frühneuzeitlichen Ausonius-Philologie vgl. auch A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 128f. 156 Verzeichnet in S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 296; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1975, S. 697. 157 Vgl. A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 114.
1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571
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Im darauf folgenden Jahr legte Canter eine griechisch-lateinische Ausgabe des Kirchenvaters Synesios von Kyrene (c.370–413) vor. Hier präsentiert er mehrere Schriften des Synesios sowie dessen religiöse Dichtung der Hymnen mit lateinischer Übersetzung. Die editio princeps des Gesamtwerks hatte 1553 Adrien Turnèbe in Paris vorgelegt.158 Laut eigener Aussage im Vorwort der Ausgabe von 1567 stützt sich Canter in der Texteinrichtung auf Handschriften verschiedener Provenienz. Der Ausgabe liegen wohl Manuskripte des Paduaner Handschriftensammlers Gian Vincenzo Pinelli zugrunde, der seine Bücherschätze gerne für gelehrte Unternehmungen zur Verfügung stellte. Canter hatte Pinelli während seiner ausgedehnten Italienreise kennen gelernt und erwähnt in der Widmungsepistel zur Synesios-Ausgabe ein Zusammentreffen in Padua.159 Er eignet ihm die Synesios-Edition und -übersetzung wegen der vier Handschriften zu, die Pinelli ihm geliehen hatte, und quos e tua bibliotheca, rerum praeclarissimarum thesauro ditissimo, nuper depromtos, ea mihi lege tradidisti, ut Latine simul & Graece opera nostra in manus hominum prodirent.160
Neben den Handschriften von Pinelli bezieht sich Canter in dieser Dedikationsepistel noch auf einen codex antiquus von Hieronymus Wolf (1516– 1579) aus Augsburg (wahrscheinlich Monacensis gr. 476, 13./14. Jhd.).161 Beide Handschriftenquellen nennt Canter auch im Vorwort zur Ratio emendandi.162 Dort erwähnt er in diesem Zusammenhang auch noch den griechischen Gelehrten Michael Sophianos, der schon Francesco Robortello bei dessen Aischylos-Edition geholfen hatte (siehe Kapitel 1.1.2, S. 26). Vor dem Erscheinen der zweiten Auflage der Ratio emendandi legte Canter noch 1566 eine Edition und Übersetzung der Fragmenta Pythagoreorum vor, die in der Anthologie des Johannes Stobaios (5. Jhd. n. Chr.) überliefert sind. Im gleichen Jahr wie die zweite Auflage der Ratio emendandi schließlich erschien Canters Ausgabe der Tragödien des Euripides. Auch wenn er in dieser Ausgabe wohl einige notae von Scaliger – freilich –––––––––––––– 158 Vgl. S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 3, 1845, S. 464. 159 W. Canter: Epistola dedicatoria an G. V. Pinelli, in: Synesios: Varia opera, 1567, S. 7 bzw. fol. a4r. 160 „... die Du aus Deiner Bibliothek, dem überaus prächtigen Schatz kostbarster Dingen, neulich hervorgeholt hast. Du hattest sie mir unter der Auflage übergeben, dass sie durch meine Arbeit in die Hände der Menschen gleichzeitig auf Latein und Griechisch kommen.“ W. Canter: Epistola dedicatoria an G. V. Pinelli, in: Synesios: Varia opera, 1567, S. 3 bzw. fol. a2r. 161 W. Canter: Epistola dedicatoria an G. V. Pinelli, in: Synesios: Varia opera, 1567, S. 7 bzw. fol. a4r. Vgl. auch den Index siglorum in Synesios: Hymnes, ed. & trad. fr. C. Lacombrade 1978, S. 35f. 162 Cant. Ratio emend., 1571, S. 5.
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ohne ihn zu nennen – verwendet hatte, wird Canters Text dennoch als originaler Fortschritt in der Euripides-Textkritik gefeiert.163 Neben dem Euripides kamen nach seinem Tode noch die Sophokles- und AischylosAusgaben zum Druck (1579 und 1580), die Canter endgültig einen prominenten Platz in der Philologiegeschichte sicherten.164 Eng mit den Editionen und Übersetzungen verbunden waren notaeSammlungen zu den Texten. So finden sich beispielsweise annotationes zum pseudoaristotelischen Peplos und zur Übersetzung der Alexandra von Lykophron, wie auch kurze Noten im Anhang der Euripides-Edition. Neben diesen Anmerkungen, die zusammen mit Textausgaben veröffentlicht wurde, sind noch notae-Sammlungen zu nennen, die eigenständig zu antiken Autoren erschienen. Dazu gehören etwa Explicationes et emendationes zu Ciceros Epistolae ad familiares (1568) und Scholia brevia zu Properz (1569). Das Kernstück von Canters philologischen Veröffentlichungen bildeten zum Zeitpunkt der Ratio emendandi neben der Aristides-Edition notaeSammlungen zu verschiedenen Texten und Autoren. 1564 debütierte Canter als Philologe mit einer notae-Sammlung mit dem Titel Novae lectiones in vier Büchern. Gedruckt wurden sie in Basel bei Johannes Oporin, wobei sich hier Arbeiten zu den verschiedensten lateinischen und griechischen Autoren finden, die er vor allem während seines FrankreichAufenthalts zusammengetragen hatte. Unter anderem publizierte er dort eine editio princeps eines Fragments von Athenaios, dessen Text er von Marc-Antoine Muret erhalten und mit Hilfe von Joseph Justus Scaliger bearbeitet hatte.165 Von den Novae lectiones erschienen in den folgenden Jahren noch zwei weitere Auflagen: im Jahre 1566 erweitert auf sieben Bücher und 1571 um ein weiteres Buch auf libri octo. 1.2.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta Im Anhang von Canters Ausgabe und lateinischer Übersetzung griechischer rhetores, die 1566 in Basel bei Oporin in großem Quartformat erschien, findet sich auf den Seiten 636 bis 646 ein Syntagma, eine Zusammenstellung einer Ratio emendandi Graecos auctores, einer Verbesserungslehre –––––––––––––– 163 Vgl. dazu etwa J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 215; L. D. Reynolds/ N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 179; R. Pfeiffer: Klassische Philologie 2, 1982, S. 157; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 106. 164 Vgl. allgemein zur frühneuzeitlichen Philologie und Drucklegung der Tragiker-Texte: U. von Wilamowitz-Moellendorff: Einleitung in die griech. Tragödie, 1907, S. 220–227; R. Hirsch: The printing of Aeschylus, Euripides, Sophocles and Aristophanes, 1964. 165 Vgl. dazu H. de Vocht: Einleitung und Kommentar zur Ed. Valerii Epistolae, 1957, S. 54; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 106.
1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571
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eigens für griechische Literatur.166 Eine zweite überarbeitete und um viele Beispiele erweiterte Auflage der Ratio emendandi kam 1571 in Antwerpen heraus. Hier ist der jetzt mit eigenem Titelblatt publizierte Text mit der dritten Auflage der Novae lectiones zusammengebunden und umfasst im Oktavformat 64 Seiten. Eine Ausgabe in der zweiten Auflage der Novae lectiones von 1566 gibt es entgegen gleichlautenden Vermutungen wohl nicht.167 Nach dem Tod Canters erfuhr die Ratio emendandi mehrere Nachdrucke: Der englische Philologe und spätere Arzt Samuel Jebb (1693/4–1772) nahm den Text in seine zweibändige, griechisch-lateinische AristidesAusgabe von 1722 und 1730 auf. Im Vorwort heißt es dazu: „Adiicitur insuper Canteri Syntagma de emendandis Graecis Scriptoribus.“168 Die Ratio emendandi erschien im zweiten Band von 1730 auf den Seiten 621 bis 631 in Quart im (abgesehen von der praefatio) zweispaltigen Satz und folgt der Textfassung von 1566. Zwei weitere Auflagen stammen aus dem 19. Jahrhundert. Zum einen erachtete Friedrich Wilhelm Sturz (1762– 1832) den frühneuzeitlichen Methodentext als so relevant, dass er eine verbesserte Neuauflage der Textfassung von 1571 auf den Weg brachte.169 Er veröffentlichte die Ratio emendandi im Anhang der zweiten Auflage seiner kommentierten Ausgabe der Fragmente des Hellanikos von Lesbos von 1826. Sturz notiert hier die Seitenzählung der Textfassung von 1571 und ergänzt genauere Angaben zu den herangezogenen Textstellen, die betreffenden Werke der antiken Schriftsteller und die Fundstellen in den zu seiner Zeit einschlägigen Ausgaben.170 Nur drei Jahre nach Sturz übernahm zum anderen Karl Wilhelm Dindorf (1802–1883) die Ratio emendandi in seine Aristides-Ausgabe von 1829, die übrigens 1964 nachgedruckt wurde. Im dritten Band (S. 795–848) ist der Text von 1571 einschließlich der beiden Vorworte von 1566 und 1571 sowie der Ergänzungen von Sturz wiedergegeben.171 –––––––––––––– 166 In manchen Exemplaren von Canters Aristides-Übersetzung fehlt der Text der Ratio emendandi, so etwa im Exemplar HAB: A: 5 Rhet. 2°, wo nur das Vorwort, nicht aber der eigentliche Text abgedruckt ist. 167 So Friedrich Wilhelm Sturz in der Einleitung zu seiner Ratio emendandi-Edition: „Nam Canterus Syntagma suum primo quidem suae Aristidis versioni Latinae, quam Basileae 1566. fol. publicavit, et nisi fallor, etiam secundae Novarum Lectionum editioni, quae eodem anno exiit, subiunxerat.“ Praefatio, in: Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826, S. XII (Hervorhebungen bei Sturz). 168 S. Jebb: Praefatio. In: Aristides: Opera omnia, ed. & transl. S. Jebb, Bd. 1, 1722, fol. b3v. 169 Zu Sturz vgl. die knappen biographischen Angaben bei C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 772 (Fn. 2). 170 Über die Einrichtung seiner Ausgabe und die herangezogenen Ausgaben informiert Sturz ausführlich in seinem Vorwort in: Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826, S. XII–XV. 171 Praefatio, in: Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826, S. XIII.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Abb. 5: Das Titelblatt der Ratio emendandi
1.2 Das Syntagma de ratione emendandi von 1566 und 1571
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Die Textgestalt der Ausgaben differiert neben den zusätzlichen Angaben in den späteren Ausgaben hinsichtlich der Vorworte. So ging der ersten Auflage eine praefatio voraus, die Canter in der Auflage von 1571 zu einem Widmungsvorwort an den Druckerverleger Christopher Plantin umschrieb. Samuel Jebb druckte in seiner Ausgabe von 1730 den Text der Einleitung von 1566 ab. Sturz und Dindorf gaben in ihren Ausgaben beide Vorworte wieder. Den folgenden Ausführungen liegt die Fassung von 1571 und zusätzlich das Vorwort von 1566 zugrunde. Im Vorwort leitet Willem Canter zunächst in einem allgemein gehaltenen Abschnitt die Notwendigkeit von textkritischer Arbeit aus dem Nutzen der griechischen Literatur und aus ihrem korrupten Überlieferungszustand ab.172 Er bezieht sich auf seine eigene Arbeit an griechischen Texten und nennt zwei Verfahren der Verbesserung, nämlich den Handschriftenvergleich und die Konjektur. Anschließend beschreibt er das Textmaterial, mit dem er die einzelnen Fehlertypen illustriert. Es handelt sich um die Reden des Aristides und um Lesarten aus Canters Novae lectiones, die zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung der Ratio emendandi 1566 bereits in zweiter Auflage erschienen und auf sieben Bücher angewachsen waren. Am Ende nennt er eine Reihe von Fehlertypen, die er jeweils in einzelnen Kapiteln abhandelte, und stellt so den Aufbau der Ratio emendandi vor. In der zweiten Auflage der Ratio emendandi von 1571 verändert Canter das Vorwort und erklärt, dass er die Ratio emendandi vor allem in Umfang und Provenienz der Lesarten-Beispiele erweitert habe. Canter beschreibt jetzt relativ genau die verwendeten Handschriften und Drucke. Dabei handelt es sich um die Reden des Aristides, um die Historia des Heliodor, Reden der griechischen Rhetoren, Opuscula des Synesios, historiographischen Arbeiten von Polybios und Thukydides sowie die patristischen Schriften von Iustinos Martys und Clemens Alexandrinos. Darüber hinaus geht Canter wieder auf die Novae lectiones ein, die mittlerweile in der dritten Auflage vorlagen und acht Bücher umfassen. Da es sich bei der praefatio-Fassung von 1571 um eine Widmungsvorrede handelt, schließt Canter diesmal mit der Lobpreisung des Adressaten, des Druckerverlegers Christoph Plantin, ab. Der eigentliche Text gliedert sich in acht Kapitel, die jeweils einen Fehlertyp behandeln. Es geht um einzelne verderbte Buchstaben (Kap. I), um entfernte und hinzugefügte Buchstaben (Kap. II), um Silben und Wörter, die entfernt oder hinzugefügt wurden, und um Glossen –––––––––––––– 172 Die Ratio emendandi wird in der Forschungsliteratur besprochen von F. W. Sturz: Praefatio, in: Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826, S. XII–XV; H. de Vocht: Einleitung und Kommentar zur Ed. Valerii Epistolae, 1957, S. 57; E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 36f.; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 179f.; J. K. Cameron: Humanism in the Low Countries, 1990, S. 149f.
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(Kap. III), um falsch getrennte oder verbundene Wörter (Kap. IV), um Buchstaben- und Wortverdreher (Kap. V), um Zeichensetzung (Kap. VI), um fehlerhafte Buchstaben und Silben am Anfang oder am Ende von Wörtern (Kap. VII) sowie um Fehler, die aus der verkehrten Auflösung von Abkürzungen entstehen (Kap. VIII). Canter beschließt seine Ratio emendandi mit einer Zusammenfassung des Gesagten und einigen kürzeren methodischen Überlegungen. Dieser Haupttext ist durchsetzt mit einer ungeheuer großen Anzahl von Lesarten aus den in den Vorworten beschriebenen griechischen Texten.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597 1.3.1 Kaspar Schoppe (1576–1649): Student unter dem Einfluss des mos Gallicus Si iuvat Effigiem monstri vidisse Scioppi, HEi mihi quam saevas arrigit ille genas! Qui Patriam priscamq[ue] fidem radice revelli Et Belgas, Anglos, Teutonicosq[ue] cupit. Cuncta sub Hispani redigi vult frena Tyranni, Extingui reliquum mandat ovatq[ue] gregem, Bestia dira Stygis gerit arma ferocis Echini, Hanc illi pellem Papa Satanq[ue] dedit.173
Dieser Kupferstich von Adriaen Claesz Grebber (1576–1661) bildet Kaspar Schoppe fünf Jahre nach der Veröffentlichung seiner Abhandlung über textkritische Verfahren ab. In der Bildunterschrift, die dagegen rund zwanzig Jahre später verfasst wurde, werden die Schrecken geschildert, die von dem gefürchAbb. 6: Porträt K. Schoppe teten Kontroverstheologen ausgegangen sind, als der er bis heute hauptsächlich in Erinnerung geblieben ist. Das scheint doch nicht immer so gewesen zu sein. Im Jahr vor der Veröffentlichung der Ars critica schlug bespielsweise ein Lehrer des damaligen Jurastudenten Schoppe, Konrad Rittershausen (lat. Cunradus Rittershusius, 1560–1613) in einem Brief an den Löwener Gelehrten Justus Lipsius (1547–1606) noch einen ganz anderen Tonfall an. Rittershausen preist hier den Ehrgeiz, das Talent und die Gelehrtheit seines viel versprechenden Schülers:
–––––––––––––– 173 „Wenn es Freude macht, das Bildnis des Scheusals Schoppe zu betrachten: o welch wildes Gesicht streckt er mir entgegen! | Dass sein von den Vätern ererbter alter Glaube mit der Wurzel ausgerottet werde ebenso wie die Niederländer, die Engländer und die Deutschen, ist sein Wunsch. | Alles will er unter das Joch des spanischen Tyrannen bringen, dazu stachelt er auf und frohlockt, wenn die ganze übrige Herde vernichtet wird. | Die schreckliche Höllenbestie trägt die Waffen des streitbaren Igels: dieses Kleid haben ihm der Papst und Satan gegeben.“ Bildunterschrift, Übersetzung: P. Mortzfeld: Porträtsammlung der HAB (Bio-Bibliographie), 2002, S. 413.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Caspar Schoppius est, adulescens acutus & ingeniosus: qui cum iam pridem in Criticos nomen suum dederit, suae in hac arte peritiae specimen quoddam hac aestate dare voluit. Edidit ergo quatuor Verisimilium libros: in quibus quid hic novus Criticus ... praestiterit, quantumque porro de eius studiis expectandum sit, ubi ad maturitatem pervenerint, tui erit iudicii statuere. Ecce enim exemplar libelli ad te mitto: ... Velim autem te optimi huius adulescentis indoli favere, quem ego cognovi tuae incomparabilis eruditionis & virtutis admiratorem multo maximum: quique iam nunc in hoc aetatis lubrico ad omnem virtutis laudem & ad decus literarium capessendum ex summis opibus connititur.174
Rittershausen preist den Ehrgeiz, das Talent und die Gelehrtheit seines viel versprechenden Schülers. Geboren wurde Kaspar Schoppe (lat. Gaspar Scioppius)175 am 26. Juni 1576 in der Oberpfalz.176 Nachdem er das –––––––––––––– 174 „Kaspar Schoppe ist ein scharfsinniger und begabter junger Mann. Da er sich schon lange der Kritik verschrieben hat, wollte er in diesem Sommer eine Probe seiner Erfahrung in dieser Kunstfertigkeit geben. Also verfasste er vier Bücher von Verisimilia. Was darin dieser neuer Kritiker ... leistete und wieviel weiterhin von seinen Studien erwartet werden kann, wenn sie [erst] zur Reife gelangen, das wirst Du am besten beurteilen können. Ich schicke Dir hier nämlich ein Exemplar der Schrift. ... Ich möchte aber, dass Du der Begabung dieses ausgezeichneten jungen Mannes gewogen bist. Ich weiss, dass er bei weitem der größte Bewunderer Deiner unvergleichbaren Gelehrsamkeit und Tugend ist. Er bemüht sich jetzt schon, in diesem gefährdeten Lebensalter, mit allen Kräften darum, das höchste Lob der Tugend und gelehrte Auszeichnung zu erreichen.“ Brief Konrad Rittershausens an Justus Lipsius vom 31.8.1595 = Brief Nr. DCCXXIV in P. Burmann: Sylloges epistolarum 1, 1727, S. 764f., hier S. 764 (Hervorhebung bei Burmann); zitiert auch in F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 76 (Fn. 54). Zu diesem Brief vgl. auch J. Papy: Briefwechsel Schoppe–Lipsius, 1998, S. 277ff. 175 Eine Schoppe-Bibliographie bieten: H. Jaumann: Rezeption und Forschungsgeschichte, 1998; H. Altmann: Art. „Schoppe“, BBK 18, 2001, Sp. 1261–1297. Eine ausführliche Darstellung von Schoppes Leben beinhaltet die Studie von M. d’Addio: Il pensiero politico di Scioppio, 1962, S. 7–253; sowie die Einleitung der kürzlich erschienenen Edition der Philotheca Scioppiana von Klaus Jaitner (2004). Die kurze Zeitspanne bis zur Veröffentlichung der Ars critica, die in der vorliegenden Arbeit vorrangig von Interesse ist, behandeln d’Addio auf den Seiten 7 bis 14 und Jaitner auf den Seiten 1 bis 29. Im Anhang (S. 671–684) veröffentlicht d’Addio die knappe Autobiographie Schoppes De vita sua (jetzt ed. K. Jaitner 2004), die Frank-Rutger Hausmann als roten Faden für seine ausführliche Schilderung von Schoppes Jugend nutzt (F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995). Die überaus ausführliche Autobiographie Schoppes ist die Philotheca Scioppiana, die Schoppe 1645 niederschrieb und die (nach Teildrucken bei d’Addio und Hausmann) jetzt in einer sorgfältigen Edition mit deutscher Übersetzung von Klaus Jaitner (2004) vorliegt. Abgesehen davon liegen folgende Arbeiten zu Schoppe vor: Art. „Scioppius“, Zedler 36, 1743, Sp. 595–601; C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 282–287; R. Hoche: Art. „Scioppius“, ADB 33, 1891, S. 479–484; U. Helfenstein: Scioppius als Gesandter des Sultans, 1963, S. 9–14; A. Kraus: Bayerische Wissenschaft in der Barockzeit, 1988, S. 888f.; G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3734–3792; H. Jaumann: Art. „Scioppius, Gaspar“, Killy 10, 1991, S. 469ff.; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 55–104; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 161ff.; F.-R. Hausmann: Schoppe als Forschungsaufgabe, 1998; H. Jaumann: Einleitung, 1998; J. Papy: Briefwechsel Schoppe–Lipsius, 1998; F. Neumann: Gaudenzio und Schoppe, 2001. 176 Wahrscheinlich in Pappenberg, heute Landkreis Neustadt an der Waldnaab.
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Amberger Gymnasium besucht hatte, immatrikulierte er sich 1591 auf Wunsch seines Vaters Kaspar Schoppe d.Ä. (1542–1607) in Altdorf für Jurisprudenz. Bereits im Folgejahr wechselte er nach Heidelberg. 1594 schickte ihn sein Vater zurück an die Universität Altdorf, wo er unter anderem Schüler des eben erwähnten Rittershausen wurde, der den jungen Schoppe förderte und unterstützte. Auf Drängen von Rittershausen ging Schoppe 1595 für ein Jahr nach Ingolstadt zu Rittershausens ehemaligem Lehrer Hubertus Giphanius. 1596 war das Jahr seiner ersten philologischen Veröffentlichung (Verisimilia) und Rückkehr nach Altdorf. Im Folgejahr publizierte er zwei weitere philologische Arbeiten, die Suspectae lectiones sowie die Ars critica selbst, und beendete sein Studium mit einer juristischen Disputation De iniuriis bei Rittershausen. Dann machte er sich auf eine Reise durch Italien, die ihn nach Verona, Mantua, Vicenza, Padua und Venedig führte.177 Es folgte 1598 ein folgenreicher Aufenthalt in Prag, wo er zum Katholizismus konvertierte. Die Konversion markiert einen Bruch in Schoppes Biographie. Bis dahin strebte er eine Laufbahn als Philologe an, und die ersten Schritte waren mit der Unterstützung von Rittershausen durchaus Erfolg versprechend. Auch wenn er im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts noch mehrere philologische Schriften verfasste, so stellte sich Schoppe doch zunehmend in den Dienst seines neuen Bekenntnisses und wurde zu jener Figur des ätzenden Polemikers und Kontroverstheologen, als der er der Nachwelt im Gedächtnis blieb. Er löste sich aus der protestantischcalvinistischen Gelehrtengemeinschaft und ging dazu über, ehemalige Lehrer und Vorbilder zu diffamieren. So hatte er den Konflikt mit den ehemaligen Kollegen durch einen in der Philologengemeinschaft als geradezu frevlerisch empfundenen Versuch geschürt, seinen Lehrer Rittershausen zur Konversion zu bewegen. Dazu kam noch sein scharfzüngiger Angriff auf sein ehemaliges Vorbild Joseph Justus Scaliger: Er stellte Scaliger öffentlich bloß, indem er aufdeckte, dass dieser seine adelige Herkunft erfunden hatte.178 Schoppes weiterer Lebensweg sei hier nur kurz skizziert: Er verbrachte einige Jahre bis 1607 am päpstlichen Hof in Rom, stellte sich dann als Diplomat in den Dienst des späteren Kaisers Ferdinand und verfasste hier vor allem konfessionell-propagandistische Schriften. In der Folgezeit zog er sich eine Weile zurück, widmete sich in der Abgeschiedenheit Mailands wieder seinen Studien und schrieb unter anderem eine erfolgreiche –––––––––––––– 177 Entgegen dieser landläufigen Ansicht meint Hugo Altmann, Schoppe habe keinen akademischen Grad erworben (Art. „Schoppe“, BBK 18, 2001, Sp. 1261–1297, hier Sp. 1263). 178 Zu diesem Streit und seinen Hintergründen vgl. vor allem F.-R. Hausmann: Schoppe, Scaliger und die Carmina Priapea, 1977.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
lateinische Grammatik (Grammatica philosophica).179 Anfang der 1630er Jahre kehrte er mit einem großen Angriff auf die Jesuiten für einige Jahre in die Politik zurück, um dann 1633 nach einer missglückten letzten diplomatischen Mission für einen vermeintlichen Sohn des türkischen Sultans endgültig von der Bühne der Öffentlichkeit zu verschwinden. Schoppe lebte die letzten Jahre zurückgezogen in Padua, wo er am 16. November 1649 verstarb. Schoppe hatte seine philologisch-juristische Ausbildung an Bildungseinrichtungen genossen, die von zeitgenössischen Entwicklungen in der Gelehrsamkeit betroffen waren. Heidelberg etwa, wo Schoppe in den Jahren 1592 bis 1594 die Rechte studierte, verdankte seinen Ruf zum einen einer hervorragenden Bibliothek, der Bibliotheca Palatina. Zum anderen war die Universität zur Zeit der Hugenottenverfolgung in Frankreich ein Bildungszentrum des reformierten Glaubens in Deutschland gewesen. Calvinistische Gelehrte, die den Gräueln in Frankreich entkommen waren, fanden eine Zufluchtsstätte in Heidelberg, wovon die Universität und die Qualität ihrer Lehre profitierte. Unter diesen Gelehrten waren viele Juristen, die neue, in Frankreich verbreitete Ansätze mit nach Heidelberg brachten. Mit mos Gallicus – der französischen Methode – bezeichnete man die philologischen Herangehensweisen an juristische Textkorpora.180 Der Text des Corpus iuris civilis wurde im späten 11. Jahrhundert von Bologneser Juristen wie Irnerius (c.1055–1130) verbindlich aufgestellt und erklärt. Diese Glossen gingen später unter anderem mit der Glossa ordinaria des Accursius (c.1185–1263) von 1227 in das Textkorpus ein. In der anschließenden Exegese, die ihren Höhepunkt im 14. Jahrhundert erreichte, wurde der Text des Corpus zusammen mit den Glossen des 12. und 13. Jahrhunderts als verbindlicher Rechtstext kanonisiert und ausführlich durch die so genannten Postglossatoren kommentiert, etwa von den scholastischen Rechtsgelehrten Bartolus (1314–1357) und Baldus (1327–1400). Deshalb waren die autoritativen Kommentare zum Corpus iuris civilis im 15. Jahrhundert um einiges umfangreicher als das Corpus selbst. In dieser Tradition des so genannten mos Italicus der Postglossatoren standen die Editionen und Drucke unterschiedlicher Teile des Corpus in den glossierten Textfassungen meist zusammen mit verschiedenen Kommentaren, summaria und additiones.181 Ge––––––––––––––
179 Weiterführend zu Schoppes Grammatik ist C. Lecointre: Schoppes ‚Grammatica Philosophica‘, 1998. 180 Zur Geschichte der frühneuzeitlichen Rechtswissenschaft ist grundlegend H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971. Vgl. auch D. R. Kelley: Historical scholarship, 1970; I. MacLean: Interpretation in the Renaissance, 1992. 181 Vgl. O. Mazal: Spätantike Literatur im Buchdruck des 15. Jhds., 1984, S. 103–110; P. Weimar: Art. „Corpus iuris civilis“, LMA 3, 1986, Sp. 270–277.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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mäß der frühneuzeitlichen philologischen Auffassung sollten diese Texte allerdings nun von der kanonisierten Kommentierung und Glossierung befreit werden. Erst die gereinigten Texte sah man als angemessene Quellen des Rechts an, die dann verlässlich – durchaus auch wieder unter Berücksichtigung historischer Bedingungen – ausgelegt werden konnten. Griechische Passagen sollten in ihrem ursprünglichen Wortlaut rekonstruiert und mit berücksichtigt werden (Graeca leguntur), die Glossen aus dem Text entfernt sowie neue und verständliche Erklärungen geschrieben werden. Die neue Lehre verankerte sich im 16. Jahrhundert institutionell vor allem an den Universitäten von Bourges und Orléans, weswegen es sich auch einbürgerte, im Gegensatz zum mos Italicus der Postglossatoren die philologischen Ansätze als mos Gallicus zu bezeichnen. Während der konfessionellen Kriege in Frankreich mussten viele Vertreter des mos Gallicus fliehen. Einer dieser Flüchtlinge war Hugues Doneau (lat. Hugo Donellus, 1527–1591), der nach seiner Flucht zunächst in Genf, dann ab 1573 in Heidelberg gelehrt hatte.182 Doneau war ein anerkannter Gelehrter, und als 1576 die lutherische Lehre in Heidelberg kurzzeitig wieder eingeführt wurde, hatte er keine Schwierigkeiten, statt dessen an der neu gegründeten Universität in Leiden einen Lehrstuhl zu bekommen.183 Nach einem zu seinen Ungunsten verlaufenen theologischen Disput musste er allerdings 1587 Leiden verlassen und einen Ruf nach Altdorf annehmen, wo er dann von 1588 bis zu seinem Tod 1591 lehrte. Es war in Heidelberg, dass Schoppe mit solchem historischphilologischen Textverständnis in Berührung kam. Zu dieser Zeit besaß die juristische Fakultät vier Lehrstühle, einen für das kanonische und drei für das römische Recht, die sich den Institutionen, Pandekten und dem Kodex widmeten. Einen der drei Lehrstühle für Jurisprudenz hatte der Italiener Julius Pacius (auch Giulio Pace oder Pacio de Beriga, 1550–1635) inne, der in den Jahren 1565 bis 1570 in Padua Philosophie und Jura studiert hatte und auch bei Francesco Robortello Latein und Griechisch gehört –––––––––––––– 182 Zur Person von Doneau vgl. H. Buhl: Donellus in Heidelberg, 1892; E. Holthöfer: Hugo Donellus, 1982; M. J. A. M. Ahsmann: Juristischer Unterricht in Leiden (1575–1630), 2000, S. 343– 360. 183 1576 löste Ludwig VI. seinen Vater Friedrich III. als Kurfürsten in der Pfalz ab und reinstituierte die lutherische Lehre an der Universität. Nach dem Tod von Ludwig VI. 1583 führte der Pfalzgraf Johann Kasimir, der als Vormund des minderjährigen Friedrich IV. die Regierungsgeschäfte der Kurpfalz übernommen hatte, jedoch das reformierte Bekenntnis wieder ein und knüpfte damit an die Glanzzeiten der Universität an. Zur Heidelberger Universitätsgeschichte vgl. H. Buhl: Donellus in Heidelberg, 1892; N. Hammerstein: University of Heidelberg in the early modern period, 1986/1987; K. Maag: Genevan academy, 1995, S. 154–171; J. Arndt: Hl. Röm. Reich und die Niederlande, 1998, S. 169–175, 182–186.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
haben könnte.184 Pacius sympathisierte mit den Ansätzen der großen humanistischen Rechtsgelehrten Andrea Alciato und Jacques Cujas (lat. Jacobus Cuiacius, 1522–1590) und beeinflusste die juristische Lehre in Heidelberg im Sinne des mos Gallicus. Darin glich ihm auch der praktizierende Jurist und pfälzische Hofrat Marquard Freher (1565–1614), unter dessem persönlichen Schutz Schoppe in Heidelberg stand.185 Freher hatte in Bourges bei Jacques Cujas 1585 promoviert und war damit in der Methode des mos Gallicus ausgebildet. Im gleichen Jahr, als Schoppe nach Heidelberg kam, nahm der ebenfalls von diesen Ansätzen geprägte Janus Gruter den Ruf an einen Lehrstuhl für Geschichte an. Gruter hatte unter anderem in Leiden bei Doneau und Justus Lipsius studiert, in den Kreisen von Janus Dousa d.Ä. verkehrt und im Jahre 1584 in Jurisprudenz bei Doneau promoviert.186 Als 1594 Schoppes Vater ihn zurück an die Nürnberger Universität Altdorf orderte, wurde er hier Schüler von Scipio Gentilis, Konrad Rittershausen und Hubertus Giphanius – drei Gelehrte mit einer einschlägigen Orientierung am mos Gallicus. Scipio Gentilis wurde 1563 in Italien geboren, verließ wegen seines protestantischen Glaubens jedoch in Jugendjahren Italien und wurde in Deutschland ansässig.187 Nach Tübingen und Wittenberg studierte er in Leiden – wie auch schon Gruter – Philologie und Jura bei Lipsius sowie Jura bei Doneau, wobei ihn mit dem Letzterem eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. 1587 ging er nach der Absetzung von Doneau nach Heidelberg. Seine Doktorwürde erwarb er bei Robortellos Schüler Basilius Amerbach (siehe Kapitel 1.1.1, S. 20) 1589 in Basel. 1590 folgte er seinem Lehrer Doneau an die Universität Altdorf, wo er zunächst auf einen Lehrstuhl für die Institutiones, dann aber auf die besser angesehene und dotierte Pandekten-Professur berufen wurde. Nach dem frühen Tod von Doneau 1591 kümmerte er sich um die Veröffentli–––––––––––––– 184 Zur Person von Pacius vgl. R. von Stintzing: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 390ff.; N. W. Gilbert: Renaissance concepts of method, 1960, S. 180, 192ff.; H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 178ff.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1979, S. 546f.; C. B. Schmitt: Aristotle and the Renaissance, 1983, S. 144; P. O. Kristeller: Scholastik und Humanismus in Heidelberg, 1987, S. 19; M. J. Wilmott/C. B. Schmitt: Biobibliographies, 1988, S. 828f. 185 Allerdings sollte Freher nach weiteren zwei Jahren den Universitätsdienst quittieren und statt dessen für den Rest seines Lebens als Rat am kurpfälzischen Hof dienen. Zu Freher vgl. Wegele: Art. „Freher“, ADB 7, 1877, S. 334f.; Art. „Freher“, DBE 3, 1996, S. 421. 186 Angaben zu Gruter finden sich in J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 359– 362; H. de la Fontaine Verwey: History of the Amsterdam Caesar codex, 1979, S. 184f.; Art. „Gruter“, DBE 4, 1996, S. 228; C. L. Heesakkers: Gruter (Centuriae Latinae), 1997. 187 Vgl. zu Scipio Gentilis: Art. „Gentilis, Scipio“, Zedler 10, 1735, Sp. 897f.; R. von Stintzing: Art. „Gentilis, Scipio“, ADB 8, 1878, S. 576f.; ders.: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 392–395; M. de Benedictis: Art. „Gentili, Scipione“, DBI 53, 1999, S. 278–272; A. E. Walter: Die Gelehrtenrepublik um 1600 in der Korrespondenz Lingelsheims, 2004, S. 344f.; R. Häfner: Kommentare zu Apuleius von Casaubon, Gentili und Pricaeus, 2006, S. 172.
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chung von dessen nachgelassenen Schriften, und 1598 endlich übernahm er die Kodex-Professur vom Nachfolger von Doneau. 1616 starb Scipio Gentilis in Altdorf. Der zweite – und wichtigste – Lehrer Schoppes in Altdorf war Konrad Rittershausen, der beide Male Scipio Gentilis auf die Lehrstühle nachrückte. Rittershausen wurde 1560 in Braunschweig geboren und studierte ab 1580 in Helmstedt Philologie, wobei er in dieser Zeit auch Griechisch und Hebräisch lernte.188 1584 schrieb er sich an der Nürnberger Universität in Altdorf für Jura ein und wurde Schüler des Juristen Hubertus Giphanius. Als Giphanius 1590 einen Ruf an die von den Jesuiten dominierte Universität Ingolstadt annahm, folgte ihm Rittershausen. Nachdem er im folgenden Jahr sein Studium bei Giphanius in Ingolstadt abgeschlossen hatte, begab sich Rittershausen auf eine Reise nach Ungarn sowie Bratislava und Wien. Dann promovierte er an der angesehenden juristischen Fakultät von Basel. Noch zum Wintersemester 1591 begann er in Altdorf die Institutiones zu lehren. Den Lehrstuhl übernahm er von Scipio Gentilis, der auf die höher gestellte Professur für die Pandekten aufrückte. In Altdorf sollte Rittershausen bis an sein Lebensende 1613 bleiben. Als Schoppe 1594 nach Altdorf kam, begegnete er mit Rittershausen einem jungen Professor, der sich ganz im Stile des mos Gallicus in seinen juristischen Vorlesungen auf keinerlei mittelalterliche Autoritäten bezog und auch Autoren des 16. Jahrhunderts abgesehen von Giphanius und dessen Lehrer Cujas nur selten zitierte.189 Rittershausen wurde zu Schoppes Förderer – er unterstützte die junge Karriere mit lobenden Vorworten und Empfehlungsschreiben etwa an Justus Lipsius (siehe oben, S. 64) oder Joseph Justus Scaliger.190 Auf Rittershausens Drängen ging Schoppe 1595 nach Ingolstadt, um bei Hubertus Giphanius zu studieren. Rittershausens ehemaliger Lehrer hatte ja selbst Rittershausen erst mit dem mos Gallicus vertraut gemacht. Giphanius wurde 1533 oder 1534 in der Provinz Geldern geboren und ging nach seinem Studium bei Cornelius Valerius van Auwater in Löwen –––––––––––––– 188 Angaben zu Person und Werk von Rittershausen finden sich in: Art. „Rittershusius, Conrad“, Zedler 31, 1742, Sp. 1823ff.; R. von Stintzing: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 414–419; A. R. v. Eisenhart: Art. „Rittershausen“, ADB 28, 1889, S. 698–701; M. d’Addio: Il pensiero politico di Scioppio, 1962, S. 10; H. Kunstmann: Die Nürnberger Universität Altdorf, 1963, S. 26–29; F. Merzbacher: Konrad Rittershausen, 1977; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 75f.; L’Europe des humanistes, 1995, S. 368f.; J. Papy: Briefwechsel Schoppe–Lipsius, 1998, S. 277ff.; W. Mährle: Die Hohe Schule in Altdorf, 2000, S. 451–454; A. E. Walter: Die Gelehrtenrepublik um 1600 in der Korrespondenz Lingelsheims, 2004, S. 343f.; K. Vanek: Rittershausens ‚Monitio‘, 2005, S. 13ff. 189 So W. Mährle: Die Hohe Schule in Altdorf, 2000, S. 453f. 190 Ein Zitat aus einem Brief an Scaliger findet sich bei M. d’Addio: Il pensiero politico di Scioppio, 1962, S. 13 (Fn. 10).
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
genauso wie später Canter nach Paris (siehe Kapitel 1.2.1, S. 53).191 Giphanius reiste später weiter an die Zentren des mos Gallicus, etwa nach Bourges, wo er unter anderem bei Jacques Cujas Vorlesungen besuchte, oder auch nach Orléans, wo er 1567 promovierte. Wahrscheinlich wurde er 1583 nach Altdorf berufen, wo er sich mit großem Erfolg der Einführung des mos Gallicus widmete. In diesem Rahmen machte er große Anstrengungen, den vorher an den juristischen Fakultäten von Bourges, Heidelberg und Leiden lehrenden Doneau für Altdorf zu gewinnen. Dies gelang endlich im Jahre 1588, mündete aber bald in ein Gerangel um die Vorherrschaft an der Fakultät, das zu Ungunsten von Giphanius endete. Giphanius nahm 1590 einen Ruf nach Ingolstadt an und einige Schüler wie auch Konrad Rittershausen folgten ihm. Später geriet er hier mit den Jesuiten in Konflikt, sodass er 1599 ein politisches Amt am Hof in Prag annahm, dorthin umsiedelte und schließlich 1604 dort verstarb. Schoppe wurde in seinem Jahr in Ingolstadt ein treuer Schüler von Giphanius, auch wenn aus dieser Zeit eine Kostprobe frühen Schoppianischen Rabaukentums überliefert ist, wonach er zusammen mit drei Kommilitonen nächtens in Giphanius’ Arbeitszimmer eingebrochen sei und eine Handschrift des Symmachus entwendet habe. In der gleichen Nacht schrieb Schoppe angeblich die Varianten in eine gedruckte Ausgabe – die im Übrigen erhalten ist – ab und legte die Handschrift dann unbemerkt wieder zurück. Diese Lesarten bildeten jedenfalls einen Teil derjenigen, die Schoppe für seine Symmachus-Arbeit in den Verisimilia und für seine Ars critica verwendete. Schoppes Lehrer in Nürnberg-Altdorf waren also Vertreter des mos Gallicus, die wussten, wie wichtig auch allgemeine philologische Studien zu den Texten der antiken Schriftsteller für die Rekonstruktion von älteren juristischen Korpora waren.192 Als Beispiel sei hier nur auf die Bemühungen um das Zwölftafelgesetz verwiesen und die von Juristen mit großem In–––––––––––––– 191 Angaben zu Giphanius finden sich in: Schirmer: Art. „Giphanius“, ADB 9, 1879, S. 182– 185; R. von Stintzing: Geschichte der dt. Rechtswissenschaft 1, 1880, S. 405–414; C. L. Heesakkers: Le procurateur Giphanius, 1985; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 88f.; Art. „Giphanius“, DBE 4, 1996, S. 13; M. J. A. M. Ahsmann: Juristischer Unterricht in Leiden (1575–1630), 2000, S. 347ff.; A. E. Walter: Die Gelehrtenrepublik um 1600 in der Korrespondenz Lingelsheims, 2004, S. 341ff. 192 Die Einschätzung von der Prägung Altdorfs durch die humanistische Jurisprudenz teilt auch der Historiograph der Universität W. Mährle: Die Hohe Schule in Altdorf, 2000, S. 477 (Hervorhebungen bei Mährle): „Von den 1580er Jahren bis ins zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts prägte die französische humanistische Jurisprudenz den Rechtsunterricht an der Academia Norica. Das Niveau der juristischen Lehrveranstaltungen in Altdorf war sehr hoch. Die bedeutendsten Vertreter des Mos Gallicus in Altdorf waren Obertus Giphanius (Professor in Altdorf von 1583–1590) und Hugo Donellus (Professor in Altdorf von 1588–1591) sowie ihre Schüler Conrad Rittershausen (Professor in Altdorf von 1591– 1613) und Scipio Gentilis (Professor in Altdorf von 1590–1616).“
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teresse verfolgten Fortschritte bei der Edition des Wörterbuchs des Festus.193 Deswegen wandte sich Rittershausen als Jurist so ausführlich der Philologie und insbesondere auch antiken nicht-juristischen Texten zu. Die textkritische und interpretatorische Arbeit am juristischen Korpus erforderte die Vertrautheit mit der antiken Literatur und ihrer Sprachen Latein und Griechisch. Schoppes eigene Ambitionen in der Zeit der Veröffentlichung der Ars critica richteten sich auf ähnliche Ziele. Die notaeSammlungen von 1596 und 1597 beschäftigten sich mit der Philologie von nicht-juristischen Texten. Mit seinen Veröffentlichungen wollte er sich in einer philologischen Gelehrsamkeit profilieren, die zu Schoppes Zeiten auch im Norden von seinen Vorbildern gepflegt wurde, etwa in Leiden von Scaliger und in Löwen von Lipsius.194 1.3.2 Die Ars critica im Zusammenhang von Schoppes frühen philologischen Arbeiten Schoppe hinterließ ein buntes und umfängliches Werk, das von Titeln zur Philosophie und Theologie über grammatische Theorie und Lehrbücher des Lateinischen bis hin zu politischen Stellungnahmen und Pamphleten reicht.195 In seiner Jugend beschäftigte sich Schoppe freilich vornehmlich mit der klassischen Philologie, und als er noch während seines Studiums die Ars critica verfasste, zierten bereits zwei notae-Sammlungen zu antiken Schriften seine Publikationsliste, mit denen er seine ursprünglich anvisierte Karriere als Philologe vorbereitete. Mit den notae-Sammlungen bediente er sich übrigens der gleichen Publikationsform für sein schriftstellerisches Debüt, wie es auch schon Robortello 1543 mit seinen Annotationes und Canter 1564 mit seinen Novae lectiones getan hatten. Die erste notae-Sammlung brachte Schoppe 1596 unter dem Titel Verisimilia auf den Weg.196 Die Schrift ist in vier Bücher eingeteilt, und die ersten drei widmet Schoppe jeweils einem philologischen Gelehrten von Rang, dem er persönlich im Laufe seines Studiums begegnet war: Das erste Buch spricht Schoppe seinem Heidelberger Tutor Marquard Freher zu. –––––––––––––– 193 A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 138f. 194 Die Bewunderung, die Schoppe in seinen frühen Jahren beispielsweise Scaliger entgegenbrachte, beschreibt A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998, S. 242f. 195 Werkverzeichnisse von Schoppe finden sich in G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3734–3792; K. Schoppe: Philotheca Scioppiana, 1645 (ed. & dt. Übers. K. Jaitner 2004), S. 1155–1174. Einen Überblick bietet außerdem K. Jaitner: Einleitung, 2004, S. 196–220; insbesondere über Schoppes philologischen Arbeiten: S. 196–200. 196 Vgl. zu den Verisimilia: J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 362; G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3737; J. Papy: Briefwechsel Schoppe–Lipsius, 1998, S. 278–281.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Auch das zweite Buch gilt einem Heidelberger Professor, nämlich Janus Gruter, der den Lehrstuhl für die humanitas innehatte, als Schoppe in Heidelberg studierte. Das dritte Buch eignet Schoppe seinem Altdorfer Mentor Konrad Rittershausen zu und erwähnt dabei lobend Rittershausens Symmachus-Philologie. Dieser sollte die Verisimilia in der Folgezeit offensiv bewerben, unter anderem bei so angesehenen Gelehrten wie den Professoren Justus Lipsius (Löwen) und Joseph Justus Scaliger (Leiden) (siehe Kapitel 1.3.1, S. 64 und S. 69). Das vierte Buch widmet Schoppe schließlich seinem Ingolstädter Kommilitonen Ignatius Haniel (bis 1608).197 In den Verisimilia gibt Schoppe zahlreiche Varianten und Verbesserungen zum Besten, wobei er sich hier vor allem den Texten von Symmachus, Cornelius Nepos, Properz und Petron zuwendet. In dieser Schrift benutzt er außerdem zum ersten Mal die aus der Handschrift seines Lehrers Giphanius heimlich abgeschriebenen Lesarten zu Symmachus (siehe Kapitel 1.3.1, S. 70). Schoppes intensive Beschäftigung mit Symmachus mündete später, 1608, in eine Edition der Briefe. Auch seine hier begonnene Arbeit am Petron-Text zeitigte später eine eigene Publikation, die notae-Sammlung Symbola critica, die offenbar 1604 verfasst, aber erst 1629 veröffentlicht wurde.198 Ein Jahr nach den Verisimilia erschienen beim gleichen Nürnberger Drucker Paul Kaufmann die SuspecAbb. 7: Das Titelblatt von tae lectiones in fünf Büchern (siehe Schoppes Suspectae lectiones Abbildung 7).199 Diesmal präsentiert –––––––––––––– 197 Über Ignatius Hanniel wissen wir wenig. Bevor er nach Ingolstadt kam, wo sich Schoppe und er wohl kennenlernten, hatte er bereits in Helmstedt (dort vielleicht sogar zusammen mit Konrad Rittershausen) und Basel studiert. Anschließend ging er nach Rostock, wo er später eine Professur für Geschichte erlangte und 1608 verstarb. Vgl. F.-R. Hausmann: Schoppe, Scaliger und die Carmina Priapea, 1977, S. 391; F. Merzbacher: Konrad Rittershausen, 1977, S. 110; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 85f. 198 Vgl. dazu A. F. Sochatoff: Petronius (CTC), 1976, S. 336f.; F. Neumann: Gaudenzio und Schoppe, 2001, S. 194. 199 Zu den Suspectae lectiones vgl. auch G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3738; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 26 (Fn. 39), S. 130; J. Papy: Briefwechsel Schoppe–Lipsius, 1998, S. 279ff.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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Schoppe die Lesarten und Verbesserungen in Form von 114 fiktiven Briefen an Gelehrte – von Kommilitonen wie Heinrich Bock (1573–1607) oder Matthias Küchel (lat. Kuchelius) über Universitätsprofessoren und Schoppes akademische Lehrer wie Georg Glacianus aus Vilseck (c.1549– 1607) oder Georg Queck (1561–1628) bis hin zu in der ganzen Respublica litteraria berühmten Gelehrten wie Josia Mercier (c.1560–1626) oder Isaac Casaubon (1559–1614).200 Schoppe widmet die Suspectae lectiones dem französischen Justin-Herausgeber Jacques Bongars (1554–1612). Die Beispiele in den Suspectae lectiones stammen zum einen aus Schoppes Beschäftigung mit dem spätrömischen Grammatiker Diomedes – offenbar hatte Schoppe diese Lesarten von Franciscus Modius (1556–1597) übernommen, der sie aus einem Diomedes-Kodex in Fulda kollationiert hatte und über den Augsburger Gelehrten Marcus Welser (1558–1614) an Schoppe weiterschickte.201 Zum anderen zitiert Schoppe an zahlreichen Stellen Apuleius, zu dessen philosophischen Schriften er später im Jahre 1605 eine eigene notae-Sammlung mit dem Titel Symbola critica veröffentlichte. Hauptsächlich aber wendet sich Schoppe in den Suspectae lectiones der PlautusPhilologie zu, wobei er hier Lesarten aus den beiden Codices Camerarii veröffentlichte. Der Text der Komödien des Plautus ist in zwei Strängen überliefert.202 Auf der einen Seite stehen Abschriften von einer heute verlorenen karolingischen Handschrift, die so genannte Palatinischen Rezension P (ca. 10. Jhd.). Die Vorlage von P (ca. 5. Jhd.) geht wohl ebenso wie der allerdings erst 1815 in der Abtei Bobbio entdeckte Palimpsest Ambrosianus A aus dem 5. Jahrhundert, der den zweiten Strang der Überlieferung bildet, auf einen Hyperarchetypus aus dem 4. Jahrhundert zurück. Die spätantike Vorlage war wahrscheinlich eine Ausgabe der plautinischen Schriften in der Tradition der antiken Rezension von Varro, der so genannten fabulae Varronianae. Zu Schoppes Zeiten war nur der erste Strang der Überlieferung zugänglich, die Palatinische Rezension. Wichtige Abschriften aus dieser Tradition sind zwei Handschriften, die nach ihrem einstigen Besitzer, dem –––––––––––––– 200 Eine Liste der Adressaten findet sich bei F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 167–173. Schoppe hatte in seinem Konzept, die philologischen Beobachtungen in (fiktive) Briefe an (existierende) Gelehrte zu packen, Vorbilder. Die Idee hatten vor ihm in der frühen Neuzeit bereits Franciscus Modius in seinen Novantiquae lectiones von 1584 oder auch Jacob Schegk (1511–1587) mit seinen Praemessa observationum et emendationum von 1590 realisiert. 201 Vgl. dazu P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 69. 202 Vgl. allgemein zur Plautus-Philologie: F. Ritschl: Kleine philol. Schriften 2: Plautus, 1868, S. 1– 165; F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 260f.; G. E. Duckworth: The nature of Roman comedy, 1952, S. 437–441; K. Büchner: Überlieferungsgeschichte der lat. Literatur, 1961, S. 375ff.; R. J. Tarrant: Plautus (Texts & transmission), 1983; E. Pöhlmann: Textkritik im 19. und 20. Jhd., 2003, S. 170ff. Verwiesen sei noch auf die ausführliche Arbeit von M. Deufert: Textgeschichte der plautinischen Komödien im Altertum, 2002.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Abb. 8: Plautus-Kodex Heidelbergensis 1613 Palatinus C, fol. 150r.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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deutschen Philologen Joachim Camerarius, benannt sind. Der so genannte codex vetus (Vaticanus Palatinus lat. 1615, 11. Jhd.), enthält alle Komödien, wohingegen im so genannten codex decurtatus (Palatinus lat. 1613, 12. Jhd., Abbildung 8, S. 75) nur die letzten zwölf Komödien überliefert sind. Nach Camerarius’ Tod waren beide Camerarii in den Besitz der Heidelberger Palatina übergegangen.203 Für die Lesarten der Camerarii könnte Schoppe auch auf die damaligen Standard-Ausgaben von Plautus zurückgegriffen haben, etwa auf die Ausgabe aus Camerarius’ eigener Hand von 1552 oder auf eine der erweiterten und verbesserten nachfolgenden Ausgaben, etwa jene, die Camerarius zusammen mit einem profilierten deutschen Gelehrten, nämlich Georg Fabricius (1516–1571), im Jahre 1558 veröffentlichte und auf die Schoppe auch in seiner Ars critica hindeutet.204 Eine weitere philologische Veröffentlichung aus Schoppes Jugend ist noch die Kollation einer Handschrift des Tertullian aus dem Kloster Fulda, die im Besitz von Franciscus Modius war. Diese Kollation schickte Schoppe an Franciscus Junius (1545–1602), der in dieser Zeit eine große Tertullian-Edition auf der Grundlage des Textes von Jacob Pamelius (1536–1587) von 1584 vorbereitete. So wurden die Lectiones variae in Tertulliani Apologeticum von Schoppe in der Tertullian-Edition von 1597 abgedruckt und mit einem Vorwort von Franciscus Junius versehen.205 Etwas nebulös schließlich bleiben die Publikationsumstände einer Arbeit Schoppes zu den Carmina Priapea, einer Sammlung obszöner Gedichte eines anonymen oder – wie Schoppe und seine Zeitgenossen vermuteten206 – mehrerer Autoren über den phallischen Gott Priapus. Das Büchlein umfasst die einzelnen Gedichte mit einem jeweils anschließenden erläuternden commentarius von Schoppe sowie einer Einleitung, die sich auch Fragen der Autorschaft der Priapea zuwendet. Vor allem das Datum der Veröffentlichung der Priapea sorgt für Verwirrung. Die erste Ausgabe wurde bei Wolfgang Richter und Conrad Nebenius in Frankfurt unter Angabe des Jahres 1506 veröffentlicht. Diese Angabe war ein absichtlicher oder versehentlicher Druckfehler, richtig wäre wohl 1596 gewesen – so lautet zumindest die Datierung des Vorwortes: Ingolstadio, Anno Iե. XCVI. Der Schoppe-Biograph Frank-Rutger Hausmann meint, bei der Angabe 1596 handele es sich um eine absichtliche Fehldatierung und –––––––––––––– 203 Beide Handschriften wurden 1622/23 in die Vaticana verschleppt, später wurde nur der Decurtatus nach Heidelberg zurückgegeben. 204 Schop. Ars crit., 1597, fol. Cr. 205 Die Lectiones variae von Schoppe wurden von Junius nicht auf dem Titelblatt erwähnt. Sie finden sich mit eigener Paginierung und einem Vorwort von Junius dieser Ausgabe angehängt. Vgl. dazu auch P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 80. Ein Auszug aus dem Vorwort von Junius zu Schoppes Lectiones variae ist abgedruckt in F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 79 (Fn. 62). 206 Vgl. dazu W. H. Parker: Introduction to the Priapea, 1988, S. 33.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
die Priapea seien tatsächlich zuerst um 1606 gedruckt worden.207 Unsicher ist außerdem, was eigentlich mit der Veröffentlichung dieses unschicklichen Kommentars zu dem erotischen Text beabsichtigt wurde. Schoppe war – entgegen erster Leugnungen – doch höchstwahrscheinlich der Verfasser des Kommentars, wenngleich er wohl nicht daran gedacht hatte, seine Jugendsünde zu publizieren. Wahrscheinlich initiierte ein ehemaliger Freund Schoppes, der calvinistische Gelehrte Melchior Goldast (1576– 1635), die Ausgabe ohne das Einverständnis Schoppes mit der Absicht, den mittlerweile zum Katholizismus konvertierten und strenge moralische Lebensführung propagierenden Schoppe gründlich zu kompromittieren, was ihm gelungen sein dürfte.208 Auf jeden Fall zeugen die Umstände der Veröffentlichung dieses Kommentars von Schoppes ambivalenter Stellung in der Gelehrtenwelt. 1.3.3 Textgeschichte, Aufbau und argumenta Als Kaspar Schoppe seinen Commentariolus de arte critica, et praecipue, de altera eius parte emendatrice, quae ratio in Latinis scriptoribus ex ingenio emendandis observari debeat, kurz: seine Ars critica im Jahre 1597 zum Druck brachte, stand er noch vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag und hatte bereits zwei philologische Arbeiten veröffentlicht. In heutigen Bibliotheken finden sich zwei Ausgaben der Ars critica, auf die in der Forschung gleichermaßen Bezug genommen wird. Dabei handelt es sich um die Erstauflage von 1597 bei Valentin Fuhrmann (1571–1604) in Nürnberg sowie um den Nachdruck von 1662, der im Rahmen der Neuausgabe von Schoppes philologischen Schriften in der Offizin des Joost Pluymer (1633–1673) in Amsterdam in den Jahren 1660 bis 1664 erschien.209 Die beiden Ausgaben unter–––––––––––––– 207 F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 100. Vgl. außerdem zu den Priapea F.-R. Hausmann: Schoppe, Scaliger und die Carmina Priapea, 1977; F.-R. Hausmann: Carmina Priapea (CTC), 1980, S. 446–449; I. A. R. De Smet: Schoppe and the might of pen, 1998, S. 204ff. An der Datierung von 1596 halten fest: G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3737; und F. Neumann: Gaudenzio und Schoppe, 2001, S. 191. 208 Vgl. dazu auch M. Mulsow: Subversive Kommentierung, 2006, S. 146f. 209 Für die Ausgabe von 1597 greife ich auf das Exemplar in der HAB (H: P1043.8° Helmst.) zurück und für die Ausgabe von 1662 auf das Exemplar in der UB Köln (GB IIa 45a). Für eine Beschreibung, die weitere Exemplare verzeichnet, vgl. auch G. Dünnhaupt: Personalbibliographien 5, 1991, S. 3739. Eine bibliographische Erfassung der Edition Nürnberg 1597 findet sich außerdem in F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 104 (Fn. 137). Außerdem wurde ein Teil der Ars critica – die testimonia – später noch einmal abgedruckt in C. A. Heumann: Commentatio de arte critica, 1747, S. 106–124. Zum Nachdruck von Joost Pluymer vgl. F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 132f., 133 (Fn. 75). Zu Pluymer vgl. auch W. Neuber: Paedia prudentiae, 1998, S. 412–415.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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scheiden sich formal durch Seiteneinrichtung und Schreibweise.210 Außerdem führt die Ausgabe von 1662 mehr Beispiele an Lesarten auf, wobei nicht gekennzeichnet ist, inwiefern diese Erweiterungen von Schoppe selbst stammen. Auch weicht die spätere Ausgabe hinsichtlich der beigegebenen Schriften von der Erstauflage ab. Wenn man vom Abdruck eines Teils des Textes (Vorwort und Beginn des historiographischen Abschnitts) absieht, der eine reine Wiedergabe der Fassung von 1662 darstellt,211 liegt keine moderne Edition vor. In dieser Arbeit beziehe ich mich immer auf die Ausgabe von Nürnberg 1597, in der die Ars critica 150 Seiten im Oktavformat umfasst. Die Ars critica setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die mitunter recht unverbunden nebeneinander stehen: Nach einem Inhaltsverzeichnis gehen dem ganzen Buch ein Widmungsbrief (inklusive Widmungsgedicht) und ein Vorwort voraus. Im ersten längeren Abschnitt macht Schoppe einen historiographischen Abriss der Philologie in Altertum und Neuzeit. Darauf folgen Zitate aus einer Reihe von zeitgenössischen Abhandlungen, die sich mit philologischen Themen beschäftigen. Den Abschluss der Ars critica bildet eine Fehlertypologie, der eine Abbildung mit einer synoptischen Übersicht mit dem Titel typus vorangestellt ist (siehe Abbildung 22). Im Anhang des eigentlichen Textes der Ars critica werden Abhandlungen verschiedener Verfasser abgedruckt. Besonders eng an die Ars critica gebunden ist eine Abhandlung Rittershausens über den Ursprung von Textvarianz, die Schoppe wohl der Oppian-Edition Rittershausens aus dem gleichen Jahr entnommen hatte.212 Der Eindruck des engen Zusammenhangs rührt von der typographischen Einrichtung her: Rittershausens Text fängt nicht – wie die anderen angehängten Texte – auf einer neuen Seite an. Außerdem wurde der finis der Ars critica an das Ende von Rittershausens Text gesetzt. Ob dies auf Geheiß von Schoppe geschah oder auf –––––––––––––– 210 Siehe die Konkordanz dieser Ausgaben im Anhang. 211 In H. Jaumann: Critica, 1995, S. 399ff. 212 Dissertatio Conradi Rittershusii I.C. de causis variantium in auctoribus utriusque linguae lectionum, ex ipsius in OPPIANUM Commentariis descripta (Schop. Ars crit., 1597, fol. K3r–K5r). Damit vermerkt Schoppe, die dissertatio wurde von ihm aus Rittershausens Oppian-Edition descripta (abgeschrieben). Tatsächlich ergeben sich bei einem Vergleich der Dissertatio de causis variantium lectionum mit der Monitio de varietate lectionum aus Rittershausens Oppian-Ausgabe erhebliche Unterschiede. Es ist denkbar, dass Schoppe den Text von Rittershausens Monitio selbst veränderte. Da diese Eingriffe Wortlaut und Terminologie betreffen, aber auch zwei längere neu eingefügte Abschnitte ausgemacht werden können, wird im Folgenden zwischen den beiden Fassungen differenziert. In der Forschung blieb die Monitio bisher weitgehend unbeachtet. Erwähnt wird sie nur bei H. Jaumann: Iatrophilologia, 2001, S. 168; und A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998, S. 237. Vgl. jetzt ausführlicher: K. Vanek: Rittershausens ‚Monitio‘, 2005.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Abb. 9: Das Titelblatt der Ars critica
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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ein Versehen oder gar die Eigenmächtigkeit des Druckers zurückgeht, lässt sich nicht klären.213 Auf Rittershausens Dissertatio folgen auf fol. K5v bis L3v eine Epistola von Schoppe selbst über den Spracherwerb des Lateinischen214 und auf fol. L4r bis N6v ein Abdruck von Robortellos Ars corrigendi.215 Der letzte längere Text ist eine Abhandlung des Gräzisten und Aristoteles-Herausgebers Friedrich Sylburg (1536–1596) über die Veränderung von Sprache und Schreibweisen im Lateinischen.216 Dem folgen eine Reihe von Widmungsgedichten an Schoppe von Christoph Pflug (1573–1638),217 von Rittershausens polnischem Freund Salomon Rysi ski (lat. Rysinius, auch Pantherus genannt, bis 1625),218 von einem gewissen Melior Rochius219 und von Schoppes Beschützer in Heidelberg Marquard Freher (dieses Gedicht handelt allerdings von Schoppes Suspectae lectiones).220 Am Ende der Ars critica steht ein zweiseitiges Personenverzeichnis, das antike römische und zeitgenössische Philologen umfasst und alphabetisch – nach Vornamen – geordnet ist.221 Manchen Ausgaben ist noch der Nachruf Schoppes auf den jung verstorbenen Plautus-Philologen Janus Dousa d.J. (1571–1596) beigegeben (Melos super obitu I. Douzae), den Schoppe dem Leidener Historiker Paul Merula (1558–1607) gewidmet hatte.222 Die Ausgaben von 1597 und 1662 unterscheiden sich im Anhang darin, dass in der späteren Ausgabe die Tractatio de vetere scriptura des Friedrich Sylburg fehlt. Dagegen kommt dort ein Gedicht von Hieronymus Arconatus (1553–1599) hinzu, einem in Wien und Prag lebenden Freund von Rittershausen.223 Allerdings wird in der Ausgabe von 1662 auf den Personenindex verzichtet.
–––––––––––––– 213 Die mangelnde typographische Absetzung dieser Texte voneinander mag auch dafür verantwortlich sein, dass Rittershausens Text zuweilen für ein Erzeugnis von Schoppe gehalten wird (etwa H. Jaumann: Iatrophilologia, 2001, S. 168). 214 Gasperis Schoppii Franci de compendiosa linguae Latinae exactius cognoscendae ratione epistola ad Heinricum Bockium Borussum ICum. 215 Francisci Robortelli Utinensis de arte sive ratione corrigendi antiquorum libros disputatio. 216 Friderici Silburgii de vetere scriptura tractatio (fol. N7r–O3r). 217 Carmina Encomiastica ad Schoppium. Gasperi Schoppio suo Christophorus Pflugius s. Stylo de industria Antiquario (fol. O3v–O4v). 218 Ad eumdem. Solomo Rysinius, Illustrissimi Principis Christophori Radivili, Ducis in Birze & Dubinki & c. Filio a studiis Vilnae (fol. O5r). Zu Rysi ski vgl. H. Kunstmann: Die Nürnberger Universität Altdorf, 1963, S. 33f.; H. Lulewicz: Art. „Rysi ski“, PSB 33, 1991/1992, S. 553–557. 219 Ad eumdem. Melior Rochius Fr (fol. O5v–O6r). Melior Rochius konnte ich nicht identifizieren. 220 Ad eumdem. De suspectis eius Lectionibus. Marquardus Freherus Iuriscons. (fol. O6v). 221 Catalogus eorum qui memorabile aliquid in criticis, seu Philologicis [sic], vel iam olim, vel patrum nostraque memoria praestiterunt, quorum in hoc libro fit mentio (fol. O7r–O7v). 222 Etwa dem Exemplar HAB: A: 426 Quod. (1). 223 H. Kunstmann: Die Nürnberger Universität Altdorf, 1963, S. 39–42.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
Schoppe stellt der Ars critica auf fol. A2r bis A5r einen Widmungsbrief voran, der auf Altdorf, den 5. Mai 1597, datiert (Altdorphii a.d. III. Non. Mai. Anno M. D. XCVII.) und mit Christophoro Pflugio suo S. D. Gasper Schoppius Fr. überschrieben ist.224 Dem folgt ein Widmungsgedicht, das ebenfalls an Christoph Pflug adressiert ist: Ad eumdem Schoppii Melos (fol. A5v–A6v). Der Adressat von Widmungsepistel und -gedicht, Christophorus Pflugius Eques Missenus, der Adlige Christoph Pflug aus Meißen, stammte aus Eythra bei Leipzig. In den Jahren 1586 bis 1590 studierte er Jura in Leipzig, 1591 in Jena. Im gleichen Jahr kam er nach Altdorf.225 Wahrscheinlich lernten Schoppe und Pflug einander dann in Heidelberg kennen, als Schoppe 1592 bis 1594 und Pflug 1593 dort eingeschrieben waren. Auf jeden Fall berichtet Schoppe über die Zeit in den Jahren 1596 und 1597 in Altdorf: Coniunctissime et amicissime cum Conrado Rittershusio vivere perrexi, qui privatim Sophoclem et Euripidem interpretabatur mihi et Christophoro Pflugio equiti Misnico, cum quo intima mihi fuit familiaritas, cui et libellum meum de Arte Critica inscripsi.226
Demnach verband Schoppe eine enge Freundschaft mit Christoph Pflug. Mit ihm zusammen habe er bei Rittershausen studiert, der ihnen privatissime Sophokles und Euripides erklärt habe. Erhalten ist zudem eine Rede, die Scipio Gentilis offenbar anlässlich von Pflugs Abschied aus Altdorf 1597 hielt.227 Auch in der Widmungsrede der Ars critica spricht Schoppe davon, dass Pflug Altdorf verlässt.228 In der Folgezeit verschlug es Pflug dann nach Italien, wo er wohl ein Mitglied im Kreis um Tommaso Campanella (1568–1639) wurde, mit dem er einen Briefwechsel unterhielt, und einige Zeit im Gefängnis fristete.
–––––––––––––– 224 Die Ars critica wird in der modernen Forschung mit unterschiedlicher Bewertung besprochen von: A. Bernardini/G. Righi: Concetto di filologia, 1953, S. 48–51; E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 38f.; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 130f.; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 161f.; A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998; K. Jaitner: Einleitung, 2004, S. 197f. 225 Zu Pflug vgl. F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 104 (Fn. 137f.); K. Schoppe: Philotheca Scioppiana, 1645 (ed. & dt. Übers. K. Jaitner 2004, S. 246f. (Fn. 59)). 226 „Eng verbunden und befreundet lebte ich weiterhin mit Konrad Rittershausen, der mir und dem Meißener Adeligen Christoph Pflug privat Sophokles und Euripides erklärte; mit diesem war ich sehr vertraut, und ich widmete ihm dann auch mein Büchlein De Arte Critica.“ K. Schoppe: Philotheca Scioppiana, 1645 (ed. & dt. Übers. K. Jaitner 2004, S. 246–249; Hervorhebungen in ed. 2004). 227 Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Christian Hogrefe (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel). Diese Rede erschien wohl 1597 in Nürnberg bei Lochner und liegt in den Beständen von Halle. 228 Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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In der epistola dedicatoria lassen sich in inhaltlicher Hinsicht vier Abschnitte ausmachen. (1) In einer Art Einleitung stellt Schoppe das glückliche Gelingen des mühsamen Unternehmens fest und charakterisiert sein Vorhaben als Versuch der Sammlung und systematischen Ordnung von wunderlichen Lesarten (lectiones portentosae) zu Symmachus und Plautus. Dabei knüpft er ausdrücklich an seine Vorarbeiten in den Verisimilia (publiziert im Vorjahr) und den Suspectae lectiones (aus dem gleichen Jahr) an. (2) Schoppe stellt Erwägungen darüber an, dass die Arbeit mit Handschriften auf die Bestimmung ihres Alters und ihrer Güte gerichtet sein sollte. (3) Anschließend erläutert Schoppe die konkreten Textgrundlagen für die Symmachus- und Plautus-Arbeiten in der Ars critica. Ausführlich geht er dabei auf Herkunft, Schrift und (relatives) Alter dreier Symmachus-Handschriften ein. (4) Am Ende des Widmungsbriefs preist Schoppe ausführlich Pflugs Kompetenzen und Tugenden als Gelehrter und Philologe. Auf diese Präliminarien folgt das Vorwort, die Schoppii praefatio ad lectorem (fol. A7r–B3v), in der sich Schoppe allgemein über die Grundsätze textkritischen Arbeitens äußert. Schoppe führt Fehler auf schlechte Handschriften und achtlose Bearbeiter zurück. Entsprechend fordert er, dass Textkritiker auf die Güte und Verlässlichkeit von Handschriften achten und bei Fehlern deren Ursachen ermitteln sollen. Zudem bemüht sich Schoppe im Vorwort, Vorbehalte gegenüber seiner eigenen Jugend und Unerfahrenheit mit dem Hinweis zu zerstreuen, dass sein Unternehmen bei vielen Gelehrten auf Zuspruch gestoßen und er selbst keineswegs von übermütiger Ruhmsucht, sondern von ehrenvollen Absichten hinsichtlich der Sache geleitet sei. Schoppe schließt sein Vorwort mit einem Ausblick auf die nächsten Teile seiner Ars critica. Den Überblick über die Philologiegeschichte teilt Schoppe in einen Abschnitt über die Antike und die neuere Zeit (critici et philologi veteres & recentiores). Den Anfang (fol. B4r–B4v) macht eine allgemeine Definition der Aufgaben des criticus als Bearbeitung der antiken Literatur durch Textkritik und Textinterpretation. Im Anschluss schildert er die Geschichte einiger Philologen in der (römischen) Antike (fol. B4v–B8r) und diskutiert dabei das Verhältnis zwischen Grammatik und critica, die Aufgaben der antiken Philologie sowie das Ansehen der philologischen Tätigkeit in der Antike. Die neuere Zeit in der Philologie lässt Schoppe dann mit Angelo Poliziano und Filippo Beroaldo (1453–1505) beginnen, die sich als erste critici recentiores in Italien um die Wiederherstellung der antiken Texte bemühten, ebenso wie Erasmus von Rotterdam oder Joachim Camerarius es im Norden taten. Im Unterschied zum Abschnitt de criticis et philologis veteribus beschränkt sich Schoppe in diesem weit umfangreicheren Abschnitt de criticis et philologis recentioribus (fol. B8r–D3v) auf eine Aufzählung der wichtigen
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Philologen und ihrer Werke mit allenfalls kurzen Erläuterungen. Diese Auflistung einzelner Gelehrter lässt unwillkürlich an die Gelehrtengeschichten des 17. und 18. Jahrhunderts denken, die so genannten Historiae literariae, die über weite Strecken aus ähnlichen Aufzählungen bestehen.229 Nach dem historiographischen Abriss gibt Schoppe auf fol. D4r bis r E8 die testimonia einiger seiner Kollegen zum Thema Textkritik zum Besten.230 Die doctorum quorumdam de criticis testimonia et praecepta nonnulla in hoc studio deditis observatu digna umfassen Ausschnitte aus Texten von Paul Merula (fol. D4r), Lucas Fruterius (fol. D4r–D6r), Janus Gulielmus (fol. D6r– D7v), Marc-Antoine Muret (fol. D7v–E2r), Julius Caesar Scaliger (fol. E2r), Justus Lipsius (fol. E2v und fol. E4r–E7r), Isaac Casaubon (fol. E2v–E3r), Bonaventura Vulcanius (fol. E3r–E4r), Guillaume Budé (fol. E7r–E7v) und Johannes Rivius (fol. E7v–E8r). Da sich die jeweiligen Textstücke in Textgattung, Inhalt und eigentlicher Absicht stark voneinander unterscheiden, wird ihrer Beschreibung der folgende Abschnitt 1.3.4 gewidmet. Der letzte Abschnitt ratio emendandi (fol. E8v–K3r) bildet den eigentlichen Hauptteil der Ars critica. Hier gibt Schoppe dem Leser ein Hilfsmittel für die Verbesserung von antiken Texten an die Hand, mitsamt einer Zuordnung der Fehler zu bestimmten Fehlertypen und ihrer systematischen Erfassung. Schoppe veranschaulicht sein Klassifikationsprinzip, das enge Bezüge zu dem von Willem Canter aufweist, eindrücklich in einer vorangestellten Tabelle (fol. E8v, Abbildung 22). Die einzelnen Fehlertypen illustriert er mit zahlreichen Beispielen, die er vor allem der Plautus- und Symmachus-Philologie aus seinen eigenen notae-Sammlungen Verisimilia und Suspectae lectiones entlehnt. 1.3.4 Die testimonia: Schoppes Anbindung an die philologische Tradition In der Ars critica folgt auf die Einleitung (Widmung und Vorwort) und den historiographischen Abschnit eine Zusammenstellung von unterschiedlich langen Zitaten, die sich auf fol. D4r bis E8r, also auf 25 Seiten erstrekken.231 Schoppe entnahm sie zwölf philologischen Schriften anderer zeitgenössischer Gelehrter und überschreibt den Abschnitt mit doctorum quorumdam de criticis testimonia et praecepta nonnulla in hoc studio deditis observatu digna: „Einige Zeugnisse und Vorschriften einer Reihe von Gelehrten über ––––––––––––––
229 Weiterführend zu den Historiae literariae ist beispielweise H. Zedelmaier: Historia literaria, 1998. 230 Dieser Abschnitt wurde später von Christoph August Heumann auf den Seiten 106 bis 124 seiner Commentatio de arte critica von 1747 im Anhang neben Robortellos Ars corrigendi nachgedruckt. 231 Jeweils eine kurze Paraphrase der einzelnen testimonia bieten A. Bernardini/G. Righi: Concetto di filologia, 1953, S. 49ff.
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die Kritik, die für diejenigen beachtenswert sind, die sich mit dieser gelehrten Tätigkeit befassen“. Die Aufnahme der testimonia mitten in die Ars critica hinein – und nicht etwa als Anhang am Ende des Textes – zerreißt die Methodenschrift in ihrer stilistischen und typographischen Gestalt endgültig in unverbunden wirkende Einzelteile. Schoppe lässt an zentraler Stelle seiner Schrift ausführlich andere, größtenteils berühmte Gelehrte seiner Zeit zu Wort kommen. Das entspringt wohl seinem Bemühen, die Textkritik mit der diesem Thema angestammten gelehrten Autorität zu versehen, die er selbst aufgrund seines Alters für sich noch nicht in Anspruch nehmen konnte. 1.3.4.1 Die Autoren der testimonia – Repräsentanten der Philologie des 16. Jahrhunderts Die Verfasser der in der Ars critica zitierten Stellen stammen aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Aus der ersten Jahrhunderthälfte stammen Zeugnisse von Guillaume Budé, Julius Caesar Scaliger (1484–1558) und Johannes Rivius (1500–1553). Budé war ein einflussreicher Propagator humanistischer Studien in Frankreich.232 Er initiierte beispielsweise zusammen mit Ianos Laskaris den Collège royal, was der scholastischen Pariser Universität eine humanistische Bildungsinstitution zur Seite stellte (siehe Kapitel 1.2.1, S. 54). Der Jurist Budé arbeitete im Anschluss an Angelo Poliziano am Text der Digesten (Annotationes in Pandectarum libros, 1508), und als Lexikograph verfasste er Commentarii linguae Graecae (1529), die später in Henri Estiennes Thesaurus linguae Graecae (1572) eingingen.233 Als Philologe arbeitete er vor allem zur griechischen Literatur und steuerte etwa Übersetzungen von Plutarch, Xenophon, Demosthenes, Aristoteles und Philo bei, sowie editiones principes von Eusebios, Dionysios von Halikarnassos, Dio Cassius und Appian. Julius Caesar Scaliger, Vater des Leidener Gelehrten Joseph Justus Scaliger, fristete dagegen nach seinem Weggang aus Italien eine Existenz im provinziellen südwestfranzösischen Agen als Leibarzt eines Bischofs und war zeit seines Lebens
–––––––––––––– 232 Die Literatur zu Budé ist umfangreich, hier sei mit weiterführenden Hinweisen genannt: D. O. McNeil: Budé and humanism, 1975; M.-M. de la Garanderie: Art. „Guillaume Budé“, Contemporaries of Erasmus 1, 1985, S. 212–217; M.-M. de la Garanderie: Budé (Centuriae Latinae), 1997. 233 Die unterschiedlichen Reaktionen auf die Commentarii referiert P. G. Bietenholz: Basle and France in 16th c., 1971, S. 191f. Vgl. auch D. Rebitté: Guillaume Budé, 1846, S. 244–252; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 72f.
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in Debatten etwa mit Erasmus verwickelt.234 Scaliger verfasste als in Literaturgeschichte und lateinischer Grammatik bewanderter Gelehrter eine Poetik (postum erschienen 1561),235 daneben interessierte er sich als Mediziner auch für Botanik und Zoologie. Deswegen verdankt ihm die Philologiegeschichte außerdem Kommentare und Übersetzungen etwa von Teilen des Hippokratischen Korpus, der pflanzenkundlichen Abhandlungen von Ps.Aristoteles und Theophrast sowie der aristotelischen Historia animalium. Rivius wiederum lehrte an verschiedenen deutschen Schulen in Köln, Zwickau, Annaberg und bewegte sich im protestantisch-gelehrten Umfeld von Philipp Melanchthon und Joachim Camerarius.236 In Gelehrtenkreisen, die sich in Paris im Milieu des Collège royal und der Pléiade gebildet hatten, war ursprünglich Marc-Antoine Muret zu Hause und verfasste beispielsweise einen französischen Kommentar zur anakreontisch geprägten Dichtung der Amours von Pierre de Ronsard (siehe Kapitel 1.1.4.3, S. 48, und Kapitel 1.2.1, S. 54).237 1554 musste Muret emigrieren und fand zunächst im venezianischen Zirkel von Paolo Manuzio und Carlo Sigonio Aufnahme. Hier wurde er mit seinen Vorstellungen über Philologie, die stärker antiquarisch als textkritisch ausgerichtet waren, ein Protagonist im zeitgenössischen Methodenstreit in der Philologie, den Robortello in seiner Ars corrigendi bekämpfte (siehe Kapitel 1.1.4). Später fand Muret den Weg an den Hof von Ferrara und Rom. Stark von der Philologie in Paris geprägt waren auch Lucas Fruterius und Janus Gulielmus (1555–1584). Fruterius studierte in Paris, wo er zusammen mit den Brüdern Willem und Dirk Canter bei Dorat und Lambin Griechisch hörte und auch Schoppes späterem Lehrer Hubertus Giphani-
–––––––––––––– 234 Weiterführend zu Julius Caesar Scaliger ist C. B. Schmitt: Theophrastus (CTC), 1971, S. 269ff.; A. Grafton: Art. „Julius Caesar Scaliger“, Contemporaries of Erasmus 3, 1987, S. 212ff.; W. Ludwig: J. C. Scaligers Kanon neulateinischer Dichter, 1989; K. Jensen: J. C. Scaliger’s theory of language, 1990, S. 15–49; M. Magnien: J. C. Scaliger (Centuriae Latinae), 1997. 235 Scaligers Poetices libri septem liegen jetzt vollständig in einer kritischen Edition und deutschen Übersetzung vor, die Luc Deitz und Gregor Vogt-Spira bei frommann-holzboog (Stuttgart/Bad Cannstatt) in fünf Bänden 1994 bis 2003 besorgten. 236 Vgl. G. Müller: Art. „Rivius, Johannes“, ADB 28, 1889, S. 709–713; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 268; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1980, S. 692; P. J. Osmond/R. W. Ulery Jr.: Sallustius (CTC), 2003, S. 259. 237 Zu Muret vgl.: M. Audoin: Art. „Muret“, NBG 36, 1861, S. 997–1000; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 148–152; L. Ceretti: Critica testuale a Terenzio del Faerno e Manuzio, 1954, S. 522 (Fn. 1); F. E. Cranz: Alexander Aphrodisiensis (CTC), 1960, S. 104f.; C. H. Lohr: Aristotle commentaries, 1978, S. 601f.; R. Pfeiffer: Klassische Philologie 2, 1982, S. 142f.; J. H. Gaisser: Catullus (CTC), 1992, S. 260–264; J. H. Gaisser: Catullus and his Renaissance readers, 1993, S. 147–155, S. 179; C. Mouchel: Muret (Centuriae Latinae), 1997. Für eine umfassende Biographie sei auf C. Dejob: Marc-Antoine Muret, 1881 verwiesen.
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us begegnete.238 Nach seinem frühen Tod gab es einiges Gerangel um seinen Nachlass, in dem Giphanius eine unrühmliche Rolle spielte – unter anderem Denis Lambin warf ihm vor, die nachgelassenen Schriften für eigene Arbeiten ausgebeutet und die Publikation etwa der Verisimilia, aus denen auch Schoppe das testimonium entnahm, willentlich verzögert zu haben.239 So kam es, dass Janus Dousa d.Ä., ein weiterer Gegenspieler von Giphanius, erst achtzehn Jahre nach dem Ableben von Fruterius zwei Bände seiner notae-Sammlung unter dem Titel Verisimilia publizieren konnte.240 Janus Gulielmus wiederum wechselte 1583 von Köln nach Paris.241 Dort lernte er den Juristen Jacques Cujas kennen, dem er 1584 an die Universität in Bourges folgte. Nur ein halbes Jahr später verstarb Gulielmus, der unter anderem bedeutende Cicero-Arbeiten vorgelegt hatte,242 plötzlich an einem Fieber. Ähnliche Stationen – Studium in Löwen, peregrinatio nach Paris und an die italienischen Bibliotheken – weist auch der Lebensweg von Justus Lipsius auf.243 In Italien begegnete er Muret, der sein Interesse für die römische stoische Philosophie weckte, das später etwa die Seneca-Edition zeitigte.244 Lipsius lehrte auch an der Leidener Universität, als sie zur führen–––––––––––––– 238 Angaben finden sich in Art. „Fruterius“, Zedler 9, 1735, Sp. 2192; K. R. v. Halm: Art. „Fruytiers“, ADB 8, 1878, S. 159; W. Meyer: Des Fruterius Verbesserungen zu den Fragmenta poetarum, 1878; C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 264; C. L. Heesakkers: Praecidanea Dousana, 1976, S. 71, 116ff. 239 Vgl. zur Debatte um Fruterius und Giphanius: W. B. Fleischmann: Lucretius (CTC), 1971, S. 365; C. L. Heesakkers: Praecidanea Dousana, 1976, S. 116–122; C. L. Heesakkers: Le procurateur Giphanius, 1985, S. 139f. 240 Später gelangten noch ein dritter Band der notae-Sammlung (Coniectanea verisimilia) und einige Briefe – unter anderem an Willem Canter – im fünften Band von Janus Gruters philologischer Anthologie zum Druck (in: Lampax sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus 5, 1605, S. 339–384). Die Epistolae philologicae (S. 384–402) waren an Willem Canter, Georges Buchanan (1506–1582), Martin Havvelius und Denis Lambin adressiert. 241 Angaben zu Gulielmus finden sich in C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 240ff.; P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 13, 94f.; J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 272f.; F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 117; R. H. Rouse/ M. D. Reeve: Cicero, Speeches (Texts & transmission), 1983, S. 80f., 96; L’Europe des humanistes, 1995, S. 429. 242 Zur Gestalt der bedeutsamen Cicero-Kollation von Gulielmus sowie zu deren Publikationsumständen vgl. auch die Ausführungen von P. L. Schmidt: Die Überlieferung von Ciceros ‚De legibus‘, 1974, S. 218–223. 243 Eine kleine Auswahl der umfangreichen Literatur zu Lipsius ist: H. Schneppen: Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, 1960, S. 117–122; G. Oestreich: Der Universalgelehrte Lipsius, 1975; J. H. Waszink: Classical philology, 1975; C. Matheeussen/C. L. Heesakkers: Introduction to Ed. Lipsius: ‚Satyra‘, 1980; M. Magnien: Lipse (Centuriae Latinae), 1997. 244 Eine ausführliche Beschreibung von Lipsius’ philologischen Schriften und Editionen einschließlich der Reproduktion der Titelblätter findet sich in F. d. Nave: Lipsius en het Plantijnse Huis, 1997, S. 147–168.
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den Lehranstalt Europas wurde.245 Die gemäßigt reformierte und tolerante Bildungsanstalt hatte Wilhelm von Oranien der Stadt 1575 anlässlich der Befreiung von den Spaniern gestiftet. Der Erfolg dieser Universität geht abgesehen von der allgemeinen wirtschaftlichen Blüte der Niederlande auf eine geschickte Berufungspolitik zurück. Als Kurator bemühte sich Janus Dousa d.Ä. darum, für die junge Bildungsanstalt Gelehrte zu gewinnen, die die Qualität der Lehre garantieren und so zahlende Studenten anziehen sollten. Der erste durchschlagende Erfolg dieser Politik stellte sich ein, als es Dousa bereits drei Jahre nach der Gründung der Universität gelang, Lipsius nach Leiden zu holen, den er in den 1570er Jahren in Löwen kennen gelernt hatte. Lipsius führte die humanistischen Studien ein und lehrte hier bis 1591. Nach einer Spanienreise wurde er 1592 auf einen Lehrstuhl für Geschichte nach Löwen berufen. Neben Lipsius nannte Schoppe zwei weitere Gelehrte, die eng mit der Leidener Universität verbunden waren. Bonaventura Vulcanius (1538– 1614) etwa, der Medizin und Jura in Löwen und Köln studiert hatte, wurde nach einem bewegten Leben 1581 eine Professur für Griechisch in Leiden zuteil.246 Vulcanius war lange Jahre Sekretär und Bibliothekar der Kardinalsbrüder Mendoza in Spanien, dann Hauslehrer und Griechischprofessor an der Kölner Universität, Korrektor in den Offizinen von Henri Estienne in Genf sowie bei Froben und Eusebius Episcopius (1540–1599) in Basel. Auch finden wir ihn im Humanistenkreis um den Drucker Christoph Plantin in Antwerpen. Vulcanius’ Interesse an antiker Literatur war umfassend, zu seinen philologischen Arbeiten zählen Editionen der Enzyklopädien von Isidor von Sevilla und Martianus Capella, von griechischer Dichtung (Bion, Moschos und Kallimachos) sowie die editio princeps der Opera quae supersunt des Agathias.
–––––––––––––– 245 Zur Geschichte der Universität Leiden im 16. und 17. Jahrhundert vgl. den schönen Sammelband T. H. Lunsingh Scheurleer/G. H. M. Posthumus Meyjes: Leiden university in the 17th c., 1975. Vgl. außerdem: L. Müller: Geschichte der Philologie in den Niederlanden, 1869; C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 264ff.; H. Schneppen: Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, 1960; K. Maag: Genevan academy, 1995, S. 172–185; M. Ahsmann: Juristischer Unterricht in Leiden (1575–1630), 2000. Für sozialhistorische und politische Hintergründe der Anfangsjahre der Universität sei auch verwiesen auf H. L. Clotz: Universität Leiden zw. Provinz, Stadt und Kirche, 1998. 246 Angaben zu Bonaventura Vulcanius finden sich in: H. d. Vries de Heekelingen: Correspondance de Vulcanius à Cologne, Genève et Bâle, 1923, S. 5–12; D. J. H. ter Horst: Art. „Vulcanius“, NNBW 10, 1937, Sp. 1143ff.; J. H. Waszink: Classical philology, 1975, S. 169ff.; P. A. Stadter: Arrianus (CTC), 1976, S. 15ff.; A. Dewitte: Bonaventura Vulcanius, 1981, S. 189f.; A. Gerlo: Correspondence between Marnix and Vulcanius, 1985, S. 194f.; B. R. Jenny: Autographe Briefe des Erasmus in der Schweiz, 1985, S. 40f.
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Paul Merula wiederum war zunächst 1578 Student in Leiden gewesen, bevor er sich zu seiner peregrinatio academica aufmachte.247 Diese Reise führte ihn zum Studium der Rechte, der Philologie, der Geschichte und insbesondere der griechischen Sprache nach Paris, zu Cujas nach Bourges sowie nach Genf und Padua. Im Jahre 1592 übernahm er den Lehrstuhl seines ehemaligen Lehrers Justus Lipsius in Leiden. Vielen französischen Gelehrten, die Hugenotten waren, beschied das Schicksal in dieser Zeit im günstigen Fall einen unsteten Lebensweg, der in Isaac Casaubons Fall von Frankreich in die Schweiz und nach England führte. Casaubon war wegen seiner umfassenden griechischen und lateinischen Bildung berühmt.248 Seine philologischen Arbeiten sind unübersehbar, hier seien nur die Editionen des Diogenes Laertios, der Geographia des Strabo sowie die Gesamtausgabe des Aristoteles genannt, außerdem die Ethikoi Charakteres des Theophrast, sein Theokrit, die Deipnosophistai des Athenaios und des Polybios. Viele seiner Arbeiten wurden lange Zeit nachgedruckt – sein Kommentar zu Persius etwa erfuhr noch 1833 eine Wiederauflage. 1.3.4.2 Textkritik in philologischer Fachliteratur In den Lebenswegen der Verfasser der Textstellen, die in der Ars critica als testimonia angeführt sind, spiegeln sich Wirkungsstätten der antiquarischen Gelehrsamkeit und Schwerpunkte der philologischen Forschung des 16. Jahrhunderts. Schoppe überlässt inmitten der Ars critica zeitgenössischen gelehrten Autoritäten das Wort und gibt in ihren gewichtigeren Formulierungen wieder, was es über Textarbeit und Methoden zu sagen gibt. Das erste testimonium stammt aus der Praefatio ad lectorem, die Paul Merula seiner Ausgabe der Ennius-Fragmente im Jahr 1595 voranstellte.249 An der Stelle in der Ars critica ergeht sich Merula in Lobesworten über die hervorragenden Fähigkeiten des Kritikers. Diese Begabungen führen laut Merula den Kritiker dahin, dass er in allen Wissenschaften zu den Besten gehört. –––––––––––––– 247 Angaben zu Paul Merula in Eyssenhardt: Art. „Merula, Paul“, ADB 21, 1885, S. 476; E. Hulshoff Pol: The library, 1975, S. 410–423; M. J. A. M. Ahsmann: Juristischer Unterricht in Leiden (1575–1630), 2000, S. 29ff. 248 Angaben zu Casaubon finden sich in: J. E. Sandys: History of classical scholarship 2, 1908, S. 204–210; M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 345f.; F. W. Bautz: Art. „Casaubon“, BBK 1, 1990, Sp. 945f.; A. Grafton: Casaubon on Hermes Trismegistus, 1991. Eine ausführliche Biographie ist M. Pattison: Isaac Casaubon, 1875. 249 Die Praefatio ad lectorem findet sich auf den Seiten id bis ka bzw. fol. b3v bis c3r, die bei Schoppe zitierte Stelle auf S. ka bzw. fol. c3r.
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Anschließend zitiert Schoppe aus den ersten beiden Bänden von Lucas Fruterius’ Verisimilia, die Janus Dousa d.Ä. postum 1584 in der Sammelschrift Reliquiae librorum qui recuperari potuerunt als einer der ersten Drucke in der Filiale der Plantinischen Offizin in Leiden drucken ließ.250 Sie umfasst Gedichte, zwei Bücher an Verisimilia, in denen sich Fruterius’ textkritische Beobachtungen finden, und eine von Fruterius besorgte Edition der Syntomata rhetorices von Julius Severianus. Im Abschnitt der testimonia zitiert Schoppe auf fol. F2v bis F3r Passagen aus den Verisimilia, in denen Fruterius über die Person des Kritikers sowie seine Aufgaben und Verdienste berichtet, darüber, was gute und schlechte Textkritik ausmacht und über die beste Methode der Textkritik, die im Handschriftenvergleich besteht.251 Zudem betont Fruterius, wie wichtig die Schriften der antiken Grammatiker sind, und dass ungebildete Schreiber die Fehler verursachten. Kenntnisse des Sprachgebrauchs des antiken Schriftstellers bildeten bei der Verbesserung des Textes eine elementare Hilfe. Auf fol. D6r bis D7v bringt Schoppe fünf längere Zitate aus den Quaestiones Plautinae des Janus Gulielmus von 1583, einer notae-Sammlung mit Schwerpunkt auf der Plautus-Philologie.252 In den von Schoppe herangezogenen Passagen spricht Gulielmus über die Aufgaben der Philologie (Textkritik und Interpretation), das Scheitern von reiner Konjekturalkritik und die einzig zulässige Methode des Handschriftenvergleichs, über Kompetenzen und Kenntnisse als Voraussetzungen für gute Textkritik und über die Rechtfertigung von Lesarten. Am Ende des Gulielmustestimonium (fol. D7v) steht eine kürzere Passage aus der notae-Sammlung Verisimilia von 1582, in der Gulielmus die Unachtsamkeit der Alten und die Waghalsigkeit der Korrektoren als Gründe für Textverderbnisse ausmacht.253 Deutliche Spuren in der Ars critica hinterließ das testimonium MarcAntoine Murets. Seine Variae lectiones sind eine notae-Sammlung, die zum ersten Mal 1559 in acht Büchern in Venedig herauskam sowie 1580 in einer auf 15 Bücher erweiterten Version, auf die Schoppe sich hier bezog. Murets Textstücke sind das zweitlängste testimonium (fol. D7v–E2r) und –––––––––––––– 250 Vgl. E. v. Gulik: De Leidse Officina Plantiniana, 1975, S. 376. 251 Die als testimonia zitierten Stellen entsprechen folgenden Stellen in der Dousa-Edition von 1584: lib. 1, cap. 2 (zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. D4r–D4v): ed. 1584: S. 6f.; cap. tertio (fol. D4v): S. 10; cap. XIIX (fol. D4v–D5r): S. 54; lib. 2. cap. 10 (fol. D5r): S. 86f.; cap. seq. (i. e. Kapitel 12) (fol. D5r–D5v): S. 89; cap. seq. (i. e. Kapitel 13) (fol. D5v): S. 90; lib. 2. cap. 1 (fol. D5v): S. 60; lib. 1. cap. 10 (fol. D5v–D6r), S. 30. 252 Schoppe hatte die Stellen aus Gulielmus’ Quaestiones Plautinae richtig angegeben, es handelt sich also um S. 20, 117, 235, 299f., 308f. Zu den Quaestiones Plautinae vgl. auch R. Häfner: Antiquarianismus und Sprachgebrauch, 2005, S. 289. 253 Gulielmus: Verisimilia, 1582, S. 94.
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behandeln, wie Schoppe selbst in der Einleitung zum Abschnitt über die critici veteres bemerkt, das Problem der korrupten Überlieferung: quod quantum humano generi ad aevum usque nostrum commodaverit, pluribus heic commemorare nolo; satis id faciet Muretus, vir undiquaque doctissimus, cuius verba inferius videre erit.254
Im Einzelnen erörtert Muret hauptsächlich Umgangsformen mit fehlerhaften Büchern.255 Dabei stellt er zunächst die grundsätzliche Nützlichkeit alter, korrupter Texte fest und beschreibt die Beschwerlichkeit beim Lesen. Die verbesserten Texte können, so glaubt Muret, auch von Nichtkritikern sinnvoll interpretiert werden. Die Arbeit des Verbesserns sei schwierig. Ein guter Weg bei der Verbesserung berücksichtige die möglichen Ursachen von Fehlern. Wegen des Ansehens der alten Schriften und der Mühsal der kritischen Arbeit komme den Philologen auch entgegen anderen herrschenden Meinungen großes Verdienst zu. Das folgende Zitat in der Ars critica stammt von Julius Caesar Scaliger. Neben vielen anderen Arbeiten ist ihn auch seine Grammatik De causis linguae Latinae (1540) berühmt.256 Hieraus erscheint als testimonium eine kurze Passage (fol. E2r), in der Scaliger Aufgaben der Philologie beschreibt, die der Grammatiker ohne Berechtigung dem Aufgabenbereich der Literaturkritik entnommen habe. Scaliger schließt in der Konsequenz den grammaticus bzw. litterator explizit von der Aufgabe der Textinterpretation aus. Nur der wahrhaft Gelehrte dürfe Literatur auslegen, weil die Texte verschiedenen Gattungen angehören und die Voraussetzung für diese Arbeit umfassende Bildung in den Wissenschaften und Künsten ist. Justus Lipsius’ philologische Arbeiten wurden bereits 1585 in einer Sammlung (Opera omnia quae ad criticam proprie spectant) gedruckt. Schoppe zitiert aus Lipsius’ Praefatio zu dieser Sammlung. Auf fol. E2v gibt er zwei bei Lipsius aufeinander folgende Stellen über das Wesen der Textverbesserung wieder.257 Lipsius weist darauf hin, dass es sich bei der kritischen Arbeit um keine einfache Beschäftigung handelt. Auch wenn der Philoso–––––––––––––– 254 „Wie günstig dieses dem Menschengeschlecht bis zu unserer Zeit gewesen ist, will ich hier nicht ausführlicher in Erinnerung rufen. Das wird Muret, ein Mann von in jeder Hinsicht großen Gelehrsamkeit, zur Genüge tun; seine Worte sind weiter unten zu lesen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. 255 Die als testimonia zitierten Stellen entsprechen folgenden Stellen in Murets Variae lectiones: fol. D7v in der Ars critica entspricht Murets Ausgabe seiner Variae lectiones auf fol. *4r; lib. 2, cap. 16 (zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. D7v–D8r): Variae lectiones: S. 45f.; lib. 7, cap. 12 (fol. D8r–D8v): Variae lectiones: S. 166; lib. 8, cap. 4 (fol. D8v): Variae lectiones: S. 192; lib. 9, cap. 11 (fol. D8v): Variae lectiones: S. 233; lib. 13, cap. 18 (fol. Er): Variae lectiones: S. 353; lib. 14, cap. 1 (fol. Er–Ev): Variae lectiones: S. 357; lib. 15, cap. 9 (fol. Ev): Variae lectiones: S. 404; lib. 15, cap. 16 (fol. Ev–E2r): Variae lectiones: S. 413f. 256 Einen konzisen Überblick über Aufbau und Themen der Schrift gibt D. Cherubim: J. C. Scaligers ‚De causis linguae Latinae‘, 2001, S. 139. 257 Die in der Ars critica zitierten Stellen finden sich in den Opera auf fol. †3v und †4r.
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phie der Vorrang vor der Philologie einzuräumen ist, so wird trotzdem die Nützlichkeit und Unabdingbarkeit der Kritik für die Wissenschaft betont. Schoppe zitiert Isaac Casaubon mit einer kurzen Passage aus den Animadversiones zu Sueton. Casaubon kommentiert eine Lesart in Suetons Kaiserviten (Divus Julius 2) und stellt dabei fest, dass bestimmte Termini gelöscht und durch andere ersetzt wurden.258 Daran schließt die Passage an, die Schoppe wiedergibt. Casaubon beklagt sich hier über das Fehlverhalten der Philologen, willkürlich in Texte einzugreifen und auf diese Weise sogar heile Stellen zu verderben. Casaubon verleiht hier seiner Entrüstung über die Missstände mit rhetorischen Dramatisierungen Nachdruck – und schreibt das Ganze noch einmal auf Griechisch. Das nächste testimonium ist eine Stelle aus der praefatio, die Bonaventura Vulcanius seiner Apuleius-Ausgabe von 1594 vorausschickt – und übrigens Canters Bruder Dirk zueignet. In den beiden Abschnitten, die Schoppe auf fol. E3r bis E4r wiedergibt, kritisiert Vulcanius die zeitgenössische Philologie.259 Er klagt darüber, dass durch Waghalsigkeit, schlechte Bildung und die Vorrangstellung des ingenium viele Texte zusätzlich zu den Problemen der Überlieferung von der zeitgenössischen Philologie verderbt werden. Wegen der unzureichenden Berücksichtigung von Handschriften sei daran die Vorliebe seiner Zeit für Konjekturen Schuld. Vulcanius bezieht sich in dieser Passage auf die Apuleius-Philologie und bringt sein Bedauern über die Verderbnisse in diesem Text deutlich zum Ausdruck. Außerdem begründet er den Apparat und die Auswahl der Lesarten in seiner Edition. Auf Vulcanius folgt auf fol. E4r bis E7v das längste testimonium. Es handelt sich um zwei Passagen aus einer weiteren Schrift von Lipsius. Unter dem Titel Somnium veröffentlichte der in dieser Zeit noch an der Leidener Universität als Professor für Latein und Geschichte lehrende Justus Lipsius zuerst im Jahre 1581 eine satyra Menippea, die er Joseph Justus Scaliger widmete.260 Die zweite Auflage des Somnium erschien 1585, zum einen eigenständig, zum anderen in der Ausgabe seiner gesammelten –––––––––––––– 258 Das hier zitierte testimonium stammt aus der Kommentierung von „corona civica donatus est“ (Vita Divi Iulii 2). Ihm geht bei Casaubon folgende Passage voraus: „A codicibus utriusque editionis Antverpiensis exulat vox corona, nescio quare de veteri possessione deiecta. An quia venuste civica dicitur ¡plîj, tolli propterea dictio illa debuit? infirma ratio, prorsusque ¢sullÒgistoj Ð sullogismÕj cum & veteres editiones omnes & manu exarati ita habeant.“ Schoppes zutreffende Stellenangabe ist: I. Casaubon: Animadversiones in Suetonium, 1596, S. 8. 259 Die beiden von Schoppe zitierten Abschnitte finden sich in: B. Vulcanius: Praefatio, in: Apuleius: Opera omnia, 1594, fol. *2r–*2v und fol. *3r. Zur Geschichte der ApuleiusPhilologie in der frühen Neuzeit vgl. R. Häfner: Frühneuzeitliche Apuleius-Editionen, 2004, zu Vulcanius’ Ausgabe: S. 199f. 260 Vgl. zu Lipsius und zur Gattungsgeschichte der Menippeischen Satire: C. Matheeussen/ C. L. Heesakkers: Introduction to Ed. Lipsius: ‚Satyra‘, 1980; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 188.
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Schriften.261 Im Somnium schildert Lipsius einen Traum von einer Senatoren-Zusammenkunft im antiken Rom.262 Lipsius beobachtet in seinem Traum, wie antike Schriftsteller als Senatoren in ihren Senatsreden nacheinander über die schlechte Behandlung durch die Philologen im 16. Jahrhundert klagen. So kann etwa nach Cicero, der als Konsul das Treffen leitet und die erste Rede hält, der zweite geplante Redner – nämlich Plautus – nicht sprechen. Darüber wird Lipsius von Janus Dousa d.Ä. aufgeklärt, den er in seinem Traum vor der Versammlung trifft. Plautus sei an den Folgen der Eingriffe von gewissen (frühneuzeitlichen) Philologen erkrankt und deshalb nicht in der Verfassung, seine Rede zu halten. Die Ausschnitte, die Schoppe zitiert, geben zum einen die Rede des Varro wieder, der sich als grammaticus im Gegensatz zu seinen Vorrednern Cicero, Sallust und Ovid für die Philologie einsetzt, und zum anderen einen Senatsbeschluss (senatus consultum), in dem einem Antrag Varros stattgegeben und die Philologie mit Vorbehalt für notwendig und nützlich erklärt wird. Die Einschränkungen betreffen das Alter der Philologen, ihre Kompetenzen und ihren Umgang mit Handschriften. Grundsätzlich sollen Kritiker auf ihre Befähigungen für dieses Geschäft hin geprüft und schlechte Kritiker für ihre Vergehen bestraft werden. Am Ende von Lipsius’ Passage steht ein Auszug, den Lipsius den Libri de asse Guillaume Budés entnommen hatte. Im Anschluss an Lipsius zitiert auch Schoppe den französischen Humanisten. Diese Abhandlung hatte das antike Münz- und Einheitensystem zum Thema und erschien zum ersten Mal im Jahre 1515 in Paris. Schoppe zitiert Budé auf fol. E7r bis E7v wahrscheinlich indirekt Form über Lipsius.263 In dieser kurzen Passage klagt Budé eindringlich über zeitgenössische Philologen, die ihre Aufgabe auf die leichte Schulter nehmen und aus dieser Bedenkenlosigkeit heraus oder aus niederen Motiven die Texte durch ihre Konjekturen verderben. Das letzte Zitat in den testimonia stammt aus der Sallust-Philologie des Johannes Rivius. Rivius hatte bereits 1537 eine notae-Sammlung (Castigationes) zum Sallust-Text veröffentlicht, die 1539 in einer weiteren Auflage er–––––––––––––– 261 Heute liegt der Text – im Übrigen als einziger der Texte, die Schoppe in den testimonia wiedergab – in einer modernen Edition vor (herausgegeben mit Einleitung und Anmerkungen von C. Matheeussen und C. L. Heesakkers, Leiden bei Brill 1980). Die bei Schoppe angeführten Stellen finden sich hier auf S. 64–69 und S. 72–77. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit zitiere ich immer nach dem Text, der bei Schoppe abgedruckt ist. 262 Der Inhalt wird in der Einleitung zur modernen Edition beschrieben: C. Matheeussen/ C. L. Heesakkers: Introduction to Ed. Lipsius: ‚Satyra‘, 1980, S. 3ff. Vgl. außerdem zu dieser Schrift: A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 224. 263 Aus diesem Grunde beziehe auch ich mich auf jene Gesamtausgabe von Budés Schriften, auf die sich wahrscheinlich Lipsius stützte (J. Lipsius: Somnium, 1581 (ed. C. Matheeussen & C. L. Heesakkers 1980), S. 76f.). Diese Ausgabe erschien in Basel bei Episcopius 1557 in zwei Bänden. Die hier zitierte Stelle findet sich im zweiten Band (S. 12) und stammt aus dem ersten Buch.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
schien.264 Diesen kritischen Vorarbeiten ließ Rivius 1542 eine Edition von Sallust folgen. Die Stelle auf fol. E7v bis E8r entnimmt Schoppe der praefatio zu den relativ kurzen, nur fünf Seiten umfassenden Castigationes; sie findet sich in der Edition von 1539 auf fol. P5r bis P5v. Im Vorwort zu den Castigationes skizziert Rivius die Prinzipien seiner textkritischen Arbeit. An der bei Schoppe abgedruckten Stelle beschwert sich Rivius über die vielen Fehler in den Handschriften und macht dafür hauptsächlich inkompetente Bearbeiter verantwortlich. Instanzen, die bei der Verbesserung herangezogen werden können, sind gute Editionen, alternative antike Textzeugnisse, wie etwa Stellen bei den antiken Grammatikern, und andere Handschriften. Allerdings, so räumt Rivius ein, sei die vollständige Verbesserung eines Textes nie möglich, auch wenn überaus sorgfältig gearbeitet werde. Schoppe präsentiert hier also Textausschnitte von Philologen aus dem gesamten 16. Jahrhundert. Ausgehend von den Verfassern dieser Textstücke und ihrer Verortung in der Philologiegeschichte konnte der Rahmen der philologischen Gelehrsamkeit Schoppes rekonstruiert werden. Die Analyse der Textstücke und der Schriften, denen sie entnommen sind, zeigt, dass die Verfasser der testimonia in unterschiedlichen Disziplinen zu Hause waren, etwa in der Geschichte (Lipsius, Merula), Rechtswissenschaft (Budé, Gulielmus, Merula), Philosophie (Muret, Lipsius, Vulcanius), Medizin (Scaliger), Theologie (Rivius, Casaubon), Poetik, Gräzistik (Budé, Vulcanius, Casaubon) und lateinischen Philologie (alle, vor allem Scaliger, Muret, Fruterius). Das einigende Band dieser heterogenen Gruppe von Gelehrten war ihre Arbeit als Philologen. Sie brachten Editionen von antiken Autoren auf den Weg, kommentierten und übersetzten die Texte und verfassten philologische notae-Sammlungen. Dort reflektierten sie gleichzeitig ihre Tätigkeit. Allein in den testimonia finden sich eine ganze Reihe von Textgattungen wieder, in denen philologische Fragestellungen und Forschungsergebnisse diskutiert werden. Abgesehen von den Passagen aus notae-Sammlungen zu einzelnen Schriften und Autoren (I. Casaubon: Animadversiones in Suetonium, 1596; J. Rivius: Castigationes in Sallustium, 1539) sowie den notae-Sammlung zu verschiedenen Schriften (L. Fruterius: Verisimilia, 1584; J. Gulielmus: Quaestiones Plautinae, 1583; J. Gulielmus: Verisimilia, 1582; M.-A. Muret: Variae lectiones, 1580) nennt Schoppe Vorworte von Editionen (P. Merula: Praefatio in: Ennius: Fragmenta annalium, 1595; B. Vulcanius: Praefatio in: Apuleius: Opera omnia, 1594), eigenständige Sachabhandlungen zur Grammatik (J. C. Scaliger: De causis linguae Latinae, –––––––––––––– 264 Es war mir nur möglich, die Ausgabe von 1539 zu sichten, auf die ich mich ausschließlich beziehe.
1.3 Der Commentariolus de arte critica von 1597
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1540) und Münzkunde (G. Budé: De asse, 1515) sowie ein Vorwort zu einer Gesamtausgabe der gesammelten kritischen Werke eines zeitgenössischen Philologen (J. Lipsius: Opera, 1585). Methodische Erwägungen wurden außerdem in literarischen Texten verarbeitet, etwa im Somnium des Lipsius (1585). Mit seinen testimonia schließt sich Schoppe in der Ars critica einer philologischen Gelehrsamkeit an, die in Paris, Bourges und Leiden gepflegt wurde und deren Protagonisten aus verschiedenen Disziplinen stammten. In dieser 25-seitigen Zitatensammlung spiegeln sich über ihre Autoren einflussreiche Gelehrsamkeitstraditionen der Zeit, wie etwa der mos Gallicus oder die französische Schule der Gräzistik im Umfeld der Pléiade. Mit dem Bezug auf diese Gelehrten und ihre einschlägigen Schriften zum Thema zeigt der junge Jurastudent Schoppe, wie gut er die Fachliteratur kennt. Außer seiner Kompetenz demonstriert er damit gleichzeitig die Relevanz des Themas, über das bereits viele berühmte Gelehrte nachdachten.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
1.4 Abhandlungen zur Textverbesserung als Quellen der textkritischen Theorie Obwohl Robortellos Ars corrigendi, Canters Ratio emendandi und Schoppes Ars critica erklärtermaßen Verfahren der Textverbesserung behandeln, weist die in diesem Kapitel durchgeführte historische Kontextualisierung auch wesentliche Unterschiede zwischen ihnen auf. Das betrifft etwa die Lebensumstände der Verfasser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Abhandlungen sowie die Motive und Absichten, die sie mit ihnen verfolgten. Im Hinblick auf Robortellos Werdegang und seine akademische Stellung als erfahrener, kompetenter und angesehener Universitätsprofessor von 41 Jahren könnte man erwarten, dass er eine sachliche und instruktive Abhandlung vorlegen würde. Indes ist die Ars corrigendi polemisch, voller bissiger Ausrutscher und ätzender Invektiven gegen andere Philologen sowie peinlicher Selbstbeweihräucherungen. Robortello nutzte seine Ars corrigendi als Kampfschrift in zeitgenössischen Kontroversen. Zentral war dabei beispielsweise der Streit mit seinem Intimfeind Carlo Sigonio um römische Geschichtsschreibung, der sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ars corrigendi erheblich zuspitzte. Im Unterschied zu diesem dramatischen Hintergrund lassen sich für die Ratio emendandi keine vergleichbaren Motive ausmachen, die der junge, 29-jährige Canter mit der Veröffentlichung verfolgt hätte. Der Stil des zurückhaltenden Privatgelehrten ist nüchtern und im Inhalt ist die Abhandlung konzise auf das eigentliche Vorhaben einer Methodenlehre ausgerichtet. Doch auch Schoppe verband mit der Ars critica ein Ziel, das jenseits rein didaktischen Absichten stand. Der ehrgeizige, kaum 21-jährige Student der Rechtswissenschaften und Philologie bemühte sich um einen Einstand in der Gelehrtenwelt und beabsichtigte, sich als fähiger Nachwuchsgelehrter zu profilieren. Abgesehen von den Motiven unterscheiden sich die Abhandlungen im Stil und in ihrer Textgestaltung. Robortello legt seine Abhandlung als einen Fließtext an, der überwiegend aus der kleinteiligen und bisweilen ermüdend langen Ausführung von einzelnen Beispielen besteht und durchsetzt ist mit Polemiken gegen seine Gegner, methodologischen Anweisungen und längeren Exkursen zu Sachthemen. Canters Ratio emendandi gliedert sich dagegen nach Themen in acht nummerierte Kapitel, die jeweils mit einer aussagekräftigen Überschrift betitelt sind. Sie besteht überwiegend aus Beispiellesarten, die aufgelistet und selten kommentiert werden. Der von Canter zur Erklärung beigegebene Text bleibt kurz. Schoppes Abhandlung ist wiederum eine Zusammenstellung von fünf in Charakter
1.4 Die Abhandlungen als Quellen der textkritischen Theorie
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und Stil äußerst unterschiedlichen Teilen. Schoppes Text macht einen zerstückelten Eindruck, was durch die testimonia, die in die Mitte der Ars critica eingefügt sind, noch verstärkt wird. Schoppes Fehlerklassifikation besteht ähnlich wie Canters aus einer nur knapp kommentierten Lesartenliste. Außerdem sticht noch ins Auge, wie unterschiedlich lang die Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe sind. Robortello behandelt seine Lehre von der Textverbesserung auf gerade mal 16 großen Quartseiten, was 38 Oktavseiten in der Schoppe-Ausgabe entspricht.265 Canters Text, der in der Auflage von 1571 64 Oktavseiten umfasst und damit fast doppelt so lang ist wie die Ars corrigendi, gliedert sich in zwei Teile, in die kurze, sechsseitige praefatio und den Hauptteil der Ratio emendandi, der in acht voneinander klar geschiedene Kapitel gegliedert ist. Schoppe schließlich präsentiert mit seiner Ars critica den mit 150 Oktavseiten weit längsten Traktat, der mehr als doppelt so lang wie Canters Ratio emendandi ist. Dabei besteht die Ars critica aus fünf Teilen, die voneinander sowohl typographisch als auch inhaltlich abgesetzt sind. Trotzdem sind die von ihrem Aufbau höchst unterschiedlichen Abhandlungen bei näherer Betrachtung durchaus in ihren Themen und in der Länge vergleichbar. So fällt nämlich von den 150 Quartseiten bei Schoppe im Vergleich zu Robortello und Canter ein Großteil heraus, weil diese Textteile völlig andere Themen behandeln: 22 Seiten nimmt allein der historiographische und bibliographische Abschnitt über die critici veteres et recentiores ein, der thematisch zur Verbesserungslehre hinzugekommen ist und weder von Robortello noch von Canter behandelt wurde. Außerdem umfassen die 150 Seiten auch die 25 Seiten der testimonia, die nicht von Schoppe stammen. Die restlichen etwa 100 Seiten widmen sich den drei Themenbereichen, die auch bei Robortello und zum Teil auch bei Canter zu finden sind: der mit Lesartenbeispielen bestückten Fehlerklassifikation, die Ausführungen über textkritisch relevantes Wissen sowie grundsätzlichen methodologischen Erwägungen. Robortello setzt in den Mittelpunkt seiner Abhandlung eine Typologie von Konjekturen, die im Text sechs Quart- bzw. 17 Oktavseiten einnimmt. Um einiges länger fällt der systematisch nach Fehlertypen angeordnete Hauptteil der Ratio emendandi aus, in dem Canter die Fehlerarten in acht Kapiteln auf 58 Seiten exponiert. Ebenfalls sehr umfangreich ist die Fehlerklassifikation in Schoppes Abhandlung auf etwa 70 Seiten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Robortello auf der einen sowie Canter und Schoppe auf der anderen Seite besteht darin, dass Robortello ausführlich einzelne Lesarten und Eingriffe bespricht, wohingegen Canter und Schoppe sehr viele Lesarten als Bei–––––––––––––– 265 38 Seiten umfasst der Wiederabdruck der Ars corrigendi im Oktavformat im Anhang von Schoppes Ars critica von 1597 (fol. L4r–N6v). Deswegen lassen sich die Abhandlungen in ihrer Länge gut vergleichen.
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Kapitel 1: Die Ars corrigendi-Literatur
spiele für bestimmte, alphabetisch angeordnete Fehler unkommentiert auflisten und so einen weit größeren Textumfang erreichen. Ausführungen über textkritisch relevantes Wissen, insbesondere über Handschriften, tauchen bei Robortello verstreut in der Ars corrigendi auf, bei Canter nur in der praefatio und bei Schoppe vor allem in der epistola dedicatoria. Grundsätzliche methodologische Erwägungen schließlich finden sich bei Robortello über die ganze Abhandlung verteilt, bei Canter insgesamt nur wenige, davon ein paar Bemerkungen in der praefatio und ein kurzer Abschnitt am Ende der Abhandlung, und bei Schoppe in der Widmungsepistel, ausführlich in der praefatio und einige am Anfang des historiographischen Abschnitts. In der Analyse der textkritischen Gedanken in den folgenden Kapiteln werden die drei Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe wegen dieser Unterschiede nicht immer gleichermaßen Beachtung finden. Relevant sind die Abweichungen in drei Fällen: Das betrifft zum Ersten die testimonia in der Ars critica, die von Schoppe zusammengestellt wurden. Diese kurzen Passagen von zehn Philologen aus dem 16. Jahrhundert werden in der vorliegenden Untersuchung als Ergänzungen der Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe aufgefasst, dabei unter dem jeweiligen Namen des Verfassers sowie dem ursprünglichen Veröffentlichungszeitpunkt behandelt.266 Zum Zweiten fallen die allgemeinen methodologischen Ausführungen in Canters Abhandlung im Vergleich zu Robortello und Schoppe ungleich knapper aus, sodass Canters Ratio emendandi in der folgenden Rekonstruktion der textkritischen Methode oftmals ohne Beachtung bleiben wird. Und zum Dritten behandelt Schoppe in seiner Ars critica einige Themen, die Robortello und Canter überhaupt nicht ansprechen. Dabei wird in der vorliegenden Untersuchung der Abschnitt über die critici recentiores weitgehend übergangen, da es sich dabei um eine Frühform einer Historia literaria handelt, die in ihrem Thema mit genuin textkritischen Problemstellungen wenig zu tun hat und deren erschöpfende Analyse einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet hätte. Dagegen wird der Abschnitt über die critici veteres als Quelle für die frühneuzeitlichen Ansichten über die antike Philologie ausgewertet. Trotz ihrer Unterschiede bezüglich Motive, Textgestaltung und Länge bleiben die Abhandlungen gut miteinander vergleichbar. Sie formieren ein Quellenkorpus, das uns beredt über frühneuzeitliche textkritische Theorie Auskunft gibt. Denn Robortello, Canter und Schoppe befanden sich zwar zum Abfassungszeitpunkt jeder in einer anderen Situation, waren aber alle drei eng mit der philologischen Gelehrsamkeit verbunden. Und sie behandeln in ihren Abhandlungen dieselben Kernthemen: Sie bieten eine Ty–––––––––––––– 266 Der Wortlaut richtet sich aber nach Schoppes Textfassung.
1.4 Die Abhandlungen als Quellen der textkritischen Theorie
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pologie von Konjekturen (Robortello) bzw. von Fehlern (Canter und Schoppe), diskutieren textkritisch relevantes Wissen und machen allgemeine methodische Bemerkungen über Textverbesserung. Nach diesem ersten Kapitel, das den biographischen Kontext, den Werkzusammenhang sowie die Textgeschichte und Hauptargumente jeder Abhandlung vorstellte, werden nun in den folgenden vier Kapiteln aus diesem Quellenmaterial systematisch die Grundzüge der Theorie und Methode der Verbesserung von Texten entwickelt.
Kapitel 2: Grammatica, critica und die Ars corrigendi: Textkritik und Philologie Plus sibi quam Vario volui Tuccaeque licere In musam sumit turba prophana meam. Hic lacerat mutilatque; hic pannos assuit ostro Sordidior, mendis pagina nulla vacat. Vel nuper quanta horrebam rubigine, scabro Malleolo vexor dum miser atque premor. Hic sordes mihi dum male sedulus excutit auxit, Dumque agitat veteres addidit ipse novas. Reddidit ereptum Vincenti lima nitorem, Ornavit variis insuper indicibus. Vivat ut usque meus vindex Vincentius opto, Flagret malleolis Malleus ille malis.1
Erasmus von Rotterdam übergibt in diesen elegischen Distichen dem Autor der Aeneis, P. Vergilius Maro, das Wort und lässt ihn vehement gegen die Behandlung des Paul Hemmerlin von Andlau (lat. Paulus Malleolus, Ende 15./Anfang 16. Jhd.) protestieren. Auf den elsässischen Gelehrten prasselt eine Schimpftirade nieder, Erasmus alias Vergil beklagt Verstümmelung und Besudelung. Dem verhängnisvollen Tatendrang des Malleolus stellt sich dann Augustinus Vincentius Caminadus (bis 1511) in den Weg und schafft es, Vergil und seine Dichtung zu erretten. Was, wird sich der moderne Leser fragen, veranlasste Erasmus bloß, dieses rhetorische Feuerwerk abzufeuern? Natürlich war Vergil kein Geringer unter den antiken Autoren, sondern ein römischer Epiker, dessen Ansehen in der –––––––––––––– 1
„Mehr als meinem Willen nach dem Varius und Tucca zustand, nimmt sich das gemeine Volk gegen meine Dichtung heraus. Der zerfleischt und zerstückelt mich, der näht meinem Purpurmantel noch einen Streifen an und verfährt dabei noch schändlicher: Frei von Fehlern ist keine einzige Seite. War ich früher ganz von schauerlichem Rost bedeckt, so werde ich Unglücklicher nun vom Ausschlag des Malleolus [Malleolus = Hämmerchen, von Hemmerlin] geplagt und bedrängt. Da er in üblem Eifer den an mir haftenden Schmutz wegzuputzen sucht, macht er ihn nur größer. Da er den alten aufrührt, gibt er auch neuen dazu. Doch gab mir den mir auf diese Weise entrissenen Glanz die Feile des Vincentius wieder und zierte mich sogar noch weiter mit verschiedenen Kennzeichen. Leben soll für immer mein Rächer Vincentius! Das wünsche ich mir; doch dieses hämmernde Verhängnis [Malleolus] soll im Feuer untergehen.“ Erasmus: In castigationes Vincentii contra Malleoli castigatoris depravationes, c.1498 (ed. & notae C. Reedijk 1956, § 44, S. 246f.; dt. Übers. W. Schmidt-Dengler 1975, S. 317).
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
frühen Neuzeit von Manchem sogar über Homer gestellt wurde. Doch richtet sich dieses Gedicht nicht etwa gegen eine Beschimpfung des römischen Schriftstellers, auch nicht gegen eine verleumderische literarische Deutung. Erasmus wettert hier gegen frühneuzeitliche Vergil-Ausgaben und schlechte Textkritik. Wahrscheinlich ging es um Hemmerlins Edition von 1489 (Paris: U. Gering) und jene von Caminadus von 1498 (Paris: J. Philippi), an der Erasmus wohl selbst mitgewirkt hatte.2 Textkritik war in der frühen Neuzeit so zentral, dass sogar Gelehrte des Schlags eines Erasmus das Bedürfnis verspürten, ihrer Verärgerung über schlechte Textverbesserung in Versen Ausdruck zu verleihen. Der Stand des Wissens über Philologie ist beeinträchtlich, allein in diesem kurzen Gedicht werden mehrere Themen angesprochen: schlechte Textüberlieferung, Fehler und die Gefahr der weiteren Verschlechterung der Textqualität durch die zeitgenössische Philologie. Abgesehen von Erasmus’ Gedicht finden sich viele andere Zeugnisse solcher Überlegungen zu Philologie und Textkritik, und die Palette der besprochenen Themen ist groß. Ausgehend von den Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe soll in diesem zweiten Kapitel ermittelt werden, welche Problemstellungen im Einzelnen besprochen und wie Gegenstand und Zielsetzung genau definiert werden. Den Blickwinkel stellt der disziplinäre Rahmen dar. Es interessiert also, was ausgehend von der frühneuzeitlichen Philologie über die Gestalt und Formiertheit von Textkritik im 16. Jahrhundert erfahren werden kann (Kapitel 2.1). Auch spielt das Verhältnis zu antiken Traditionen und zeitgenössischen Gelehrsamkeitsparadigmen eine Rolle, die in Kapitel 2.2 zur Sprache kommen. In Kapitel 2.3 wird das Verhältnis von Textkritik und Philologie schließlich ausgehend von einem Vergleich der Methodenlehren mit den gängigen philologischen Textgattungen der damaligen Zeit untersucht.
–––––––––––––– 2
Vgl. dazu P. G. Bietenholz: Art. „Paul Hemmerlin“, Contemporaries of Erasmus 2, 1986, S. 175; und F. Bierlaire: Art. „Augustinus Vincentius Caminadus“, Contemporaries of Erasmus 1, 1985, S. 250f.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
101
2.1 Textkritik als Textverbesserung 2.1.1 Thema der Abhandlungen: correctio / emendatio La critique est l’art de corriger les fautes, comme l’indique le titre du traité publié à Venice, au milieu du XVIe siècle, par Francesco Robortello.3
Kritik mit dem Verbessern von Textfehlern gleichzusetzen, wie dies der Gräzist und Honorarprofessor des Collège de France Jean Irigoin (*1920) neulich tat, war in der frühen Neuzeit begrifflich nicht üblich. Deswegen eignet sich Irigoins Ausspruch gut für eine thematische Klarstellung. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit Textkritik, also mit Verfahren, die auf die textuelle, sprich den Wortlaut betreffende Verfasstheit von Schriftstücken gerichtet sind. Stößt man in frühneuzeitlichen Schriften auf „Kritik“ bzw. „critica“, so trägt sie nicht diese Bedeutung. Der von uns verwendete Begriff der „Textkritik“ findet inhaltlich ihr frühneuzeitliches Pendant in „Verbesserungskunst“. Francesco Robortello nennt seine Abhandlung eine De arte sive ratione corrigendi antiquorum libros disputatio und bezeichnet den Gegenstand seiner Schrift im Titel damit als ars corrigendi oder ratio corrigendi, also als Kunstlehre oder Verfahren des Verbesserns von Büchern bzw. Handschriften antiker Schriftsteller. Willem Canter betitelt seine Abhandlung wiederum als Syntagma de ratione emendandi, eine Zusammenstellung über das Verfahren des Verbesserns. Allein Kaspar Schoppe bezeichnet den Gegenstand anders als Robortello und Canter: Er legt einen commentariolus de arte critica vor, einen kleinen Kommentar über die Kunstlehre der Kritik, der sich praecipue de altera eius parte emendatrice, vor allem mit dem einen Teil der Kritik, nämlich dem Verbessern befasst. Es handele sich darum, präzisiert Schoppe hier, quae ratio in Latinis scriptoribus ex ingenio emendandis observari debeat, welche Verfahrensweise zu befolgen sind, wenn lateinische Schriftsteller aus dem ingenium heraus verbessert werden. Schoppe macht als Thema also die ars critica aus, eine Kunstlehre der Kritik, und kündigt an, vor allem jenen Teil dieser Kunstlehre zu behandeln, der sich mit einer ratio emendandi, einem Verfahren des Verbesserns beschäftigt. In den Abhandlungen werden diese Benennungen des Themas an verschiedenen Stellen in nur geringer Variation aufgegriffen. Robortello verwendet die Bezeichnungen ars corrigendi, professio corrigendi und ratio corrigendi wie auch ratio emendandi und professio emendandi.4 So wie Robortello –––––––––––––– 3 4
J. Irigoin: Tradition et critique des textes grecs, 1997, S. 8. Rob. Ars corr., 1557, S. 1/1, 2/4f., 5/13, 6/3f., 15/16f.
102
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
gebrauchen auch Canter und Schoppe corrigere und emendare synonym.5 Darüber hinaus benutzt Schoppe verschiedene Formen des Wortes criticus als Adjektiv (ars critica, liber criticus, studium criticum, palaestra critica), als Substantiv critica, -ae (f.), als Substantiv in der gräzisierten Fassung critice, -es (f.) sowie als Substantiv im Plural critica, -orum (n.).6 In seinem Abriss der Geschichte der Philologie in der Antike zitiert Schoppe außerdem Dio Chrysostomos auf Griechisch und dessen Rede Über Homer, wo er von der kritik» spricht.7 In diesem Sinne nennt Schoppe den Abschnitt, in dem er Ausschnitte aus anderen philologischen Arbeiten seiner Zeitgenossen präsentiert, Zeugnisse etlicher Gelehrter über die Kritik (doctorum quorumdam de criticis testimonia) und wählt hier die Bezeichnung critica, -orum (n.) für das philologische Unternehmen. Dahingegen benutzt von diesen Gelehrten selbst keiner den Ausdruck critica in einer seiner Varianten, nur die Sammlung der philologischen Schriften des Justus Lipsius trägt den Titel Opera omnia quae ad criticam proprie spectant. Auch allgemeine Bezeichnungen von Textverbesserung finden sich nur selten in den testimonia, was allerdings daran liegt, dass diese Texte nicht als Methodenlehren konzipiert sind. Nur Janus Gulielmus spricht von einer Fertigkeit des Verbesserns (studium emendandi bzw. artificium emendandi), später von der ratio corrigendi und MarcAntoine Muret behilft sich mit dem bildlichen Ausdruck der Unterweisung im Heilen (ratio medendi).8 Die Abhandlungen beziehen sich inhaltlich auf das Verbessern von antiken Schriftstellern (corrigere veteres auctores) bzw. von alten Handschriften (veteres libros). In ihrer aufwendigen Rekonstruktion des philologischen Wortschatzes der Humanisten zeigt Silvia Rizzo, wie verbreitet der Gebrauch von emendare und corrigere war und dass sie gleichbedeutend sind.9 Neben der editorischen Textarbeit im engeren Sinne bezeichnen corrigere und emendare in dieser Zeit auch Autorkorrektur und Korrekturlesen während der Handschriftenabschrift. Letztere Bedeutung belegt Rizzo auch für die Spätantike und das Mittelalter.10 Robortello, Canter und Schoppe verwenden corrigere und emendare aber immer im Sinne der editorischen Textarbeit. –––––––––––––– 5 6 7 8 9 10
Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 34, 45; Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r, A7v, B2r–B2v, B4r, D3v, E8r, E8v. Ars critica: Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v; liber criticus: fol. C3r, C8r, D2v; studium criticum: fol. B7v, C3v; palaestra critica: fol. C5v; critica: fol. B3v, B5v, B8r; critice: fol. D2r; critica (n. pl.): fol. B5v, C3v, C5r, D2r, D2v, D4r. Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v. Mur. Var. lect., 1580, fol. Er; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v, D7r. Zu emendare und corrigere im Sinne der textkritischen Verbesserung vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 253–264, 268–274. Vgl. dazu S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 243ff.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
103
Als weiteres Synonym zu corrigere und emendare ermittelt Rizzo noch castigare, das in den textkritischen Abhandlungen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts seltener gebraucht wird:11 Canter spricht von einer via ad castiganda loca oder auch von der facultas castigandi und Schoppe von (auctores) castigati.12 Ebenfalls in der Bedeutung von „verbessern“ finden sich in früheren Texten noch recognoscere, purgare, expurgare, repurgare und resarcire – Ausdrücke, die zuweilen später wieder auftauchen.13 Nicht aufgegriffen werden integrare, revidere bzw. revisere, emaculare und recurrere, allerdings wird in den jüngeren Abhandlungen von maculas eluere gesprochen.14 Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem in späteren Zeiten so zentralen recensere. Obwohl recensere bereits in der Antike als textkritischer Begriff gebraucht wird, findet Rizzo in ihren Quellen keine textkritischterminologische Bedeutung dieses Ausdrucks, sondern nur den Gebrauch als „aufzählen“. Doch Schoppe verwendet recensere wieder als philologischen Terminus im Sinne von „mustern“ und „prüfen“.15 Schließlich finden sich noch Wendungen der Wiederherstellung wie reponere, reddere oder restituere, womit man auf die Wiederherstellung des ursprünglichen bzw. unversehrten Zustands (integritas) des Textes abzielt.16 So liest man auch im Titel von Denis Lambins Lukrez-Ausgabe, Lukrez sei locis innumerabilibus ex auctoritate quinque codicum manu scriptorum emendat[us], atque in antiquum ac nativum statum fere restitut[us].17 Mit der Formel des restituere werden neben der Wiederherstellung des ursprünglichen Wortlauts auch übergeordnete Ziele der textkritischen Tätigkeit verbunden. So ist die Rede von der Wiederherstellung der früheren Unverdorbenheit (pristina sinceritas), der Gesundheit (sanitas), der früheren Würde (pristina dignitas), des Ansehens –––––––––––––– 11 12 13
14 15 16 17
S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 276; Riv. Castig., 1539, fol. E8r. Auch Erasmus von Rotterdam nannte den Verbesserer von Texten gelegentlich castigator (H. Grimm: Der Beruf Korrektor im 16. Jhd., 1964, S. 189). Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 64; Schop. Ars crit., 1597, fol. C2v, C4v. Robortello verwendet castigare nur in seiner wörtlichen Bedeutung im Sinne von „tadeln“ (Ars corr., 1557, S. 5/5f., 16/24f.). Recognoscere: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 279f.; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. C4r, C6r. Purgare: Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r, D8v; Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r. Expurgare: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/22, 15/34f. Repurgare: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 283; Cant. Ratio emend., 1571, S. 5. Resarsire: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 283; Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 276f., 282f.; Rob. Ars corr., 1557, S. 15/22ff.; Mur. Var. lect., 1580, fol. Er. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 277ff.; Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r, C7r, Dr, Dv, Ir. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 276f., 280ff.; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f., 59; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r–A3v, A7r, Bv, B4v, C2v, C3v, C5r, G7r, I6r. „... an unendlich vielen Stellen aufgrund der Autorität von fünf Handschriften verbessert und so fast in den alten und ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden.“ Lukrez: De rerum natura, ed. & comm. D. Lambin, 1564, Titelblatt.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
(auctoritas), des Glanzes (nitor) und der früheren Unversehrtheit (pristina integritas)18 sowie vom Bewahren (conservare) der Größe (maiestas) antiker Schriftsteller.19 Robortello bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: Finem si intuearis artis huius, quam in praesentia tradituri sumus, dicas esse pristino nitori veteres restituere scriptores.20
Auch an anderer Stelle erklärt Robortello die Wiederherstellung von früherem Glanz und Beredsamkeit (pristinus nitor et elegantia) zum finis huius artis.21 Etwas nüchterner spricht Schoppe davon, dass die textkritische Tätigkeit auf die Wiederherstellung des Sinns von verdorbenen Lesarten ziele und dass es die Aufgabe der Philologen sei, dafür zu sorgen, dass sich die Lage für antike Autoren verbessere.22 Obwohl das Ziel der Wiederherstellung antiker Literatur ziemlich anspruchsvoll ist, wird es in den Abhandlungen kaum begründet. Nur vereinzelt weist etwa Robortello auf die Nützlichkeit der textkritischen Tätigkeit hin: Magnam utilitatem afferunt hominibus qui veterum libros emendant. cum enim res verbis significentur, rem saepe ignores necesse est, si verba corrupta sint.23
Robortello begründet die utilitas der textkritischen Tätigkeit damit, dass die Inhalte antiker Literatur nur aus unversehrten Texten richtig erfasst werden können. In den testimonia beschränkt sich Lipsius auf die Feststellung, dass die textkritische Tätigkeit nützlich (utilis) und die Philologen dienlich (utibiles) und notwendig (necessarii) seien.24 Auch Muret erinnert an die utilitas des Lesens der antiken Schriftsteller: Sed tamen si quis secum reputet, primum, quanta utilitas ex veterum scriptorum lectione capiatur: deinde quantam difficultatem depravata scriptura illorum studiosis exhibere soleat, magnam gratiam | habendam esse iudicabit iis, qui suo labore laborem aliis minuunt.25
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S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 280ff.; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r, D5v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. C5r. Bud. Ass., 1515, fol. E7r. „Wenn Du auf das Ziel dieser Kunstlehre blickst, die ich jetzt lehren werde, dann sagst Du, [dass es darin liegt,] die alten Schriftsteller wieder in ihren früheren Glanz zu versetzen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/24f. Rob. Ars corr., 1557, S. 6/5f. Vgl. auch S. 2/4ff. Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. „Man spricht den Menschen, die die Handschriften der Alten verbessern, eine große Nützlichkeit zu. Denn die Dinge werden mit Wörtern bezeichnet. Wenn die Wörter verderbt sind, dann ist es unausweichlich, dass Du die Sache oft nicht verstehst.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/25–2/2. Lips. Praef., 1585, fol. E2v; Lips. Somn., 1585, fol. E6r. „Aber wenn jedoch jemand darüber nachdenkt, zunächst, wie viel Nützlichkeit aus der Lektüre der antiken Schriftsteller geschöpft wird, und dann, wie viel Schwierigkeit eine verdorbene Lesart jener [antiken Schriftsteller] den Gelehrten gewöhnlich bereitet, dann
2.1 Textkritik als Textverbesserung
105
Muret kontrastiert die Nützlichkeit der antiken Schriften hier mit den Schwierigkeiten ihrer Verbesserung. Die Relevanz von textkritischem gelehrten Handeln ergibt sich aus dem Wert der antiken Literatur. Canter begründet das aber nur pauschal mit der auctoritas antiquitatis totius.26 Im Hintergrund der Wertschätzung antiker Literatur steht außerdem ein kulturelles Bedrohungsszenario: Die Rückkehr zur antiken Literatur stelle zwar eine Erneuerung der lateinischen Sprache und der Wissenschaften in Aussicht; diese sei aber durch den Buchdruck gefährdet, wenn nämlich korrupte Ausgaben gedruckt werden. Deswegen lässt sich beispielsweise Niccolò Perotti zu folgendem Ausspruch hinreißen: ... ut melius sit his libris carere quam in exemplaria mille transcriptos per orbis omnes provincias mittere ne, scilicet, studiosis occasio detur tot mendacia legendi.27
Angesichts der schnellen und umfangreichen Erzeugung von Büchern durch den Buchdruck mahnt Perotti die sorgfältige Sicherung des Wortlauts antiker Texte an und versteigt sich dabei zur Überzeichnung, er würde auf die antiken Texte lieber verzichten, als sie im korrupten Zustand lesen. Diese Überzeichnung findet sich auch in einer Gelehrtensatire des Bologneser Gräzisten Codro Urceo Ende des 15. Jahrhunderts wieder.28 In den Abhandlungen wird abgesehen von allgemeinen Hinweisen die Wertschätzung antiker Literatur nicht genauer erklärt. Scheinbar sehen es die Verbesserungslehren nicht als ihre Aufgabe an, normative Einstellungen über antike Literatur zu erläutern – thematisch bleiben solche Themen humanistischen Programmschriften über Bildungsvorstellungen vorbehalten. Diese Enthaltung lässt sich als Hinweis auf das Selbstverständnis der Verbesserungslehren als philologisches Fach- und Methodenschrifttum deuten. So beschreibt Canter das Ziel seiner Ratio emendandi in der ersten Ausgabe von 1566 nur in allgemeiner Formelhaftigkeit:
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wird er urteilen, dass diejenigen großen Dank verdienen, die durch ihre Arbeit die Arbeit von Anderen verkleinern.“ Mur. Var. lect., 1580, fol. Er–Ev. Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636. „... sodass es besser wäre, diese Texte zu entbehren, als sie in tausend Exemplare zu übertragen und in alle Gegenden der Welt zu verbreiten, damit die Gelehrten nicht in die Lage geraten, so viele Lügen zu lesen.“ N. Perotti: Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470, § 6 (ed. J. Monfasani 1988, S. 25). Vgl. dazu: J. Monfasani: The first call for censorship, 1988, S. 7. Vgl. dazu W. S. Blanchard: Urceo’s satire on professionalism, 1990, S. 108f.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Quoniam enim Graecorum scriptorum lectio quam sit utilis ac propemodum necessaria, pauci sunt qui ignorant: fit autem plerunque, ut iidem non levibus mendis partim veteribus, partim novis infecti, lectorem tanquam in itinere difficili lubricoque remorentur, et pedem cogant figere: huic rei aliquod remedium si attulero, non omnino nihil, quod ad studiosorum laborem levandum faciat, praestitum a me putabo.29
Während Canter hier noch die Graecorum scriptorum lectio utilis ac necessaria erwähnt, die es angesichts der schwierigen Überlieferungslage zu erleichtern gelte, verzichtet er in der überarbeiteten Version von 1571 auf solche Aussagen vollständig und spricht das offenbar Selbstverständliche nicht mehr aus. Canter hält es jetzt nicht für nötig, für den finis der Textverbesserung auf die Vorbildlichkeit der antiken Literatur zu verweisen, sondern richtet seine Ratio emendandi nur auf das pädagogische Ziel, die Studenten in der magna facultas castigandi zu unterrichten.30 Schließlich handele es sich beim Verbessern um eine Kunst (ars), die es als wahrer Verbesserer zu erlangen gilt. Wenn Canter davon spricht, Ziel seiner Ratio emendandi sei es, die Gelehrten die facultas castigandi zu lehren, dann ruft er ein Verständnis von Vermögen auf, das an ars als Kunst im Sinne einer praktischen Fertigkeit und damit an antike Definitionen erinnert.31 2.1.2 Ars: Kunstfertigkeit und Methodenlehre Indem Robortello, Canter und Schoppe das Ziel der Verbesserungslehren als Erwerb einer Fertigkeit bestimmen, knüpfen sie an antike Methodenvorstellungen an. In der Nikomachischen Ethik (6,3, 1139b) setzt Aristoteles die tšcnh als eine dianoëtische Tugend an, als ein Wissen, das sich auf Veränderliches richtet, und das neben vier anderen epistemischen Formen steht, der auf Unveränderliches gerichteten ™pist»mh, der auf moralische Erkenntnis gerichteten frÒnhsij, der auf Wahrheit gerichteten sof…a und dem intuitiv vorgehenden noàj.32 Aristoteles definiert tšcnh (hier als praktisches Können übersetzt) folgendermaßen: –––––––––––––– 29
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„Es gibt nur wenige, die nicht wissen, wie nützlich und geradezu notwendig die Lektüre der griechischen Schriftsteller ist. Aber es kommt sehr oft vor, dass sie mit nicht gerade leichten – teils alten, teils jungen – Fehlern versetzt sind, sodass sie den Leser wie auf einem schwierigen und rutschigen Weg aufhalten und dazu zwingen, stehen zu bleiben. Deswegen werde ich, wie ich meinen möchte, bestimmt keinen geringen Beitrag zur Erleichterung der Mühe der Gelehrten leisten, wenn ich dagegen ein Hilfsmittel bereitstelle.“ Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636. Cant. Ratio emend., 1571, S. 64. Cant. Ratio emend., 1571, S. 64. In der Rückführung des frühneuzeitlichen ars-Konzepts auf Aristoteles folge ich P. O. Kristeller: The modern system of arts, 1951/1952, S. 166.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
107
Das aber heißt, daß das praktische Können identisch ist mit einem auf das Hervorbringen abzielenden, von richtigem Reflektieren geleiteten Verhalten. ... Das praktische Können ist also, wie gesagt, ein auf das Hervorbringen abzielendes Verhalten, das von richtigem Planen geleitet wird, während (das Gegenteil davon, nämlich) Unbeholfenheit ein auf das Hervorbringen abzielendes Verhalten ist, das von unrichtigem Planen geleitet wird.33
Aristoteles versteht unter tšcnh ein Verhalten, das von Selbstreflexion (Planen) geleitet auf die Realisierung eines Ziels ausgerichtet ist. Dieses Ziel ist im Unterschied zur Mathematik etwas Veränderliches. Außerdem weiß sich die tšcnh eigener Hilfsmittel zu bedienen und wird zuweilen vom Zufall (tÚch) begleitet.34 An diesem aristotelischen tšcnh-Verständnis orientiert sich vor allem Robortellos Konzept. Schon im ersten Satz der Ars corrigendi greift er die wichtigsten Grundsätze auf: Ars haec corrigendi ... nec temere tamen, verum bene et ratione ... confecta.35 Weiter unten fährt er fort: Nam qui intelligit et perspicit t¦ kaqÒlou, quibus ars constat, facile potest ad suum genus quaelibet redigere, et videre cuiusmodi sit illud, de quo iudicandum est. ... nam ars perdiscenda primum, atque efficiendum ut eius habitum animo veluti quendam geras, quod diuturno usu et exercitatione facile poteris consequi, tum demum arte uti licet.36
Das Erlernen der ars ist an die Erkenntnis ihres (nützlichen) Gegenstands, ihrer Grundsätze und ihrer Beschaffenheit gebunden. Außerdem sei neben der intellektuellen Durchdringung die Einübung der Tätigkeit notwendig, um sie zu verinnerlichen. Robortello definiert ars eindrücklich mit den beiden sie konstituierenden Elementen, nämlich der praktischen Tätigkeit und der Reflexion, die die Tätigkeit begleitet. Mit diesen Ausführungen demonstriert Robortello seine Vertrautheit mit Aristoteles, die er sich mit früheren Arbeiten erwarb.37 Seine Befähigung, eine ars zu verfassen, führt er auf andere methodologische Schriften zurück, etwa auf De historica facultate oder auf die Arbeiten über verschie–––––––––––––– 33 34 35 36
37
Aristoteles: Nikomachische Ethik 6,4, 1140a (dt. Übers. F. Dirlmeier 1969, S. 158). Vgl. dazu K. Bartels: Der Begriff Techne bei Aristoteles, 1965; F. Neumann, Art. „Natura-arsDialektik“, HWR 6, 2003, Sp. 139–171, hier: Sp. 139f. „Diese Kunst(lehre) des Verbesserns ... wurde keineswegs planlos, sondern geschickt und methodisch ... ausgearbeitet.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/1–3. „Denn wer die Prinzipien versteht und erkennt, dass aus ihnen die Kunst(lehre) besteht, der kann auf einfache Weise jede beliebige Sache auf ihre Gattung zurückführen und sehen, wie jenes beschaffen ist, über das geurteilt werden soll. ... Denn eine Kunst(lehre) muss zuerst gründlich gelernt werden und dafür gesorgt werden, dass Du sie wie eine Einstellung im Geiste führst. Nach langwährendem Gebrauch und Übung wirst Du ihr leicht folgen können. Dann erst ist es Dir möglich, die Kunst(fertigkeit) zu nutzen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/16–24. Abgesehen von seiner philologischen und literarkritischen Arbeit an der aristotelischen Poetik (1548) befasste sich Robortello auch mit Aristoteles’ Politik und Topik. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 1.1.2.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
dene literarische Gattungen (alle 1548) (siehe Kapitel 1.1.2, S. 29). Dabei betont er, dass „von ihm niemals etwas auf verdrehte oder verwirrte Weise gesagt worden sei“ (nihil perturbate, nihil confuse est a me unquam dictum).38 Der Begriff der ars hat also zwei Bedeutungen: Zum einen geht es um ars als (Kunst-)Fertigkeit, die beim Handeln eine Rolle spielt, und zum anderen um ars als Reflexion der Fertigkeit und als (Kunst-)Lehre, die mit Regeln und Vorschriften zu dieser (Kunst-)Fertigkeit anleitet. Diese beiden Aspekte von ars spiegeln sich auch in Canters Rede von der facultas castigandi als Ziel seiner Ratio emendandi wider oder in Schoppes Aussage, die Aufgabe seiner Abhandlung sehe er darin, Gelehrte von ihrem Wahnsinn (insania), das heißt von ihrem falschen Verhalten, abzubringen und ihnen eine neue Lebens- bzw. Handlungsweise (nova victus ratio) zu vermitteln.39 Auch Schoppe unterscheidet also – wie Aristoteles an der eben zitierten Stelle (1140a) – gutes und schlechtes Verhalten und hebt darauf ab, dass die Fertigkeit mit einer Einstellung verbunden ist. In diesem Methodenverständnis ist der Erfolg von Forschungshandeln außerdem an Sachwissen geknüpft. Robortello diskutiert beispielsweise ausführlich Hilfsmittel (adiumenta) der ars und subsumiert darunter Wissensbestände und Handschriftenmaterial.40 Anschließend fasst er zusammen: De utroque genere adiumentorum a nobis est dictum, et nonnulla etiam addita, quae propius rem ipsam attingunt. Nam illa est a nobis primum facta distributio, unde nostra fluxit disputatio, et caput artis huius est constitutum.41
Indem Robortello diese beiden Arten von Hilfsmitteln unterscheidet, meint er eine für die Anlage der ars wesentliche Differenzierung zu treffen. Da ars als (Kunst-)Fertigkeit und als (Kunst-)Lehre verstanden werden kann, zeigt sich die Doppeldeutigkeit des Begriffs – und der pädagogische Charakter der Abhandlung. Die ars als (Kunst-)Lehre greift einen zentralen Aspekt der antiken Definition von ars auf, die nicht nur auf Zielgerichtetheit, Nützlichkeit des Ziels und Professionalität durch die Verwendung von Sachwissen abhebt, sondern auch auf Lehrbarkeit.42 Die antiken Vorstellungen über ars machen Selbstreflexion zur Voraussetzung der Vermittelbarkeit. Die Präsentation einer Verbesserungslehre als ars offenbart das Bemühen um methodische Verfasstheit, die den Ergebnissen der ars Zuverlässigkeit und Sicherheit verleiht. In diesem Sinne spricht –––––––––––––– 38 39 40 41
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Rob. Ars corr., 1557, S. 1/7–13. Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. Rob. Ars corr., 1557, S. 6/6–16. „Ich sprach von beiden Arten von Hilfsmitteln und fügte dem noch einiges hinzu, was die Sache selbst näher betrifft. Denn jene Einteilung nahm ich als Erster vor – und aus ihr heraus entstand meine Abhandlung und wurde das Haupt dieser Kunst(lehre) geschaffen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/16ff. Vgl. dazu auch F. Heinimann: Vorplatonische Theorie der TEXNH, 1976, S. 128, 147–169.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
109
Robortello auch von einer ars certa.43 Ars als Bezeichnung eines Textes im Sinne von (Kunst-)Lehre oder Anleitung erklärt auch den parallelen Gebrauch von ratio (Verfahren), etwa im Titel von Robortellos Ars sive ratio corrigendi. Dass die Schriften zur Textverbesserung als Methodenlehren konzipiert sind, schlägt sich darin nieder, dass Robortello beispielsweise seine disputatio im Stil einer Vorlesung verfasst. Den Eindruck der mündlichen Rede erzeugt er, indem er die Leser bzw. Zuhörer direkt anspricht44 und im Text mit Floskeln wie Nunc redeo unde sum digressus nach scheinbar freien Abschweifungen wieder zum Thema zurückfindet und so den Zuhörern die Gliederung seiner Rede anzeigt.45 Außerdem stellt er fest: Sed efficiam quod potero, nec patiar ulla in re meam a bonis et cupidis discendi adolescentibus operam desiderari.46
Robortello wendet sich hier ganz ausdrücklich an boni et cupidi discendi adolescentes, denen er mit seiner (Kunst)Lehre zur (Kunst)Fertigkeit im Verbessern von antiken Texten verhelfen möchte. Auch Schoppe hat Studenten als Adressaten im Auge, was sich etwa am Menschen von einer nicht eben vielseitigen Belesenheit (homo non admodum variae lectionis) ablesen lässt, für den er den Überblick über die antiken und zeitgenössischen Gelehrten zusammenstellt.47 Die Abhandlungen von Robortello und Schoppe richten sich ausdrücklich an Studenten und haben deswegen einen pädagogischen Charakter. Die Bindung an das aristotelische Konzept der ars als Kunst(lehre) ist unterschiedlich eng. Während Robortello die Verfasstheit seiner Abhandlung eigens diskutiert und auf Definitionen zurückführt, lassen sich in den beiden anderen Abhandlungen nur implizite Bezugnahmen feststellen. Die Abhandlungen von Canter und Schoppe weisen sich stärker als propädeutische Methodenlehren aus, weil sie einer Systematik folgen. Sie wählen eine Darstellungsart, die dafür im 16. Jahrhundert als besonders geeignet angesehen wurde, nämlich die Darlegung von Material nach einem bestimmten Ordnungsmuster (ordo). Solche Konzepte sind mit systematischen wie mnemotechnischen Überlegungen verbunden, die besonders deutlich in der in dieser Zeit oft verwendeten „merkwürdige[n] Methode der Stoffanordnung“ zum Ausdruck kommen, „die mit Hilfe vieler zu–––––––––––––– 43 44 45 46 47
Rob. Ars corr., 1557, S. 1/3f., 6/3f. Direkte Ansprachen finden sich beispielsweise auf S. 5/24f., 6/6–9, 9/20–23, 11/18ff., 11/23f., 15/27f.; Ansprachen als Hörer (auditores) auf S. 5/17, 16/24. Rob. Ars corr., 1557, S. 11/26. Siehe außerdem: S. 5/1, 5/13f., 5/35–6/6, 8/5, 9/5, 16/24. „Aber ich möchte leisten, was ich nur kann, und nicht dulden, dass in irgendeiner Hinsicht meine Mühe von tüchtigen und lernbegierigen jungen Menschen vermisst wird.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/5f. Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
sammenfassender Klammern den zu behandelnden Gegenstand in immer kleinere Teile aufspaltet“, wie Karl Josef Höltgen 1965 etwas verwundert die beliebten ramistischen Tabellen beschreibt.48 Und tatsächlich stellt Schoppe seinen ordo in einem typus, einer solchen Klammer-Tabelle vor. Und in allen drei Abhandlungen stehen Typologien im Mittelpunkt, die nach solchen Systematiken geordnet sind.49 2.1.3 Metaphern und bildliche Ausdrücke für Textkritik Wer sich mit Textkritik und mit ihrer Theorie beschäftigt, stößt unweigerlich immer wieder auf bildhafte Wendungen, mit denen etwa die Dringlichkeit von Textverbesserung oder die Aufopferungsbereitschaft von Kritikern beschrieben werden. Bereits in der vorausgehenden Zusammenstellung textkritischer Terminologie finden sich bildliche Redeweisen, etwa wenn Canter vom Reinigen (purgare) eines Textes spricht, der mit Fehlern befleckt ist (mendis infectus).50 Schoppe bezeichnet fehlerhafte Handschriften schon mal als Augias-Stall (Augiae stabulum) und parallelisiert die Tätigkeit des Textkritikers mit einer der zwölf Aufgaben des griechischen Halbgotts Herakles (lat. Hercules).51 Mit diesem Sinnbild für eine scheinbar unbewältigbare Aufgabe und der damit einhergehenden Heroisierung des Textkritikers greift Schoppe auf einen gern gebrauchten Vergleich zurück, beispielsweise vom Plinius-Kommentator Ermolao Barbaro (1454–1493) oder dem hessischen Gelehrten Euricius Cordus (1486– 1535).52 Giorgio Merula (bis 1494) benutzte ihn im Widmungsbrief zur editio princeps der Plautus-Komödien von 1472 mit dem Rückgriff auf eine Stelle im Persa (1,1)53 und Erasmus von Rotterdam nennt die Plinius–––––––––––––– 48 49 50
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K. J. Höltgen: Synoptische Tabellen und die Logik Agricolas und Ramus’, 1965, S. 371. Ausführliche Erläuterung der Typologien, der dahinterstehenden ordines und auch eine Abbildung von Schoppes typus finden sich unten im Kapitel 5.1. Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636. Die Vorstellung der Textverbesserung als Reinigung der Texte von Fehlern benutzt auch Joseph Justus Scaliger in einem Brief über seine textkritische Arbeit an einem Hippokrates-Traktat: „Car ce livre estant nettoié par moi de mille faultes et glossemes qu’on avoit fourré dens le texte de ce grand personage, il l’a tourné en bon latin, illustré d’un fort beau commentaire et reprins beaucoup d’erreurs des modernes.“ Brief J. J. Scaliger an Claude Dupuy vom 30.6.1577, zit. nach A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 317 (Fn. 4). Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r; Br. Vgl. dazu S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 229; P. G. Schmidt: Cordus und Erasmus, 1987, S. 117f.; A. Noe: Italienischer Humanismus und deutsche Literatur, 1993, S. 199. Widmungsbrief abgedruckt in B. Botfield: Praefationes et epistolae editionum principum, 1861, S. 141–145, hier: S. 141. Vgl. dazu G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 114.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
111
Ausgabe im Exkurs über den Buchdruck in seinen Adagia ein Herculanum mehercule facinus.54 Die Arbeit an antiken Texten verbindet sich außerdem mit Tod und Wiedergeburt, also mit jener Metaphorik, die der Renaissance ihren Namen gab.55 Mit der Wiedergeburt des antiken Autors drückt etwa Schoppe die Restitution des Textes aus: Similiter Paullus Merula ... Ennii Annalium membra ... rursum componere & Ennium quodammodo mortis postliminio animare ausus est.56
Schoppe preist Merulas Ennius-Ausgabe von 1595, weil dieser den römischen Dramatiker nach dessen Tod zum Leben wieder erweckte. Des Weiteren taucht eine Variante dieses Topos auf: quo factum tamdem, ut adeo saepe veteres latinae linguae conditores interpolati & depravati fuerint, ut, si forte reviviscerent, vix quaedam operum suorum vestigia in operibus suis adgnituri essent.57
Mit der Frage, ob ein wieder geborener antiker Autor seinen eigenen Text nach so vielen Verunstaltungen im Verlauf der Überlieferungsgeschichte überhaupt noch erkennen würde, orientiert sich Schoppe vermutlich an einem Gedankenspiel aus der Feder von Bonaventura Vulcanius: Grassata est haec sciolorum audacia atque vesania (ut de mendis quae inscitia librariorum irrepserunt, nihil dicam) ... in optimos veteris illius aevi scriptores, qui si reviviscant, sua ipsi scripta aegre sint agnituri.58
Auch hier handelt es sich um ein Bild, das früher schon im Zusammenhang mit Philologie gebraucht wurde, etwa von Francesco Petrarca oder Coluccio Salutati (1331–1406).59 –––––––––––––– 54 55 56
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„Ein, beim Herkules, herkulanisches Stück Arbeit!“ Erasmus: Adagia 2,1,1 (ed. & dt. Übers. T. Payr 1972, S. 486–489). Zum Aufkommen dieser Metapher und ihrer Verbreitung vgl. den klassischen Aufsatz von B. L. Ullman: Renaissance: Wort und Begriff, 1969. „Auf ähnliche Weise wagte es auch Paul Merula, ... die Glieder der Annalen des Ennius wieder zusammenzusetzen und den Ennius gewissermaßen durch die Rückkehr vom Tode wieder zum Leben zu erwecken.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C7v. Auch Robortello verwendet dieses Bild, wenn er den Leser darüber in Kenntnis setzt, dass Autoren wie Dionysios von Halikarnassos, Sappho und Menander von den Toten wieder zum Leben erweckt, das heißt ediert würden (Ars corr., 1557, S. 15/27f., zitiert S. 43). „Daher sind schließlich die alten Begründer der lateinischen Sprache oftmals so sehr verfälscht und verderbt worden, dass sie, wenn sie zufällig wieder auflebten, in ihren eigenen Werken kaum noch Spuren ihrer Arbeiten erkennen würden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. „Diese Waghalsigkeit und der Wahnsinn der Halbwisser (um von den Fehlern, die sich aufgrund der Unwissenheit der Schreiber eingeschlichen haben, ganz zu schweigen) erstreckte sich auf die besten Schriftsteller jener alten Zeit. Sollten sie [je] wieder lebendig werden, würden sie ihre eigenen Schriften nur mit großer Not wieder erkennen.“ Vulc. Praef., 1594, fol. E3v. Nachweise bei S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 198.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
In einer weiteren Spielart äußern wieder zum Leben erweckte Gelehrte Kritik am Zustand der Philologie. Der Drucker-Gelehrte Henri Estienne lässt in seiner Ars typographica, einer Druckerschelte und Klageschrift über den Niedergang der Gelehrsamkeit, die gelehrten Griechen Ianos Laskaris und Markos Musuros (c.1470–1517) im 16. Jahrhundert nochmals das Licht der Welt erblicken. Laskaris und Musuros waren als Korrektoren in der Aldo-Offizin zentrale Figuren der humanistischen Gelehrsamkeit in Venedig. In eine spätere Zeit hineingeboren bemängeln sie in der Ars typographica den schlechten Zustand der Gelehrsamkeit in der Mitte des 16. Jahrhunderts.60 Neben solchen Dekadenzszenarien mit Tod und Wiedergeburt wird häufig von der Bildsprache der Medizin Gebrauch gemacht. Vor allem in den Textstücken der testimonia und vereinzelt bei Schoppe selbst ist das Bild der Verbesserungskunst als ratio medendi zu finden, als Heilkunst und Medizin. Im Hintergrund steht der Vergleich des Textes mit einem wunderschönen Körper (pulcherrimum corpus).61 Schoppe etwa bezeichnet die Teile des Ennius-Textes als seine Gliedmaßen (membra).62 Im Zusammenhang mit der Vorstellung von Text als Körper wird über valetudo und sanitas gesprochen, die sich auch an die Wendung der Wiederherstellung der vita eines Schriftstellers knüpft.63 Auch integritas impliziert das Unversehrte, Gesunde und Unverletzte.64 Ein verdorbener Text wird als Schriftsteller dargestellt, der an einer Krankheit (morbus) leidet und krank ist (aegrotat).65 Und es gibt gesunde oder kranke Stellen (locum sanum sive insanum) im Körper/Text.66 Janus Gulielmus vergleicht das Eindringen der Fehler in den Text mit Peststoffen (pestes), die einen Körper befallen, und Canter mit chironischen (i. e. unheilbaren) Geschwüren (Chironia ulcera).67 Auch Muret spricht von Geschwüren (hulcera), von Texten respektive Körpern, die – hier lehnt er sich an eine Formulierung von Euripides an – mit Wunden –––––––––––––– 60
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H. Estienne: Ars typographica, 1569, fol. iiir. Auf diese Stelle verweist A. Grafton: Correctores corruptores?, 1998, S. 66. Im Übrigen beklagt auch Schoppe den Niedergang der Kritik in Italien: In Italia hodie fere defecit diva illa Critice („Heutzutage ist jene göttliche Kritik in Italien schon fast gestorben.“) Ars crit., 1597, fol. D2r. Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v. Schop. Ars crit., 1597, fol. C7v; zitiert S. 111. Schoppes Rede von den membra admutilata erinnert eine Stelle im Ausonius-Gedicht Ad Ursulum (ep. 18,13,27–30) über den verstümmelten Körper des Homer (lacerum corpus Homeri), die auch Joseph Justus Scaliger in seiner Diatribe de arte critica zitiert hatte (1619, S. 5). Valetudo (Wohlbefinden): Lips. Somn., 1585, fol. E6v. Sanitas (Gesundheit) und vita (Leben): Schop. Ars crit., 1597, fol. C5r, Dv. Integritas (Unversehrtheit): Vulc. Praef., 1594, fol. E3r. Integer (unversehrt): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Casaub. Animad., 1596, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r, A7r, C6v. Beide Ausdrücke bei Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev. Lips. Somn., 1585, fol. E6v; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v. Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3.
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übersät (›lkesi brÚontaj) sind.68 Der griechische Ausdruck für aussätzige Körper findet sich auch im Vorwort zur Edition des Aischylos von Adrien Turnèbe, in dem dieser auf Griechisch über die vielen Fehler in der Aldine schimpft: mur…wn g¦r Óswn gšmonta sfalm£twn eØrÒntej, kaˆ æspereˆ kako»qesi kaˆ gaggrainèdesin ›lkesi brÚonta katafwr£santej, poll£kij ¢fas…v susceqšntej oÙk e‡comen Ópwj qhsÒmeqa tÕ parÕn noÁsai.69
Der französische Drucker und Gelehrte zeigt sich verzweifelt angesichts der Verletzungen des Textes und seiner bösartigen Geschwüre. Das Bild des versehrten antiken Autors wird auf die Spitze getrieben, wenn Lipsius in seinem Somnium ramponierte antike Schriftsteller vor dem Senat darüber jammern lässt, wie sie von frühneuzeitlichen Philologen misshandelt werden.70 Sie beklagen die davon getragenen Verletzungen als Wunden (volnera) und Narben (cicatrices).71 Dagegen empfiehlt Muret eine ratio medendi oder medicina (Heilkunst) und nennt die Philologen medicini (Ärzte).72 Das Heilen der Wunden fasst man wiederum als sanare, persanare und consanescere.73 Mit der medizinischen Bildsprache werden auch jene Philologen beschrieben, die die Texte durch ihre Unfähigkeit verderben; diesmal werden nicht die Texte bzw. die antiken Schriftsteller als krank bezeichnet, sondern die Philologen. Ihre falsche Herangehensweise diagnostiziert Casaubon als hodie solemnis & ™pid»mioj nostrorum Criticorum morbus.74 In Lipsius’ Satire werden die frühneuzeitlichen Philologen außerdem einer zweifachen Krankheit (duplex morbus) beschuldigt, der in ihrer Streitlust (litigium) sowie ihrer prurigo (Geilheit) begründet liegt.75 Auch Schoppes cacoethes ist pa–––––––––––––– 68 69
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Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r, Er, Ev. Die Euripides-Stelle ist: Fragmentum 1086 (ed. R. Kannicht 2004, S. 1012). „Denn da wir ihn [den Text] angefüllt mit unzähligen Fehlern vorfanden und entdeckten, dass er gleichsam mit bösartigen und geschwulstartigen Verletzungen übersät war, waren wir oftmals sprachlos und wussten nicht, wie wir die jeweils vorliegende Textstelle, verständlich machen sollten.“ A. Turnèbe: Praefatio, in: Aischylos: Tragoediae sex, ed. A. Turnèbe, 1552, fol. iir (zitiert auch in: M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 46ff.; J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 121). Für seine Hilfe bei der Übersetzung dieser Stelle danke ich Markus Stein. Das Motiv, antike Autoren über die schlechte Behandlung in der frühen Neuzeit klagen zu lassen, finden wir auch bei Erasmus von Rotterdam in dem eingangs (S. 99) zitierten Gedicht, in dem er Vergil sprechen lässt. Lips. Somn., 1585, fol. E5r, E5v. Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev. Mur. Var. lect., 1580, fol. Er; Lips. Somn., 1585, fol. E4v; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r. „Die heute übliche und heimische Krankheit unserer Kritiker.“ Casaub. Animad., 1596, fol. E2v. Lips. Somn., 1585, fol. E6v.
114
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
thologisch konnotiert:76 Bei Plinius findet sich dieses griechische Fremdwort als medizinischer Terminus technicus für eine hartnäckige, bösartige Krankheit, mit dem Juvenal im übertragenen Sinne die Schreibsucht bzw. Schreibwut bezeichnet.77 Die zeitgenössischen Philologen tragen auch Züge von Geisteskrankheit. Bekümmert zeigt man sich angesichts somnia, des delirum acumen, der vesania oder der insania der aegroti.78 Zum medicare dieser Verrückten verschreibt Schoppe ein remedium und Lipsius bringt noch jene in templo Aesculapii unter, bei denen laut eines Ädils, dem Lipsius die Gestalt des antiken Arztes Cornelius Celsus gibt, überhaupt noch Hoffnung darauf besteht geheilt zu werden (sanari).79 Schließlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass das Adjektiv criticus, -a, -um selbst mit einem medizinischen Terminus in Verbindung steht, da dies criticus den Tag bezeichnet, an dem sich der Krankheitsverlauf entscheidend verändert.80 Die Präsenz medizinischer Bildersprache in philologischen Abhandlungen lässt sich auch für nachfolgende Zeiten feststellen. Hieronymus Hornschuch (1573–1616) stellt etwa seiner Orthotypographia folgendes Augustinus-Zitat (Sermo 77,2) als Motto voraus: Non est impius Medicus, qui tumorem ferit, qui putredinem secat & urit. Dolorem ingerit, ut perducat ad sanitatem. Molestus est, sed si non esset, utilis non esset.81
Dass Hornschuch das Tilgen von Fehlern – zweifelsohne eindrücklich – mit dem Herausbrennen von Geschwüren vergleicht, steht wohl auch im Zusammenhang damit, dass er selbst ein medicus war und zur Zunft der so
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Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Cacoethes verwendet auf griechisch auch Turnèbe an der eben zitierten Stelle im Vorwort zu seinem Aischylos. Art. „cacoethes“, TLL 3, 1912, Sp. 9. Somnia (Wahnvorstellungen): Lips. Somn., 1585, fol. E6v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r, Br. Delirum acumen (schwachsinnige Spitzfindigkeit): ebenda, fol. Br. Vesania (Wahnsinn): Vulc. Praef., 1594, fol. E3v. Insania (Raserei): Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. Aegroti (Kranke): ebenda, fol. A8r, Br. Medicare (heilen): Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. Remedium (Heilmittel): ebenda, fol. A8v. Templum Aesculapii (Tempel des Aeskulap) und sanari (geheilt werden): Lips. Somn., 1585, fol. E6v. Art. „criticus“, TLL 4, 1909, Sp. 1211f., hier: Sp. 1211. „Nicht verwerflich ist der Arzt, der die Geschwulst aufsticht, der die Fäulnis schneidet und brennt. Schmerz fügt er zu, um zur Gesundung zu führen. Freilich quält er; doch täte er’s nicht, hülfe er nicht.“ H. Hornschuch: Orthotypographia, 1608, Titelblatt; deutsche Übersetzung nach M. Boghardt: Vorwort Ed. Hornschuch: ‚Orthotypographia‘, 1983, S. 12.
2.1 Textkritik als Textverbesserung
115
genannten Iatrophilologen gezählt werden kann.82 Auch in späteren philologischen Methodenschriften stößt man vielerorts auf medizinisch geprägte Terminologie. In der als erste allgemeine Hermeneutik geltenden Idea boni interpretis von 1630 nennt der Straßburger Philosophieprofessor und lutherische Theologe Johann Conrad Dannhauer (1603–1666) die beiden zentralen Abschnitte der Interpretationskunst sectio paqologik» und sectio qerapeutik». In der ersten sectio diskutiert er die morbi, das heißt die Unverständlichkeiten von Texten, und stellt in der zweiten die remedia, also die Heilmittel beziehungsweise -methoden der Auslegung vor.83 Ganz ähnlich überschreibt Christoph August Heumann seine Verbesserungslehre mit Ars critica et speciatim ars therapeutica und definiert: Artem hanc, desumto e Medicorum schola vocabulo, Therapeuticam appellabo: id quod per omnes Criticos mihi licebit, qui sanare loca auctorum suum esse profitentur, AEsculapiique munere se circa auctores fungi, dicere consueverunt.84
Heumann entlehnt also ganz bewusst seine Terminologie der Medizin und bezeichnet Philologen wie Muret als Ärzte. Im Zusammenhang mit Überlieferungsfehlern ziehen sich Vergleiche mit der Medizin bis in moderne textkritische Reflexionen durch – so überschrieb etwa Peter Orton erst kürzlich in seiner Untersuchung über die Überlieferung englischer mittelalterlicher Texte das Kapitel über Schreiberfehler mit The pathology of copying.85
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Mit der medizinischen Metaphernsprache im frühneuzeitlichen gelehrten Diskurs beschäftigt sich auch Herbert Jaumann in einem Aufsatz über Iatrophilologia von 2001. Hier zeigt er auf, wie medizinische Metaphern in der frühen Neuzeit in gelehrte Disziplinen Eingang fanden: „... Begriff, Institution und Praxis der Medizin in ihren einzelnen Komponenten [dienen] ... als Bildspender ... für die metaphorische Beschreibung und zugleich Deutung des Handlungsrepertoires sowie auch der praktischen Handlungsvollzüge in den Bereichen oder Disziplinen, von denen jeweils die Rede ist (Theologie, Moral, Dialektik bzw. Logik, Politik, Philologie, Hermeneutik usw.)“ (Iatrophilologia, 2001, S. 166; auch: S. 154, 166ff.). Wie gezeigt wurde, fanden medizinische Metaphern sogar häufiger als von Jaumann vermutet in der Philologie Verwendung. Auf die medizinische Sprache in der Idea boni interpretis verweist Herbert Jaumann und diskutiert die einschlägigen Stellen ausführlicher (Iatrophilologia, 2001, S. 168f.). Zu Dannhauer vgl. weiterführend W. Horning: Johann Conrad Dannhauer, 1883; H.-E. H. Jaeger: Studien zur Frühgeschichte der Hermeneutik, 1974; J. Wallmann: Straßburger lutherische Orthodoxie und Dannhauer, 1988; R. Sdzuj: Interpretationsmethodologie der frühen Neuzeit, 1997, S. 112–124. „Diese Kunstlehre werde ich mit dem Begriff ‚Therapeutik‘ bezeichnen, den ich der Schule der Mediziner entlehne. Dies wird mir erlaubt sein angesichts all der Kritiker, die es als ihre Berufung bezeichnen, Stellen von Schriftstellern zu ‚heilen‘, und die es gewohnt sind zu sagen, dass sie bezüglich der Schriftsteller Aeskulaps Aufgabe verrichten.“ C. A. Heumann: Commentatio de arte critica, 1714, S. 13 (Hervorhebungen in ed. 1714). P. Orton: Transmission of English poetry, 2000, S. 21–42.
116
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
2.1.4 Die Artes corrigendi als Verbesserungslehren An einer Stelle seiner Ars critica charakterisiert Schoppe die Textkritik als „halsbrecherische und überaus verhasste Kunst“ (ars periculosissima & cum primis odiosa).86 Dass er sie trotzdem zum Gegenstand seiner Abhandlung macht, hängt mit dem großen Ansehen der antiken Literatur und von Philologie zusammen. Robortello definiert Textkritik als corrigere locos antiquorum auctorum, und dem schließen sich Canter und Schoppe im Wesentlichen an. Damit erscheint das Thema der Abhandlungen eigentümlich technisch – und Verdruss bringend – als Verbesserung von Stellen in antiken Texten. Die Verfasser der Abhandlungen greifen bei der Beschreibung von Textkritik auf corrigere und emendare und verwandtes Vokabular zurück. Der Vergleich mit dem philologischen Wortschatz des 14. und 15. Jahrhunderts (in der Rekonstruktion von Silvia Rizzo) ergibt, dass sie einen Großteil der philologischen Terminologie des vorhergehenden Renaissancehumanismus übernehmen und in gleicher oder ähnlicher Bedeutung weiter verwenden. Robortello, Canter und Schoppe verhandeln in ihren Methodenlehren nur die Verbesserung von Textstellen, andere textkritische Themen sprechen sie allenfalls am Rande an. Die Beschränkung der Textkritik auf Textverbesserung ist insofern bemerkenswert, da bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts etwa Echtheitskritik und kritische Zeichen durchaus im Zusammenhang mit Textkritik verhandelt wurden, man denke an die entsprechenden Erörterungen in Johannes Wowers (1574–1612) Abriss der antiken Textkritik in seiner Tractatio de polymathia von 1604 oder die Auflistung von kritischen Zeichen in Johann Heinrich Alsteds (1588–1638) Encyclopaedia von 1630.87 Die Korrektur des Wortlauts antiker Texte zielt auf die Rekonstruktion antiker Literatur. Deren Wertschätzung und Autorität wird in den Abhandlungen zwar festgestellt, aber nicht weiter diskutiert. Auch wenn damit das übergeordnete Ziel der Methodenlehren nicht ausführlicher begründet wird, spielt das dahinterstehende Ansehen antiker Literatur zum einen als pauschale Autoritätszuweisung an den antiken Schriftsteller, zum anderen als Billigkeitsausweis methodologisch eine Rolle (siehe Kapitel 5.3.4.2). Das gibt dem Textkritiker vor, dass antike Texte – in ihrer originären Gestalt – Texte mit vorbildhaftem Inhalt sind. Doch sehen es –––––––––––––– 86 87
Schop. Ars crit., 1597, fol. A7v. Über die Echtheitskritik schreibt Wower vor allem im Kapitel 16 (Tractatio de polymathia, 1604, S. 121–133) und über die kritischen Zeichen im Kapitel 17 (S. 134–143) (vgl. dazu K. Vanek: Wower über Textverbesserung, 2007). Auch in der Encyclopaedia findet sich ein eigener Abschnitt Critica (S. 2214–2266), in dem Alsted unter anderem kritische Zeichen abhandelt (S. 2215f.).
2.1 Textkritik als Textverbesserung
117
Robortello, Canter und Schoppe offensichtlich nicht als ihre Aufgabe an, diese normativen Vorgaben eingehender zu erläutern. Statt dessen stoßen wir in den ansonsten in einem nüchternen Stil gehaltenen Abhandlungen gelegentlich auf Wendungen, in denen die Textkritik als das Ausbrennen von eiternden Wunden beschrieben und der Textkritiker als Arzt oder gar als Herakles überhöht wird. Robortello und Canter, vor allem aber die testimonia und Schoppe suggerieren mit Metaphern und einer bunten Bildersprache ihren Lesern die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit ihres Unternehmens. Schließlich präsentieren sich die Abhandlungen zur Textverbesserung als methodologisches Fachschrifttum: Man verzichtet auf allgemeine Erläuterungen und beruft sich, vor allem Robortello, auf antike Vorstellungen von ars als regelgeleitete und reflektierende Anleitung für den Erwerb einer praktischen Fertigkeit. Auch Canter und Schoppe benutzen (implizit) manche Elemente des antiken ars-Modells, in der inneren Verfasstheit der Abhandlungen spielen aber zeitgenössische Methodenvorstellungen eine größere Rolle.
118
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit 2.2.1 Schoppes Rückbindung an römische Philologiekonzepte Schoppe subsumiert Textverbesserung unter eine Kunstlehre der Kritik und verweist sie so, bei näherem Hinsehen, auf vorgängige Gelehrsamkeitsordnungen. Das Verhältnis zwischen critica und dem Verbessern deutet er bereits im Titel an: Seine Abhandlung sei eine Ars critica, die hier nur einen Teil, nämlich das Verbessern antiker Schriftsteller, in den Blick nehme. Im Vorwort definiert er die Aufgaben derjenigen, die sich critici nennen: Criticorum itaque, ita ut nomen hodie possident, munus & officium unicum est, operam dare, ut eorum opera melius sit omnibus utriusque linguae, Graecae dico & Latinae scriptoribus.88
Die critici sollen dafür sorgen, dass die Texte der antiken Schriftsteller besser gestellt werden (siehe Kapitel 2.1.1, S. 103). Dies erinnert an eine Formulierung des niederländischen Philologen Godescalcus Stewechius (1551–1586) im Vorwort seiner notae-Sammlung zu Apuleius. Schoppe kennt diese Quaestiones – er nennt sie im Abschnitt zu den zeitgenössischen Philologen und führt auch mehrere Beispiele daraus in seiner Fehlertypologie auf.89 In den Quaestiones bemerkt Stewechius zu den Aufgaben der Kritiker: Quod munus Criticorum sit, Illustriss. Strozza, sat per te capis, omnes nimirum id operam dare debere, ut veterum scriptis melius sit.90
Schoppe präzisiert seine vielleicht von Stewechius angeregte allgemeine Definition im Vorwort im Anschluss an die eben zitierte Stelle:
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„Deshalb ist die einzige Aufgabe und Pflicht der Kritiker – so wie sie heute diesen Namen tragen –, sich Mühe zu geben, dass es durch ihre Arbeit für alle Schriftsteller beider Sprachen – ich meine das Griechische und das Lateinische – besser steht.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. Schop. Ars crit., 1597, fol. C6r, H2r, H5r, H7r. „Was die Aufgabe der Kritiker ist, hochberühmter Strozza, verstehst Du hinreichend. Natürlich lautet sie, dass sich jeder Mühe geben muss, damit es den Schriften der Alten besser geht.“ G. Stewechius: Quaestiones et coniecturae in Apuleium, 1586, S. 7. Zu Stewechius’ im Folgejahr veröffentlichten Apuleius-Edition vgl. auch R. Häfner: Frühneuzeitliche Apuleius-Editionen, 2004, S. 197f.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
119
id ... gemino modo effici potest, ut nimirum, quae in illorum scriptis obscura sunt explanentur: illa autem, quae vel vetustate vel scaevorum quorundam temeritate & audacia depravata vel luxata sunt, denuo restituantur & resarciantur.91
Die critica hat zum Ziel, die Texte der antiken Schriftsteller zu verbessern, was nach Schoppe mittels zweier Tätigkeiten erreicht werden kann, nämlich zum einen mittels der Erklärung schwieriger Stellen und zum anderen mittels der Verbesserung von Lesarten. Damit konzipiert Schoppe die critica als eine Kunstlehre, die aus zwei Teilen besteht, nämlich einerseits aus der, wie er im Titel schreibt, pars emendatrix und andererseits aus dem Teil, der sich mit der explanatio beschäftigt, also aus Textverbesserung und Interpretation. Textverbesserung critica Interpretation
Abb. 10: Critica bei Schoppe (Ars critica, 1597, fol. B4v)
Eine ähnliche Zweiteilung von critica findet sich bereits an einer Stelle in den testimonia. Dort gibt Schoppe die Ansicht von Janus Gulielmus wieder: Magna laus, Errice Memmi, loca optimorum scriptorum male adfecta persanare; sed profecto non minor, eosdem, ubi obscuriores sunt, illustrare. utrumque quidem boni Critici munus est.92
Gulielmus schildert hier dem französischen Büchersammler und Mäzen Henri de Mesme (1532–1596), dass die Aufgabe des bonus criticus aus persanare und illustrare von unverständlichen Stellen in antiken Texten besteht. Da Schoppe das Verbesserungsverfahren in eine ars critica einbindet, ordnet er sie gleichsam in eine allgemein gefasste philologische Lehre ein. Schoppe setzt als einziger der drei Verfasser der Verbesserungslehren die Methode der Textverbesserung konzeptionell mit Philologie ins Verhältnis. In der gut fünfzig Jahre früher erschienenen Ars corrigendi wird das Wort „critica“ dagegen nie erwähnt. Robortello verfasst eine spezialisierte Kunstlehre, die auf ein Ziel und eine Tätigkeit ausgerichtet ist. In welchem Verhältnis Textverbesserung zu anderen philologischen Arbeiten steht, interessiert Robortello offenbar nicht. Das Gleiche gilt für die Ratio emen–––––––––––––– 91
92
„Dies ... kann auf zwei Arten erreicht werden: [Zum einem] freilich, indem die [Stellen], die in den Schriften jener [Schriftsteller] dunkel sind, erklärt werden. [Zum anderen,] indem aber jene [Stellen], die durch ihr hohes Alter oder durch die Leichtfertigkeit und Waghalsigkeit von manch einem ungeschickten [Kritiker] verderbt oder verrenkt wurden, von Neuem wieder hergestellt und wieder ausgebessert werden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. „Henri de Mesme! Es ist ein großes Verdienst, die übel behandelten Stellen der besten Autoren zu heilen, aber sicherlich kein geringeres, sie [an Stellen] zu erklären, wo sie dunkler sind. Beides ist jedenfalls die Aufgabe eines guten Kritikers.“ Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r. Zu Henri de Mesme vgl. H. Gerstinger: Sambucus’ Briefe, 1968, S. 24.
120
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
dandi, in der Canter auf allgemeine Erläuterungen über das Wesen von Philologie verzichtet. Nach der Definition von critica wendet sich Schoppe im historiographischen Abschnitt de criticis et philologis veteribus für eine genauere Bestimmung ihrer Aufgaben an die Autorität der antiken Gelehrsamkeit, an antike Autoren und ihre Äußerungen über Textarbeit. Er gibt Stellen von Dio Chrysostomos, Cicero und Horaz wieder und zitiert ausführlich aus Suetons philologiehistorischer Schrift De grammaticis illustribus.93 Er bezeichnet die critica mit Varro als praecipuum studium (herausragende Tätigkeit) und mit Domitius Marsus als nutricula scriptorum veterum (Nährmutter der alten Autoren).94 Namentlich erwähnt er in diesem Abschnitt (oftmals nach Sueton) noch Asinius Gallus, Lucius Crassicius, Caecilius Epirota, Ateius Philologus, Laktanz, Caesar, Nigidius Figulus, Asconius und Aulus Gellius. Abgesehen von Krates von Mallos, Eratosthenes von Kyrene und Aristarch bezieht er sich hier überwiegend auf römische Philologie.95 Für die Definition von Textarbeit bezieht sich Schoppe auf Quintilian und seine Äußerungen über Grammatik: Sed Critici non versus modo (ut Fabii verbis utar) censoria quadam virgula notabant, & libros, qui falso viderentur inscripti, tamquam subdititios submovere familia permittebant sibi, auctores alios in ordinem redigebant, alios omnino numero eximebant.96
Schoppe lässt Quintilian an dieser Stelle (Institutio oratoria 1,4,3) – statt den, wie es eigentlich bei Quintilian heißt, grammatici – die Critici einzelne Verse mit Korrekturzeichen versehen und die Echtheit von Texten wie auch ihre literarische Qualität beurteilen. Später verweist Schoppe auf eine weitere Stelle in der Institutio oratoria, ohne sie zu zitieren.97 Die gemeinte Stelle lautet: –––––––––––––– 93 94 95
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Dio Chrysostomos: Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v; Cicero: fol. B7r; Horaz: B7r–B7v; Sueton: fol. B4v–B5r, B5v–B6r, B6v, B7v. Die Cicero-Stelle zitiert Schoppe wahrscheinlich über Sueton. Varro: Schop. Ars crit., 1597, fol. B7v; Domitius Marsus: fol. B8r–B8v. Vgl. zur Geschichte der römischen Grammatik: F. Stolz: Historische Grammatik des Latein, 1894, S. 55–67; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 18–29; M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994, S. 50–55; E. Pöhlmann: Überlieferung und Textkritik 1: Antike, 1994, S. 46–78. „Ich gebrauche hier den Wortlaut des Fabius [Quintilian]: Aber die Kritiker bezeichneten nicht nur Verse mit einer Art Zensorstrich und gestatteten sich Bücher, die falsche Titel zu tragen schienen, wie untergeschobene Kinder aus der Familie auszustoßen, sondern sie nahmen auch manche Schriftsteller in die Reihe der Musterautoren auf und schlossen andere völlig aus.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v; deutsche Übersetzung der Quintilian-Stelle nach H. Rahn 1972, S. 47. Schop. Ars crit., 1597, fol. B6r–B6v.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
121
Primus in eo, qui scribendi legendique adeptus erit facultatem, grammaticis est locus. nec refert de Graeco an de Latino loquar, quamquam Graecum esse priorem placet: utrique eadem via est. haec igitur professio, cum brevissime in duas partis dividatur, recte loquendi scientiam et poetarum enarrationem, plus habet in recessu quam fronte promittit.98
Quintilian teilt die grammatica in zwei Teile auf: in die scientia recte loquendi und in die enarratio poetarum, also in die Lehre von der sprachlichen Korrektheit und in die Erklärung der Dichter: scientia recte loquendi grammatica enarratio poetarum
Verwendung von kritischen Zeichen Echtheitsprüfung Literarkritik
Abb. 11: Grammatica bei Quintilian (inst. 1,4,1–3)
Neben Quintilian zitiert Schoppe aus Ciceros Epistolae ad familiares (9,10,1) und aus der Epistola ad Augustum (2,1,50ff.) des Horaz, wo sie allgemein über die critici sprechen.99 Aus Suetons De grammaticis illustribus gibt Schoppe dann die Beschreibung des Valerius Probus wieder und referiert, wie Probus multa exemplaria emendare ac distinguere et adnotare curavit.100 Schoppe bezieht sich hier mit Sueton auf die antike Praxis der Verbesserung, Interpunktion und Kommentierung von Texten: grammatica
Textverbesserung Interpunktion Kommentierung
Abb. 12: Grammatica bei Sueton (gramm. 24)
–––––––––––––– 98
„Zunächst gehört der Knabe, wenn er geläufig schreiben und lesen gelernt hat, den Grammatikern. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich vom Griechischen oder Lateinischen spreche, obwohl ich dafür bin, mit dem Griechischen anzufangen: Beide schlagen denselben Weg ein. Das Gebiet nun, das diese vertreten, birgt, obwohl es sich, kurz gesagt, nur in zwei Teile gliedert, Sprachlehre und Dichtererklärung, mehr in sich, als es von außen verspricht.“ Quintilian: Institutio oratoria 1,4,1–2 (ed. & dt. Übers. H. Rahn 1972, S. 44–47). 99 Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r–B7v. 100 „Er kümmerte sich darum, in vielen Abschriften [den Text] zu verbessern und mit Satzzeichen sowie mit Anmerkungen zu versehen“ Sueton: De grammaticis illustribus 24,2 (ed. & engl. transl. R. A. Kaster 1995, S. 28f.). Die Stelle bei Schoppe ist: Ars crit., 1597, fol. B6r.
122
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Neben diesen antiken Autoren erwähnt Schoppe in diesem Zusammenhang noch Joseph Justus Scaliger: unde videre licet, solitos fuisse Criticos veteres scriptorum opera a se recensita & illustrata publicare, versus culparum vel locorum laudabilium nomine annotare, ut docet Scaliger ad Varronem.101
Schoppe bezieht sich auf eine Stelle in Scaligers Notae ad Varronis libros de re rustica, wo dieser die Verwendung der Buchstaben c und L erklärt: Nam illa nota L, quae toties hic inserta est ..., nihil aliud est quam studiosi lectoris admonitio, qui in usum suum sententias, quas vellet, ex hoc auctore annotabat. Ut enim Graeci, si quid probabant in auctoribus, crhstÕn & cr»simon, aut c literam, quae idem valet, apponebant ... sic quod insigne duxit & dignum notatu lector horum librorum, ad id vel notam compendiariam L. laudabilis, hoc est, Locus laudabilis, apposuit.102
Scaliger erklärt an dieser Stelle seiner Varro-Anmerkungen, dass die Buchstaben c und L als Zeichen für besondere Stellen im Text verwendet wurden. c steht dabei für crhstÒj und cr»simoj (nützlich) und L für locus laudabilis (lobenswerte Stelle). Dieses Auszeichnen des üblichen Sprachgebrauchs oder von inhaltlich besonderen Stellen führt Scaliger auf die hellenistische Philologie (Graeci) zurück. Wie schon mit Quintilian erwähnt Schoppe hier mit Scaliger die Hervorhebung besonderer Stellen durch Zeichen, wobei hier textkritische Anmerkungen, vor allem aber literarisch bemerkenswerte Stellen gemeint sind. In den von Schoppe aufgeführten Konzepten fallen unter Philologie Textverbesserung, Texterklärung, Kommentierung, Interpunktion, Echtheitsprüfung, Literarkritik und die Verwendung kritischer Zeichen. Schoppe führt Textverbesserung also auf die antike Disziplin der Philologie zurück. Die Gegenüberstellung von Quintilian und Sueton in den Abbildungen 11 und 12 offenbart allerdings, dass grammatica unterschiedlich verwendet wurde. Quintilian spricht grammatica an dieser Stelle den Status eines Faches zu, das einerseits für die scientia recte loquendi, also die Ausbildung der Sprachkompetenz, zuständig ist, andererseits für die enarratio poetarum, die Dichtererklärung. Dagegen entspricht nur der zweite Teil die–––––––––––––– 101 „Daraus kann man ersehen, dass die alten Kritiker die Werke der Schriftsteller zu veröffentlichen pflegten, die sie geprüft und erklärt hatten, [sowie] wegen anstößiger Verse oder lobenswerter Stellen mit Anmerkungen zu versehen. So lehrt es Scaliger in Ad Varronem.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r. 102 „Denn jenes Zeichen L, das so häufig eingefügt wurde ..., ist nichts anderes als ein Hinweis eines gelehrten Lesers, der für seinen Gebrauch die Sätze aus diesem Autor, die er wollte, bezeichnete. Denn die Griechen setzten, wenn sie bei den Autoren etwas gut fanden, ein crhstÕj und cr»simoj dazu, oder den Buchstaben c, der dasselbe bedeutet. ... So setzte auch der Leser dieser Bücher neben das, was er für ausgezeichnet und bemerkenswert hielt, ein laudabile oder die Abkürzung L, das heißt locus laudabilis.“ J. J. Scaliger: Notae ad Varronis libros de re rustica, 1581, S. 210.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
123
ser Definition, die Dichtererklärung, ungefähr dem, was Sueton unter grammatica versteht. Allerdings zählt Quintilian zur Literaturinterpretation zwar die Echtheitskritik, Gedanken zur correctio bzw. zur Textverbesserung im eigentlichen Sinne kommen bei Quintilian aber nicht vor.103 Die bei Schoppe zusammengestellten antiken Stellen weisen in der begrifflichen Ausgestaltung einige Unterschiede auf. Gemeinsam ist ihnen, dass sie ein Konzept von grammatica propagieren, das als umfassende Textgelehrsamkeit gefasst werden kann. Schoppe führt sie als antike Zeugen für seine eigene Konzeption von critica auf. Die Rückführung auf antike Vorlagen ist für Schoppe so wichtig, dass er dafür sogar Inkongruenzen in Kauf nimmt: Mit Quintilian führt er nämlich ein Konzept an, in dem ausgerechnet der Teil, auf den es in Schoppes Textverbesserungslehre eigentlich ankommt, die correctio, nicht vorkommt. 2.2.2 Die hellenistische grammatica-Tradition Sueton und Quintilian bezeichnen ihre Konzepte beide als grammatica. Dagegen verweist Schoppe (nach einem Ratschlag seines Lehrers Konrad Rittershausen) auf eine Stelle bei Dio Chrysostomos: Eos, qui postea | Grammatici sunt appellati, antiquitus Criticorum nomen tulisse, testatur etiam Dio Chrysostomus Oratione LIII. de Homero.104
Durch den griechischen Rhetor wisse man, meint Schoppe, dass die Grammatiker in noch früheren Zeiten critici genannt wurden. Schoppe zitiert dann den locus classicus für die Geschichte des Krates von Mallos und der pergamenischen Philologie: ... oÙ mÒnon 'Ar…starcoj kaˆ Kr£thj kaˆ ›teroi ple…ouj tîn Ûsteron grammatikîn klhqšntwn, prÒteron de; kritikîn. kaˆ d¾ kaˆ aÙtÕj 'Aristotšlhj, ¢f' oá fasi t¾n kritik»n te kaˆ grammatik¾n ¢rc¾n labe‹n, ™n pollo‹j dialÒgoij perˆ toà poihtoà dišxeisi, qaum£zwn aÙtÕn æj tÕ polÝ kaˆ timîn.105
Dio erklärt hier in seiner Rede Über Homer, dass Manche den Homer verherrlichen, Andere ihn wiederum auslegen. Mit dieser Dio-Stelle deutet –––––––––––––– 103 Vgl. auch M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994, S. 53. 104 „Diejenigen, die später grammatici genannt wurden, trugen früher den Namen Kritiker. Dies bestätigt auch Dio Chrysostomos in der Rede 53 Über Homer.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B5r–B5v. 105 „[Zu dieser Gruppe gehören] nicht nur Aristarch, Krates und mehrere andere, die später Grammatiker, früher jedoch Kritiker genannt wurden, auch Aristoteles, auf den die literarische Kritik und die Kunst der Erklärung zurückgeführt werden, behandelt den Dichter in vielen Dialogen, wobei er ihn im allgemeinen bewundert und schätzt.“ Dio Chrysostomos: Oratio 36 (53), in: Opera 2, graec. ed. J. v. Arnim 1896, S. 110 (1–6), dt. Übers. W. Elliger 1967, S. 642. Die Stelle bei Schoppe lautet: Ars crit., 1597, fol. B5v.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Schoppe auf die Tradition der griechischen Philologie.106 Abgesehen davon, dass er mit Dio Aristoteles als Kritiker bezeichnet,107 bezieht sich Schoppe hier darauf, dass es in der hellenistischen Philologie in Alexandria – dazu zählen etwa Aristophanes von Byzanz oder Aristarch von Samothrake – üblich war, sich als grammaticus zu bezeichnen, die Anhänger des Krates in Pergamon sich aber kritiko… nannten. Damit griffen Letztere auf eine alte Verwendungsweise zurück und restituierten grammaticus in der pejorativen Bedeutung als Elementarlehrer bzw. als (bloß) Lesekundiger im Sinne des grammatista oder litterator. Sie distanzierten sich von den Alexandrinern und titulierten mit dieser abwertenden Bezeichnung ihre Konkurrenten. Diese beiden antiken Philologieschulen standen einander beispielsweise im so genannten Analogie-Anomalie-Streit über die Prinzipien der Deklination entgegen, den Varro in De lingua Latina beschreibt und der über die Varro-Rezeption dem frühneuzeitlichen Gelehrten bekannt ist. So schildert etwa Julius Caesar Scaliger den Streit im Band 13 von De causis linguae Latinae (1540).108 Die Grundzüge der hellenistischen Philologie sind über die Tšcnh grammatik» des Aristarch-Schülers Dionysios Thrax überliefert.109 In der Tšcnh grammatik» erfährt die Grammatik eine Bestimmung und Systematisierung, die das philologische Denken lange Zeit bestimmte. Sie ist angelegt als breite philologische Lehre zur Erforschung von Texten, oder, wie Dionysios Thrax es selbst formuliert: Grammatik» ™stin ™mpeir…a tîn par¦ poihta‹j te kaˆ suggrafeàsin æj ™pˆ tÕ polÝ legomšnwn.110
Man könnte die tšcnh grammatik» auch als „etwa das, was wir heute unter ‚Philologie‘ verstehen“, definieren.111 Dionysios unterscheidet sechs Teile der Grammatik, nämlich das laute Lesen, die Erklärung der Tropen, die –––––––––––––– 106 Vgl. dazu: A. Gudeman: Grundriß der Geschichte der Philologie, 1909, S. 3f. Grundlegend und einschlägig zur Geschichte der hellenistischen Philologie ist R. Pfeiffer: Klassische Philologie 1, 1978. Vgl. außerdem: L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 5–18; M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994, S. 39–48; E. Pöhlmann: Überlieferung und Textkritik 1: Antike, 1994, S. 22–40; W. Ax: Alexandrinische und pergamenische Philologie, 1996; S. Matthaios: Die Grammatik Aristarchs, 1999. 107 Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v. Vgl. dazu R. Pfeiffer: Klassische Philologie 1, 1978, S. 92–98; N. J. Richardson: Aristotle and Hellenistic scholarship, 1994. 108 Dazu: D. Cherubim: J. C. Scaligers ‚De causis linguae Latinae‘, 2001, S. 139. Zum AnalogieAnomalie-Streit vgl. W. Ax: Alexandrinische und pergamenische Philologie, 1996, S. 289–295. 109 Hierzu vgl. R. Pfeiffer: Klassische Philologie 1, 1978, S. 321–329; M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994, S. 43–48; W. Ax: Alexandrinische und pergamenische Philologie, 1996; J. Lallot: La grammaire de Denys le Thrace, 1998, S. 13–40. 110 „Grammatik ist die auf Erfahrung beruhende Kenntnis dessen, was meistens von den Dichtern und Prosaschriftstellern gesagt wird.“ Dionysios Thrax: Tšcnh grammatik» § 1 (ed. J. Lallot 1998, S. 42; dt. Übers.: R. Pfeiffer: Klassische Philologie 1, 1978, S. 324). 111 Diese Formulierung stammt von W. Ax: Alexandrinische und pergamenische Philologie, 1996, S. 277.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
125
Wort- und Sacherklärung, die Ermittlung von Etymologien, das Feststellen von Analogien und die literarische Kritik.112 In der Kommentierung und Fortführung des Dionysios entwickelt sich eine Dreiteilung der Grammatik, beispielsweise verbürgt bei Asklepiades von Myrlea oder später auch in Adversus mathematicos (1,251ff.) des Sextus Empiricus:113 tšcnh grammatik»
mšroj ƒstorikÒn (Sacherklärung) mšroj tecnikÒn (Sprachkunde) mšroj „dia…teron (Texterklärung und Interpretation) Abb. 13: Die hellenistische grammatik»
Die drei Teile der hellenistischen tšcnh grammatik», Sacherklärung, Sprachkunde und Texterklärung, konstituieren das Verständnis von Grammatik als umfassende Philologie und Gelehrsamkeit. Dieses Modell steht im Hintergrund von folgender Klage: Nonnihil tamen diversa vel priscis temporibus Critici & Grammatici munera fuisse videntur: & Grammaticorum quorumdam superbia in Grammaticis, Rhetoricis & Criticis simul aliis antistare cupientium factum tamdem existimo, ut Critica & ipsa pars Grammatices haberetur.114
Hier beschwert sich Schoppe über die Vorrangstellung der Grammatik, insbesondere darüber, dass die Grammatiker die critica – der im Schema der Abbildung 13 das mšroj „dia…teron entspricht – ihrer Lehre einverleibten. Schoppe bezieht sich also auf hellenistische Grammatikkonzepte und referiert eine entsprechende Bemerkung Suetons, wo dieser mit Bezug auf die Graeci das umfassende Bildungs- und Philologiekonzept diskutiert, das hinter dem griechischen grammaticus steht, wie auch die Unterscheidung von grammaticus (Gelehrter) und grammatista (Sprachlehrer).115 Schoppes Verwendung von criticus und critica hat eine historische Dimension, weil er sich implizit auf die pergamenische Tradition der Philologie bezieht, zumindest in ihrer Selbstbezeichnung und abwertenden Verwendung der Begriffe grammaticus und grammatica. Tatsächlich, bemerkt Schoppe, sei es –––––––––––––– 112 Dionysios Thrax: Tšcnh grammatik» § 1 (ed. & frz. trad. J. Lallot 1998, S. 42f.). Vgl. dazu auch R. Pfeiffer: Klassische Philologie 1, 1978, S. 325. 113 Das Schema folgt den Ausführungen in M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994, S. 47; W. Ax: Alexandrinische und pergamenische Philologie, 1996, S. 277. 114 „Doch waren selbst in den alten Zeiten die Aufgaben des Kritikers und Grammatikers scheinbar etwas verschieden. Durch die Überheblichkeit einiger Grammatiker, die der Grammatik, Rhetorik und Kritik, wie auch zugleich den Anderen überlegen sein wollten, ist es schließlich, wie ich glaube, dazu gekommen, dass die Kritik ihrerseits für einen Teil der Grammatik gehalten wurde.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v. 115 Sueton: De grammaticis illustribus 4 (ed. & engl. transl. R. A. Kaster 1995, S. 6–9).
126
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
befremdlich, dass Sueton und Quintilian Tätigkeiten des Verbesserns oder Kommentierens zur Grammatik zählen: Sed quod partem hanc Grammatices appellat, quod idem est apud Quinctilian. lib. I. cap. 4. id eo factum, ut dixi, quod Grammatici insolentiores illis temporibus hoc munus sibi | adrogarint.116
An jener Stelle (siehe Kapitel 2.1.1, S. 121) bestimmt Quintilian die Aufgabe des Grammatikers als Sprachlehre und Dichtererklärung und folgt damit dem alexandrinischen Grammatikkonzept. Nach Schoppe sei es damals jedoch nicht üblich gewesen, die Grammatik als eine Tätigkeit zu bestimmen, die auch Literaturerklärung und Textverbesserung umfasst. In diesem Sinne bezieht sich Schoppe anschließend auf eine Aussage von Julius Caesar Scaliger, die er auch als ein testimonium zitiert. Dort lehnt Scaliger die Bezeichnung grammaticus für jemanden, der sich mit der Interpretation von Literatur beschäftigt mit der Begründung ab, dass Literaturinterpretation umfassende Bildung erfordere, die ein grammaticus nicht besitzt: Postremo quod officium interpretandorum auctorum annumerarunt, id sane Grammatici non est, sed sapientis pro cuiusque rei captu. Est enim Oratorum Poëtarumque, atque Historicorum lectio differta variis artibus, atque scientiis: quae non ad ipsos literatores potius, quam ad veros artifices pertinent.117
Dem grammaticus stellt J. C. Scaliger das geistige Fassungsvermögen des wahrhaft Gelehrten (sapiens) entgegen, und verweist so auf eine Bildung, die ein bloßer Sprachlehrer (litterator) nicht aufweisen könne, sondern nur ein artifex, ein Gelehrter, der in den Künsten meisterhaft bewandert ist. Mit der Bezeichnung des grammaticus als litterator meint auch J. C. Scaliger, dass der grammaticus aufgrund seiner mangelnden Gelehrtheit für die höheren Sphären der Textarbeit wie die Interpretation ungeeignet ist. Schoppe übernimmt die Abwertung von grammatica und grammaticus und benutzt für Philologie nur critica und für Philologe nur criticus. Nur an einer Stelle erwähnt er grammatici, wenn er feststellt, dass Ennii Annalium membra a Grammaticis velut Penthei olim a Bacchis divolsa & foedissime admutila-
–––––––––––––– 116 „Aber dass [Sueton] diesen Teil als Grammatik bezeichnete – das gleiche steht bei Quintilian (Buch 1, Kapitel 4) –, das kommt daher, dass, wie ich [bereits] sagte, die ziemlich überhebliche Grammatiker in diesen Zeiten diese Aufgabe für sich in Anspruch nahmen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B6r–B6v. 117 „Dass sie schließlich noch die Aufgabe der Auslegung der Autoren dazurechnen, das ist bestimmt nicht die Aufgabe des Grammatikers, sondern die des Gelehrten gemäß seiner Auffassungsgabe. Denn der Text der Redner und Dichter wie auch der Geschichtsschreiber ist voller Künste und Wissenschaften, die nicht so sehr die Sprachlehrer als vielmehr die wahren Meister betreffen.“ J. C. Scaliger: De causis linguae Latinae, 1540, zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. E2r.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
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ta.118 Diese grammatici kommen hier allerdings schlecht weg, weil Schoppe sie für die massive Textkorruption im Ennius-Text verantwortlich macht. Der grammaticus sei ein einfacher Sprachlehrer, der nicht in der Lage ist, die Texte so zu behandeln, wie es nötig ist, und sie deswegen verdirbt.119 Auch Janus Gulielmus bemerkt, bestimmte alte Wörter können vom Bildungsstand (captus) der litteratores seiner eigenen Zeit her nicht erkannt werden.120 Und Justus Lipsius bezieht sich mit seiner Frage, warum die litteratores immer so ungerecht beurteilt werden, ebenfalls auf die Bezeichnung für unfähige Sprachlehrer.121 In den frühneuzeitlichen Quellen zur Textkritik überwiegt gegen Schoppe (und Julius Caesar Scaliger) allerdings die positive Verwendung von grammaticus. Robortello etwa schätzt die Texte der antiken grammatici als wichtige Zeugnisse bei der Rekonstruktion des antiken Sprachgebrauchs und rechnet die Kenntnis der antiken Grammatiker zur unabdingbaren Bildung eines Verbesserers von Texten.122 In diesem Sinne wird grammatica bzw. grammaticus auch von Johannes Rivius, Janus Gulielmus und Lucas Fruterius gebraucht.123 Die Verhältnissetzung von Textverbesserung zur antiken Philologie offenbart den Bedarf nach disziplinären Vorbildern. Mit der Anlehnung an vorgängige Tradition zeigt man also nicht nur an, dass es so etwas schon einmal früher gab, sondern setzt sich auch mit den antiken (ergo vorbildlichen) Konzepten auseinander. Dieses Bedürfnis nach historischer und disziplinärer Anbindung der Philologie manifestiert sich auch in einer diatriba von Joseph Justus Scaliger De arte critica, in der er seine Gedanken zur Philologie niederlegt. Diese knappe Abhandlung von sieben Seiten entstand wahrscheinlich um 1595 in Leiden, wurde aber erst 1617 (postum) gedruckt.124 In Scaligers Konzept stellt die critica selbst einen der drei Teile der grammatica dar:
–––––––––––––– 118 „Die Glieder der Annalen des Ennius wurden von den Grammatikern – wie einst Pentheus durch die Bacchantinnen – auseinander gerissen und aufs Scheußlichste verstümmelt.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C7v. 119 Vgl. dazu auch C. Lecointre: Schoppes ‚Grammatica Philosophica‘, 1998, S. 245f. 120 Gulielm. Verisim., 1582, fol. D7v. 121 Lips. Somn., 1585, fol. E4v. 122 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/10f. 123 Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v– D5r, D5r. 124 Hier liegt der Druck von 1619 zugrunde. Ein Abdruck dieses kurzen Textes findet sich auch bei H. Jaumann: Critica, 1995, S. 402f. Zum Inhalt von Scaligers Ars critica vgl. ebenda, S. 159f.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Tria genera Grammaticorum: alii tecniko…; alii ƒstoriko…; tertium genus kritikoˆ vocantur.125
Scaliger führt aus, dass die so genannten Techniker die grundlegenden Sprachkenntnisse vermitteln: elementa & primores litteras docent.126 Die Historiker sind wiederum für die Erklärung von Sachen zuständig: Historici in fluminum, montium, regionum nominibus occupati sunt.127 Aber die Kritik sei von edeler Art als diese beiden (nobilior utraque kritik»)!128 Den Rest der kurzen Schrift widmet Scaliger den Aufgaben und der Geschichte der Kritik. Zu den Aufgaben der Kritiker zählt er das Ausweisen von gefälschten Stellen mit kritischen Zeichen, das Verbessern von verdoppelten und zweideutigen Lesarten (duplices & ambiguas lectiones), die Wiederherstellung von versetzten Stellen sowie ihre inhaltliche und stilistische Analyse.129 In einem Brief vom 25. Dezember 1574 an seinen Freund, den französischen Arzt François Vertunien, bezeichnet Scaliger die dritte pars der grammatica als „diaitšra, formuliert aber ganz ähnlich: 'Idiaitšran [partem] intelligi volunt, quae non illis finibus contenta est, sed ulterius
evagatur, et in abditiora sapientiae penetralia se insinuat: cum scilicet spurios versus Poetarum a veris et legitimis discernit, depravata emendat, falso attributa suis auctoribus asserit ac vindicat, omne genus Poetarum, Oratorum, Philosophorum recenset atque excutit. Hanc partem propterea kritik¾n vocarunt.130
Dieser Teil der Grammatik geht Scaliger zufolge weit über den Gegenstandsbereich der anderen beiden Teile hinaus – das heißt, dass Scaliger Echtheitskritik, Textverbesserung, Reinigung von Texten und die Prüfung aller Arten von Literatur gleichsam zum Weg der Gelehrsamkeit schlechthin, zu den „Heiligtümern der Weisheit“ (sapientiae penetralia) erklärt. Sein Konzept von Grammatik lässt sich graphisch folgendermaßen darstellen: –––––––––––––– 125 „Es gibt drei Arten von Grammatikern: Die einen sind die Techniker, die anderen die Historiker, und die dritte Art nennt man Kritiker.“ J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 3. 126 J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 3. 127 „Die Historiker beschäftigen sich mit den Namen von Flüssen, Bergen und Landschaften.“ J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 4. 128 J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 5. 129 J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 5f. 130 „Man versteht [jenen Teil der Grammatik] als „diaitšra (eigentümliche), der nicht von jenen Grenzen beschränkt ist, sondern darüber hinaus schreitet und in die verborgenen Heiligtümer der Weisheit eindringt. Er unterscheidet nämlich unechte Verse der Dichter von den wahren und echten, verbessert das Verderbte, befreit das den Schriftstellern fälschlich Zugeschriebene und rettet es, und prüft und sieht alle Arten von Dichtern, Rednern und Philosophen genau durch. Deswegen nennt man diesen Teil Kritik.“ J. J. Scaliger: Epistola ad Vertunianum, zitiert in G. W. Robinson: Scaliger’s estimates of Greek and Latin authors, 1918, S. 145ff., hier: S. 146, zitiert mit englischer Übersetzung auch in A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 181.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
grammatica
pars tecnik» pars ƒstorik» pars kritik» / „diaitšra
129
Echtheitskritik Textverbesserung Textprüfung und Literaturkritik
Abb. 14: Grammatica bei J. J. Scaliger (De arte critica, 1617)
Anschließend erinnert Scaliger in seiner Ars critica noch an einige Ereignisse aus der Geschichte der Philologie, nennt etwa die Criticae principes apud Graecos sunt Aristophanes, Crates, Aristarchus, Callimachus. Aristophanes von Byzanz, Aristarch von Samothrake und Kallimachos von Kyrene waren drei alexandrinische Philologen und Krates von Mallos ein Gelehrter in Pergamon.131 Auch weist er darauf hin, dass apud Hebraeos ‚Masoritae‘ sunt, qui apud Graecos Critici – das, was für die Griechen die Kritiker waren, für die Hebräer die Masoreten waren.132 Er erläutert dann kurz die jüdische Bibelkritik und geht so wesentlich über die thematische Bandbreite der Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe hinaus. Schließlich nennt Scaliger noch die römische Philologie, wobei er hier den Princeps Varro, den römischen Universalgelehrten, und seine Plautinische Rezension hervorhebt. Mit seiner Dreiteilung gibt Scaliger das Verständnis von Grammatik (im Sinne von Philologie) wieder, das aus der alexandrinischen Philologie herrührt (siehe Abbildung 13, S. 125). Scaligers kritik» umfasst dabei Text-, Echtheits- und Literarkritik, und sein dreiteiliges grammatica- bzw. Philologiekonzept geht im 17. Jahrhundert in die entstehenden enzyklopädischen Konzepte von Wissenschaft ein. Dies zeigt etwa die frühe Tractatio de polymathia des Hamburger Gelehrten Johannes Wower aus dem Jahre 1604, in der sich eine ähnliche Aufteilung der Grammatik findet.133 Wie auch Herbert Jaumann beobachtet, wurde critica zunehmend als Bezeichnung für philologische Gelehrsamkeit benutzt und löste in dieser Zeit die dafür bisher gebräuchliche grammatica ab.134
–––––––––––––– 131 J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 6. 132 J. J. Scaliger: De arte critica, 1619, S. 6. 133 Vgl. die Schemata von Wowers Grammatikkonzept von H. Jaumann: Critica, 1995, S. 171; L. Deitz: Vossius’ ‚De philologia‘ und sein Begriff der ‚Philologie‘, 2001, S. 28f. Zu Wower vgl. auch H. Zedelmaier: Bibliotheca universalis & bibliotheca selecta, 1992, S. 286–290; L. Deitz: Ioannes Wower of Hamburg, 1995; K. Vanek: Wower über Textverbesserung, 2007. 134 Vgl. H. Jaumann: Critica, 1995, S. 163–167.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
2.2.3 Die critica und enzyklopädische Bildungsgedanken Grammatik, Kritik und Philologie sind Konzepte, die die Arbeit mit Texten analysieren, methodisch anleiten und bestimmen, welche Tätigkeiten dazugehören. In ihnen spiegelt sich, wie tatsächlich gearbeitet wurde, und zeigen die normativen Vorstellungen über Ziele der Textarbeit. Hier schlagen sich auch Gelehrsamkeitskonzepte nieder, über welche Art und welchen Umfang von Bildung die Philologen verfügen sollen, um ihre Arbeit zufriedenstellend auszuführen. Angelo Poliziano, der florentinische Gelehrte, den Robortello in seiner Ars corrigendi zum Inbegriff des vorbildhaften Gelehrten macht (siehe Kapitel 1.1.4.3), bemerkt in seiner Aristoteles-Vorlesung 1492 zu den interpretes: Ego me Aristotelis profiteor interpretem. Quam idoneum non attinet dicere, sed certe interpretem profiteor, philosophum non profiteor. Nec enim si regis quoque essem interpres, regem me esse ob id putarem. Nec apud nos Donatus, puta, et Servius, apud Graecos Aristarchus et Zenodotus continuo se poetas profitentur, quoniam quidem poetas interpretentur. An non Philoponus ille Ammonii discipulus Simpliciique condiscipulus idoneus Aristotelis est interpres? At eum nemo philosophum vocat, omnes grammaticum.135
Durch das Auslegen von Philosophen wird der Interpret nicht selbst zum Philosophen, meint Poliziano hier. Vielmehr bleibt der Interpret – unabhängig davon, welche Art von Text gedeutet wird – immer ein grammaticus. Poliziano nennt als Beispiele namentlich die Alexandriner Zenodotos von Ephesos und Aristarch, sowie die spätrömischen Grammatiker und Vergil-Kommentatoren Aelius Donatus und Servius. Schließlich erwähnt Poliziano noch drei spätantike griechische Aristoteles-Kommentatoren, nämlich Johannes Philoponos, Schüler des Ammonios und Mitschüler des Simplikios, wobei er betont, dass auch Johannes, obgleich bekannt als Kommentator, niemals als Philosoph, sondern als Grammatiker angesehen wird. In diesen Gedanken ordnet Poliziano Textarbeit der grammatica zu und setzt sie mit ihrer antiken Tradition ins Verhältnis.136 Aus dieser –––––––––––––– 135 „Ich erkläre, dass ich ein Interpret des Aristoteles bin. Wie geeignet [ich dazu bin], ist nicht von Bedeutung. Aber so sicher ich mich zum Interpreten [des Philosophen] erkläre, so erkläre ich mich nicht [selbst] zum Philosophen. Denn auch wenn ich der Interpret des Königs wäre, so glaubte ich doch nicht, deswegen selbst König zu sein. Genausowenig beispielsweise erklären sich bei uns [Lateinern] Donat und Servius oder bei den Griechen Aristarch und Zenodotos sogleich zu Dichtern, nur weil sie Dichter interpretieren. Oder ist etwa Philoponos, jener Schüler des Ammonios und Mitschüler des Simplikios, kein tüchtiger Interpret des Aristoteles? Aber niemand heißt ihn einen Philosophen, alle nennen ihn einen Grammatiker.“ A. Poliziano: Lamia, 1492 (ed. A. Wesseling 1986, S. 16). Diese Stelle zitiert A. Scaglione: Politian’s conception of the ‚grammaticus‘, 1961, S. 61. 136 Vgl. dazu A. Scaglione: Politian’s conception of the ‚grammaticus‘, 1961; W. S. Blanchard: Urceo’s satire on professionalism, 1990, S. 91–94; H. Jaumann: Bibelkritik und Literaturkritik in der frühen Neuzeit, 1997, S. 125f.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
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Perspektive heraus beschreibt er dann in seinen Miscellanea (1498) die Bildung eines Interpreten antiker Dichtung: Qui poetarum interpretationem suscipit, eum non solum (quod dicitur) ad Aristophanis lucernam, sed etiam ad Cleanthis oportet lucubrasse. Nec prospiciendae autem philosophorum modo familiae, sed & iureconsultorum, & medicorum item, & dialecticorum, & quicunque doctrinae illum orbem faciunt, quae vocamus Encyclia, sed & philologorum137 quoque omnium. Nec prospiciendae tantum, verum introspiciendae magis, neque (quod dicitur[)], ab limine ac vestibulo salutandae, sed arcessendae potius in penetralia, & in intimam familiaritatem, si rem iuvare latinam studemus, & inscitiam quotidie invalescentem profligare: alioqui semidocta sedulitas cum magna sui persuasione detrimento sit, non usui.138
Mit großer rhetorischer Geste schildert Poliziano, wie wichtig gründliche Bildung für einen Gelehrten ist. Mit Varro stellt er zunächst die Schwierigkeit fest, die die Auslegung von Dichtern prinzipiell bereitet, und nennt mit dem alexandrinischen Gelehrten Aristophanes von Byzanz und dem Stoiker Kleanthes von Assos berühmte Vertreter antiker Gelehrtenschulen.139 Nachdruck legt er dann zum einen auf die Breite und die Universalität der Kenntnisse: Ein Gelehrter, der die antike Literatur verstehen will, muss mit allen Disziplinen vertraut sein, mit der Philosophie genauso wie mit der Jurisprudenz, der Medizin und der Logik – er muss also, wie Poliziano hier formuliert, den orbis doctrinae, quae Encyclia vocamus, kennen, über
–––––––––––––– 137 Eigentlich steht in der hier verwendeten Ausgabe von 1553 die Lesart philosophorum, ich entscheide mich wegen des Sinns aber für die Lesart philologorum aus der ed. 1498. 138 „Wer die Auslegung von Dichtern auf sich nehmen will, der muss – wie man so sagt – nicht nur beim Scheine der Nachtleuchte des Aristophanes, sondern auch der des Kleanthes gearbeitet haben. Aber man muss nicht nur die Schulen der Philosophen im Blick haben, sondern auch die der Juristen, der Ärzte und der Dialektiker, sowie all derer, die jenen Kreis der Gelehrsamkeit bilden, den wir Enzyklopädie nennen. [In den Blick genommen werden müssen] auch [die Schulen] aller Philologen. Darauf sollte aber nicht nur ein Blick geworfen werden, sondern es soll genau untersucht werden. Man sollte – wie man so sagt – nicht von der Türschwelle oder aus dem Vorhof im Vorbeigehen grüßen, sondern sich das Innere und die intime Vertrautheit verschaffen, wenn wir uns darum bemühen, dem Lateinischen zu helfen und die täglich Überhand nehmende Unwissenheit niederzuschlagen. Andernfalls wird die halbgelehrte Eifrigkeit mit ihrer großen Überzeugung ein Schaden, kein Nutzen sein.“ A. Poliziano: Miscellanea centuria prima, 1489 (ed. 1553), S. 229. Diese Stelle zitieren F. Simone: L’encyclopédie à la Renaissance française, 1976, S. 242f. und A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 242 (Fn. 122). Vgl. auch A. Scaglione: Politian’s conception of the ‚grammaticus‘, 1961, S. 61. 139 „quod non solum ad Aristophanis lucernam, sed etiam ad Cleanthis lucubravi.“ Varro: De lingua latina 5,9,1 (ed. & trad. fr. J. Collart 1954, S. 7f.).
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
eine enzyklopädische Bildung verfügen.140 Zum anderen stellt Poliziano auf Gründlichkeit und Tiefe des Wissens ab und warnt ausdrücklich vor der semidocta sedulitas (halbgelehrte Eifrigkeit). Nicht zuletzt darin, dass Poliziano sich selbst als grammaticus bezeichnet, zeigt sich, dass er grammatica als umfassende Bildungsvorstellung begreift. Dieses Konzept geht auf die hellenistische Philologie zurück und steht im Gegensatz zu mittelalterlichen, ebenso wie zu zeitgenössischen Vorstellungen über Grammatik. Die Kontrastfolie bildet die Auffassung von Grammatik als eine der artes des universitären Bildungskanons. Die ars grammatica hatte sich aus den spätrömischen Grammatiken von Donat, Charisius und Priscian zur Triviumsdisziplin an der Seite von Dialektik und Rhetorik entwickelt, und spielte das Mittelalter hindurch eine grundlegende Rolle im Bildungssystem. Dabei wurden vor allem Laut- und Formenlehre, die Syntax und Akzentlehre aufgenommen – das Thema der Klassikerinterpretation als eigene pars fiel meist weg. Die Renaissancehumanisten lernten die Grammatik nach zahlreichen konzeptionellen Veränderungen über die Jahrhunderte als eine ars kennen, die mit scholastischen Lehrbüchern wie dem Doctrinale (Anfang 13. Jhd.) des Alexander de VillaDei darauf ausgerichtet war, den Studenten Latein und die Grundtechniken und Methoden des scholastischen Lehrunterrichts beizubringen. Die grammatica im Quattrocento zielt darauf ab, sie als eine ars innerhalb der studia humanitatis zu etablieren. Mit neuen Lehrbüchern bemühen sich Humanisten wie Lorenzo Valla in seinen Elegantiae linguae Latinae (c.1440) oder Niccolò Perotti mit den Rudimenta grammatices (c.1464, gedruckt 1473) darum, vor allem das stilistische Ideal des (ciceronianischen) Latein zu etablieren.141 Grammatikalische Lehrbücher des 15. und 16. Jahrhunderts sind primär auf Sprachvermittlung ausgerichtet, und die ars grammatica fungiert auch innerhalb der studia humanitatis weiter als propädeutische Disziplin. Bei Poliziano wird im Gegensatz zur mittelalterlichen und humanistischen Grammatik das enzyklopädische Gelehrsamkeitsideal der alexandrinischen grammatica restituiert. Dem entspricht, dass an den humanistischen Schulen –––––––––––––– 140 Über den antiken Begriff vgl. H. Fuchs: Art. „Enkyklios Paidea“, RAC 5, 1962, Sp. 365– 398. Über das Entstehen des neulateinischen Kunstwortes encyclopaedia im Umkreis von Poliziano vgl. J. Henningsen: Sprach- und Bedeutungsgeschichte von ‚Enzyklopädie‘, 1966, S. 276– 284. Zur Philologie und Grammatik im Zusammenhang mit frühneuzeitlichen enzyklopädischen Gelehrsamkeitsvorstellungen vgl. A. Seifert: Enzyklopädischer Gedanke von Renaissance bis Leibniz, 1983, S. 117–122; H. Zedelmaier: Bibliotheca universalis & bibliotheca selecta, 1992, S. 294–297. 141 Zur humanistischen Grammatik vgl. den Überblick bei G. A. Padley: Latin grammatical theory 1500–1700, 1976, S. 16–29. Weiterführend zu Vallas und Perottis Grammatiken sind die Beiträge von Wolfram Ax und Franz Josef Worstbrock in W. Ax: Grammatik und Stilistik in Renaissance und Barock, 2001.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
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und Universitäten die Einführungen in die antike Literatur im Grammatikunterricht stattfand. Ziel ist dabei die Kenntnis der auctores, was über das humanistische Konzept der Sprachvermittlung hinausgeht. Der Renaissanceforscher Franco Simone vergleicht Polizianos enzyklopädisches Verständnis von Grammatik historisch und stellt fest: ... cette organisation des artes liberales ne se borne pas seulement aux disciplines du trivium et du quadrivium, mais tient compte aussi des autres disciplines. C’est le cas, parmi les premières, du droit et de la médecine – une consession importante – et ensuite des différentes spécialisations philologiques.142
Mit dem Rückbezug auf die alexandrinische grammatica-Konzeption gelingt es (nach Simone) Poliziano also, ihren Gegenstandsbereich zu erweitern. Damit reagiert sie auf die Anforderungen an die frühneuzeitliche Philologie, die daraus entstehen, dass die Textgelehrsamkeit bereits zu Polizianos Zeit stark in verschiedene Disziplinen hineinreicht. Entsprechend entsteht der Anspruch, dass der Philologe, den Poliziano grammaticus nennt, alle Arten von Texten bearbeiten können muss: Grammaticorum enim sunt hae partes, ut omne scriptorum genus, poetas, historicos, oratores, philosophos, medicos, iureconsultos excutiant atque enarrent. Nostra aetas parum perita rerum veterum nimis brevi gyro grammaticum sepsit. At apud antiquos olim tantum auctoritatis hic ordo habuit ut censores essent et iudices scriptorum omnium soli grammatici, quos ob id etiam criticos vocabant, sic ut non versus modo – ita enim Quintilianus ait – censoria quadam virgula notare, sed libros etiam qui falso viderentur inscripti tanquam subditicios submovere familia permiserint sibi, quin auctores etiam quos vellent aut in ordinem redigerent aut omnino eximerent numero.143
Hier verknüpft Poliziano das enzyklopädische Bildungsideal ausdrücklich mit dem grammatica-Konzept und erklärt den grammaticus für alle Texte zuständig – er nennt die Bereiche Poesie, Historiographie, Rhetorik, Philosophie, Medizin und Jura. Die grammatici werden nach Poliziano auch –––––––––––––– 142 F. Simone: L’encyclopédie à la Renaissance française, 1976, S. 243 (Hervorhebungen Simone). 143 „Denn der Arbeitsbereich der Grammatiker sind alle Arten von Schriftstellern – sie erforschen und erklären Dichter, Geschichtsschreiber, Redner, Philosophen, Ärzte und Juristen. Unser Zeitalter, das in den Dingen der Antike zu unerfahren ist, beschränkte den Grammatiker auf einen zu schmalen Kreis [i. e. Gelehrsamkeit]. Aber diese Gelehrsamkeitsordnung genoss einst bei den Alten so viel Ansehen, dass allein die Grammatiker Begutachter und Richter über alle Arten von Literatur waren, weswegen sie auch Kritiker genannt wurden. Denn, so sagte Quintilian: Aber sie bezeichneten nicht nur Verse mit einer Art Zensorstrich und gestatteten es sich, Bücher, die falsche Titel zu tragen schienen, wie untergeschobene Kinder aus der Familie auszustoßen, sondern sie nahmen auch manche Schriftsteller in die Reihe der Musterautoren auf und schlossen andere völlig aus.“ A. Poliziano: Lamia, 1492 (ed. A. Wesseling 1986, S. 16f.); Übersetzung der Quintilianstelle nach H. Rahn 1972, S. 47). Diese Stelle zitiert auch A. Scaglione: Politian’s conception of the ‚grammaticus‘, 1961, S. 62 (mit englischer Paraphrase, S. 63) und (mit englischer Übersetzung) W. S. Blanchard: Urceo’s satire on professionalism, 1990, S. 94.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
censores oder critici genannt, weil sie (neben der Sprachvermittlung) auch für die Deutung von Literatur zuständig sind. Hier zitiert Poliziano ausdrücklich eine einschlägige Quintilian-Stelle (1,4,3) – und zwar ist es die gleiche, die später Schoppe in seinem historiographischen Abschnitt nennt (siehe Kapitel 2.2.1, S. 120). Wie der moderne Herausgeber der Lamia, Ari Wesseling, in seinem Kommentar herausarbeitet, bezieht sich Poliziano an dieser Stelle, ohne sie ausdrücklich zu nennen, unter anderem auf Sextus Empiricus, Cicero, Hieronymus und Horaz.144 Das Verhältnis der Philologie zu anderen Fächern besitzt damit zwei Dimensionen: Zum einen werden umfassende und gründliche Kenntnisse aller Wissenschaften als unentbehrliches Handwerkszeug für einen guten Philologen angesehen. Zum anderen soll ein Philologe der Aufgabe gewachsen sein, jeden Text ungeachtet seiner disziplinären Zugehörigkeit zu bearbeiten. In den Worten Polizians spiegelt sich das Selbstverständnis, als grammaticus gewissermaßen über den einzelnen Fächern zu stehen, ein Universalgelehrter zu sein, der alle Gebiete des Wissens beherrscht. Bezüglich der Textarbeit, etwa dem Editionswesen, das ja in nahezu allen Fächern im 15. und 16. Jahrhundert eine Schlüsselrolle bei der Rückgewinnung der antiken Wissensbestände spielt, ist seine Rolle tatsächlich nicht zu unterschätzen. Die Verbindung von Medizin und Philologie zeigt sich etwa an der Zusammenarbeit des profilierten Philologen Joseph Justus Scaliger mit dem Arzt François Vertunien, als Scaliger die Korrektur eines hippokratischen Traktats besorgte und Vertunien ihn ins Lateinische übersetzte.145 Probleme in der Philologie medizinischer Texte machte Scaliger dabei in der Inkompetenz einiger Iatrophilologen aus und benutzte medizinische Metaphorik, um entsprechende Missstände zu beschreiben. Mit der wachsenden Bedeutung der Edition und Übersetzung des antiken medizinischen Schrifttums gewannen philologische Kenntnisse auch schon während des Medizinstudiums an Bedeutung.146 Um das Corpus Hippocraticum und die galenischen Schriften entsprechend den neuen humanistischen Vorgaben zu bearbeiten, verlässlich zu edieren und zu lehren, mussten die Mediziner sprachliche und textkritische Kompetenzen erwerben. Man bemühte sich vor allem darum, die Quellentexte in den ursprünglichen Sprachen zu rekonstruieren. Die Vermittlung dieser für die Textarbeit an antiken medizinischen Texten relevanten Sprachkenntnisse und philologischen Techniken besorgten Lehrer wie Francesco Robortello, der als Professor für die humanitates in Padua lehrte. –––––––––––––– 144 A. Wesseling: Commentary, 1986, S. 99–102. 145 Vgl. dazu A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 180ff.; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 158ff. 146 Vgl. H. Jaumann: Iatrophilologia, 2001, S. 154–157.
2.2 Verortung der Textkritik in der (antiken) Gelehrsamkeit
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An Robortellos Schülern wie Basilius Amerbach oder Andrzej Nidecki Patrycy kann man wiederum sehen, wie auch die Rechtswissenschaften auf die humanitates angewiesen waren (siehe Kapitel 1.1.1, S. 20 und S. 21). Eine solide Ausbildung im Griechischen sowie die Kenntnisse der profanen auctores spielte bei Juristen eine Rolle, die die Rechtsquellen historisch interpretierten und die dafür zuständigen Texte kritisch edierten (siehe Kapitel 1.3.1, S. 66). Die Verbindung von spezialisierter Philologie und Rechtswissenschaft wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem in Frankreich, zunehmend auch im Norden Europas gepflegt. Gutes Beispiel dafür ist wiederum Schoppe, der in den Techniken und methodischen Einstellungen des mos Gallicus von seinen akademischen Lehrern unterrichtet wurde. Schoppe selbst wandte sich aus dem Studium des Rechts heraus der Reflexion philologischer Techniken zu, die er ausschließlich an Beispielen literarischer Texte entwickelte. 2.2.4 Textkritik, grammatische Gelehrsamkeit und Philologie Schoppe stellt seine Methodenlehre der Textverbesserung in einen breiteren konzeptuellen, begrifflichen und ideellen Kontext, den er durch den Rückgriff auf antike Vorbilder historisch fundiert. Seine Ars critica ist die einzige der drei hier untersuchten Abhandlungen, in der Textarbeit explizit mit historischen Traditionen in Verbindung gebracht wird. Dass Schoppe seine Abhandlung nicht wie Robortello und Canter ratio oder ars corrigendi nennt, sondern die Textverbesserung neben der Interpretation zur Kritik zählt und ausdrücklich so präsentiert, zeigt die Bedeutung, die er dieser Verhältnissetzung beimisst. Critica selbst kann wohl heute am treffendsten mit „Philologie“ erfasst werden. Schoppe gibt sich in einem eigens dieser Fragestellung gewidmeten Abschnitt große Mühe, das inhaltliche Konzept von critica auf antike Vorstellungen (etwa Quintilian und Sueton) zurückzuführen. Während er sich inhaltlich auf das antike Modell stützt, nimmt er bei der Bezeichnung seines Gegenstandes eine ambivalente Haltung ein. Mit der Verwendung von critica weicht er von gängigen, etwa von Quintilian und Sueton verwendeten Konventionen ab. Begrifflich stellt er sich implizit in die Tradition der pergamenischen Philologie, den Streit zwischen der pergamenischen und alexandrinischen Philologie referiert er aber nicht. Aufschlussreich ist ein Vergleich mit zeitgleichen Gedanken von Scaliger, der ebenfalls eine Ars critica publiziert. Scaliger ordnet die Kritik zwar – im Stil hellenistischer Vorstellungen – der grammatica unter, faktisch wird die Wertschätzung der kritik» aber zum Sinnbild für umfassende (Text-) Gelehrsamkeit. Das passt gut zu der in dieser Zeit beginnenden Ausprägung der polyhistorischen und enzyklopädischen Gelehrsamkeit.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Damit werden Vorstellungen von critica bzw. von Philologie an ein enzyklopädisches Gelehrsamkeitsideal geknüpft, das in der Antike im alexandrinischen Konzept des grammaticus entwickelt und in der frühen Neuzeit unter anderem von Poliziano aktualisiert wurde. Dieses enzyklopädische Wissenschaftsideal hebt auf Gründlichkeit der Wissensbestände und auf deren Breite ab – es erklärt allein den Philologen für die Bearbeitung von Texten aller Fachrichtungen für zuständig und und kompetent. Dieses Postulat ist insofern von grundlegender Bedeutung, als die philologische Editionsarbeit an ihren jeweiligen historischen Quellentexten tatsächlich in den meisten Disziplinen, wie in den Fächern der höheren Fakultäten Medizin und Jura, eine wichtige Aufgabe war.147 Bleibt zu klären, warum ausgerechnet Schoppe als einziger der drei diese Fragen aufgreift. Zum einen wird hier seine Jugend eine Rolle gespielt haben, da die ausdrückliche Anbindung an historische und disziplinäre Vorbilder sein Unterfangen mit einer gehörigen Portion Legitimität, Dignität und sachlichem Gewicht versorgt. Zum anderen deutet sich eine Diskussion um Status und Verfasstheit einer eigenständig werdenden Philologie sowie um das Verhältnis zwischen Philologie und anderen Fächern an. Diese Fragen berühren Schoppe stärker als Robortello und Canter – diese waren ja hauptberufliche Philologen, der eine als Professor der humanitates und der andere als Privatgelehrter. Schoppe dagegen beschäftigt sich als Jurist bzw. Student der Jurisprudenz mit der Philologie und steht vor allem durch seine Lehrer Rittershausen und Giphanius unter dem Einfluss historisch-kritischer Ansätze des mos Gallicus. Es geht ihm darum, die Eigenständigkeit und Professionalität der Philologie (auch gegenüber der Jurisprudenz) unter Beweis zu stellen.148 Unter Berücksichtigung dieses Gedankens muss folglich zwischen der critica als Gelehrsamkeitsvorstellung und als Philologie unterschieden werden. Letztere wird hier gefasst als eine gelehrte Tätigkeit mit eigenen gelehrten Praktiken, Methodenlehren, Publikationsgattungen und Terminologie. Die Philologie bringt Fachgelehrte hervor, die vom Bestreben geleitet sind, die Relevanz dieser Tätigkeit hervorzuheben. –––––––––––––– 147 Die Philologie und die Theologie bzw. die dort praktizierte Bibelkritik spielte in den Abhandlungen wahrscheinlich deswegen keine Rolle, weil die Bibelkritik in zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geprägt war von Gegenreformation und beginnender lutherischer Orthodoxie sowie der damit einhergehenden „Resakralisierung“ (H. Jaumann: Critica, 1995, S. 145). Die nüchterne textkritische Bearbeitung von Bibeltexten und ihre Reflexion ist erst wieder ab Anfang des 17. Jahrhunderts zu beobachten, beispielsweise an der Universität Leiden. Vgl. dazu: J. C. H. Lebram: Streit um die hebr. Bibel und die LXX, 1975; H. J. de Jonge: Study of the New Testament, 1975. 148 Vgl. Schoppes Gegenüberstellung der reales (Juristen) und verbales (Philologen) und seinen Hinweis auf die Verachtung der verbales durch die reales (Ars crit., 1597, fol. B4r–B4v).
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen Die Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe stehen jenseits ihrer Verfasstheit als Verbesserungslehren und ihrer Anbindung an antike Gelehrsamkeitsvorstellungen auch wegen ihrer Nähe zu einer Textgattung in einem besonderen Verhältnis zur Philologie. Ausgehend von der These des letzten Kapitels, dass die Anbindung an antike Gelehrsamkeitsideen vor dem Hintergrund von Selbstversicherungen einer zunehmend selbstständigen Philologie gelesen werden kann, stellt sich nun die Frage nach dem Verhältnis der Methodenlehren zu den Publikationsgattungen der Philologie. Und zwar geht es um jene Textformen, in denen die Ergebnisse philologischer Arbeit in der frühneuzeitlichen Gelehrtenwelt kommuniziert wurden. 2.3.1 Adversaria, annotationes und variae lectiones: frühneuzeitliche notae-Sammlungen Über die Tätigkeit von Philologen bemerkt der in Bologna als Professor für Rhetorik, Grammatik und Poetik wirkende Cordo Urceo Ende des 15. Jahrhunderts in einer Satire auf die philologische Gelehrsamkeit: Sed grammatici peritiores, qui se trivialibus annumerari dedignantur et merito, quoniam totam encyclopaediam noverunt ac profitentur et modo se scriptores modo auctores appellant, dies et noctes laborant ut scribant commentaria, noctes atticas, elegantias, epistolicas quaestiones, annotationes, observationes, castigationes, miscellanea, centurias, quaestiones Plautinas et alias, proverbia, antiquitates, collectanea, cornucopia[s], paradoxa, orationes, sermones, facetias.149
Urceo zählt die vielfältigen Arten und Titel von Gelehrtenschriften der Arbeit von Grammatikern auf, die in der Antike und, daran angelehnt, in der frühen Neuzeit benutzt werden. Insbesondere werden in diesen Schriften Konjekturen, Lesarten und Verbesserungen veröffentlicht. –––––––––––––– 149 „Aber die kundigeren Grammatiker verschmähen es, zu den Elementarlehrern gezählt zu werden, und zwar mit Recht, weil sie die ganze Enzyklopädie kennen, sie als ihre Berufung angesehen und sich bald Schriftsteller, bald Autoren nennen. Sie arbeiten Tag und Nacht und verfassen Kommentare, Attische Nächte, Elegantien, Briefuntersuchungen, Anmerkungen, Beobachtungen, Tadel, Miszellaneen, Zenturien, Plautinische und andere Untersuchungen, Sprüchesammlungen, Altertümer, Sammlungen, Füllhörner, Paradoxa, Reden, Gespräche und Fazetien.“ C. Urceo: Sermo primus, ed. postum. Opera 1502, fol. *A8r–A8v, zitiert nach W. S. Blanchard: Urceo’s satire on professionalism, 1990, S. 107 (mit englischer Übersetzung).
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Die durch Handschriftenvergleich und Konjektur gewonnenen Ergebnisse philologischer Arbeit werden entweder in die Textausgabe integriert oder gesondert veröffentlicht. Vor allem im 15. Jahrhundert werden Verbesserungen und alternative Lesarten aus anderen Handschriften direkt in den Text eingearbeitet, oft, ohne die Eingriffe gesondert auszuweisen. Daneben werden die varianten Lesarten als gedruckte Marginalnoten vom Text der Vorlage abgegrenzt. Damit orientiert man sich an der handschriftlichen Überlieferung von Texten, in denen Kollationen am Rand festgehalten werden.150 Auch werden Marginalnoten gelegentlich dazu benutzt, unsichere oder eindeutig falsche Lesarten zu vermerken, um aus ihnen Aufschlüsse über den Charakter von Textkorruption zu erhalten.151 Vor allem im Laufe des 16. Jahrhunderts werden dann Lesarten, Konjekturen und Anmerkungen zu Texten zunehmend losgelöst vom Veranimadversiones
J. Dousa Fil. (1594) I. Casaubon (1596) B. Rhenanus (1526) B. Rhenanus / S. Gelenius (1543) H. Glarean (1542) W. Canter (1566) M.-A. Muret (1550) A. Turnèbe (1581) A. Agustín (1581) J. Rivius (1539) P. Vettori (1581) J. J. Scaliger (1582) P. Vettori (1548,1560) M.-A. Muret (1554) K. Schoppe (1596) J. J. Scaliger (1581) G. Stewechius (1586) V. Acidalius (1607) G. Ferrario (1543) A. Agustín (1544) W. Canter (1568) A. Turnèbe (1581) A. Agustín (1581)
annotationes
castigationes
commentarius
coniectanea coniecturae divinationes emendationes
explanationes
explicationes
interpretationes lectiones variae lectiones notae
observationes opiniones parerga praecidanea quaestiones scholia
scripturae variantes symbola critica
F. Robortello (1548) V. Maggi / B. Lombardi (1550) F. Robortello (1548) W. Canter (1568) P. Vettori (1581) V. Acidalius (1607) I. Casaubon (1584) K. Schoppe (1597) J. J. Scaliger (1581) J. Schegk (1593) J. Mercier (1596) H. Estienne (1554) M. Freher (1588) A. Agustín (1544) M. Freher (1588) J. Dousa (1581) J. Dousa (1582) G. Stewechius (1586) P. Manuzio (1543) C. Sigonio (1555) W. Canter (1569) C. Langius (1566) K. Schoppe (1605)
Abb. 15: Titel von notae-Sammlungen zu einzelnen Texten
–––––––––––––– 150 Die Übernahme der Marginalglossen aus den Darstellungskonventionen von Handschriften in den Buchdruck wird aus der Perspektive der Entwicklung von Druckformaten am Beispiel der Juvenal-Editorik besprochen von D. J. Shaw: Les Satires de Juvénal avant 1601, 1988, besonders S. 302f. Vgl. dazu auch G. Powitz: Text und Kommentar im Buch des 15. Jhds., 1981. 151 So etwa Schoppes Lehrer Konrad Rittershausen in seiner Oppian-Ausgabe. Vgl. dazu: K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. ll3v.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
139
weistext publiziert. Die spezifischen Formen und Arten, Ergebnisse textkritischer Arbeit zu veröffentlichen, sind für das Verständnis der Philologie in dieser Zeit wesentlich. Die nachfolgenden Erläuterungen wurden unter anderem durch Jean-Marc Chatelains instruktiver Studie angeregt.152 Das steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Abkürzungen, Sigelverzeichnissen und Handschriften-Beschreibungen (siehe Kapitel 3.4). Die vielfältigen Titel philologischer Schriften weisen erhebliche Disparatheit auf. In den Abbildungen 15 und 16 werden jene Titel aufgezählt, die im Zusammenhang mit den Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe stehen.153 Dies vermittelt einen Eindruck von der Vielfältigkeit der philologischen Produktion, wie auch vom Einfallsreichtum ihrer Verfasser. Unter den Titeln finden sich solche, deren Bedeutung weitgehend leicht verständlich ist, dazu zählen allgemein gehaltene Titel wie animadversiones, observationes, opiniones und quaestiones sowie Titel aus der Kommentarliteratur wie commentarius, explanationes, explicationes und interpretationes. In diesem Zusammenhang stehen auch die scholia, mit denen etwa adversaria
A. Turnèbe (1565, 1573, 1581) adversaria subseciva P. Pithou (1565) animadversa A. Junius (1556) animadversiones I. Casaubon (1600) annotationes F. Robortello (1543, 1548, 1557) centurionatus J. Dousa (1587) coniectanea verisimiliaL. Fruterius (1605) emendationes C. Sigonio (1557) J. Schegk (1590) antiquae lectiones L. Carrion (1576) J. Lipsius (1585) novae lectiones W. Canter (1564, 1566, 1571) novantiquae lectiones F. Modius (1584)
suspectae lectiones variae lectiones
miscellanea
observationes praemessa quaestiones spicilegia succidanea suspiciones
sÚmmikta verisimilia
K. Schoppe (1597) P. Vettori (1553, 1568, 1582) M.-A. Muret (1559, 1580) A. Poliziano (1489) J. Brodeau (1555) P. Nannius (1548) J. Schegk (1590) J. Schegk (1590) J. Gulielmus (1583) J. M. Palmerius (1580) J. Dousa (1582) J. Gruter (1591) P. Nannius (1548) J. Gulielmus (1582) L. Fruterius (1584) K. Schoppe (1596)
Abb. 16: Titel von vermischten notae-Sammlungen
–––––––––––––– 152 J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997. 153 Abgesehen von den in den Abhandlungen selbst genannten Schriften werden Arbeiten berücksichtigt, die in der Forschungsliteratur besprochen oder im Laufe der weiteren Untersuchung relevant werden. Alle hier genannten Titel sind im Verzeichnis der Primärliteratur mit ihrem ausführlichen Titel und dem Nachweis einer besitzenden Bibliothek angeführt. Auf Schoppes Aufzählung von Philologica im biobibliographischen Abschnitt de criticis et philologis recentioribus wird hier dagegen aus Verhältnismäßigkeitsgründen nur in Ausnahmen zurückgegriffen (siehe dazu S. 96).
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Paolo Manuzio direkt auf eine antike und mittelalterliche Kommentarbezeichnung zurückgreift. Weiterhin gibt es die annotationes, notae, lectiones und scripturae, Bezeichnungen der Anmerkungen und Lesarten. Castigationes und emendationes heben auf den Vorgang der Textverbesserung ab, coniectanea, coniecturae und divinationes evozieren dabei einen spekulativen Charakter von Texteingriffen.154 Coniectanea und adversaria wurden als Titel in der frühen Neuzeit so populär, dass Adrian Junius (1511–1575) sie sogar in sein mehrsprachiges Wörterverzeichnis Nomenclator (1567) aufnahm. Zu den coniectanea schreibt er: Coniectanea, Libri quibus coniecturas nostras inserimus. Stocastikoˆ lÒgoi.155
Die adversaria werden im Nomenclator unter Bezug auf eine Stelle bei Cicero etwas länger besprochen: Adversaria Ciceroni, tabellae tumultuaria opera perscriptae, & lituris non carentes, quibus memoriam rerum adnotamus adversa pagina, unde nomen illis est: non autem quod ea advertebant homines ad confirmandam memoriam, uti vir magni nominis existimat. quibus opponuntur Tabulae a Cicerone, quod illa negligenter scribuntur, hae cum diligentia & accurate conficiuntur. AL. Sudlbuch. B. Cladtboeck / cladde. G. Borderaus, brouillars. IT. Protocolo.156
Die Bedeutung, die dieser aus der Handelssprache stammende Ausdruck in der frühen Neuzeit annahm, verdeutlichen die volkssprachlichen Übersetzungen des Adrian Junius: Adversaria waren Skizzen- und Entwurfsbücher. Dabei steht das Moment der Vorläufigkeit im Vordergrund. Daran knüpft sich in anderen Titeln noch das Motiv der Nebensächlichkeit, etwa in den adversaria subseciva (sonstige Adversarien), oder in den aus dem Griechischen abgeleiteten parerga (Nebensachen). Außerdem gibt es noch –––––––––––––– 154 Die Vielfalt der Bezeichnungen scheint unerschöpflich: Friedrich Ritschl verzeichnet über diese Aufstellung hinaus noch Titel wie racemationes, decimationes, electa, analecta, epistolica und curae criticae (Kleine philol. Schriften 2: Plautus, 1868, S. 133 (Fn. 75)), Denis L. Drysdall außerdem noch elegantiae, paradoxa, dispunctiones und praetermissa (Alciato and the grammarians, 2003, S. 696) und in der oben zitierten Aufstellung von Codro Urceo finden sich noch commentaria, noctes atticae, centuriae, proverbia, antiquitates, collectanea, cornucopiae, paradoxa, orationes, sermones und facetiae. 155 „Coniectanea. Bücher, in die wir unsere Vermutungen eintragen. Auf Vermutung beruhende Erörterungen.“ A. Junius: Nomenclator, 1567, S. 5 (Hervorhebung ed. 1567). 156 „Die adversaria sind für Cicero Notizen, die ohne große Vorbereitung verfasst und nicht frei von Ausstreichungen sind. Auf der Vorderseite notieren wir in ihnen erinnerungswürdige Dinge, woraus sich ihr Name ergibt, und nicht etwa, weil sie [die adversaria] die Menschen dazu bewegen, die Erinnerung festzuhalten, wie ein Mann mit großem Namen meint. Cicero setzt sie in Gegensatz zu tabulae, weil jene [die adversaria] nachlässig, diese [die tabulae] aber mit Sorgfalt und genau geführt werden. Deutsch Sudlbuch, belgisch Cladtboeck oder cladde, französisch Borderaus, brouillars, italienisch Protocolo.“ A. Junius: Nomenclator, 1567, S. 3 (Hervorhebungen in ed. 1567). Eine französische Übersetzung dieses Artikels bietet J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997, S. 175, durch den ich auf diese Stelle aufmerksam geworden bin. Zu den adversaria vgl. auch die ausführliche, von Chatelain abhängige Besprechung in J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 197–204.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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allerlei verschiedene Bezeichnungen wie sÚmmikta, miscellanea (Vermischtes), verisimilia (Wahrscheinliches), spicilegia (Lesefrüchte), symbola critica (kritische Beiträge), praecidanea (bisher Gesammeltes), succidanea (Stellvertretendes) und centurionatus (Zenturionenstab, Auserwähltes). Die Vielfalt der Titel bildet ein schönes Zeugnis von der Phantasie frühneuzeitlicher Gelehrter, gleichzeitig aber auch eine gewisse Schwierigkeit für den modernen Historiker auf der Suche nach einer geeigneten Bezeichnung für diese philologische Gattung. In der Forschungsliteratur konnte sich bisher keine einheitliche Bezeichnung durchsetzen. Viele umgehen das Problem und beschränken sich darauf, diese Sammlungen zu beschreiben. Dabei handelt es sich beispielsweise um einen „type of selective philological annotations“,157 einen „recueil“ von „divers travaux philologiques“158 bzw. ein „compendium of readings from a huge range of classical texts“,159 um „miscellaneous observations on classical authors and the allusions in them“,160 um „Miszellensammlungen mit philologischen und antiquarischen Beobachtungen“161 und um „collections of variae lectiones, adversaria, or castigationes“.162 Andere wieder orientieren sich in ihrer Bezeichnung an den frühneuzeitlichen Titeln wie Ann Blair, die von Variae lectiones spricht, oder an einzelnen konkreten Schriften, so etwa Anthony Grafton mit seiner Rede von den „miscellanies“ (in Anlehnung an Polizianos Miscellanea) oder Jean-Marc Chatelain mit seinen „adversaria“ (nach Turnèbes Adversaria).163 Wie die beiden Zusammenstellungen in den Abbildungen 15 und 16 zeigen, ist es auch deswegen ein Problem, diese Textgattung treffend zu bezeichnen, weil sich darunter sowohl Sammlungen zu einzelnen als auch zu mehreren antiken Texten und Autoren finden. Außerdem vereinen diese Sammelschriften unterschiedliche Dinge in sich – das reicht von einfachen Lesartenlisten über Verbesserungen und Konjekturen bis hin zu Editionen von Fragmenten, kleinen Abhandlungen, privaten Eindrücken und Polemiken. Aus diesem Grunde scheint es angebracht, eine möglichst neutrale Bezeichnung für diese Textgattung zu wählen. Außerdem soll vermieden werden, mit der Bezeichnung eine konkrete Schrift als Modell zu implizieren. In diesem Buch ist deshalb von „notae-Sammlungen“ die Rede. –––––––––––––– 157 158 159 160 161
D. L. Drysdall: Alciato and the grammarians, 2003, S. 696. A. Polet: Petrus Nannius, 1936, S. 144. J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 197. W. S. Blanchard: Urceo’s satire on professionalism, 1990, S. 102. I. Herklotz: Dal Pozzo und die Archäologie des 17. Jhds., 1999, S. 209 (den Hinweis auf Herklotz verdanke ich Jan Marco Sawilla). 162 J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 9 (Hervorhebungen bei O’Brien). 163 A. Blair: The collective commentary, 2006; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 18; J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
2.3.2 Philologie zwischen sozialer Profilierung und fachlicher Professionalisierung Obwohl er nie eine Textedition veröffentlichte, sind Angelo Polizianos Verdienste um die Literatur lateinischer und griechischer Schriftsteller unbestritten. Auf Drängen von Freunden und Förderern stellte er aber einige seiner textkritischen Bemerkungen und Verbesserungen, die sich sonst nur handschriftlich am Rand der von ihm bearbeiteten Manuskripte vermerkt finden, in einer gesonderten Publikation zusammen, die er Miscellanea nennt.164 Als Vorbilder dienen ihm – wie er im Widmungsbrief an seinen Gönner Lorenzo de’ Medici erläutert – Aelian und Aulus Gellius: At inordinatam istam, & confusaneam quasi silvam, aut farraginem perhiberi, quia non tractim & continenter, sed saltuatim scribimus, & vellicatim, tantum abest uti doleamus, ut etiam titulum non sane alium, quam Miscellaneorum exquisiverimus, in queis Graecum tamen Helianum, Latinum sequimur Gellium, quorum utriusque libri varietate sunt, quam ordine blandiores.165
Poliziano greift in seinen Miscellanea die Machart von Aelians De natura animalium und der Noctes Atticae des Gellius auf, zweier enzyklopädisch ausgerichteter Sammlungen umfangreicher Notizen, Anmerkungen und Exzerpte zum Wissen der antiken Welt. Auch Poliziano ordnet seine Kommentare in kürzeren Kapiteln zu einzelnen Begriffen oder besprochenen Wörtern an. Inhaltlich stehen solche notae-Sammlungen zwischen der mittelalterlichen Kommentartradition, etwa der accessus ad auctores, und der frühneuzeitlichen Einleitungsliteratur.166 –––––––––––––– 164 Die Miscellanea wurden zu Lebzeiten Polizians nur zum Teil im Jahre 1489 veröffentlicht (centuria prima). Der Fund eines (unvollendeten und unvollständigen) Manuskripts der centuria secunda wurde 1961 in Italien gemeldet und in einer bemerkenswerten vierbändigen kritischen Ausgabe (editio maior) von Vittore Branca und Manlio Pastore Stocchi 1972 veröffentlicht – ich zitiere in dieser Arbeit nach der editio minor, herausgegeben von denselben 1978. Vgl. dazu I. Maïer: La deuxième centurie des ‚miscellanea‘, 1962; F. Lo Monaco: Politian’s ‚Miscellaneorum Centuria Secunda‘, 1989. 165 „Aber es wird hier sozusagen ein ungeordnetes, wirres Gestrüpp beziehungsweise ein Mancherlei geboten, weil ich ja nicht fortlaufend und zusammenhängend schreibe, sondern sprunghaft und zusammenhangslos. Doch ich bin weit davon entfernt, deswegen betrübt zu sein. Auch wählte ich dafür gerade den Titel der Miscellanea [Vermischtes], worin ich doch dem Griechen Aelian und dem Römer Gellius folge. Deren beider Bücher bestechen weniger durch ihre Ordnung als vielmehr durch ihre Vielfalt.“ A. Poliziano: Epistola dedicatoria, in: Miscellanea centuria prima, 1489 (ed. 1553), S. 213. Zitiert auch in J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997, S. 181 (mit französischer Übersetzung). 166 Zur Geschichte des Kommentars vgl. K. Krautter: Beroaldos Kommentar zu Apuleius, 1971; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 12–22; A. J. Minnis: Medieval theory of authorship, 1984, S. 9–39; R. Stillers: Literaturtheorie in der ital. Renaissance, 1988, S. 68–78; D. Kelley, Art. „Accessus ad auctores“, HWR 1, 1992, Sp. 27–36; H.-G. Roloff: Geschichte des editorischen Kommentars, 1993, S. 4–11; H. Jaumann: Critica, 1995, S. 108–120.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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2.3.2.1 Vermischte notae-Sammlungen Philologen in der Nachfolge Polizians imitierten seine Miscellanea, und vor allem im 16. Jahrhundert setzten sich solche Schriften als neue Textgattung zur Darstellung gesammelter philologischer Einzelprobleme durch.167 Hier werden Anmerkungen in kurzen Abschnitten einzeln abgehandelt, die meist mit einer Überschrift locker ohne inhaltlichen Zusammenhang angeordnet werden. Der Bezug auf Polizianos Miscellanea ist bei vielen Philologen explizit, entweder durch entsprechende Aussagen in Vorworten oder durch die Übernahme des Titels – beides lässt sich etwa in den Miscellanea des Jean Brodeau (c.1550–1563) beobachten.168 Besonders erfolgreich in dieser Gattung ist der Florentiner Gelehrte Piero Vettori, der ein Vorbild für Robortello war. Vettoris Variae lectiones werden von Robortello und Schoppe genannt.169 Über den zweiten Band von 1568 schreibt der ungarische Handschriftensammler Johannes Sambucus (1531–1584) in einem Brief vom 1. September 1568 an Vettori: Secundum lectionum tomum discupio videre et quamprimum ex eo locupletior ornatiorque fieri. Multi hodie tuo praecipue exemplo id genus scriptionis arripuere sive potius corrupere.170
Wenngleich die notae-Sammlungen hochrangiger Gelehrter wie Vettori Bewunderung und Hochachtung bei den Zeitgenossen hervorriefen, so klingt in Sambucus’ Worten auch eine ambivalente Haltung zu dieser philologischen Gattung an: Notae-Sammlungen geringerer Geister wird oft Beliebigkeit und Karrierismus vorgeworfen. Ein prominenter Verächter von solchen buntgemischten notae-Sammlungen ist Joseph Justus Scaliger, der in einem Brief an Janus Dousa d.Ä. die Meinung äußert, dass sich in ihnen offensichtlich vor allem der Ehrgeiz der Philologen austobe (Philologorum ambitio lascivire).171 An anderer Stelle bezeichnet er die Adversaria des –––––––––––––– 167 Vgl. zur Geschichte der notae-Sammlungen: W. Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat, 1982, S. 292; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 21f.; A. Grafton: Scholarship of Poliziano, 1991, S. 48–51; J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 9–13; J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997; J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 197–204; I. Herklotz: Dal Pozzo und die Archäologie des 17. Jhds., 1999, S. 209; D. L. Drysdall: Alciato and the grammarians, 2003; A. Blair: The collective commentary, 2006. 168 Vgl. A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 80, 262 (Fn. 50); J. O’Brien: Anacreontic translation in 16th c. France, 1995, S. 9f. 169 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/31f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. Cv. 170 „Ich wünsche mir von ganzem Herzen, den zweiten Band Deiner Lectiones zu sehen und aus ihm so bald wie möglich reicher und geschmackvoller [gebildet] zu werden. Heute rissen viele [Philologen] besonders nach Deinem Beispiel diese Gattung [philologischer] Arbeit an sich, oder vielmehr: sie verdarben sie.“ Zitiert in: H. Gerstinger: Sambucus’ Briefe, 1968, S. 89. Der ganze Brief mit Paraphrase und Kommentar ebenda, S. 88–92. 171 J. H. Waszink: Classical philology, 1975, S. 164. Vgl. auch R. Zuber: Scaliger et Saumaise à Leyde, 1980, S. 468.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
Adrien Turnèbe gar als abortivus foetus.172 Scaligers Geringschätzung gründet unter anderem darauf, dass notae-Sammlungen in ihrer formalen und thematischen Gestaltung weitgehend offen sind und zu unterschiedlichsten Zwecken gebraucht werden. Im Hinblick auf ihre äußere Form etwa ermöglicht die Unabgeschlossenheit, dass viele notae-Sammlungen immer weiter umgeschrieben und erweitert werden, das gilt für Robortello und Canter genauso wie für Vettori und Turnèbe.173 Vettoris Variae lectiones erscheinen zum ersten Mal 1553 in 25 Büchern. 1568 präsentiert Vettori weitere XIII novi libri variarum lectionum, um dann 1582 nochmals alle 38 Bücher überarbeitet herauszugeben.174 Ähnlich ist der Fall bei Turnèbe gelagert: Die erste Auflage der Adversaria erscheint in zwei Bänden mit insgesamt 24 Büchern im Jahre 1565. Der dritte Band mit sechs Büchern 25 bis 30 wird postum 1573 von seinem gleichnamigen Sohn herausgegeben. Alle drei Bände zusammen erscheinen erst 1580 und 1581 in Paris und Basel.175 In notae-Sammlungen werden unterschiedlichste Themen behandelt.176 Die Variae lectiones des Piero Vettori beispielsweise enthalten nach einer Beschreibung seines Biographen Wilhelm Rüdiger ... alles das Wissenswerthe und Merkwürdige, was bei der Lectüre der lateinischen und griechischen Schriftsteller und Dichter Victorius sich dargeboten hatte. Textverbesserungen, Wiedergabe griechischer Worte und Redensarten durch die entsprechenden lateinischen, Erklärungen seltener Ausdrücke und Redewendungen haben dieselben zum Inhalte.177
Die Disparatheit, die diese Sammlungen zuweilen annehmen, lässt sich auch gut an den SÚmmikta sive Miscellanea von 1548 zeigen, in denen Petrus Nannius unter anderem Fragen der Übersetzungstheorie und der Rolle der Kommentierung beim Verderbensprozess von antiken Texten bespricht, aber auch Lesarten aus zahlreichen Handschriften und Konjekturen zu Terenz, Horaz, Ps.Acron, Livius, Cicero und anderen veröffentlicht, eine ––––––––––––––
172 Die Stelle zum abortivus foetus wird an verschiedenen Stellen erwähnt, etwa bei L. D. Reynolds/ N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 173f.; J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 197 (Fn. 163). 173 Zur Erinnerung: Robortellos Annotationes erschienen 1543, erweitert 1548 sowie zwei neue Bände 1557 (siehe S. 28). Canters Novae lectiones wiederum wurden zum ersten Mal 1564 veröffentlicht sowie erweitert 1566 und 1571 (siehe S. 58). 174 Zu Vettoris Variae lectiones vgl. auch: W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 43f., 65f., 82. 175 Zu den Adversaria des Turnèbe vgl. J. Lewis: Adrien Turnèbe, 1998, S. 202ff. Erinnert sei noch an die zu Lebzeiten veröffentlichten zwei Bücher an Verisimilia sowie das postum herausgegebene Buch drei an Conieactanea verisimilia von Lucas Fruterius. 176 Auch Rainer Stillers unterscheidet in seiner Habilitation über den humanistischen Kommentar beispielsweise in Polizianos Kommentaren fünf Themenbereiche: „(1) Textkritik, (2) Sprachliches, (3) Sacherläuterungen, (4) Rhetorisches, (5) Poetisches bzw. Poetologisches.“ (Literaturtheorie in der ital. Renaissance, 1988, S. 71). Vgl. dazu J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997, S. 175–178. 177 W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 43.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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editio princeps der Vita Horatii des Sueton präsentiert und im achten Buch Erasmus gegen Robortellos Angriff in Schutz nimmt.178 Die offene Form der notae-Sammlungen macht die Gattung zu einem geeigneten Instrument, um die eigenen Kompetenzen günstig darzustellen und gleichzeitig andere Philologen zu demontierten, gerne wird auf methodisch geleitetes textkritisches Arbeiten verwiesen. Wie sehr dabei das Moment der sozialen Profilierung eine Rolle spielt, zeigt der Blick auf notae-Sammlungen, die im Kontext des Methodenstreits stehen, also etwa Turnèbes Adversaria, Brodeaus Miscellanea und Vettoris Variae lectiones, ebenso Robortellos Annotationes von 1557 (siehe Kapitel 1.1.4).179 Vermischte notae-Sammlungen waren also, um die Worte des Frühneuzeitforschers Luc Deitz zu bemühen, „Sammlungen gelehrter Abhandlungen über Gott und die Welt, in denen die Verfasser meist ohne erkennbare Ordnung ihre Lesefrüchte zusammentrugen“.180 Wie auch an Nannius’ SÚmmikta sive Miscellanea deutlich wird, handelt es sich dabei um Themen, die meist eng mit Textarbeit verbunden sind und dem Leser ein Höchstmaß an philologischem Interesse und Gelehrsamkeit abverlangen. 2.3.2.2 Notae-Sammlungen zu einzelnen Texten Die enge Bindung an philologische Belange weisen vor allem notaeSammlungen auf, die speziell zu einzelnen Autoren oder Texten zusammengestellt wurden. Ihren Sinn erläutert Josia Mercier eindrücklich im Vorwort zu einer notae-Sammlung von 1596: Quae certa putavi, adscribsi [sic] orae libri, ceterorum coniecturam, simul rationem eorum quae adscribsi [sic], & quorumdam difficiliorum illustrationem | servavi his notis.181
Die Ergebnisse seiner philologischen Beschäftigung mit dem AristainetosText verarbeitet Mercier dieser Beschreibung gemäß folgendermaßen: Lesarten und unstrittige Verbesserungen vermerkt er direkt am Rand im Text. Unsicherere Konjekturen sammelt er in dem eigenen Abschnitt, den –––––––––––––– 178 Vgl. dazu auch Eyssenhardt: Art. „Nannius“, ADB 23, 1886, S. 245; A. Polet: Petrus Nannius, 1936, S. 144–168; T. Brechenmacher: Art. „Nannius“, BBK 6, 1993, Sp. 446–448. 179 Über Nannius’ notae-Sammlung bemerkt in diesem Sinne Amédée Polet: „Sans être volumineux, ce recueil est l’un de ceux qui ont le plus contribué à établir la renommée philologique de son auteur; il donne, en effet, une idée générale de sa sagacité, de la modération de son caractère et de l’étendue de son érudition.“ (Petrus Nannius, 1936, S. 144). 180 Frühneuzeitliche Texte und ihr heutiges Publikum, 2000, S. 128. 181 „Diejenigen [Verbesserungen], die ich für sicher hielt, schrieb ich an den Rand des Textes. In diesen Anmerkungen [dagegen] bewahrte ich die Vermutung der Anderen auf, die Begründung für das, was ich an den Rand geschrieben habe, sowie die Erläuterung einiger schwierigerer [Stellen].“ J. Mercier: Notae ad Aristaenetem, 1596, S. 169f.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
er der Edition anhängt und mit Notae ad Aristaenetem überschreibt. Außerdem erläutert er, woher die im Text an den Rand geschriebenen Lesarten stammen, und diskutiert andere schwierige Stellen. Seine umfangreichen Notae finden sich in der Aristainetos-Ausgabe in der laufenden Seitenzählung auf den Seiten 169 bis 239 abgedruckt. Auch wenn solche notaeSammlungen oft im Zusammenhang mit konkreten Texteditionen stehen, wurden sie doch als eigenständige Publikationen aufgefasst und mit eigenem Titel geführt. Solche notae-Sammlungen zu einzelnen Texten konstituieren wesentlich die beginnende systematische Erforschung einzelner Texte durch eine ganze Gelehrtengemeinschaft. Davon zeugt die zunehmende Anzahl von Publikationen, die mehrere spezialisierte notae-Sammlungen verschiedener Philologen umfassen. Das lässt sich an einem Beispiel aus der VarroPhilologie zeigen. Unter der Federführung von Joseph Justus Scaliger entstehen mehrere Auflagen von Zusammenstellungen bedeutender notaeSammlungen zu Varros De lingua Latina und De re rustica. Hier sei die dritte Auflage von 1581 vorgestellt, in der Scaliger die Textedition von Antonio Agustín zugrunde legt – Agustíns Varro-Text von 1554 sollte die Standardausgabe bis zu jener von Leonard Spengel von 1826 bleiben.182 Der Varro-Text wird begleitet von einer Reihe von notae-Sammlungen: Neben Scaligers eigenen Coniectanea zu De lingua Latina und seinen Notae zu De re rustica enthält die Ausgabe noch Adrien Turnèbes Annotationes et emendationes zu De lingua Latina, die aus dessen Adversaria entnommen sind, Agustíns Annotationes et emendationes sowie Piero Vettoris Explicationes suarum castigationum zu De re rustica, der hier die Verbesserungen zu seiner eigenen Varro-Ausgabe erklärt. Damit gelingt es Scaliger, die Arbeiten einiger der herausragendsten Gelehrten seiner Zeit zu einem Schriftsteller kompakt in einer Veröffentlichung zu versammeln und zugänglich zu machen. Etwas Ähnliches findet sich auch in der Plautus-Ausgabe von Johannes Sambucus von 1566. Auch hier werden Arbeiten von frühneuzeitlichen Gelehrten zusammengefasst, nämlich die von Johannes Camerarius, Adrien Turnèbe und Adrian Junius. Besondere Beachtung verdienen au–––––––––––––– 182 Agustíns Ausgabe basiert auf einem verderbten unbekannten Manuskript und den Lesarten eines weiteren verlorenen Manuskripts, das teilweise Piero Vettori kollationierte. Trotz der schlechten Textgrundlage gelang es Agustín und seinen Mitarbeitern, unter denen sich auch Gabriele Faerno und Fulvio Orsini (1529–1600) befanden, viele wichtige Stellen zu verbessern. Agustín erkennt als erster den Zusammenhang und die richtige Reihenfolge der erhaltenen Bücher, was er in seiner Einleitung unter dem Titel Ordo et ratio librorum de lingua Latina, et quo tempore scripti sunt vorstellt (in: Varro: De lingua Latina, ed. A. Agustín, 1554, S. 1–4). Zur Textüberlieferung von Varro und zur Varro-Philologie vgl. V. Brown: Varro (CTC), 1980; L. D. Reynolds: Varro (Texts & transmission), 1983; D. J. Taylor: Prolegomena, 1996, S. 43ff. Vgl. zur dieser Ausgabe: V. Brown: Varro (CTC), 1980, S. 480ff.; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 107ff., 127f.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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ßerdem die hier publizierten Variantes scripturae in Plautem von Carolus Langius (bis 1573). Die Lesarten, wie es im Titel der Schrift heißt, dreier Handschriften zu den sieben Komödien des Plautus (trium exemplarium MS. in VII comoedias Plauti), die Langius kollationierte, werden in zwei Spalten gefasst und als reine Aufzählung präsentiert. Auf Erläuterungen wird vollständig verzichtet. Eine andere solche Lesartenliste begegnete uns bereits im Zusammenhang mit Schoppes philologischen Arbeiten, wurden doch seine Lectiones variae in Tertulliani Apologeticum im Anhang der großen Tertullian-Ausgabe von 1597 mit einem Vorwort von Franciscus Junius abgedruckt (siehe Kapitel 1.3.2, S. 75). Auch hierbei handelt es sich um eine Liste einzelner Lesarten. Mit den notae-Sammlungen etablierte sich im 16. Jahrhundert eine Gattung, die vor allem für die Veröffentlichung von spezialisierten Ergebnissen philologischer Forschung genutzt wurde. Die Präsentation dieser an sich trockenen Angelegenheit wird in den notae-Sammlungen oftmals mit Polemik gegen andere und der Profilierung der eigenen Kompetenzen verbunden. Innerhalb dieser Gattung bilden sich zwei Typen heraus. Zum einen findet man bunt gestaltete notae-Sammlungen, die thematisch ein mitunter breites Spektrum an Themen und behandelten Texten abdecken und deswegen oftmals Kritik ausgesetzt sind. Außerdem gibt es notaeSammlungen, die nur Anmerkungen, Lesarten und Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Texten enthalten. Solche notae-Sammlungen weisen eine hohe Spezialisierung auf, weil sie sich auf einen Text und auf die Diskussion der Textgestalt beschränken. Die Spezialisierung schlägt sich auch in der Publikationsweise nieder, da in Texteditionen zunehmend notae-Sammlungen verschiedener Philologen zusammengestellt werden. Eine Unterart dieser spezialisierten notae-Sammlungen bilden schließlich die Lesarten-Listen, die oftmals reine Kollationen einzelner oder mehrerer Handschriften beinhalten. 2.3.3 Artes corrigendi und die notae-Sammlungen Im 16. Jahrhundert benutzten Philologen notae-Sammlungen, um die Ergebnisse ihrer Forschung zu veröffentlichen und zum ihre kritischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Gutes Beispiel sind Robortello, Canter und Schoppe selbst. Sie eint nicht nur, dass sie dafür die gleiche Textgattung gebrauchten, sondern auch, dass notae-Sammlungen jeweils ihre erste philologische Veröffentlichung waren. Die erste Auflage von Robortellos Annotationes erscheint 1543, als er 27 Jahre alt ist, die Novae lectiones kom-
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
men 1564 heraus – da ist Canter gerade mal 22 – und Schoppes erste Veröffentlichung sind seine Verisimilia von 1596, die er mit 20 verfasst.183 Sie nutzen gemischte notae-Sammlungen als Publikationsdebüt, was etwa auf formale Aspekte der Gattung zurückgeführt werden kann. Diese Textgattung ist einfach zu handhaben und ihre offene Form lädt auch junge Philologen dazu ein, so erste Arbeiten zu präsentieren. Auch in ihren notae-Sammlungen findet soziale Funktionalisierung durch Traditionsanbindung, Kompetenzaufweis und Polemik statt. Robortello beispielsweise richtet in seinen Annotationes von 1557 eine bissige Polemik gegen Carlo Sigonio, Paolo Manuzio und andere (ausführlich siehe Kapitel 1.1.4) – auch Sigonios nicht minder vehemente Entgegnung in seinen Emendationes aus dem gleichen Jahr zeigen deutlich, wie vermischte notae-Sammlungen als Beiträge in Fachdebatten eingesetzt wurden. Damit verfügen sie über ein deutliches Moment der Selbstdarstellung und positiven Profilierung. Canter ist in dieser Hinsicht zurückhaltender. Über die Gattung der vermischten notae-Sammlungen vermerkt er im Vorwort zu den Novae lectiones von 1566: alii, quae variis in autoribus [sic] annotarant atque emendarant, in unum omnia locum collecta, iucundissimaque varietate distincta sic in publicum emiserunt, ut avidissime fuerint ab omnibus arrepta. In his fuere nostra memoria, ne cunctis recensendis fiam longior, apud Italos P. Victorius & F. Robortellus: apud Gallos M. A. Muretus & A. Turnebus: apud Belgas nostros P. Nannius & A. Iunius.184
Canter markierte damit weniger soziale Zugehörigkeit als vielmehr fachliche Kompetenz. Alle sechs hier erwähnten Philologen waren herausragende und anerkannte Vertreter ihres Faches – und Verfasser von breit rezipierten notae-Sammlungen: Zum Zeitpunkt von Canters zweiter Auflage der Novae lectiones waren dies Vettoris Variae lectiones von 1553, Robortellos Annotationes von 1543, 1548 und 1557, Marc-Antoine Murets erste Auflage der Variae lectiones von 1559, Turnèbes Adversaria (erste Auflage von 1565), die SÚmmikta sive Miscellanea des Petrus Nannius von 1548 sowie die Animadversa des Adrian Junius von 1556. Einige dieser Schriften spielten eine zentrale Rolle im herrschenden Methodenstreit: Robortellos –––––––––––––– 183 Über Robortellos erste notae-Sammlung von 1543 kann nachgelesen werden: „All’origine di questo tipo di contributi filologici caratterizzati da osservazioni isolate a luoghi di podere classiche stanno i Miscellanea del Poliziano.“ (A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 76; Hervorhebung bei Carlini). 184 „Andere haben alles zusammengestellt, was sie bei verschiedenen Autoren angemerkt und verbessert hatten. Sie gliederten es in erfreulicher Vielfalt und publizierten es so, dass es Alle begierig an sich rissen. Unter ihnen waren zu unserer Zeit, um bei der Aufzählung nicht zu lang zu werden, bei den Italienern P. Vettori und F. Robortello, bei den Franzosen M.-A. Muret und A. Turnèbe sowie bei den Unsrigen, den Belgiern, P. Nannius und A. Junius.“ W. Canter: Epistola ad lectorem, in: Novae lectiones, ed. sec. 1566, S. 8.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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Annotationes, Murets Variae lectiones und Turnèbes Adversaria. Sigonio sollte die SÚmmikta sive Miscellanea des Nannius in diesem Zusammenhang auch gegen Robortello verwenden, ungeachtet dessen, dass sich Nannius’ dortige Angriffe gegen eine frühere notae-Sammlung Robortellos (von 1543) richteten. Dort kritisierte Robortello Erasmus von Rotterdam, was mit diesem Methodenstreit in keinem direkten Zusammenhang steht.185 Canter übergeht den polemischen Kontext dieser notae-Sammlungen vollständig und hebt in seiner Argumentation allein auf die Kompetenzen der Philologen ab. Er bindet sich damit ausdrücklich an die Tradition der notae-Sammlungen an und betont dabei vor allem den Aspekt der Professionalität. In den Verisimilia und Suspectae lectiones veröffentlichte der junge Schoppe seine ersten philologischen Arbeiten, mit denen er sich – wie schon Robortello – in der Gelehrtengemeinschaft einbinden wollte. Er widmete jedes der vier Bücher der Verisimilia einem einflussreichen Gelehrten und adressierte die Suspectae lectiones in Form von 114 fiktiven Briefen an Philologen (siehe Kapitel 1.3.2). Mit den Dedikationen folgt Schoppe einer weit verbreiteten frühneuzeitlichen Praxis, die für Fachpublikationen gebraucht wurde, man denke etwa an die neun Bücher der Suspiciones von 1591, die Janus Gruter jeweils einem Gelehrten zueignete. Die Verfasser der textkritischen Abhandlungen wählen für ihr Publikationsdebüt eine Gattung, die als Ausdruck der philologischen Kompetenz galt – trotz der immer wieder aufkommenden Kritik werden vor allem die vermischten notae-Sammlungen offenbar dazu benutzt, die fachliche Autorität des Verfassers und hohe fachliche Spezialisierung aufzuweisen. Die Gattung wird für soziale Ziele funktionalisiert, indem in ihr beispielsweise andere Gelehrte genannt werden, von denen als Gegenleistung erhofft wird, auf dem weiteren Karriereweg protegiert zu werden. Solche Charakteristika von notae-Sammlungen finden sich in den Verbesserungslehren selbst wieder. Robortello, Canter und Schoppe nehmen Bezug auf ihre notae-Sammlungen und verwerten in ihren Abhandlungen daraus Beispiele. Jeder tut es auf eine etwas andere Weise, die auch den jeweils unterschiedlichen Charakter der notae-Sammlungen und der textkritischen Abhandlungen der drei Verfasser unterstreicht. Robortello bedient sich in der Ars corrigendi an einer Stelle der zweiten Fassung der Annotationes von 1548 und an acht Stellen der dritten Fassung der Annotationes von 1557.186 Wenn er in der Ars corrigendi Konjekturen diskutiert, verweist –––––––––––––– 185 Zitiert in Kapitel 1.1.2. Zu den SÚmmikta sive Miscellanea des Nannius vgl. ausführlich A. Polet: Petrus Nannius, 1936, S. 144–168; über das Buch 8: S. 161ff. 186 Bezug auf die Annotationes von 1548, lib. 2, cap. 13, S. 251ff.: Rob. Ars corr., 1557, S. 8/6f.; Bezug auf die Annotationes von 1557: ebenda, S. 11/33–12/4, 12/20–23, 12/23–26, 12/34, 13/12–16, 15/27f., 16/34ff.
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Kapitel 2: Textkritik und Philologie
er manchmal explizit auf längere Erläuterungen in den Annotationes. An anderen Stellen vermerkt er allgemeiner, nos alibi de hac re copiosius und Ähnliches.187 An mindestens drei weiteren Stellen bezieht er sich implizit auf Erläuterungen in seinen Annotationes.188 Die Verweise in der Ars corrigendi auf die Annotationes betreffen Konjekturen. An einer weiteren Stelle behauptet er, dass er dort die schlechte Arbeitsweise Paolo Manuzios nachweisen werde (S. 12/34). Am Ende seiner Abhandlung macht er eine Andeutung auf seine Rekonstruktion eines Sappho-Gedichts, die sich im ersten Kapitel des ersten Buches der Annotationes von 1557 findet (siehe Kapitel 1.1.4.2). Der letzte Bezug in der Ars corrigendi auf die Annotationes steht im Zusammenhang mit der Terenz-Philologie, und Robortellos Schärfe im Ton spiegelt den polemischen Hintergrund, in diesem Falle ein Streit mit Marc-Antoine Muret und dessen Annotationes in Terentium von 1550. Der polemische Charakter von Robortellos Schriften wird auch hier deutlich. In seiner Ratio emendandi verweist Willem Canter hingegen nur an einer Stelle im Vorwort auf seine Novae lectiones: Po- | stremo libros octo novarum lectionum tanquam triarium advocabimus: in quibus nostra multa, quaedam etiam veterum librorum sunt.189
Canter spricht hier über die Quellen seiner Ratio emendandi. Dazu gehören neben verschiedenen Handschriften und Editionen seine Konjekturen, die er in den Novae lectiones von 1571 zusammen mit Lesarten aus verschiedenen Handschriften versammelt. Damit bezieht sich Canter an vielen Stellen im eigentlichen Text seiner Ratio emendandi auf die Novae lectiones, verzichtet aber nach den Erklärungen im Vorwort darauf, jedes Mal die Quelle zu nennen. Wie schon an anderen Stellen springt Canters Nüchternheit hier vor allem im Kontrast zum Polemiker Robortello ins Auge. Schoppe schließlich nutzt die Verweise in der Ars critica auf seine notae-Sammlungen weder – wie Robortello – polemisch, noch beschränkt er sich wie Canter darauf, die notae-Sammlungen zu beschreiben. Im Widmungsbrief der Ars critica vermerkt er beispielsweise:
–––––––––––––– 187 Bezug ausdrücklich: Rob. Ars corr., 1557, S. 8/6f., 12/20–23, 16/34ff.; Bezug in Andeutung: S. 11/33–12/4, 12/34. 188 Rob. Ars corr., 1557, S. 12/23–26, 13/12–16, 15/27f. Die entsprechenden Verweisstellen sind für die Ars corr., 1557, S. 12/23–26: Annotationes, 1557, lib. 1, cap. 34, S. 25r–26r; für Ars corr., 1557, S. 13/12–16: ebenda; für Ars corr. 1557, S. 15/27f.: Annotationes, 1557, lib. 1, cap. 1, S. 9r–9v. 189 „Schließlich werden wir die acht Bücher der Novae lectiones gleichsam als letzte Reserve aufrufen. In ihnen stehen viele eigene [Konjekturen], aber auch Manches, was aus alten Handschriften stammt.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 5.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
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Ego sane quid in eo genere valeam, viris doctioribus & iudicio maiore praeditis ex Verisimilibus meis & nuper prioribus quinque Suspectarum lectionum libris existimandum relinquo, ...190
Dieser Verweis auf die notae-Sammlungen ist nicht nur ein impliziter Verweis auf Publikationen, die über Ansehen verfügen. Schoppe äußert in einer typischen Bescheidenheitsformel seine Absicht, mit dem Urteil von Gelehrten seine Kompetenz bezeugen zu lassen. Darin spiegelt sich Schoppes Hoffnung auf eine Beförderung seiner weiteren Karriere. Um den Nachweis seiner Befähigung bemüht sich Schoppe an der gleichen Stelle auch dadurch, dass er auf seine Urteilskraft bei der Auswahl der Handschriften verweist. Dabei steht in den Verisimilia die SymmachusPhilologie im Vordergrund, was er in der Ars critica im Zusammenhang mit der Beschreibung der Handschriften erwähnt. Dort bemerkt er, dass er die Lesarten aus dem codex Giphanii bereits in den Verisimilia publizierte.191 Bezüglich seiner Suspectae lectiones argumentiert Schoppe im Anschluss an diese Stelle ähnlich.192 Die Arbeit an den Handschriften, auf deren Grundlage seine beiden notae-Sammlungen entstanden, führt Schoppe als Zeugnis seines methodischen Arbeitens auf und die Güte der von ihm ausgewählten und benutzten Handschriften als Beleg für seine Urteilskraft: haecce illae commendatissimae bonitatis membranae, tantopere tibi in verisimilium & suspectarum lectionum libris praedicatae.193
Abgesehen von längeren Erläuterungen stößt man bei Schoppe noch an 25 weiteren Stellen auf kurze Nennungen seiner notae-Sammlungen. Diese Stellen befinden sich alle in der Fehlerklassifikation. Dabei bezieht er sich mit 22 Nennungen weit häufiger auf seine Verisimilia als auf seine Suspectae lectiones.194 Neben den erwähnten Passagen über die antiken Autoren Symmachus und Plautus befasst er sich darin mit Textstellen aus Sallust, Petron, Cornelius Nepos und Properz.195 Alle diese Bezüge und Nennun–––––––––––––– 190 „Was ich selbst tatsächlich für diese Art von Arbeit tauge, das zu beurteilen überlasse ich Männern, die gelehrter und mit einer besseren Urteilskraft ausgestattet sind. Sie sollen es anhand meiner Verisimilia und der früheren, neulich [erschienenen] fünf Bücher der Suspectae lectiones beurteilen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v. 191 Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r. 192 Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r. 193 „Bei jenen [Handschriften], die Dir [i. e. Widmungsadressat Christoph Pflug] in den Büchern der Verisimilia und Suspectae lectiones so sehr angepriesen wurden, handelt es sich um Pergament[handschriften] von einer überaus empfehlenswerten Güte.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v. 194 Bezüge auf die Verisimilia: Schop. Ars crit., 1597, fol. F3r, F4r, F5v, F6r, F6v, F7r, Gv, G2r, G2v, G3r, G3v, G5r, G6r, G6v, G7r, H3r, H5v, H6v, H8v, I3r, I4v, I7v. Bezüge auf die Suspectae lectiones: fol. G6v, H2r, H6r. 195 Sallust: Schop. Ars crit., 1597, fol. G2r; Petron: fol. H5v, H6v; Cornelius Nepos: fol. F7r, I7v; Propertius: fol. G3r, G5r.
152
Kapitel 2: Textkritik und Philologie
gen sind Verweise auf Lesarten oder Konjekturen. Sie bilden das Datenmaterial, mit dem Schoppe seine Fehlertypologie bestückt (siehe Kapitel 5.1). Die Analyse der Bezüge in den Verbesserungslehren auf die notaeSammlungen des jeweiligen Verfassers ergibt, dass sie bei Canter und Schoppe als Materiallieferanten fungieren. Sie geben die Beispiele vor, mit denen sie ihre systematischen Betrachtungen zu den Fehlerarten illustrieren. Robortello nutzt die Ars corrigendi darüber hinaus als Beitrag zu mehreren Debatten. Dabei untermauert er seine Argumentation an manchen Stellen durch Verweise auf ausführlichere Besprechungen der Beispiele in seinen Annotationes und erzielt damit den Eindruck einer besseren sachlichen Begründung seiner Behauptungen. Schoppe sucht außerdem mit den Verweisen auf seine notae-Sammlungen die eigene Kompetenz auszuweisen und hebt zu diesem Zweck verstärkt auf Prinzipien des textkritischen Arbeitens ab. Die Bezüge in den Verbesserungslehren auf die notae-Sammlungen deuten auf eine gattungsmäßige Nähe. Durch die Menge und Diversität der angeführten Beispiele erscheinen die Verbesserungslehren als eine Art weitergeführte, nun aber nach einem ordo systematisierte Form von notaeSammlungen. Dazu kommt, dass Verbesserungslehren genauso wie sie als Beiträge zu Debatten und zum Ausweis der eigenen Kompetenz funktionalisiert werden. 2.3.4 Notae-Sammlungen als philologische Fachliteratur In den Verbesserungslehren werden viele zeitgenössische Schriften angesprochen. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die meisten dieser Schriften als notae-Sammlungen, die aber die unterschiedlichsten Titel haben. Notae-Sammlungen waren im 16. Jahrhundert sehr erfolgreich. Sie vornehmlich – so Jean-Marc Chatelain – als Antizipationen polyhistorischer Gelehrsamkeit oder gar als subjektiv geprägte Skizzenbücher zu beschreiben, in denen es nach Chatelain nichts mehr gibt, was froidement objectif wäre,196 greift wohl etwas zu kurz. Auch wenn sich die notaeSammlungen – nüchterner gesprochen – als Ausdruck einer allgemeinen gelehrten Praxis deuten und diesbezüglich mit Kunstlehren des Exzerpierens und Leseanleitungen ins Verhältnis setzen lassen,197 so ist für unsere Belange die Perspektive der Wissenschaftsgeschichte der Philologie ergiebiger. Denn auf diese Weise wird die Nähe von gemischten notae–––––––––––––– 196 Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997, S. 183. 197 J.-M. Chatelain: Les ‚adversaria‘ aux 16e & 17e siècles, 1997, S. 170f. Weiterführende Literatur dazu: H. Zedelmaier: Morhof und das Exzerpieren, 2000; H. Zedelmaier: Lesetechniken, 2001.
2.3 Textkritische Methodenlehren und philologische Gattungen
153
Sammlungen zu solchen, die sich auf einzelne Texte beschränken, ersichtlich. Für die Darstellung ihrer Ergebnisse und weitergehende Erläuterungen von leitenden Prinzipien und verwendetem Material nutzt die Philologie des 16. Jahrhunderts hauptsächlich diese beiden Typen von notaeSammlungen, die sich anhand ihrer Titel nicht unterscheiden lassen (siehe Abbildungen 15 und 16, S. 138 und 139). Bei den notae-Sammlungen, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine Rolle spielen, handelt es sich überwiegend um spezialisierte Veröffentlichungen von Philologen. Auch die gemischten notae-Sammlungen orientieren sich thematisch trotz beziehungsweise gerade wegen der oftmals darin enthaltenen Polemik an philologischen Fachproblemen. Robortello adressiert sich an ein Fachpublikum, das sich mit der Kleinteiligkeit und Spezifizität der dargebrachten Beispiele auseinandersetzen kann. Hieraus ergibt sich der disziplinäre Kontext der notae-Sammlungen – und damit auch der textkritischen Verbesserungslehren: Es handelt sich um eine Philologie, die sich zunehmend spezialisiert und mit den notaeSammlungen eine Textgattung hervorbringt, die auf ihre spezifischeren Bedürfnisse ausgerichtet ist. Notae-Sammlungen werden oft in späteren Textausgaben nachgedruckt oder in philologischen Anthologien publiziert, man denke etwa an Janus Gruters Thesaurus criticus in sechs Bänden (Frankfurt 1602–1607). Auf diese Weise bleiben sie über lange Zeit verfügbar. Außerdem kommt es zu einer immer stärkeren Bündelung und Zusammenführung der verschiedenen Arbeiten unterschiedlicher Philologen zu antiken Texten – in Zeiten fehlender Fachzeitschriften und mühseliger Literaturbeschaffung eine wesentliche Erleichterung systematischer Forschungsarbeit. Von Bedeutung ist die Verortung der notae-Sammlungen im disziplinären Kontext der Philologie auch deshalb, weil die Verbesserungslehren selbst in enger Verbindung zu ihnen stehen. So gehen auf die Verfasser der Methodenlehren jeweils notae-Sammlungen zurück, auf die in den Verbesserungslehren ausdrücklich Bezug genommen wird. Außerdem finden sich Charakteristika von notae-Sammlungen in den Verbesserungslehren wieder: Aufweis von Kompetenz durch Demonstration methodischer Arbeitsweisen, spezialisiertes Datenmaterial, Profilierung im Hinblick auf das Fortkommen in der Gelehrtengemeinschaft, Polemik gegen missliebige Kollegen. Schließlich fungieren die notae-Sammlungen als Datenlieferanten für die Verbesserungslehren. Die Ähnlichkeiten zwischen Verbesserungslehren und notae-Sammlungen machen vor allem eines deutlich: Robortello, Canter und Schoppe orientieren sich bei der Darstellung ihrer methodischen Gedanken über Textkritik an einer Gattung, die in der gelehrten Praxis der Philologie gängig ist und die in vielen Aspekten die Professionalierung der Philologie widerspiegelt.
Kapitel 3: Correctores und corruptores: Personen in den textkritischen Methodenlehren [Aldus] tam ardentibus votis unum hoc optat, ... ut literaria supellex et integra et syncera puraque bonis ingeniis restituatur. ... Tum denique cognitum erit, quam prodigiosis mendis scateant auctores etiam hi, qui nunc satis emendati putantur. ... Et tantos auctores, quorum monumentis etiam religio debetur, emittunt in vulgus adeo literarum ignari, ut ne legere quidem possint, adeo ignavi, ut nec relegere libeat quod excuditur, adeo sordidi, ut citius patiantur sex milibus mendarum oppleri bonum librum, quam paucis aureolis velint conducere qui praesit castigationi. Olim et in describendis libris adhibebatur religio non minor ..., certe maior debebatur, nec aliunde tam prodigiosa librorum confusio profecta est, quam quod obscuris quibuslibet et monachis imperitis, mox etiam mulierculis citra delectum rei tam sacrae tractatio committebatur. At quantulum est mali, quod adfert scriba negligens aut indoctus, si conferas typographum?1
In seinem Exkurs über das zeitgenössische Editionswesen schildert Erasmus von Rotterdam die Misere von gelehrten Buchdruckern wie Aldo Manuzio angesichts der schlechten Textüberlieferung. Allerdings, und das macht diese Stelle aufschlussreich, muss Aldo Probleme bewältigen, die Erasmus in erster Linie auf Personen zurückführt, die die Texte vorher bearbeiteten, sowie auf ihre Eigenschaften. Den Verdiensten von Verlegern, die die Gelehrtenwelt mit unverfälschten Ausgaben beglücken, ste–––––––––––––– 1
„Denn [Aldo] hat nur den einzigen glühenden Wunsch, ... geistig interessierten Menschen die Textgrundlagen vollständig, rein und unverfälscht wieder zugänglich zu machen. ... Und dann wird auch offenkundig werden, von was für haarsträubenden Fehlern selbst die Texte derjenigen Autoren strotzen, von denen man bisher glaubte, sie seien leidlich gut ediert. Aber die großen Autoren, vor deren Werken man heilige Ehrfurcht haben müßte, werden von Leuten ediert, die so ungebildet sind, daß sie kaum lesen können, so faul, daß sie nicht einmal die Druckabzüge durchsehen, und so geizig, daß sie eher bereit sind, tausende und abertausende Fehler in einem guten Buch stehen zu lassen, als die paar Zechinen zu opfern, die ein Korrektor kosten würde. ... In früheren Jahrhunderten hat man auf das Kopieren von Büchern nicht minder große Sorgfalt verwendet, ... und noch größere Sorgfalt wäre vonnöten gewesen; denn die grauenvolle Verwirrung in den Handschriften rührt ja eben davon her, daß man wahllos irgendwelche obskuren und unwissenden Mönche und zuletzt sogar einfältige Nonnen mit der Durchführung einer so hohen Aufgabe betraute. Und dennoch: Wie geringfügig ist der Schaden, den ein nachlässiger oder ungebildeter Schreiber anrichtet, wenn man einen Buchdrucker mit ihm vergleicht!“ Erasmus: Adagia 2,1,1 (ed. & dt. Übers. T. Payr 1972, S. 486–493).
156
Kapitel 3: Correctores und corruptores
hen die Untaten der Buchdrucker gegenüber, die aus Geiz darauf verzichten, die für eine ordentliche Textausgabe unabdingbaren Korrektoren zu bezahlen – sie selbst sind zu ungebildet und zu faul, um Hand anzulegen. Unwissend waren auch die Kopisten von Handschriften – hier werden unwissende Mönche und einfältige Nonnen genannt. Personen spielen auch in der Ars corrigendi-Literatur eine zentrale Rolle. Im Konzept von Textverbesserung kommt der zeitgenössische Philologe ebenso wie der mittelalterliche Schreiber zur Sprache. Im Kapitel 3.1 wird untersucht, wie der frühneuzeitliche Philologe in den Abhandlungen bezeichnet wird. Die beiden folgenden Kapitel rekonstruieren, welche spezifischen Eigenschaften ihm zugeschrieben werden. Dabei stößt man auf eine verbreitete Rhetorik von profiliert schlechten und guten Gelehrten mit relevanten Implikationen für die methodische Anlage der Verbesserungslehren. Diese beiden Typen werden jeweils in einem Kapitel dargestellt: Kapitel 3.2 beschäftigt sich mit jenen, denen schlechte textkritische Arbeit zur Last gelegt wird. Hier kommt auch der Kopist zur Sprache, der für viele Fehler in den Handschriften verantwortlich gemacht wird. Der gebildete, begabte und tugendhafte Gelehrte wird in Kapitel 3.3 porträtiert.
3.1 Correctores, emendatores und critici Die Benennung der Textverbesserer fällt in den Artes corrigendi bemerkenswert uneinheitlich aus. Willem Canter spricht nur sehr selten von Personen, von Textkritikern überhaupt nicht. Aus diesem Grunde wird seine Ratio emendandi im weiteren Verlauf dieses dritten Kapitels nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auf der Suche nach Textkritikern stößt man bei Robortello wieder auf das Wortfeld emendare und corrigere, womit das Fehlertilgen und Richtigstellen von verderbten Textstellen bezeichnet wird (siehe Kapitel 2.1.1). Im Einklang dazu heißen bei Robortello Verbesserer von Texten emendatores:2 in hac nostra arte requiri infinitam quandam eruditionem in eo, qui emendatorem se librorum dici cupit.3
Der emendator sei Robortello zufolge derjenige, der die vorliegende Kunstlehre anzuwenden versteht und deshalb über höchste Gelehrtheit verfügen muss. Eine weitere Erwähnung von emendator bei Robortello leitet eine –––––––––––––– 2 3
Emendator ist ein spätantiker technischer Begriff, der sich in der Neuzeit laut Silvia Rizzo (Lessico filologico, 1973, S. 268) nur selten, etwa bei Poliziano, findet. „In meiner Kunstlehre wird von demjenigen, der als Verbesserer von Büchern [i. e. Handschriften] bezeichnet werden will, eine geradezu unendliche Gelehrsamkeit verlangt.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/14f.
3.1 Correctores, emendatores und critici
157
Aufzählung vorbildhafter Textkritiker ein, was ihn mit Kompetenz verknüpft.4 Ein emendator ist folglich gebildet, verlässlich und beherrscht die Fertigkeit der Textkritik. Nur an einer Stelle hat emendator eine zwiespältige Bedeutung, wenn Robortello über einen gewissen neuen Verbesserer des Terenz (quidam Terentii novus emendator) spricht.5 Die Eingeweihten wissen, dass es sich um Robortellos französischen Gegenspieler Marc-Antoine Muret handelt (siehe Kapitel 1.1.4.2) und um eine Stelle, die Muret nach Robortellos Meinung verdarb. Daneben verwendet Robortello die Bezeichnung corrector. Allerdings könnten correctores, die Fehler in den Text tragen, wohl passender als corruptores bezeichnet werden.6 Ein corrector soll also eine Verderbnis rückgängig machen. Das Gleiche gilt für corrigere als Gegenbegriff zu corrumpere oder depravare: Additione puncti corriguntur loca depravata.7 Additione dictionum, et unius tantum, corrigi debet locus ille, qui corruptus est.8
Dies verweist auf die Vorstellung der Wiederherstellung des ursprünglichen Textes (siehe Kapitel 2.1.1, S. 103). Außerdem moniert Robortello, einer seiner Gegner (Paolo Manuzio) sei in den Dingen, die einen corrector ausmachen, nicht ausreichend gebildet: Nec miror Manutium hunc locum, sicuti alia multa, non potuisse emendare. Non est enim instructus iis rebus, quibus instructum esse oportet veterum librorum correctorem, etsi aliter iactant ab eo operae conductae quaedam et empti laudatores.9
Schließlich äußert sich Robortello über isti novi correctores, die den Text verderben.10 Meistens verwendet Robortello den Ausdruck emendator zur Auszeichnung fähiger Philologen, ohne dabei konkrete Personen im Blick zu haben. Dagegen fasst er unter correctores auch solche Philologen, die in ihrem textkritischen Handeln scheitern. –––––––––––––– 4 5 6 7 8
9
10
Rob. Ars corr., 1557, S. 15/8f. Rob. Ars corr., 1557, S. 16/27. Rob. Ars corr., 1557, S. 2/9–12. „Durch den Zusatz eines Punktes werden verderbte Stellen verbessert.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/6. „Jene Stelle, die verdorben ist, muss durch den Zusatz von Wörtern, und zwar [hier] nur eines einzigen verbessert werden.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/9f. Siehe auch S. 14/10ff. Ein ähnlicher Ausspruch ist von Leonardo Bruni (1369–1444) überliefert: „Qui enim corrigere voluit eas plane corrupit.“ („Freilich wollte er sie verbessern, verdarb sie dabei völlig.“). Zitiert nach F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 101. „Und es wundert mich nicht, dass Manuzio diese Stelle, wie viele andere auch, nicht zu verbessern vermochte. Denn er ist nicht ausgebildet in den Dingen, in denen ein Korrektor von Büchern [i. e. Handschriften] der Alten ausgebildet sein muss. [Und das gilt,] auch wenn einige von ihm gemietete und gekaufte Lobesredner Anderes verkünden.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 12/16–20. Rob. Ars corr., 1557, S. 14/33.
158
Kapitel 3: Correctores und corruptores
Auch wenn Schoppe im Titel seines historiographischen Abschnitts de criticis & philologis veteribus & recentioribus Gelehrte, die Textarbeit verrichten, critici und philologi nennt, kommt der philologus abgesehen von einer Stelle nur als Bezeichnung antiker Gelehrter vor.11 Im Zusammenhang mit der antiken Geschichte erwähnt Schoppe nämlich unter Rückgriff auf Sueton Ateius Philologus sowie den Leiter der Bibliothek von Alexandria Eratosthenes von Kyrene: Philologi appellationem adsumpsisse videtur quia – sic ut Eratosthenes, qui primus hoc cognomen sibi vindicavit – multiplici variaque doctrina censebatur.12
In dieser Beschreibung des philologus klingt ein umfassendes Konzept von Gelehrsamkeit an, doch Schoppe führt diesen Gedanken des philologus nicht weiter. Abgesehen von diesen Nennungen von philologus und eines investigator mendarum13 bezeichnet Schoppe in seiner Abhandlung den Textverbesserer durchgängig als criticus. Bereits im Kontext der antiken Philologiegeschichte nennt er Gelehrte critici, nämlich Krates von Mallos, Valerius Probus, Aristarch von Samothrake, Lucius Crassicius und Caecilius Epirota.14 Schoppe leitet criticus – genauso wie bereits die critica (siehe Kapitel 2.2.1) – aus antiken Zeugnissen ab, um den Begriff zu legitimieren und mit historischer Dignität zu versehen. Und genauso, wie Schoppe critica als allgemeine Bezeichnung der Philologie verwendet, die Textkritik und Textinterpretation umfasst (siehe Abbildung 10, S. 119), meint er auch mit criticus nicht nur den Textverbesserer, sondern den Gelehrten und Philologen im Allgemeinen. So gebraucht Schoppe criticus auch als Merkmal von Kompetenz, wie man im Widmungsbrief gut sehen kann, wo Schoppe einen zeitgenössischen Gelehrten wegen seiner Fähigkeiten überschwänglich lobt: Et vero memini etiam, virum quemdam clarissimum, & Criticum non minorum gentium mirifice sibi in eo placere, quod gloriabatur, se, si quemquam alium, aetatem & bonitatem membranaceorum codicum conicere atque discernere didicisse.15
–––––––––––––– 11 12
13 14 15
Schop. Ars crit., 1597, fol. C7v. „Den Namen Philologus hat er [Ateius Philologus] wohl deswegen angenommen, weil er – wie Eratosthenes, der sich als Erster diesen Beinamen zulegte – als jemand mit umfassender und vielseitiger Gelehrsamkeit galt.“ Sueton: De grammaticis illustribus 10,4 (ed. & engl. transl. R. A. Kaster 1995, S. 14f.). Die Stelle bei Schoppe ist: Ars crit., 1597, fol. B7v. Schop. Ars crit., 1597, fol. A7v. Krates: Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v–B5r, B5v; Probus: fol. B5v–B6r; Aristarch: fol. B6v, B7r; Lucius Crassicius: fol. B7v; Caecilius Epirota: fol. B7v. „Und in der Tat erinnere ich mich auch daran, dass ein überaus berühmter Mann und Kritiker von nicht gerade minderer Herkunft sich erstaunlich darin gefiel, sich zu rühmen, dass – wenn es überhaupt jemanden gibt – er es verstand, das Alter und die Güte von Pergamenthandschriften zu erschließen und sie zu unterscheiden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v. Weitere Beispiele finden sich auf fol. Cr, Cv, C3r–C3v, C7v.
3.1 Correctores, emendatores und critici
159
Bei diesem criticus handelt es sich wohl um Schoppes Vorbild Joseph Justus Scaliger, dem er große Kompetenzen im Umgang mit Handschriften zuspricht. Daneben finden sich in der Ars critica Stellen, wo criticus unspezifisch für Personen gebraucht wird, die textkritisch arbeiten.16 Entgegen der Überschrift des historiographischen Abschnitts nennt Schoppe den Textkritiker, abgesehen von wenigen Beispielen, durchwegs criticus. Robortellos und Schoppes Bezeichnungen finden sich auch in den testimonia: Janus Gulielmus und Justus Lipsius sprechen vom corrector, außerdem findet sich bei Paul Merula, Gulielmus, Isaac Casaubon und Lipsius der criticus.17 Als bildhafte Ausdrücke für den Textverbesserer tauchen in den Abhandlungen und den testimonia sporadisch außerdem der iudex und medicus sowie Censor auf.18 Analog zu Robortellos corruptor finden sich auch andere herabsetzende Bezeichnungen für den schlechten Kritiker wie scaevus, sciolus oder superciliosus.19 Aufschlussreich für die frühneuzeitliche Bezeichnungen von Philologen sind schließlich ihre beruflichen Wirkungsstätten: They [die Humanisten im 15. Jhd.; KV] grew up accustomed to the existence of humanist schools and arts faculties, in which they expected to find jobs as lecturers. They were also accustomed to the existence of the printing-press, and expected to serve the printers, not without remuneration, as editors of texts.20
Die Lebenswelt des Renaissancegelehrten war, wie Anthony Grafton hier treffend beschreibt, mit Universitäten verbunden, wo er – man denke etwa an Robortello – als Lehrender wirkte. Daneben wirkte er in den Werkstätten der frühen Buchdrucker, wo es Arbeit als Korrekturleser gab, als corrector. Der corrector entwickelte sich zu einem Berufsstand, der bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weiterbestehen sollte.21 –––––––––––––– 16 17 18 19 20 21
Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r, C3r, C3v, C4v, D2v, F7r, H6r, H7r, I2r. Corrector: Gulielm. Verisim., 1582, fol. D7v; Lips. Somn., 1585, fol. E4r, E5r, E5v, E6r, E7r, E7v. Criticus: Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Lips. Somn., 1585, fol. E5v; Merul. Praef., 1595, fol. D4r; Casaub. Animad., 1596, fol. E2v. Iudex (Richter): Lips. Somn., 1585, fol. E4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v. Medicus (Arzt): Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev; Merul. Praef., 1595, fol. D4r. Censor (Amt des Zensors): Lips. Somn., 1585, fol. E6r. Scaevus (Linkischer): Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. Sciolus (Halbwisser): Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r, Kv. Superciliosus (Hochmütiger): Lips. Praef., 1585, fol. E3v. Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 15. Mit der Geschichte der Textkorrektur innerhalb des Buchdruckwesens beschäftigen sich beispielsweise C. Wehmer: Korrekturblatt aus der Schöfferschen Offizin, 1932; K. Preisendanz: Sylburg als Verlagsberater, 1937; H. Widmann: „Die Lektüre unendlicher Korrekturen“, 1962/ 1964; H. Grimm: Der Beruf Korrektor im 16. Jhd., 1964; R. B. Marks: Hand corrections in 15th c., 1977; A. Grafton: Correctores corruptores?, 1998. Zum frühneuzeitlichen Buchdruck vgl. jetzt O. Duntze: Straßburger Offizin des M. Hupfuff, 2007.
160
Kapitel 3: Correctores und corruptores
Abb. 17: Eine frühneuzeitliche Offizin
Wenn man sich an einen der seltenen zeitgenössischen Berichte über das Geschehen in einer frühneuzeitlichen Druckerei hält, so war die Drucklegung eines Textes ein arbeitsteiliger Prozess von Gelehrten und Handwerkern. Der friesische Alciato-Schüler und Jurist Viglius Zuichemus (eigentlich: Wigle van Aytta van Zwichem, 1507–1577) berichtet in einem Brief vom 1. Juli 1534 über den Arbeitsablauf in der Frobenschen Offizin in Basel und „beschreibt auf genaue Weise die ganze Methode der Druckkunst, ihre Werkzeuge und ihre Mitarbeiter“ (Omnem artis typographiae rationem instrumentorum, operariorumque, accurate describit).22 Viglius hatte mit Hilfe von Pietro Bembo (1470–1547) in der venezianischen Biblioteca –––––––––––––– 22
Eine ausführliche Interpretation mit englischen Teilübersetzungen sowie den Text dieses Briefes bietet J. Gerritsen: Printing at Froben’s, 1991. Vgl. dazu auch A. Grafton: Correctores corruptores?, 1998, S. 61f.
3.1 Correctores, emendatores und critici
161
San Marco eine Handschrift der griechischen Paraphrase des Theophilos Antecessor der Institutiones (heute Marcianus gr. 178) gefunden. Auf Empfehlung des gemeinsamen Freundes Basilius Amerbach erklärte sich Johannes Froben dazu bereit, die editio princeps des Textes zu drucken, die 1534 zusammen mit einem ausführlichen Kommentar von Viglius in Basel erschien.23 Nach einem Besuch bei Erasmus von Rotterdam in Freiburg im Breisgau kam Viglius nach Basel, um eigenhändig bei der Korrektur seiner commentarii zu helfen. Viglius berichtet, wie die Arbeit in einer Offizin auf mehrere Berufsgruppen verteilt war. Einer frühneuzeitlichen Buchdruckerei stand der typographus vor, der Besitzer und eigentliche Organisator der Werkstatt. Er verfügte oft über Gelehrsamkeit und entschied, welches Buch profitabel genug erschien, um verlegt zu werden. An Handwerkern gab es denjenigen, der die Typen entwirft (qui litterarum typos effingit), den Typenschneider (fusor typorum), den Setzer (compositor), den eigentlichen Drucker (impressor), der die Presse bediente, sowie einen so genannten complicator, der sich um die Heftung und richtige Bindung der Bögen kümmerte. Ebenfalls in den Prozess der Buchherstellung eingebunden war der corrector, der die Probedrucke Korrektur las. Viglius’ Bericht enthält auch den Hinweis auf einen lector, der dem corrector untergeordnet war und ihm etwa damit diente, dass er den Probedruck mit der Vorlage verglich. Andernorts wird davon berichtet, dass der lector die Vorlagen laut vorlas und der corrector danach den Probedruck verbesserte.24 Dieser Bericht zeigt, dass beim Druckvorgang gelehrte Männer als correctores und lectores benötigt wurden. Die Wertschätzung dieser Tätigkeit spiegelt sich auch in Viglius’ Verweis auf Erasmus von Rotterdam und seinen böhmischen Korrekturleser Sigismund Gelenius.25 Genauso wirkten viele zeitgenössische Philologen, die wir aus den Lebensläufen und Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe kennen, immer wieder als correctores in Druckereien, man denke etwa an Beatus Rhenanus, Heinrich Glarean und Bonaventura Vulcanius, die ebenfalls für Froben arbeiteten. Letzterer las auch in der Genfer Offizin des Henri Estienne –––––––––––––– 23 24 25
Zu dieser Edition und den zugrunde liegenden Handschriften vgl. H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 246–254. H. Hornschuch: Orthotypographia, 1608, S. 17 und Orthotypographia teutsch, 1634, S. 19. Siehe dazu den ausführlichen Abschnitt in Kapitel 5.3.2. Gelenius (eigentlich Zikmund Hrubý z Jelení) stammte aus Prag. Nach einer ausgedehnten peregrinatio, auf die ihn sein Vater, der tschechische Humanist eho Hrubý z Jelení (1460– 1514), geschickt hatte, war er bei Johannes Froben in Basel für den Rest seines Lebens als corrector angestellt. Gelenius war für viele Editionen verantwortlich – erwähnt wurde bereits seine Livius-Ausgabe und der Kommentar, den er zusammen mit Beatus Rhenanus angefertigt hatte (siehe Kapitel 1.1.4.1, S. 37). Vgl. zu Gelenius jetzt die beiden umfassende Studien von Pierre Petitmengin (Un ami de Melanchthon: S. Gelenius, 2006 und Gelenius in: Centuriae latinae II, 2006).
162
Kapitel 3: Correctores und corruptores
Korrektur, ebenso wie Marc-Antoine Muret und Gabriele Faerno in der Aldo-Offizin unter Paolo Manuzio. Als correctores in der Antwerpener Offizin des Plantin verdingte sich neben Willem Canter selbst auch noch Schoppes Lehrer Hubert Giphanius. Der Gelehrte, der die Richtigkeit der vom compositor gesetzten Lettern überprüfte, spielte also eine wesentliche Rolle im Prozess der frühneuzeitlichen Buchherstellung. Der Gebrauch des Ausdrucks corrector lässt sich in vielen frühneuzeitlichen Zeugnissen belegen und Silvia Rizzo verweist in ihrer Studie über die frühneuzeitliche philologische Fachsprache auf den Bedeutungswandel dieses Ausdrucks mit dem Aufkommen des Buchdrucks.26 Der Begriff des corrector im Druckwesen des 16. Jahrhunderts bietet einen einschlägigen Rahmen, auf den sich Robortellos Wortverwendung implizit bezieht, zumal er selbst im Laufe seiner professionellen Tätigkeit als Philologe, Editor und Verfasser eigener Schriften vielfachen Kontakt mit Druckern unterhielt.27 Es ist wahrscheinlich, dass er im Laufe seines Lebens selbst als corrector arbeitete. In der frühen Neuzeit überwachten die Autoren oft eigenhändig den Druck ihrer Werke und lasen sogar persönlich die Probedrucke ihrer Schriften Korrektur – man denke etwa an Erasmus, der zur Zeit der Drucklegung seines Novum Instrumentum im Hause seines Verlegers Johannes Froben wohnte und an der Korrektur mitwirkte.28 Der zum Zeitpunkt der Abfassung seiner textkritischen Abhandlung sehr junge Schoppe verfügte noch über wenig Erfahrungen im Umgang mit dem Druckwesen. Er konnte im Gegensatz zu Robortello auf keine langwährende professionelle Tätigkeit zurückblicken. Schoppe grenzt sich mit dem Gebrauch von „criticus“ zumindest implizit von der konkreten Tätigkeit des corrector und der ihm innewohnenden handwerklichen Sphäre ab. Dagegen ist criticus eine Bezeichnung, die auf Gelehrsamkeitskonzepte verweist. Schoppe konzipiert den criticus als eine (vom Buchdruck unabhängige) Forscher- bzw. Gelehrtenrolle, die über die reine Textverbesserung hinausgeht, und in der enzyklopädische Gelehrsamkeitsvorstellungen anklingen.
–––––––––––––– 26 27
28
S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 275f. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass entgegen dem Aufgabenbereich eines Philologen, eine Ausgabe eines antiken Textes vorzubereiten, die Bezeichnung editor in den Abhandlungen nicht vorkommt. Allerdings weist Anthony Grafton darauf hin, dass zu dieser Zeit zum Aufgabenbereich eines corrector in der Buchdruckerei auch die Vorbereitung von Editionen gehörte und aus diesem Grunde corrector synomym mit editor gebraucht wurde (vgl. A. Grafton: Correctores corruptores?, 1998, S. 72). Siehe dazu Kapitel 1.1.4.3, S. 51.
3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten
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3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten Das Desiderat brauchbarer Textausgaben ist dringend, die Qualität vorhandener Texte aber miserabel – und für diesen Zustand verantwortlich sind diejenigen, die an der Textüberlieferung beteiligt waren. Diese Argumentation exerzierte uns Erasmus von Rotterdam im Eingangszitat dieses Kapitels 3 (S. 155) wortgewaltig vor, sie findet sich allerdings auch in unseren Quellen: Die Artes corrigendi gehen das Problem fehlerhafter Texte damit an, dass sie die Schuldigen suchen: Die Fehler werden Personen zur Last gelegt, die an diesen Texten arbeiteten. Auch wenn vereinzelt über andere Aspekte von Überlieferung diskutiert wird – wie etwa Robortello in seiner Klage über die verheerenden Auswirkungen von Kriegen auf die Überlieferung von Texten –,29 ein eigener Begriff von Überlieferungsgeschichte findet sich in den textkritischen Methodologien nicht. Fehlerhafte Texte werden immer auf zwei Personengruppen zurückgeführt, die im Zusammenhang mit Textarbeit stehen: auf (mittelalterliche) Schreiber und auf (zeitgenössische) Philologen. 3.2.1 Die unzulänglichen librarii Als Verursacher von Fehlern in Handschriften kommen zunächst Kopisten zur Sprache. Während der Übertragung der Texte von einer Handschrift in die nächste, die auf die Bewahrung und weitere Verbreitung des Textes abzielt, kommt es häufig zu Veränderungen respektive Verfälschungen. Der Schreiber, der die Manuskripte anfertigt, heißt in aller Regel librarius.30 Ausnahmsweise nennt Canter einen scriptor sowie Schoppe einen scriba oder exscriptor.31 Die Benennung des Schreibers als (ex)scriptor war in der italienischen Frührenaissance zwar noch geläufig, doch schon Coluccio Salutati und Angelo Decembrio (c.1415–c.1466) erachteten librarius als die passendere Bezeichnung.32 Offenbar findet in dieser Zeit eine –––––––––––––– 29 30
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Rob. Ars corr., 1557, S. 3/5ff. Rob. Ars corr., 1557, S. 3/20, 5/16, 7/15, 7/20f., 7/21, 8/29, 10/10, 12/15, 12/25, 13/17, 13/19; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47 ; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8v, Fr, Hr, Hv, H2r, H3v, H6r, H6v, H7r, Iv, I2r, I5v, I7r, I7v. Cant. Ratio emend., 1571, S. 45; Schop. Ars crit., 1597, fol. B5r, Kv. Vgl. ausführlicher dazu: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 199–202. Rizzo zitiert hier eine längere, gleichgerichtete Passage aus der Schrift De politia litteraria des Humanisten Decembrio, der offenbar außerdem eine ganze Abhandlung De scriptore et librario deque eorum variis officiis verfasste.
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begriffliche Spezifizierung statt, scriptor wird jetzt meistens in der Bedeutung „(antiker) Schriftsteller“ verwendet. Eine Differenzierung zwischen mittelalterlichen und zeitgenössischen Schreibern findet in den vorliegenden Quellen nicht statt. Robortello führt die meisten Fehler, die von Kopisten begangen wurden, auf deren mangelnde Kenntnisse und Bildung zurück.33 Vor allen Dingen betrifft dies ihre mangelnde Vertrautheit mit den alten Schreibgewohnheiten (ignoratio scriptionis), weswegen sie beispielsweise Abkürzungen falsch auflösen.34 Allgemein bemängelt er ihre inscitia und dass es sich oftmals um imperiti librarii handelt. Diese allgemeinen Feststellungen finden sich auch in den anderen Texten, bei Canter, Schoppe und in den testimonia, wobei Canter in diesem Zusammenhang auch von imperiti oder von non satis periti spricht, Muret von homines imperitissimi und Schoppe von exscriptores scioli.35 Muret führt zudem an einer Stelle Fehler darauf zurück, dass die Kopisten die Schrift in den Manuskripten nicht ausreichend sicher und klar zu erkennen (non satis certe ac liquido perspicere) in der Lage sind.36 Bei Lucas Fruterius finden wir dann auch noch jenen ungebildeten und waghalsigen Schlag von Schreibern (rude illud librariorum, sed audax genus), die in der Dichtung unkundig und im ganzen Altertum unbewandert sind (versuum ignari & omnis Antiquitatis rudes).37 Neben der mangelnden Bildung attestiert Robortello den Kopisten an einer Stelle, schläfrig zu sein (dormitare), Canter macht ihre Nachlässigkeit (incuria) als Grund für Fehler aus und warnt davor, incautus (unvorsichtig) zu sein, und Fruterius beklagt ihre waghalsige und plumpe Betriebsamkeit (audax & inscita industria).38 Häufiger als Robortello und Canter führt –––––––––––––– 33
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Das negative Bild der mittelalterlichen Kopisten hat sich bis in unsere Zeit gehalten. Dagegen wendet sich beispielsweise Paul Gerhard Schmidt, der auf instruktive Weise Vorurteile und den schwierigen Zugang zu einer Geschichte der Textkritik im Mittelalter diskutiert. Er hebt die Leistungen der mittelalterlichen Schreiber hervor und hinterfragt die schlechte Meinung über die librarii: „Die Urteile über Schreiber sind subjektiv und willkürlich; es fehlt jeder Parameter. Wir haben bisher keine Übereinkunft darüber getroffen, von welcher Fehlerquote an ein Schreiber als dumm, faul, nachlässig oder als alles dies zusammen bezeichnet werden soll.“ (Schreiber und Probleme, 1994, S. 8). Eine zeitgenössische Verteidigung der handschriftlichen Vervielfältigung von Büchern formulierte Johannes Trithemius (1462–1516) in der Schrift De laude scriptorum von 1494. Rob. Ars corr., 1557, S. 7/15, 7/20f., 8/29, 12/15, 12/25. Inscitia (Unwissenheit): Rob. Ars corr., 1557, S. 10/10; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r. Imperitus librarius (unerfahrener Schreiber): Rob. Ars corr., 1557, S. 8/29; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev. Imperiti / non satis periti (Unerfahrene / nicht ausreichend Erfahrene): Cant. Ratio emend., 1571, S. 50, 51. Homines imperitissimi (überaus unerfahrene Menschen): Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r. Exscriptores scioli (halbgebildete Abschreiber): Schop. Ars crit., 1597, fol. Kv. Mur. Var. lect., 1580, fol. E2r. Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v. Rob. Ars corr., 1557, S. 5/16; Cant. Ratio emend., 1571, S. 62; Frut. Verisim., 1584, fol. D5v.
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Schoppe die Fehler der Kopisten auf deren indiligentia, neglegentia, oscitantia und audacia sowie auf den mos inveteratus zurück.39 Außerdem beklagt er, dass der Schreiber oftmals in seiner Arbeit imprudens, allzu ignavus und properans sei.40 Muret und – wohl in seiner Nachfolge – Schoppe führen daneben ein Beispiel an, wo menschliche Unzulänglichkeiten und äußere Bedingungen zusammenspielen. Handschriften verlieren auf dem Markt an Wert, wenn sie durch Streichungen verunstaltet sind: Solebant homines imperiti, qui avorum aut proavorum nostrorum temporibus victum sibi describendis libris quaeritabant, quae perperam scribserant non delere: ne libros suos multis lituris deformatos minus vendibiles redderent, iterumve totas paginas describere cogerentur: sed iis, ut erant, omissis cetera persequi. Atque ea res innumerabilem errorum copiam in omne scriptorum genus invexit.41
Aus Faulheit und Profitgier übergehen Schreiber wissentlich Abschreibefehler, um zum einen durch Streichungen (liturae) den Verkaufswert des Buches nicht zu schmälern und zum anderen die Seite nicht neu abschreiben zu müssen. Dieses Argument findet sich auch bei Schoppe: nam lituras plures vitabant, ut liber emptorem facilius inveniret nullis lituris deformatus.42
Schoppe nimmt so in den Blick, dass die Schreiber in ihrer Arbeit von äußeren Bedingungen bestimmt waren. Die Rede vom Druck des Buchmarktes auf die Schreiber verweist zugleich auf Produktionsbedingungen in frühneuzeitlichen Skriptorien. Allerdings sind solche Rückführungen von Verhalten auf äußere lebensweltliche Bedingungen in den Abhandlungen selten. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle werden Fehler nur auf schlechte Eigenschaften von Kopisten zurückgeführt: Ob wegen Unwissenheit oder Nachlässigkeit – die Ursachen von Fehlern liegen in der mangelnden Bildung und im falschen Verhalten der Schreiber. Al–––––––––––––– 39 40 41
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Indiligentia (Unachtsamkeit): Schop. Ars crit., 1597, fol. Hr, Hv, Kv; neglegentia (Nachlässigkeit): fol. A8v, H3v, H6r; oscitantia (Unaufmerksamkeit): fol. H6r, H7r, I2r; audacia (Waghalsigkeit): fol. I2r; mos inveteratus (schlechte, tief verwurzelte Gewohnheit): fol. I2r. Imprudens (unvorsichtig): Schop. Ars crit., 1597, fol. Iv; ignavus (lässig): fol. I6v; properans (hastig): fol. I6v, Kv. „Unerfahrene Männer, die in den Zeiten unserer Ahnen oder Urahnen mit dem Abschreiben von Büchern ihren Lebensunterhalt bestritten, tilgten für gewöhnlich nicht, was sie falsch geschrieben hatten. Damit sie ihre Bücher, die durch viele Streichungen verunstaltet waren, nicht schlechter verkäuflich machten, waren sie gezwungen, ganze Seiten wieder abzuschreiben. Sie beließen [die Fehler] so, wie sie waren, und gingen dem Übrigen nach. Und dadurch geriet eine unzählbare Menge an Fehlern in jede Art von Schriftstellern.“ Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev. Vgl. dazu auch: A. Grafton: Correctores corruptores?, 1998, S. 60. „Denn sie [die Schreiber] vermieden mehrere Streichungen, damit das Buch leichter einen Käufer fand, wenn es durch keine Streichungen verunstaltet war.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. Kv.
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lerdings finden sich in der Gesamtschau bei Robortello, Canter und Schoppe verhältnismäßig wenig Bezüge auf Fehler von Schreibern. Als weit gefährlicher für die Integrität von Texten galt der zeitgenössische Kritiker. 3.2.2 Anklage der eigenen Zunft: Der imperitus, audax iuvenis und aegrotus Et heic quicquid peccatum est, non tam exscriptorum indiligentiae ... quam sciolorum audaciae tribuendum est.43
Abgesehen von den Kopisten erklärt Schoppe die zeitgenössischen Philologen zu den Verursachern von Fehlern. Justus Lipsius formuliert in seinem Somnium, dass Texte von jenen verderbt werden können, die sie eigentlich verbessern sollen: ... peccant saepe Correctores; & volnus faciunt, dum medentur. ... Simile in istis fit, qui cum voluntatem adtulerint iuvandi, interdum tamen ab| errant, & laedunt.44
Die Textkritik erkannte, dass grundsätzlich jede Bearbeitung von Texten die Möglichkeit von Verfälschung birgt.45 Und zwar auch von Mitgliedern der eigenen Zunft, die das Ziel verfolgen, den Text zu verbessern. Man stößt auf verschiedene Bilder dieser corruptores, die nachfolgend in drei Grundtypen vorgestellt werden. Robortellos Schelte des zeitgenössischen Philologen richtet sich vornehmlich gegen seine Kollegen, die er keineswegs zimperlich behandelt: Weder verschont er ihre Fehler, noch hält er sich zurück, sie als perridiculi zu verhöhnen.46 Er wendet sich in seiner Abhandlung einer ganzen Reihe von Philologen zu, die er – oftmals namentlich – mit negativen Eigenschaften belegt (siehe ausführlicher in Kapitel 3.2.3). Im Einzelnen führt Robortello missglückte Eingriffe auf verwerfliche Charakterzüge zurück, etwa auf calliditas oder obtrectatio.47 Robortello klagt beispielsweise über die
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„Und die Fehler, die sich hier finden, sind weniger der Unaufmerksamkeit der Schreiber ... als vielmehr der Waghalsigkeit der Halbgebildeten zuzuschreiben.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. Kv. „Oftmals machen die Verbesserer beim Heilen Fehler und fügen Wunden zu. ... Das Gleiche gilt für jene, die, obgleich sie den Willen hatten zu helfen, zuweilen trotzdem irren und schädigen.“ Lips. Somn., 1585, fol. E5r–E5v. Willem Canter äußert sich nicht zu zeitgenössischen Philologen und seinen Eigenschaften in der Ratio emendandi. Rob. Ars corr., 1557, S. 2/9, 4/27; auch: S. 12/29. Calliditas (Verschlagenheit): Rob.: Ars corr., 1557, S. 5/5; obtrectatio (Missgunst): S. 16/15.
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temeritas eines Philologen, über Versuche fucum facere,48 sowie über den Verstoß gegen wissenschaftliche Tugendpostulate: Certe Manutius antiquos auctores non legit, nec evolvit diligenter; sed, opinor, saepe ad indices recurrit, in quibus si quid non invenit, statim ait non esse. Nam si ordine legeret libros, nihil illum subterfugeret. 49
Der Philologe (hier: Paolo Manuzio) übersähe deshalb manche Stellen, weil er es versäume, aufmerksam zu arbeiten und den Text sorgfältig und der Reihe nach zu lesen. An anderer Stelle warnt Robortello davor, an einer Lesart allzu hartnäckig festzuhalten.50 Neben dem Verhalten tadelt er auch Einstellungen von Textkritikern, etwa wenn sie es wagen, sich über die Autorität der alten Schriftsteller zu stellen.51 Abgesehen von den persönlichen Unzulänglichkeiten und dem Fehlverhalten steht bei Robortello der ungebildete Philologe im Mittelpunkt der Kritik. Auf einer allgemeinen Ebene beklagt er die mangelnde Bildung, den imperitus und non instructus und seine inscitia,52 und schreibt beispielsweise: Quare perridiculi multi nostra aetate videri possunt, qui, cum nullius rei notitiam habeant, profiteri se librorum correctores audent, cum tamen corruptores potius sint appellandi.53
Robortello führt hier viele Fehler der Philologen auf ihr unzureichendes Wissen zurück. Fehler in der Textkritik liegen folglich vor allem in der Unwissenheit (ignoratio) begründet: Ignoratio autem rei quantum damni attulerit, quis est qui non videat, in maximis praesertim disciplinis?54
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Temeritas (Unachtsamkeit): Rob. Ars corr., 1557, S. 12/35; fucum facere (täuschen): S. 15/8f., 16/24f. „Sicherlich liest Manutius die alten Schriftsteller nicht, noch arbeitet er sie sorgfältig durch. Aber ich vermute, dass er oft auf Indizes zurückgreift. Und was er hier nicht findet, von dem sagt er sofort, dass es dies nicht gibt. Denn wenn er die Bücher sorgfältig der Reihe nach läse, würde ihm nichts entgehen.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 13/3–6. Rob. Ars corr., 1557, S. 11/21ff. Rob. Ars corr., 1557, S. 12/27ff. Imperitus (Unerfahrener): Rob. Ars corr., 1557, S. 7/6, 12/2f., 12/6; non instructus (nicht Ausgebildeter): S. 12/17f.; inscitia (Unkenntnis): S. 5/4, 9/5, 12/35, 14/11. „Deshalb können in unserem Zeitalter Viele als überaus lächerlich angesehen werden. Denn obwohl sie über keinerlei Wissen verfügen, wagen sie es, sich öffentlich als Verbesserer der Bücher auszugeben. Gleichwohl sollten sie eher als Verderber bezeichnet werden.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/9–12. „Aber gibt es jemanden, der nicht erkennen würde, wieviel Schaden die Unwissenheit einer Sache vor allem in den besten Wissenschaften verursacht?“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/3f.
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Diese ignoratio der Textkritiker taucht nach Robortello in drei besonders schädlichen Formen auf: Nam totidem etiam corrumpuntur modis: ignoratione scilicet antiquitatis, ignoratione scriptionis veterum, ignoratione locutionum ac verborum.55
Robortello bestimmt hier die wesentlichen Wissensbereiche, die von der Textkritik berührt werden: das Wissen über die antike Welt, Kenntnisse der antiken Schreibgewohnheiten sowie des antiken Sprachgebrauchs. Fehler in der textkritischen Arbeit führt Robortello abgesehen von schlechten Charaktereigenschaften und abträglichem Verhalten darauf zurück, dass der Philologe in einem dieser wichtigen Wissensbereiche unzureichend gebildet ist. Die von Robortello verwendeten Motive finden sich in den testimonia und bei Schoppe größtenteils wieder. Lucas Fruterius führt Schäden an antiken Texten auf ungünstiges Verhalten beim Arbeiten wie das ungenaue und unachtsame Lesen (non accurata & diligens lectio) zurück.56 Daneben taucht das Motiv der verwerflichen Charaktereigenschaften bei Lipsius wieder auf: Nam quod quidam facile hoc & pronum cuivis putant: vereor ut superbe errent. & clivi in hac scriptorum via non pauci, scio, quos superciliosi isti numquam superent, nisi adiuti a nobis.57
Nach Lipsius bliebe den superciliosi oftmals die richtige Herangehensweise an textkritische Arbeit verwehrt, weil sie in ihrem Hochmut die Arbeit unterschätzten. Lipsius moniert unzureichende Bildung und Gelehrsamkeit und bezeichnet den schlechten Philologen als Unkundigen (ignarus) und Untätigen (inficiens), der die Arbeit seiner Kollegen beneidet,58 oder auch als Ungebildeten (indoctus), rohen Klotz (rupex) und zähen Hammel (petro).59 Guillaume Budé verweist auf den blassen Neid (livor) des corruptor, Johannes Rivius und Bonaventura Vulcanius schimpfen ihn einen Halbgebildeten (sciolus).60 Vulcanius führt ausführlicher aus, dass der corruptor die Bildung zu wenig wertschätze: –––––––––––––– 55
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„Denn sie können auch auf ebenso viele Arten verdorben werden: nämlich durch die Unkenntnis des Altertums, die Unkenntnis der Schreibgewohnheiten der Alten sowie die Unkenntnis der Redeweisen und Wörter.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/21ff. Weitere Stellen sind: S. 6/23, 7/3, 7/22f., 7/31f. Frut. Verisim., 1584, fol. D4v. „Denn wenn manche glauben, dies sei für jeden einfach und nicht schwierig, dann fürchte ich, dass sie in ihrem Stolz irren. Und ich weiß, dass nicht wenige Hindernisse auf diesem Weg zu den Schriftstellern liegen, die diese Hochmütigen niemals überwinden, wenn wir ihnen nicht helfen.“ Lips. Praef., 1585, fol. E2v. Lips. Somn., 1585, fol. E5v. Lips. Somn., 1585, fol. E6r. Bud. Ass., 1515, fol. E7v; Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v.
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Quo quidem nomine, ut Reip. literariae magnopere gratulandum est, ita dolendum vehementer, exstitisse hac tempestate nonnullos qui iuvenili potius quadam ingenii confidentia, quam singulari quadam eruditione fulti, hoc studii genus aggressi, incredibile dictu est, quanta licentia, quamque indignis modis in veterum authorum scripta saevierunt.61
Vulcanius verknüpft die Emphase der Bildung mit der Kritik an der Höherbewertung eines natürlichen ingenium. Nach Vulcanius kann es nicht angehen, dass ein glücklicher Einfall mehr geschätzt wird als die einzigartige Gelehrsamkeit (singularis eruditio). Vor allem einige junge Textkritiker greifen mit Ungezügeltheit (licentia) in die antiken Texte ein und verderben sie, weil sie ihre Begabung hoffnungslos überschätzen. Mangelnde Bildung und Charakterschwäche, die bei Robortello und teilweise auch in den testimonia zentral sind, erwähnt auch Schoppe. Er nimmt den von Vulcanius und Rivius gebrauchten Begriff des sciolus an zwei Stellen für jene Philologen auf, die aufgrund ihres Halbwissens die antike Literatur verderben.62 Jenen Verächtern der Gelehrsamkeit (contemptores studiorum) mangele es außerdem an einer genaueren Kenntnis (exactior cognitio) der lateinischen Sprache.63 Auch stößt man in der Ars critica zuweilen auf Philologen voller Neid und Stolz, auf einen obtrectator und einen invidus, voller dens lividus, invidia, malevolentia, malignitas und fastus.64 Auf den imperitus trifft man bei Robortello und in den testimonia immer wieder. Er ist die wohl gängigste Beschreibung des schlechten Textkritikers. Einige Züge dieses corruptor trägt schon der oben beschriebene librarius, genauso wie er ist auch der schlechte zeitgenössische Philologe ungebildet und geht nachlässig vor. Das wird verstärkt, wenn der imperitus wegen schlechter Charaktereigenschaften methodische Zugänge verschmäht und sich statt dessen auf sein ingenium beim Verbessern verlässt oder gar vor Betrügereien nicht Halt macht. Die schlechten Eigenschaften von corruptores vereinigen verstärkt junge Gelehrte auf sich oder solche, die sich wie junge leichtsinnige Philologen verhalten. Schon Bonaventura Vulcanius spricht an der eben zitierten Stelle von Philologen, die in sich wegen ihrer jugendlichen Zuversicht (iuvenilis confidentia) in die eigene Begabung falsch verhalten. Schoppe deu–––––––––––––– 61
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„So sehr, wie man sich deswegen [wegen der Gebildeten] in der Gelehrtengemeinschaft freut, muss man auch überaus bedauern, dass in dieser Zeit Einige heraustraten, die diese Art des Studiums dadurch angingen, dass sie sich stärker auf das jugendliche Vertrauen in die angeborene Begabung stützten als auf vorzügliche Gelehrsamkeit. Es ist unglaublich, mit wieviel Ungezügeltheit und wie unwürdig sie in den Schriften der alten Schriftsteller wüteten.“ Vulc. Praef., 1594, fol. E3r. Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r, Kv. Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r. Obtrectator (Neider): Schop. Ars crit., 1597, fol. Br, C5v; invidus (Neidischer): fol. Cr; dens lividus (Zahn des Neids): fol. B2r; invidia (Neid): fol. C4v; malevolentia (Übelwollen): fol. Br; malignitas (Missgunst): fol. C4r; fastus (Hochmut): fol. A4r.
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tet misslungene Eingriffe wenig differenziert als Ergebnis von ausschweifendem Verhalten und schreibt dies vorwiegend jungen Textkritikern zu. Sein Vorwort beginnt mit der Feststellung: Saepius iam auditae sunt hominum doctissimorum querelae de nonnullorum temeritate & plusquam iuvenili audacia; qui nullis omnino libris veteribus adiuti, passim in omnes scriptores grassati sunt, eorum correctiones & in integrum restitutiones, admodum thrasonice promiserunt.65
Schoppe greift das Motiv des großspurig auftretenden Philologen auf, dem wir gerade bei Vulcanius begegnet sind. Allerdings lässt er die eigentliche Stoßrichtung von Vulcanius’ Äußerungen unberücksichtigt: Vulcanius verurteilt die Jugend mit dem Argument, sie verweigere antiken Autoren den ihnen gebührenden Respekt. Vulcanius geht von Vorstellungen von Philologie aus, die der Bildung und der Gelehrsamkeit eine wesentliche Rolle zusprechen. Dagegen übergeht Schoppe den Bildungsaspekt meistens und führt Jugend deswegen eher als eine Art mildernden Umstand an. Der jugendliche corruptor begegnet uns in einer etwas abstrusen Fassung in Lipsius’ Somnium. Hier lässt Lipsius den antiken Gelehrten Varro in seiner Rede vor dem römischen Senat Folgendes über junge Philologen (adolescentes) feststellen: [via] lubrica altera [i. e. coniectura, KV], praesertim cum in eam audaces & temerarii adolescentes inciderint, aut adolescentium similes senes.66
Vor allem bei Konjekturen machen in Lipsius’ Philologiesatire junge, und ihnen ähnliche alte Philologen viele Fehler. Deshalb wird auf Varros Antrag hin in den Senatsbeschluss der Passus neu quis minor XXV. annis correcturam petere, gerere possit aufgenommen, mit dem junge Philologen unter fünfundzwanzig per Gesetz vom Konjizieren ausgeschlossen werden.67 Vulcanius nennt die Ungezügeltheit (licentia) als Grund für Textverderbnisse.68 Auch Schoppe moniert, dass die Philologen in ihrer Haltung beim Verbessern von Texten von Waghalsigkeit (audacia) geleitet sind – und bei jungen waghalsigen Philologen kommt noch die Leichtfertigkeit –––––––––––––– 65
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„Schon öfter wurden Klagen überaus gelehrter Männer laut über die Unüberlegtheit einiger [Philologen] und über ihre mehr als jugendliche Waghalsigkeit. Wüteten sie doch ohne jegliche Unterstützung von alten Büchern [i. e. Handschriften] wahllos in allen Schriftstellern und versprachen dabei prahlerisch deren Korrektur und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Andere Stellen, wo Schoppe über die Jugend spricht, sind: fol. A4v, A7v, B2v, B3r, Cr. „Der andere Weg [die Konjektur, KV] ist rutschig, vor allem wenn ihn waghalsige und verwegene Jugendliche begehen, oder Alte, die den Jugendlichen ähnlich sind.“ Lips. Somn., 1585, fol. E5v. Lips. Somn., 1585, fol. E6r. Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, zitiert S. 169.
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(temeritas) hinzu.69 Denjenigen, der durch temeritas und audacia eine Stelle verdirbt, bezeichnet Schoppe auch als linkischen Kritiker (scaevus): illa autem, quae vel vetustate vel scaevorum quorundam temeritate & audacia depravata vel luxata sunt.70
Und Johannes Rivius bemerkt: ... nulla re perinde optimos quosque corruptos & depravatos esse auctores existimem, atque temeritate illa sciolorum quorumdam facile quidvis immutantium.71
Deutlich verurteilt Rivius die durch temeritas getriebenen scioli, die seiner Ansicht nach die Texte der antiken Autoren am ärgsten verderben. Eine Sonderform des imperitus ist also der jugendliche Gelehrte. Ungestüm und willkürlich geht er auf Handschriften los und erzeugt viele zusätzliche Fehler. Trotzdem fällt das Urteil über ihn unterschiedlich aus: Während Schoppe – selbst erst 21 – eine gewisse Nachsicht gegenüber dem Leichtsinn der Jugend übt, verbinden Vulcanius oder Rivius die temeritas und audacia mit Bildungsmangel und erachten dies für die Textverbesserung als verheerend. An anderen Stellen in der Ars critica schlägt Schoppe allerdings einen schärferen Ton an, verurteilt den schlechten Textkritiker mit größerem Nachdruck und beschreibt ihn als Wahnsinnigen: sed quod vel maxime necessarium viderem ingeniosis illis & prurientibus Criticis, ... ad eorum solemnem insaniam nonnihil medicandam hanc ... victus rationem, praescribere.72
Fehler sind das Ergebnis des Handelns von mental kranken Menschen (aegroti), die von tollen Hirngespinsten (somnia insana) geleitet sind. Schoppe sieht seine Aufgabe darin, die die einfallsreichen und lüsternen Philologen (ingeniosi & prurientes Critici) von ihrem widersinnigen und geisteskranken Verhalten (insania) zu heilen. An anderer Stelle bezeichnet er die Ergebnisse der Arbeit der aegroti als Wahn (somnia) und wahnwitzige Spitzfindigkeit (delirum acumen).73 Außerdem vergleicht Schoppe das willkürliche –––––––––––––– 69
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Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Neben Vulcanius und Schoppe beklagen Justus Lipsius und Janus Gulielmus noch die Waghalsigkeit (audacia, temeritas: Lips. Somn., 1585, fol. E5v; audacia: Gulielm. Verisim., 1582, fol. D7v). Edward John Kenney bezeichnet „temerity and irresponsibility of contemporary critics“ übrigens als frühneuzeitlichen Topos, und meint, Schoppe habe ihn von Lipsius übernommen (Classical text, 1974, S. 38). „Jene [Stellen] wurden aber durch ihr hohes Alter oder durch die Unüberlegtheit und Waghalsigkeit von manch einem linkischen [Philologen] verderbt oder im Sinn verrenkt.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v. Andere Stellen sind noch: fol. A8v, H7v. „... ich glaube, dass gerade die besten Autoren durch keine Sache so sehr verderbt worden sind wie durch jene Waghalsigkeit mancher Halbwisser, die leichtfertig alles Mögliche verändern.“ Riv. Castig., 1539, fol. E7v. „Aber am wichtigsten erscheint mir, jenen erfinderischen und lüsternen Kritikern ... diese Art der Lebensführung vorzuschreiben, um etwas an ihrem so weit verbreiteten geisteskranken Benehmen zu heilen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. Schop. Ars crit., 1597, fol. Br.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Eingreifen in den Text mit einer bösartigen Krankheit (cacoethes), der diejenigen Kritiker verfallen, die keine Manuskripte einsehen.74 Die Metaphorik des Wahnsinns wird auch mehrmals in den testimonia verwendet, etwa wenn Vulcanius über den Wahnsinn (vesania) der Halbwisser klagt oder Isaac Casaubon die schlechte Textkritik als heute übliche und überall verbreitete Krankheit unserer Kritiker (hodie solemnis & ™pid»mioj nostrorum Criticorum morbus) erkennt.75 Lipsius macht häufige Krankheiten von Philologen in der Streitlust (litigium) und in der Lüsternheit (prurigo) aus, von den sie nur schwer kuriert werden können. Dafür müssen sich die Patienten im Tempel des Asklepios behandeln lassen oder werden als schwere Fälle so lange ins Exil geschickt, bis sie von ihrem Wahn (insania) geheilt sind.76 Gulielmus schließlich nennt den schlechten Kritiker einen Narren (insanus) und stellt ihm den mit Sinn und Verstand begabten Menschen (cordatus homo) entgegen.77 Schoppe hält sich in seinen Ausführungen über den schlechten Kritiker verhältnismäßig eng an die Gedanken vorgängiger Philologen der testimonia. Dabei sind zwei Typen von corruptores dominant: Schlechte Textkritik geht häufig auf den jugendlichen, noch unerfahrenen und etwas zu forschen Textkritiker zurück, mit dem sein Temperament durchgeht. Daneben steht das negativere Bild des wahnsinnigen Philologen zurück, der aufgrund seiner Krankheit nicht zu guter Textkritik in der Lage ist. Beide, der iuvenis und der aegrotus, sind Varianten des imperitus. 3.2.3 Exkurs: Robortellos Polemik gegen einzelne corruptores Robortello verknüpft die Klage über die schlechte Bildung mit einer Polemik gegen verschiedene Kollegen. Dabei benutzt er das Bild des verderbenden Verbesserers und spricht etwa von einem corrector Livii novus, qui corrumpit verba Livii.78 Wahrscheinlich sollte er diesen neuen Verbesserer des Livius wohl treffender Textverderber nennen (novus hic corrector Livii, ne corruptorem dicam).79 Robortello rühmt sich statt dessen selbst, die Stelle, die der gleiche unerfahrene Verbesserer verdorben hatte (locus ab eodem imperito correctore corruptus), verbessert zu haben.80 Diese Stellen sind mit einem diffamierenden Unterton unterlegt und gegen Carlo Sigonio gerichtet. Ro–––––––––––––– 74 75 76 77 78 79 80
Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Casaub. Animad., 1596, fol. E2v. Lips. Somn., 1585, fol. E6v. Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r. „Ein neuer Verbesserer des Livius, der die Worte des Livius verdirbt.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 11/26f. Rob. Ars corr., 1557, S. 11/35–12/1. Rob. Ars corr., 1557, S. 12/5f.
3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten
173
bortello instrumentalisiert den gängigen Typus des unzulänglichen zeitgenössischen Philologen für Absichten, die jenseits methodologischer Interessen stehen. So positioniert er sich in den zahlreichen Debatten und Streitigkeiten, in denen er sich zu diesem Zeitpunkt befand (siehe Kapitel 1.1.4). Weitere Zielscheiben waren Vincenzo Maggi und Paolo Manuzio sowie in Andeutungen Henri Estienne und Marc-Antoine Muret. Wenn Robortello Carlo Sigonio als Philologen diskreditiert, wirft er ihm beispielsweise vor, aufgrund seiner ignoratio locutionum et vetusti sermonis einen Fehler gemacht zu haben: Ignoratione etiam locutionum et vetusti sermonis peccari solet, ut apud Liv. in Epit. lib. LVIII, ubi de agraria lege a Gracchis lata loquitur. Sigonius locum se corrigere putans depravavit. Verba sunt haec Livii: quoniam eos ad cupiditatem amplam modo sperandi incitaverat, legem se promulgaturum ostendit. Nam est legendum: amplum modum. Modus enim de agris dicitur, mensura.81
Da er den antiken Sprachgebrauch von modus nicht voll erfasst, verderbe Sigonio in seiner Livius-Ausgabe diese Stelle (Periochae 58,2). Damit ruft Robortello das Element der mangelnden Bildung des imperitus innerhalb der Polemik auf, die er gegen Sigonio in der Debatte über den Livius-Text führt. Die Stelle stammt aus der Livius-Ausgabe Sigonios aus dem Jahre 1555.82 An anderen Stellen der Ars corrigendi beschimpft Robortello Sigonio als imperitus (S. 7/6, 12/2f.), beschwert sich über sein Geschwätz und seine inscitia (S. 9/4f.). Ähnliche Wendungen finden sich in der Debatte mit Maggi um die aristotelische Poetik. Auch hier konstatiert Robortello bei seinem Widersacher mangelnde Bildung und unseriöses gelehrtes Handeln. Aus der Inkompetenz Maggis folgert er die Unzuverlässigkeit seiner Behauptungen und suggeriert, dass Maggi das, was er schrieb, plagiiert habe: Illi autem venire in mentem ne auctorum quidem ipsorum nomina potuissent, quos nunquam legit, nec attigit, cum vix literis Graecis sit tinctus, nec eam notionem rerum unquam parare sibi studuerit, in qua ego omnem aetatem consumpsi.83
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„Auch durch die Unkenntnis der Redeweisen und der alten Sprache werden gewöhnlich Fehler gemacht. Wie bei Livius in der Epitome von Buch 58, wo er über ein Landwirtschaftsgesetz spricht, das von den Gracchen eingebracht worden war. Sigonius verdarb die Stelle, auch wenn er glaubte, sie zu verbessern. Bei Livius lautet der Wortlaut: quoniam eos ad cupiditatem amplam modo sperandi incitaverat, legem se promulgaturum ostendit. Doch es ist zu lesen: amplum modum. Denn modus heißt [hier] das Feldmaß.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 7/22–27 (Hervorhebungen in ed. 1975). Livius: Ab urbe condita, ed. C. Sigonio, 1555, S. 470. „Jener aber konnte sich nicht einmal an die Namen der Schriftsteller selbst erinnern, die er gelesen und auch nicht bearbeitet hat. Er ist nämlich kaum mit der griechischen Literatur vertraut und bemühte sich niemals darum, sich eine solche Kenntnis der Dinge anzueignen, auf die ich mein ganzes Leben verwendet habe.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 16/20–24.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Im Gegensatz zu ihm habe es Maggi versäumt, sich die für die Interpretation von Aristoteles wesentlichen Kenntnisse der griechischen Literatur anzueignen. Damit spricht er Maggi das Vermögen ab, Aristoteles zu verstehen, geschweige denn zu edieren oder einen Kommentar zu verfassen. Die Strategie, mit Zuschreibungen von Eigenschaften des corruptor seine Gegner persönlich zu demontieren, setzt Robortello außerdem in der Polemik gegen Paolo Manuzio ein. Robortello bezichtigt Manuzio der Inkompetenz: Manuzio sei non instructus und die textkritische Arbeit leide unter seiner inscitia.84 Darüber hinaus stellt er seine charakterlichen Unzulänglichkeiten heraus: Manutius tanta sibi videtur esse auctoritate praeditus, ut audeat Asconium reprehendere, quasi in re tantilla, quae omnibus est nota, errare potuerit vir doctissimus. Quod cum ego legi, risum tenere non potui.85
Manuzios Überheblichkeit und sein mangelnder Respekt vor den antiken Autoren verführten ihn dazu, einen Fehler im Text des römischen Schriftstellers und Cicero-Kommentators Asconius auf diesen selbst zurückzuführen. Wegen seiner Arroganz und Unkenntnis schätze Manuzio die Ursachen des Fehlers falsch ein, weil er am Ansehen des antiken Schriftstellers zweifelt. Manuzios Fehleinschätzung sei so hanebüchen, dass Robortello loslachen musste. Schließlich bemängelt Robortello noch Manuzios schlampige Arbeitsweise und schlechte Methode.86 Robortello schließt seine Ars corrigendi mit einer Kritik an einem quidam Terentii novus emendator ab: Versus est apud Terentium: benignitatem nuncubi meam sensisti in te claudier? Ibi non claudier, sed calvier legi quidam Terentii novus emendator affirmat in codice Romano; ... Id falsissimum est: ... Scilicet Bembus ante dictionem tam insignem non vidisset. ... codex Romanus id non habet, ut multi ad me nuper scripserunt. Quid autem sentiam de tota hac re, dicam in Annotationibus postea; nam claudier omnino legendum est.87
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Non instructus (schlecht ausgebildet): Rob. Ars corr., 1557, S. 12/16–19 (zitiert oben, S. 157); inscitia (Unwissenheit): S. 14/10ff. „Manuzio glaubt sich selbst mit so viel Autorität ausgestattet, dass er es wagt, Asconius zu tadeln, als ob sich ein so überaus gebildeter Mann in einer solch geringen Sache, die allen bekannt ist, hätte irren können! Als ich dies las, konnte ich das Lachen nicht zurückhalten.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 12/27ff. Stellen zur Schlampigkeit: Rob. Ars corr., 1557, S. 12/31–13/6, 13/8f.; zur schlechten Methode: S. 13/31–14/1. „Ein Vers bei Terenz lautet: benignitatem nuncubi meam sensisti in te claudier? Ein neuer Korrektor des Terenz behauptet, dass im codex Romanus an dieser Stelle nicht claudier, sondern calvier zu lesen ist. ... Doch das ist völlig falsch. ... Man bedenke nur, dass Bembo früher kein so bedeutsames Wort aufgefallen ist. ... Der codex Romanus besitzt dies[-e Lesart jedenfalls] nicht, wie mir neulich Viele schrieben. Aber was ich über diese ganze Sache denke, sage ich später in den Annotationes. Denn in jeder Hinsicht muss claudier gelesen werden.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 16/25–35 (Hervorhebungen in ed. 1975).
3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten
Abb. 18: Terenz-Codex Bembinus, fol. 9r.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Hinter jenem neuen Terenz-emendator verbirgt sich Marc-Antoine Muret, der im Streit um die Sappho-Philologie mittelbar eine Rolle in der Ars corrigendi spielt. Muret verfasste eine notae-Sammlung und eine Edition von Terenz. Robortello bezieht sich hier auf eine Besprechung von Eunuchus 164f. in seinen eigenen Annotationes („dicam in Annotationibus postea“). Dort verweist er ausdrücklich auf die Annotationes in Terentium des M. Antonius Muretus Gallus.88 In der Ars corrigendi kritisiert Robortello vor allem, dass sich Muret auf eine falsche Lesart stützt und dabei behauptet, dass sie aus einer berühmten Handschrift stamme, nämlich aus dem codex Romanus. Dabei dürfte es sich um die so genannte Bembine (Vaticanus lat. 3226) aus dem 4./5. Jahrhundert handeln, die sich zuweilen im Besitz von Pietro Bembo befand (siehe eine Seite aus dem Faksimile der Handschrift (Eunuchus 92–116) in Abbildung 18).89 Robortello bezieht sich hier auf eine Aussage Murets in dessen Annotationes in Terentium von 1550, wo dieser behauptet, seine Lesart stamme aus der Bembine.90 Dagegen habe aber Bembo in seinen Terenzarbeiten keine solche Stelle erwähnt, und andere Gelehrte bestätigten dies. Robortello kleidet die Philologen, gegen die er in Kontroversen verwickelt ist, in die Figur des corruptor. So beanstandet er bei Sigonio unzureichende Kenntnis des lateinischen Sprachgebrauchs, bei Maggi mangelnde Belesenheit in der griechischen Literatur, Manuzios charakterliche Unzulänglichkeiten und Murets Unehrlichkeit. Indem Robortello die Polemik gegen seine Gegner an eine übliche Wendung aus der textkritischen Terminologie knüpft, benutzt er seine Methodenlehre für Stellungsnahmen in den Debatten, was inhaltlich mit textkritischer Methodologie nichts zu tun hat. Allerdings war diese Verbindung von philologischer Forschung einerseits und Polemik andererseits in dieser Zeit verbreitet, was wir an der philologischen Fachgattung der notae-Sammlungen (vor allem am vermischten Typus) sehen konnten (siehe Kapitel 2.3.2). Wenn Robortello in seine Ars corrigendi gewissermaßen eine zweite Ebene einbaut, die er als Plattform für seine Beiträge in den Debatten nutzt, dann befindet er sich also damit im Einklang mit den Gepflogenheiten seines Faches.
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F. Robortello: Annotationes, 1557, lib. 2, cap. 8, S. 32v. Vgl. dazu P. d. Nolhac: La bibliothèque de Fulvio Orsini, 1887, S. 92ff., S. 109–113; F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 275ff.; K. Büchner: Überlieferungsgeschichte der lat. Literatur, 1961, S. 377–380; S. Prete: Il Terenzio Vaticano lat. 3226, 1970 (inklusive Reproduktion des Manukripts); S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 128. M.-A. Muret: Annotationes in Terentium, 1550, S. 747. Vgl. dazu auch L. Ceretti: Critica testuale a Terenzio del Faerno e Manuzio, 1954, S. 523.
3.2 Schreiber und Philologen als Verderber von Texten
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3.2.4 Der corruptor als zeitgenössisches Motiv Inmitten seiner Schimpferei gegen schlechte Philologen entschlüpft Robortello der Ausruf: Atque utinam lege aliqua esset interdictum, ne omnibus id liceret!91
In scheinbarer Verzweiflung angesichts der perridiculi correctores, die mehr verderben als verbessern, beschwört Robortello als letztes Mittel ein Gesetz, das die Eignung für Textkritik überwachen soll. Dieses abstruse Szenario eines Gesetzgebers, der sich um die Qualitätsprüfung in der Philologie kümmert und Mängel womöglich sogar strafrechtlich verfolgt, entspringt allerdings nicht allein Robortellos Phantasie. Erasmus von Rotterdam meinte im Anschluss an die oben (S. 155) zitierte Stelle in den Adagia, das Problem schlechter Editionen könne eingedämmt werden, wenn jenen Druckern, „die sich in ihrer Unredlichkeit weder durch Vernunft noch durch Anstand beirren lassen, die Gesetze mit dem Stock drohten“.92 Abgesehen von Erasmus’ Einsatz für die Prügelstrafe für renitente Drucker, forderte Niccolò Perotti im Zusammenhang mit der Edition von Plinius’ Naturalis historia eine Art Zensureinrichtung für die Philologie. Perotti macht hier nicht die Drucker, sondern die correctores für die Textverderbnisse verantwortlich: Huius autem rei causa est non tam inscitia eorum qui imprimunt quam negligentia, ne quid gravius dicam, quorundam qui se correctores ac magistros veterum librorum constituunt.93
Der Grund für die schlechten Ausgaben liegen nach Perottis Dafürhalten in der persönlichen Unfähigkeit der Editoren, deren Laxheit die vielfache Verbreitung von fehlerhaften Texten verursache. Perotti denkt sogar an eine ganz bestimmte Kontrollbehörde: Proviso autem facillima est ut auctoritate pontificis maximi unus aut alter huic muneri preficiatur qui ... imprimendorum librorum legem impressoribus prescribat.94
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„Ach, wäre es doch nur per Gesetz verboten, dass dies jedem erlaubt ist!“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/21ff. „... quos nec ratio nec pudor cohibet, leges ostendant fustem paratum.“ Erasmus: Adagia 2,1,1 (ed. & dt. Übers. T. Payr 1972, S. 498f.). „Der Grund dafür liegt aber nicht so sehr in der Unwissenheit jener, die drucken, als vielmehr in der Nachlässigkeit – um es nicht sogar noch krasser zu sagen – derer, die sich als Verbesserer und Meister der alten Bücher hinstellen.“ N. Perotti: Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470, § 8 (ed. J. Monfasani 1988, S. 25). „Am einfachsten wäre es, wenn jemand durch die Autorität des Papstes mit dieser Aufgabe betraut würde, jemand, der den Druckern ein Gesetz zum Drucken von Büchern vorschreibt.“ N. Perotti: Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470, § 24 (ed. J. Monfasani 1988, S. 26).
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Perotti hat ein Zensuramt im Auge, das von der Autorität des Papstes getragen werden soll – wohlgemerkt geht um allein um antike Literatur. Das Motiv der Zensur in der Philologie bemüht auch Justus Lipsius in seiner Satire, wenn der römische Senat zum Schutz der antiken Literatur jungen und alten Philologen textkritische Betätigung verbietet.95 Die (behördliche) Kontrolle soll sich auf die von manchem Zeitgenossen argwöhnisch beäugten Buchdrucker und deren Mitarbeiter – etwa den Korrekturleser – richten. Der Ruf nach Zensur veranschaulicht, wie dringlich das Problem der Textkorruption empfunden wurde, vor allem seit der Einführung des mechanisierten Buchdrucks. Die Schelte der Kopisten (librarii) wird abgelöst durch die der Drucker und ihrer Mitarbeiter. Da jetzt die Texte durch den Buchdruck in – einschließlich Fehler – identischen Textfassungen vervielfältigt werden, sind sie es nun, die sorgfältig auf die Qualität und Fehlerfreiheit der Texte achten müssen. Als Ursachen für Fehler werden schlechte Eigenschaften der Personen ausgemacht, die die Texte bearbeiteten. Dabei wirkten der Bildungsgrad, das Verhalten und die persönlichen Anlagen wesentlich auf die Qualität der Arbeit zurück. Wenn die Kritik an schlechten Philologen bei Robortello stärker als bei den anderen im Vordergrund steht, so liegt das vor allem daran, dass er seine Abhandlung extensiv als Beitrag zu verschiedenen Polemiken und Debatten nutzt. Schoppe wiederum lässt die Bildung weitgehend außer Acht und macht stärker die im Verhalten und in den angeborenen Anlagen begründeten Unzulänglichkeiten für Fehler verantwortlich. Demnach fehlen den Schreibern wesentliche wissenschaftliche Tugenden, junge Philologen gingen zu ungestüm an die Arbeit, und andere Philologen erweckten durch ihre Fehler schon den Eindruck von Geisteskrankheit. In dieser Zeit kommen gelegentlich auch andere Argumente zur Sprache. So bemerkt Hieronymus Hornschuch in der Orthotypographia: Deinde Ebrietatis vitium summo declinet studio, ne aut omnino nihil, aut contra plus quam re ipsa adsit, cernat. Dum ebrius candelabrum pro lumine tangit, oculis fallitur, cespitatque.96 Darnach so muß der Corrector sich mit allem Fleiß f(r der Trunckenheit h(ten/ auff daß er nicht etwa gantz nichts / oder hingegen mehr / als in Warheit vorhanden / sehe und auffzeichne. In dem der Trunckene den Leuchter f(r das Liecht anr(hrt/ wird einer von den Augen betrogen und strauchlet.97
In seiner Anleitung zur rechten Buchdruckkunst warnt Hornschuch vor der Trunkenheit: Neben Kompetenzen stehen hier physische Vermögen – Alkohol beeinträchtigt die Sehkraft und so eine unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit des corrector. –––––––––––––– 95 96 97
Lips. Somn., 1585, fol. E6r. Siehe dazu auch S. 170. H. Hornschuch: Orthotypographia, 1608, S. 9. H. Hornschuch: Orthotypographia teutsch, 1634, S. 9 (Hervorhebung in ed. 1634).
3.3 Der tüchtige corrector
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3.3 Der tüchtige corrector Der verheerende Zustand der überlieferten Texte und die daran mitschuldigen Gelehrten sind der Ausgangspunkt der Ars corrigendi-Literatur. Verderbnisse werden auf Laster, falsches Verhalten, Unbildung, Unreife und geistige Umnachtung des Philologen zurückgeführt. Die Methodenlehren machen Vorgaben, wie aus diesen unbeherrschten Pseudogelehrten ohne echten Respekt vor antiker Literatur correctores werden, die die Texte im Ergebnis tatsächlich verbessern. Der erfolgreiche Philologe wird in einprägsamen Bildern gezeichnet. Wie auch schon beim schlechten Philologen erklärt sich die Qualität des textkritischen Eingriffs durch Eigenschaften, die beim Handeln zum Einsatz kommen. In diesen Kompetenzen und darin, wie sie konzipiert, gewichtet und bewertet werden, liegt der Schlüssel zum Verständnis frühneuzeitlicher Konzeptionen von Textverbesserung. Im Folgenden wird es um die Anlagen und Begabungen von Philologen gehen, die erfolgreiche Textkritik betreiben wollen. Anschließend wird die Rolle der Gelehrsamkeit in den Blick genommen und die dabei formulierten konkreten Bildungsinhalte. Neben Anlagen und Bildung sprechen die Verfasser noch über Kompetenzen im Verhalten und die ihnen zugrunde liegenden handlungsleitenden Einstellungen. 3.3.1 Ingenium: Angeborene Anlagen und Begabung In den Methodenlehren ist verschiedentlich von Begabungen und den Vermögen des Verstandes die Rede. Canter erwähnt etwa eine Verbesserung allein mit Hilfe seines Verstands (solo nos ingenio iuvante), oder attestiert demjenigen, der mit Urteilskraft ausgestattet ist (qui iudicio praeditus), gute Voraussetzungen dafür, ein guter Philologe zu werden.98 Ein Teil dessen, was ein Mensch kann, geht auch im Alltagsverständnis auf angeborene Begabungen und charakterliche Eigenarten zurück. Wie solche Anlagen im Verhältnis zu dem gewichtet werden, was sich der weniger Begabte mühsam aneignen muss, darüber finden sich unterschiedliche Einschätzungen.
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Cant. Ratio emend., 1571, S. 4, 64. Über ingenium und iudicium spricht Canter selten, in diesem Sinne nur noch auf S. 6, 63 bzw. praef. 1566, S. 636.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Robortello beispielsweise erwähnt natürliche Anlagen im Zusammenhang mit Verbesserungen, die auf keine handschriftliche Zeugnisse gestützt werden können: Hae coniecturae sunt primi generis, quibus quantum sit credendum videtis; non enim confirmantur testimonio ullo: tantum metimur illas nostro sensu et ingenio.99
Die Überprüfung solcher Verbesserungen kann der Philologe nur aufgrund seines geistigen Wahrnehmungsvermögens (sensus) und seines angeborenen Verstands (ingenium) vornehmen. Die geistigen Vermögen sind allerdings veränderbar. Das ergibt sich daraus, dass Robortello an anderer Stelle von einem ingenium bene subactum & excultum, multis instructum disciplinis spricht.100 Der Philologe soll die geistigen Fähigkeiten, die ihm angeboren sind, vervollkommnen und sich zu diesem Behelf in den Wissenschaften üben. Eine ähnliche Position wie Robortello vertritt Bonaventura Vulcanius im Vorwort zu seiner Apuleius-Ausgabe. Stärker als Robortello betont Vulcanius die ambivalente Rolle des ingenium. Auch wenn es bei den Philologen wichtig gewesen sei, die sich um die antiken Autoren verdient gemacht haben, steht es in enger Verbindung mit der Bildung: ... quales profecto exstiterunt, & avorum nostrorum memoria, & nostra aetate, viri aliquot eruditione excellenti, ingenio iudicioque acerrimo praediti, qui multum lucis atque splendoris classicis authoribus attulerunt.101
Vulcanius ergänzt das ingenium mit Urteilsvermögen (iudicium), das Robortello nicht erwähnt. Aber auch Vulcanius verbindet ingenium und iudicium mit einer vortrefflichen Gelehrsamkeit (eruditio excellens). Deutlicher als Robortello hebt Vulcanius hervor, dass Begabungen nicht nur veränderbare Eigenschaften sind, sondern dass sie ohne Bildung sogar verderbend wirken können: Dezidiert warnt er davor, sich bei der Arbeit mehr auf das Vertrauen auf die angeborene Begabung (confidentia ingenii) als auf die vorzügliche Gelehrsamkeit (eruditio singularis) zu stützen.102
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„Diese Vermutungen gehören zur ersten Art. Ihr seht, wie weit man ihnen glauben kann. Denn sie werden durch keinerlei Zeugnis bestätigt. So sehr beurteilen wir sie nur nach unserer Vernunft und unserem Verstand.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 5/24ff. 100 „Gut geschulter und veredelter Verstand, der durch viele Wissenschaften gebildet ist.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/9f. 101 „... wie zur Zeit unserer Ahnen und in unserem Zeitalter in der Tat einige Männer hervortraten, die, ausgestattet mit herausragender Bildung, Verstand und einem überaus scharfen Urteilsvermögen, den klassischen Autoren eine Menge an Licht und Glanz bereiteten.“ Vulc. Praef., 1594, fol. E3r. 102 Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, zitiert S. 169.
3.3 Der tüchtige corrector
181
Schoppe spricht natürlichen Anlagen eine wichtige Rolle zu und führt gute Textarbeit immer wieder auf das ingenium und das Talent (indoles) zurück.103 Außerdem verknüpft er die natürliche Begabung mit dem Bild des jungen Philologen, der qua Alter über keine großen Bildungsschätze verfügen kann. So nennt Schoppe ingenium im Zusammenhang mit Leistungen von einzelnen jungen Philologen, etwa Jacob Lectius (1556–n.1603), Janus Mellerus Palmerius (bis 1580) und Janus Gulielmus.104 Im Vergleich dazu erwähnt Robortello adolescentes an zwei Stellen und macht deren Kompetenzen nicht in ihren Begabungen, sondern in der Tugend der Lernbegierigkeit aus.105 Des Weiteren lobt Schoppe das ingenium von Philologen, die ihren guten Ruf herausragenden Anlagen verdanken. Zu solchen homines ingeniosissimi zählt er Erasmus von Rotterdam, Joachim Camerarius, Marquard Freher, Scipio Gentilis, Josia Mercier, Bonaventura Vulcanius, Marcus Welser und Salomon Rysi ski.106 Sein großes Vorbild Joseph Justus Scaliger rühmt er beispielsweise mit folgenden Worten: omnia ante corruptissima & nemini homini nato intellecta admirabili & prorsus divino iudicio & ingenio adeo restituit & illustrat, ut nunc vel pueris legi illa intelligique possint.107
Schoppe verbindet das Lob des ingenium mit dem des wohlgeratenen Urteilsvermögens (iudicium).108 In diesem Sinne berichtet auch Paul Merula über Philologen mit günstigsten Begabungen (ingenia felicissima).109 Und Janus Gulielmus setzt gleich an zwei Stellen ingenium und iudicium nebeneinander: Zum einen hebt er die verfeinerte Beredsamkeit des Verstands (expolita ingenii elegantia) und den Scharfsinn eines geschickten Urteilsvermögens (sollertis iudicii acumen) heraus, zum anderen die überscharfe Begabung (peracre ingenium) und die verfeinerte und durchgebildete Urteilskraft (limatum subactumque iudicium).110 Dass Schoppe die natürlichen Anlagen des Kritikers höher schätzt als Robortello, ergibt auch vor dem biographischen Hintergrund Sinn. Schoppe kann auf diese Weise über personale Eigenschaften sprechen, die der Textkritik förderlich sind, ohne auf sein Alter Rücksicht nehmen zu –––––––––––––– 103 104 105 106 107
Ingenium: Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, H6r, H7r, I6r–I6v, I7v, I8v; indoles: fol. A4r. Schop. Ars crit., 1597, fol. C6r (Lectius), C8v (Palmerius und Gulielmus). Rob. Ars corr., 1557, S. 1/6, 11/6ff. Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, Cr, C7r, Dv, D2v, D3r. „Alle [diese Schriften] waren äußerst verdorben und konnten von keinem bislang geborenen Menschen verstanden werden. Mit seiner bewundernswerten und schlichtweg göttlichen Urteilskraft und seiner Begabung verbessert und erklärt er [Scaliger die Schriften] so lange, bis sie jetzt sogar von Knaben gelesen und verstanden werden können.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C3v. 108 Außerdem: Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A2v, A4r, A4v, B3v, Cr, Iv. Schoppe verwendete iudicium aber auch in der direkten Bedeutung „Urteil“ (etwa fol. Br, B2r, B4r etc.). 109 Merul. Praef., 1595, fol. D4r. 110 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v, D7r.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
müssen, das sich mit der Forderung nach Bildung nur schlecht verträgt. Gleichwohl übersieht Schoppe nicht die Gefahr der Überbetonung des ingenium.111 Wie oben (S. 169) berichtet, weist er auf junge Philologen hin, die sich allzu leichtfertig auf ihr ingenium verlassen. Außerdem räumt er ein, dass besonders schwierige Fehler oftmals nicht allein durch das Vorstellungsvermögen (divinatio) behoben werden können.112 Dennoch ermuntert Schoppe den Leser an der gleichen Stelle, sein ingenium anzustrengen: Si posteriori, age qui ingenii laudem aucuparis, ostende qui vir sies, nullus tibi commodior omni hoc libro locus offeretur, quo ingenium exerceas.113
Schoppe spricht über Philologen, die durch besonders geschickte Konjekturen nach Ruhm streben. Dieses Bild, das bis in die heutige Zeit lebendig geblieben ist, verwendet auch Marc-Antoine Muret: Thesaurum quemdam malorum Plautinae fabulae continent: ... Itaque non est verendum, ne istis, qui ex veterum scriptorum emendatione ingenii gloriam aucupantur, quid agant, desit.114
Wenn also Schoppe Murets Wendung der Jagd des ingenium nach Ruhm heranzieht, dann ist trotz der Mahnung, Handschriften einzusehen, die Betonung des ingenium in der Ars critica augenfällig. Wenn er die jungen Philologen wegen ihrer Dreistigkeit und Waghalsigkeit rügt, bleibt er im Tonfall milde, weil die wichtigste Voraussetzung für gelungene Textarbeit seiner Meinung nach in ihrem ingenium gelegen ist. 3.3.2 Eruditio: Bildung und Gelehrsamkeit Robortello bemerkt zu weiteren Voraussetzungen für erfolgreiche Textkritik, dass sie nur von einem Gebildeten ausgeführt werden kann: Praeclara igitur professio est, libros veterum ... corrigendi. ... Sed non quivis id praestare potest; at ii tantum, qui multarum et maximarum rerum disciplinis fuerint instructi.115
–––––––––––––– 111 An zwei Stellen gebraucht Schoppe auch ingeniosus, um allzu forsche Philologen zu brandmarken (Ars crit., fol. A8r (zitiert auf S. 171), Ir). 112 Schop. Ars crit., 1597, fol. H6r. Den Ausdruck divinatio verwendet auch Lipsius (Somn., 1585, fol. E6r). 113 „Wenn Dir beim letzten [Fall] keine passendere Stelle in [meiner] Abhandlung geboten wird, dann zeig auch Du, der Du dem Ruhm des ingenium nachjagst, was für ein Mann Du bist, indem Du Deinen Verstand anstrengst.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. H6r. 114 „Die Plautinischen Komödien enthalten geradezu einen Schatz an Fehlern: ... Deshalb muss man nicht befürchten, dass es jenen, die mit dem Verbessern der alten Schriftsteller nach dem Ruhm des ingenium jagen, an Arbeit mangeln wird.“ Mur. Var. lect., 1580, fol. Er. 115 „Deshalb ist die Aufgabe hoch angesehen, die Bücher der Alten zu verbessern. ... Aber nicht jeder kann dies leisten: Doch nur diejenigen, die in vielen und den wichtigsten Wissenschaften gebildet sind.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/4–9.
3.3 Der tüchtige corrector
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Der geeignete corrector ist in vielen Fächern geschult, und Robortello konzipiert diese Bildung als unendliche Gelehrsamkeit (eruditio infinita): Primum igitur illud statuamus, in hac nostra arte requiri infinitam quandam eruditionem in eo, qui emendatorem se librorum dici cupit: multa legerit oportet, multa cogitarit, multa audierit, multa triverit usu, recentiores etiam evolverit.116
Von einem, der sich emendator nennen und erfolgreiche Textkritik machen wolle, fordert Robortello, er müsse über einen reichen Wissensschatz verfügen und sowohl die antiken als auch die zeitgenössischen Schriftsteller (recentiores) kennen. Außerdem führt er aus: Nam ingenium habere bene subactum & excultum, multis esse instructum disciplinis, perlegisse antiquos grammaticos, qui veterum loquendi rationem observarunt, evolvisse ipsos auctores diligenter, antiquitatis totius notionem habere, interiora haec sunt, in animoque eius sita, qui hoc profitetur.117
Bildung wird aufgefasst als Kenntnisse in den Wissenschaften, als Belesenheit in der antiken Literatur, als Vertrautheit mit dem antiken Sprachgebrauch und damit gleichsam als Wissen über die gesamte Antike (notio totius antiquitatis). Damit setzt Robortello die textkritische Tätigkeit in den Kontext einer enzyklopädisch angelegten Bildungsvorstellung. Der corrector muss in allen Disziplinen bewandert sein, die jene Texte berühren, die er bearbeitet. Robortello knüpft an allgemeine Bildungsvorstellung der Zeit an. Wie im Kapitel 2.2.3 beschrieben, werden in dieser Zeit enzyklopädische Gedanken entwickelt, die aus der Antike aufgegriffen und unter anderem von Angelo Poliziano bereits über ein halbes Jahrhundert vor Robortello für die Philologie programmatisch reformuliert wurden. Robortello räumt der Gelehrtheit des Philologen also eine zentrale Stellung ein: Bildung und Wissensbestände von Philologen sind unabdingbare Voraussetzungen für gelungene textkritische Arbeit – Entscheidungen über Verbesserungen werden mit dem Verweis auf die Gelehrsamkeit des Philologen gerechtfertigt, beispielsweise die humanitas des vir eruditus et optimus, Antonius Bendinellus Lucensis.118 Robortello fordert möglichst breite Wissensbestände und teilt sie in drei Hauptbereiche ein: –––––––––––––– 116 „Zuerst stelle ich also Folgendes fest: In meiner Kunstlehre wird von demjenigen, der Verbesserer von Büchern bezeichnet werden will, eine geradezu unendliche Gelehrsamkeit verlangt. Es ist nötig, dass er Vieles gelesen, viel überlegt, Vieles gehört, Vieles in seiner Verwendungsweise gebraucht und auch die jüngsten Autoren sorgfältig gelesen hat.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/14–17. 117 „Denn einen gut geschulten und veredelten Verstand zu besitzen, in vielen Wissenschaften gebildet zu sein, antike Grammatiker, die die Art des Sprechens der Alten beobachteten, gelesen zu haben, die Schriftsteller selbst sorgfältig studiert zu haben, die Kenntnis des gesamten Altertums zu haben – dies alles ist innen und im Geist dessen gelegen, der sich dieser Aufgabe verschreibt.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/9–13. 118 Rob. Ars corr., 1557, S. 8/16f.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Iam vero emendationes, quae rectae sunt, antiquis codicibus confirmantur triplici modo: notione antiquitatis, notione scriptionis antiquae, notione locutionum et verborum antiquorum.119
Der erste Bereich der Kenntnis der antiken Welt (notio antiquitatis) orientiert sich an dem, was bereits erörtert wurde, etwa an der Lektüre der antiken Literatur, wobei Robortello besonderen Wert auf antike Grammatiker legt.120 Die notio antiquitatis passt in der Allgemeinheit und Floskelhaftigkeit gut zu der bereits zitierten Feststellung, dass die Gelehrtheit, die ein guter Philologe für seine textkritische Arbeit mitbringen müsse, von schier unendlichem Ausmaß sei.121 Damit rekurriert Robortello pauschal auf humanistische Bildungsvorstellungen, was für seine Zeit gesehen weder überraschend noch besonders originell ist. Allerdings argumentiert Robortello diesbezüglich andernorts differenzierter: Im Zusammenhang mit einer Cicero-Lesart erklärt Robortello, Viele hätten diese Stelle deswegen verdorben, weil sie über nur mangelnde Kenntnisse der Antike verfügten: Ignoratione antiquitatis, ut apud Ciceronem in Epist. ad Atticum lib. VI: Caelius libertum ad me misit et literas accurate scriptas de civitatibus. Multi cibyratibus emendant nec intelligunt ibi Ciceronem loqui de aedilitiorum illo vectigali, de quo in lib. Epist. ad Q. Fratrem, Epist. I, est facta mentio, ubi ait: queritur te, quod edixeris ne ad ludos pecuniae decernerentur, HS. CC sibi eripuisse.122
Mit dem Wissen über eine einschlägige Stelle in Ciceros Epistolae ad Quintum fratrem (1,1,26) gelingt Robortello die Verbesserung, weil mit dieser Parallelstelle der Sinn der ersten Stelle (Cic. Ep. ad Atticum 115,21) geklärt werden kann. Unter die notio antiquitatis subsumiert Robortello also auch genauere und kleinteiligere Kenntnisse der antiken Literatur. Im zweiten Wissensbereich, der notio scriptionis antiquae, werden Kenntnisse über die technische Seite des antiken und mittelalterlichen Schreibens erfasst. Robortello bespricht in diesem Zusammenhang aus–––––––––––––– 119 „In der Tat werden die Verbesserungen aus alten Handschriften, die richtig sind, auf dreifache Art bestätigt: durch die Kenntnis des Altertums, durch die Kenntnis der antiken Schreibgewohnheiten sowie durch die Kenntnis der antiken Redensarten und des antiken Wortschatzes.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/19ff. (Hervorhebung in ed. 1975). 120 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/9–13. Ähnlich äußern sich auch Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r. 121 Rob. Ars corr., 1557, S. 2/14–17, zitiert S. 183. 122 „Wegen der Unkenntnis des Altertums [wurde] bei Cicero in den Epistolae ad Atticum (Buch 6) [folgende Lesart verdorben]: Caelius libertum ad me misit et literas accurate scriptas de civitatibus. Viele verbessern hier in cibyratibus und verstehen nicht, dass Cicero hier von jener Steuer der Ädilen spricht, von der auch in den Epistolae ad Q. Fratrem in Brief 1 die Rede ist: Dort sagt er: queritur te, quod edixeris ne ad ludos pecuniae decernerentur, HS. CC sibi eripuisse.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/23–28 (Hervorhebungen in ed. 1975). Direkt im Anschluss führt Robortello dann noch eine Verbesserung aufgrund der notio antiquitatis auf, die dem vorbildhaften Philologen Piero Vettori gelang (S. 6/28–34).
3.3 Der tüchtige corrector
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führlich antike Schreibmaterialien (S. 2/34–3/28) und die historischen Gründe für die Zerstörung von Literatur (S. 3/28–4/35). Außerdem führt er zwei konkrete Arten von Kenntnissen alter Schreibweisen an: Das betrifft zunächst Fragen der antiken Übersetzungsgewohnheiten. So sei ein imperitus corrector, wer – wie Carlo Sigonio – die Schreibgewohnheiten der Alten, in diesem Falle der Griechen, nicht kenne: Ignoratione rationis veterum in scribendo labi aliquis potest; ut lapsus est Sigonius, qui putat apud Livium ubique legendum Crustomerium, Crustomerinos. Attendite, quia – inquit – apud Halicarnass. Kroustomšrion et KroustomerinoÚj video semper scribi. Imperitus hic ignorat Graecos certam rationem secutos in dictionibus Romanis vertendis.123
Sigonio kann die Livius-Stelle deshalb nicht verbessern, weil er nicht weiß, dass die Griechen ein sicheres Verfahren der Transkription vom Lateinischen ins Griechische (certa ratio in dictionibus Romanis vertendis) anwenden. An anderer Stelle kommt der umgekehrte Fall zur Sprache, wenn Robortello mit Ciceros Prinzipien des Übersetzens aus dem Griechischen argumentiert: Atque sic, opinor, patet Ciceronem inter se pugnantia non loqui. Non se astringit in vertendo verbis totidem Cicero, sed sententiam exprimere studet, ut multis aliis in locis.124
Robortello rechtfertigt eine Verbesserung von Aristoteles mit dem Rückgriff auf philologisches Fachwissen, etwa dass Cicero sich nicht widersprach, sich beim Übersetzen zugunsten der Klarheit des Sinns gewisse Freiheiten erlaubte und nicht jedes Wort eins zu eins ins Lateinische übertrug. Neben den antiken Übersetzungsgewohnheiten fasst Robortello unter notio scriptionis antiquae außerdem das Wissen über Abkürzungen im Lateinischen: Etiam ignoratione notionis veterum in scribendo saepe peccarunt librarii; quare tali notione possunt loca emendari quam plurima, ut cum ego illud ex Asconio erratum sustuli, in oratione In competitores pag. 66: Piso autem, cum haec dicerentur, perierat in Hispania, missus a Senatu per honorem legationis, ut avus suus ablegaretur. Haec verba perturbata erant. Cum igitur scirem hunc ab urbe fuisse ablegatum per
–––––––––––––– 123 „Aufgrund der Unkenntnis des Verfahrens der Alten beim Schreiben kann manch einer ins Straucheln geraten. So stolperte etwa Sigonius, der glaubt, dass bei Livius überall Crustomerium und Crustomerinos gelesen werden muss. Er [Sigonio] sagt: Seid aufmerksam, weil ich sehe, dass bei [Dionysios von] Halikarnassos immer Kroustomšrion und KroustomerinoÚj geschrieben wird. Er ist unkundig und weiß nicht, dass die Griechen beim Übertragen von römischen Wörtern einem bestimmten Verfahren folgten.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 7/3–7 (Hervorhebungen in ed. 1975). 124 „Und so, glaube ich, ist es klar, dass Cicero sich nicht widerspricht. Cicero fesselt sich beim Übersetzen nicht an die vorgegebene Anzahl von Wörtern, sondern bemüht sich [hier] wie an vielen anderen Stellen darum, den Sinn auszudrücken.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 10/24–26.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
speciem legationis – nam etiam Salustius rem narrat – deprehendi erratum librarii. Sic: ab ur. veteres ita scribebant; id non intelligens librarius, ab us scripsit; alius avus; putans aliquid deesse alius avus suus.125
Robortello kann eine schlüssige Hypothese aufstellen, wie es zu dieser Verderbnis bei Asconius (In Senatu, in toga candida contra C. Antonium et L. Catilinam competitores 83) gekommen sein könnte, weil er auf der Grundlage der notio antiquitatis (Parallelstelle Sallust) einschlägige notio scriptionis besitzt. Paläographisches Wissen über Abkürzungen nennen auch Schoppe und Canter, stellen es aber in keinen direkten Zusammenhang zum Wissen der Philologen oder Schreiber wie Robortello.126 Als letzter Wissensbereich setzt Robortello die notio locutionum et verborum antiquorum an, also das Wissen über den Sprachgebrauch in den Texten antiker Autoren. Notione locutionum ac verborum antiquorum: ut iam diu nos emendavimus apud Catullum in Coma | Berenices: anne bonum oblita es facinus, quod regium adepta es coniugium, quod non fortior aut sit alis. Pro alius nam alis – alid dicebant veteres, et ausit pro audeat.127
Robortello schlägt hier diese Verbesserungen bei Catull (66,28) vor, weil er weiß, dass alis eine veraltete Form von alius ist, und erkennt, dass das überlieferte aut sit statt ausit (archaische Form von audeat) steht. Sprachkenntnisse werden allerdings in den anderen frühneuzeitlichen methodologischen Texten selten als Kompetenz von Philologen genannt. So fordert nur noch Janus Gulielmus eine genaue Kenntnis des lateinischen Sprachgebrauchs (accurata notatio Latinitatis).128 In diesen drei Wissensberei–––––––––––––– 125 „Auch wegen der Unkenntnis der Schreibverfahren der Alten machten die Schreiber oft Fehler. Durch eine solche Kenntnis können sehr viele Stellen verbessert werden, wie ich selbst etwa jenen Fehler aus Asconius in der Oratio in competitores (S. 66) tilgte: Piso autem, cum haec dicerentur, perierat in Hispania, missus a Senatu per honorem legationis, ut avus suus ablegaretur. Dieser Wortlaut war verdorben. Da ich also wusste, dass dieser [Piso] von der Stadt unter dem Anschein einer Gesandtschaft abkommandiert worden war (denn auch Sallust berichtet über diese Begebenheit), verstand ich den Irrtum des Schreibers. Denn die Alten pflegten ab ur. zu schreiben. Dies erkannte der Schreiber nicht und schrieb ab us. Ein anderer [schrieb] avus. [Und noch] ein anderer dachte, es würde etwas fehlen [und schrieb] avus suus.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 7/14–22 (Hervorhebungen in ed. 1975). Weitere Stellen zur Kenntnis der Abkürzungsgewohnheiten sind: S. 2/18–27; 12/14–23. Vgl. dazu auch S. 12/23ff. 126 Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v, H2r, H6r, H6v, K2r–K3r; Cant. Ratio emend., 1571, S. 21, 61ff. 127 „Aufgrund der Kenntnis der antiken Redeweisen und Wörter [wurde eine Stelle verbessert]: So verbesserte ich vor langem bei Catull in der Locke der Berenike [folgende Stelle]: anne bonum oblita es facinus, quod regium adepta es coniugium, quod non fortior aut sit alis. Denn die Alten sagten alis bzw. alid statt [heute] alius [und aliud] und ausit statt [heute] audeat.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 6/34–7/3 (Hervorhebungen in ed. 1975). Weitere Stellen zu Schreibgewohnheiten sind: S. 7/22–31, 7/31ff. 128 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r.
3.3 Der tüchtige corrector
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chen verharrt Robortello nicht in Allgemeinplätzen, sondern subsumiert darunter philologisches Spezialwissen. Das entspricht der zentralen Stellung, die Robortello dem Wissen und der Bildung des Philologen beimisst. Im Gegensatz zu Robortello wird in den testimonia die Bildung als Kompetenz weitgehend ignoriert. Nur Bonaventura Vulcanius spricht der Gelehrsamkeit grundlegende Bedeutung zu (siehe S. 169). Auch könnte man meinen, Paul Merula greife Robortellos Ausdruck der eruditio infinita direkt auf, wenn er vom idealen Kritiker spricht, der über den meisten anderen Disziplinen steht: Vix enim est, ut Critici in aliis etiam non excellant. Sunt summi saepe Iurisconsulti, sunt praestantissimi plurimum Historici, sunt insignes aliquando Philosophi, ab Theologiae secretis minime abhorrent, Medicorum praecepta nequaquam ab iis ignorantur. Pervolitant & pervolutant omnia & c.129
Bei Canter spielt Bildung keine Rolle, nur implizit gebraucht er entsprechende Wendungen im Zusammenhang mit Schreibern, die wegen ihrer unzureichenden Bildung Fehler machen.130 Die einzigen Gelehrsamkeitsauszeichnungen finden sich in Canters Text im Abschnitt des Vorwortes, wo er Christoph Plantin, den Widmungsadressaten der Ratio emendandi von 1571 wegen seiner Verdienste für die Wissenschaften lobt. Plantin sei wegen seiner humanitas zu rühmen, und deswegen, weil er beim Verlegen seiner Bücher den größten Fleiß (summa industria) anwende, den höchsten Aufwand (maximi sumptus) betreibe und unaussprechliche Feinheit des Geschmacks (ineffabilis elegantia) beweise.131 Ähnlich allgemein ruft auch Schoppe Bildungsvorstellungen auf, wenn er in der epistola dedicatoria über den Adressaten Christoph Pflug schreibt, dieser verfüge über ein überaus glänzendes Wesen (splendidissimum genus) und über ein Wissen in verschiedenen Wissenschaften (scientia variarum litterarum).132 Damit kommen Canter und Schoppe nicht über Allgemeinplätze hinaus: Im Unterschied zu Robortello erwähnen sie kein philologisches Fachwissen im Zusammenhang mit Personen. Aussagen über Bildung von correctores treffen sie nur in Abschnitten, die keinen methodologischen Charakter besitzen, nämlich in den Widmungsbriefen, wo nach den Gepflogenheiten der frühneuzeitlichen Panegyrik der Adressat gelobt wird. Gelehrsamkeitsattribute finden sich bei Schoppe darüber hinaus im Abschnitt über die zeitgenössischen Philologen (fol. B8r–D3v). Solche floskelhaften Zuschrei–––––––––––––– 129 „Denn es gibt kaum den Fall, dass Kritiker sich nicht auch in anderen Bereichen hervortun. Sie sind oft die besten Juristen, meistens herausragende Historiker, mitunter ausgezeichnete Philosophen. Sie schrecken keineswegs vor den Geheimnissen der Theologie zurück, und die Lehren der Mediziner sind ihnen ganz und gar nicht unbekannt. Sie fliegen und arbeiten alles gründlich durch.“ Merul. Praef., 1595, fol. D4r. 130 Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. 131 Cant. Ratio emend., 1571, S. 6. 132 Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
bungen finden sich im Übrigen in den meisten gelehrten Abhandlungen dieser Zeit. Schoppe lobt an verschiedenen Stellen der Ars critica Gelehrte (homines docti), die Gelehrtesten (doctissimi) und gebildete Männer (viri eruditi) sowie die Gelehrsamkeit einzelner correctores, die unglaublich (incredibilis), ausgezeichnet (insignis), vielfältig (multiplex), einzigartig (singularis) und die höchste (summa) ist.133 Auch in den testimonia beschränken sich die Ausführungen zur Bildung weitestgehend auf solche Formeln.134 Angesichts Robortellos Gelehrsamkeitsideal wirken Canters und Schoppes Aussagen über Bildung etwas dünn, obwohl sich Schoppe zumindest mit Robortellos nachdrücklicher Betonung der persönlichen Bildung des Philologen in der praefatio direkt auseinandersetzt: [Robortellus] docebit, opinor, quo instructum ingenio, quibus excultum literis esse oporteat, qui suum in Criticos nomen dare volet. quod quidem ego homo adulescens & severiorum studiorum, non tam mea quam aetatis opera plane rudis minime possim promittere.135
Obwohl Schoppe im Anschluss behauptet, die Ars corrigendi sei ihm nicht greifbar gewesen, nimmt er hier einen Grundsatz aus Robortellos Abhandlung über die Bildung der Textverbesserer auf. Schoppe kontrastiert Robortellos anspruchsvolle Vorstellung über den gebildeten Philologen mit seinem eigenen Alter und bringt sein Dilemma auf den Punkt: Trotz seines guten Willens kann er Robortellos Bildungspostulat nicht übernehmen, da er als 21-Jähriger über keine Gelehrsamkeit verfügen kann, die der eines erfahrenen älteren Gelehrten vergleichbar wäre. Aufgrund seiner Jugend bleibt Schoppe so gesehen gar nichts anderes übrig, als der Kategorie der Bildung in seinen methodologischen Vorstellungen von Textkritik eine weniger prominente Stellung zuzuschreiben. Humanistische Bildungsgedanken schlagen sich also in den Methodologien auf unterschiedliche Weise nieder. Robortello greift die allgemeine Emphase der Kenntnis der Antike auf, indem er sie in drei wesentliche Bereiche aufteilt und darunter philologisches Fachwissen fasst, das zu be–––––––––––––– 133 Homines docti: Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r, B8v (Beroaldo), C5r, D2v (Hercules Ciofanus); homines doctissimi: fol. A7r, A7v, B2v (Robortello), B4v (Muret), B7v (Varro), B8v (Camerarius), C6r (Stewechius), C7r, C7v (Merula), Dv, G3r (Matthias Berg), G4r (Vulcanius), H2r (Pflug), Ir (Rittershausen), I2r (Pedro Chacon); viri eruditi: fol. A8v, Br, B3r, D3r; eruditio incredibilis: fol. B3r (Matthias Hübner), C7r (Freher); eruditio insignis: fol. B2v (Merula), C2v (Louis Carrion); eruditio multiplex: fol. B8v (Erasmus), D2v (Welser); eruditio singularis: fol. C2r (Dirk Canter); eruditio summa: fol. A4r (Pflug). 134 Humaniores: Frut. Verisim., 1584, fol. D5v; summi viri: Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v; humanitas: Frut. Verisim., 1584, fol. D5r; doctrina: Lips. Somn., 1585, fol. E6r. 135 „[Robortello] wird lehren, glaube ich, mit welchem Verstand man ausgestattet und in welchen Wissenschaften man ausgebildet sein muss, um zu den Kritikern zu zählen. Das allerdings kann ich, der ich noch jung und in den strengen Studien ganz unbewandert bin – nicht so sehr mangels eigener Mühe als vielmehr aufgrund meines Alters – [keineswegs] versprechen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B2v.
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sitzen er zur Bedingung für einen erfolgreichen Verbesserer von antiken Texten erklärt. Bei Canter und Schoppe wird über Gelehrsamkeit dagegen nur pauschal im Zusammenhang mit panegyrischen Gelehrsamkeitsauszeichnungen gesprochen, methodologisch bleiben sie hier aber im Bezug auf die eigentlichen Zielsetzungen der Verbesserungslehren leere rhetorische Formeln. 3.3.3 Virtus: Richtiges Verhalten und gelehrte Tugenden Erfolgreiche correctores sind begabt und gebildet – und sollten sich richtig verhalten. Nach Robortello muss Textkritik gemäß der in der Kunstlehre niedergelegten Grundsätze gelernt werden. Erst mit Übung (exercitatio) und lang währender Anwendung (diuturnus usus) erwirbt der Philologe die erforderliche textkritische Fertigkeit.136 Durch Einüben der Anweisungen internalisiert er sie als Techniken oder führt sie, wie Robortello formuliert, als Einstellung im Geiste (habitus in animo). Diese Vorschrift ist eng mit der Konzeption der ars verbunden. Das Ziel von Kunstlehren liegt ja auch darin, sich die für die Kunstfertigkeit relevanten Kenntnisse anzueignen, wozu Methoden- und Faktenwissen sowie das praktische Vermögen gerechnet wird (siehe Kapitel 2.1.2). In der Ars corrigendi besitzen somit Einstellungen, die in der (Kunst-)Fertigkeit des Textverbesserns unterweisen, einen festen Ort in der theoretischen Anlage der Methodenlehre. Robortello zufolge ist regelhafte Anleitung nötig, und richtiges textkritisches Handeln ist gleichzeitig methodengeleitetes Handeln. Auch Schoppe sieht einen Zusammenhang zwischen gelungenen Verbesserungen und der Befolgung von textkritischen Vorschriften. So lobt er beispielsweise die hervorragende Textkritik des Joseph Justus Scaliger wegen seines methodengeleiteten Umgangs mit Handschriften.137 Es erfordere Jahre, bis man die Kompetenz der Handschriftenprüfung erworben habe: atque adeo nec plurimorum, qui haec studia multos iam annos tractarunt, de libris scriptis veteribus iudicare, & aetatem eorum ac fidem aestimare posse.138
Wegen dieser Mühe gibt es nur wenige Philologen, die – wie Schoppe es auch an anderer Stelle formuliert – in der Handschriftenlektüre geschult sind (in scriptorum librorum lectione exercitati).139 Während also Robortello –––––––––––––– 136 Rob. Ars corr., 1557, S. 1/21–24, zitiert S. 107. 137 Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v (zitiert S. 158). 138 „Und bislang gibt es nicht Viele, die diese gelehrten Tätigkeiten schon viele Jahre betreiben und es also vermögen, über alte Handschriften zu urteilen sowie ihr Alter und ihre Verlässlichkeit zu ermessen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v. 139 Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r.
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richtiges Verhalten darin verortet, die Kunstlehre der Textkritik zu lernen sowie ihre Grundsätze zu verinnerlichen und zu üben, verleiht Schoppe diesem Punkt keinen besonderen Nachdruck, verweist aber auf systematisches Verhalten als nachträgliche Erklärung von erfolgreichen Eingriffen. Im Ausüben der Textkritik spiegeln sich weitere Einstellungen und Haltungen der Philologen gegenüber ihrer Arbeit wider, die sich auf ihre konkrete Handlungen auswirken. Wenn solche Einstellungen und Haltungen auf das Ergebnis der Handlung förderlich wirken, lassen sie sich auch als (gelehrte) Tugenden begreifen.140 In diesem Sinne beschreibt Robortello die Adressaten seiner Kunstlehre als boni et cupidi discendi adolescentes. Diese jungen Gelehrten verfügen mit ihrer Tüchtigkeit und Lernbegierigkeit über die Voraussetzungen, die Anleitungen der Kunstlehre in erfolgreiches textkritisches Handeln umzusetzen.141 So soll die Arbeit accurate, ordine und diligenter erledigt werden.142 Auch konnte er eine Stelle nur aufgrund seiner Hartnäckigkeit erst dann verbessern, nachdem er sich lange abgeplagt hatte.143 Robortello verlangt von correctores außerdem die Eigenschaft der Verlässlichkeit (fides). Beispielsweise lobt Robortello die Kompetenzen und die fides des Piero Vettori: Nec secus egit Petrus Victorius meus, qui ex hac emendandi professione non tam doctrinae magnae, quam magnae bonitatis et fidei laudem quaesivit: quibus sit usus libris, ubi sint, Langobardicisne scripti an Romanis literis, semper patefacit.144
Vettoris Redlichkeit (bonitas) und fides bestehe darin, dass er genaue Angaben über die Handschriften macht, welche er benutzt, wo sie aufbewahrt werden und in welcher Schrift sie geschrieben sind. Fides ist richtiges Methodenverhalten und beinhaltet ein Postulat der Transparenz der Arbeitsvorgänge. Robortello spricht in diesem Kontext auch verschiedenen anderen Philologen fides zu, nämlich Angelo Poliziano, Giovanni Piero Valeriano, Girolamo Ferrario, Beatus Rhenanus, Heinrich Glarean und Joachim Camerarius.145 Damit steht dem corruptor der tüchtige Verbesserer entge–––––––––––––– 140 Ob Tugenden angeboren sind oder vom Handelnden auf der Grundlage der Einsicht in ihre Zweckmäßigkeit bewusst eingesetzt werden, wird in den Abhandlungen nicht diskutiert. 141 Rob. Ars corr., 1557, S. 1/5f. 142 Accurate (genau): Rob. Ars corr., 1557, S. 3/22f.; ordine (ordentlich): S. 6/4, 13/5; diligenter (sorgfältig): S. 6/11f.; 13/3f.; 16/14f. 143 Rob. Ars corr., 1557, S. 12/21ff. 144 „Und nicht anders handelte mein Piero Vettori, der aus dieser Tätigkeit des Verbesserns nicht so sehr den Ruhm großer Gelehrsamkeit zu gewinnen suchte, sondern vor allem den der großen Redlichkeit und Glaubwürdigkeit. Bei den Handschriften, von denen er Gebrauch machte, legt er immer offen, wo sie aufbewahrt und ob sie in der langobardischen oder in der römischen Schrift geschrieben sind.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/16–19. 145 Zur Einbettung dieser Aufzählung von vorbildhaften Philologen in den Kontext des Methodenstreits, in den Robortello verwickelt war, siehe ausführlich Kapitel 1.1.4.3, S. 49.
3.3 Der tüchtige corrector
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weise, auszeichnet. Robortello zählt auch sich selbst zu jenen, die verlässlich arbeiten: nonne protuli semper nomina illorum, a quibus libros ac- | cepi, et bibliothecas nominavi, ubi asservantur?146
Mit der Nennung der Personen, die ihm bei der Arbeit halfen, sowie des Aufbewahrungsortes der Handschriften wahrt Robortello seiner Ansicht nach jene Transparenz der Arbeitsmittel und Quellen, die er für die fides als notwendig erachtet. In dieser Logik zweifelt er die fides von Henri Estienne an und stellt die handschriftliche Evidenz der spektakulären editio princeps der anakreontischen Gedichte von 1554 in Frage.147 Robortello argumentiert, es sei zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um einen sicheren Text handele, weil der Herausgeber keine verlässlichen Auskünfte über die zugrunde liegenden Handschriften geben könne (siehe Kapitel 1.1.4.2, S. 42). In diesem Sinne fasst Robortello unter Kompetenzen neben Begabung und Bildung richtiges methodisches Verhalten. Es betrifft die in der ars befindlichen Regeln zum Erwerb der Fertigkeiten sowie Tugenden, die das methodische Handeln sichern – insbesondere die fides, also methodische Umgangsweisen mit Handschriften. In der Ars corrigendi trifft man jenseits der fides auf wenige andere Tugenden. Dagegen findet man in den testimonia, in Spuren bei Canter und bei Schoppe vielfältige Ausführungen über richtiges Verhalten. Daraus lässt sich ein Katalog an Verhaltensvorschriften zusammentellen:, nämlich acumen, assiduitas, cautia, constantia, contentio, cura, dexteritas, diligentia, industria, integritas, labor, modestia, probitas, sagacia, sollertia und verecundia.148 Auch soll die Arbeit accurate, acute, diligenter, sagaciter und sedulo ausgeführt werden.149 –––––––––––––– 146 „Erwähnte ich etwa nicht immer die Namen derer, von denen ich die Handschriften erhalten habe, und die Bibliotheken, wo sie aufbewahrt werden?“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/35–16/1. 147 Rob. Ars corr., 1557, S. 15/28–31, zitiert S. 43. 148 Acumen (Scharfsinn): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, C4r, C5r, C5v. Assiduitas (Ausdauer): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7v; Frut. Verisim., 1584, fol. D5v. Cautia (Vorsicht): ebenda, fol. D5v. Constantia (Beharrlichkeit): Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r. Contentio (Anstrengung): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v. Cura (Achtsamkeit): Lips. Somn., 1585, fol. E4r; Schop. Ars crit., 1597, fol. Iv, I7v. Dexteritas (Gewandtheit): Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, C3r. Diligentia (Sorgfalt): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v, A4v, A8v. Industria (Fleiß): Frut. Verisim., 1584, fol. D4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, C4r, C6r, C7v, Dv. Integritas (Uneigennützigkeit): ebenda, fol. C4v. Labor (Anstrengung): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. C7v. Modestia (Bescheidenheit): ebenda, fol. A4r, A4v, B3r, C8r, Dv. Probitas (Rechtschaffenheit): ebenda, fol. B2v, C8v. Sagacia (Scharfsinn): Cant. Ratio emend., 1571, S. 4. Sollertia (Geschicklichkeit): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v. Verecundia (Zurückhaltung): Schop. Ars crit., 1597, fol. Dv. 149 Accurate (genau): Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v. Acute (scharfsinnig): ebenda, fol. D4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, C5v. Diligenter (sorgfältig): Cant. Ratio emend., 1571, S. 62, 64. Sagaciter (scharfsichtig): Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev–E2r. Sedulo (mit Fleiß): Riv. Castig., 1539, fol. E8r.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Die bei Robortello zentrale fides findet sich bei Schoppe wieder. Allgemein spricht Schoppe fides nur an einer Stelle dem Plautus-Philologen Carolus Langius zu.150 Ansonsten ruft er diese Wendung etwas anders auf als Robortello. Konrad Rittershausen, Christoph Pflug, Ignatius Haniel und Matthias Hübner bezeugen, dass er beim Beurteilen von Handschriften glaubwürdig ist.151 Schoppe ist von der Qualität seiner Arbeit überzeugt und meint: Certe de omnibus viris doctis & in scriptorum librorum lectione exercitatis mihi ausim polliceri, eos libenter mihi super variantibus illis lectionibus fidem | arbitraturos.152
Diese im Handschriftenlesen geübten Gelehrten würden gegebenenfalls Schoppes fides im Umgang mit Handschriften bestätigen. Mit der Kompetenz von Autoritäten bezeugt Schoppe auch die Bildung seines Freunds Christoph Pflug.153 Schoppe setzt die fides- und testes-Terminologie als Strategie der eigenen (und fremden) Autoritäts- und Kompetenzausweisung ein. Damit wird die unterschiedliche Verwendung des Begriffes der fides klar: Bei Robortello geht es um methodisch vorbildhafte Philologen innerhalb der Gruppe der arrivierten Gelehrten und letztlich um die Auszeichnung gelungenen Arbeitens. Auch bei Schoppe ist die fides eine Tugend des methodischen Verhaltens, die im Fall von jungen correctores aber zusätzlich von Gelehrten bezeugt werden muss, deren Autorität sich von verbürgten Kompetenzen ableitet, etwa ihrer Geübtheit oder Bildung.154 Neben der fides spielen in den testimonia und bei Schoppe zahlreiche Tugendforderungen eine ergänzende Rolle. Tugenden wirken kontrollierend auf Handlungen. Sofern sie hier auf die gelehrte Praxis der Textverbesserung ausgerichtet sind, sollen sie den Philologen dazu befähigen, richtige Verbesserungen zustande zu bringen.
–––––––––––––– 150 Schop. Ars crit., 1597, fol. C4r. 151 Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r. 152 „Sicherlich kann ich es wagen, über alle gelehrten und in der Handschriftenlektüre geübten Männer zu versichern, dass sie mir gerne in Bezug auf jene voneinander abweichenden Lesarten Glauben schenken werden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B3r–B3v. Vgl. auch fol. A2v. 153 Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r. 154 In den testimonia finden sich abgesehen von einer Stelle bei Fruterius (Verisim., 1584, fol. D6r) keine Stellen zur fides im Sinne der Tugend der Verlässlichkeit von Personen. Auf verwandte Begriffe rekurrieren nur Muret und Lipsius. Muret spricht davon, dass eine Arbeit verlässlich (fideliter) ausgeführt werden sollte (Var. lect., 1580, fol. D8v), und Lipsius fordert die Zuverlässigkeit (fiducia) des Verstandes (Somn., 1585, fol. E4v).
3.3 Der tüchtige corrector
193
3.3.4 Über Kompetenzen und Textgüte Huic autem Compositori succedit is quem Correctorem vocavimus. Quod officium docto alicui viro fere committi solet, qui cum judicio formas compositas relegat, recenseatque num recte omnes typi litteraeque sint conjunctae, syllabaeque ac orationes distinctae. ... Et cum ipsi Typographi quaestum fere omnes imprimis sectentur: nisi doctum emunctaeque naris Correctorem habeant ...: laudem tamen amittunt, nisi Correctorum diligentia appareat: cum quilibet Studiosus libros magis emendatos, quam elegantes requirat.155
In seinem Bericht über die Froben’sche Offizin beschreibt Viglius die Rolle des corrector bei der Herstellung von Büchern. Seine Aufgabe sei es, die gesetzten Seiten des Textes mit iudicium zu prüfen, was ihm nur gelänge, wenn er ein corrector doctus emunctae naris, ein gelehrter Korrektor mit (ausgeschneutzter) Nase, also von großem Gespür, wäre. Viglius betont, wie wichtig korrekte Texte sind, und dass das Gelingen des gesamten Unternehmens letztlich vom Scharfsinn, der Gelehrtheit und der wissenschaftlichen Tugendhaftigkeit des corrector abhängt. In diesem Sinne formulierte auch schon Niccolò Perotti die Anforderungen an einen guten Korrektor als Scharfsinn (acre ingenium), einzigartige Gelehrtheit (singularis eruditio), unglaublichen Fleiß (incredibile studium) und höchste Wachsamkeit (summa vigilantia).156 Der corrector spielt in der frühneuzeitlichen Diskussion über Textkritik eine wichtige Rolle. Seine Begabung, Bildung und gelehrte Tugend sind relevante Bestandteile der methodologischen Konzeptionen. Der Philologiehistoriker Luc Deitz meint dazu, es liege auf der Hand, daß die Genauigkeit eines gedruckten Textes direkt proportional zur Genauigkeit und zur sprachlichen Kompetenz des Lektors und – in noch weitaus größerem Ausmaß – des Korrektors ist.157
–––––––––––––– 155 „Denjenigen, der nun aber auf diesen Setzer folgt, nannte man Korrektor. Diese Aufgabe wird gewöhnlich einem gelehrten Mann anvertraut, der den Satz noch einmal mit Urteilskraft liest und ihn darauf prüft, ob alle Typen und Buchstaben auf richtige Weise miteinander verbunden und die Silben und Wörter voneinander getrennt sind. ... Und obgleich fast alle Drucker selbst vor allem nach Gewinn streben, haben sie dennoch einen gelehrten Korrektor mit feinem Gespür. ... Sie verlieren jedoch das Lob, wenn nicht die Sorgfalt der Korrektoren sichtbar wird. Denn jeder Gelehrte braucht eher fehlerfreie als elegante Bücher.“, Viglius: Epistola de arte typographia, 1534 (ed. J. Gerritsen 1991, S. 162). Eine englische Übersetzung dieser Passage findet sich in J. Gerritsen: Printing at Froben’s, 1991, S. 149f. Zum Kontext des Briefes siehe S. 160. 156 N. Perotti: Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470, § 27 (ed. J. Monfasani 1988, S. 26). Formelhaft findet sich dies auch in den testimonia: „in hoc bonos auctores emendandi sive studio, sive artificio quodem, cum multum possit laboriosa diligentia, plus aliquanto expolita ingenii elegantia, plurimum sollertis iudicii acumen.“ („In diesem Bemühen oder dieser Kunstfertigkeit, gute Schriftsteller zu verbessern, vermag arbeitsame Sorgfalt viel, ausgebildete Beredsamkeit des Verstandes einiges mehr und der Scharfsinn eines geschickten Urteilsvermögens am meisten.“) Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v. 157 L. Deitz: Frühneuzeitliche Texte und ihr heutiges Publikum, 2000, S. 124.
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Kapitel 3: Correctores und corruptores
Allgemeiner gesprochen steht die Qualität des Textes in einem direkten Verhältnis zu den Kompetenzen des Philologen. Deitz fasst unter solche persönlichen Eigenschaften beispielsweise Sprachkenntnisse und die gelehrte Tugend der Genauigkeit. Die Konzepte in den textkritischen Methodenlehren unterscheiden sich zum Teil erheblich in der Gewichtung der verschiedenen Komponenten der Kompetenz. Das betrifft den Stellenwert von natürlichen Anlagen und der Gelehrsamkeit. Robortello betont die Bildung – in der Ars corrigendi finden sich detaillierte Erläuterungen der benötigten Kenntnisse, die einen hohen Grad an philologischer Spezialisierung verraten. Dagegen geht Robortello auf natürliche Anlagen nur insofern ein, als er sie zur Bildung ins Verhältnis setzt – er erachtet nur durch Bildung veredelte Begabungen als nützlich. Mit der Niedrigschätzung von ingenium setzt sich Robortello zumindest implizit in Gegensatz zu einer antiquarischen Haltung in der Philologie, die neben der Verwendbarkeit von philologischen Erzeugnissen in Fragen der Textverbesserung die Rolle von Phantasie und Erfindungsgeist betont (zu den Positionen im Methodenstreit siehe Kapitel 1.1.4.3, S. 48). Robortellos Haltung zeigt sich auch darin, wie er den schlechten Textverbesserer zeichnet – er charakterisiert den corruptor vorwiegend als imperitus. Die Gegenposition zu Robortello nimmt Schoppe ein, der Gelehrsamkeitsauszeichnungen im Wesentlichen auf rhetorische Floskeln im Widmungsvorwort beschränkt. Statt dessen werden natürliche Anlagen und gelehrte Tugenden hochgehalten. Die Anweisung, gelehrte Tugenden beim Handeln zu beachten – also beim Verbessern etwa sorgfältig zu sein – kann von jedem corrector beachtet werden. Auch Schoppes corruptor ist wieder das Gegenbild zum corrector – diesmal der audax iuvenis, der junge Waghals, mit dem das ingenium durchgeht und der ungestüm auf die Texte losgeht. In der Ars corrigendi-Literatur wird das Element des methodischen Arbeitens über den Begriff der fides in das Konzept von Textkritik eingebunden. Fides leitet und kontrolliert wie die gelehrten Tugenden das Verhalten, ist im Unterschied zu anderen gelehrten Tugenden vor allem bei Robortello gezielt auf das Einhalten und Ausführen von methodischen Grundsätzen und Praktiken zugeschnitten, vor allem im Umgang mit Handschriften. Schoppe verknüpft den Begriff der fides mit dem der Zeugenschaft. Forderungen nach Gelehrsamkeit und Erfahrung treten bei Schoppe wegen seiner Jugend zurück, und die fides fungiert durch die Zeugenschaft anderer Gelehrter als Garantie von Kompetenz.
3.3 Der tüchtige corrector
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Die Unterschiede in den Konzeptionen erklären sich außerdem durch Robortellos Anbindung an die ars-Konzeption, in der personale Faktoren eine dominante Stellung einnehmen.158 Robortello spricht Wissen und praktischer Erfahrung eine zentrale Rolle zu, wohingegen Schoppe stärker die Begabung betont. Am weitesten entfernt von einem solchen aristotelischen Kompetenzverständnis ist aber die Ratio emendandi des Willem Canter. Im Unterschied zu Robortello und Schoppe werden bei Canter keine Kompetenzen genannt – die correctores sind in methodologischer Hinsicht ohne Belang. Thema der Methodenlehre Canters sind die Ursachen von Fehlern, die auf apersonale, sachbezogene Ursachen zurückgeführt werden (siehe Kapitel 5.2). Robortello und Schoppe aber konzipieren Textverbesserung als Handlungen von correctores mit bestimmten Eigenschaften wie Anlage, Begabung und Bildung sowie mit bestimmten Verhaltensweisen und Einstellungen ihrer Arbeit gegenüber. In der Umkehrung kann die Textgüte durch die Analyse der Kompetenzen der correctores erklärt werden.159
–––––––––––––– 158 Auf die Verbindung von frühneuzeitlichen Gelehrsamkeitsvorstellungen und aristotelischen Gedanken sowie ihr Verhältnis zur Medizin verweist auch H. Jaumann: Iatrophilologia, 2001, S. 154f. 159 Eine weitere streng auf Handlungen von Kopisten und correctores ausgerichtete Theorie der Textkorruption legte zu dieser Zeit auch Schoppes Lehrer Rittershausen in einem kurzen Traktat nieder. Siehe dazu ausführlicher in Kapitel 1.3.3 (S. 77).
Kapitel 4: Scriptores, libri manuscripti und lectiones: Texte als Gegenstand von Textverbesserung Neque enim dubium est virum splendidum, mundum, elegantem, plenum moribus, plenum facetiis, feditatem illius carceris, squalorem loci, custodum sevitiam diutius perpeti non potuisse. Mestus quidem ipse erat ac sordidatus, tanquam mortis rei solebant, squalentem barbam gerens et concretos pulvere crines, ut ipso vultu atque habitu fateretur ad immeritam sententiam se vocari.1
In diesem Brief aus dem Jahre 1416 wird das Schicksal eines berühmten und verehrten Mannes geschildert, der unter qualvollen und unwürdigen Umständen sein Leben in einem Kerker fristet. Bei dem hoch gepriesenen Gefangenen handelt es sich um den antiken Autor Quintilian, genauer: um eine Handschrift seiner rhetorischen Schrift Institutio oratoria, die nach eigenem Bekunden der italienische Humanist Poggio Bracciolini (1380– 1459) im Bibliotheksverließ des Klosters Sankt Gallen aufstöberte. Poggio berichtet seinem gelehrten Freund Guarino von Verona (1374–1460) mit Rückgriff auf Vergils Aeneis (2,277f.) auf dramatische Weise über den Fund, der ihm während seiner Teilnahme am Konstanzer Konzil gelungen war. In der Tat konnte die Institutio oratoria in der frühen Neuzeit mit Hilfe dieser Textfassung rekonstruiert werden. Bei dieser Schrift handelt es sich übrigens neben Ciceros Rhetoriken wohl um den Text mit dem größten Einfluss auf die Erneuerung der Rhetorik in der Renaissance. Antike Literatur wurde auch in den Wissenschaften zur verbindlichen Nachahmungsfolie für zeitgenössisches Schreiben und Forschen. Um der geistigen Orientierung und der Bezogenheit auf die Antike Genüge zu tun, wurden große Anstrengungen bei der Rekonstruktion der antiken Literatur unternommen. In der Ars corrigendi-Literatur werden Texte auf ganz unterschiedliche Weise diskutiert. –––––––––––––– 1
„Denn es gibt keinen Zweifel, dass dieser Mann, der glänzend ist, vornehm, gebildet sowie voller Tugend und Witz, die Grässlichkeit seines Gefängnisses, den Dreck des Ortes und die grausame Strenge der Wächter nicht länger auszuhalten vermochte. Freilich war er selbst tief betrübt und so verdreckt, wie es Todgeweihte zu sein pflegen, mit einem verschmutzten Bart und vor Staub starrenden Haaren, sodass er schon mit seinem Gesichtsausdruck und seiner äußeren Erscheinung offenbarte, dass er zu einer unverdienten Strafe verurteilt wurde.“ Poggio Bracciolini: Epistola ad Guarinum, 1416 (ed. H. Harth 1984), S. 155 (Hervorhebung des Vergil-Zitats von K. V.). Hinweise auf diesen Brief gibt es in: H. Rüdiger: Antike Literatur in der Renaissance, 1961, S. 541; G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 100; einen Abdruck auch in: J. v. Stackelberg: Prosatexte aus MA und Renaissance, 1957, S. 74–77.
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Kapitel 4: Die Texte
Aus der Vielzahl der Nennungen antiker Schriften ergibt sich ein umfassendes Korpus an Literatur, das Robortello, Canter und Schoppe kennen und besprechen (Kapitel 4.1). Dabei wird diese Literatur unterschiedlich eingesetzt und die Nennungen erfüllen verschiedene Funktionen. Diese Umgangsweisen mit Literatur verweisen darauf, dass Texte in ihrer sprachlichen Verfasstheit der Gegenstand des Verbesserungsbemühens sind – sie fungieren als Material im Hinblick auf seine textuellen Elemente (Kapitel 4.2). Schließlich kommen Texte noch in der Funktion von materialen Trägern der antiken Literatur zur Sprache – Manuskripte und gedruckte Bücher werden in den Abhandlungen bezüglich verschiedener paläographischer und kodikologischer Eigenschaften beschrieben (Kapitel 4.3). Die dabei aufgerufenen Kenntnisse bilden für die Textkritik zentrale Wissensbestände. Dieses vierte Kapitel beschäftigt sich also damit, wie in den Methodenschriften Texte verhandelt werden – als antike Literatur, als Gegenstand der Verbesserung und als Handschriften oder Bücher.
4.1 Antike Literatur Die Lehren zur Textverbesserung zählen viele antike Autoren auf. Neben allgemeinen Nennungen von auctores und scriptores oder einfach den veteres erwähnen Robortello, Canter und Schoppe viele antike Schriftsteller namentlich. Im Folgenden werden in Kapitel 4.1.1 die Korpora der in den Abhandlungen zitierten antiken Literatur zusammengestellt, und in Kapitel 4.1.2 dargestellt, auf welche Weise die antiken Autoren genannt werden und welche Funktionen damit verbunden sind. 4.1.1 Zitierte Korpora Die Nennungen antiker Literatur geben Auskunft darüber, welche Korpora in der frühen Neuzeit der textkritischen Bearbeitung für würdig befunden wurden. Einen wichtigen Bereich der zitierten antiken Literatur bilden literarische Schriften bzw., wie es in den Abhandlungen heißt, die poetae.2 Bei Robortello und Canter zählen dazu ältere griechische Autoren, angefangen bei Homer und Hesiod3 über die archaische Lyrik (mit Mimner–––––––––––––– 2 3
Scal. Caus. ling. Lat., 1540, fol. E2r; Rob. Ars corr., 1557, S. 12/13; Cant. Ratio emend., 1571, S. 56; Schop. Ars crit., 1597, fol. B7v, Cr, C3v, Gv, H7r. Homer: Rob. Ars corr., 1557, S. 13/18f.; Cant. Ratio emend., 1571, S. 46, 50, 56. Hesiod (Theogonie): ebenda, S. 47.
4.1 Antike Literatur
199
mos, Sappho und Pindar)4 bis hin zum Drama mit Tragödie (Aischylos, Sophokles und Euripides) und Komödie (Aristophanes und Menander).5 Darüber hinaus wird Literatur des Hellenismus genannt, vertreten mit dem Gedicht Alexandra von Lykophron und der bukolischen Dichtung des Theokrit.6 Canter erwähnt außerdem eine Lesart aus der Bibliotheca des Ps.Apollodor und greift häufig auf den späten antiken griechischen Roman, die Aithiopika des Heliodor zurück.7 Außerdem zitiert er eine Stelle aus Hero et Leander des Musaios sowie eine aus den orphischen Argonautika und Robortello die Gedichtsammlung der Anacreontea.8 Robortello verzeichnet in seiner Ars corrigendi neben der griechischen Literatur zahlreiche Lateiner, und Schoppe bestückt seine Ars critica ausschließlich mit lateinischer Literatur. Für den Fall der frühen lateinischen Dramatik erwähnt Robortello an einer Stelle Terenz.9 Bei Schoppe stellen Plautus’ Komödien den überwiegenden Teil der Beispiele.10 Weitere Vertreter des frühen lateinischen Dramas bei Schoppe sind Terenz, Sextus Turpilius (Philopator) und die Tragödiendichter Ennius und Accius.11 Schoppe nennt aus dieser Epoche der lateinischen Literatur außerdem noch den Satiriker Lucilius.12 Bei der römischen Klassik führt Robortello Lesarten aus den Carmina des Catull, aus der Aeneis des Vergil, den Carmina und Saturae des Horaz sowie aus Ovid auf.13 Neben Tibull und Domitius Marsus gibt Schoppe oftmals Properz-, vor allem aber ebenfalls Catull–––––––––––––– 4 5
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Mimnermos: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/29ff. Sappho: ebenda, S. 15/26ff.; Cant. Ratio emend., 1571, S. 26. Pindar: ebenda, S. 20. Aischylos: (Choephoroi) Rob. Ars corr., 1557, S. 14/2f., 14/15ff.; (Eumenides) ebenda, S. 14/8ff. Sophokles (Ödipus auf Kolonos): Cant. Ratio emend., 1571, S. 15. Euripides (Andromache): ebenda, S. 27; (Bakchen) S. 59; (Herakliden) S. 29f., 30, 37; (Hekabe) S. 15; (Helena) S. 32, 53; (Herakles) S. 32, 54; (Ion) S. 11, 22, 36, 39; (Iphigenie in Aulis) S. 32; (Kyklop) S. 18; (Medea) S. 47; (Orestes) S. 33; (Phoinissen) S. 47. Aristophanes (Ekklesiazusen): S. 31, 47; (Die Vögel) S. 59. Menander: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/26ff. Lykophron: Cant. Ratio emend., 1571, S. 60. Theokrit: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/31ff.; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. Ps.Apollodor: Cant. Ratio emend., 1571, S. 30. Heliodor: S. 8, 11ff., 16, 20ff., 25f., 28f., 31, 34f., 37ff., 41f., 47, 50, 52, 54f. , 60, 63. Musaios: Cant. Ratio emend., 1571, S. 42. Argonautika, ebenda, S. 21. Anacreontea: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/28, 15/26–28. Rob. Ars corr., 1557, S. 16/25–36. Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A3r, A4r, A5r, A7v, A8v, Bv, B2r. Da sich Plautus auf fast jeder Seite von Schoppes Fehlerklassifizierung findet (fol. E8v–K3r), erübrigen sich dafür die Stellennachweise. Terenz: Schop. Ars crit., 1597, fol. F6v. Sextus Turpilius: fol. I7v. Ennius: fol. K2r. Accius: fol. F8r, (Telephus) G2r, (Alcmeo) G6v, (Pelopidae) H2v. Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r, H4v, H5v, Kv. Catull: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/17ff., 5/3, 6/35–7/2, 7/32f. Vergil: S. 7/11ff., 7/13f., 13/19f., 13/25f. Horaz (Carmina): S. 5/6ff., 8/7ff.; (Saturae): S. 4/15f., 7/27f. Ovid: S. 13/23f. Zu den überaus wenigen Stellen, die Canter aus lateinischer Dichtung aufführt, gehören auch zwei aus den Iambi des Horaz: Ratio emend., 1571, S. 24, 50.
200
Kapitel 4: Die Texte
Philologie zum Besten.14 Spätere antike Schriftsteller tauchen in den Abhandlungen bei Robortello nicht mehr und bei Schoppe auch nur noch vereinzelt auf: Man begegnet einer Nennung des Fabeldichters Phaedrus und einigen Stellen aus Petrons Satyricon, sowie schließlich noch Juvenal und Apuleius.15 Neben literarischem Schrifttum werden oft fachliche antike Schriften zitiert. Dazu gehört, dass Schoppe die Grammatiker Begründer der Lateinischen Sprache (conditores linguae Latinae) nennt oder an anderer Stelle von interpretes spricht.16 Es finden sich auch direkte Zuordnungen zu Fächern, wenn etwa von iurisconsulti und musici oder von historici, oratores bzw. rhetores und grammatici die Rede ist.17 Innerhalb des Fachschrifttums nehmen die historici einen besonderen Rang ein. Canter nennt mit Herodot, Thukydides und Polybios drei griechische Geschichtsschreiber.18 Außerdem werden viele Historiker aus den ersten vor- und nachchristlichen Jahrhunderten erwähnt (Cornelius Nepos, Sallust, Dionysios von Halikarnassos, Diodor, Velleius Paterculus und Tacitus),19 wobei Robortello häufig auf Livius abhebt.20 Es wird außerdem auf die Römische Geschichte des Cassius Dio eingegangen sowie auf nachklassische Autoren, Schoppe beispielsweise auf Justin und die Sammlung der Scriptores historiae Augustae.21 Ein weiteres Korpus sind die oratores bzw. rhetores, wobei in diesem Zusammenhang rhetorische Lehrschriften von den antiken Reden zu unterscheiden sind. Abhandlungen über die Redekunst finden sich verstärkt –––––––––––––– 14 15 16 17
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Tibull: Schop. Ars crit., 1597, fol. Br, I4v. Domitius Marsus: fol. B8r–B8v. Properz: fol. Br, F5r, F8r, G3r, G5r, I5r. Catull: fol. Br, Bv, F4r, F4v, F6r, F7v, F8v, Gr, G3v, G6v, G7v, G8r, Hv, H2v, H4r, H6r, H7r, I3r, I3v, I4v, I5r, Kr, K2v. Phaedrus: Schop. Ars crit., 1597, fol. I5r. Petron: ebenda, fol. F5r, F8r, G3r, H2r, H5v, H6v. Juvenal: fol. F6v, H7v, Ir, I5v. Apuleius: fol. F6v, F8r, G4v, G5v, G7v, G8v, H2r, H5r, H7r, I3v, I4v, I5r, I5v, K2r. Conditores linguae Latinae: Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Interpretes: fol. A4v. Iurisconsulti: Schop. Ars crit., 1597, fol. C3r. Musici: Rob. Ars corr., 1557, S. 11/9. Historici: Scal. Caus. ling. Lat., 1540, fol. E2r; Rob. Ars corr., 1557, S. 2/25. Oratores: Scal. Caus. ling. Lat., 1540, fol. E2r; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f. Rhetores: Frut. Verisim., 1584, fol. D4v. Grammatici: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Rob. Ars corr., 1557, S. 6/10, 11/9; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r. Herodot: Cant. Ratio emend., 1571, S. 24. Thukydides: S. 20, 42, 52ff., 60. Polybios: S. 14, 27, 30, 32, 35ff., 42, 50, 52, 54ff., 60. Cornelius Nepos (Vita Attici): Schop. Ars crit., 1597, fol. F7r, H3r, H6v, I7v. Sallust: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/20; Schop. Ars crit., 1597, fol. G2r, G4r, G5r, Iv, I3r, I6v. Dionysios von Halikarnassos: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/27, 7/5f., 15/26–31; Cant. Ratio emend., 1571, S. 26f. Diodor: Cant. Ratio emend., 1571, S. 12. Velleius Paterculus: Rob. Ars corr., 1557, S. 12/33, 15/24. Tacitus: ebenda, S. 15/24. Rob. Ars corr., 1557, S. 3/34f., 6/33f., 7/4f., 7/23–27, 7/31, 11/28ff., 11/34–12/2, 12/6– 9, 14/23ff., 14/26f., 14/28f., 14/29, 14/30f., 14/32ff. Cassius Dio: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/27; Cant. Ratio emend., 1571, S. 42. Justin: Schop. Ars crit., 1597, fol. H5r. Scriptores historiae Augustae (Ps.Lampridius: Vita Heliogabalus): ebenda, fol. H5r, K2r.
4.1 Antike Literatur
201
bei Robortello, insgesamt werden in den Abhandlungen die Rhetoriken von Aristoteles, des Ps.Demetrios von Phaleron, von Cicero und Quintilian sowie die spätantiken Schriften von Hermogenes von Tarsos und Julius Severianus genannt.22 Mit Ausnahme von Schoppes Erwähnung von Dio Chrysostomos zitiert nur Canter aus seinen Reden.23 Letzterer nennt noch die attischen Redner Antiphon mit seinen Tetralogien, Gorgias mit der Verteidigung der Helena sowie dem Palamedes, Alkidamas mit den Reden über die Sophisten und Gegen Palamedes sowie Antisthenes mit seiner Rede über Odysseus.24 Außerdem wendet er sich der Rede kat¦ Lewkr£touj des Lykurg zu, den Reden des Isaios und Lysias sowie den politischen Reden des Andokides.25 Aus der älteren Redekunst werden noch Demosthenes erwähnt sowie die Ps.Demades-Rede Øpe;;r tÁj dwdekaet…aj und zwei Reden des Deinarch Gegen Demosthenes und Gegen Aristogeiton.26 Die so genannte Zweite Sophistik ist mit Reden von Lesbonax und Herodes Atticus vertreten, der überwiegende Anteil der griechischen Redner stammen aber von Aelius Aristides, aus dessen 55 überlieferten Reden Canter 46 in seiner Ratio emendandi zitiert.27 Auch die Schriften der grammatici kommen in den Abhandlungen zur Sprache, wobei die lateinische Grammatik und Lexikographie überwiegen. Robortello und Schoppe erwähnen die Abhandlungen De lingua Latina von Varro, De verborum significatione des Festus und De compendiosa doctrina des Nonius Marcellus.28 Zusätzlich nennen Robortello noch die Ars de nomine et verbo des Consentius und Schoppe die nur im Fragment überlieferten beiden Bücher De analogia des Caesar.29 Allein bei Canter kommen auch –––––––––––––– 22
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Aristoteles: Rob. Ars corr., 1557, S. 9/6ff., 9/14f., 10/9f. Ps.Demetrios: ebenda, S. 10/26– 11/5, 11/6ff., 11/10, 11/11, 11/13f., 11/14f. Cicero: (Orator) S. 8/20–23, 9/8, 9/23–26, 9/29ff.; (De oratore) S. 9/17–20, 9/26–29, 10/2f., 10/3f., 10/4, 10/4ff., 10/7, 10/19–24. Quintilian: S. 5/27–35, 15/4f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r, B6r–B6v, B6v, B8r. Hermogenes: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/9ff. Julius Severianus: Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v. Dion Chrysostomos: (oratio 1 de regno) Cant. Ratio emend., 1571, S. 18; (oratio 53 de Homero) Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v. Antiphon: Cant. Ratio emend., 1571, S. 25, 35, 41f., 52. Gorgias: S. 8, 34, 36, 39, 43, 52, 54. Alkidamas: S. 7, 32, 55. Antisthenes: S. 21. Lykurg: Cant. Ratio emend., 1571, S. 42. Isaios: S. 39, 52ff., 62f. Lysias: S. 10, 12, 15f., 20, 22, 24, 28, 34, 41, 43, 53f., 63. Andokides: S. 13, 22f., 26, 41, 52f. Demosthenes: Cant. Ratio emend., 1571, S. 19. Ps.Demades: S. 54. Deinarch: S. 14f., 21, 30, 32, 42, 52, 59f. Lesbonax: Cant. Ratio emend., 1571, S. 9, 11, 14, 63. Herodes: S. 31, 41. Aristides kommt auf fast jeder Seite in der Ratio emendandi meistens mehrmals vor, sodass sich hier Stellennachweise erübrigen. Varro: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/32f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r, F2r, Hv. Festus: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/29f., 13/30f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. Fv, F2r, H2v. Nonius: Rob. Ars corr., 1557, S. 14/35–15/1, 16/31f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r, Fr, Fv, F4v, F7v, F8v, Hv, H3r, I8r, Kv. Consentius: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/20–27. Caesar: Schop. Ars crit., 1597, fol. B8r.
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Kapitel 4: Die Texte
griechische Lexikographen vor, nämlich Pollux und sein Onomastikon sowie Stephanos von Byzanz und sein Verzeichnis geographischer Namen.30 Im Zusammenhang mit grammatischen Schriften ist auch die Kommentarliteratur zu erwähnen, etwa Vergil-Arbeiten von Probus und Servius, die Schoppe erwähnt, oder die byzantinischen Kommentare zu Lykophron von Isaak Tzetzes und zu Homer von Eustathios von Thessalonike bei Canter.31 Neben Historiographie, Rhetorik und Grammatik steht bei Robortello poetologisches Schrifttum, die Ars poetica des Aristoteles, der Brieftraktat De arte poetica von Horaz sowie Perˆ Ûyouj des Ps.Longin.32 Auch finden sich einzelne spezielle Schriften, bei Robortello die militärwissenschaftliche Theoria tactica des Aelian und bei Canter philosophische Schriften von Platon, Aristoteles und Mark Aurel sowie Xenophons Hieron.33 Außerdem wird juristische Literatur angeführt, bei Robortello Ciceros Abhandlung De legibus und bei Schoppe juristische Quellentexte wie das Zwölftafelgesetz oder die Digesten.34 Darüber hinaus erwähnen Robortello, Canter und Schoppe vermischte gelehrte Schriften. Neben Cicero, der mit verschiedenen Schriften zitiert wird,35 ist aus der Klassik Varro vertreten und Lukrez mit seinem Lehrgedicht De rerum natura, Horaz, die Cicero-Kommentierung des Asconius Pedianus, Plinius’ Historia naturalis sowie einige Stellen aus den Parallelbiographien und Moralia des Plutarch.36 Für die spätere Zeit kommen noch Suetons De grammaticis illustribus, die Noctes Atticae des Aulus Gellius, –––––––––––––– 30 31 32 33 34 35
36
Pollux: Cant. Ratio emend., 1571, S. 24. Stephanos: S. 36. Probus: Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v–B7r. Servius: ebenda. Tzetzes: Cant. Ratio emend., 1571, S. 17, 28, 36. Eustathios: ebenda, S. 46f. Aristoteles: Rob. Ars corr., 1557, S. 9/15f., 9/33f., 16/1–14. Horaz: S. 2/30f. Ps.Longin: S. 15/32f. Aelian: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/33f. Platon: Cant. Ratio emend., 1571, S. 56; (Gorgias) S. 9, 40; (Phaidros) S. 40. Aristoteles: ebenda, S. 52. Mark Aurel (Selbstgespräche): S. 24. Xenophon: S. 39. Cicero: Rob. Ars corr., 1557, S. 13/29f. Zwölftafelgesetz: Schop. Ars crit., 1597, fol. G8r. Digesten: ebenda, fol. I6v, Hv, H2r, H6v. Academica: Schop. Ars crit., 1597, fol. B7v–B8r; Epistolae ad Atticum: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/24f.; Epistolae ad familiares: Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r; Epistolae ad Quintum fratrem: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/26ff.; De officiis: Schop. Ars crit., 1597, fol. F7r; Oratio in Catilinam: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/2–4; Oratio pro P. Sectio: ebenda, S. 5/19–24; Oratio in Verrem: S. 14/17–21; Philippicae orationes: S. 15/22. Varro: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/30–34, 14/34–15/1. Lukrez: Schop. Ars crit., 1597, fol. G8v. Horaz: (Epist. Aug.): ebenda, fol. B7r–B7v. Asconius: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/16ff., 12/14–23, 12/24f., 12/33, 13/12–16, 14/4–8, 14/10–15. Plinius: ebenda, S. 3/2–5, 3/30–34, 3/35–4/1, 4/4ff., 4/7ff., 4/11ff., 5/8f., 7/28f., 7/29f., 8/26f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. F7v, H3v. Plutarch: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/27, 3/25–28, 4/2f., 4/19– 26, 8/10f., 8/14f., 12/33, 12/36, 13/6–12; Cant. Ratio emend., 1571, S. 7, 17, 22, 26f., 32, 35f., 40.
4.1 Antike Literatur
203
die Deipnosophistai des Athenaios, die Abhandlung De die natali des Censorinus sowie die Saturnalia des Macrobius hinzu.37 Außerdem finden sich bei Canter Stellen aus der Aristainetos zugeschriebenen Briefsammlung und aus Eunap (Vitae sophistarum) sowie sehr häufig bei Schoppe aus den Briefen des spätantiken Rhetors Symmachus.38 Schoppe erwähnt noch die frühmittelalterliche Enzyklopädie von Martianus Capella.39 Schließlich kommt christliche Literatur vor, allerdings nur bei Canter und Schoppe, und Schoppe ist der einzige, der diese Schriftsteller auch allgemein Ecclesiastici (Kirchenschriftsteller) nennt und als sacri von den seculares unterscheidet.40 Canter führt die frühchristlichen Apologeten Iustinos Martys (dabei handelt es sich allerdings um die pseudo-iustinische Schrift Quaestiones ad orthodoxos) und Athenagoras (Presbeia) auf sowie die griechischen Väter Clemens Alexandrinos (Protreptikos, Stromateis), Epiphanios von Salamis (Adversus haereses), Gregor von Nazianz (Reden) und Synesios (Hymnen und Reden).41 Schoppe nennt außerdem die lateinischen Väter Tertullian, Laktanz und Augustinus.42 Die zitierte antike Literatur gliedert lässt sich also in literarische und fachliche Korpora. Die literarischen Schriften verteilen sich auf die ganze griechische und lateinische Literaturgeschichte, von den Anfängen über die Klassik bis hin zu kaiserzeitlichen und spätantiken Autoren. Der Schwerpunkt liegt auf der Klassik, die spätere Literatur ist schwächer vertreten. Neben der antiken Dichtung bildet das antike Fachschrifttum das zweite Korpus. Besondere Aufmerksamkeit ziehen Historiographie und Grammatik auf sich sowie die Rhetorik, die sowohl Kunstlehren als auch die Reden selbst umfasst. Neben allgemeinen gelehrten Schriften werden in den Abhandlungen noch einige patristische Schriften erwähnt. Im Überblick ist praktisch die gesamte Literatur des Altertums vertreten, zwischen den Abhandlungen lassen sich aber erhebliche Unterschiede feststellen. Das betrifft zunächst die Sprache: Nur Robortello legt –––––––––––––– 37
38
39 40 41 42
Sueton: Schop. Ars crit., 1597, fol. B5r, B5r, B5v–B6r, B7v. Aulus Gellius: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/5ff.; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8r. Athenaios: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/30–35; Cant. Ratio emend., 1571, S. 15, 22, 26f., 30, 34, 36f., 43, 53f. Censorinus: Rob. Ars corr., 1557, S. 11/31. Macrobius: ebenda, S. 11/31; Schop. Ars crit., 1597, fol. F8r. Aristainetos: Cant. Ratio emend., 1571, S. 52. Eunap: ebenda. μus: Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A3r, A7v, A8v, B2r, Fv, F3v, F4r, F4v, F5r, F5v, F6r, F7v, F8v, Gv, G2r, G2v, G3r, G3v, G4v, G5r, G5v, G6r, G6v, G7r, G7v, G8v, Hr, H2r, H2v, H3r, H3v, H4r, H5r, H5v, H6v, H7v, H8r, H8v, Ir, I3r, I3v, I4r, I4v, I5r, I5v, I6v, I7r, I8v, Kr, K2r. Schop. Ars crit., 1597, fol. F3v, F6v, G4r, H4r. Schop. Ars crit., 1597, fol. C8r, Dv. Ps.Iustinos Martys: Cant. Ratio emend., 1571, S. 26, 42. Athenagoras: S. 15. Clemens Alexandrinos: S. 12, 14, 25, 27, 35, 52f., 59. Epiphanius: S. 18. Gregor von Nazianz: S. 21. Synesios: S. 28, 35, 39, 42, 54. Tertullian: Schop. Ars crit., 1597, fol. I5v. Laktanz: fol. B8r. Augustinus: ebenda.
204
Kapitel 4: Die Texte
eine allgemeine, sich sowohl auf griechische als auch auf lateinische Literatur erstreckende textkritische Methodologie vor. Dagegen berücksichtigt Canter in seinem Syntagma de ratione emendandi Graecos auctores nur griechische und Schoppe in seiner Ars critica, die er als eine ratio in Latinis scriptoribus emendandis anlegt, nur lateinische Literatur. Trotz des allgemeinen Anspruchs liegt der Schwerpunkt bei Robortello eindeutig auf der lateinischen Literatur, und zwar auf der römischen Klassik. Robortello zeigt sich mit seiner Präferenz für die so genannte Goldene Latinität humanistischem Kanondenken verhaftet. Solche Kanonvorgaben der studia humanitatis finden sich auch wieder, wenn Robortello historiographische und rhetorische Schriften nennt und damit Texte aus den in der renaissancehumanistischen Einstellung zu Bildung und Gelehrsamkeit zentralen Disziplinen. Dieses Ungleichgewicht ist damit zu erklären, dass bei Robortello viel zitierte Autoren wie Livius Gegenstand des Streites sind, für den Robortello die Ars corrigendi als Plattform nutzt (siehe Kapitel 1.1.4). Dagegen orientiert sich Canter in seiner Literaturauswahl im Kern zwar ebenfalls an Idealen der Renaissance, wenn er viele Texte der griechischen Klassik nennt, berücksichtigt aber zusätzlich nachklassische und spätantike Autoren. Mit den Nennungen von griechischen Vätern und byzantinischen Gelehrten dürfte Canter am breitesten auf die antike Literatur zugreifen. Schoppes Schwerpunkt liegt wiederum auf Plautus und Symmachus, die – der eine als archaischer Komödiendichter und der andere als spätantiker Epistolograph – wenige literatur- und gattungsgeschichtliche Gemeinsamkeiten aufweisen. In seiner Auswahl finden sich auch keine einschlägigen – etwa renaissancehumanistischen – literaturtheoretischen Vorstellungen wieder, vielmehr konzentriert sich Schoppe auf jene Autoren, die er in seinen jungen Jahren selbst bereits bearbeitet. Die Breite der in den Abhandlungen behandelten Textkorpora verweist auf zwei Aspekte in der Entwicklung der Philologie im 16. Jahrhundert: Auf der einen Seite steht die Ausweitung bzw. Verschiebung des Textkanons vor dem Hintergrund der Geschichte der Literaturkritik: Dominierende Stilvorstellungen wie der Ciceronianismus wurden vom Tacitismus oder von Vorlieben für Autoren der so genannten Zweiten Sophistik ergänzt. Der Tacitismus etablierte sich im Zuge des Neostoizismus als neues Stil- und Nachahmungsideal und setzte neue Vorgaben an zu edierende Texte.43 Auf der anderen Seite entwickelte sich die Philologie zu einer eigenständigen, von solchen literaturästhetischen Vorgaben unabhängigen Erforschung antiker Texte. In der Literaturauswahl der Ars –––––––––––––– 43
Vgl. dazu weiterführend: J. v. Stackelberg: Rezeption des Tacitus, 1960; G. Oestreich: Der Universalgelehrte Lipsius, 1975.
4.1 Antike Literatur
205
corrigendi-Literatur spiegelt sich der Trend wider, zunehmend vor- und nachklassische Autoren zu erforschen. Das ist beispielsweise in der lateinischen Philologie in Leiden zu beobachten. Außerdem initiierte dies vor allem in Frankreich vergleichende Sprach- und Literaturstudien.44 Auch Canter ist dafür ein gutes Beispiel: In seiner Ratio emendandi wendet er sich ausschließlich und umfassend griechischer Literatur zu und zeigt auf diese Weise, wie sich die Gräzistik allmählich als spezialisierte Disziplin konstituierte. Schließlich ist noch kurz die Tatsache anzusprechen, dass sich textkritische Methodenlehren auf antike Literatur beschränken und andere mögliche – etwa mittelalterliche – Korpora nur ausnahmsweise zur Sprache kommen oder gar – wie die zeitgenössische Literatur – völlig außen vor stehen. Diese Auswahl deckt sich keineswegs mit der Druck- und Editionspraxis in den frühneuzeitlichen Offizinen. Neben scholastischem Schrifttum wurde im 16. Jahrhundert ja auch die Dichtung der Renaissance verehrt und in die Programme der Druckereien aufgenommen. Das Ansehen der zeitgenössischen Dichtkunst war so groß, dass beispielsweise Julius Caesar Scaliger den antiken Autoren sieben neulateinische Dichter im ersten Kapitel des sechsten Buchs seiner Poetica (postum 1561) an die Seite stellt und im Kapitel 4 ausführlich bespricht.45 Die Dichtung der Humanisten war auch ein wesentlicher Gegenstand der frühneuzeitlichen Editorik, man denke etwa an Pietro Bembo, der sich bei Aldo Manuzio in Venedig um die Herausgabe der Gedichte von Petrarca und Dante kümmerte.46 Tatsächlich findet sich in den Abhandlungen der eine oder andere frühneuzeitliche Dichter oder Literat erwähnt: bei Robortello etwa Giovanni Piero Valeriano, dessen Gedichte Beatus Rhenanus in seiner Zeit als corrector bei Froben in Basel edierte,47 oder Heinrich Glarean, den Kaiser Maximilian I. 1512 zum poeta laureatus krönte.48 Robortello führt Valeriano und Glarean in der Ars corrigendi aber nicht als Dichter auf, sondern als Philologen: Valeriano als Editor von Vergil und Glarean als vorbildhaften Gelehrten, der sich bei seiner philologischen Arbeit auf Handschriften stützt.49 Das verweist auf den für die Zeit charakteristischen Gelehrtentypus, dessen Selbstverständnis und Tätigkeit sowohl im rezipierenden als –––––––––––––– 44 45 46 47 48 49
Vgl. dazu etwa J. H. Waszink: Classical philology, 1975, S. 167; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 96f. J. C. Scaliger: Poetices, postum 1561 (Band 5, Buch 6, ed. & dt. Übers. G. Vogt-Spira 2003). Vgl. dazu W. Ludwig: J. C. Scaligers Kanon neulateinischer Dichter, 1989, S. 221f. Vgl. C. H. Clough: Bembo’s edition of Petrarch and the Aldine press, 1998. Vgl. J. F. D’Amico: Rhenanus and Italian humanism, 1979. Grundlegend zur italienischen volkssprachlichen Editions- und Druckgeschichte in der Renaissance ist B. Richardson: Print culture in Renaissance Italy, 1994. Vgl. F. Büsser: Art. „Glareanus“, Contemporaries of Erasmus 2, 1986, S. 105–108, S. 105. Rob. Ars corr., 1557, S. 15/14ff., 15/25f. Siehe dazu Kapitel 1.1.4.3, S. 50.
206
Kapitel 4: Die Texte
auch im schöpferischen Bereich liegt. Die Auswahl der Literatur in den Methodenlehren ist also weniger durch die Editionspraxis in den frühneuzeitlichen Verlagsdruckereien bestimmt als durch die Bedürfnisse der lateinischen und griechischen Philologien, die sich in dieser Zeit als Disziplinen für die Erforschung einzelner Texte und Textkorpora etablierten. So wird auch das Abweichen von einem ausschließlich literarkritisch bestimmten Literaturkanon erklärbar. Diese Entwicklung manifestiert sich zugleich in der systematischen Erfassung vorgängiger Forschung zu einzelnen Texten oder Textkorpora und ihrer gemeinsamen Veröffentlichung – man denke nochmals an die im Kapitel 2.3.2.2 vorgestellte VarroEdition von Joseph Justus Scaliger, in der Varro-Arbeiten von Antonio Agustín, Adrien Turnèbe und Piero Vettori mit abdruckt waren (siehe S. 146). 4.1.2 Umgangsweisen mit antiker Literatur und ihre Funktionen Die Ars corrigendi-Literatur ist gespickt mit diesen verschiedenen antiken Autoren – an manchen Stellen werden nur die Namen erwähnt, an anderen Stellen aus ihren Schriften wiedergegeben. Diese Nennungen und Zitate erfüllen bei näherer Betrachtung unterschiedliche Funktionen. Die verschiedenen Umgangsweisen und die dahinterstehenden Motive können anhand einer Stelle in Robortellos Abhandlung gezeigt werden: Distinctione, ut lib. II De legibus apud Cic. ubi de sepulchris loquitur: ast im cum auro sepelito; nam distinctione facta ast im est legendum, pro ast eum; im enim pro eum antiquos dixisse scribit etiam Sex. Pomp. Festus. Sed Manutius in suis illis praeclaris Annotationibus emendat: in Astico, et Asticum ait locum fuisse Athenis. Verba ipsius sunt haec: Asticus autem locus erat Athenis, ubi liberi homines sepeliebantur, cum alibi mercedem pro sepulchro penderent. Verum dicat, si potest: ubi est istud Asticum, aut quale, aut quis meminit? Sed ast im legi debere, non Asticum eo loco, adnotarunt etiam alii ante me.50
–––––––––––––– 50
„[Verbesserung] durch Worttrennung: Wie bei Cicero, Buch 2 in De legibus, wo er über Gräber spricht: ast im cum auro sepelito. Denn dadurch, dass die Worttrennung gemacht wurde, muss jetzt ast im (statt ast eum) gelesen werden. Denn dass die Alten im statt eum sagten, das schreibt auch Sextus Pompeius Festus. Aber Manuzio verbessert in seinen so berühmten Annotationes [die Stelle] zu in Astico. Und er behauptet, dass Asticus ein Ort in Athen sei. Seine eigenen Worte lauten: Asticus autem locus erat Athenis, ubi liberi homines sepeliebantur, cum alibi mercedem pro sepulchro penderent. Er würde die Wahrheit sagen, wenn er [aufweisen] könnte, wo sich dieser Asticus befindet oder wie er aussieht oder wer ihn erwähnt. Aber dass an dieser Stelle ast im und nicht Asticum gelesen werden muss, das merkten schon Andere vor mir an.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 13/28–14/1; Hervorhebungen in ed. 1975.
4.1 Antike Literatur
207
Hier bespricht Robortello einen Wortlaut aus Ciceros De legibus (2,60). Als Beispiel für eine Lesart wird antike Literatur in den Methodenlehren am häufigsten erwähnt. Robortello diskutiert die Lesarten meist ausführlich. So führt er beispielsweise eine Lesart aus der aristotelischen Rhetorik auf über zweieinhalb Seiten aus, was etwa einem Sechstel der Länge der gesamten Abhandlung entspricht.51 Auch an der hier zitierten Stelle erläutert er die Gründe, warum der von ihm vorgeschlagene Texteingriff bei Cicero besser ist als der seines ungeliebten Kollegen Paolo Manuzio. Ganz anders Canter, der Beispiele von Lesarten zur Illustration von Fehlertypen aufführt und die Lesarten und Verbesserungen im Gegensatz zu Robortello nicht erklärt. Bei Canter finden sich allerdings eine große Menge an Beispiellesarten. Auch Schoppe, der die Fehlertypen ähnlich wie Canter darstellt, gibt die antiken Textstellen meistens nur kurz wieder, ohne sie eingehender zu erklären. Canter und Schoppe nennen in der Regel die korrupte wie auch die verbesserte Lesart. Abgesehen davon, dass Robortello an der zitierten Stelle das CiceroBeispiel und die von ihm verbesserte Lesart ast im cum auro sepelito anführt,52 beanstandet er – wohl zu Recht –53 die Lesart in Astico, die Manuzio bevorzugt. Mit der Verwerfung von Manuzios Lesart polemisiert Robortello gegen die philologische Arbeit des venezianischen DruckerPhilologen. Mit den Annotationes meint Robortello Manuzios Scholia von 1543, in denen er auch Cicero-Philologie bespricht. In dieser notaeSammlung findet sich die von Robortello eben zitierte Stelle: Astim cum illo) Ex Maffei libro legendum est, ne in Astico sepeliretur. Asticus autem locus erat Athenis, ubi liberi homines sepeliebantur, cum alibi mercedem pro sepulcro penderent.54
Manuzio ersetzt die Lesart Astim cum illo mit einer Lesart (ne in Astico) aus einer Handschrift, die sich im Besitz von Bernardino Maffei (1514–1553) befindet, dessen Familienbibliothek samt Handschriftensammlung später teilweise in die Bestände des Escorial einging. Bei der hier erwähnten Handschrift handelt es sich Peter Lebrecht Schmidt zufolge wahrscheinlich um den Escorialensis V,III,6 (2. Hälfte 13. oder 14. Jhd.).55 Mit der Nennung der Cicero-Lesart spielt Robortello gleichzeitig auf die Cicero–––––––––––––– 51 52 53 54
55
Rob. Ars corr., 1557, S. 9/5–11/26. Diese archaische Form im statt eum stammt übrigens wohl aus dem Zwölftafelgesetz (lex 12, tab. 10,8), das Cicero an dieser Stelle zitiert. Ich danke Markus Stein für diesen Hinweis. Vgl. G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 102. „Astim cum illo. Gemäß der Handschrift des Maffei muss gelesen werden: ne in Astico sepeliretur. Asticus aber war ein Ort in Athen, wo freie Bürger begraben wurden, wenn sie anderswo einen Preis für das Grab bezahlten.“ P. Manuzio: Scholia in Ciceronem, 1543, zweiter Teil (o. Pag.). P. L. Schmidt: Die Überlieferung von Ciceros ‚De legibus‘, 1974, S. 229ff.
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Kapitel 4: Die Texte
Gesamtausgabe an, die Manuzio in seiner venezianischen Offizin in den Jahren 1540–1547 zum Druck brachte. Auf diese Weise kommt antike Literatur also in den Abhandlungen häufig als Gegenstand von zeitgenössischen philologischen Publikationen zur Sprache. Robortello, Schoppe und Canter zitieren Arbeiten anderer Gelehrter über antike Schriftsteller und erwähnen dabei vor allem Ausgaben antiker Autoren, Kommentare und notae-Sammlungen.56 Die Nennungen von Lesarten und ihrer correctores sind in den Abhandlungen unterschiedlich motiviert. Robortello zielt mittels ausführlicher Polemik gegen missliebige Kollegen darauf, Leistungen bzw. Fehlleistungen einzelner Philologen – und natürlich auch seine eigene Kompetenz – zu markieren (siehe Kapitel 3.2.3). Wenn Canter im Vorwort erklärt, welche Textausgaben und notae-Sammlungen anderer Philologen er für seine Zusammenstellung der Beispiele benutzte, dann zeigt er damit seinen Willen zur fachlichen Fortführung der Erforschung einzelner Texte. Bei den einzelnen Lesartenbeispielen verzichtet er auf die Auszeichnung von Leistungen einzelner Philologen. Das Gleiche gilt überwiegend auch für Schoppe, der nur gelegentlich Eingriffe einzelner correctores kennzeichnet. In diesem Fall geht es ihm dann allerdings darum zu zeigen, dass er mit deren Arbeiten vertraut ist und damit der philologischen Gelehrtengemeinschaft angehört.57 Darüber hinaus wird antike Literatur zugleich als Material benutzt, um textkritische Eingriffe zu bestätigen. Im oben angeführten Beispiel belegt Robortello seinen Eingriff mit einer Stelle im antiken Wörterbuch des Festus. Er verbessert die vorgefundene korrupte Lesart, indem er sie in zwei Wörter aufteilt. Das ergibt ast im. Robortello erachtet sie als richtig und erklärt, dass in der Antike oft im statt eum geschrieben worden sei, wie auch in Festus’ De verborum significatione nachgelesen werden könne. Hingegen führe Manuzio keine Parallelstellen an, die die sachliche Richtigkeit seiner Behauptung beweist, es handele sich um einen Ort namens Asticus. Damit setzt Robortello antike Literatur als Rechtfertigungsinstanz für textkritische Eingriffe ein. Antike Schriftsteller fungieren auch als Quellen, etwa wenn sie als Überlieferungsträger für andere – verlorene – antike Autoren herangezogen werden. So eine Sekundärüberlieferung vermerkt Robortello ausdrücklich, wenn er auf eine Stelle bei Plinius (Historia naturalis 13,21,69) –––––––––––––– 56
57
Das in den Abhandlungen zitierte zeitgenössische philologische Schrifttum findet sich zusammengestellt im bibliographischen Anhang dieser Untersuchung. Zu den in der frühen Neuzeit weit verbreiteten notae-Sammlungen siehe die ausführliche Besprechung in Kapitel 2.3. Zu Schoppes Bemühungen um Aufnahme in die Gelehrtengemeinschaft siehe den biographischen Abriss in Kapitel 1.3.
4.1 Antike Literatur
209
verweist, die dieser dem Varro entlehnt hatte (ex Varrone narrat).58 Schoppe bespricht eine Stelle im Vergil-Kommentar des Servius, an der Servius aus der ansonsten verlorenen Vergil-Kommentierung von Valerius Probus zitiert, und führt einen Lucilii versus apud Nonium an, einen Vers aus den Fragmenten der Satiren von Lucilius, der in Nonius Marcellus’ De compendiosa doctrina überliefert ist.59 Und Canter gibt über die Deipnosophistai des Athenaios eine Stelle aus den Gedichten der Sappho wieder.60 Auch dient antike Literatur als Quelle für Wissen. Schoppe beispielsweise schreibt in seinem historiographischen Exkurs über antike Philologen: Talis fuit Lucius Crassicius, quem scribit Suetonius edito Smyrnae commentario summam nominis claritudinem indeptum. Talis quoque Q. Caecilius Epirota, qui primus Virgilium & alios poetas novos praelegere coepit. tales complures alii, quorum scripta vetustas nobis invidit. Eamdem ob rem Philologos dictos fuisse constat. Sic enim de Atteio Philologo scribit Suetonius: Philologi appellationem adsumpsisse videtur: quia sicut Eratosthenes, qui primus hoc cognomen sibi vindicavit, multiplici variaque doctrina censebatur. quod sane ex commentariis eius apparet. In tanta autem dignatione erant antiquitus, ut & Marcus Cicero referente Tranquillo M. Antonii Gniphonis scholam, etiam cum praetura fungeretur, frequentaverit.61
In diesem Absatz beschreibt Schoppe die antike Philologie, indem er die Abschnitte 18 und 16 aus Suetons Abhandlung De grammaticis illustribus paraphrasiert, aus dem Abschnitt 10 zitiert und Abschnitt 7 nacherzählt. –––––––––––––– 58 59 60
61
Rob. Ars corr., 1557, S. 3/30. Bei einer weiteren Nennung Varros in der Ars corrigendi handelt es sich ebenfalls um eine indirekt überlieferte Lesart, diesmal über Nonius’ Wörterbuch (S. 14/35–15/1). Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v, Kv. Cant. Ratio emend., 1571, S. 26. An einigen weiteren Stellen verbergen sich hinter AthenaiosNennungen in der Ratio emendandi ebenfalls über Athenaios überlieferte Fragmente, beispielsweise Stellen aus dem asygmatischen Hymnos an Demeter von Hermion von Lasos von Hermione (S. 22), aus den Komödien des Antiphanes (S. 34), aus dem gastronomischen Gedicht des Archestrator von Gela (S. 26) und aus Schriften des Alexis (S. 54). „Ein solcher [Kritiker] war Lucius Crassicius. Sueton schreibt über ihn, dass er die höchste Berühmtheit seines Namens erreichte, weil er einen Kommentar zur Smyrna verfasst hatte. Auch Q. Caecilius Epirota, der als Erster begann, über Vergil und andere neue Dichter Vorlesungen zu halten, [war] ein solcher [Kritiker]. So waren auch mehrere Andere, deren Schriften uns das Altertum neidete. Es steht fest, dass [die Kritiker] deswegen auch als Philologen bezeichnet wurden. Denn so schreibt Sueton über Ateius Philologus: Den Namen Philologus hat er wohl deswegen angenommen, weil er – wie Eratosthenes, der sich als Erster diesen Beinamen zulegte – als jemand mit umfassender und vielseitiger Gelehrsamkeit galt. Das geht deutlich aus seinen Kommentaren hervor. Sie standen aber in der Antike in so hoher Gunst, dass Marcus Cicero – wie [Sueton] Tranquillus berichtet – auch dann noch regelmäßig die Schule des M. Antonius Gnipho besuchte, als er [bereits] das Amt des Prätors bekleidete.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B7v, Sueton (gramm. 10,4) nach ed. & engl. transl. R. A. Kaster 1995, S. 14f. (siehe dazu auch Kapitel 3.1, S. 158.
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Kapitel 4: Die Texte
Dabei hält er sich eng an den Wortlaut Suetons. Diese kompilatorische Schreibtechnik wendet Schoppe vor allem im Abschnitt über die antike römische Textkritik an. Abgesehen von mehreren Sueton-Stellen verarbeitet er in Zitat und Paraphrase Schriften der antiken Autoren Dio Chrysostomos, Quintilian, Servius, Cicero und Horaz (siehe Kapitel 2.2.1, S. 120).62 Auf ähnliche Weise gestaltet Robortello seine Ausführungen über die antiken Schreibmaterialien (S. 3/28–4/27), wo er antike Schriften zitiert, paraphrasiert und nacherzählt. Insgesamt kompiliert Robortello diesen Abschnitt aus Plinius, Plutarch, Livius, Horaz und Catull.63 Antike Literatur als Quelle für antikes Wissen zu nutzen, war eine allgemein gebräuchliche, frühneuzeitliche gelehrte Praxis und weniger eine Besonderheit der textkritischen methodologischen Abhandlungen. In den Abhandlungen werden viele antike Autoren erwähnt und Textstellen zitiert. Sie dienen als Beispiele für bestimmte Fehlertypen und veranschaulichen textkritische Regeln. Antiken Schriftstellern begegnet man auch deshalb so häufig, weil Robortello, Canter und Schoppe zeitgenössische philologische Arbeiten zu antiker Literatur erwähnen. Außerdem benutzen sie antike Literatur gelegentlich als Quelle für andere antike Schriften sowie als Parallel- und Belegstellen für die sachliche und sprachliche Richtigkeit von textkritischen Eingriffen. Längere Passagen antiker Schriften werden überdies angeführt, um darin enthaltenes Wissen zu referieren. Der Vergleich der Abhandlungen untereinander macht deutlich, dass Robortello der einzige ist, der die Parallelstellenmethode einsetzt. Außerdem führt seine Art, Beispiele ausführlich zu exponieren, nochmals vor Augen, wie extensiv er die Besprechung von Lesarten für seine mit der Ars corrigendi verknüpfte Polemik nutzt. Canter beschränkt sich als einziger darauf, antike Schriftsteller im Zusammenhang mit Lesarten und mit den Schriften anderer Philologen zu nennen und damit auf das primäre Ziel einer sachlichen Fehlertypologie. In der Ars critica schimmert in diesem Zusammenhang wieder das Bemühen des jungen Gelehrten Schoppe durch, soziale Zugehörigkeit zu markieren. Schließlich verleihen Robortellos und Schoppes Nacherzählungen antiker Literatur manchen Passagen der Methodenlehren einen narrativen Charakter. Diesbezüglich erscheint Canters Text nüchterner und erweckt stärker den Eindruck einer sachlichen Methodologie. –––––––––––––– 62 63
Sueton: Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v–B5r, B5r, B5v–B6r; Dion Chrysostomos: fol. B5v; Quintilian: fol. B6v; Servius: fol. B6v–B7r; Cicero: fol. B7r; Horaz: fol. H7r–B7v. Plinius (Zitat): Rob. Ars corr., 1557, S. 3/30–34. Plinius (Paraphrase): S. 3/35–4/1, 4/4ff., 4/7ff.; Livius (Parallelstelle): S. 3/34f.; Plutarch (Zitat): S. 4/2f.; Plinius (Paraphrase): S. 4/11ff.; Horaz (Zitat): S. 4/15f.; Catull (Paraphrase): S. 4/17f.; Catull (Zitat): S. 4/17; Plutarch (Zitat): S. 4/20–23; Plutarch (Paraphrase): S. 4/23–26.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
211
4.2 Gegenstand der Verbesserung Texte fungieren in der Ars corrigendi-Literatur jenseits ihrer literarischen Bedeutung als Beispiele für Schreibfehler und so als Objekt des Verbesserns. Sie treten in unterschiedlicher Weise in Erscheinung – so können einzelne Schriftsteller (4.2.1), mittelalterliche Handschriften (4.2.2.), Lesarten (4.2.3) oder einzelne Sprachelemente (4.2.4) zum Gegenstand der Verbesserung werden. Wie dies im Einzelnen vonstatten geht und welche Erkenntnisse über das Textverständnis der frühneuzeitlichen Philologie davon abgeleitet werden können, ist Gegenstand der folgenden Erörterungen. 4.2.1 Antike Schriftsteller Robortello, Canter und Schoppe stimmen darin überein, dass das Thema ihrer methodologischen Erläuterungen das Verbessern von antiker Literatur ist. Ihre Verfasser nennen sie meistens auctores.64 Im Mittelalter bezeichnete man jene Schriftsteller als auctores, die im Rahmen des Literaturstudiums als Teil des Kanons mit Hilfe der so genannten accessus ad auctores im Unterricht gelesen und interpretiert wurden.65 Der Ausdruck „auctor“ wurde von unterschiedlichen Wörtern abgeleitet, etwa von agere („handeln“, hier als „hervorbringen von Text“) oder von augere („wachsen“ im Sinne von „vermehren eines Themas“) sowie mit dem griechischen aÙqente‹n („sein eigener Herr sein“) bzw. aÙqšnthj („Gewalthaber“, auch „Urheber“) in Verbindung gebracht.66 Mit der Rückführung auf aÙqšnthj wurde die Bedeutung „Glaubwürdigkeit“ festgesetzt, woraus sich auch die Schreibweisen autor und author ergeben.67 Die Hinwendung zu autoritati–––––––––––––– 64
65 66 67
Rob. Ars corr., 1557, S. 1/1, 1/14, 2/32, 2/34f., 6/3, 6/11, 13/3, 13/17, 13/22, 16/21; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 47, 63; Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r, A7r, A8r, B6v, Cr, Cv, Dv. Auch in den testimonia findet sich diese Bezeichnung häufig: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Scal. Caus. ling. Lat., 1540, fol. E2r; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r, D5v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, E3v; Casaub. Animad., 1596, fol. E2v. Vgl.: G. Bernt: Art. „Auctores“, LMA 1, 1980, Sp. 1189f.; F. Neumann: Art. „Accessus ad auctores“, HWR 1, 1992, Sp. 27–36; J.-D. Müller: Auctor – actor – author im Mittelalter, 1995. Vgl. dazu A. J. Minnis: Medieval theory of authorship, 1984, S. 10; und im Anschluss an Minnis: J.-D. Müller: Auctor – actor – author im Mittelalter, 1995, S. 17f. Die Schreibweisen autor und author (auch autoritas bzw. authoritas) finden sich gelegentlich auch in unseren Quellen, etwa bei Robortello (im Titel der ed. 1557, siehe Abbildung 2, S. 31), Canter (Ratio emend. (praef. 1566), S. 636) und Vulcanius (Praef., 1594, fol. E3r–E3v).
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Kapitel 4: Die Texte
ven Schriftstellern, die für moralisch, stilistisch und epistemologisch vorbildhaft gehalten wurden, verstärkte sich während der Bildungsbewegung des Renaissancehumanismus im 14. und 15. Jahrhundert.68 Als auctores werden Schriftsteller bezeichnet, deren Schriften hohes Ansehen genießen und als wert angesehen werden, im Unterricht von Schülern und Studierenden inhaltlich und stilistisch nachgeahmt zu werden. Neben auctores verwendet Robortello noch den Ausdruck „veteres“ für Schriftsteller.69 Im Unterschied zu Robortello sprechen Schoppe und die Verfasser der testimonia eher selten – und Canter gar nicht – von veteres.70 Canter und Schoppe bevorzugen scriptor als Bezeichnung von Schriftstellern.71 Bei der Verwendung von scriptor wird wieder diejenige Verwendungsweise des Wortes restituiert, die in der Antike dominant war, in der frühen Neuzeit dagegen fast verloren gegangen ist.72 Im Tre- und Quattrocento kommt eine spezifischere Bedeutung von scriptor für den Kopisten von Handschriften auf. Ende des 16. Jahrhunderts setzte sich für Kopisten dann die Bezeichnung librarius durch (siehe Kapitel 3.2.1). Außerdem wurde zu dieser Zeit bereits das Ende der Handschriftenepoche eingeläutet – die Rolle, die damals Kopisten bei der Erschaffung und Gestaltung von Büchern innehatten, übernahmen nun die Buchdruckereien und ihre Mitarbeiter (siehe Kapitel 3.1, S. 159). Die Bezeichnungen der antiken Schriftsteller als auctores, veteres und scriptores werden zuweilen näher beschrieben. Dabei finden sich Attribute wie antiqui, prisci, veteres oder vetusti, die das Alter bzw. die Zuhörigkeit der Schriftsteller zur Antike markieren.73 Auch stellt man das besondere Ansehen der Autoren heraus und nennt sie boni, optimi, classici, gravi/gravissimi, –––––––––––––– 68 69 70 71
72 73
Vgl. auch B. K. Vollmann/V. P. H. izmi : ‚Boni autores‘ im Frühhumanismus, 2003, S. 105ff. Rob. Ars corr., 1557, S. 2/1, 2/4, 2/32, 6/8, 6/22, 7/2, 7/3, 7/14, 7/21, 9/2, 12/18, 13/27, 16/20. Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v, Er, Ev; Schop. Ars crit., 1597, fol. B8v, Hr. An der einzigen Stelle, wo Canter von veteres spricht (Ratio emend., S. 63), meint er damit eher „in der Antike“. Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f., 64; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A7r, A8v, B4v, B6v, B8r, B8v, C2r, C2v, C4v, C5v, C6r, C8r, C8v, I2r. Dagegen finden sich scriptores bei Robortello nur an drei Stellen: Ars corrigendi, 1557 (ed. 1975, S. 1/25, 5/23, 6/6). Auch in den testimonia taucht diese Bezeichnung auf: Bud. Ass., 1515, fol. E7r; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r, D8r–D8v, Er, Ev, E2r; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D7r; Lips. Somn., 1585, fol. E6r; Lips. Praef., 1585, fol. E2v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Casaub. Animad., 1596, fol. E2v. Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 199. Antiqui: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/34f., 12/30 (antiquissimi), 13/3, 13/22, 13/31; Schop. Ars crit., 1597, fol. B5v (Zitat Sueton). Prisci: Lips. Somn., 1585, fol. E6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8v. Veteres: Rob. Ars corr., 1557, Titel, S. 1/1, 1/14, 1/25, 6/3; Mur. Var. lect., 1580, fol. Er, Ev; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v, B8r, C8v. Vetusti: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/6.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
213
illustres und nobilissimi.74 An keiner Stelle werden negative Adjektive für antike Schriftsteller gebraucht, obwohl diese doch als verbesserungswürdig gelten. Wie schon im Kapitel 2.1.1 angemerkt (S. 103), verbindet sich die Wertschätzung der antiken Literatur und ihrer Verfasser zwar mit einigen pauschalen Autoritätszuschreibungen wie sinceritas, dignitas oder nitor, bleibt aber im Wesentlichen implizit. Das Ansehen der antiken Schriften spiegelt sich eben auch in den Bezeichnungen der antiken Schriftsteller als auctores, veteres oder boni scriptores. Außerdem sollen die antiken Schriftsteller ja nicht selbst verbessert werden, sondern ihre Schriften. Das Verbessern von antiken Schriftstellern ist eine übertragene Redeweise, was im Folgenden noch deutlicher wird angesichts der weiteren Elemente, die in den Abhandlungen als Gegenstände des Verbesserns verhandelt werden. 4.2.2 Bücher und Handschriften In den Elegantiae diskutiert Lorenzo Valla die antike Wortbedeutung von liber und definiert: librum duo significare, ipsum opus, & certam operis partem.75 Die Bedeutung „Schrift“ bzw. „literarisches Werk“ findet sich an vielen Stellen in unseren Abhandlungen, genauso wie opus (auch opusculum) und das ebenfalls mitunter synonym gebrauchte scriptum.76 Meistens ist von Bandangaben im Zusammenhang mit Zitat- und Stellennachweisen die Rede, oft in der Abkürzung lib.77 –––––––––––––– 74
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77
Boni (vorzüglich): Cant. Ratio emend., 1571, S. 47; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A4r, I2r. Optimi (ausgezeichnet): Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev, E2r; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v. Classici (klassisch): Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. C6v, C8r. Graves/ gravissimi (angesehen): Rob. Ars corr., 1557, S. 13/17, 13/22. Illustres (glänzend): ebenda, S. 13/22. Nobilissimi (überaus edel): Mur. Var. lect., 1580, fol. E2r. „Liber hat zwei Bedeutungen, entweder die Schrift selbst oder aber ein einzelner Teil der Schrift.“ L. Valla: Elegantiae, c.1440 (ed. 1540), lib. 6, cap. 43, S. 222. Silvia Rizzo bespricht und zitiert diese Passage ausführlich im Lessico filologico, 1973, S. 3ff. Liber: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/2, 4/20, 4/32, 5/2, 6/32, 8/34, 9/24, 9/29, 9/33, 10/26, 11/7, 12/14, 12/31, 15/34; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v, B2r, B2v, B3r, B6v, B8r, C3r, C3v, C4v, C5r, C7r, C8r, Dv, D2v, F2v, H6r, I8v, Kv. Opus / opusculum: Rob. Ars corr., 1557, S. 12/19; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f.; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r, B2r, B7r, B8r, C2r, C3v, C5r, C8v. Scriptum: Lips. Somn., 1585, fol. E6v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B4v, B6v, B7v, B8r, C2v, C3r, C6v, D2v. Rob. Ars corr., 1557, S. 2/29, 3/2, 3/30, 5/6, 5/8, 5/27, 6/24, 6/26, 6/32, 6/34, 7/14, 7/22, 7/28, 7/31, 8/6, 8/26, 9/1, 9/6, 9/17, 9/27, 10/2, 10/9, 10/19, 11/29, 12/5, 13/5, 13/25, 13/29, 14/23, 14/26, 14/28, 14/29, 14/30, 15/5; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A3r, B2r, B6r, B7r, B7v, Cv, C2r, C2v, C3r, C4r, C5v, C6r, C6v, C8v, F8r, G7r, G7v, H4v, H5r, H7v, I7v.
214
Kapitel 4: Die Texte
Mit liber kommen darüber hinaus oftmals Aspekte der Beschaffenheit von Büchern zur Sprache. In diesem Zusammenhang haftet liber die Bedeutung von „Buch als Träger von Text“ an.78 Dabei werden Fragen angesprochen, die beispielsweise die äußere Gestalt von Büchern wie Format, Einband oder auch Seitenmaterial betreffen. Robortello widmet dem antiken Seitenmaterial einen längeren Abschnitt, in dem er vornehmlich die Geschichte der Schreibmaterialen nach Plinius’ Naturgeschichte referiert und Ausdrücke wie papyrus, cortex, charta und folia palmarum fallen (siehe Kapitel 4.3.2). Neben der einmaligen Nennung einer scheda wird membrana, der lateinische Ausdruck für Pergament, öfter im Zusammenhang mit Schreibmaterialien gebraucht.79 Wie auch schon im 14. und 15. Jahrhundert bezeichnet man mit membrana zum einen das Material Pergament, zum anderen die Handschrift selbst.80 Das liegt wohl daran, dass Pergamenthandschriften in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch für besondere Anlässe hergestellt wurden und man außerdem ältere Pergamenthandschriften kannte. Hier sind also immer handgeschriebene Bücher gemeint. Die anderen Ausdrücke für Handschrift haben verschiedene Konnotationen. So verweist beispielsweise der nach liber am häufigsten gebrauchte Ausdruck codex auf das Format des Buches.81 Das Wort codex geht etymologisch auf caudex (Baumstamm) zurück und verweist auf die Bezeichnung für mit Wachs überzogene hölzerne antike Schreibtafeln. Obwohl er eigentlich das ursprüngliche Schreibmaterial bezeichnet, wird er in erster Linie als Gegenbegriff zur Buchrolle (volumen) gebraucht. Wesentlich beim Kodex ist die Form: Seine Seiten sind im Gegensatz zur Rolle beidseitig beschrieben, er besteht aus zusammengebundenen Lagen und ist meist außen mit –––––––––––––– 78
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Bud. Ass., 1515, fol. E7r; Rob. Ars corr., 1557, Titel, S. 2/1, 2/4, 2/11, 2/15, 2/32f., 2/34, 2/34f., 3/6, 3/8, 3/14f., 3/18, 3/20, 3/21, 3/22, 3/28, 3/33, 3/34, 4/8, 4/9f., 5/1, 5/9f., 5/11, 5/12, 5/15, 6/8, 6/13, 7/34, 9/11, 12/18, 15/8, 15/9, 15/13, 15/18, 15/26, 15/29, 15/35, 16/3f., 16/5, 16/6, 16/8; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f., 6 , 14, 16, 22, 51; Mur. Var. lect., 1580, fol. D7v, D8r, Er, Ev, E2r; Gulielm. Verisim., 1582, fol. D7v; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D6v, D7r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v; Lips. Somn., 1585, fol. E4v, E5v, E6r, E6v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A3v, A7r, A7v, A8r, Bv, B2r, B3r, B8v, C3r, C6v, C7r, Fr, F2v, F3r, F8r, G8r, H6r, Ir, I2r, I2v, I6r, I7v, I8r, Kv. Scheda (Blatt): Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v. Membrana (Pergament): Rob. Ars corr., 1557, S. 3/21, 3/28, 4/11, 4/13, 4/16; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v, D7r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A7v, F8r. Zum mittelalterlichen Gebrauch von scheda vgl. auch F. Dolbeau: Noms de livres, 1989, S. 96. Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 19f. Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Rob. Ars corr., 1557, S. 2/27f., 6/19, 15/14f., 16/27; 16/33; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4, 6, 18, 27, 42, 58; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r, D6r; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v, E3v–E4r, E4r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A3r, Bv, B6v, Ir. Zur mittelalterlichen Bedeutung vgl. wieder F. Dolbeau: Noms de livres, 1989, S. 90ff.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
215
einem Einband eingefasst. In der Spätantike verdrängte der Kodex die Buchrolle allmählich als Buchformat, wobei die Gründe für diesen Medienwechsel, der wohl im 5. Jahrhundert n. Chr. abgeschlossen war, in der heutigen Forschung nach wie vor umstritten sind.82 Codex bezeichnet vor allem das Format von Büchern und im 15. Jahrhundert nannte man so manchmal auch gedruckte Bücher.83 In der Ars corrigendi-Literatur des 16. Jahrhunderts überwiegt allerdings die Verwendung von codex als handgeschriebenes Buch – nur Vulcanius stellt der Handschrift einen codex excusus entgegen.84 Während excudere im klassischen Latein „herausschlagen“ und im übertragenen Sinne „schriftlich verfertigen“ bedeutete,85 kam im 15. Jahrhundert mit der neuen Vervielfältigungstechnik die Bedeutung „Bücher drucken“ mit dazu. Diese Verwendungsweisen für excudere und excusor finden sich auch bei Angelo Poliziano.86 Insgesamt ist in den textkritischen Abhandlungen aber eher selten von gedruckten Büchern die Rede, und entsprechend schmal fällt die Bandbreite der Bezeichnungen aus: Neben dem codex excusus bei Vulcanius findet man bei Canter oratores excusi, orationes editae und einen Aristides editus sowie bei Schoppe einen Nonius excusus.87 Gebräuchlich ist noch liber impressus, liber editus und editio.88 Das seltener gebrauchte exemplar betont den Abschriftcharakter eines Manuskripts. Seine Bedeutung umfasste schon im 14. und 15. Jahrhundert sowohl die Abschriftenvorlage selbst als auch die Abschrift. Allerdings bezeichnet exemplar zuweilen auch „Buch“.89 Für das Mittelalter ist eine ähnliche Bedeutungsvielfalt und -ambivalenz überliefert.90 In unseren
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Vgl. mit weiterführenden Hinweisen: H. Hunger: Schreiben und Lesen in Byzanz, 1989, S. 25ff. Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 7, 69f. Vulc. Praef., 1594, fol. E3v–E4r. Vgl. Georges I, 1913, Sp. 2532f. Excudere: A. Poliziano: Miscellanea centuria secunda (ed. V. Branca & M. Pastore Stocchi 1978, 1, S. 3) und A. Poliziano: Epistolae, 1553, lib. 8, ep. 15, S. 112. Excusor: A. Poliziano: Epistolae, 1553, lib. 5, ep. 1, S. 58f., hier: S. 59: „Excusores isti novorum librorum Teutones“ („jene deutschen Drucker von neuen Büchern“). Ebenda, lib. 11, ep. 6, S. 150f., hier: S. 150: „semidocti illi, qui librorum excusoribus operam navant“ („jene Halbgebildeten, die den Buchdruckern eifrig behilflich waren“). Nachweise in S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 76, 110, 219. Cant. Ratio emend., 1571, S. 4; Schop. Ars crit., 1597, fol. Dv. Liber impressus: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Rob. Ars corr., 1557, S. 2/33, 14/34; Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Liber editus: Rob. Ars corr., 1557, S. 6/32; Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v. Editio: Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. B7r, Cv, C2r, C3r, C5r, C5v, C6r, C7r, Dr, Dv, D2r. Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 185–189. Zur Verwendung von exemplar im Mittelalter vgl. auch L. J. Bataillon: Exemplar, pecia, quaternus, 1989, S. 211–219, und F. Dolbeau: Noms de livres, 1989, S. 98.
216
Kapitel 4: Die Texte
frühneuzeitlichen Quellen ist mit exemplar meist eine Handschrift eines Textes gemeint.91 Auch wird auf den Abschreibeprozess selbst abgehoben. Zu dieser Gruppe von Ausdrücken gehören codex oder liber scriptus bzw. manuscriptus und das exemplar manuscriptum.92 Daneben steht das substantivierte manuscriptum und (selten) die entsprechende griechische Fassung chirographum (von ceirÒgrafon).93 Außerdem benutzt Schoppe an einer Stelle die Formulierung liber calamo exaratus.94 Robortello erwähnt als Sonderform von handschriftlichen Büchern noch das aÙtÒgrafon bzw. die vom antiken Autor selbst geschriebene Fassung (liber scriptus manu auctoris antiqui).95 Mit der Verwendung des Begriffs des Autographen unterscheiden die Philologen des 16. Jahrhunderts zwischen der vom Schriftsteller eigenhändig geschriebenen Fassung und späteren Abschriften. Dies macht besonders eine Stelle in der notae-Sammlung von Josia Mercier deutlich: quam ego eandem fidem secutus sum, ut exemplar ipsum non immutatum ederem, nisi sicubi accentuum aut adspirationum error fuit, qui errores ab exscribtore [sic], non ab autographo.96
Mercier betont, er habe bei der Einrichtung des Aristainetos-Textes die Vorlage übernommen und dabei nur jene Fehler verbessert, die eindeutig auf die Kopisten zurückgehen. Bezeichnungen für Bücher weisen in den textkritischen Abhandlungen eine ganze Reihe von Bedeutungsrichtungen auf. Mit liber kann ein einzelner Band oder das Werk eines Schriftstellers gemeint sein. Es finden sich –––––––––––––– 91 92
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Riv. Castig., 1539, fol. E7v–E8r; Rob. Ars corr., 1557, S. 5/31; Mur. Var. lect., 1580, fol. E2r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r; Lips. Somn., 1585, fol. E4v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B6r (Zit. Sueton), B7r, C4r. Codex scriptus / manuscriptus: Cant. Ratio emend., 1571, S. 18, 27, 42; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r, D6r; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v. Liber scriptus / manuscriptus: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/32f., 2/33, 2/34, 3/18, 5/9f., 15/9, 15/13, 15/26, 15/29; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A7v, B3r, C6v, C7r, H6r, I6r, I8r. Exemplar manuscriptum: Vulc. Praef., 1594, fol. E3v. Manuscriptum: Rob. Ars corr., 1557, S. 11/5; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A2r–A2v, A3r, A7r, B2r, B3r, C4v, C6r, Fr, K3r. Chirographum: Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8v. „Ein Buch, das mit dem Schreibrohr beschrieben wurde.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v. Vgl. ähnliche Formulierungen von Angelo Poliziano und Girolamo Avanti (Ende 14., Anfang 15. Jhd.), die von S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 71f. zitiert werden. AÙtÒgrafon: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/30f., 4/33, 4/35; liber scriptus manu auctoris antiqui: S. 2/34f. Vgl. dazu auch die Definition in Adrian Junius’ Wörterverzeichnis: „Autographum, Exemplar auctoris manu scriptum.“ und die deutsche Übersetzung „Eigne hantschrift“ (Nomenclator, 1567, S. 9). „Ich folgte der gleichen Glaubwürdigkeit, sodass ich die Abschrift selbst unverändert herausgab, abgesehen davon, wenn irgendwo ein Fehler der Akzente oder der Hauchzeichen war, und diese Fehler vom Abschreiber [stammen, und] nicht im Autographen [waren].“ J. Mercier: Notae ad Aristaenetem, 1596, S. 169.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
217
Ausdrücke, die auf die äußere Beschaffenheit von Büchern verweisen, auf Format und Schreibmaterial. Auch spielen bei der Textkritik handgeschriebene Bücher wie Drucke eine Rolle. In den Bezeichnungen für Bücher spiegelt sich außerdem wider, dass Handschriften Abschriften sind. Die im vorherigen Kapitel 4.2.1 ermittelte Rede von der Verbesserung antiker Schriftsteller ließ offen, ob es sich um inhaltliche oder textuelle Verbesserungen der antiken Literatur handelt. Diese Vagheit klärt sich jetzt angesichts der zahlreichen Verweise auf die Beschaffenheit von Büchern. Die in den Abhandlungen diskutierten Verbesserungen beziehen sich auf die Textgestalt und somit auf Fehler, die nicht zu Lasten des Schriftstellers, sondern des anschließenden Überlieferungsprozesses gehen. 4.2.3 Textstellen Am häufigsten wird Textkritik im Zusammenhang mit Begriffen für einzelne Textstellen in der antiken Literatur verhandelt – zuweilen in der Fassung einer konkreten, genau bestimmten Handschrift. Robortello, Canter und Schoppe sprechen häufig von Textstellen und benutzen dafür unterschiedliche Bezeichnungen. Diese Ausdrücke für Textstellen in den Abhandlungen lassen sich vier Grundbedeutungen zuordnen: Locus/loca verweist recht nüchtern auf „Textstelle“,97 lectio bezeichnet die Lesart und bezieht sich wie im Deutschen auf den Vorgang des Lesens,98 scriptum, scriptio und scriptura orientieren sich am „Geschriebenen“99 und dictio, dictum und verba am sprachlichen Element „Wort“ und „Wortlaut“.100 Diese Ausdrücke werden vor allem in drei Bedeutungen eingesetzt: scriptura, lectio, scriptio und dictio im theoretisierenden Kontext als „Lesart“, locus und loca –––––––––––––– 97
Rob. Ars corr., 1557, S. 1/15, 2/32, 4/6, 4/19, 5/30, 6/30, 7/15, 7/24, 7/32, 8/6, 8/9, 8/13, 8/15, 8/18, 8/20, 8/24, 8/25, 8/31, 9/5, 9/16, 9/17, 9/21, 9/24, 10/8, 10/14, 10/26, 10/27, 11/21, 11/25, 11/33, 12/4, 12/5, 12/13, 12/17, 12/21, 12/34, 13/6, 13/12, 13/18, 14/1, 14/6, 14/10, 14/24, 14/35, 15/4; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4, 18, 26f., 30f., 42f., 45, 56, 63f.; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r, D8v; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r, D5v; Lips. Somn., 1585, fol. D4r, E6v; Vulc. Praef., 1594, fol. E4r; Casaub. Animad., 1596, fol. E2v, E3r. Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v, A8v, Bv, B4r, B5v, B7v, Dr, D3r, H6r, I2r, I7v. 98 Rob. Ars corr., 1557, S. 5/19, 6/29, 12/9; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D7v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A2v, A3r, A7v, Br, B2r, B3r, B3v, Gr, I8v. 99 Scriptum: Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, F2v, F4r, F6r, F7r, F7v, G3v, G6v, G7r, G8r, Hv, H4r, H7r, Ir, I7v, Kr, K2r, K2v. Scriptio: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/33, 14/16. Scriptura: Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 6, 19, 47; Mur. Var. lect., 1580, fol. Er; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r; Lips. Somn., 1585, fol. E4r; Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, B3v, Ir, I7v. 100 Dictio: Rob. Ars corr., 1557, S. 16/30. Dictum: ebenda, S. 14/32. Verba: S. 5/20, 7/25, 9/2, 9/27, 10/9, 10/33, 11/4, 11/28, 12/20, 13/9, 13/27, 13/33, 14/21, 14/30, 16/4, 16/20.
218
Kapitel 4: Die Texte
bei Aufzählungen und oft mit Verweisen als „Textstelle“, scriptum, verba und dictum meist mit folgendem Zitat der Stelle als „Wortlaut“. Scriptura und lectio fanden bereits in den vorherigen Jahrhunderten Verwendung, wobei vor allem lectio weit verbreitet war.101 Für das 16. Jahrhundert bezeugen dies auch die Titel philologischer notae-Sammlungen, wie aus den Tabellen in Kapitel 2.3.1 hervorgeht: In Abbildung 15 (S. 138) finden sich notae-Sammlungen zu einzelnen Texten (Lectiones von Isaac Casaubon und Variae lectiones von Schoppe) und in Abbildung 16 (S. 139) vermischte notae-Sammlungen (Antiquae lectiones von Carrion und Lipsius, Novae lectiones von Canter, Novantiquae lectiones von Modius, Suspectae lectiones von Schoppe und Variae lectiones von Vettori und Muret). Dagegen hat Robortello mit der Verwendung von scriptio für „Lesart“ bei den Philologen des 14. und 15. Jahrhunderts zumindest nach der Rekonstruktion von Rizzo keine Vorgänger. Auch scriptum etabliert sich wie bei Schoppe erst später als technischer Begriff für Lesart im Wortschatz der Philologen. Zu beachten bleibt hier, dass scriptio zuweilen – wie in Kapitel 3.3.2 (S. 184) ausgeführt – auch in der Bedeutung „Schreibgewohnheit“ im Sinne von Regeln oder Konventionen von Orthographie auftaucht.102 Bei den näheren Beschreibungen fällt im Vergleich zu den Bezeichnungen von Schriftstellern und Büchern auf, dass selten auf das Alter abgehoben wird. Canter qualifiziert an keiner Stelle das Alter von Lesarten. Robortello spricht nur von einer scriptio vetusta bei Aischylos (Choephoroi 451f.) und verbessert eine vermeintlich falsche Stelle aus der Abschrift des Mediceus, der ältesten erhaltenen Aischylos-Handschrift, die allerdings eigentlich richtig war.103 Robortello zielt dabei auf das Alter der Handschrift ab, weist damit aber mitnichten ihre Güte aus, die er ja für falsch hält, sondern ihre Provenienz. Auch in den beiden anderen Fällen, wo von alten Lesarten die Rede ist, markiert die Nennung des Alters die kodikologische Herkunft der Lesart. Allerdings korreliert in diesen Fällen das Alter mit der Qualität, da es sich um richtige bzw. ursprüngliche Lesarten handelt: Während Janus Gulielmus davor warnt, eine alte und angenommene Lesart (antiqua & recepta lectio) zu verfälschen – eine Warnung, die an solche Eingriffe wie Robortellos Aischylos-Emendation gerichtet ist –, erklärt Schoppe, dass manche alte und ursprüngliche Lesart (vetus & genuina scriptura) mit Glossen im Text ersetzt wurde.104
–––––––––––––– 101 Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 209–213. 102 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/20, 6/22, 10/12. 103 Rob. Ars corr., 1557, S. 14/16. Vgl. dazu M. Mund-Dopchie: Eschyle à la Renaissance, 1984, S. 43. 104 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
219
Meistens wird weniger auf das Alter als auf die Richtigkeit abgehoben. Der corrector entscheidet bei lectiones variantes über die lectio vera und die lectio recepta.105 Sie werden unterschiedlich begründet, etwa dass es sich bei der entsprechenden Lesart um eine ursprüngliche Lesart (scriptura genuina) handele und die Stelle unverdorben (locus incorruptissimus), unversehrt (integerrimus) und gesund (sanus) sei.106 Bei einem locus commodior lautet das Argument, dass die Lesart besser passe.107 Richtige Stellen werden außerdem auf die Kompetenzen der correctores zurückgeführt, die sie verbesserten. So spricht Schoppe von der ziemlich glücklichen (lectio felicior), einfallsreichen (ingeniosa) und sehr genauen Lesart (subtilior).108 Schließlich gibt es Stellen, deren Schönheit und Geltung unmittelbar sind, so die lectio praeclara, loca clarissima und ein locus insignis, illustris und notus bzw. notatus.109 Eine schlechte Lesart heißt wiederum lectio mendosa, portentosa und stupenda, loca difficila, obscura und perplexa sowie locus mutilus, obscurus und insanus wie auch scripturae monstrosiores.110 Außerdem kommen Begriffe zum Zuge, die anzeigen, dass sich die Stellen einer Verbesserung sperren, wie die schwer zu behandelnde (locus intractabilis) und tadelnswerte Stelle (locus reprehensus) oder solche Ausdrücke, die die Handlung anzeigen, die die Verderbnis generierte, wie die gefälschte Lesart (lectio commentitia), übel behandelte Stellen (loca adfecta male) sowie der verfälschte, ungeschlachte und verdrehte Wortlaut (verba adulterina, barbara und perturbata).111 Die Bezeichnungen lectio, locus/loca, scriptura/scriptum/scriptio, dictum/dictio und verba lassen sich also den drei Grundbedeutungen „Lesart“, –––––––––––––– 105 Lectio varia / varians (voneinander abweichende Lesart): Vulc. Praef., 1594, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r, B3r, C4v. Lectio vera (wahre Lesart): Rob. Ars corr., 1557, S. 5/19, 6/29; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. Lectio recepta (angenommene Lesart): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D7v. 106 Scriptura genuina: Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v. Locus incorruptissimus: Casaub. Animad., 1596, fol. E3r. Locus integerrimus: ebenda, fol. E3r. Locus sanus: Lips. Somn., 1585, fol. E6v. 107 Cant. Ratio emend., 1571, S. 4. 108 Lectio felicior: Schop. Ars crit., 1597, fol. Gr. Lectio ingeniosa: fol. I8v. Lectio subtilior: fol. Gr. 109 Lectio praeclara (glänzende Lesart): Schop. Ars crit., 1597, fol. Br, I8v. Loca clarissima (hervorstechende Stellen): Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r. Locus insignis / illustris (ausgezeichnete / berühmte Stelle): Rob. Ars corr., 1557, S. 13/6, 13/8. Locus notus / notatus (bekannte Stelle): ebenda, S. 9/16, 13/14. 110 Lectio mendosa (fehlerhafte Lesart): Schop. Ars crit., 1597, fol. A7v, B2r. Lectio portentosa (missgestaltete Lesart): ebenda, fol. A2r. Lectio stupenda (entsetzliche Lesart): fol. B2r. Loca difficilia (schwierige Stellen): Frut. Verisim., 1584, fol. D5v. Loca obscura et perplexa (dunkle und verworrene Stellen): Rob. Ars corr., 1557, S. 11/21. Locus mutilus (verstümmelte Stelle): Cant. Ratio emend., 1571, S. 43. Locus obscurus (dunkle Stelle): Rob. Ars corr., 1557, S. 11/25; Cant. Ratio emend., 1571, S. 63. Locus insanus (ungesunde Stelle): Lips. Somn., 1585, fol. E6v. Scripturae monstrosiores (scheußliche Lesarten): Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv. 111 Locus intractabilis: Cant. Ratio emend., 1571, S. 63. Locus reprehensus: Rob. Ars corr., 1557, S. 13/13f. Lectio commentitia: Schop. Ars crit., 1597, fol. B3v. Loca adfecta male: Guliel. Quaest., 1583, fol. D6r. Verba adulterina: Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, B6v, F5v. Verba barbara: ebenda, fol. F5v. Verba perturbata: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/18f.
220
Kapitel 4: Die Texte
„Textstelle“ und „Wortlaut“ zuordnen. Die Bezeichnungen für Textstelle werden methodologisch neutral gebraucht, die weitergehende Festsetzung ihrer Geltung geschieht durch die Beschreibungen des Alters, der Richtigkeit oder der Verdorbenheit. 4.2.4 Sprachliche Elemente Kernstück der Verbesserungslehren bildet jeweils eine Systematik, die dem Philologen bei seiner Arbeit helfen soll (siehe Kapitel 5.1). Darin kategorisieren Robortello, Canter und Schoppe die von der Verbesserung betroffenen sprachlichen Elemente (siehe Abbildung 22). Die kleinsten sprachlichen Elemente, den Akzent (accentus) und das Satzzeichen (punctum), behandeln nur Robortello und Canter. Allerdings gibt Robortello bloß zwei Beispiele zum punctum an und weitere Ausführungen zu Akzenten fehlen bei ihm ganz.112 Dagegen findet sich in der Ratio emendandi ein eigenes De accentibus. cap. VI., wo Canter Fehler vorstellt, die durch falsche Akzentsetzung entstanden sind.113 Dabei erwähnt er neben Akzenten, die er unter anderem apices nennt, auch falsch gesetzte Apostrophe (apostrophi) und Satzzeichen (interpuncta) als Ursachen für Fehler.114 In allen drei Abhandlungen ist der Buchstabe (littera) das Hauptobjekt der Textverbesserung.115 Bei Canter und Schoppe finden sich darüber hinaus Ausführungen zur Silbe (syllaba).116 Für das sprachliche Element „Wort“, das wieder alle drei behandeln, stößt man auf die Bezeichnungen dictum, dictio, verbum, vocabulum und vox.117 In dictio klingt die Handlung des –––––––––––––– 112 Rob. Ars corr., 1557, S. 8/6, 12/12. 113 Cant. Ratio emend., 1571, S. 58f. Außerdem findet sich vorher (S. 9) ein Beispiel für falsche Akzentsetzung. 114 Cant. Ratio emend., 1571, S. 59. 115 Rob. Ars corr., 1557, S. 2/26, 7/9, 14/15, 14/19, 14/23, 14/24, 14/30; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 5ff., 9, 18, 21f., 25, 27, 29, 34, 40, 43, 51, 55, 58, 61ff.; Schop. Ars crit., 1597, fol. B4r, C4r, Fr, F2v, F4v, F7v, Gv, G5r, G6r, G7v, Hr, Hv, H2r, H2v, H3r, H3v, H4r, H5r, H5v, H6r, H6v, H7r, H8v, Iv, I2v, I6v, I8v, K2r. 116 Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 34, 40, 43, 60, 63; Schop. Ars crit., 1597, fol. B4r, H2v, H4r, H5v, H6r, H6v, H7r, H7v, H8v, Iv, I2r, K2r. 117 Dictum: Rob. Ars corr., 1557, S. 14/32; 15/20; Cant. Ratio emend., 1571, S. 26. Dictio: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/6, 7/7, 7/9, 8/9, 8/12, 8/20, 8/25, 8/33, 9/8, 9/14, 11/3, 11/9, 13/27, 13/28, 14/3, 16/30; Schop. Ars crit., 1597, fol. H3r, H5r, H6r, I5v, I8v, Kv. Verbum: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/1, 2/2, 2/24, 5/34, 7/18, 10/25, 10/28, 11/14, 15/4, 16/19, 16/32; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 5, 34, 40, 45, 47, 58, 63; Schop. Ars crit., 1597, fol. F5v, G6v, H2v, H5r, H5v, Iv, I2r, I2v, I4r, I6r, I6v, I7r, I8v, K2r. Vocabulum: Rob. Ars corr., 1557, S. 8/28; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 5, 21, 40, 47, 51, 62f. Vox: Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 19, 25, 43f., 51, 59ff.; Schop. Ars crit., 1597, fol. H6v, H7v, I2v.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
221
Aussprechens an, die sich in den Bedeutungen von „Ausspruch“ oder „Ausdruck“ niederschlägt.118 Im Zusammenhang mit philologischem Arbeiten gebraucht Robortello verba, die einzelne Wörter des antiken Wortschatzes, aber auch den gesamten Wortschatz bezeichnen.119 Auffällig ist auch Canters Vorliebe für vocabulum, Terminus für „Substantiv“. Auch an anderer Stelle bedient sich Canter Fachausdrücke, etwa wenn er von den voces monosyllabae und polysyllabae, den ein- und mehrsilbigen Wörtern spricht.120 Der Einsatz von grammatikalischen Termini lässt sich auch bei Robortello und Schoppe beobachten. Robortello spricht von einer compositio und von einer negatio.121 Schoppe weist vereinzelt particulae und praepositiones aus sowie, auf der Ebene von Buchstaben, diphthongi und consonantes.122 Neben den ausdrücklich zum Gegenstand der Verbesserung erklärten sprachlichen Elementen und den daran angelehnten Bezeichnungen für Wörter stößt man in den Abhandlungen auch auf Bezeichnungen von Versen (versus) und von Zeilen (lineae).123 Diese sprachlichen Elemente werden selten eingehender beschrieben. Neben litterae depravatae, corruptae und evanescentes stehen allgemeine Charakterisierungen wie vocabulum difficilius, versus ineptissimus, dictio emendata oder insignis und verbum antiquum oder vetustum weisen die übrigen Beschreibungen die Verderbtheit der einzelnen Elemente aus.124 ––––––––––––––
118 119 120 121 122 123
124
In den testimonia kommen Begriffe für „Wort“ ohnehin selten vor, außer dictio findet sich noch verbum (Guliel. Quaest., 1583, fol. D7r; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v), vocabulum (Vulc. Praef., 1594, fol. E3v) und vox (Mur. Var. lect., 1580, fol. Er). Rob. Ars corr., 1557, S. 6/31, 10/11. Verbum (als einzelnes Element des antiken Wortschatzes): Rob. Ars corr., 1557, S. 7/32. Verba (als Bezeichnung des gesamten antiken Wortschatzes): S. 6/21, 6/23, 6/35. Cant. Ratio emend., 1571, S. 43. Compositio (zusammengesetztes Wort): Rob. Ars corr., 1557, S. 11/17. Negatio (Verneinung): ebenda, S. 11/2. Particulae: Schop. Ars crit., 1597, fol. I2v. Praepositiones: fol. H8v, I2r. Diphthongi: fol. F2v. Consonantes: fol. Hr. Versus: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/29, 8/7, 10/24, 16/25; Cant. Ratio emend., 1571, S. 45, 50, 56; Frut. Verisim., 1584, fol. D5v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v, B7r, Fr, Ir, I5v, I7r, Kv. Linea: Rob. Ars corr., 1557, S. 2/23, 3/22; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47; Schop. Ars crit., 1597, fol. G7v, I5v, I7r, I7v. Allerdings setzt Canter linea (und lineola) gelegentlich auch als Bezeichnung für die kleinen Linien ein, die zuweilen im Griechischen für Abkürzungen gebraucht werden (Ratio emend., 1571, S. 62). Littera depravata / verbum depravatum (verderbter Buchstabe / verderbtes Wort): Schop. Ars crit., 1597, fol. H5v, K2r. Dictio / syllaba corrupta / verbum corruptum (verderbte(s) Wort / Silbe): Rob. Ars corr., 1557, S. 10/10f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. H2v, H5v, Iv, I2r, I4r. Litterae evanescentes (verblassende Buchstaben): Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r. Vocabulum difficilius (ziemlich schwieriges Wort): Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. Versus ineptissimus (überaus unpassender Vers): ebenda, S. 50. Dictio emendata / insignis (verbessertes / ausgezeichnetes Wort): Rob. Ars corr., 1557, S. 2/6f., 16/30. Verbum antiquum / vetustum (altes / überaus altes Wort): ebenda, S. 6/21, 6/35, 7/32.
222
Kapitel 4: Die Texte
In den Gegenstandsbereich von Textverbesserung gehören also neben Schriftstellern, Büchern, Handschriften und Textstellen auch einzelne sprachliche Elemente. Robortello, Canter und Schoppe berücksichtigen hierbei vier Ebenen von Sprache (und Schrift): Wort, Silbe, Buchstabe und Akzente bzw. Interpunktion. Diese vier Ebenen werden in den Abhandlungen unterschiedlich ausführlich behandelt, meist mit dem Ziel, die Ursache von Textverderbnis aufzuzeigen. Die Bezeichnungen, die für die einzelnen Elemente gewählt werden, sind etwa im Fall von Wörtern vielfältig und zeigen bei der Verwendung von Fachausdrücken die Vertrautheit der Verfasser mit grammatikalischer Terminologie.125 4.2.5 Über das frühneuzeitliche Textverständnis Antike Autoren, alte Handschriften, übel behandelte Lesarten oder verdorbene Silben zeigen, wie differenziert Robortello, Canter und Schoppe von dem sprechen, was verbessert wird. Ein allgemeiner Begriff für den Gegenstand des Verbesserns, der unserem heutigen Alltagsverständnis von „Text“ vergleichbar wäre, findet sich in der frühneuzeitlichen Ars corrigendi-Literatur aber nicht.126 Im Mittelalter ist textus im Zusammenhang mit sakralem Schrifttum gebräuchlich und bezeichnet das Evangelium in der konkreten schriftlichen Ausfertigung unter Einbezug von Schriftzeichen, Illustrationen, Kommentaren und der Handschrift.127 Auch die Zusammenstellung bei Silvia Rizzo zeigt, dass das Wort „textus“ im 14. und 15. Jahrhundert keineswegs unbekannt war. Allerdings wurde textus damals zur Bezeichnung des Wortlauts oder der Handschrift benutzt,128 vor allem zur Abgrenzung des eigentlichen Textes zum Kommentar oder zur Glosse, was wieder an mittelalterliche Verwendungsweisen anknüpft.129 Diese Bedeutung findet sich in den Abhandlungen des 16. Jahrhunderts wieder, wenn das Wort contextus im Zusammenhang mit Glossen auftaucht. Beispielsweise schreibt Canter: –––––––––––––– 125 Das zeigt auch der Vergleich mit der mittelalterlichen sowie mit der in dieser Zeit üblichen Bezeichnungspraxis der Redeteile in der Grammatik. Vgl. dazu G. A. Padley: Latin grammatical theory 1500–1700, 1976, S. 30ff. 126 Das Alltagsverständnis von „Text“, das diesen Studien zugrunde liegt, wird in der Einleitung beschrieben und erklärt (siehe S. 4). 127 „Liber seu Codex Evangeliorum, qui inter cimelia Ecclesiastica reponi solet, auro gemmisque ut plurimum exornatus, aureis etiam interdum characteribus exaratus.“ Art. „Textus“, DuCange 8, S. 91f., hier: S. 91. Vgl. dazu: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 9; F. Dolbeau: Noms de livres, 1989, S. 97; M. Scherner: Begriffsgeschichte von ‚Text‘, 1996, S. 119f. 128 S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 10. 129 S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 9f.
4.2 Gegenstand der Verbesserung
223
Eae vel pro contextu ponuntur, vel huic inseruntur. Atque heic merito deploranda venit superioris temporis librariorum inscitia, qui ... ea vel emendationes esse contextus, vel membra censentes, temere et inscite nunc expulsa vera scriptura, nunc apud veram, contextui infulserunt.130
Contextus setzt sich von der Kommentierung bzw. Glossierung des antiken Textes ab. Wie hier bei Canter wird auch bei Robortello und Schoppe in diesem Zusammenhang meistens das Problem erörtert, dass Schreiber im Laufe der Überlieferung interlineare oder Marginalglossen in den eigentlichen Text aufnehmen und ihn dadurch verderben.131 Contextus verweist in seiner Bedeutung stärker auf den Schriftsatz einer Seite, von dem die Glossierung unterschieden wird.132 Weder die Humanisten des 14. und 15. Jahrhunderts noch die Verfasser der Abhandlungen des 16. Jahrhunderts benutzten aber einen Textbegriff, der es erlauben würde, damit allgemein den Gegenstand des Verbesserns zu bezeichnen. Dies passt gut zu Erkenntnissen der Begriffsgeschichte von „Text“, etwa dass textus und contextus „... keine Fachtermini, weder in der Grammatik, noch in der Rhetorik, darstellen. Es handelt sich bei diesen Ausdrücken daher entweder um metaphorische oder um normalsprachliche Beschreibungsausdrücke.“133 Und doch behandeln Robortello, Canter und Schoppe im Zusammenhang mit den Objekten von Verbesserung viele Aspekte, die das Textverständnis berühren. Das lässt sich gut an den vier Gruppen zeigen, in die sich die behandelten Gegenstände der Verbesserung einteilen lassen: Der allgemeinsten Fassung des Gegenstandes begegnet man bei der Rede von der Verbesserung von den antiken Schriftstellern (auctores, scriptores, veteres). In dieser übertragenen Redeweise werden die antiken Schriftsteller anstelle ihrer Werke genannt. Damit gilt der Text in den Abhandlungen immer als Erzeugnis seines Autors. Daraus ergibt sich implizit, dass im Zweifel immer das gilt, was der Verfasser meinte. Außerdem wird dem antiken auctor auf besondere Weise Ansehen und Wertschätzung entgegengebracht. –––––––––––––– 130 „[Die Glossen] werden entweder anstelle des Textes gesetzt oder in ihn eingefügt. Und hier kommt die aus gutem Grunde beklagenswerte Unwissenheit der Schreiber früherer Zeiten ins Spiel, die ... diese [Glossen] entweder als Verbesserungen oder als Teile des Textes beurteilten. So wurden sie blindlings und unwissend in den Text eingefügt, mal wurde die wahre Lesart [dabei] gelöscht, mal [wurde sie] neben die wahre [Lesart gesetzt].“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. 131 Rob. Ars corr., 1557, S. 8/33, 9/8; Cant. Ratio emend., 1571, S. 50; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v. 132 S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 10. Zur etwas strikten Fassung der Bedeutung von „contextus“ bei Robortello als „Bezeichnung eines Wortlauts des Originaltextes“ vgl. R. Stillers: Literaturtheorie in der ital. Renaissance, 1988, S. 141f. 133 M. Scherner: Begriffsgeschichte von ‚Text‘, 1996, S. 109.
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Kapitel 4: Die Texte
Bei der nächsten Gruppe werden mit Büchern (libri, codices) Artefakte behandelt, die als Textträger fungieren und mit denen Philologen manuell umgehen. Damit steht Text unmittelbar mit dem materialen Buch in Verbindung, dessen Eigenschaften die Verfasstheit des Textes beeinflussen. So werden in textkritischer Hinsicht die äußere Beschaffenheit von Büchern (etwa Pergament) und die Vervielfältigungstechniken (handgeschriebene und gedruckte Bücher) relevant. Dabei werden vor allem das Alter, die Textqualität und die Herkunft beschrieben. In der dritten Gruppe werden begrifflich Textstelle (locus, loca), Lesart (lectio, scriptio, scriptura, dictio) und Wortlaut (scriptum, verba, dictum) unterschieden. Der Rede von konkurrierenden Lesarten ist ein Verständnis der Variabilität immanent. Diese Veränderbarkeit von Text wird mit seiner Überlieferung erklärt und die Besprechungen des genauen Wortlauts einzelner Stellen nehmen in den Methodenlehren einen großen Raum ein. So stellt die Textstelle das eigentliche Objekt von Textkritik dar, und entsprechend differenziert sind auch die näheren adjektivischen Beschreibungen von Alter, Richtigkeit und Verderbnis. Der konkrete Texteingriff richtet sich schließlich auf konkrete sprachliche Entitäten wie Schriftzeichen und sprachliche Elemente (punctum, littera, syllaba, verbum). Sie werden in der Textkritik verändert, um zu einer Verbesserung zu gelangen. Die Ars corrigendi-Literatur bezieht sich also nicht, wie das etwa die Metonymie Autor statt Textsuggerieren könnte, – in argumentativer oder stilistischer Hinsicht – auf den Inhalt der Bücher. Aus der Zusammenstellung der unterschiedlichen Arten, über den Gegenstand von Verbesserung zu sprechen, ergibt sich deutlich die Bezugnahme auf die textuelle Gestalt von Literatur, sprich ihren Wortlaut. Damit sind Textkritik und Literaturkritik klar geschiedene Tätigkeiten. Robortello, Canter und Schoppe besprechen im Zusammenhang mit dem Gegenstand von Verbesserung Fragestellungen, die vor allem die Beschaffenheit des Buchmaterials und die Textqualität betreffen. Verbesserungen werden nicht aus inhaltlichen Gründen vorgenommen, sondern aufgrund von Erkenntnissen über Veränderungen von einzelnen sprachlichen Elementen im Laufe der Textüberlieferung. In ihrem Verständnis und der Behandlung von Texten berücksichtigen die Verfasser, dass Texte sich aus sprachlichen Elementen zusammensetzen, dass Texte (aufgrund der Überlieferungsgeschichte) veränderbar und potenziell fehlerhaft sind, dass sie gebunden sind an materiale Träger und auf autoritative Autoren zurückgehen.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
225
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften Eine wichtige Rolle bei der Behandlung und Verbesserung von antiker Literatur spielt der Textträger, also das materiale Artefakt, das die betreffende Textstelle konserviert und überliefert. Als Textträger werden in der Ars corrigendi-Literatur ausschließlich Bücher behandelt. Ihre Beschreibung zielt auf die Identifizierung der Textgrundlagen und die Klärung der Qualität der Textgestalt, womit für die Textkritik wichtige Erkenntnisse und grundlegende Wissensbestände zur Sprache kommen. Robortello führt eigens in einem Exkurs Aspekte der Kodikologie aus. Canter und Schoppe wiederum stellen die verwendeten Handschriften und Drucke in den Präliminarien ihrer Abhandlungen vor: Canter erläutert die Quellen der besprochenen Lesarten in der praefatio, und Schoppe bespricht die Grundlagen seiner Symmachus- und Plautus-Philologie in der epistola dedicatoria. Robortello, Canter und Schoppe verwenden einigen Raum darauf, ihre Textgrundlagen darzulegen; auf diese Weise exponieren sie umfassende Kenntnisse über Bücher und Konventionen ihrer Beschreibung, die für die textkritische Arbeit von grundlegender Bedeutung sind. 4.3.1 Über Handschriften, Ausgaben und Drucke Das Buch als materialer Träger von Text kommt in zwei Formen in den Blick, wie man gut an einer Stelle bei Schoppe sehen kann: Adeoque Probus, qui Grammaticus audire recusabat, illa omnia praestitit, quamvis scripta ipsius interciderint. quod ipsum in Virgilio praestiterit, testatur Servius non ille editus, sed qui in schedis Fuldanis, ad illos versus I. AEneid. Hinc populum late regem belloque superbum Venturum excidio Libyae: sic volvere Parcas.134
Schoppe spricht über den römischen Philologen Valerius Probus und die Verbesserung einer Vergil-Stelle (Aeneis 1,21f.), die im Vergil-Kommentar des Servius überliefert ist. Schoppe unterscheidet zwei Fassungen des –––––––––––––– 134 „Und so stand bis dahin Probus, der es zurückwies, Grammatiker genannt zu werden, dem Ganzen [der antiken Philologie] vor, auch wenn seine Schriften verloren gegangen sind. Besonders das, was er zu Vergil leistete, bezeugt Servius (nicht der gedruckte, sondern der in der Handschrift aus Fulda) zu jenen Versen im ersten Buch der Aeneis: Hinc populum late regem belloque superbum Venturum excidio Libyae: sic volvere Parcas.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v.
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Kapitel 4: Die Texte
Vergil-Kommentars von Servius, nämlich den Servius editus sowie den Servius in den schedae Fuldanae. Beim Servius editus handelt es sich um eine gedruckte Vergil-Edition, denkbar ist die Ausgabe des Rivius-Schülers, Dichters und Gelehrten Georg Fabricius, die dieser mit den Kommentaren von Donat und Servius auf den Weg gebracht hat.135 Schoppe rühmt die philologischen Verdienste von Fabricius andernorts in der Ars critica damit, dass er ihn als jemanden bezeichnet, der treu auf den Pfaden des großen Joachim Camerarius gewandelt sei (Camerarii Maximi vestigiis ... fideliter institit), womit Schoppe auf Fabricius’ Überarbeitung der CamerariusEdition des Plautus von 1558 anspielt.136 In ausdrücklicher Abgrenzung zur gedruckten Servius-Ausgabe bezieht sich Schoppe hier aber auf jenen Wortlaut, der sich in den schedae Fuldanae findet. Damit meint er eine heute verlorene Handschrift aus der Texttradition, die wohl im 7. oder 8. Jahrhundert von einem Anonymus in Irland aus dem Servius und anderen Vergil-Kommentaren – hauptsächlich Donat – hergestellt wurde (heute [DS]-Tradition genannt).137 Der Fuldensis stammt aus der Klosterbibliothek Fulda. Diese Servius-Kommentare werden nach dem späteren Besitzer der Handschrift, dem französischen Büchersammler Pierre Daniel (c.1530– 1603), auch Scholia Danielis genannt. Im Anschluss an die Unterscheidung zwischen Handschrift und gedruckter Ausgabe weist Schoppe auf den Wortlaut eines Kommentars zu zwei Versen im ersten Buch der Aeneis (21f.) hin, der sich nur in der Handschrift, nicht aber in der gedruckten Ausgabe befindet: Ad illos itaque versus sic scribserat [sic] Servius: Scilicet a Romanis. Laudat autem eorum imperium, dicendo, | populum Regem & late regem, pro late regnaturum. nomen pro participio. Quidam, hoc democratias intellegunt, & hinc populum l.r.b.q.s.u.e.l.s.u.p. in Probi [scilicet exemplari, vel editione] adpuncti sunt, & adnotandum [fort. adnotatum] hi duo si eximantur, nihilominus sensus integer erit. Sed Virgilius amat aliud agens exire in laudes populi Romani. Hactenus ille.138
Schoppe zitiert hier jene Kommentierung des Vergil-Textes durch Servius, in der Servius eine Lesart von Probus vermerkt. Diese Information bein–––––––––––––– 135 Ich stütze mich auf die Ausgabe Basel 1586, die erst nach dem Tod von Fabricius veröffentlicht wurde. Eine erste Edition der Vergil-Kommentare besorgte Georg Fabricius bereits 1551 in Leipzig. 136 Schop. Ars crit., 1597, fol. Cr. 137 Vgl. dazu P. K. Marshall: Servius (Texts & transmission), 1983, S. 386f. 138 „Zu jenen Versen hatte Servius also Folgendes geschrieben: Scilicet a Romanis. Laudat autem eorum imperium, dicendo, populum Regem & late regem, pro late regnaturum. nomen pro participio. Quidam, hoc democratias intellegunt, & hinc populum l.r.b.q.s.u.e.l.s.u.p. in Probi (das heißt [Probus’] Abschrift oder Ausgabe) adpuncti sunt, & adnotandum (hier auch [die Lesart] adnotatum möglich) hi duo si eximantur, nihilominus sensus integer erit. Sed Virgilius amat aliud agens exire in laudes populi Romani. Soweit jener [Servius].“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v–B7r.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
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haltet die Textfassung der Druckausgabe, die in der Zeit Schoppes greifbar war, nicht. Im Vergleich zu den Scholia Danielis weist beispielsweise die Fabricius-Ausgabe nämlich einen weitaus kürzeren Wortlaut als Schoppes Handschrift auf: Hinc populum late regem.] a Romanis: laudat autem eorum populum, dicendo Late regem. Belloque superbum.] nobilium: ut, Ceciditque superbum ilium.139
In dieser Textfassung nimmt Servius keinen Bezug auf vorgängige Vergilarbeiten wie etwa jene des Probus. Die Kostprobe der Vergil-Philologie des Probus ist also nur in der Handschrift der Scholia Danielis-Tradition enthalten, die aber (noch) nicht in der gedruckten Vergil-Ausgabe enthalten ist.140 Eine nach den Scholia Danielis verbesserte Servius-Ausgabe ließ übrigens noch drei Jahre auf sich warten, obwohl sie in der Philologengemeinde als ein dringendes Desiderat empfunden wurde. Das kann man auch bei Schoppe nachlesen, wenn dort von einem Servius manuscriptus des Pierre Daniel die Rede ist, quod nobis Gallicani typographi debent.141 Vielleicht ermunterte die Nichtverfügbarkeit dieser Textfassung Schoppe auch dazu, die Stelle in der Ars critica im Wortlaut zu zitieren. Im Übrigen stimmt das Zitat des Probus, wie es Schoppe hier wiedergibt, abgesehen von der Kommasetzung, im Wortlaut mit der entsprechenden Stelle in der Kollation dieser Handschrift überein, die im Anhang der Ausgabe von 1600 unter dem Titel Variae lectiones veröffentlicht wurde.142 Schoppe nimmt in dieser Passage der Ars critica also eine aufschlussreiche Differenzierung vor – er unterscheidet voneinander abweichende Fassungen eines Textes, jenen Servius editus in einer gedruckten Vergil-Edition und jene in den schedae Fuldanae, der Handschrift aus Fulda. Im Zitat des Servius ergänzt Schoppe in Klammern das an der dortigen Stelle sinngemäß fehlende Wörtchen exemplar bzw. editio und verweist damit darauf, dass in der Zeit des Servius alle Ausgaben zugleich Abschriften waren. In den Abhandlungen zur Textkritik werden mit editio aber meistens gedruckte Bücher benannt (siehe Kapitel 4.2.2, S. 215). Dies überschneidet sich mit der Verwendungsweise des Ausdrucks editio princeps, da diese ja nicht die Erst-, sondern präziser die erste Druckausgabe bezeichnet. In diesem Sinne fällt die Bezeichnung für gedruckte Bücher und für (redaktionell bearbeitete) Ausgaben in der Ars corrigendi-Literatur
–––––––––––––– 139 140 141 142
Vergil: Opera omnia, ed. G. Fabricius, 1586, Sp. 381. Vgl. dazu auch J. E. G. Zetzel: Latin textual criticism in antiquity, 1981, S. 48, 207. „... den uns die französischen Drucker schulden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C6r. Variae lectiones, im Anhang (mit eigener Paginierung) von: Servius: Commentarii in Virgilium, ed. P. Daniel, 1600, S. 22.
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Kapitel 4: Die Texte
zusammen.143 So bezieht sich Robortello beispielsweise auf eine Stelle in lib. Varronis edito Romae ab Antonio Augustino und meint damit Antonio Agustíns Varro-Ausgabe, die 1554 in Rom als gedrucktes Buch auf den Markt kam.144 Und Canter stellt im Vorwort neben Handschriften auch die Drucke vor, die ihm als Textgrundlage dienen, etwa die Synesii opuscula, Graece et Latine primum a nobis edita, die kleineren Schriften des Kirchenschriftstellers Synesios, die Canter als erster in einer griechisch-lateinischen Ausgabe besorgt hatte, und die 1567 auf dem Buchmarkt erschienen (siehe Kapitel 1.2.2, S. 57). Ansonsten nennt Canter seine eigene Aristides-Übersetzung von 1566, eine Aldine zweier Aristides-Reden (wahrscheinlich von 1513) und einen weiteren Aristides editus (wohl der griechische Druck bei Guinta von 1517) sowie die oratores ab Aldo excusi, die Aldine der griechischen Redner (Venedig 1513).145 Die Benennung eines gedruckten Buchs als editio beinhaltet auch die Bedeutung, dass der Text herausgegeben und bearbeitet wurde. Die Unterscheidung zwischen Handschriften und gedruckten Büchern sagt nichts über die Qualität des Textes aus. Allerdings ärgert sich Schoppe im Zusammenhang mit der Lobpreisung der philologischen Verdienste des belgischen Gelehrten und seines mutmaßlichen Lehrers Janus Gruter über den Druckerstand: non possum tamen non dolere & queri mecum, quod typographi cunctatione supprimuntur notae ad integrum Suetonium politicae, notae in Tragicum Senecam, maxime vero triginta novi Suspicionum libri.146
Schoppe beschuldigt den Drucker des Janus Gruter, die Drucklegung wichtiger Bücher verzögert zu haben, nämlich seine Arbeiten zum Sueton, zu den Tragödien des Seneca sowie die Fortsetzung seiner vermischten notae-Sammlung Suspiciones, die 1591 in neun Büchern veröffentlicht wurde und zu der Gruter offenbar dreißig weitere Bücher als Ergänzung vorbereitet hatte. In solchen Bemerkungen kommt die in dieser Zeit weit verbreitete Polemik gegen den Druckerstand zum Vorschein.147 So bemängelt Schoppe auch, dass die typographi seinen Mentor Konrad Rittershausen in –––––––––––––– 143 Wie Pascale Bourgain herausgearbeitet hat, bewegt sich die Bedeutung von „edere“ auch im Mittelalter zwischen einerseits „ein Buch auf den Markt bringen“ und andererseits „einen Text redaktionell herausgeben“ (vgl. L’expression métaphorique de la mise au jour, 1989). 144 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/32. 145 Cant. Ratio emend., 1571, S. 3ff. 146 „Gleichwohl kann ich nicht umhin, es zu bedauern und zu beklagen, dass durch das Zögern des Druckers die politischen Anmerkungen zum ganzen Sueton, die Anmerkungen zum Tragiker Seneca, vor allem aber die dreißig neuen Bücher der Suspiciones unterschlagen werden.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C6v. 147 Eine Sammlung von frühneuzeitlichen Schriften zum Thema findet sich beispielsweise bei H. Widmann: Vom Nutzen und Nachteil des Buchdrucks, 1973. Siehe dazu auch die bereits zitierten Stellen bei Erasmus (S. 155) und Perotti (S. 177).
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
229
dessen ausgezeichneter und ruhmvoller Arbeit (praestans & egregius labor) behindern.148 Klagen darüber, dass philologische Schriften von Zeitgenossen nicht oder nur verzögert verlegt wurden, weisen auch darauf hin, dass gedruckte Bücher gegenüber Handschriften im Bezug auf ihre Erreichbarkeit überlegen waren. Der Buchdruck spielte also mit seinen identisch vervielfältigten und weiträumig erreichbaren Erzeugnissen in der Philologie eine vorrangige Rolle, die auch mehrfach angesprochen wird. Schoppe demonstriert mit seinem Servius-Beispiel Kenntnisse der Sekundärüberlieferung und verschiedener Überlieferungstraditionen, die sich nur in bestimmten Ausgaben und Handschriften wiederfinden. Darin spiegelt sich die Einsicht wider, dass Texte durch ihre Überlieferung einer Variabilität unterliegen und immer nur in einer bestimmten Textfassung vorliegen, die an den entsprechenden Textträger gebunden ist. Unterschieden werden Handschriften und Drucke, wobei in der Bezeichnung editio neben „gedrucktes Buch“ auch die Bedeutung „redaktionelle Ausgabe“ mitschwingt. Die frühneuzeitliche Philologie weiß den Wert handschriftlicher Überlieferung zu schätzen – bei aller Kritik am Druckerstand stellen aber gedruckte Bücher das eigentliche Ziel philologischer Arbeit dar. Dahinter stehen Aspekte der Erreichbarheit und der Textsicherung. Bei aller Wertschätzung und differenzierten Betrachtung der handschriftlichen Überlieferung sollten die correctores die antiken Schriftsteller in gedruckten Ausgaben vorlegen. So lässt Lipsius in seinem Somnium auch Varro stellvertretend für die antiken Schriftsteller feststellen, dass sie ihr ‚Weiterleben‘ in der frühen Neuzeit wesentlich dem Buchdruck zu verdanken haben: Typographia hac aetate inventa est, dono deorum quidem.149 4.3.2 Robortellos Exkurs über das Schreibmaterial Zum Wissen über Bücher zählt Robortello auch Kenntnisse über das Material, aus dem die Seiten von Büchern gemacht sind. Aus einschlägigen Stellen antiker Literatur kompiliert Robortello einen Exkurs über antike Buchmaterialien.150 Dabei unterscheidet er zwei Arten von Buchmaterial (genera chartarum): den Papyrus und das Pergament. Der Papyrus ist dieser Schilderung gemäß zum ersten Mal in Ägypten aufgekommen, und zwar zu Zeiten Alexanders des Großen, vorher habe man auf Palmblätter und Baumrinde, offizielle Dokumente auf Blei- und private auf Leinenrollen geschrieben. Allerdings gebe es auch Berichte –––––––––––––– 148 Schop. Ars crit., 1597, fol. C6v–C7r. 149 „Der Buchdruck, der in dieser Zeit erfunden wurde, ist ein Geschenk der Götter.“ Lips. Somn., 1585, fol. E4v. 150 Rob. Ars corr., 1557, S. 3/28–4/27.
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Kapitel 4: Die Texte
über frühere Papyrusfunde in der Antike. Über den Papyrus erfahren wir von Robortello außerdem, wie er hergestellt wurde, und dass verschiedene Sorten von Papyri (charta Augusta, Liviana, Claudia, Emporetica, Fanniana, Taeniotica und Amphitheatrica) gängig waren. Das Aufkommen des Pergaments beschreibt Robortello mit der Anekdote, derzufolge es unter dem Pergamener-König Eumenes erfunden wurde, als dieser damit beschäftigt war, seine Bibliothek aufzubauen, und nur wenige Papyri vom ägyptischen König Ptolemaios bekam. Robortello verzeichnet Pergament als Schreibmaterial auch in Rom und erwähnt den Gebrauch von Palimpsesten. Im Verlauf seines Exkurses nennt Robortello die Quellen, aus denen er die jeweilige Passage paraphrasiert oder zitiert, und benutzt damit – wie bereits ausgeführt (siehe Kapitel 4.1.2, S. 209) – die antike Literatur als Quelle für sachliches Wissen. Beim Papyrus paraphrasiert er vor allem die einschlägigen Stellen aus Buch 13 der Naturalis historia (69, 74–77, 79, 84), wobei er darauf aufmerksam macht, dass Plinius – wie dieser auch selbst an dieser Stelle vermerkt – dabei aus einer seiner Quellen zitiert, nämlich aus dem antiken Enzyklopädisten Varro.151 Außerdem verweist er auf Belegstellen bei Livius und in Plutarchs Moralia (Adversus Coloten).152 Der kürzeren Passage zum Pergament und Palimpsest liegen außerdem die Saturae des Horaz (2,3,1–2), die Carmina von Catull (22,4–8) sowie, etwas ausführlicher, Plutarchs Moralia (49: Maxime cum principibus viris philosopho esse disserendum) zugrunde.153 Robortello nennt Blätter verschiedenen Materials grundsätzlich charta, einschließlich des Schreibmaterials Papyrus.154 Das Wort „papyrus“ erwähnt er nur an einer Stelle und bezeichnet damit die Pflanze, aus der in der Antike die Blätter gewonnen wurden.155 So benutzt Robortello charta als allgemeine Bezeichnung für „Schreibblatt“, wobei er sich damit an den griechischen c£rthj anlehnt. Nur für das Pergament verwendet er eine ei–––––––––––––– 151 Plinius, Zitat: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/30–34; Paraphrasen: S. 3/35–4/1, 4/4ff., 4/7ff. Dass Plinius’ Naturgeschichte ein locus classicus für die Geschichte des antiken Schreibwesens in der frühen Neuzeit ist, verzeichnet auch Ulrich Ernst in seinem Aufsatz über frühneuzeitliches „standardisiertes Wissen“ über Bücher, wo er auch die meisten von Robortello angeführten Passagen ausführlich bespricht und zitiert (Enzyklopädien über Schrift, Druck und Buch, 2002, S. 456f.). 152 Livius (Parallelstelle): Rob. Ars corr., 1557, S. 3/34f. Plutarch (Zitat): S. 4/2f. Stellen bei Livius über Leinwandbücher verzeichnet wieder U. Ernst: Enzyklopädien über Schrift, Druck und Buch, 2002, S. 456 (Fn. 18). 153 Plinius (Paraphrase): Rob. Ars corr., 1557, S. 4/11ff. Horaz (Zitat): S. 4/15f. Catull (Paraphrase): S. 4/17f. Catull (Zitat): S. 4/17. Plutarch (Zitat): S. 4/20–23. Plutarch (Paraphrase): S. 4/23–26. 154 Rob. Ars corr., 1557, S. 3/29, 3/30, 3/31, 3/35, 4/7, 4/10, 4/13, 4/26. Auf S. 6/14 verwendet er charta allgemein als Bezeichnung für Handschriften. Den mittelalterlichen Gebrauch verzeichnet F. Dolbeau: Noms de livres, 1989, S. 90. 155 Rob. Ars corr., 1557, S. 3/35.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
231
gene Bezeichnung und spricht von der membrana sowie von palimpsesti, von abgekratzten Pergamenten, die neu beschrieben werden. Mit seiner Kompilation übernahm Robortello die antiken Bedeutungen der Wörter charta, papyrus und palimpsestus. Dass er sie als Fachtermini benutzte, war allerdings keinesfalls selbstverständlich, was der Blick in ein zeitgenössisches Wörterverzeichnis zeigt. In Adrian Junius’ Nomenclator von 1567 wird palimpsestus im Abschnitt De re libraria, et librorum materia zwar aufgeführt, aber etwa ins Deutsche mit „Schreibtafl / oder haut / wie dan die kaufleuth und schuler bey den rechenmeistern brauchen“ übersetzt.156 Und in seinem Bericht über den Buchdruck in der Offizin des Johannes Froben benutzte Viglius charta und papyrus als allgemeine Bezeichnungen von Papier.157 Auch Silvia Rizzo weist die Bedeutung „Papier“ von papyrus nach, kann aber gleichzeitig nachweisen, dass Kenntnisse über den antiken Papyrus unter Philologen durchaus vorhanden waren.158 Wie konkret dagegen Robortello hier über den Beschreibstoff Papyrus spricht, wird angesichts einer weiteren Bemerkung in diesem Zusammenhang deutlich: Hermogenis vetustissimum ego librum habeo, cuius chartam si spectes, crassitudinem admireris et levorem, in quo glutinum perspicitur.159
Damit zeigt Robortello hier wohl an, dass er selbst Besitzer eines Papyrus ist, auf dem sich der Text des Hermogenes befindet, und erwähnt seine Dicke und den Kleber. An anderer Stelle macht Robortello noch eine abwertende Bemerkung über Henri Estiennes’ Ausgabe der Anacreontea und bezweifelt, dass die zugrunde gelegte Schrift in cortice, also auf Baumrinde, i. e. Papyrus, geschrieben ist (zum Kontext siehe Kapitel 1.1.4.2, S. 42).160 Obwohl hier nicht nachgeprüft werden kann, ob Robortello tatsächlich einen Papyrus in der Hand hielt, so bewegt er sich mit charta, aber auch mit der fälschlichen Bezeichnung als Baumrinde durchaus im Sprachgebrauch seiner Zeit. Wie Charles Perrat in seinem Aufsatz über die Umgangsweisen der Gelehrten des 15. und 16. Jahrhunderts mit Papyri aufzeigt, hatten viele Philologen – unter ihnen auch Robortello nahestehende wie Piero Vettori – mit Papyri zu tun und nannten sie zuweilen auch „écorce d’arbre“, wie Perrat wohl den cortex arborum übersetzt.161 –––––––––––––– 156 A. Junius: Nomenclator, 1567, S. 4. 157 Viglius: Epistola de arte typographia, 1534 (ed. J. Gerritsen 1991), S. 162. Vgl. dazu auch: J. Gerritsen: Printing at Froben’s, 1991, S. 163. 158 S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 21–28. 159 „Ich selbst besitze ein sehr altes Buch des Hermogenes. Wenn Du sein [Papyrus-]Papier genau ansiehst, wirst du die Dicke bewundern und die Glätte, in der man den Leim erkennt.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 4/9ff. 160 Rob. Ars corr., 1557, S. 4/27–30, zitiert S. 42. 161 Les humanistes amateurs de papyrus, 1951, S. 176f. Vgl. auch S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 28.
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Kapitel 4: Die Texte
Robortello war in seiner Zeit nicht der erste, der die Plinius-Stelle über die Geschichte der antiken Beschreibstoffe zurückgriff. Das zeigt etwa die weit verbreitete und häufig verlegte enzyklopädische Schrift De rerum inventoribus (zuerst 1499, erweitert 1521) des italienischen Gelehrten und Geschäftsmannes Polydorus Vergilius (1470–1555). In Buch 2, Kapitel 8, das mit De primo usu scribendi apud priscos, etiam per notas, & quando primum inventa charta, vel membrana überschrieben ist, legt Vergilius die Geschichte des antiken Schreibmaterials dar und greift dabei vor allem und ausdrücklich auf die entsprechenden Plinius-Stellen zurück.162 In seinem Exkurs führt Robortello Kenntnisse über antike Beschreibstoffe auf, ut intelligatis omnem illarum usum et antiquitatem.163 Im Gegensatz zu Robortello klammert Canter in seiner Ratio emendandi das Thema der Schreibmaterialien vollständig aus, und Schoppe beschränkt sich auf die Erwähnung von membranae.164 Dass Robortello dieses Wissen über das Schreibmaterial, seine Geschichte, Herstellung und die verschiedenen Sorten in seine textkritische Abhandlung aufnimmt, spiegelt sein Bemühen, gezielt Kenntnisse zu vermitteln, die er für den corrector für unentbehrlich erachtet. Die Berücksichtigung von historischem Wissen über Schreibmaterial lässt außerdem ein Verständnis von Textkritik und Philologie als breiter angelegte Altertumswissenschaft erahnen. 4.3.3 Paläographisches Wissen Wenn Robortello, Canter und Schoppe über handgeschriebene Bücher sprechen, sie identifizieren und beschreiben, dann äußern sie sich auch über die verwendeten Schriften. Diese Kenntnisse über Schriften sind für die Textkritik wesentlich. Die Bezeichnungen für Schrift im Sinne von Schreibschrift eines Kopisten sind in der Ars corrigendi-Literatur vielfältig. Das gilt etwa für littera, die – abgesehen litterae als „Gelehrsamkeit“ – in zwei weiteren Bedeutungen gebräuchlich ist. Dies definiert Lorenzo Valla ganz treffend, wenn er in seinen Elegantiae schreibt, littera in singulari numero significat elementum ipsum, ut a, & b: vel manum scribentis.165 Tatsächlich finden –––––––––––––– 162 Polydorus Vergilius: De rerum inventoribus libri octo, 1555, S. 117ff. Vgl. dazu S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 17f. Ausführlich zu Vergilius’ Enzyklopädie vgl. H. Zedelmaier: Vergilius’ ‚De inventoribus rebus‘, 2003. Englische Übersetzung in der ed. B. Weiss & L. C. Pérez, 1997, S. 130ff. 163 „... damit Ihr [Hörer] alle ihre Verwendungsweisen und ihr Alter kennenlernt.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 4/26f. 164 Stellennachweise in Kapitel 4.2.2, S. 214. 165 „... littera bedeutet in der Einzahl den Buchstaben selbst, wie a oder b, oder die Handschrift des Schreibers.“ L. Valla: Elegantiae, c.1440 (ed. 1540), lib. 3, cap. 6, S. 86; zitiert auch in S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 101f.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
233
sich diese beiden Bedeutungen von littera in den Abhandlungen wieder, da der Buchstabe als sprachliches Element einen wichtigen Gegenstand der Verbesserungslehren darstellt. Auch scriptura, – neben character – eine weitere für Schrift gebräuchliche Bezeichnung, begegnete uns bereits in der Bedeutung von „Lesart“ als Gegenstand der Verbesserung.166 Im Einzelnen ist von der scriptura Langobardica im Gegensatz zur scriptura Romana die Rede, außerdem von den litterae maiusculae und minores sowie von einer scriptura Graeca.167 Im Zusammenhang mit der scriptura Langobardica findet sich bei Robortello in einem kurzen Abschnitt über die Geschichte der langobardischen Bücher eine historische Kontextualisierung. Robortello beginnt seinen Exkurs mit der Feststellung, dass Bücher schwierige Überlieferungsbedingungen haben: Nunc vix ausim dicere eius notae libros ullo loco reperiri post tot secula, post tot bellorum motus, post tot urbium incendia et ruinas.168
Vor allem nach dem Niedergang der antiken Kultur in Krieg und Zerstörung sei es nicht wahrscheinlich, dass noch antike Bücher überliefert seien. Die Handschriften, die in die Zeit Robortellos gelangt sind, gehen auf eine spätere Zeit zurück, in der die Langobarden in Italien herrschten: Extant tamen nostra aetate adhuc Langobardorum libri, qui quam emendatissimi esse videntur. Cum enim pacis et otii alumnae sint disciplinae et artes omnes quae literis continentur, postquam illi abhinc opinor annos DCCC in Italiam venissent, imperiumque constitutissent, quod diu usque ad Carolum Magnum perduravit, qui eos ex Italia expulit, victo ipsorum rege Desiderio, qui Ticini commorari solitus erat, rebus compositis, cum summum in Italia esset otium, excolere ingenium artibus et disciplinis coeperunt. Itaque praeclarissimi quique libri ab illis descripti fuerunt.169
–––––––––––––– 166 Zu littera als „Buchstabe“ siehe Kapitel 4.2.4 und zu scriptura als „Lesart“ siehe Kapitel 4.2.3. 167 Litterae Langobardicae / scriptura Langobardica / character Langobardicus: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/16, 15/18f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r, Bv, Fv, F2v, F4v, F7v, Gv, G6r, G7v. Litterae Romanae / scriptura Romana / character Romanus: Rob. Ars corr., 1557, S. 15/19; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r, Fr, Fv, F2v, H6v. Litterae minores / maiusculae: ebenda, fol. F2v, H2r, H6v. Scriptura Graeca: Cant. Ratio emend., 1571, S. 19, 62. 168 „Nun wage ich es kaum zu behaupten, Bücher dieser Güte könnten an irgendeinem Ort wiedergefunden werden – nach so vielen Jahrhunderten, nach solchen Erschütterungen durch Kriege, nach so viel Brandschatzung und Zerstörung von Städten.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 3/5ff. 169 „Allerdings sind in unserer Zeit Handschriften der Langobarden überliefert, die wie fehlerfrei zu sein scheinen. Denn alle Wissenschaften und Künste, die mit Gelehrsamkeit verbunden sind, sind Zöglinge des Friedens und der Ruhe. Ich glaube vor 800 Jahren fielen sie in Italien ein und errichteten ihr Reich, das bis Karl dem Großen andauerte, der sie dann nach einem Sieg über ihren König Desiderius, der für gewöhnlich in Pavia weilte, aus Italien vertrieb. Die Lage war wohlgeordnet, und in Italien herrschte die höchste Ruhe. In dieser Zeit begannen sie, den Verstand durch die Künste und die Wissenschaften auszubilden. Deshalb wurden gerade die überaus berühmten Bücher von ihnen abgeschrieben.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 3/7–15.
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Kapitel 4: Die Texte
Als libri emendatissimi führt Robortello Handschriften auf, die er den Langobarden zuspricht. In der Zeit des Friedens und der Muße unter den Langobarden nach der Eroberung Italiens konnten sich Wissenschaften und Künste entfalten und mit ihnen die Buchkultur. Allerdings datiert Robortello das Ereignis falsch, wenn er davon berichtet, dass die Langobarden – wie er schätzt – „vor 800 Jahren“ nach Italien eindrangen. Tatsächlich geschah dies rund zweihundert Jahre früher, in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Mit seiner historischen Erzählung setzt Robortello die langobardische Schrift deutlich in die Zeit vor Karl dem Großen, womit sie eine vorkarolingische Minuskel wäre, eine Schrift wie beispielsweise die so genannte Beneventana, die bis ins 12. Jahrhundert gebräuchlich war.170 Im Anschluss daran beschreibt Robortello diese Schrift: Literae multum dissimiles nostris, sed quas facile internoscas. Mirum dictu, illis libris nihil emendatius, nihil purius. ... Hi omnes in membranis descripti sunt, et facile dignoscuntur a posterioris aetatis libris: illi enim lineas superpositas nullas habent, et accurate omnia descripta sunt.171
Die langobardischen Kodizes wurden Robortello zufolge auf Pergament geschrieben. Die langobardische Schrift unterscheide sich in ihrer Gestalt wesentlich von der in Robortellos Zeit üblichen – damit meint er wohl die Antiqua-Schriften des Buchdrucks des 16. Jahrhunderts. Dennoch sei sie gut lesbar und in der Textqualität gäbe es nichts Unverfälschteres und nichts Reineres (nihil emendatius, nihil purius) als diese Handschriften der Langobarden. Die Schrift charakterisiert Robortello außerdem damit, dass in ihr keine Abkürzungen durch Striche verwendet werden. Neben den libri Langobardorum erwähnt Robortello noch codices Romani. Beispielsweise spricht er von einem Vergil-Text ex Romano codice, bei dem es sich wahrscheinlich um den Vaticanus lat. 3867 aus dem 5. Jahrhundert handelt. Außerdem führt er den so genannten Bembinus (Vaticanus lat. 3226, 4./5. Jhd., siehe Abbildung 18, S. 175). Beide codices Romani sind in der Capitalis geschrieben, einer Majuskelschrift, die Gelehrte des 15. und 16. Jahrhunderts als scriptura Romana bezeichneten.172 –––––––––––––– 170 Für die Geschichte der mittelalterlichen Schriften stütze ich mich in der Hauptsache auf H. Hunger: Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen, 1961, S. 108–145. Vgl. dazu auch P. Klopsch: Überlieferung der lat. Literatur im MA, 2003, hier S. 65. Robortellos Exkurs zur langobardischen Schrift besprechen auch A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998, S. 238f. und E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 30f. 171 „Die Buchstaben sind sehr unterschiedlich zu unseren, sie lassen sich aber einfach voneinander unterscheiden. Es ist geradezu ein Wunder, dass es nichts gibt, was unverfälschter und nichts, was reiner wäre als jene Handschriften. ... Sie sind alle auf Pergament geschrieben und lassen sich leicht von Handschriften aus späteren Jahrhunderten unterscheiden. Denn sie weisen keine [Buchstaben mit] darübergelegten Linien auf, und alles wurde sorgfältig abgeschrieben.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 3/16ff., 21ff. 172 Rob. Ars corr., 1557, S. 15/14f., 16/27, 16/30. Die längere Stelle mit der Terenz-Handschrift wird in Kapitel 3.2.3 zitiert, S. 174.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
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Allerdings sind – wie auch Rizzo zeigt – die Bedeutungen von Schriftnamen wie scriptura Langobardica oder Romana in der frühen Neuzeit verhältnismäßig uneinheitlich.173 Gegen Robortellos Definition spricht etwa Schoppes Sprachgebrauch, der mit scriptura Romana und Langobardica weit unspezifischer Majuskel- und Minuskelschriften meint. Ersichtlich ist dies in Schoppes Fehlerklassifikation, wo er Buchstabenverwechslungen getrennt nach der scriptura Romana und Langobardica in jeweils eigenen Abschnitten und alphabetisch auflistet.174 Dazu erklärt er: Plerique omnes, qui hodie in bibliothecis exsistunt, libri calamo exarati non maiusculo illo & Romano characterum genere, sed literis Langobardicis & minoribus, volgo fere hodieque usitatis, perscripti sunt.175
Nach Schoppe werden im Romanum genus characterum Buchstaben groß sowie in den litterae Langobardicae die Buchstaben klein geschrieben. Faktisch handelt es sich wohl – für den Fall der scriptura Romana – um Bezeichnungen der Capitalis und der Uncialis sowie – für den Fall der scriptura Langobardica – allgemein um Minuskelschriften. Abgesehen von der Einteilung in Majuskel und Minuskel werden Schriften wegen weiterer Eigenheiten besprochen. Canter erklärt beispielsweise in der griechischen Schrift häufig vorkommende Fehler mit falschen Worttrennungen: Is in coniunctione vocum vel litterarum perperam disiunctarum, et vicissim in perperam coniunctarum disiunctione cernitur. Inde autem originem hoc mendorum genus habet, quod olim Graeci libri sine ulla vocum inter se distantia, quae nunc est in usu, scribebantur.176
Falsche Worttrennungen gehen Canter zufolge also auf die Geschichte der griechischen Schrift zurück, weil sie ursprünglich ohne Wortzwischenräume geschrieben wurde. Später seien Fehler bei der Worttrennung geschehen. Canter nimmt mit diesem historischen Argument Bezug auf ein Ereignis in der Buchgeschichte, als die griechischen Texte im 9. und 10. Jahrhundert von der Majuskel in die Minuskel übertragen wurden. Das –––––––––––––– 173 Lessico filologico, 1973, S. 114–130. Rizzo stützt sich hier auch auf die ältere Arbeit von E. Casamassima: Storia delle dottrine paleografiche, 1964. 174 Abschnitt zur scriptura Romana: Schop. Ars crit., 1597, fol. Fr–F2r; Abschnitt zur scriptura Langobardica: fol. F2v–G8v. 175 „Die meisten Handschriften, die heute in den Bibliotheken vorhanden sind, wurden nicht in jenen Großbuchstaben und der römischen Art der Buchstaben geschrieben, sondern in der langobardischen Schrift und in Kleinbuchstaben, die noch heute allgemein gebräuchlich sind.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v. 176 „Diese [Art des Verbesserns] zeigt sich in der Verbindung von Wörtern oder Buchstaben, die fälschlich getrennt worden sind, und umgekehrt in der Trennung von jenen, die fälschlich verbunden worden sind. Diese Art von Fehlern hat aber ihren Ursprung darin, dass einst die griechischen Handschriften ohne jenen Wortzwischenraum, der jetzt üblich ist, geschrieben wurden.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 51.
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Kapitel 4: Die Texte
war für die Schrift- und Überlieferungsgeschichte ähnlich entscheidend wie die Umschrift der Literatur von Papyrusrollen auf Pergamentkodizes. Außerdem verweist Canter auf die Tatsache, dass die griechische Schrift viele Abkürzungen beinhaltet, und macht auf die Besonderheit der weit verbreiteten Ligaturen aufmerksam.177 Abkürzungen kommen auch im Zusammenhang mit lateinischen Schriften zur Sprache (ausführlich zu Abkürzungen siehe Kapitel 5.2.1). So charakterisiert Robortello die scriptura Langobardica unter anderem damit, dass in ihr keine Abkürzungen durch kleine Linien über den Buchstaben benutzt werden. Schoppe wiederum erklärt, eadem scriptura multis saepe compendiis sive abbreviationibus utebantur.178 An anderen Stellen geht Schoppe wiederum auf Abkürzungen in Majuskelschriften ein.179 4.3.4 Kodikologische Kenntnisse Neben der eingangs zu diesem Kapitel 4 erwähnten Metapher von der Bibliothek als Kerker, in dem im Mittelalter antike Autoren jämmerlich zugrunde gingen, steht die Zeit, die an Büchern nagt und Handschriften verdirbt. Der in der frühen Neuzeit gern benutzte Topos begegnet uns auch im Zusammenhang mit Schoppes Ars critica: Quintam reperio causam in illa ipsa omnium re- | rum domitrice vetustate, in situ & squalore librorum MSC. & vinctorum in ergastulis, ut sic dicam, librariis, imo sepultorum in bibliotafe…oij, datisque in cibum blattis, tineis & muribus: quae omnia, vel fugientes atque evanidas scripturas nobis effecerunt, vel aliquot verba corroserunt atque truncarunt, pro quibus alii alia substituerunt, qui in eiusmodi libros inciderunt, ac formis eos describendos susceperunt.180
–––––––––––––– 177 Cant. Ratio emend., 1571, S. 62. 178 „In dieser [langobardischen] Schrift wurden oft viele Abkürzungen gebraucht.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v. 179 Schop. Ars crit., 1597, fol. H2r, H6v. 180 „Einen fünften Grund [für voneinander abweichende Lesarten] finde ich im Alter selbst wieder, jenen Bezwinger aller Dinge, im Modder und Schmutz der handgeschriebenen und in Straflagern gefesselten Büchern. Sie wurden – wie ich das nennen würde – von den Schreibern in Büchergräber begraben und von ihnen den Schaben, Motten und Mäusen zum Fraß vorgeworfen. Dies alles überlieferte uns einen verflüchtigenden und vergehenden Schriftzug und es zernagte und verstümmelte einige Wörter, für die andere [Schreiber] andere [Wörter] einsetzten. Diese [Wörter] gerieten auf diese Weise in die Handschriften und blieben erhalten, weil sie in dieser Gestalt abgeschrieben wurden.“ K. Rittershausen (& K. Schoppe?): Dissertatio de causis variantium lectionum, zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. K4r– K4v. Hierbei handelt es sich um eine Stelle in der Abhandlung von Schoppes Lehrer Konrad Rittershausen, die Schoppe in den Anhang seiner Ars critica aufnimmt. Allerdings findet sich dieser fünfte Grund nicht in der 1597 erschienenen Textfassung, die in Rittershausens Oppian-Ausgabe zu finden ist. Deshalb könnte auch Schoppe diese Erweiterung geschrieben haben, siehe dazu Kapitel 1.2.3, S. 77.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
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Alter spielt in der Textkritik eine ambivalente Rolle. Handschriften gehen als Material kaputt, und die Texte werden beim wiederholten Abschreiben immer stärker verderbt. Doch hohes Alter einer Handschrift bedeutet zugleich Nähe zur originären Textfassung. Deswegen werden alte Handschriften zuweilen als die am wenigsten korrupten angesehen. So hält Robortello die ältesten überlieferten Handschriften, die libri Langobardici, auch für die fehlerfreiesten (libri emendatissimi ) und umschreibt mit hohem Alter einer Handschrift die Güte und Dignität der Textfassung.181 Auch spricht er von einem manuscriptum perantiquum.182 Diesbezüglich werden in dieser Zeit aber auch differenziertere Meinungen vertreten: Non statim pro vera quamlibet lectionem recipiendam esse, dummodo in libro scripto quantumvis antiquo reperiatur.183
Das Alter einer Handschrift bestimme demzufolge nicht allein die Güte einer Lesart. Bei Canter, vor allem aber bei Schoppe stehen Auszeichnungen des Alters neben anderen Kriterien der Handschriftenbeschreibung wie Schrift, Qualität oder Herkunft. Folgendermaßen beschreibt Schoppe etwa Symmachus-Handschriften in der epistola dedicatoria: De Symmacho manusc. qui nunc Ingelstadii vinctus adservatur, literis Langobardicis exaratus, nemo qui Verisimilia nostra viderit, dubitare possit; esse nimirum longe illum vetustissimum. At illum tamen aetate & bonitate Fuldanus codex, partim Romano & veteri, partim Langobardico charactere scriptus per omnia superat; hoc uno inferior, quod non est integer. Tertius ille, qui est coenobii Bertianiani in opido [sic] Sancti Audomari, utroque melior, quod & integer est, & in libris posterioribus quasdam necdum editas epistolas repraesentat: cetera, non paullo deterior.184
Mit dem ersten Symmachum manuscriptum meint Schoppe jene Kollation, die er von einer Handschrift seines Lehrers Hubertus Giphanius anfertigte, die er ihm wohl – so lautet zumindest die Legende – in der Sylvesternacht 1595/1596 zusammen mit seinen studentischen Freunden Ignatius Haniel, –––––––––––––– 181 Rob. Ars corr., 1557, S. 3/8, zitiert S. 233. 182 Rob. Ars corr., 1557, S. 11/5. 183 „Keine Lesart sollte sofort als die wahre angenommen werden, nur aufgrund dessen, dass sie in einer noch so alten Handschrift gefunden wurde.“ K. Rittershausen (& K. Schoppe?): Dissertatio de causis variantium lectionum, zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. K5r. 184 „Bei der Symmachus-Handschrift, die jetzt in Ingolstadt angekettet verwahrt wird und die in der langobardischen Schrift geschrieben wurde, kann niemand, der meine Verisimilia gesehen hat, daran zweifeln, dass jene unstrittig die bei weitem älteste ist. Der codex Fuldanus, der zum Teil in alter römischer, zum Teil in langobardischer Schrift geschrieben ist, übertrifft den folgenden [dritten Kodex] aufgrund seines Alters und seiner Güte durchweg: Dennoch ist er geringer als dieser, weil er nicht unversehrt ist. Jener dritte, der sich in der Abtei St. Bertin in der Stadt St. Omer befindet, ist besser als die beiden, weil er einerseits unversehrt ist, und andererseits weil er in den hinteren Bänden einige Briefe wiedergibt, die noch nicht herausgegeben wurden. Im Übrigen ist er um nicht weniges schlechter.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r.
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Kapitel 4: Die Texte
Matthias Hübner und Heinrich Bock entwendete und einschließlich Giphanius’ notae kopierte.185 Schoppe nennt in der Ars critica diesen Kodex auch an anderen Stellen – heute wird er in den Ausgaben von Otto Seeck (1883) und Jean Callu (1972) codex Giphanii genannt und unter dem Sigel G geführt.186 Aufschluss über die Identität dieser Handschrift mit dem codex Giphanius gibt auch ein Eintrag in Schoppes Handexemplar des Symmachus, der Ausgabe von Jacobus Lectius, die zuerst 1587 erschien und eine Verbesserung der ersten vollständigen Edition (1580) von François Juret (1553–1626) war.187 In dieser Notiz verzeichnet Schoppe die Quelle der Symmachus-Kollation als optimus et vetustissimus Giphanii codex sowie den Zeitpunkt und den Ort seiner Kollation (Ingolstadt, Januar 1596).188 Lesarten aus dieser Handschrift bilden den Großteil des Materials, das Schoppe für seine notae-Sammlung Verisimilia verwendete. So sind wohl die meisten der überaus zahlreichen Symmachus-Lesarten in der Ars critica Lesarten aus dieser Handschrift. Nach Schoppe ist der codex Giphanii in der langobardischen Schrift geschrieben. Außerdem sei er die bei weitem älteste Handschrift und werde in Ingolstadt aufbewahrt. Die zweite Handschrift, die Schoppe im Widmungsbrief beschreibt, nennt er den codex Fuldanus. Dabei handelt es sich wohl um eine Handschrift, die nur noch in alten Katalogen bezeugt ist. Im handschriftlichen Katalog der Bibliothek Fulda von etwa 1530/40 findet sich ein Eintrag zu einer Symmachus-Handschrift der Epistolae mit der Signatur Ba 672.189 Dem entspricht der Eintrag 454 im so genannten Vatikanischen Verzeichnis (Palatinus lat. 1928) und der Eintrag IX 2,13 im so genannten Fuldaer Verzeichnis (Staatsarchiv Marburg R 28 (Fa)).190 Der belgische Handschriftenforscher Franciscus Modius scheint den Fuldensis bei seinem Aufenthalt in Fulda vom September bis Dezember 1584 abgeschrieben und anschließend – wie auch schon andere Handschriften von Tertullian und Diomedes – Schoppe zur Verfügung gestellt zu haben (siehe Kapitel 1.3.2, –––––––––––––– 185 Vgl. zu dieser Begebenheit F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 85f., 90. 186 Giphanius selbst hatte dieses Manuskript offenbar in der Marciana in Venedig der Sammlung des Kardinal Bessarion (c.1403–1472) entwendet oder abgeschrieben. Entsprechend findet sich auch die Bezeichnung codex Giphaniensis vel Bessarionis. Vgl. dazu O. Seeck: De Symmachi epistulis, 1883, S. XXV; J. P. Callu: Einleitung zur Ed. Symmachus, 1972, S. 31; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 90 (Fn. 97). 187 Angaben zum Handexemplar Schoppes, das heute in der Biblioteca Palatina von Parma (Signatur: 1383) liegt, finden sich bei J. P. Callu: Einleitung zur Ed. Symmachus, 1972, S. 31f.; und F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 91. 188 Dieser handschriftliche Eintrag ist abgedruckt in F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 92. 189 Der Katalog wird in der Universitätsbibliothek Basel aufbewahrt und trägt die Signatur F III 24. Vgl. den Nachdruck dieses Katalogs bei G. Schrimpf u. a.: Geschichte der Bibliothek des Klosters Fulda, 1992, S. 162. 190 Vgl. dazu: K. Christ: Die HSS-Verzeichnisse des Klosters Fulda im 16. Jhd., 1933, S. 233.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
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S. 73).191 Der heute verlorene Fuldensis wird in Seecks Ausgabe mit dem Sigel F bezeichnet und von Jean Pierre Callu mit Vorbehalt ins 13. Jahrhundert datiert.192 Mit Lesarten aus dem Fuldensis bestückte Schoppe seine zweite notae-Sammlung Suspectae lectiones und erwähnt ihn in der Ars critica ausdrücklich an zwei Stellen.193 Die Schrift des codex Fuldanus beschreibt Schoppe als teils römisch, teils langobardisch, womit er wohl meint, dass er in Capitalis bzw. Uncialis und in Minuskelschrift geschrieben war. Abgesehen vom Aufbewahrungsort, der sich aus dem Namen der Handschrift ergibt (Kloster Fulda), trifft Schoppe bezüglich des Alters und der Güte Angaben im Vergleich zur dritten hier beschriebenen Handschrift. Dabei beurteilt er den codex Fuldanus als älter und besser als den dritten Kodex, bemerkt aber einschränkend, dass er nur fragmentarisch überliefert sei. Die dritte von Schoppe im Widmungsbrief beschriebene Handschrift entstammt dem Benediktinerkloster St. Bertin in St. Omer (coenobium Bertianianum in oppido Sancti Audomari). Diesen Kodex identifizierte Richard Förster im 19. Jahrhundert als Bertinensis 686 (13./14. Jhd.), eine Handschrift, die Franciscus Modius 1593 in der Stadtbibliothek von St. Omer einsah, wovon eine handschriftliche Notiz am Ende des Manuskriptes zeugt.194 Allerdings weist Jean Pierre Callu im Vorwort zur Belles-LettresEdition wiederum auf Unstimmigkeiten zwischen Schoppes Kollation und dem Wortlaut des Bertinensis hin, sodass die Identifizierung von Förster nicht sicher ist.195 Diese Handschrift ist im Unterschied zu den beiden anderen Paul Lehmann zufolge textkritisch unbedeutend, da sie insofern enttäusche, „als sie nur eine der weitverbreiteten Florilegienhandschriften ist, die keinen bedeutenden Wert für die Textesherstellung haben.“196 Eine andere Meinung bezüglich der Qualität dieser Handschrift vertrat Schoppe: Auch wenn er ihr Alter oder ihre Textgüte nicht eigens bestimmt, so –––––––––––––– 191 Vgl. P. Lehmann: Die von Sichardus benutzten Bibliotheken und HSS, 1911, S. 79, 102; K. Christ: Die HSS-Verzeichnisse des Klosters Fulda im 16. Jhd., 1933, S. 233. Abweichende Angaben finden sich bei F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 92: Schoppe habe die Kollation des Fuldensis von dem aus Fulda stammenden Ingolstädter Kommilitonen Georg Hahn geschenkt gekommen, wobei Hahn die Kollation eigenhändig in Schoppes Handexemplar eingetragen habe. 192 O. Seeck: De Symmachi epistulis, 1883, S. XXXV; O. Seeck: Art. „(18) Q. Aurelius Symmachus Eusebius“, RE, 2. Reihe, Bd. 4, 1932, Sp. 1146–1158; hier Sp. 1156; J. P. Callu: Einleitung zur Ed. Symmachus, 1972, S. 32. 193 Schop. Ars crit., 1597, fol. F4r, G7v. 194 „Usus sum et reperi non pessimae esse notae anno MDXCIII Fr. M. Br. Ariensis canonicus.“ Auch diesen Eintrag teilt Richard Förster in seiner Miszelle mit: Eine verschollene HS des Symmachus, 1875, S. 466. Vgl. dazu auch P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 116f. Frank-Rutger Hausmann hat sich bei seiner Identifizierung als „Ms N° 306 der BM de Saint-Omer“ vielleicht bei der Ziffer vertan (Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 91f. (Fn. 102)). 195 J. P. Callu: Einleitung zur Ed. Symmachus, 1972, S. 32. 196 P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 117.
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Kapitel 4: Die Texte
zeichnet er sie durch ihren Inhalt aus, weil sie im Unterschied zu den anderen beiden Handschriften als Ganze überliefert sei und darüber hinaus noch unedierte Briefe enthalte. Schoppe beschreibt diese drei Symmachus-Handschriften nach unterschiedlichen Kriterien. Er nimmt eine relative Datierung vor, indem er die Handschriften in der Reihenfolge ihres Alters präsentiert: Der codex Giphanii sei der älteste, darauf folgt der codex Fuldanus, der den dritten im Alter (aetas) übertreffe. Der codex Bertinensis sei die jüngste Handschrift. Entsprechend ihrem Alter wird auch ihre Güte (bonitas) aufeinander bezogen und in dieser Reihenfolge beschrieben: Unzweifelhaft der beste sei der Giphaniensis, und der Fuldensis sei besser als der Bertinensis. Auf der Grundlage dieser und zweier weiterer Handschriften wird Schoppe dann im Jahre 1608 seine Edition von Symmachus publizieren, eine Ausgabe, „qui, surclassant la troisième de Lectius (Saint-Gervais, 1601) et la seconde de Juret (Paris, 1604), est la meilleure de celles qui ont précédé de monumental opus d’O. Seeck.“197 Die Symmachus-Handschriften, die Schoppe hier ausführlich vorstellt, gelten heute als verloren oder sind – wie im Fall des Bertinensis – in der Identifizierung unsicher. Schoppes Kollationen dieser Handschriften und die Veröffentlichung der Lesarten in Schoppes Verisimilia, den Suspectae lectiones, in der Ars critica und später in seiner Symmachus-Ausgabe stellen das einzige Zeugnis ihrer Existenz dar. An diesem Beispiel aus der Ars critica wird deutlich, dass einzelne Handschriften und ihre Beschreibung in den Abhandlungen eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Konkrete Handschriften werden genannt und beschrieben, um die Lesart auf ihre Quelle zurückzuführen, sie zu identifizieren und für andere correctores nachprüfbar zu machen. Das gilt abgesehen von Schoppe in geringerem Maße auch für Robortello, verstärkt aber für Canter, wie aus den folgenden Aufzählungen (Abbildungen 19–21) ersichtlich wird. Dort finden sich die Handschriften, die jeweils bei Robortello, Canter und Schoppe genannt werden – aufgeführt wird jeweils der Wortlaut der Abhandlungen und die (wenn möglich) Identifizierung. Die Zusammenstellungen in den Abbildungen 19 bis 21 veranschaulichen, wie die Identifizierung von Handschriften in einer Zeit, in der es keine Kataloge und allgemein bekannte Handschriftensignaturen gab, über die Handschriftenbeschreibungen erfolgte. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Handschrift (liber, codex, exemplar, manuscriptum, membrana, chirographum) hinsichtlich ihres Alters beschrieben wird; und zwar als antiquus (auch perantiquus und antiquissimus), vetus (auch vetustissimus) und ve–––––––––––––– 197 J. P. Callu: Einleitung zur Ed. Symmachus, 1972, S. 32 (Hervorhebung bei Callu).
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
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codex Romanus (S. 15/14f.): Vergil-Kodex, wahrscheinlich Vaticanus lat. 3867, 5. Jhd., Capitalis rustica codex Romanus (S. 16/27, 16/33):198 Terenz-Kodex, wahrscheinlich der Bembinus = Vaticanus lat. 3226, 4./5. Jhd., Capitalis rustica (siehe Abbildung 18, S. 175).199 vetustissimus liber (S. 4/9f.)200: Hermogenes-Kodex, vielleicht ein Papyrus. codex (S. 2/27f.): Dio Cassius. codex (S. 2/27f.): Dionysios von Halikarnassos. manuscriptum perantiquum, qui est apud me (S. 11/5f.):201 Ps.Demetrios von Phaleron. Mediceus liber Florentiae (S. 16/3f., 16/5): Aristoteles-Kodex, vielleicht Laurentianus 31,14 oder Laurentianus 60,14, beide 15. Jhd.202 liber manuscriptus et antiquissimus (S. 5/9f.): Horaz
Abb. 19: In Robortellos Ars corrigendi erwähnte Handschriften
tustus (auch vetustior).203 Diese Altersangaben lassen sich keinen festen Zeiträumen zuordnen, oft wird aber – wie das Beispiel von Schoppes Symmachus-Handschriften zeigte – das Alter relativ zu anderen Handschriften bestimmt.204 Der Kodex wird außerdem hinsichtlich seiner Güte bewertet, –––––––––––––– 198 Beide Stellen zitiert auf S. 174. 199 Robortello nennt in diesem Zusammenhang Piero Bembo und Gabriele Faerno, die viel zur Terenz-Philologie beigetragen haben. Bembo war Besitzer der Handschrift, die er mit Hilfe von Angelo Poliziano kollationierte. Faerno wiederum verfasste eine wichtige, zu Lebzeiten allerdings unvollendet gebliebene Terenz-Ausgabe, die sein Freund Piero Vettori zu Ende brachte (zu Faerno siehe Kapitel 1.1.4.3, S. 46). Für weiterführende Literatur zum Bembinus siehe Kapitel 3.2.3 (S. 176). 200 Zitiert auf S. 231. 201 Robortello gibt an, der Besitzer dieser Handschrift zu sein, wenn er auf seinen Schüler Franciszek Mas owski hinweist und darauf, dass er ihm für dessen Übersetzung des Ps.Demetrios von 1557 diese Handschrift geliehen habe. 202 Angaben bei A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 55; und bei G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 107. Beide Handschriften sind im alten LaurenzianaKatalog erfasst, allerdings ohne Verweise auf Robortello (A. M. Bandini: Catalogus codicum Graecorum bibliothecae Laurentianae, 1768, Sp. 54f., 603f.). 203 Codex antiquus: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Rob. Ars corr., 1557, S. 6/19; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4. Liber antiquus / antiquissimus: Rob. Ars corr., 1557, S. 5/10, 6/13, 7/34, 9/11; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 22. Manuscriptum antiquissimum / perantiquum: Rob. Ars corr., 1557, S. 11/5; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r. Codex vetus / vetustissimus: Mur. Var. lect., 1580, zit. fol. D8v; Vulc. Praef., 1594, fol. E4r; Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv. Exemplar vetus: Riv. Castig., 1539, fol. E7v–E8r; Lips. Somn., 1585, fol. E4v. Liber vetus / vetustissimus: Rob. Ars corr., 1557, S. 4/9f.; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3f.; Mur. Var. lect., 1580, fol. D7v; Lips. Somn., 1585, fol. E4v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, A3v, A7r, Bv, B2r, F3r. Manuscriptum vetustissimum: Schop. Ars crit., 1597, fol. Fr. Codex vetustus: Cant. Ratio emend., 1571, S. 58. Liber vetustior: Mur. Var. lect., 1580, fol. E2r. Chirographum vetustum: Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r. 204 Ein genaueres Datierungssystem lässt sich in dieser Zeit allenfalls bei Angelo Poliziano ausmachen, wie Silvia Rizzo im Lessico filologico, 1973, S. 147–164 rekonstruiert. Einige Zeugnisse zu Datierungsbemühungen von Philologen des 16. und 17. Jahrhunderts trägt auch Paul Lehmann zusammen (Einteilung und Datierung nach Jahrhunderten, 1935, S. 122ff.).
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Kapitel 4: Die Texte Aristides: codex ab A. Arlenio cum vetere quodam collatus: wohl das Manuskript O, das Canter in der Einleitung zur Aristides-Ed. erwähnt (zitiert S. 55). manuscriptum Venetiis bibliotheca S. Antonii manuscriptum Venetiis bibliotheca SS. Ioannis et Pauli manuscriptum ex Augustanae reip. bibliotheca H. Wolfius nobis dedit: Handschrift aus der damaligen Augsburger Fuggerbibliothek.205 codex M. Sophiani, partim ab ipso correctus, partim cum veteribus collatus Heliodor: historia ex duobus antiquis codicibus emendata codex Vaticanus ex alio in Italia scripto libro G. Falkenburgius idem emendavit Synesios:206 [Hilfe in Form von HSS] I. Oporini, et I. V. Pinelli e suis bibliothecis [Hilfe in Form einer HS] H. Wolfii ex Augustana: Das ist der Codex Monacensis gr. 476, 13./14. Jhd.207
Abb. 20: In Canters Ratio emendandi (1571, S. 4) erwähnte Handschriften
wenn die Rede von einem codex bonus, melior, optimus und praeclarus (auch praeclarissimus) ist oder man auf Auszeichnungen der Fehlerfreiheit (emendatus bzw. emendatissimus), der Verlässlichkeit (fidus) und der Reinheit (purus) stößt.208 An einigen Stellen werden noch Aussagen über den Inhalt von Büchern und Handschriften getroffen. Mit den Handschriften der griechischen Schriftsteller (libri Graecorum) bzw. den griechischen Büchern (libri Graeci) wird beispielsweise angezeigt, dass es sich um Handschriften antiker griechischer Literatur bzw. in griechischer Schrift handelt.209 Namen bekommen Handschriften zudem nach Besitzern: Mit manuscriptum Camerarii, manuscriptum Langii, liber Mediceus, codex Rittershusianus, lib. Sambuci, Scheccii liber, codex M. Sophiani sowie Handschriften von I. Oporinus, et –––––––––––––– 205 Verzeichnet in O. Hartig: Gründung der Münchner Hofbibliothek, 1917, S. 245. 206 Über diese Handschriften gibt Canter auch im Vorwort seiner Synesios-Ausgabe Auskunft, siehe Kapitel 1.2.2, S. 57. 207 Vgl. den Index siglorum in Synesios: Hymnes, ed. & trad. fr. C. Lacombrade 1978, S. 35f. 208 Codex melior / optimus: Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, B6v, Ir. Exemplar melius: Frut. Verisim., 1584, fol. D5r. Liber bonus / melior / optimus: Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 6; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r, D6v; Lips. Somn., 1585, fol. E6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v, A7r. Manuscriptum optimum: Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r, A7r, K3r. Membrana optima: Schop. Ars crit., 1597, fol. A7v. Liber praeclarissimus: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/14f. Manuscriptum / scriptum praeclarum: Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r–A2v, C2v. Liber emendatus / emendatissimus: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/8, 3/17f. Liber fidus: Lips. Somn., 1585, fol. E6r. Liber purus: Rob. Ars corr., 1557, S. 3/17f. 209 Rob. Ars corr., 1557, S. 3/28; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 51.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
243
Plautus: manuscriptum Camerarii 1:210 Vetus Camerarii = Vaticanus Palatinus lat. 1615, 11. Jhd. manuscriptum Camerarii 2: Decurtatus = Palatinus lat. 1613, 12. Jhd. (siehe Abb. 8, S. 74). manuscripta Langii: drei von Langius eingesehene Handschriften.211 liber Sambuci (fol. F8r, Hv, I3v, I8v): Das ist der Vindobonensis lat. 3168, 15. Jhd.212 codex Vaticanus (fol. Gv, G7r) manuscriptum Eystadinum (fol. G4v, I5r): Handschrift aus Abtei St. Wallburg zu Eichstätt.213 Symmachus: manuscriptum vetustissimum (fol. A3r): Giphaniensis, verloren (siehe S. 237) codex Fuldanus (fol. A3r, F4r, G7v): Fuldensis, 13. Jhd., verloren (siehe S. 238) tertium codex (fol. A3r): vielleicht Bertinensis 686, 13./14. Jhd. (siehe S. 239) Juvenal: Rittershusianus codex optimus (fol. Ir) [Scheccii] suus liber (fol. Ir) Servius: schedae Fuldanae (fol. B6v (zit. S. 225), C6r): verloren214 Corpus iuris civilis: Pandectae Pisanae (fol. Hv, H2r, H6v, I6v): Florentinus, 6. Jhd., Uncialis.215
Abb. 21: In Schoppes Ars critica erwähnte Handschriften
–––––––––––––– 210 Die beiden Camerarii und die Kollation von Langius nennt Schoppe in seiner Fehlerklassifikation (fol. E8v–K3r) so oft, dass sich Stellennachweise dafür erübrigen. 211 Über Carolus Langius teilt Schoppe mit, er habe die voneinander abweichenden Lesarten aus drei Plautus-Handschriften veröffentlicht (trium manuscc. Plauti variantes lectiones nobiscum communicavit (fol. C4v)). Damit bezieht sich Schoppe auf Langius’ Lesartensammlung Variantes scripturae trium exemplarium MS. in VII comoedias Plauti, ex lib. Dn. Caroli Langii. In: Plautus: Comoediae viginti, ed. J. Sambucus 1566, S. 807–839. Vgl. dazu auch: F. Ritschl: Kleine philol. Schriften 2: Plautus, 1868, S. 13. 212 Hans Gerstinger identifizierte anhand der Aussagen des ungarischen Handschriftensammlers Johannes Sambucus in der Vorrede an Plantin zu seiner Plautus-Ausgabe der Comoediae viginti von 1566 die Handschrift, deren Lesarten Sambucus als S(ambuci) v(etus) c(odex) am Rand dieser Textausgabe verzeichnet (Sambucus’ Briefe, 1968, S. 72). 213 Auch erwähnt in F. Ritschl: Kleine philol. Schriften 2: Plautus, 1868, S. 136. 214 Zeugnis dieser Handschrift geben abgesehen von der Servius-Edition von 1600 nur noch Notizen des Petrus Daniel, die er in sein Exemplar der gedruckten Ausgabe von Georg Fabricius aus dem Jahr 1586 eingetragen hatte. Daniels Exemplar der Basler Vergil-Edition von 1586 war später im Besitz des französischen Handschriftensammlers Jacques de Bongars und ging an die Berner Stadtbibliothek (heute Signatur O 51) über. Siehe Kapitel 4.3.1. Vgl. dazu H. Hagen: Der Jurist und Philolog Peter Daniel, 1879, S. 22f.; P. Lehmann: Modius als Handschriftenforscher, 1908, S. 77; P. K. Marshall: Servius (Texts & transmission), 1983, S. 387; F.-R. Hausmann: Schoppes Jugend und Ausbildung, 1995, S. 77f. (Fn. 59). 215 Der codex Florentinus wurde noch zu Lebzeiten Justinians verfasst, dann im 11. Jahrhundert abgeschrieben und mit anderen Handschriften kollationiert, und gelangte wahrscheinlich im 12. Jahrhundert nach Pisa (deshalb auch Pisaner Pandekten). 1406 erorberte Florenz die Stadt Pisa und schaffte diese Handschrift nach Florenz, wo sie bis heute in der Laurenziana aufbewahrt wird. Die Medici gestatteten nur wenigen Gelehrten die Ansicht der einzigartigen Handschrift. Vgl. dazu: H. Fuhrmann: Zur Florentiner Digestenhandschrift, 1971, S. 277f.; H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971; S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 128.
244
Kapitel 4: Die Texte
I. V. Pinellus e suis bibliothecis sind Handschriften des deutschen Gräzisten Joachim Camerarius, des Belgiers Carolus Langius, der Medici-Familie, von Schoppes Lehrer Konrad Rittershausen, des ungarischen Handschriftensammlers Johannes Sambucus, des Tübinger Gelehrten Jacob Schekg, des Griechen Michael Sophianos aus Chios, des Basler Druckers Johannes Oporin und des Paduaner Handschriftensammlers Gian Vincenzo Pinelli gemeint.216 Auch findet sich die Benennung nach dem Aufbewahrungsort bzw. der -bibliothek: manuscriptum ex Augustanae reip. bibliotheca, manuscriptum Eystadinum, liber Florentiae, codex Fuldanus/schedae Fuldanae, Pandectae Pisanae bzw. Florentinae, codex Vaticanus, manuscriptum Venetiis, bibliotheca S. Antonii, manuscriptum Venetiis, bibliotheca SS. Ioannis et Pauli – also Handschriften aus den Bibliotheken von Augsburg, Eichstätt, Florenz, Fulda, Pisa (bzw. Florenz), aus der römischen Vatikanischen Bibliothek sowie den Bibliotheken St. Antonius und St. Johannes und Paul in Venedig.217 Canter verzeichnet schließlich mit Arnold Arlenius und dem niederländischen Juristen und Gräzisten Geraard Falckenburg (1538–1578) solche Philologen, die die Handschrift vorher mit einer anderen kollationierten oder eigene Konjekturen in die Handschrift eintrugen, womit er die Autorschaft der in den Handschriften enthaltenen Anmerkungen ausweist.218 Damit werden Handschriften also bezüglich ihrer Schrift, ihres Alters, ihrer (textuellen) Güte, ihres Inhalts und ihres Besitzers bzw. Aufbewahrungsorts beschrieben. Vereinzelt finden sich auch Bewertungen ihres (materialen) Erhaltungszustands, etwa wenn Schoppe über den Fuldensis befindet, dieser sei nicht unversehrt (non est integer). Auch Janus Gulielmus bemerkt, dass es Pergamenthandschriften gäbe mit dispersae passim & suffusae venustissimis coloribus maculae.219 4.3.5 Über Sigel und Konventionen der Handschriftenbeschreibung Der Katalog in den Abbildung 19 bis 21 zeigt, dass eine ganze Reihe von Handschriften in den Abhandlungen eine Rolle spielen und zuweilen identifiziert werden können. Das gilt vor allem für Canter und Schoppe, die ihre Textgrundlagen in den Vorworten systematisch offen legten. Sie beschreiben Handschriften und Drucke so, dass sie im darstellenden –––––––––––––– 216 Rob. Ars corr., 1557, S. 16/3f., 16/5; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. Bv, C4v, F8r, Hv, Ir, I3v, I8v. 217 Rob. Ars corr., 1557, S. 16/4; Cant. Ratio emend., 1571, S. 4f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r, B6v, F4r, Gv, G4v, G7r, G7v, Hv, H2r, H6v, I5r, I6v. 218 Cant. Ratio emend., 1571, S. 4. 219 „Flecken, die überall verstreut und mit wunderschönen Farben überzogen sind.“ Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v.
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
245
Textteil verkürzt auf die Quelle der einzelnen angeführten Lesarten verweisen können. In dieser Präsentationsweise von Handschriften werden Forschungspraktiken deutlich, die sich in dieser Zeit in der Philologie einbürgerten. So werden in notae-Sammlungen und in den Marginalien von Textausgaben Lesarten durch zwei Arten von Verweisen autorisiert, durch die Zurückführung auf eine einzelne Handschrift oder auf den Philologen, von dem der Eingriff stammt oder der die Kollation durchgeführt hat. Dafür werden Abkürzungen gebraucht und als Sigel fungieren meistens einzelne Buchstaben. Ein gutes Beispiel findet sich etwa bei Willem Canter, der in den Novae lectiones den Text eines bisher unveröffentlichten Fragments von Athenaios abdruckt und dazu vermerkt: Istud autem fragmen- | tum a M. Antonio Mureto, cum nuper ex Italia rediisset in Galliam, primum ad nos devenit, ut erat ab eo ex Vaticana bibliotheca descriptum. Deinde cum Iosepho Scaligero, iuvene doctissimo, idem communicavimus, & ab eo multorum locorum emendationes, quibus ad marginem literam S affiximus, vicissim accepimus.220
Canter erklärt zunächst die Herkunft des Textes hinsichtlich der Person, die ihm das Manuskript überlassen hat. Es handelt sich um den französischen Gelehrten Marc-Antoine Muret, den Canter – wie er in der Vorrede vermerkt – wegen seiner Gelehrsamkeit schätzt,221 und der die Handschrift in der Vaticana abgeschrieben habe. Er erwähnt außerdem, dass ihm bei der Einrichtung des schwierigen Textes der damals noch junge Joseph Justus Scaliger geholfen habe, dessen Anmerkungen er als Marginalnoten übernommen und mit dem Buchstaben S bezeichnet habe.222 Ein weiteres Beispiel für Canters Abkürzungsgepflogenheiten sind die in der Aristides-Edition von 1566 verwendeten Sigel A für die editio Aldina und O für die Kollation eines Manuskriptes von Johannes Oporin durch Arnold Arlenius (zitiert in Kapitel 1.2.2, S. 55). Die Konvention, einzelne Handschriften (und verwendete Druckausgaben) mit Abkürzungen und Sigeln zu markieren und entsprechende Lesarten verkürzt auf ihren Ursprung zurückzuführen, setzt sich auch zunehmend in Textausgaben durch. Die Abkürzungen werden neben oder –––––––––––––– 220 „Dieses Fragment aber kam zum ersten Mal durch Marc-Antoine Muret zu uns, nachdem er vor kurzem aus Italien nach Frankreich zurückgekehrt war. Es war von ihm aus [einem Exemplar in] der Vatikanischen Bibliothek abgeschrieben worden. Daraufhin teilte ich dieses [Fragment] Joseph Scaliger mit, einem überaus gelehrten jungen Mann. Und von diesem wiederum bekam ich Verbesserungen zahlreicher Stellen, die ich am Rand mit dem Buchstaben S kenntlich machte.“ W. Canter: Novae lectiones, ed. sec. 1566, S. 143f. Die gleiche Stelle – allerdings nach der ersten Auflage von 1564 – zitiert auch A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 276. 221 Ad lectorem, in: W. Canter: Novae lectiones, ed. sec. 1566, S. 9. 222 In der zweiten Auflage der Novae lectiones von 1566 finden sich Scaligers Verbesserungen vor allem auf den Seiten 161ff.
246
Kapitel 4: Die Texte
anstatt entsprechender Beschreibungen in Vorworten den Ausgaben auch in tabellarisch angeordneten Sigellisten vorangestellt. In der Ausgabe der Scholien zu Oppian von 1597 stellt etwa Schoppes Lehrer Konrad Rittershausen unter dem Titel einer Admonitio De notis hic usurpatis, atque ad finem cuiusque Scholii appositis („Belehrung über die Zeichen, die hier benutzt und am Ende jeder Scholie angefügt werden“) die Textgrundlage vor und verwendet einzelne Buchstaben, um drei Handschriften in der Edition kenntlich zu machen:223 Er nennt mit P.a. zwei Handschriften aus der Bibliotheca Palatina, der pfälzischen Bibliothek in Heidelberg (vor der Verschleppung der Bestände in den Vatikan). Rittershausen bezeichnet von diesen beiden Handschriften eine mit dem Sigel P.1., und zwar einen codex Palatinus maior, und einen zweiten codex Palatinus minor mit P.2. Die Handschrift mit dem Sigel P.1. wird heute mit P1 bezeichnet und ist der Heidelbergensis Palatinus gr. 40 (14. Jhd.). P.2. steht heute als p2 für den Vaticano-Palatinus gr. 96 (15./16. Jhd.). Außerdem benennt Rittershausen eine Handschrift mit S nach seinem Kollegen und Freund Friedrich Sylburg, der sie ihm für diese Ausgabe auslieh oder kollationierte. Heute wird diese Handschrift unter z geführt und ist der Dresdensis Da 27 (15. Jhd.).224 Die Sigel, die Rittershausen 1597 für die Handschriften gebrauchte, sind im Fall der Heidelberger Kodizes bis heute gültig geblieben. Eine Liste von Abkürzungen für die Textausgabe lieferte auch François Juret zu Beginn seiner Symmachus-Ausgabe von 1580 unter der Überschrift notarum interpretatio („Erklärung der Zeichen“): V.C. vetus codex Divi Benigni. cuius mihi copiam fecit Gulielmus Trestoudantius coenobita, vir optimus & studiosissimus. Lib. Pith. liber P. Pithoei IC. clarissimi. Lib. Scotti. editio Scotti. Argentoraci, anno M.D.X. Lib. Frob. Frobenii editio. Basileae anno M.D.XLIX. ...225
Juret legte seinem Symmachus vor allem einen vetus codex (v.c.), ein altes Manuskript aus Dijon, zugrunde, von dem ihm ein Mönch (ein gewisser Gulielmus Trestoudantius) eine Abschrift anfertigte. Außerdem wird hier ein Manuskript aus der Büchersammlung des französischen Juristen Pierre Pithou (1539–1596) angeführt (Lib. Pith.) sowie zwei gedruckte Ausgaben, eine aus der Straßburger Druckerei Schott von 1510 (Lib. Scotti), sowie jene in der Basler Froben-Offizin von 1549 (lib. Frob.). In der notaeSammlung zu Velleius Paterculus vermerkte auch der Tübinger Humanist Jacob Schegk am Ende des Bandes, er habe (gedruckte) Ausgaben benutzt (usus sum editionibus) und nannte sie mit den abgekürzten Namen ihrer –––––––––––––– 223 K. Rittershausen: Vorrede, in: Scholia in Oppiani Halieutica, ed. K. Rittershausen 1597, S. 7. 224 Vgl. zu den Handschriften F. Fajen: Überlieferungsgeschichte der Halieutika des Oppian, 1969, S. 11, S. 17. 225 Symmachus: Epistolae, ed. F. Juret 1580, fol. Ї iiv (Hervorhebungen von Juret).
4.3 Relevantes Wissen über Bücher und Handschriften
247
Editoren bzw. Drucker.226 Die Beispiele von Rittershausen, Juret und Schegk zeigen, wie sich Ende des 16. Jahrhunderts Abkürzungen durchzusetzen begannen. Die Herausgeber statten ihre Editionen und notaeSammlungen mit Abkürzungsverzeichnissen aus, in denen sie die verwendeten Handschriften und gedruckte Ausgaben auflisteten, Abkürzungen und Sigel einführten und im Textabdruck dann entsprechende Stellen mit abgekürzten Quellenangaben markierten. Beschreibungen von Handschriften sind für die Textkritik relevant, weil die Identität der Quelle von Lesarten die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der correctores und deren Arbeit garantiert. Mit abgekürzten Verweisen und der Verwendung von Sigeln werden diese Zuordnungen präziser und effektiver organisiert. In den Beschreibungen des textuellen Materials, das in Editionen und notae-Sammlungen verwendet wird, stecken viele Wissensbestände, die die correctores verstehen müssen. So betont vor allem Robortello die Unabdingbarkeit der Kompetenz von Philologen und der dazugehörigen Kenntnisse (siehe Kapitel 3.3.2). Im Zusammenhang mit Handschriften spielt bei ihm außerdem die fides eine wichtige Rolle. Darunter versteht Robortello richtiges Methodenverhalten, insbesondere den kompetenten Umgang mit Handschriften und die Exposition von entsprechendem Wissen wie zum Beispiel die Beschreibung der Schrift (siehe Kapitel 3.3.3). Auch Schoppe lobt correctores, die es vermögen, de libris scriptis veteribus iudicare, & aetatem eorum ac fidem aestimare.227 In diesem Sinne lobt Marc-Antoine Muret auch das eigene methodische Handeln: Soleo libenter veteres libros, quicumque in manus meas incidunt, evolvere: cuicuimodi tamdem illi sint, & quocumque literarum charactere exarati.228
Muret hebt hier die eigene Kompetenz hervor, Handschriften nach ihrer Beschaffenheit und ihrer Schrift zu beurteilen. Paläographisches und kodikologisches Wissen wird exponiert, um die Beherrschung wissenschaftlicher Standards, die eigene Verlässlichkeit und damit die eigene Kompetenz zu markieren. Die Rolle des textkritischen Fachwissens veranschaulicht die Unterschiede der Abhandlungen: Robortello bietet eine eher theoretische Reflexion der textkritischen Methode und präsentiert historische Exkurse und paläographisches Wissen. Canter und Schoppe wiederum bemühen sich darum, die Verlässlichkeit der exponierten Lesarten mit genauen Erklä–––––––––––––– 226 J. Schegk: Notae in Velleium, 1593, S. 93. 227 „... über alte Handschriften zu urteilen und ihr Alter und Verlässlichkeit zu schätzen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v, zitiert S. 189. 228 „Ich pflege alle alten Handschriften, die mir in die Hände fallen, mit Vergnügen gründlich danach zu untersuchen, wie sie beschaffen sind und in welcher Schrift sie geschrieben sind.“ Mur. Var. lect., 1580, fol. D7v.
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Kapitel 4: Die Texte
rungen ihrer Textgrundlagen zu garantieren. Damit wenden sie dieses Wissen direkt an und stehen deshalb dem praktischen philologischen Fachschrifttum näher – man bedenke die oben aufgewiesene enge Verwandtschaft mit der Gattung der notae-Sammlungen (siehe Kapitel 2.3.3). Paläographische und kodikologische Kenntnisse werden bei der Beschreibung von Handschriften in der frühen Neuzeit uneinheitlich und unterschiedlich präzise exponiert. So gibt es auf der einen Seite schon früh Zeugnisse von systematischen Handschriften-Beschreibungen einzelner Gelehrter. Legendär ist Ambrogio Traversaris (1386–1439) Beschreibung des Laurentianus 32,9, der berühmten Aischylos- und Sophokles-Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, oder auch Polizianos Handschriftenmethode.229 Solche verhältnismäßig genauen und methodisch geleiteten Beschreibungen müssen angesichts häufigerer stümperhafter oder ganz fehlender Handschriftenbeschreibungen auf der anderen Seite weitgehend als Zeugnisse individueller Begabung einzelner außergewöhnlicher Gelehrtenpersönlichkeiten bewertet werden. Im 16. Jahrhundert änderte sich die Situation insofern, als zunächst die meisten lateinischen und Mitte des Jahrhunderts auch die meisten griechischen klassischen Texte in gedruckten und erreichbaren Ausgaben vorlagen. Damit stand einerseits eine kritische Masse von edierten Texten antiker Literatur zur Verfügung und andererseits die dazugehörige Forschung in Form von notae-Sammlungen und Kommentaren. Auf diese Weise wurden in einer Zeit, als frühneuzeitliche Gelehrte ohne Kataloge und andere bibliographische Hilfsmittel auskommen mussten, zumindest relative Handschriftenbeschreibungen – etwa des Alters – möglich und üblich. Nur vor diesem Hintergrund können sich gelehrte Konventionen wie Sigelverzeichnisse und Handschriften- und Druckbeschreibung allmählich etablieren. Diese beginnenden Standardisierungen in der Philologie des 16. Jahrhunderts spiegeln sich bei Robortello, Canter und Schoppe wider, wenn sie ihre Textgrundlage beschreiben und entsprechende paläographische und kodikologische Kenntnisse postulieren.
–––––––––––––– 229 Zu Traversaris Beschreibung des Laurentianus 32,9 vgl. P. Schreiner: Aurispa in Konstantinopel, 1994, S. 630f. (hier auch Abdruck des entsprechenden Abschnittes des Briefes); G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 101f. Zu Polizianos Methode vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 147–164.
Kapitel 5: Loci corrupti, ihre Ursachen und die emendatio: Methoden der Textkritik cottidieque video multa in literis fieri capitalia, compilari subdole aliena, confingi ad libidinem, quae cui commodum, ascribi etiam idoneis, quae nec agnoscant, allegari qui non extent autore[s], citari quinetiam pro vetustis, nullibi comparentes codices, compleri libros omneis operosissimis vanitatibus, falsa pro veris, ascita pro nativis, novitia pro vernaculis supponi, pollui, adulterari, oblini, incrustari, distorqueri, confundi, praecipitari, interverti omnia...1
Angelo Poliziano ist angesichts der Missstände in der Philologie dermaßen aufgebracht, dass er im Vorwort zu den Miscellanea dem Widmungsadressaten und intimen Freund Lorenzo de’ Medici seinen Verdruss mitteilt. Als Renaissancemensch leidet er schwer an der fortschreitenden Zerstörung antiken Kulturguts, an durch zügelloses und unmethodisches Gebaren verschuldeten Interpolationen und Fälschungen, an den vielen unterschiedlichen Fehlern und Arten von Korruptionen, denen er in Handschriften und gedruckten Ausgaben begegnet. Die Verbesserungslehren von Robortello, Canter und Schoppe gehen dieses Problem damit an, dass sie die Fehler analysieren, den Philologen klare Anweisungen an die Hand geben und nachprüfbare Kriterien für gute und schlechte Eingriffe entwickeln. Und die Methoden und Verfahren von Textverbesserung lassen sich in einem Dreischritt vorstellen: Im Mittelpunkt aller drei Abhandlungen stehen Typologien, in denen Überlieferungsfehler und Texteingriffe beschrieben und systematisch geordnet werden (Kapitel 5.1). Mit diesen Typologien sind zahlreiche Erklärungen verflochten, die Robortello, Canter und Schoppe für die Entstehung von Textkorruption heranziehen (Kapitel 5.2). Darüber hinaus werden konkrete Verfahren diskutiert, die bei der Textverbesserung anzuwenden sind (Kapitel 5.3). –––––––––––––– 1
„Und ich sehe es noch heute, dass viel Verderbliches in der Gelehrsamkeit geschieht, dass heimtückisch Fremdes zusammengerafft wird, dass ganz nach Belieben frei erfunden wird, was jemandem gerade passt, dass den Guten [i. e. den antiken Autoren] auch etwas hinzugeschrieben wird, was sie nicht einmal kennen, dass Schriftsteller angeführt werden, die es nicht gibt, dass sogar alte Handschriften zitiert werden, die nirgends vorhanden sind, dass alle Bücher mit überaus prahlerischen Lügen vervollständigt wurden, dass Falsches für das Wahre, Fremdes für das Ursprüngliche, Neues für das Alteingesessene gesetzt wird, dass alles verdreckt, verfälscht, beschmiert, verkrustet, verdreht, entstellt, zugrunde gerichtet, unterdrückt wird...“ A. Poliziano: Epistola dedicatoria, in: Miscellanea centuria prima, 1489 (ed. 1553), S. 215. Vgl. auch M. P. Gilmore: ‚Studia humanitatis‘ in 15th c. Florence, 1979, S. 31.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
5.1 Beschreibung von Fehlern Als allgemeine Bezeichnungen für Fehler sind neben locus corruptus oder depravatus2 auch erratum, error oder menda bzw. mendum gebräuchlich3 sowie entsprechende Ausdrücke für die Handlung des Fehlermachens, die sich an allgemeinen Begriffen orientieren, also errare (eigentlich „sich irren“), peccare (eigentlich „sündigen“) und labi (eigentlich „straucheln“).4 Daneben finden sich bildliche Ausdrücke wie portentum, peccatum, vitium und convitium, malum und macula.5 Außerdem bedient man sich medizinischer Metaphern, etwa wenn Fehler verborgene Geschwülste (latentia hulcera) genannt werden, die von den medici getilgt werden müssen (siehe auch Kapitel 1.1.3).6 Neben solchen allgemeinen Erwähnungen von Fehlern zeichnen sich die Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe bei allen bisher besprochenen Unterschieden dadurch aus, dass jede eine Klassifizierung von Texteingriffen darbietet, die als Kernstück der methodischen Anlage angesehen wird. Dabei folgt jede Klassifizierung einem bestimmten Prinzip der Anordnung (ordo). In diesem ersten Abschnitt des Kapitels 5 geht es darum, diese Typologien von Fehlern und Verbesserungen vorzustellen (Kapitel 5.1.1) und mit den Traditionen solcher Klassifikationen zu kontextualisieren (Kapitel 5.1.2). Vor diesem historischen Hintergrund sollen die Typologien von Robortello, Canter und Schoppe dann miteinander verglichen (Kapitel 5.1.3) und abschließend nach ihrem methodischen Gehalt befragt werden (Kapitel 5.1.4). –––––––––––––– 2
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Rob. Ars corr., 1557, S. 2/32, 7/32, 8/6, 8/9f., 8/12f., 8/20, 12/5f., 13/16ff.; Cant. Ratio emend., 1571, S. 63; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r–D8v, Er; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5v; Casaub. Animad., 1596, fol. E3r; Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r. Erratum: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/16, 7/20; Cant. Ratio emend., 1571, S. 28, 61; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8r, D8v; Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v, Hv. Error: Rob. Ars corr., 1557, S. 13/18, 13/20; Cant. Ratio emend., 1571, S. 58; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev; Schop. Ars crit., 1597, fol. Hv. Mendum bzw. menda: Riv. Castig., 1539, fol. E8r; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 11, 30, 51, 55, 63; Mur. Var. lect., 1580, fol. D8v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v, A8r, A8v, Br, B8v, Cv, H3v. Errare: Rob. Ars corr., 1557, S. 5/16, 12/28, 13/24; Cant. Ratio emend., 1571, S. 60, 61; Schop. Ars crit., 1597, fol. G2r, I7r. Peccare: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/15, 7/23, 12/15; Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev; Lips. Somn., 1585, fol. E5r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r, Fr. Labi: Rob. Ars corr., 1557, S. 5/17, 7/3, 7/4, 10/12; Schop. Ars crit., 1597, fol. G7v. Portentum (Missgeburt): Schop. Ars crit., 1597, fol. B2r. Peccatum (Sünde): Gulielm. Verisim., 1582, fol. D6v; Schop. Ars crit., 1597, fol. H3r, H6r, Kv. Vitium (Laster): Lips. Somn., 1585, fol. E5r, E6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. Hr, H3r, H6r, Kv. Convitium (Laster): ebenda, fol. Br, Bv, D3v. Malum (Übel): Mur. Var. lect., 1580, fol. Er. Macula (Fleck): Rob. Ars corr., 1557, S. 6/8, 15/24; Mur. Var. lect., 1580, fol. Er; Gulielm. Verisim., 1582, fol. D6v. Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev.
5.1 Beschreibung von Fehlern
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5.1.1 Die Typologien von Robortello, Canter und Schoppe Für den Fall, dass eine Verbesserung mittels Handschriftenvergleich nicht möglich ist, sieht Francesco Robortello die Konjektur vor. Da Konjekturen sehr verschieden sein können, gibt er dem Leser eine Typologie an die Hand, deren Prinzip er folgendermaßen erläutert: Quod si emendationes rectae non sint in antiquis libris, et ex coniectura fiant, octo modis fieri necesse est: ADDITIONE, ABLATIONE, TRAN- | SPOSITIONE, EXTENSIONE, CONTRACTIONE, DISTINCTIONE, COPULATIONE, MUTATIONE. Si mutatione (qui ultimus est modus) fit, ea vel accentus, vel puncti, vel literarum, vel dictionum, ut sit necesse est. Si literarum, vel unius, vel plurium; si dictionum, vel unius, vel plurium.7
Verbesserungen auf der Grundlage von Vermutung (emendationes ex coniectura) sollen auf folgende acht Arten (modi) durchgeführt werden: mittels Zusatz (additio), Tilgung (ablatio), Umstellung (transpositio), Erweiterung (extensio), Verkürzung (contractio), Trennung (distinctio), Zusammenfügung (copulatio) und Veränderung (mutatio). Dann kommen die sprachlichen Elemente zur Sprache, auf die sich die Konjekturen beziehen: Akzente, Satzzeichen, Buchstaben und Wörter. Bei Buchstaben und Wörtern können jeweils auch mehrere betroffen sein. Dann fährt Robortello fort: Nunc singulis modis sua apponemus exempla, ut res ita intelligi possit.8
Den eigentlichen Hauptteil der Ars corrigendi bildet die hier angekündigte Darstellung von Beispielen für die modi von Konjekturen. Im Einzelnen nennt er dabei meistens zunächst den modus und das betroffene sprachliche Element. Anschließend führt er das Gelingen oder Misslingen der Konjektur auf ihre jeweilige Ursache zurück. Als Beispiele dienen ihm vorwiegend aktuelle Verbesserungversuche. Diese ausführliche Diskussion einzelner Lesarten ist allerdings nicht allein einer didaktischen Exposition der Typologie geschuldet. Vielmehr nutzt Robortello die Ausführung der Beispiele auch für seine Polemik und als Stellungnahme in den Kontroversen (siehe Kapitel 1.1.4 und 3.2.3).
–––––––––––––– 7
8
„Wenn die Verbesserungen in den alten Handschriften nicht richtig sind und sie [jetzt] aufgrund von Vermutung erfolgen, müssen sie auf acht Arten erfolgen: durch Zusatz, Tilgung, Umstellung, Erweiterung, Verkürzung, Trennung, Zusammenfügung und Veränderung. Wenn [die Verbesserung] durch die Veränderung – das letzte Verfahren – erfolgt, dann ist es notwendigerweise die eines Akzents, einer Interpunktion, von Buchstaben oder von Wörtern. Wenn [die Verbesserung durch die Veränderung] von Buchstaben [erfolgt], dann von einem oder von mehreren, wenn von Wörtern, dann von einem oder von mehreren.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 7/34–8/4, Hervorhebungen in ed. 1975. „Nun stelle ich zu jeder einzelnen Art ihre Beispiele dazu, damit man so die Sache verstehen kann.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/5.
252
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Willem Canter ordnet seine Sammlung von Lesarten nach vorkommenden Fehlern an. In der Zusammenfassung am Ende der Ratio emendandi bemerkt er zu seiner Methode: Haec igitur qui diligenter attenderit, et a nobis proposita memoria tenuerit exempla, ac iudicio praeditus aliquo fuerit, is magnam se facultatem scriptores Graecos castigandi, id quod nobis tradere propositum fuit, nactum iure gloriabitur.9
Correctores mit iudicium sind Canter zufolge in der Lage, antike Literatur zu verbessern, wenn sie sich die Beispiele gut merken, die er in der Ratio emendandi vorstellt. Canter ordnet die Lesarten – ebenso wie die einzelnen Kapitel – entlang der sprachlichen Elemente an, die jeweils verändert worden sind. Den zugrunde liegenden Gedanken erläutert Canter folgendermaßen: Etenim cum tribus in rebus fere tota haec ratio consistat: in litteris, in syllabis, in verbis; cum quis occurret locus corruptior, videndum erit primum, num ex litteris aliqua sit e vera corrupta, num aliqua desit, aut supervacua ponatur, num duae vel tres inter se locum iniuste mutarint. Deinde dispiciendum veniet, an syllaba sit aliqua corrupta, an desit aliqua, vel vacet, sive id in principio, sive in medio vocabuli contingat, sive in fine. Postremo verba considerabuntur, utrum tota corrupta sint, vel in similia, vel in dissimilia: an per partes, in | principio videlicet, aut fine: utrum addenda sint, an tollenda: utrum coniungenda sint perperam disiuncta, an perperam coniuncta disiungenda: utrum denique locum debeant mutare, an aliis insigniri notis.10
Hieraus kann man gut die beiden Prinzipien von Canters Zusammenstellung erkennen: Zum einen folgen die Kapitel den sprachlichen Elementen Buchstabe, Silbe und Wort – andernorts diskutiert er noch Akzente und Abkürzungen. Zum anderen wird die Ratio emendandi durch die modi der Fehlerentstehung strukturiert: Daraus entstehen fehlerhafte sprachliche Elemente, etwa der verdorbene Buchstabe (littera corrupta), derjenige, der –––––––––––––– 9
10
„Wer also sorgfältig aufpasst, die von mir vorgeschlagenen Beispiele in Erinnerung behält und mit etwas Urteilskraft ausgestattet ist, wird sich zu Recht rühmen, die große Fähigkeit erlangt zu haben, die griechischen Schriftsteller zu verbessern – was ich zeigen wollte.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 64. „Denn in der Tat besteht diese ganze Methode in der Regel aus drei Elementen: aus Buchstaben, Silben und Wörtern. Wenn daher eine ziemlich verderbte Stelle aufkommt, dann muss zunächst ermittelt werden, ob unter den Buchstaben einer verderbt ist, ob einer fehlt oder überflüssig hinzugefügt wurde, und ob zwei oder drei [Buchstaben] fälschlich die Plätze getauscht haben. Dazu muss geprüft werden, ob eine Silbe verderbt ist oder eine fehlt bzw. frei ist, sei es am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Wortes. Schließlich werden die Wörter betrachtet, ob sie nun als Ganze verderbt sind – und dabei Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten aufweisen – oder nur in Teilen, beispielsweise am Anfang oder am Ende, ob welche hinzugefügt oder aber gelöscht werden müssen, ob fälschlich getrennte verbunden oder aber fälschlich verbundene getrennt werden müssen und ob man schließlich die Stelle ändern oder mit anderen Zeichen versehen muss.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 63f.
5.1 Beschreibung von Fehlern
253
fehlt (deesse) oder überflüssig (supervacua) ist, der fälschlich verbundene (perperam disiuncta), fälschlich getrennte (perperam coniuncta) und unrichtig verstellte (iniuste mutata). Canter listet seine Beispiele systematisch und – im Unterschied zu Robortello – ohne oder nur mit kurzen Erläuterungen auf. In den ersten beiden Kapiteln ordnet er die Buchstaben nach dem Alphabet an und im dritten Kapitel nach Fehlern am Anfang, in der Mitte oder am Ende (in initio, in medio, in fine) eines Wortes. Die Fehlertypologie bildet schließlich auch bei Schoppe den wichtigsten Teil der Ars critica. Das erste, was auffällt, ist die Ähnlichkeit zu Canters Konzept. Doch weder in der Widmungsepistel noch in der praefatio – wo er sein Vorgehen und die Anlage der Ars critica erklärt – fällt der Name Canter. Nur im Abschnitt über die zeitgenössischen Philologen, einem methodologisch irrelevanten Teil der Ars critica, kommt Schoppe auf Canter zu sprechen: Gulielmii Canteri Novae lectiones exstant, Syntagma exstat corrigendi scriptores Graecos, quod magno heic mihi fuit usui.11
Dass Canters Methodenlehre Schoppe nützlich gewesen sei, wie er hier schreibt, nimmt sich angesichts der engen Verwandtschaft der Konzepte jedoch wie eine Untertreibung aus – vielmehr kann man Schoppe getrost als eine Imitation von Canters Konzept deuten. Schoppe überträgt ganz offensichtlich Canters Typologie von Fehlern aus griechischen Texten auf Beispiele aus der lateinischen Literatur, ohne sie grundlegend zu verändern. Seine Typologie bedient sich der gleichen sprachlichen Elemente und der Binnenaufbau der Beispiele folgt Canters modi. Ebenfalls auf Canter geht Schoppes Ordnungsprinzip zurück, nach dem er die Fehler zum einen alphabetisch, zum anderen nach dem Ort der Korruption innerhalb der sprachlichen Elementen anordnet (am Anfang, in der Mitte, am Ende). In der praefatio formuliert Schoppe den Grundsatz seiner Klassifikation: quod quam utile sit & necessarium ei qui locum aliquem corrigere meditatur, videre; non est ut pluribus verbis obtinere coner. Siquidem, ut ambages mittam atque Hoc agam, Emendare nihil est aliud, quam quo quidque modo depravatum fuerit indicare.12
Fehlerverbesserung besteht bei Schoppe in der Anzeige der Fehlerursache (Emendare nihil est aliud, quam quo quidque modo depravatum fuerit indicare). –––––––––––––– 11 12
„Es gibt noch die Novae lectiones des Willem Canter. Es gibt [auch] sein Syntagma corrigendi scriptores Graecos, das mir hier von großem Nutzen war.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. C2r. „Dies [dass die Schreiber Fehler machten; KV] zu sehen ist für denjenigen so nützlich und notwendig, der sich darauf vorbereitet, eine Stelle zu verbessern. Ich bemühe mich nicht, mehr Worte zu finden. Ohne Umschweife meine ich ja Folgendes: Verbessern ist nichts Anderes als anzuzeigen, auf welche Weise etwas verdorben wurde.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A8v–Br (Hervorhebung in ed. 1597).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Doch nicht jeder Philologe legt eine eigene Beobachtung von Fehlern (observatio mendarum) an.13 Deswegen übernimmt Schoppes Verbesserungslehre die Aufgabe, dem Leser eine Typologie von Fehlern an die Hand zu geben, und zwar, wie er zu Anfang der Ars critica hervorhebt, eine, die die Sache in einer mühelosen Anordnung (non laboriosus ordo) darbietet: nihil enim in illo aliud a me praestitum fateor, quam quod complusculas, easque saepe nimiumquantum portentosas lectiones Plauti & Symmachi ..., ordine, meo ipsius iudicio, non laborioso digessi.14
Seiner Fehlertypologie setzt Schoppe einen typus omnem emendandi ex ingenio rationem exhibens voran, eine graphische Übersicht, die die ganze Methode des Verbesserns mittels ingenium zeigt (Abbildung 22). In diesem typus kommen alle wesentlichen Bestandteile der Klassifikation vor und veranschaulichen in dieser Anordnung die Prinzipien von Schoppes Typologie: Zum einen gibt es die sprachlichen Elemente litterae, syllabae und verba, zum anderen die Fehlermodi, die beispielsweise die syllaba corrupta, omissa, supervacanea (bzw. supervacua) oder transposita erzeugen. Bei den Wörtern finden sich zwei zusätzliche Fehlermodi, die verba coniungenda und disiungenda. Eine Besonderheit von Schoppes Typologie ist im Vergleich zu Robortellos und Canters Konzepten die Unterscheidung nach Fehlern, die von den Vorlesenden (dictantes) und Schreibenden (scribentes) verursacht werden. Im typus werden alle wesentlichen Bestandteile synoptisch dargestellt. Er dient so als eine Art Inhaltsverzeichnis, als ein graphischer Wegweiser durch die folgenden Erörterungen. Schoppe war in seiner synoptischen Darstellung von typischen Ordnungsvorstellungen seiner Zeit beeinflusst. Auch wenn solche Baumdiagramme schon früher vorkamen, sollten sie mit der Ausbreitung der Gedanken von Petrus Ramus zu einer beliebten Darstellungsform im 16. und 17. Jahrhundert werden.15 –––––––––––––– 13 14
15
Schop. Ars crit., 1597, fol. Br. „Denn dabei gestehe ich, nichts Anderes geleistet zu haben, als eine nicht zu kleine Anzahl an oft außerordentlich wunderlichen Lesarten des Plautus und des Symmachus ... in eine mühelose Ordnung nach meinem eigenen Urteil einzuteilen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A2r. Man weiß, dass Schoppe spätestens 1598 die streng ramistische Methodus von Theodor Zwinger gelesen hatte, weil er sie in einem Brief aus diesem Jahr erwähnte (W. Neuber: Paedia prudentiae, 1998, S. 401). Außerdem hatte einer von Schoppes mutmaßlichen Lehrern – nämlich der zur Studienzeit Schoppes in Heidelberg die Rechtswissenschaften lehrende Julius Pacius – 1588 in Lyon eine Synopsis iuris civilis veröffentlicht, in der er die Digesten in synoptischen Tabellen darstellte. Damit folgte Pacius dieser auch in der humanistischen Jurisprudenz vertretenen Darstellungsform (vgl. H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 178f.). Allgemein zum Ramismus und der Verwendung von synoptischen Tabellen vgl.: K. J. Höltgen: Synoptische Tabellen und die Logik Agricolas und Ramus’, 1965; C. Gilly: Zwinger zwischen Erfahrung und Spekulation, 1979, S. 146ff.; W. Schmidt-Biggemann: Topica universalis, 1983, S. 39–66; W. Neuber: Paedia prudentiae, 1998, S. 400f.; U. Friedrich: Ordo in Enzyklopädien des 16. Jhds., 2002, S. 395ff. Vgl. auch die Reproduktion zweier Tabellen von Zwinger bei H. Zedelmaier: Bibliotheca universalis & bibliotheca selecta, 1992, S. 231f.
5.1 Beschreibung von Fehlern
Abb. 22: Typus (Schop. Ars crit., fol. E8v).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Mit synoptischen Tabellen eng verbunden sind pädagogische und mnemotechnische Zielsetzungen: Sie ermöglichen es dem Betrachter, die einzelnen Bestandteile auf einen Blick zu erfassen, und erleichtern es ihm auf diese Weise, die Materie zu erlernen. Schoppes typus spiegelt eindrücklich die didaktische Zielsetzung wider, die er mit seiner Ars critica verfolgt. 5.1.2 Die Tradition von Fehlertypologien Alle drei vorgestellten Typologien von Texteingriffen sind entlang zweier Gesichtspunkte aufgebaut: im Hinblick auf sprachliche Elemente und auf die Ursachen ihrer Veränderung. Auffällig sind dabei die vielen Übereinstimmungen. Es liegt deswegen nah, nach Modellen für solche modi zu fragen. Entsprechend verweist Edward John Kenney in seinem Buch über Editionstechniken und -theorien (The Classical Text, 1974) auf eine vorgängige Tradition dieser modi, die hier ausgehend von seinen Verweisen ausführlicher rekonstruiert werden soll.16 Die Durchsicht entsprechender antiker und mittelalterlicher Quellen fördert nämlich zutage, dass solche Typologien ihre Wurzeln in der ars grammatica (Kapitel 5.1.2.1) und in der Bibelkritik (Kapitel 5.1.2.2) haben sowie bereits als rhetorische Figur in der frühen Neuzeit gängig waren (Kapitel 5.1.2.3). 5.1.2.1 Die barbarismi in der ars grammatica Im Zusammenhang mit Sprach- und Redefehlern (barbarismi) werden in antiken Grammatiken verschiedene Fehlertypen klassifiziert. So spricht etwa Quintilian über vier Arten von häufigen barbarismi im Lateinischen: interim vitium, quod fit in singulis verbis, sit barbarismus. ... aut quis hoc nescit, alios barbarismos scribendo fieri, alios loquendo ...? illud prius adiectione detractione inmutatione transmutatione, hoc secundum divisione complexione adspiratione sono contineri?17
Hier werden zwei Fehlerklassen unterschieden: Beim Schreiben geschehen Fehler durch Zusatz (adiectio), Auslassung (dectractio), Veränderung (inmutatio) und Verstellung (transmutatio), und beim Sprechen gehen sie auf die falsche Trennung (divisio) bzw. Verbindung (complexio) von Silben und Wör–––––––––––––– 16 17
Hinweise auf manche der im Folgenden aufgeführten Stellen geben E. Pöhlmann: Überlieferung und Textkritik 1: Antike, 1994 und G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003. „Einstweilen gelte ein Fehler, der in einzelnen Wörtern auftritt, als Barbarismus. ... Jeder weiß doch, dass Barbarismen teils beim Schreiben, teils beim Sprechen auftreten ...! Und jene [Fehler biem Schreiben] entstehen durch Zusatz, Auslassung, Veränderung und Verstellung, dieser [Fehler beim Sprechen] durch [falsche] Trennung, Verbindung, Aspiration und Betonung.“ Quintilian: Institutio oratoria 1,5,6 (ed. & dt. Übers. H. Rahn 1972, S. 60–63).
5.1 Beschreibung von Fehlern
257
tern sowie auf verkehrte Aussprache des Hauchzeichens (aspiratio) und auf schlechte Betonung (sonus) zurück. Solche Fehlermodi finden sich im vierten Jahrhundert bei Flavius Sosipater Charisius wieder: barbarismus est dictio vel pronuntiatione vel scriptura aliqua sui parte vitiosa. barbarismus fit modis quattuor, adiectione detractione inmutatione transmutatione: adiectione, cum una pluresve litterae iniciuntur non necessariae, ... detractione, cum littera litteraeve inconvenienter detrahuntur, | ... inmutatione ... transmutatione...18
Damit nennt Charisius in der Ars grammatica die gleichen vier Arten von barbarismi wie Quintilian (adiectio, detractio, immutatio, transmutatio) und führt dazu anschließend zahlreiche Beispiele (hier ausgelassen) aus. Ein ähnlicher Wortlaut findet sich in der etwa gleichzeitig erschienenen Grammatik des Aelius Donat im ersten Abschnitt der Ars maior III (viertes Buch der Ars grammatica), das mit de barbarismo überschrieben ist (siehe Abbildung 23, S. 258): Barbarismus est una pars orationis vitiosa in communi sermone. ... Barbarismus fit duobus modis, pronuntiatione et scripto. His bipertitis quattuor species subponuntur, adiectio, detractio, inmutatio, transmutatio, litterae syllabae temporis toni adspirationis. Per adiectionem litterae fiunt barbarismi, sicut relliquias Danaum, cum reliquias per unum l dicere debeamus; syllabae, ut nos abiisse rati pro abisse; temporis, ut Italiam fato profugus, cum Italiam correpta prima littera dicere debeamus. Per dectractionem litterae, sicut infantibu parvis pro infantibus; syllabae, ut salmentum pro salsamentum; temporis, ut unius ob noxam pro un us;| Per inmutationem litterae, sicut olli pro illi; syllabae, ut permities pro pernicies ...19
–––––––––––––– 18
19
„Ein Barbarismus ist ein Wort, das beim Sprechen oder beim Schreiben in einem seiner Teile verderbt wurde. Der Barbarismus entsteht auf vier Arten, durch Zusatz, Auslassung, Veränderung und Verstellung. Durch den Zusatz, indem ein oder mehrere überflüssige Buchstaben eingefügt werden, ... durch die Auslassung, indem ein oder mehrere Buchstaben auf unpassende Weise ausgelassen werden, durch die Veränderung ..., durch die Verstellung ...“ Charisius: Ars grammatica 4,1, ed. C. Barwick & F. Kühnert 1964, S. 350/25– 351/4. Vgl. dazu: G. Silagi: Art. „Charisius“, LMA 2, 1983, Sp. 1719. „Der Barbarismus ist ein verderbter Teil der Rede in der gewöhnlichen Rede. Der Barbarismus entsteht auf zwei Weisen, durch die Aussprache und beim Schreiben. Beiden Fällen werden jeweils vier Arten unterstellt, nämlich der Zusatz, das Weglassen, die Veränderung und die Vertauschung eines Buchstabens, einer Silbe, der Länge, des Akzents oder des Hauchzeichens. Barbarismen entstehen durch den Zusatz eines Buchstabens (wie relliquias Danaum, obwohl wir reliquias nur mit einem l sprechen müssen), einer Silbe (wie nos abiisse rati statt abisse), der Länge (wie Italiam fato profugus, obwohl wir Italiam mit verkürztem ersten Buchstaben aussprechen müssen). [Barbarismen entstehen] durch das Weglassen eines Buchstabens (wie infantibu parvis statt infantibus), einer Silbe (wie salmentum statt salsamentum) oder der Länge (wie unius ob noxam statt unĩus). [Barbarismen entstehen] durch die Veränderung eines Buchstabens (wie olli statt illi), ...“ Donat: Ars grammatica, Ars maior III,1 (ed. L. Holtz 1981, S. 653f., Kursivsetzungen in ed. Holtz). Zum barbarismus bei Donat vgl. L. Holtz: Donat: études et édition critique, 1981, S. 71f., 144f. Vgl. auch: C. Jeudy: Art. „Donatus, Aelius“, LMA 3, 1986, Sp. 1238ff.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Abb. 23: Donat über barbarismi in der glossierten Handschrift Dom. 203, 13. Jhd., fol. 81r.
5.1 Beschreibung von Fehlern
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Der Abschnitt über die barbarismi bleibt auch in der Folgezeit Bestandteil der lateinischen Grammatiken. Aus der Zeit des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter – dem späten fünften oder frühen sechsten Jahrhundert – stammt beispielsweise der Donat-Kommentar des nordafrikanischen Grammatikers Pompeius. Er wendet sich in seinem Commentum auch der barbarismus-Lehre zu und hält sich dabei in der Sache nah an den Text seiner (Donat-)Vorlage und bestimmt wiederum die Entstehung von Fehlern durch quattuor modis, adiectione detractione inmutatione transmutatione.20 Wieder ein Jahrhundert später finden wir dies in den Etymologiae des Isidor von Sevilla wieder, die das antike Wissen ins Mittelalter und in die Neuzeit tradierten. Im ersten Buch der Enzyklopädie widmet sich Isidor der Grammatik. Dort spricht er über den barbarismus, diskutiert die Bedeutung und definiert schließlich: Barbarismus autem fit scripto et pronuntiatione. Scripto quattuor modis: si quis in verbo litteram vel syllabam adiciat, mutet, transmutet, vel minuat. Pronuntiatione autem fit in temporibus, tonis, aspirationibus et reliquis quae sequuntur.21
Bei Quintilian, Charisius und Donat sowie in der Nachfolge bei Pompeius und Isidor von Sevilla ist die Rede von Fehlern in der Sprache, von Abweichungen von Sprachnormen. Grundsätzlich werden barbarismi unterschieden, die beim Sprechen (pronuntiatione) oder beim Schreiben (scripto) geschehen. Diese beiden Ursachen bekommen verschiedene Elemente zugeordnet: Barbarismi beim Schreiben betreffen Buchstaben und Silben, jene beim Sprechen Länge bzw. Dehnung, Akzente und Hauchzeichen. Die sprachlichen Elemente können auf vier Arten verderbt werden: durch die adiectio, detractio, immutatio und die transmutatio. In den Grammatiken werden die meisten Fehlertypen außerdem ausführlich mit Beispielen illustriert. Diese kleine Durchsicht zeigt, wie dieser Wissensbestand der lateinischen ars grammatica-Tradition geradezu formelhaft im Abschnitt zu den barbarismi über Jahrhunderte hinweg tradiert wurde.
–––––––––––––– 20
21
„... auf vier Arten, durch den Zusatz, die Auslassung, die Veränderung und die Vertauschung.“ Pompeius: Commentum artis Donati, ed. H. Keil 1868, S. 284/29–285/21; hier: S. 285/10. Weiterführend zur Grammatik des Pompeius ist R. A. Kaster: Grammarian in late antiquity, 1988, Kap. 4: „Pompeius“ und S. 343–346. „Der Barbarismus aber entsteht beim Schreiben oder beim Sprechen. Beim Schreiben [gibt es] vier Arten: Wenn jemand in einem Wort einen Buchstaben oder eine Silbe hinzufügt, verändert, verstellt oder verkürzt. Beim Sprechen aber geschieht [der Barbarismus] wegen [falscher] Länge, Akzente, Hauchlaute und so weiter.“ Isidor von Sevilla: Etymologiae 1,32,3 (ed. W. M. Lindsay 1911, o. Pag.). Vgl. auch: M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350– 1100, 1994, S. 224f.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
5.1.2.2 Fehlermodi in Patristik und älterer Bibelkritik Neben der Grammatik finden sich modi von Fehlern auch schon in der Antike im direkten Zusammenhang mit der Abschrift von Texten. Im Vorwort zu seiner umstrittenen lateinischen Übersetzung der Schrift Perˆ ¢rcîn des Kirchenvaters Origenes aus dem Jahre 398 – der griechische Text ist verloren – griff Tyrannius Rufinus von Aquileia diese grammatischen modi im Zusammenhang mit Textarbeit auf: Illud sane omnem, qui hos libros vel descripturus est vel lecturus ... contestor atque convenio...: ne addat aliquid huic scripturae, ne auferat, ne inserat, ne immutet, sed conferat cum exemplaribus unde scripserit, et emendet ad litteram et distinguat, et inemendatum vel non distinctum codicem non habeat, ne sensuum difficultas, si distinctus codex non sit, maiores obscuritates legentibus generet.22
Rufin ermahnt Leser und Schreiber, beim Abschreiben Fehler zu vermeiden, und damit meint er insbesondere, nichts hinzuzufügen (addere), zu entfernen (auferre), einzufügen (inserere) und zu verändern (immutare).23 Solche Appelle an die Kopisten von sakralen und patristischen Texten gibt es häufiger – etwa bei Irenaeus, der von Eusebios in seiner Kirchengeschichte zitiert wird und dessen Übersetzer ins Lateinische auch Rufin war.24 Bemerkenswert an der Stelle bei Rufin ist sein Rückgriff auf die aus der Grammatik stammende Typologie von Fehlern. Hierzu ist anzumerken, –––––––––––––– 22
23
24
„Jeden aber, der diese Bücher abschreiben oder lesen wird, beschwöre ich und verpflichte ich ..., [dass] er dieser Schrift nichts hinzufügen, nichts wegnehmen, nichts einfügen, nichts ändern [soll], sondern mit den Handschriften vergleichen, aus denen er sie abgeschrieben hat, sie buchstabengetreu verbessern und interpungieren, und er soll keinen unkorrigierten und uninterpungierten Kodex besitzen, damit die Schwierigkeiten der Gedanken, wenn der Kodex (noch dazu) ohne Interpunktion ist, nicht zu noch größeren Unklarheiten für die Leser führt.“ Rufin: Praefatio in librum I Origenis PERI ARCWN, ed. P. Koetschau 1966, S. 247, dt. Übers. nach H. Görgemanns & H. Karpp in: Origenes: De principiis 1,4 (Praefatio Rufini – Vorrede Rufins), 1976, S. 80f. Diese Stelle findet sich auch als Praefatio Rufini librorum PERI ARCWN quos de Graeco transtulit in Latinum in: Hieronymus: Epistolae 80,3 (ed. & trad. fr. J. Labourt 2002, S. 110f.). Diese Bemerkung steht freilich im Gegensatz dazu, dass Rufin in diesem Brief freimütig bekennt, mehrere Stellen des Origenes gelöscht zu haben, die im Widerspruch zur geltenden Lehre standen. Vgl. dazu und zum nachfolgenden Streit mit Hieronymus: R. P. E. Arns: La technique du livre d’après St. Jérôme, 1953; P. Nautin: Art. „Hieronymus“, TRE 15, 1986, S. 304–315, hier: S. 307; N. Henry: Art. „Rufin von Aquileia“, TRE 29, 1998, S. 460–464. „Ðrk…zw se tÕn metagrayÒmenon tÕ bibl…on toàto ... †na ¢ntib£lVj Ö metegr£yw, kaˆ katorqèsVj aÙtÕ prÕj tÕ ¢nt…grafon toàto Óqen metegr£yw, ™pimelîj: kaˆ tÕn Órkon toàton Ðmo…wj metagr£yeij kaˆ q»seij ™n tù ¢ntigr£fJ.“ – „Wenn Du dieses Buch abschreiben
willst, dann beschwöre ich Dich ..., dass Du Deine Abschrift sorgfältig vergleichest und nach diesem Exemplar berichtigest, von dem Du sie abgeschrieben hast. Auch diese Beschwörung sollst Du in gleicher Weise abschreiben und Deinem Exemplar beigeben!“ Eusebios: Historiae ecclesiasticae 5,20,2 (graec. ed. E. Schwartz 1903, S. 482; dt. Übers. P. Haeuser & H. A. Gärtner 1967, S. 264).
5.1 Beschreibung von Fehlern
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dass Rufin zusammen mit Hieronymus studiert hatte und dass man zumindest von Letzterem weiß, dass er Schüler des Aelius Donat war. Diese Ordnung von Schreibfehlern im Kontext textkritischer Arbeit findet sich in der Bearbeitung des Mailänder Psalters aus dem 9. Jahrhundert wieder, in dessen Vorwort sein (anonymer) Bearbeiter bemerkt: De vitiis. Quatuor namque modis in scripturis vitia esse videntur, id est detractione, adiectione, mutatione, transmutatione.25
Die modi, die wir im Zusammenhang mit den barbarismi in der ars grammatica-Tradition kennengelernt haben, werden hier im Kontext von sakraler Literatur benutzt. Und auch hier folgen jedem Fehlertyp Beispiele aus dem lateinischen und griechischen Text der Psalmen. Wegen der vielen korrupten Abschriften machte sich außerdem der römische Zisterzienser Nicolaus Maniacoria (bis c.1145) Gedanken über die richtige Verbesserung der Heiligen Schrift. In der Einleitung zu seinen textkritischen Anmerkungen zur Bibel referiert auch er drei Arten von Verderbnissen: Tribus enim modis solent exemplaria depravari: apponendo, commutando et subtrahendo. De primo modo. Apponendo exemplaria depravamus, cum ad arbitrii nostri libitum id supplere volumus in scripturis, quod imperfectum et minus continens estimamus. Denique sunt scripturarum loca quam plurima, in quibus addere quedam possumus, que adeo necessaria videbantur, ut sine ipsis lectionis series pleno careat intellectu. ... Huiusmodi sunt in multis exemplaribus appositiones innumere, quarum quasdam linea subiecta notamus. ... || ... De secundo modo. Commutando autem exemplaria depravamus, cum sillabarum, vel partium similitudine, vel ambiguitate decepti nunc detrahendo aliquid, nunc addendo, interdum autem mutando ad nostri arbitrii coniecturam partes pro partibus immutamus. ... | De tercio modo: Subtrahendo vero exemplaria depravamus, cum de scriptura diminuere id presumimus, sine quo plenum nichilominus redderet intellectum.26
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„Über die Fehler: Fehler entstehen nämlich offenbar auf vier Arten beim Schreiben, das heißt durch das Auslassen, den Zusatz, die Veränderung und die Vertauschung.“ Epistola de Psalterio, ed. E. Perels & E. Dümmler 1925, S. 202. „Denn auf drei Arten werden Handschriften für gewöhnlich verdorben: durch das Hinzufügen, das Verändern und das Weglassen. Über die erste Art: Durch das Hinzufügen verderben wir Handschriften, wenn wir das in den Schriften, was wir als unvollkommen und unzusammenhängend erachten, nach Belieben unseres Urteils ergänzen wollen. Schließlich gibt es sehr viele Stellen in den Schriften, an denen wir etwas einfügen können, das uns derart notwendig erscheint, dass ohne [diese Stellen] selbst die Reihenfolge der Worte keinen Sinn ergäbe. ... In vielen Handschriften gibt es unzählige solcher Hinzufügungen, von denen wir einige mit einer Linie unterstreichen. ... Über die zweite Art: Durch die Veränderung aber verderben wir Handschriften, wenn wir getäuscht werden von der Ähnlichkeit oder Uneindeutigkeit von Silben oder ihrer Teile und bald durch das Wegnehmen, bald durch das Hinzufügen, mitunter aber durch die Veränderung nach der Vermutung unseres Urteils etwas durch etwas anderes ersetzen. ... Über die dritte Art: Durch das Weglassen aber verderben wir die Handschriften, wenn wir es unternehmen, das aus der Schrift wegzunehmen, ohne das sich nichtsdestoweniger ein vollkommener Sinn ergäbe.“ N. Maniacoria: Annotationes in Scripturam, ed. H. Denifle 1888, S. 272–275.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Maniacoria illustriert seine drei modi von Fehlern (apponere, commutare, subtrahere) mit zahlreichen Beispielen aus dem Bibeltext.27 Der Herausgeber des Textes Heinrich Denifle weist übrigens in einer Fußnote darauf hin, dass bei der ersten Fehlerart die hinzugefügten Stellen im Manuskript tatsächlich, wie im Text beschrieben, (rot) unterstrichen sind. Angesichts der Fülle der Beispiele – in dieser Passage etwa vier Fünftel des Textes – entsteht der Eindruck, als sei es Maniacoria nicht nur um die Typologie gegangen, sondern mindestens genauso um die Exposition der Lesarten aus der Bibel. Er benutzte also die Typologie als Systematisierungsinstrument für die geordnete Darstellung seiner Lesartenbeispiele. 5.1.2.3 Rhetorische Figur in der frühen Neuzeit In der frühen Neuzeit war vor Robortello, Canter und Schoppe bereits im Trecento von Fehlermodi die Rede. Darauf stoßen wir beispielsweise in der philosophischen Abhandlung De fato et fortuna von Coluccio Salutati. Der florentinische Humanist, der selbst Handschriften sammelte, kam in einem längeren Exkurs über Schreibfehler auf verschiedene Ursachen von Fehlern zu sprechen: presuptuosas in libros manus iniiciunt et aliquando litterarum, quandoque sillabe cuiuspiam et aliquotiens dictionum mutatione, tum detrahentes aliquid, tum addentes, non solum alienant textus mutantque sententias, sed omnia usquequaque pervertunt.28
Salutati moniert hier, dass Fehler entstehen, weil Buchstaben, Silben und Wörter durch Veränderung (mutatio), Löschen (detrahere) und Hinzusetzen (addere) verderbt werden. Ähnlich wie Salutati griff auch Giovanni Lamola (c.1400–1449) die antiken modi wieder auf, als er sich 1428 in einem Brief an seinen Lehrer Guarino von Verona über die verschiedenen Fehler in Handschriften beschwerte: –––––––––––––– 27 28
Zur Textkritik des Bibeltextes im Mittelalter vgl. P. H. Denifle: HSS der Bibel-Correctorien des 13. Jhds., 1888; und V. Peri: Maniacutia e la filologia del XII sec., 1967; zu Maniacoria auch B. Griesser: Art. „Nicolaus Maniacoria“, LexThK2 7, 1962, Sp. 993. „Sie greifen mit Händen voller Kühnheit in die Handschriften ein. Und durch die Veränderung manchmal von Buchstaben, zuweilen von irgendeiner Silbe und einige Male von Wörtern, indem sie bald etwas löschen, bald [wieder etwas] hinzusetzen, verfremden sie nicht nur den Text und verändern nicht nur die Bedeutungen, sondern verderben alles durch und durch.“ C. Salutati: De fato et fortuna, c.1399, 2,6 (ed. C. Bianca 1985, S. 48/75– 80). Diese Stelle bei Salutati findet sich auch abgedruckt in B. L. Ullman: Humanism of Salutati, 1963, S. 100f.; und S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 342ff. Vgl. dazu auch: B. L. Ullman: Humanism of Salutati, 1963, S. 97–106; S. Prete: History of textual criticism in MA & Renaissance, o. J. (1970), S. 15f., 20f.; C. Bianca: Introduzione al ‚De fato‘ di Salutati, 1985, S. LIIff.; G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 98f.
5.1 Beschreibung von Fehlern
263
Hic autem ipse codex, summae quidem venerationis et antiquitatis non vulgaris effigies, ab istis in quorum manibus fuit quique ex eo accurato exemplari exemplum, quod vulgatum ubique est, traduxerunt, summis ignominiis adfectus est, quippe qui multa non intellexerunt, multa abraserunt, multa mutarunt, multa addiderunt.29
Die Reihung von Fehlermodi in frühneuzeitlichen Zeugnissen implizierte in der Regel allerdings keine vertiefende Erörterung des Themas. Vielmehr wurden die (jetzt meist auf drei reduzierten) modi formelhaft eingesetzt, um hervorzuheben, wie schlecht es um die Qualität der antiken Texte bestellt ist. Diese rhetorische Figur taucht in frühneuzeitlichen Texten an vielen Stellen auf, sie wird etwa von Giovanni Boccaccio (1313–1375) bemüht, der von den diminutae aut additae aut permutatae litterae spricht.30 Auch Thaddaeus Ugoletus (bis 1514) klagte in seinem Vorwort zur editio princeps von Ps.Quintilians Minores declamationes über verdorbene, schmutzige und von Fäulnis übersäte Handschriften (libri corrosi, squallidi ac carie obsiti) und über drei Arten, wie Handschriften verderbt würden, durch den Zusatz, die Verstellung und die Auslassung (appositione aut commutatione aut subtractione).31 Auch in Schoppes testimonia stößt man auf diese Figur von Fehlermodi, etwa bei Marc-Antoine Muret: fere tamen, simulatque quis unam aut alteram literam vocemve in libro suo aut mutaverit, aut deleverit, aut addiderit, ita singula horum librorum capita concerpat licet: ut quorum vix usus praeterea ullus esse alius possit.32
Die Verwendung der Fehlermodi dient Muret zur Betonung und Veranschaulichung des Umstandes, dass Texte verdorben wurden. Auch er gebrauchte Fehlermodi lediglich als rhetorische Figur.
–––––––––––––– 29
30 31 32
„Aber diese Handschrift selbst, sicherlich ein außergewöhnliches Werk von höchster Ehrwürdigkeit und Alter, ist von denen, in deren Händen sie war und die von dieser vollkommenen Handschrift eine Abschrift gemacht haben, die [jetzt] überall bekannt ist, aufs schlimmste verunstaltet worden, weil sie Vieles nicht verstanden, Vieles ausmerzten, Vieles veränderten und Vieles hinzusetzten.“ G. Lamola: Epistola ad Guarinum, 1428 (ed. R. Sabbadini 1971). Zit. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 227 (Fn. 1). T. Ugoletus: Epistola dedicatoria, in: Ps.Quintilian: Declamationes minores, ed. T. Ugoletus 1494 (zit. B. Botfield: Praefationes et epistolae editionum principum, 1861, S. 185). „Doch beinahe immer, wenn jemand anscheinend [nur] den einen oder einen anderen Buchstaben oder ein Wort in seiner Handschrift verändert, gelöscht oder hinzugefügt hatte, mag es dann auch sein, dass er einzelne Abschnitte der Handschriften zerreißt, und dass sie [dann] kaum jemand anders in Zukunft noch gebrauchen kann.“ Mur. Var. lect., 1580, fol. Er.
264
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
5.1.3 Der Vergleich der Fehlerklassifizierungen Die Reihung von Fehlermodi in den Typologien von Robortello, Canter und Schoppe geht auf antike und mittelalterliche Traditionen zurück. Fehlermodi sind Bestandteil der lateinischen Grammatik: Sie wurden im Zusammenhang mit Rede- und Sprachfehlern (barbarismi) entwickelt und sind von Quintilian über Donat bis in die mittelalterliche Enzyklopädistik in der ars grammatica beheimatet (siehe Abbildung 24). Erste Zeugnisse von Textkritikern, die auf solche Typologien zur Beschreibung ihrer Arbeit zurückgriffen, stammen vom patristischen Autor Rufin, einem von der Donatschule beeinflussten Übersetzer und Bearbeiter sakralen Schrifttums. Die Reflexion der Bibelkritik bedient sich dann auch im Laufe des Mittelalters weiter grammatischer Fehlermodi, die als rhetorische Figuren auch von humanistischen Gelehrten im 14. und 15. Jahrhundert aufgegriffen wurden. Quintilian33
Isidor
Rufin
Maniacoria34
Salutati35
adiectio
adicere
addere inserere
apponere appositio
addere
detractio
minuere
auferre
subtrahere subtractio
detrahere abrasere diminuere delere
(in)mutatio
mutare
immutare
commutare commutatio
mutatio (per)mutatio
transmutatio
transmutare
Abb. 24: Die Tradition der Fehlermodi
Fehlermodi erklären den Ursprung von Fehlern. Gleichzeitig werden ihnen eine Vielzahl von Beispielen beigegeben und die Fehlermodi so als Ordnungsvorgabe für längere Expositionen von Beispielen genutzt. Dies lässt sich sowohl in der ars grammatica als auch in bibelkritischen Einleitungsschriften wie jener Maniacorias beobachten. Robortello, Canter und Schoppe nutzen im Unterschied zum frühneuzeitlichen, bloß rhetorischen, Gebrauch die Typologien in ihrer spezifischen Funktion als Klassifikationsprinzip für Lesarten – und führen so konzeptionell eine antike und mittelalterliche Tradition der ars grammatica fort. Bemerkenswert ist die begriffliche Konstanz der Fehlertypologien über die verschiedenen Traditonen hinweg. –––––––––––––– 33 34 35
Genauso: Charisius, Donat, Pompeius, Mailänder Psalter. Genauso: Ugoletus. Genauso: Lamola, Boccaccio, Muret.
265
5.1 Beschreibung von Fehlern (Quintilian)
Robortello36
Canter
Schoppe [l.] supervacua
(adiectio)
ablatio
[littera] supervacua
(detractio)
additio
[l.] omissa37
[l.] omissa
(immutatio)
mutatio
[l.] corrupta
[l.] corrupta
(transmutatio)
transpositio
metathesis transpositio
[l.] transposita
distinctio
coniunctio
[l.] disiungenda
copulatio
disiunctio
[l.] coniungenda
extensio contractio
Abb. 25: Fehlermodi bei Robortello, Canter und Schoppe
Im Verhältnis zu den vorgängigen Typologien erweitert Robortello sie von vier in der Antike üblichen auf acht modi und wendet sie nicht auf Fehler, sondern auf Konjekturen an. Er handelt die modi nacheinander ab und erläutert sie mit Beispielen, die sich auf sprachliche Elemente beziehen. Canter übernimmt Robortellos modi bis auf die extensio und contractio: In den ersten beiden Kapiteln ordnet er den litterae drei Arten von Fehlern zu, nämlich die litterae corruptae, omissae und supervacuae, die beiden letzten Fehlerarten werden im dritten Kapitel noch den syllabae und verba zugewiesen. Im vierten Kapitel geht es um die coniunctio und disiunctio sowie im folgenden um die metathesis sive transpositio. Da Canter die Prinzipien von sprachlichen Elementen und Fehlermodi im Aufbau seiner Ratio emendandi vermischt, erscheint die Struktur seiner Typologie weniger stringent als jene Robortellos. Schoppe wiederum appliziert die Prinzipien Canters auf Beispiele lateinischer Autoren, ringt sich dabei aber zu einer weitgehend klaren und systematischen Ordnung durch. Jedem sprachlichen Element ordnet er jeweils die vier modi von Fehlern zu, wobei er dieses Schema bei den verba um die coniunctio und disiunctio erweitert. Im Grunde liegt bei Canter und Schoppe eine Spiegelung des Anordnungsprinzips von Robortello vor: Robortello bezeichnet mit den modi die Arten von Konjekturen, mit denen verderbte Stellen verbessert werden – Canter und Schoppe dagegen behandeln die modi, die die Fehler verursachen. –––––––––––––– 36 37
Robortello bezeichnet mit den modi als einziger nicht, wie Fehler zustande kommen, sondern wie sie verbessert werden. Hier sei noch der Hinweis gestattet, dass Canter die Lücke, die durch ein gelöschtes Redeteil entstand, an einer Stelle auch lacuna nannte und damit eine Bezeichnung wählte, die Theodor Birt in seiner textkritischen Theorie von 1913 im gleichen Zusammenhang dezidiert ablehnte: „Ich rede hier von dem, was unsere Neulateiner mit dem schauderhaften Wort lacunae bezeichnen. lacunae sind Lagunen, Lachen und Pfützen. omissio, defectio, damnum wäre das Richtige.“ T. Birt: Kritik und Hermeneutik, 1913, S. 144.
266
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Wenn Robortello, Canter und Schoppe die vier antiken modi übernehmen und wesentlich erweitern, so gilt dies nur bezogen auf Fehler, die durch irgendeine Art der Veränderung von geschriebenen Redeteilen bedingt sind. Die Unterscheidung, die sich in den Zeugnissen der Grammatiktradition durchgehend findet, dass Fehler zum einen scripto, durch das Schreiben, aber eben auch pronuntiatione, beim Sprechen bzw. durch die Aussprache entstehen, greift nur Schoppe auf. Als einziger der dreien unterscheidet Schoppe Fehler, die von Vorlesenden (dictantes) und von Schreibenden (scribentes) begangen wurden, was im typus gut erkenntlich ist (siehe Abbildung 22). Die Schreib- und Redefehler beziehen sich in der Grammatik auf verschiedene sprachliche Elemente: Sie betreffen litterae (Buchstaben) und syllabae (Silben), wohingegen Redefehler im Anschluss an Quintilian etwa von Isidor auf tempus (Dehnung), tonus (Akzent) und aspiratio (Hauchzeichen) bezogen werden. Diese Differenzierung greift Schoppe indes nicht auf:
scripto
(Isidor)
Robortello
Canter
accentus
accentus
punctum (littera)
littera
(syllaba) dictio pronuntiatione
Schoppe
littera
littera
syllaba
syllaba
verbum
verbum
(tempus) (tonus) (aspiratio)
Abb. 26: Sprachliche Elemente in den Typologien
Zu den bei Robortello, Canter und Schoppe behandelten sprachlichen Elementen zählen Buchstaben, Silben und Wörter, bei Robortello und Canter zuweilen auch Akzente und Satzzeichen (siehe Kapitel 4.2.4). Außerdem unterscheidet Canter Fehler, die an verschiedenen Stellen im Wort, nämlich in initio, in medio, in fine bzw. in primis, mediis aut extremis vocabulis vorkommen.38 Er schrieb sogar ein ganzes Kapitel (7) über Homoioteleutona und Homoiarktona (De homoeoteleutis et homoeoarctis), also gleich lautende Wortenden bzw. Wortanfänge in aufeinander folgenden Wörtern.39 Auch wenn Schoppe Fehler auf die Aussprache zurückführt, so nimmt er trotzdem nur geschriebene sprachliche Elemente in den Blick. –––––––––––––– 38 39
„Am Anfang, in der Mitte, am Ende“ bzw. „im ersten, mittleren oder letzten Wort“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 40ff. und S. 43. Cant. Ratio emend., 1571, S. 59ff.
5.1 Beschreibung von Fehlern
267
5.1.4 Typologien und Methode Hinter den Typologien von Fehlern und Texteingriffen steht der Gedanke, dass der Weg des Verbesserns über die Erkenntnis der Ursache der Verderbnis führt. Ausdrücklich formuliert findet sich diese Überlegung bei Schoppe. In seinem Vorwort bringt er sie auf die oben bereits zitierte griffige Formel: Emendare nihil est aliud, quam quo quidque modo depravatum fuerit indicare.40 Fehlerbehebung wird gedacht als Umkehrung des Verderbensprozesses beziehungsweise dessen Rückgängigmachung: Zuerst müssen das fehlerhafte sprachliche Element und der Fehlermodus identifiziert werden. Die Verbesserung erfolgt dann durch eine dem Prozess der Fehlerentstehung entgegengesetzte und ihn ausgleichende Handlung: Ablatione itidem corrigi debet locus ille apud Aristotelem lib. III Rhetoricorum, ubi ... ait: tîn de;; ·u-mîn Ð me;;n ¹rùoj semnÕj kaˆ lektikÒj, kaˆ ¡rmon…aj deÒmenoj. Obrepsit in contextum dictio oÙ, sic: kaˆ oÙ lektikÒj. ... Ego tolli debere oÙ ... censeo.41
Robortello meint, dass an dieser Stelle (3,8, 1408b32f.) der aristotelischen Rhetorik die Negation oÙ hineingeraten war. Deswegen gerechtfertigt er den Eingriff durch die ablatio dieses Wörtchens und führt (zu Unrecht) das Argument an, die Verderbnis rückgängig zu machen. Im Widmungsbrief seiner Aischylos-Edition von 1552, der an Mariano Savelli adressiert ist, schreibt Robortello bereits ein paar Jahre früher: sed quoniam (libri manuscripti) culpa scriptorum erant etiam hi multis in locis depravati, ex unius literae in alteram, ut plerumque fit, mutatione, duarum mistione dictionum, & nonnullarum seu literarum, | seu syllabarum praetermissione, facile speravi posse omnia tolli errata, si coniectura assequi possem, qualis fuisset lapsus scribentis.42
Die vorgestellten Typologien von Texteingriffen geben nach Meinung ihrer Verfasser dem künftigen Philologen alle wichtigen Formen der Kor–––––––––––––– 40 41
42
Schop. Ars crit., 1597, fol. A8v (zitiert oben, S. 253). Vgl. dazu auch: ebenda, fol. A7r–A7v; und Mur. Var. lect., 1580, fol. Ev–E2r. „Ebenso durch das Weglassen muss jene Stelle bei Aristoteles im Buch 3 der Rhetorik verbessert werden, wo ... er sagt: tîn de;; ·u-mîn Ð me;;n ¹rùoj semnÕj kaˆ lektikÒj, kaˆ ¡rmon…aj deÒmenoj. In den Text schlich sich das Wort oÙ ein, so: kaˆ oÙ lektikÒj. ... Ich selbst urteile, dass oÙ gelöscht werden muss ...“ Rob. Ars corr., 1557, S. 9/5–12. „Aber die Schuld daran, dass auch diese Handschriften der Schriftsteller an vielen Stellen verderbt waren, [kommt] aus der Veränderung eines Buchstaben in einen anderen – wie es oftmals geschah –, aus der Vermischung zweier Wörter [zu einem] und aus dem Übersehen einiger Buchstaben oder Silben. Ich hoffte, dass es einfach ist, alle Fehler zu entfernen, wenn ich mit der Konjektur [dem gleichen Weg] folgen kann, wie der Fehler des Schreibers entstanden war.“ F. Robortello: Epistola dedicatoria, in: Aischylos: Tragoediae septem, ed. F. Robortello, 1552, fol. aviv–aviir, zit. auch in A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 79 (Fn. 30).
268
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
ruption (Robortello) bzw. der Fehlerverbesserung (Canter und Schoppe) an die Hand. Bei Canter ist die Typologie von Fehlern gleichbedeutend mit der Verbesserungslehre: tanquam ™p…metron huic operi rationem ex ingenio scriptores Graecos emendandi, eaque loca, quae non prorsus Chironia sint ulcera, feliciter apteque restituendi, non incommode, ut nobis tum videbatur, subiunximus.43
Auch Schoppe verankert die Methode des Verbesserns im Wesentlichen in der Fehlertypologie. Canter und Schoppe geben angehenden correctores die methodische Anweisung, diese verschiedenen Fehlertypen zu lernen. Canter erläutert, die Fähigkeit zum Verbessern (facultas castigandi) sei davon abhängig, die von ihm angegebenen Beispiele zu lernen (a nobis proposita memoria tenere exempla).44 Und Schoppe schreibt seinem Leser vor, die Texteingriffe mit den in der Typologie systematisierten Beispielen abzugleichen: Hoc enim unicum audacter adfirmare ausim, omnem quae sit ab ingenio emendationem, necesse esse, ut ad capita illa a me praescripta referatur, & exemplo aliquo nostro confirmetur.45
Nach Canter und Schoppe gilt es zum einen, die Typologien zu lernen, und zum anderen, Fehler und Texteingriffe einem modus zuzuordnen. Schoppe setzt seiner Klassifikation außerdem den typus voraus, um dem angehenden Philologen bei der Zuordnung des gefundenen Fehlers zu helfen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Typologien, die ja auf der Grundlage von Lesarten einzelner Autoren und Texten angefertigt wurden, auf andere Texte übertragbar seien. Dass seine Typologie dies leisten kann, meint etwa Canter: cum praesertim hoc etiam huc esset accessurum, quod simul et emendationum in Aristide factarum redderetur ratio, et eaedem vicissim ad similia in aliis auctoribus castiganda loca viam patefacerent.46
Ausgehend von den Lesarten zu Aristides sei es möglich, auch die Methode des Verbesserns anderer Stellen zu erschließen. Implizit legitimiert sich –––––––––––––– 43
44 45
46
„Gleichsam als Dreingabe hängten wir auf eine nicht unpassende Weise, wie es uns dann erscheint, diesem Werk [i. e. Canters Ausgabe der griechischen Rhetores] eine Methode des Verbesserns der griechischen Schriftsteller aus dem Verstand und des geglückten und passenden Wiederherstellens jener Stellen an, die nicht vollig chironische [i. e. unheilbare] Geschwüre sind.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 3. Cant. Ratio emend., 1571, S. 64. „Denn mutig wage ich zu bekräftigen, dass dies einzigartig ist: Es ist nötig, dass jede Verbesserung, die vom Verstand gemacht wurde, auf jene Abschnitte bezogen wird, die von mir gemacht wurden, und von einem meiner Beispiele bestätigt wird.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. „Hierzu wird insbesondere auch noch hinzukommen, dass zugleich zum einen die Methode der bei Aristides gemachten Verbesserungen dargebracht wird, und die [Verbesserungen] zum anderen wiederum den Weg zu ähnlichen Stellen, die bei anderen Autoren verbessert werden müssen, eröffnen.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 3.
5.1 Beschreibung von Fehlern
269
dies durch den Umfang der gesammelten Beispiele. So erläutert Canter im Vorwort zur zweiten Auflage der Ratio emendandi von 1571, wie er Anzahl und Provenienz der Lesarten und Verbesserungen gegenüber der ersten Auflage von 1566 erhöht. Textverbesserung gehen Robortello, Canter und Schopppe also mit einer Erfassung der textuellen Eingriffe und Fehler selbst an. Sie beschreiben die phänomenologische Veränderung des betroffenen sprachlichen Elements. Robortellos Material sind Konjekturen von zeitgenössischen Philologen, Canter und Schoppe beziehen sich auf die überlieferten Fehler bzw. voneinander abweichenden Lesarten in den Handschriften. Trotz des unterschiedlichen Gegenstandsbereichs bleibt das dahinter stehende Prinzip gleich: Es wird jeweils angezeigt, was verändert wurde. Der methodische Grundsatz lautet, die diagnostizierten Veränderungen rückgängig zu machen. Die Umsetzung dieses Prinzips organisieren Robortello, Canter und Schoppe entlang zweier Elemente: Erstens systematisieren sie Fehlerarten nach einem ordo. Auch wenn sie behaupten, ihn auf induktive Weise aus Beispielen ermittelt zu haben, orientieren sie sich an Typologien von Fehlern, deren Tradition in der antiken barbarismus-Lehre der ars grammatica wurzelt. Manches davon erweitern sie, wie die Anzahl und die Differenziertheit der modi, Anderes wiederum lassen sie weg, wie das Problem der Redefehler. Zweitens nutzen sie – wie beispielsweise schon die mittelalterlichen Bibeleinleitungen – die Typologien gleichzeitig als Instrument der Exposition und Systematisierung von Beispielen. Die vielen Beispiele schöpfen Robortello, Canter und Schoppe aus ihren eigenen philologischen Arbeiten. Robortello erörtert die meisten Beispiele für Eingriffe ausführlich, nennt die Ursachen der Verderbnis und die Argumente für die Verbesserung. Von der Menge her präsentieren Canter und Schoppe ungleich viel mehr Lesarten als Robortello, listen sie aber nur auf. In ihren Präsentationsweisen folgen Robortello, Canter und Schoppe der Gattung der notae-Sammlungen und orientieren sich folglich an einer wichtigen Präsentationsgattung der frühneuzeitlichen Philologie (siehe Kapitel 2.3). Canter und Schoppe bestimmen ihre Expositionen als methodologisches Kernstück ihrer Konzepte mit direkter Anwendungsmöglichkeit. Sie verstehen sie als ein praktisches Instrument zur Hilfe bei der Textverbesserung, das sie dem Philologen an die Hand geben. Die didaktische Zielrichtung wird bei Schoppe besonders deutlich, weil er der Darstellung der Typologie eine tabellarische Übersicht vorausschickt, die sich in der graphischen Präsentation an Ordnungsmuster des Ramismus anlehnt.
270
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
5.2 Erklärung von Fehlern Die Typologien von Texteingriffen machen deutlich, dass fehlerhafte Stellen den Ausgangspunkt der Überlegungen zur Textkritik bilden, das heißt verderbte Lesarten wie loci reprehensi, mendosi, portentosi, obscuri, mutili, perplexi oder gar monstrosiores (siehe die Zusammenstellung in Kapitel 4.2.3, S. 219). Obwohl Fehler und ihre Analyse das Kernstück der textkritischen Abhandlungen darstellen, wird aber nur selten allgemein über sie gesprochen. Weit häufiger sind konkrete Beispiele für Fehler. Dabei wird das betroffene sprachliche Element zusammen mit der Art seiner Veränderung benannt, etwa littera corrupta oder syllaba transposita. Doch wird in der Textkritik nicht nur gefragt, was, sondern auch, warum es geschehen ist – neben der Beschreibung von Fehlern stößt man in der frühen Neuzeit auf vielfältige Diagnosen, wie korrupte Textstellen zustande gekommen sind. Angelo Decembrio beispielsweise wies darauf hin, dass Kopisten aufgrund ihrer schlechten Griechischkenntnisse bei der Abschrift von Texten vielfach die griechischen Passagen ausließen.47 Das stellte unter anderem bei der Restitution des Corpus iuris civilis ein großes Problem dar (siehe Kapitel 1.3.1, S. 66). Es werden auch Verstöße gegen Regeln der Grammatik angeführt, etwa falsche Orthographie, Akzentsetzung und Interpunktion.48 Für die schwierige Lage der antiken Texte machte man auch die Geschichte der Bibliotheken verantwortlich, die von Zerstörung und Brandschatzung gezeichnet ist. Salutati beklagte etwa, dass nur eine kleine Anzahl von Handschriften (penuria librorum) die schwierige Überlieferungsbedingungen überlebten und sich zum Kollationieren eigneten.49 Auch in den Abhandlungen des 16. Jahrhunderts werden die Ursachen von Fehlern beleuchtet. Dass Fehler auf fälschliche Trennung (disiunctio) von Wörtern zurückgehen, erklärt Canter beispielsweise mit dem historischen Faktum, dass in frühen Schriften ohne Wortzwischenräume geschrieben wurde (siehe Kapitel 4.3.3).50 Erklärungen von Fehlern sind methodologisch relevant, weil die Erkenntnis der Fehlergründe den Weg der Fehler–––––––––––––– 47 48
49 50
Zitiert in S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 228. Über Normen der Interpunktion und Akzentsetzung ist in der frühen Neuzeit viel nachgedacht worden. Dies bezeugen auch entsprechende Abhandlungen von Leonhard Culmann (1497/8–1562), Joachim Camerarius und Aldo Manuzio d.J. (1547–1597), die Thorsten Burkard kürzlich edierte (Interpunktion und Akzentsetzung in lat. Texten des 16. und 17. Jhds., 2003). C. Salutati: De fato et fortuna, c.1399, 2,6 (ed. C. Bianca 1985, S. 48/55f.). Diese Stelle bespricht auch G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 99. Vgl. auch die entsprechende Stelle bei Robortello (Ars corr., 1557, S. 3/5ff., zitiert S. 233). Cant. Ratio emend., 1571, S. 51, zitiert S. 235.
5.2 Erklärung von Fehlern
271
behebung aufzeigt. Dieser Gedanke liegt den phänomenologischen Beschreibungen der Veränderungen der Redeteile zugrunde und motiviert weiterführende Überlegungen zu ihren Ursachen. Für Fehler verantwortlich gemacht wurden beispielsweise Abkürzungen (Kapitel 5.2.1), Ähnlichkeiten (Kapitel 5.2.2), Glossen (Kapitel 5.2.3) und Inkompetenz (Kapitel 5.2.4). 5.2.1 Die compendiosa scribendi ratio Eine Art der Fehlererklärung, die häufig in den Verbesserungslehren vorkommt, steht im Zusammenhang mit der ratio compendiosa scribendi, dem verkürzten Verfahren des Schreibens. In vielen mittelalterlichen Handschriften wurde zum Teil stark abgekürzt, wie man im oben (in Kapitel 5.1.2.1) abgebildeten Donat-Manuskript aus dem 13. Jahrhundert gut sehen kann (Abbildung 23, S. 258). Abkürzungen werden in den Abhandlungen an unterschiedlichen Stellen behandelt. In der Ars corrigendi werden Abkürzungen bei den Fehlertypen extensio und contractio besprochen. Beispielsweise sei ein Fehler dadurch entstanden, dass eine Abkürzung falsch aufgelöst wurde.51 Verbessert werden muss die Stelle durch die richtige Auflösung (extensio). Auch gibt Robortello ein Beispiel zur contractio: Contractione, ut apud Asconium eundem, sub finem Divinationis. Sic enim legendum: P. Lentulus (avus hic est Lentuli Surae pr.); librarius non intelligens PR. praetorem significare, scripserat pater; sic enim solet vulgo scribi: pr., et sustulerat avus.52
Die korrupte Asconius-Stelle zu Ciceros Oratio in Q. Caecilium (21,68), die Robortello hier kritisiert, lautete wohl P. Lentulus (hic est Lentuli Surae pater). Robortello führt den Fehler darauf zurück, dass der Schreiber die Abkürzung pr. nicht richtig erkannte und in pater statt praetor auflöste. Dadurch bekam die Stelle einen anderen Sinn, was den Schreiber dazu bewegte, das
–––––––––––––– 51 52
Rob. Ars corr., 1557, S. 12/14ff. „[Verbessert werden muss] durch die Verkürzung beispielsweise beim gleichen Asconius am Ende der Divinatio. Denn dort muss gelesen werden: P. Lentulus (avus hic est Lentuli Surae pr.) Der Schreiber, der nicht verstand, dass PR. praetor bedeutet, hatte pater geschrieben und avus gelöscht – doch es ist üblich, pr. zu schreiben.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 12/23–26, Hervorhebungen in ed. 1975. Diese Stelle bespricht Robortello auch in seinen Annotationes (1557, lib. 1, cap. 34, S. 25v bzw. fol. Gv), woraus klar wird, dass avus keine Lesart aus einer Handschrift, sondern eine Konjektur von Robortello ist. Vgl. dazu auch G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 101.
272
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Wort avus zu löschen. Zu verbessern sei dieser Abschnitt also unter anderem durch die Verkürzung (contractio) von pater zu pr.53 Doch Robortello erwähnt Abkürzungen nicht nur als einen der modi. Am Anfang der Ars corrigendi geht es etwa um Abkürzungen von Namen in lateinischen Texten, wofür er eine Belegstelle aus der Grammatik des Consentius zitiert.54 Abkürzungen gehören zur notio scriptionis antiquae und sind ein wichtiger Teil des für einen erfolgreichen corrector unabdingbaren Wissens (siehe Kapitel 3.3.2, S. 184). Auch wenn Canter und Schoppe die extensio und contractio als modi nicht in ihren Klassifikationen behandeln, gehen sie trotzdem ausführlich auf Abkürzungen ein. Beide widmen Abkürzungen ein eigenes Kapitel, in der Ratio emendandi unter dem Titel De abbreviationibus und in der Ars critica unter dem Titel De compendiosa scribendi ratione seu abbreviationibus.55 Ähnlich wie Robortello führt Canter Fehler durch Abkürzungen darauf zurück, dass sie nicht erkannt wurden: Quin etiam lineolas supra vocabula ductas usurpant nonnunquam, ut nos Graeci, velut cum ph–r, sh–r, additis lineis, pro pat¾r, swt¾r, scribunt: nisi quod in talibus lineolae aliquando per incuriam omittuntur.56
Wenn bei der Abschrift dieser Abkürzungen die kleinen Linien (lineolae) weggelassen werden, können nachfolgende Leser die Abkürzungen nicht erkennen und nicht richtig auflösen, sodass sinnlose Wörter übrig bleiben. Auch Schoppe nimmt Abkürzungen zum Anlass, paläographisches Wissen zu exponieren. Er stellt beispielsweise fest, dass viele Fehler darauf gründen, dass die Schreiber vor allem in der scriptura Langobardica (Minuskelschrift) Abkürzungen benutzten.57 Eine andere Beobachtung Schoppes betrifft die scriptura Romana (Majuskelschrift): Antiquitus videlicet, cum uterentur Romano charactere, scribserat librarius: QVID DICIT. Duae istae maiusculae literae significant velle se retro relectas repeti sic: qui didicit. In Pandectis Florentinis hoc nihil est frequentius, ut: METVIRI. hic magna T innuit geminandam esse syllabam pro METVTV IRI, id est, metutum iri.58
–––––––––––––– 53 54 55 56
57 58
Die Unkenntnis der Abkürzung pr. im Livius-Text wurde auch schon vor Robortello von Gelehrten wie Bartolomeo Della Fonte (1446–1513) oder Lorenzo Valla bemängelt (R. Sabbadini: Il metodo degli humanisti, 1920, S. 60; S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 232f.). Rob. Ars corr., 1557, S. 2/18–27. Siehe auch S. 7/14–22, zitiert S. 185. Cant. Ratio emend., 1571, S. 62f.; Schop. Ars crit., 1597, fol. K2r–K3r. „Manchmal gebrauchen die Griechen wie wir sogar kleine Striche, die über den Wörtern gezogen sind. Zum Beispiel, wenn sie ph–r und sh–r mit hinzugefügtem Strich statt pat¾r und swt¾r schrieben, außer wenn die kleinen Linien in solchen Fällen manchmal aus Nachlässigkeit weggelassen werden.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 62. Schop. Ars crit., 1597, fol. F2v, H6r. Über die scriptura Langobardica und Romana siehe Kapitel 4.3.3. „In der Antike, als man die römische Schrift benutzte, hatte der Kopist geschrieben: QVID DICIT. Zwei solche Großbuchstaben bedeuten, dass er will, dass sie rückwärts wiedergelesen wiederholt werden, [also] folgendermaßen: qui didicit. In den Florentiner Pandekten gibt es
5.2 Erklärung von Fehlern
273
Großbuchstaben zeigen an, dass dieser Buchstabe oder diese Silbe verdoppelt werden muss. Das findet sich häufig in den Florentiner Pandekten, einem Manuskript der Digesten aus dem Corpus iuris civilis.59 Schoppe durfte diese berühmte Handschrift sicherlich nicht selbst in Augenschein nehmen, und Anthony Grafton konnte zeigen, dass sich Schoppe hier eng an eine Passage in den Castigationes zu Catull, Tibull und Properz seines Vorbildes Joseph Justus Scaliger gehalten hat.60 In seinem Kapitel über Abkürzungen nennt Schoppe dann noch einige Fälle von einzelnen oder mehreren Buchstaben mit darübergelegtem Strich (beispielsweise lepidissaA für lepidissimam), von verkürzendem Apostroph (etwa die Abkürzung propr’ aeco für pro aequo) und von Abkürzungen durch besondere Zeichen (etwa improviss° für improbissimo, oder addeū für addecet).61 In seinem Kapitel über die compendiosae scribendi ratio geht Canter auf eine weitere Art des verkürzenden Schreibens ein, nämlich auf Ligaturen. Das ist besonders für griechische Texte relevant, da Ligaturen, die sich in den Handschriften eingebürgert hatten, im Griechischen in größerem Umfang und für weit längere Zeit als im Lateinischen auch in den Buchdruck übernommen wurden. Die Typen wurden nach dem Vorbild von besonders schönen Handschriften geschnitten – als Vorlage für Aldo Manuzios erste griechische Druckschrift diente beispielsweise die Handschrift des griechischen Schreibers Immanuel Rusotas, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Venedig arbeitete.62 Ebenso wie die Form der Buchstaben wurde auch seine charakteristische Art der Ligaturen beim Schnitt der Type imitiert. Canter hebt in seiner Erklärung auch auf die Ästhetik dieser verkürzenden ratio scribendi ab: ––––––––––––––
59
60
61 62
nichts, was häufiger wäre. Zum Beispiel: METVIRI für METVTV IRI, das heißt metutum iri. Das große T zeigt auf, dass die Silbe verdoppelt werden muss.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. H6v. Eine weitere Stelle bei Schoppe ist fol. H2r. Einer der wenigen, die die Pandectae Florentinae (siehe Kapitel 4.3.4, Abbildung 21, S. 143) ausführlicher einsehen durften, war neben Angelo Poliziano, der seine Beobachtungen unter anderem in den Miscellanea veröffentlichte, der Spanier Antonio Agustín. Aus Agustíns Arbeiten ging bereits 1543 die notae-Sammlung Emendationes et opiniones (Venedig, auch: Basel 1544) hervor. 1553 erschien dann in Florenz eine neue kritische Edition der Pandekten, an der unter anderem Piero Vettori beteiligt und für die Erfassung der griechischen Stellen des Textes zuständig war. Vgl. dazu: W. Rüdiger: Petrus Victorius, 1896, S. 44; H. Fuhrmann: Zur Florentiner Digestenhandschrift, 1971, S. 277f.; H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 28f., 41–47; M. P. Gilmore: ‚Studia humanitatis‘ in 15th c. Florence, 1979, S. 32; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 63f. Die Stelle in der notae-Sammlung von Scaliger zu Catull, Tibull und Properz lautet: „In Pandectis: datu iri. & in iisdem METUIRI, hoc est, Metutum iri. Nam magna T, geminat syllabam more scripturae illius luculenti Archetypi.“ J. J. Scaliger: Castigationes in Catullum, Tibullum, Propertium, 1582, S. 86 (Hervorhebungen in ed. 1582). Vgl. dazu A. Grafton: Schoppe and textual criticism, 1998, S. 238 (Fn. 39). Schop. Ars crit., 1597, fol. H2r und fol. K2r–K3r. Vgl. N. Barker: Manutius and Greek script & type in the 15th c., 1985, S. 43–63.
274
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Abb. 27: Griechische Ligaturen (Cant. Ratio emend., 1571, S. 62)63
Canter äußert seine Bewunderung für die elegantia der Ligaturen und gibt sechs Beispiele an. Bei den ersten vier Zeichen handelt es sich um die Artikel tÁj, t¾n, tÕn und tîn. Die letzten beiden stehen für die Präpositionen par¦ und perˆ.64 Im 16. Jahrhundert entstanden übrigens auch schon kleine hilfswissenschaftliche Werkzeuge, in denen griechische Ligaturen nachgeschlagen werden konnten. Kurze Listen fanden sich etwa im Alphabetum Graecum des Robert Estienne von 1528 und am Ende des ersten Bandes der griechischen Schulgrammatik des Martin Crusius von 1582.65 –––––––––––––– 63
64 65
„Über die Abkürzungen, Kapitel 8: Verkürzte Verfahren des Schreibens, die abbreviationes heißen, besitzen in der griechischen Schrift eine einzigartige Gewähltheit. Sie umfassen mit wenigen und einfachen Zügen eine große Anzahl von Buchstaben. Aber auch hier muss man sorgfältig aufpassen, dass nicht eine [Abkürzung] mit einer anderen wegen ihrer Ähnlichkeit vertauscht wird und so die Unvorsichtigen täuscht. So werden nämlich [ ], [ ], [ ], [ ] und Ähnliches leicht unter einander verwechselt. Über [ ], [ ] und Ähnliches sprachen wir bereits vorher. Denn [die Abkürzungen] können nicht allein durch sichere Beobachtung verstanden werden.“ Heute finden sich überaus nützliche Ligaturenlisten in C. Faulmann: Das Buch der Schrift, 1880, S. 172–176; und in Gordon Campbells „Appendix: Greek ligatures & contractions“ im Oxford Dictionary of the Renaissance von 2003, S. 857–862. M. Crusius: Grammatica Graeca, pars prima, 1582, S. 99ff. Ligaturen verzeichnete offenbar schon Hugo von St-Victor (bis 1141). Dies bemerkt P. Saenger: Lesen im Mittelalter, 1999, S. 185. Den Hinweis auf Martin Crusius’ Grammatik verdanke ich Jolanta Gelumbeckait .
5.2 Erklärung von Fehlern
275
5.2.2 Das Prinzip der similitudo Fehler passieren auch deswegen, weil sich Abkürzungen untereinander ähneln, verwechselt und falsch aufgelöst werden, wie Canter das eben für die Abkürzungen für die griechischen Artikel tÁj, t¾n, tÕn und tîn demonstrierte.66 Während Robortello nur an einer Stelle einen Fehler auf die similitudo von Redeteilen zurückführt,67 spielen Fehler wegen Ähnlichkeit bei Canter und Schoppe eine wichtige Rolle. Aus diesem Grunde schrieben Kopisten ein Wort falsch ab: illud vero errori, quod literarum diversarum si- | militudine decepti, cum eam geminare nollent, alteram omiserunt...68
Die Ähnlichkeit der Buchstaben (similitudo litterarum) bedingt nach Schoppe Haplographien und Dittographien, da Buchstaben versehentlich verdoppelt und andere wieder ausgelassen werden.69 Besonders anfällig für solche Fehler sind benachbarte Buchstaben (vicinae litterae).70 Canter und Schoppe setzen mit dem immer wieder aufgerufenen Grundsatz der similitudo eine wahrnehmungspsychologische Erklärung von Fehlern an und ergänzen sie teilweise mit paläographischen Ursachen. Die similitudo bewirke Buchstabenverdreher und sei in bestimmten Schriften wie der scriptura Langobardica bei manchen Buchstaben besonders stark ausgeprägt. Canter listet die verwechselten Buchstaben im Griechischen alphabetisch auf und illustriert sie mit vielen Beispielen (Abbildung 28, S. 277). Diese Darstellungsform imitiert Schoppe und überträgt sie auf seine Beispiele aus lateinischen Texten (Abbildung 29, S. 278). Schoppe unterscheidet Buchstabenverwechslungen in der scriptura Romana (Majuskelschrift) und der scriptura Langobardica (Minuskelschrift). An mehreren Stellen betont er dabei, dass die Ähnlichkeit von Buchstaben in
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70
Siehe auch Cant. Ratio emend., 1571, S. 18, 22f., 25, 27. Rob. Ars corr., 1557, S. 10/12. Frühere Zeugnisse für die Rückführung von Fehlern auf die similitudo von Redeteilen versammelt Silvia Rizzo von Gasperino Barzizza (c.1360–1431), Bartolomeo Facio (1405/10–1457), Lorenzo Valla und Filippo Beroaldo (zit. im Lessico filologico, 1973, S. 229ff., 233). „In der Tat [kam es] zu diesem Irrtum, weil [die Schreiber], die getäuscht waren durch die Ähnlichkeit der verschiedenen Buchstaben, nicht wollten, dass [der Buchstabe] doppelt ist, und einen anderen übersahen.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. Hv–H2r. Bereits Angelo Decembrio und Lorenzo Valla führten Fehler auf Haplographien und Dittographien zurück (zit. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 228f., 231). Haplographien und Dittographien sind Fehler, die in späteren textkritischen Methodologien teilweise eigens abgehandelt werden, etwa in F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 189–192; und in T. Birt: Kritik und Hermeneutik, 1913, S. 140. Schop. Ars crit., 1597, fol. H3r, I6r–I6v.
276
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
der scriptura Langobardica besonders stark ausgeprägt ist.71 Mit diesem Argument zitiert Schoppe sein Vorbild Joseph Justus Scaliger. Dieser verweist in seinen Castigationes zu Catull, Tibull und Properz an mehreren Stellen darauf, dass manche Buchstaben in der scriptura Langobardica kaum voneinander zu unterscheiden sind: In Langobardico charactere nihil omnino T, dissert a C. & vicissim altera pro altera hic positae sunt.72
Schoppe bezieht sich an der entsprechenden Stelle in seiner Fehlersystematik direkt auf Scaliger: [c] Pro t, saepissime, ita ut internoscere has literas nequeas scriptura Langobardica, ut & Scaliger in Catull. testatur.73
Die Feststellung, dass Buchstaben aufgrund ihrer Ähnlichkeit verwechselt werden, war zu Schoppes Zeiten allerdings nicht neu. Dieses Argument findet sich vor Scaliger bei Angelo Poliziano, der vor der Verwechslung von cl statt d wie auch von r statt t warnt.74 Auch Beatus Rhenanus führt wie hier an vielen Stellen Fehler auf Buchstabenverwechslungen zurück: CEU VERO NESCIAM. Vetus codex habet, CEU BERONIS ETIAM ADVERSUS TH. Ut non aliter legendum sit, quam incomparabilis ille bonarum literarum antistes, Hermolaus Barbarus restituit, nempe Ceu Vero Nesciam. Siquidem B pro V positum subinde reperire est in vetustis libris.75
An dieser Stelle in seiner notae-Sammlung zu Plinius weist Rhenanus darauf hin, dass an einer Verbesserung von Ermolao Barbaro gesehen werden könne, dass oftmals fälschlich B statt V geschrieben wurde. –––––––––––––– 71
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Schoppe exponiert zunächst die Buchstabenverwechslungen in der Majuskelschrift (Ars crit., 1597, fol. Fv–F2r) und anschließend in der Minuskelschrift (fol. F2v–G8r). Ausdrücklich auf die scriptura Langobardica geht Schoppe an folgenden Stellen ein: fol. Fv, F2r, F4v, F8v, Gv, G5v, G6r, G7v. Schwierigkeiten in der Majuskelschrift vermerkte auch schon Beatus Rhenanus (zit. J. F. D’Amico: Textual criticism of Rhenanus, 1988, S. 130, 266 (Fn. 118)). „In der langobardischen Schrift unterscheidet T und C nichts gänzlich. Und abwechselnd wurde alsdann der eine [Buchstabe] für den anderen gesetzt.“ J. J. Scaliger: Castigationes in Catullum, Tibullum, Propertium, 1582, S. 43. Vgl. dazu auch: L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 176; A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 173f.; J. Gaisser: Catullus and his Renaissance readers, 1993, S. 185f. „[c] statt t kommt sehr häufig vor, sodass Du diese Buchstaben in der langobardischen Schrift nicht unterscheiden kannst, wie auch Scaliger im Catull bestätigt.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. F4v. Weitere Stellen, an denen Schoppe ausdrücklich auf Scaligers Gedanken zur Buchstabenverwechslung Bezug nimmt, sind fol. F8v und G7v. A. Poliziano: Miscellanea centuria secunda (ed. V. Branca & M. Pastore Stocchi 1978, 14, S. 27f.). Auf diese Stelle verweist auch S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 234f. „Ceu vero nesciam. Die alte Handschrift hat [die Lesart]: Ceu beronis etiam adversus TH. Und doch darf nicht anders gelesen werden als das, was jener unvergleichliche Meister der Wissenschaften, Ermolao Barbaro, wieder hergestellt hat: natürlich Ceu Vero Nesciam. In alten Handschriften findet es sich oft, dass B statt V gesetzt wurde.“ B. Rhenanus: Annotationes in Plinium, 1526, S. 33 (Hervorhebungen in ed. 1526). Auf die Stellen bei Rhenanus verweist J. F. D’Amico: Textual criticism of Rhenanus, 1988, S. 80.
5.2 Erklärung von Fehlern
Abb. 28: Fehlertypologie bei Canter (Ratio emend., 1571, S. 29)
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Abb. 29: Fehlertypologie bei Schoppe (Ars crit., 1597, fol. F3r)
5.2 Erklärung von Fehlern
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Im Folgenden nennt er noch die Verwechslungen von r mit s, r mit x, g mit c und q mit c.76 Die similitudo wird auch für Verderbnisse von Wörtern verantwortlich gemacht, wo es etwa um verwechselte oder verdoppelte Wörter geht und um einen übersprungenen Vers.77 Canter schreibt gar ein ganzes Kapitel De homoeoteleutis et homoeoarctis.78 Ein Homoioteleuton bezeichnet gleichlautende Wortenden in aufeinander folgenden Wörtern und ein Homoiarkton gleichlautende Wortanfänge. In der similitudo der Wortanfänge und -enden sieht Canter einen Fehlergrund. Des Weiteren misst Canter korrupte Wörter nach dem Grad der Ähnlichkeit zum ursprünglichen Wort.79 In Anlehnung an Canter unterscheidet auch Schoppe Wörter, die gänzlich verderbt und damit dem eigentlichen Wort nun unähnlich sind (verba corrupta in dissimilia sive tota), von Wörtern, die in Teilen verderbt und deshalb dem eigentlichen Wort noch ähnlich sind (verba corrupta in similia sive per partes).80 Schoppe bezieht als einziger das Prinzip der similitudo sowohl auf die Gestalt der Schrift als auch auf den Klang von Sprache, da er davon ausgeht, dass der Schreiber unter anderem nach Diktat abschrieb. Denn auch beim Diktieren (occasione dictationis) entstehen Fehler: si praesertim is qui pluribus aliquid describendum dictat, literas male pronunciet: vel excipientes surde audiant, nec diligenter attendant. Ita Nonius depravatus, qui ait Concelebrare esse etiam Diffamare, at librarius scribserat, diu amare: V consona pro f.81
Undeutliche Aussprache, schlechtes Gehör und unaufmerksames Zuhören können Ursachen von Fehlern sein, wenn der Schreiber, wie an diesem Nonius-Beispiel gezeigt, v (bzw. u) und f verwechselte, weil diese beiden Buchstaben ähnlich klingen. Canter und Schoppe erklären mit der similitudo am häufigsten Fälle der transpositio und mutatio von Buchstaben. Diese Fehler haben wahrnehmungspsychologische Ursachen, da sich die Sinne der Schreiber und Philologen besonders leicht durch die similitudo täuschen lassen. Daran gekoppelt finden sich noch paläographische Gründe, etwa Spezifika bezüglich der Ähnlichkeit von Buchstaben in Handschriften. –––––––––––––– 76 77 78 79 80 81
B. Rhenanus: Annotationes in Plinium, 1526, S. 32–38. Cant. Ratio emend., 1571, S. 43ff. Cant. Ratio emend., 1571, S. 59ff. Cant. Ratio emend., 1571, S. 44, 63f. Schop. Ars crit., 1597, fol. I2r, I4r. „Wenn vor allem derjenige, der mehreren [Schreibern] das Abzuschreibende diktiert, die Buchstaben schlecht ausspricht. Oder wenn die Hörenden schlecht hören oder nicht sorgfältig zuhören. So wurde Nonius verderbt, der sagte: Concelebrare esse etiam diffamare. Der Schreiber hatte aber diu amare geschrieben, also v statt des Konsonanten f.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. Fr. Andere Stellen bei Schoppe zu Fehlern wegen der Aussprache sind: fol. G4r–G4v, G7v, Hr.
280
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
5.2.3 Glossen Et dum librarii per evagationem mentis et capitis levitatem inadvertenter omittunt, dum temeriarie mutant quod non intelligunt, dum plerumque glosulas ex librorum marginibus et interlineis veluti scribenda recolligunt, nullum omnino textum philosophorum moralium, historicorum vel etiam poetarum non corruptissimum reliquerunt.82
Einen der Gründe für die Korruption von Texten macht Coluccio Salutati in den glossulae aus, den kurzen marginal und interlinear notierten Anmerkungen. Er meint damit den mittelalterlichen Kommentar-, Erklärungsund Übersetzungsapparat, der zuweilen überaus ausführlich an den dafür eigens freigehaltenen Rand der Handschriften oder zwischen die Zeilen geschrieben worden war (siehe dazu das Beispiel der Donat-Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, Abbildung 23, S. 258). Die Glossen wurden von den Schreibern häufig in den eigentlichen Text hineingenommen und verdarben so den ursprünglichen Wortlaut. Das Problem der Glossen benennen auch andere Gelehrte: Neben Angelo Decembrio erkennt beispielsweise Angelo Poliziano in seinen Miscellanea, dass ein Fehler im Hesiod durch eine in den Text geratene Glosse entstanden ist.83 Dennoch wird der Begriff der Glosse – im Mittelalter wohl weit verbreitet – nach den Erkenntnissen von Silvia Rizzo in dieser Zeit verhältnismäßig selten und vornehmlich als juristischer Terminus benutzt.84 Robortello, Canter und Schoppe behandeln alle drei das Problem der Glossen.85 Robortello bespricht einen Fall der ablatio (der Verbesserung durch das Entfernen von sprachlichen Elementen), bei dem Glossen in den Text hineingeraten sind: Itidem ablatione dictionis corrigitur locus apud Plin. lib. XI cap. 59, ubi loquitur de cognominibus Rom. ductis a naribus, et ait: hinc cognomina Simorum, Simonum, Silorum. Nimirum Silorum est legendum; Simonum et Silonum ac Simorum vocabula deleri debent ac tolli: inducta enim fuerunt ex glossemate (ut nunc vocant) et addita a librariis imperitis, qui, cum esset scriptum Silorum, non intelligentes Silos
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83 84 85
„Wegen der Ablenkung des Geistes und der Unbeständigkeit des Verstandes löschen die Schreiber [etwas] unaufmerksam, verändern leichtfertig, was sie nicht verstehen, und nehmen meistens die kleinen Glossen von den Rändern der Handschriften und jene, die zwischen den Zeilen waren, als solche, die geschrieben werden sollen, wieder [in den Text] auf. [Auf diese Weise] hinterließen sie keinen einzigen Text der Moralphilosophen und Geschichtsschreiber und auch der Dichter, der nicht überaus korrupt wäre.“ C. Salutati: De fato et fortuna, c.1399, 2,6 (ed. C. Bianca 1985, S. 48/60–66). A. Poliziano: Miscellanea centuria secunda, § 50 (ed. V. Branca & M. Pastore Stocchi 1978, S. 93/14). Nach einem Hinweis von S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 228, 234 (Fn. 2). Lessico filologico, 1973, S. 97f., 228. Rob. Ars corr., 1557, S. 8/33, 9/8; Cant. Ratio emend., 1571, S. 47 (zitiert S. 223), 50; Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v.
5.2 Erklärung von Fehlern
281
dici solitos eos, qui repandis essent naribus, ibi Simorum emendarunt, locum corrumpentes; mox alii, cum satis eam emendationem non probarent, scripserunt Simonum et Silonum, quae dictiones postea omnes in contextum irrepserunt.86
Robortello erklärt – wohl in der Sache richtig –, dass es zur Verderbnis der Plinius-Stelle (Historia naturalis 11,59,158) kam, weil die Schreiber das Wort Silorum nicht verstanden und ihm deswegen Glossen hinzusetzten. Diese verderbte Lesart wurde anschließend wiederum von anderen Schreibern kopiert, die diese Stelle nicht prüften. Auch Canter und Schoppe erklären manche Fälle von überflüssigen Wörtern mit Glossen, die in den Text geraten waren. Während Robortello nur mit einem implizit bestimmten Begriff von Glossen hantiert, liefert Canter eine knappe Definition: glossemat[a] (sic vocantur notae, quae glossas sive difficilia vocabula breviter explicant)87
Mit dieser Wortbestimmung wird eine Unklarheit in der Bezeichnung von Glossen deutlich: Glossa und glossema dienen beide als Bezeichnung sowohl für das schwierige als auch für das erklärende Wort. Robortello meint mit glossema die erklärenden Anmerkungen, Canter aber mit glossa das zu erklärende Wort und mit glossema die Erklärung. Canter definiert, dass Glosseme eben kurze Erklärungen von glossae bzw. von schwierigen Wörtern sind. Schoppe verwendet an einer Stelle glossa ähnlich wie Canter.88 Allerdings gibt er an einer weiteren Stelle eine andere Definition von Glossen und bestimmt glossae und glossemata beide als Erklärungen. Hier nennt Schoppe zwei Erscheinungsformen dieser Anmerkungen, nämlich zum einen die Marginalglosse, die an den Rand der Handschrift (ad oram & in margine libri) geschrieben wurde, und zum anderen die interlineare Glosse, die, wie Schoppe formuliert, über der Zeile (supra lineam) steht: –––––––––––––– 86
87 88
„Ebenso durch das Weglassen eines Wortes wird eine Stelle bei Plinius, Buch 11, Kap. 59, verbessert. Hier spricht er über die Namen der Römer, die von naris abgeleitet werden, und sagt: hinc cognomina Simorum, Simonum, Silorum. Freilich ist Silorum zu lesen. Die Wörter Simonum, Silonum und Simorum müssen getilgt und beseitigt werden. Denn sie wurden von unerfahrenen Schreibern aus einem Glossem (wie es jetzt heißt) eingefügt und hinzugesetzt. Geschrieben war nämlich Silorum, doch sie wussten nicht, dass man jene, die aufwärts gebogene Nasen hatten, gewöhnlich Sili nannte. Deswegen verbesserten sie zu Simorum und verdarben auf diese Weise die Stelle. Bald schrieben andere [Schreiber] Simonum und Silonum, weil sie diese Verbesserung nicht ausreichend prüften. Später nisteten sich diese Wörter alle in den Text ein.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/25–33, Hervorhebungen in ed. 1975. Vgl. dazu G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 96. „Glosseme, so heißen Anmerkungen, die Glossen oder schwierige Wörter kurz erklären“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 47. Schop. Ars crit., 1597, fol. B6v.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
De GLOSSIS hoc tenendum, bellos illos librarios superiorum saeculorum, quaecumque vel ad oram & in margine libri alicuius, vel supra lineam explanationis loco adscripta (hae enim dicuntur glossae vel glossemata) repererunt, simul in contextum recepisse, Saepe etiam, quod glossemata illa melius intelligerent, veteri & genuina scriptura expulsa.89
Trotz dieser terminologischen Unklarheiten sind sich Robortello, Canter und Schoppe in der Sache einig: Während des Abschreibeprozesses wurden Glossen in die Texte eingefügt und verdrängten im schlimmeren Fall gar den eigentlichen Text (contextus).90 Da für die Korrektur der Stelle die Glosse gestrichen werden soll, fungieren Glossen als Rechtfertigung für die ablatio bei Robortello, in der Umkehrung auch als Erklärung der modi der verba supervacua oder der verba corrupta bei Canter und Schoppe. Das Wissen um in den Text geratene Glossen ist für das Textverständnis von besonderer Bedeutung, sie zeigen, wie stark Texte im Laufe ihrer Überlieferung verändert wurden. 5.2.4 Inkompetenz Die Ursachen für Textkorruption wird oftmals mit den Schreibern und Philologen verknüpft: Fehler bei den Abkürzungen gehen auf das Unwissen des librarius zurück, der sich in seiner Unachtsamkeit von der Ähnlichkeit von Buchstaben täuschen lässt. Am deutlichsten wird die personale Komponente bei Fehlern im Zusammenhang mit Glossen: Die Schuld tragen die Schreiber, die – so vermuten Robortello und Schoppe – das eigentliche Wort nicht verstanden oder die verkannten – so wiederum Canters Annahme –, dass es sich bei den Glossen um Erklärungen handelte, sie statt dessen als Verbesserungsvorschläge deuteten und in den Text übertrugen. Ausführlich zu Ursachen von Textkorruption äußerte sich Schoppes Lehrer und Mentor Konrad Rittershausen. Im gleichen Jahr wie die Ars critica erschien Rittershausens Monitio de varietate lectionum („Warnung vor der Abweichung von Lesarten“) auf den letzten drei Seiten (fol. 3r– 3v) der zu seiner Ausgabe des Oppian-Textes beigebundenen Edition der interlinear und marginal überlieferten Scholia in Oppiani Halieutica. Ex tribus Codicibus Manuscriptis, in quibus partim inter lineas versuum, partim ad oram seu marginem adiecta erant, in unum collecta a C. R. Die kurze Abhandlung wäre –––––––––––––– 89
90
„Über Glossen ist festzuhalten: Jene wunderbaren Schreiber der vergangenen Jahrhunderte nahmen das in den Text mit auf, was sie fanden, was der zu erklärenden Stelle am Rand einer Handschrift oder über einer Zeile dazugeschrieben war und was man Glossen oder Glosseme nennt. Nachdem die alte und ursprüngliche Lesart gelöscht worden war, verstanden sie auch oft jene Glosseme besser.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. I7v. Zur Wortverwendung von contextus siehe Kapitel 4.2.5.
5.2 Erklärung von Fehlern
283
vielleicht aufgrund ihres recht entlegenen Veröffentlichungsortes der Vergessenheit anheim gefallen, hätte sie nicht Schoppe in den Anhang seiner Ars critica aufgenommen (fol. K3r–K5r, siehe Kapitel 1.3.3, S. 77).91 Den Anlass der Monitio bildet eine Beobachtung Rittershausens bei seiner philologischen Arbeit an den Texten von Plautus, Sammonicus, Sallust und Oppian. Er stellte fest, dass in den Handschriften und Drucken der Wortlaut oftmals stark differiert. Das Besondere an Rittershausens Monitio ist, dass er die beobachtete Textverderbnis konsequent auf einzelne Personengruppen zurückführt: Er ordnet die Abweichungen im Wortlaut vier causae (Ursachen) zu, und diese vier causae wiederum Gruppen von Personen. Als erste Ursache macht Rittershausen die Autoren der Texte selbst aus: Primum igitur inde eam suspicabar extitisse, quod auctores ipsi suos libros saepius ediderint (ita ut hodieque fieri videmus) &, quia deutšrai front…dej sofèterai esse consueverunt, ipsi quaedam mutarint. Priores autem editiones earumque scripturas plane abolere & extirpare non potuerunt.92
Rittershausen führt das Problem an, dass man sich deshalb nicht einmal des Wortlauts eines Originals sicher sein kann, weil der Autor – gemäß Euripides’ Ausspruch aus dem Hippolytos 436 – selbst oftmals mehrere Textfassungen auf den Weg brachte und es ihm dabei nicht gelang, die obsoleten Versionen zu vernichten. Des Weiteren seien für Textverderbnisse die Kopisten verantwortlich: Altera causa posita est in librariorum seu scripturariorum inscitia ac ruditate aut incogitantia, quod saepe manus mentem (ita ut fit) praecurreret, vel haec illam destitueret, aliud inter scribendum cogitans.93
Hier liegt es an den Schreibern (librarii oder scripturarii), die nicht in der Lage waren, jene Geistesgegenwart beim Abschreiben aufzubringen, die für fehlerfreie Kopien erforderlich ist. Einen dritten Grund erblickt Rittershausen dann in den zeitgenössischen Philologen:
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93
Zu den folgenden Ausführungen vgl. auch K. Vanek: Rittershausens ‚Monitio‘, 2005. „Nun vermute ich als Erstes, dass es deshalb entstanden war, weil die Schriftsteller – wie es auch heutzutage, wie wir sehen, passiert – ihre Bücher selbst mehrmals schrieben. Und weil ja die zweiten Gedanken die weiseren zu sein pflegten, veränderten sie selbst etwas, konnten aber die vorhergehenden Ausgaben und ihre Lesarten nicht vollständig vernichten und auslöschen.“ K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. 3r. „Der nächste Grund liegt im Unverstand und in der Unwissenheit, aber auch in der Unbedachtheit der Schreiber und Kopisten, weil ihre Hand oftmals das Denken – so wie es nun einmal passiert – überholte oder jenes [Denken] diese [Hand] im Stich ließ und beim Schreiben an etwas Anderes dachte.“ K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. 3r.
284
Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Tertiam causam confero in sciolos & criticos, qui cum ingenii sui acumen in alienis operibus elimandis ostentare vellent, saepe annotarunt quid rectius ac melius ab auctore dici potuisse videretur.94
Es sind die Halbgebildeten (scioli) und Philologen (critici), die stärker auf ihre eigene vermeintliche Originalität achteten als auf die Texttreue und so oftmals den Text verdarben. Als vierten Grund nennt Rittershausen noch die mittelalterlichen Kommentatoren: Nam cum plerique auctores classici, qui vulgo terebantur, (maxime Poëtae, & in his Graeci crebrius quam Latini) hi ergo cum suos nacti essent Scholiastas atque interpretes, qui unumquodque pene verbum verbo commu- | tarent altero, eaque interpretatio sive haec Scholia partim inter lineas versuum, partim ad oras librorum adscriberentur.95
Die scholiastae und interpretes übersetzten den Text, erklärten ihn, versahen ihn mit Anmerkungen und verdrängten zuweilen eben auch – wie Rittershausen anschließend fortfährt – den echten Wortlaut (gn»sion verbum) durch das Scholion seu Glossa.96 Jede der von Rittershausen hier erwähnten Personen ist ein potenzieller Verursacher von Fehlern. Abgesehen vom antiken Autor werden sie auch von Robortello, Canter und Schoppe zum Teil eingehend besprochen (siehe Kapitel 3). Rittershausens Konzept ist ein prägnantes Beispiel für die in dieser Zeit übliche Rückführung von Fehlern auf ihre pragmatischen, mit Handlungen verbundenen Ursachen. Dem Akteur haften Eigenschaften an, die den positiven oder negativen Ausgang der Handlung bestimmen. Wie bereits im Kapitel 3.3 ausgeführt, sind das ingenium, die eruditio und die virtus des corrector für die Textarbeit relevant. Entsprechend gehen Ursachen von Fehlern konkret auf unzureichende Kompetenz in diesen drei Bereichen zurück.
–––––––––––––– 94
95
96
„Die dritte Ursache spreche ich den Halbgebildeten und Kritikern zu, die den Scharfsinn ihres Verstandes beim Reinigen fremder Werke zeigen wollen. Dabei merkten sie oft an, was vom Schriftsteller hätte scheinbar richtiger und besser gesagt werden können.“ K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. 3r. „Denn die meisten klassischen Autoren, die allgemein im Gebrauch waren (am meisten die Dichter, und unter ihnen die Griechen häufiger als die Römer), trafen also auf die Scholienschreiber und Texterklärer. Diese veränderten fast jedes einzelne Wort durch ein anderes Wort. Außerdem schrieben sie die Erklärung oder die Scholien teilweise zwischen die Zeilen der Verse und teilweise an die Ränder der Handschriften dazu.“ K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. 3r– 3v. K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. 3v.
5.2 Erklärung von Fehlern
285
5.2.5 Fehlererklärung durch Kenntnis der Ursachen Man muß diese so beschaffenen Lesarten mit den Variantibus der Classischen Ausleger nicht vermischen; denn dieselben sind würckliche Schreibarten des Verfassers, welche er aus besondern Ursachen von Zeit zu Zeit verändert hat: Die Classischen Variantes sind bloß Fehler der Abschreiber, oder gelehrte Muthmassungen der Ausgeber [sic], und diese sind durch den dunckeln Fleiß der letztern so starck gehäuft worden, daß man jetzo die allerersten Auflagen der Classischen Autoren für die correctesten hält, weil sie am wenigsten corrigiert worden.97
Die beiden Ahnherren der Edition deutschsprachiger Texte, Johann Jakob Bodmer (1698–1783) und Johann Jakob Breitinger (1701–1776), unterscheiden im Vorwort zu ihrer Opitz-Ausgabe von 1775 mehrere Arten von Fehlern und Texteingriffen. Hier ist die Rede von den Varianten, die der Autor des Textes selbst in die Welt brachte, sowie von Texteingriffen, die auf der Überlieferung des Textes gründen. Diese Classischen Variantes sind Bodmer und Breitinger zufolge entweder die Fehler der Kopisten oder Eingriffe von Philologen. Damit greifen sie Konzepte auf, die vor ihnen bereits im 16. Jahrhundert in den Verbesserungslehren formuliert wurden. Die Rückführung von Fehlern auf (mittelalterliche) Schreiber und (frühneuzeitliche) Philologen ist ein Topos, der sogar bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann, und die Überlegung zu Autorvarianten war schon Konrad Rittershausen bekannt. In den textkritischen Methodologien des 16. Jahrhunderts erfasst vor allem Robortello Fehler als Folgen von (Fehl-)Verhalten von correctores und ihrer mangelnden Kompetenz. Robortello präsentiert ein in methodologischer Hinsicht schlüssiges Konzept der Fehlererklärung: Es gelingt ihm, die verschiedenen Fehlererklärungen zusammenzubringen und das textkritisch relevante Wissen zum wesentlichen Bestandteil der Kompetenz zu machen, das er eindrücklich an mehreren Stellen in seiner Ars corrigendi einklagt. Demgegenüber bestechen Canters und Schoppes Erläuterungen wiederum dadurch, dass sie das textkritische Wissen selbst um einiges genauer und eingehender behandeln. Eine Verbindung zu Eigenschaften von Personen wird in diesen Konzepten aber nicht hergestellt. In der Ars corrigendi-Literatur nimmt die Analyse von Textverderbnissen einen wichtigen Platz ein. Grundsätzlich werden Fehler durch ihre Genese erklärt. Die Fehlererklärung baut auf der im vorherigen Kapitel abgehandelten Beschreibung von Fehlern und Texteingriffen mit Hilfe von Typologien auf, die die phänomenologische Veränderung der Rede–––––––––––––– 97
J. J. Bodmer & J. J. Breitinger: Vorrede der Herausgeber, in: Martin Opitzens Von Boberfeld Gedichte. Von J. J. B. und J. J. B. besorget. Erster Theil. Zürich, verlegts Conrad Orell und Comp. 1745, fol. A6r (zitiert teilweise auch H. Kraft: Editionsphilologie, 1990, S. 40f.).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
teile erfasst. Die methodische Vorschrift lautet, Fehler dem richtigen Fehlertyp zuzuordnen. Wesentlich ergänzt werden die Typologien mit der Rückführung von Fehlern auf ihre Ursachen. Wie an den Beispielen der Abkürzungen, des Prinzips der similitudo und der Glossen ersichtlich wurde, führen Robortello, Canter und Schoppe Fehler unter anderem auf paläographische und wahrnehmungspsychologische Gründe zurück. In der Zusammenschau der Erklärungen von Fehlern ist der Stand des Wissens um Handschriften und Textüberlieferung beachtlich und spiegelt ein hohes Bewusstsein für die Historizität und Veränderbarkeit von Texten. Dabei stehen Robortello, Canter und Schoppe mit diesen Gedanken keineswegs alleine da, was beispielsweise ein Blick in den Iurisconsultus perfectus von 1588 eindrücklich belegt. Der anonyme Verfasser behandelt in der juristischen Methodenschrift im achten Kapitel De conciliandis legum Antinomiis („Über die Vereinbarung von Widersprüchen der Gesetze“) auch einige Regeln für Verbesserungen (regulae emendationum). Dabei geht er unter anderem auf Fehler ein, die durch Buchstabenverwechslungen, Wortversetzungen, -trennungen und -auslassungen entstanden.98 Seit Robortello, Canter und Schoppe bilden solche Beschreibungen und Erklärungen von Fehlern bis in die heutige Zeit einen festen Bestandteil von Abhandlungen zur Textkritik.99
–––––––––––––– 98 99
Anonymus: Iurisconsultus perfectus, 1588, S. 51–55. Vgl. dazu: H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 129–149. Etwa T. Birt: Kritik und Hermeneutik, 1913, S. 124–163; F. W. Hall: Companion to classical texts, 1913, S. 153–198; H. Kantorowicz: Einführung in die Textkritik, 1921, S. 29–34; J. P. Postgate: Textual criticism, 1935, S. 799–803; H. Fränkel: Einleitung zur Ed. der Argonautika des Apollonios, 1964, S. 22–47; R. Laufer: Introduction à la textologie, 1972, S. 58–65; J. Willis: Latin Textual Criticism, 1972; L. D. Reynolds/N. G. Wilson: Scribes & scholars, 1991, S. 222–233; G. Jäger: Einführung in die Klassische Philologie, 1990, S. 53; J. Delz: Textkritik und Editionstechnik, 1997, S. 59–70; K. Dover: Textkritik, 1997, S. 48–53. Weitere Hinweise in modernen Theorien der Textkritik bei M. J. Schubert: Typologie von Schreibereingriffen, 2002, S. 130 (Fn. 27).
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung 5.3.1 Textkritik in Mittelalter und früher Neuzeit Entgegen so manchem historischen Vorurteil war man schon im Mittelalter um die Qualität von autoritativer Literatur besorgt. Das Bemühen um korrekte Texte und die Bewahrung vor Korruption fanden ihren Ausdruck beispielsweise in zwei Ämtern der mittelalterlichen Universität: Der stationarius war dafür zuständig, den Lehrkörper und die Studenten mit den Schriften der Autoritäten zu versorgen, und der peciarius überwachte die Zuverlässigkeit dieser Textfassungen.100 Auch wurde im mittelalterlichen Skriptorium nachweislich mit unterschiedlichen Textfassungen gearbeitet.101 Es finden sich immer wieder Zeugnisse über Gelehrte, die über das bloße Kopieren einer Vorlage hinausgingen und mit Textredaktion beschäftigt waren – man denke an die oben erwähnte Bibelkritik von Nicolaus Maniacoria (siehe Kapitel 5.1.2.2, S. 261) oder etwa an den Abt Servatus Lupus de Ferrières (c.805–862), der sich unter anderem der CiceroPhilologie widmete.102 Hier sei ein aussagekräftiges Beispiel aus der byzantinischen Gelehrsamkeit aufgeführt: Ein anonymer Gelehrter (vor 870–n.945) beschreibt in einem Brief die Schwierigkeiten, die sich aus der Bitte des Patriarchen um die Kopie eines Textes ergeben (hier die verkürzte deutsche Paraphrase des modernen Herausgebers Athanasios Markopoulos): Um diese Arbeit so durchzuführen, wie es die Regeln erfordern ..., müsse der Text mit äußerster Genauigkeit untersucht werden, um keine Fehler zu übersehen, um etwaige Eingriffe zu korrigieren, etc. Als der Anonymus die Vorlage sah, von welcher die Kopie gemacht werden sollte, hatte er zunächst den Eindruck, daß hier eher nichts hinzuzufügen oder wegzulassen sei, und er fragte sich, ob er es einfach abschreiben solle. Gewisse Schwierigkeiten ergäben sich aber dabei, zwischen variae lectiones (z.B. CristÒj oder QeÒj) und verschiedenen Interpunktionen zu entscheiden, da immer das zu wählen sei, was den Text
–––––––––––––– 100 Vgl. A. Derolez: Art. „Pecia, petia“, LMA 6, 1993, Sp. 1847f.; S. Corsten: Art. „Stationarius“, LMA 8, 1997, Sp. 66f. 101 Zur Textkritik im Mittelalter vgl. auch H. Fuhrmann: Die Sorge um den rechten Text, 1969, S. 6f., P. G. Schmidt: Schreiber und Probleme, 1994; P. Klopsch: Überlieferung der lat. Literatur im MA, 2003, S. 91ff. Die Rolle der emendatio in der mittelalterlichen Grammatik behandelt M. Irvine: ‚Grammatica‘ and literary theory 350–1100, 1994. 102 Eine genaue Studie von Lupus’ Textarbeit am Manuskript von De oratore liefert zusammen mit einem Faksimile der Handschrift C. H. Beeson: Lupus of Ferrières as scribe and text critic, 1930. Eine Zusammenstellung von mittelalterlichen Äußerungen über Textarbeit stellte kürzlich Jürgen Wolf zusammen (Das ‚fürsorgliche Skriptorium‘, 2002, insbesondere S. 95).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
inhaltlich nicht verändere. Aus diesen Gründen schlägt der Anonymus dem Patriarchen vor, daß entweder irgendwer die Vorlage selbst verbessert oder daß die Vorlage abgeschrieben und anschließend der Text vom Anonymus überprüft wird.103
Wie der Herausgeber an anderer Stelle rekonstruiert, lagen dem Anonymus wohl mehrere Handschriften vor, die zum Teil mit Marginalnoten versehen waren – die Entscheidung der hieraus resultierenden Lesarten und die Einrichtung des richtigen Textes erachtete er als „wichtige, undankbare und zuweilen seine menschlichen Kräfte übersteigende Aufgabe“.104 In der Zeit der so genannten makedonischen Renaissance im 9. und 10. Jahrhundert, in der es unter anderem um die Umschrift von der Majuskel auf die schnellere, besser lesbare und platzsparende Minuskel ging, gab es also Gelehrte, die als Kopisten gleichzeitig mit textkritischen Fragestellungen beschäftigt waren und sich dabei um einen korrekten Text ohne Verfälschung des Inhalts bemühten.105 Das Ziel war die Herstellung von Musterexemplaren, also von Handschriften, die als Vorlagen für die weitere Verbreitung dieser Texte dienten. Der Anonymus bezog sich ja offenbar auch auf „Regeln“, was erkennen lässt, dass es methodische Vorstellungen gab, an denen sich die Textarbeit orientierte. Außerdem werden verschiedene Möglichkeiten der Textbehandlung angesprochen: die getreue Wiedergabe der Vorlage, die verbesserte Abschrift und die Textrestitution auf der Grundlage mehrerer Textfassungen. Ausgehend von einer ausgesprochen günstigen Quellenlage rekonstruierte Remigio Sabbadini die Vorgehensweise des Giovanni Andrea Bussi (1417–1475) bei seiner Edition der Naturalis historia von Plinius.106 Der Bischof und spätere Bibliothekar in der Vaticana wählte als Textvorlage den (heute erhaltenen) Kodex Angelicanus lat. 1097 aus der römischen –––––––––––––– 103 A. Markopoulos: Einleitung, 2000, S. 64* (Hervorhebung bei Markopoulos). Für den griechischen Wortlaut des entsprechenden Briefes (Nr. 88) vgl.: Anonymus: Epistolae, ed. A. Markopoulos 2000, S. 78ff. Den Hinweis und eine kurze Besprechung dieses Zeugnisses liefert H. Hunger: Schreiben und Lesen in Byzanz, 1989, S. 65. 104 Eine ausführlichere Interpretation dieses Briefes legte der Herausgeber des Epistolars bereits früher in einem kurzen Artikel vor. Hier paraphrasierte Markopoulos den Anonymus auf Französisch: „Dans sa brève introduction notre auteur souligne que son travail était important, ingrat et dépassant parfois ses forces humaines.“ A. Markopoulos: La critique des textes au Xe siècle, 1982, S. 32. 105 Vgl. H. Hunger: Schreiben und Lesen in Byzanz, 1989, S. 64ff. 106 R. Sabbadini: Le edizioni quattrocentistiche di Plinio, 1900, S. 443. Diese Rekonstruktion wird in der Forschung häufig an- und weitergeführt, siehe dazu etwa E. J. Kenney: Character of humanist philology, 1971, S. 123f.; E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 14; J. Monfasani: The first call for censorship, 1988, S. 3f. (in Fn. 6 weitere Literaturhinweise). Die nachfolgende Darstellung berücksichtigt auch die Ausführungen von A. Grafton: Printers’ correctors and the publication of classical texts, 2001, S. 148–151, und G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 110f.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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Bibliothek.107 Nach der Prüfung dieser Vorlage verbesserte er die Fehler durch Konjektur und den Vergleich mit anderen Handschriften direkt im Text und ließ ihn in zwei Teilen abschreiben. Diese Handschriften, von denen eine ebenfalls überliefert ist (Vaticanus lat. 5991), korrigierte er noch einmal, schrieb seine Verbesserungen an den Rand und ließ nach ihnen in der Offizin von Conrad Sweynheym und Arnold Pannartz den Text 1470 nur ein Jahr nach der editio princeps drucken. Allerdings wurde Bussi wegen dieser Arbeit bereits zu seiner Zeit heftig angefeindet – die Plinius-Edition wurde zum Anlass für Niccolò Perottis Appell, die Philologie unter Aufsicht zu stellen (siehe Kapitel 3.2.4). Auch waren viele seiner Eingriffe in den Text verkehrt.108 Wenn er in seinem Bemühen um Textverbesserung nicht sonderlich erfolgreich war, ließ er sich dabei dennoch nachweislich von methodischen Grundsätzen leiten: Er prüfte den Text der Handschrift, die als Vorlage diente, und verbesserte ihn durch Konjekturen sowie durch Lesarten, die er in anderen Handschriften fand. Für die textkritischen Tätigkeiten, die beim Anonymus oder bei Bussi eine Rolle spielten, finden sich im philologischen Wortschatz des 15. Jahrhunderts nach der Rekonstruktion von Silvia Rizzo allgemeine Begriffe wie emendare, corrigere und conferre. Unter emendare oder corrigere wurden in der Ars corrigendi-Literatur des 16. Jahrhunderts die beiden Verfahren der Textverbesserung subsumiert. Robortello beschreibt sie folgendermaßen: Et quoniam corrupta auctorum loca emendantur aut coniectura, aut ex veterum librorum, qui manuscripti sunt aut impressi, scriptione, de utroque modo nobis est dicendum.109
Ähnlich drückt es Canter aus: Quo primum tempore Aristidem oratorem ... edidimus, quoniam in eo scriptore permulta loca partim coniectura sagaci, partim veterum librorum collatione emendaveramus.110
–––––––––––––– 107 Zur Person von Bussi (auch: de Buxis) vgl. J. Bignami Odier: La bibliothèque Vaticane de Sixte IV à Pie XI, 1973, S. 13f. 108 E. J. Kenney: Classical text, 1974, S. 14. 109 „Und weil verdorbene Stellen der Autoren durch eine Vermutung oder mittels des Wortlauts alter Bücher, die entweder handgeschrieben oder gedruckt sind, verbessert werden, soll hier von beiden Arten die Rede sein.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 2/31–34. 110 „Wir gaben den Redner Aristides ... zum ersten Mal heraus, nachdem wir sehr viele Stellen in diesem Schriftsteller teils durch scharfsinnige Vermutung, teils durch den Vergleich mit alten Handschriften verbessert hatten.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 3. Zwei ähnliche Stellen finden sich auf S. 4f. Vgl. auch das Vorwort von 1566 (S. 636) und das Ad lectorem von Canters Novae lectiones von 1566 (S. 10).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Und auch Schoppe spricht über zwei Arten von Verbesserungen und stimmt mit Robortello und Canter überein, dass man beim Verbessern entweder auf alte bzw. handgeschriebene Bücher (libri veteres bzw. manuscripti) oder auf eine Vermutung (coniectura) zurückgreifen muss.111 In dieser Zeit war man sich darin einig, dass beim Verbessern diese beiden Methoden anzuwenden waren:112 Einerseits gewinnt man eine Verbesserung, indem man eine korrupte Stelle durch eine richtige Lesart aus einer anderen Handschrift ersetzt. Diese Art der Verbesserung nennen unsere Autoren emendatio ex libro oder ope codicum. Andererseits geht es um die Konjektur, also um eine Verbesserung, die auf einer Vermutung des corrector gründet, die emendatio ex ingenio oder ope coniecturae genannt wurde.113 5.3.2 Emendatio ope codicum Der emendatio ope codicum liegt ein Vergleich verschiedener zugrunde. In dieser Hinsicht fasst der Ausdruck collatio, den Canter zuweilen dafür gebraucht, den Sachverhalt exakter. Das häufiger benutzte Verb conferre bezeichnet zum einen den Abgleich der Abschrift mit der Vorlage, zum anderen den Vergleich von unterschiedlichen Textfassungen.114 Die Abschriftenkontrolle stammt aus der handschriftlichen Textproduktion und fand im Buchdruck eine Fortsetzung im Korrekturlesen. In der arbeitsteiligen Organisation des Buchdrucks wurde sie meist – wie es Viglius 1534 in seinem Brief über den Arbeitsablauf in einer Druckerei beschrieb (siehe Kapitel 3.1, S. 159) – von einem corrector oder von einem (vorlesenden) lector in Zusammenarbeit mit einem (die Korrekturen eintragenden) corrector –––––––––––––– 111 Schop. Ars crit., 1597, fol. I6r. 112 In den testimonia finden sich diesbezüglich folgende Stellen: Frut. Verisim., 1584, fol. D4v; Lips. Somn., 1585, fol. E4v, E5v. Vgl. auch Isaac Casaubons Rede von der emendandi veteres auctores duplex ... via: e libris scriptis, & ex ingenio (I. Casaubon: Ad lectorem, in: I. Casaubon: Animadversiones, 1600, fol. ¶6r; auf diese Stelle verweist M. Pattison: Isaac Casaubon, 1875, S. 531). Vgl. schließlich noch Petrus Colvius’ (1567–1594) Vorwort zu seiner ApuleiusAusgabe von 1588, in dem er berichtet, er habe begonnen, alte Bücher zu Rate zu ziehen (editiones veteres consulere) sowie aus ihrem Vergleich (ex earum collatione) und aus dem Vergleich von untereinander abweichenden Lesarten (ex comparatione variarum lectionum inter se) den Text zu vervollständigen und schließlich Hilfe bei Vermutungen (coniecturae) zu suchen (in: Apuleius: Opera omnia, ed. P. Colvius 1588, fol. *3v). 113 Zum Beispiel: Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 5; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r. Die Ausdrücke emendatio ope codicum und emendatio ope ingenii bzw. coniecturae, die sich heute als Beschreibung der beiden Verfahren in der frühen Neuzeit eingebürgert haben, sind keine Wendungen, die damals durchgängig als feste Termini gebraucht wurden. Vielmehr orientiert sich die Forschung hier wohl an der Beschreibung, die Sebastiano Timpanaro in seiner Studie über die Geschichte der textkritischen Methode vorlegte (Lachmannsche Methode, 1971, S. 2). 114 Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 246–249. Zur Abschrift vgl. auch S. 171–184.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
291
durchgeführt.115 Über die Zusammenarbeit von correctores und lectores bemerkt Hieronymus Hornschuch in der Orthotypographia: Iam Correctoris quoque est, sic se assuefacere, ut in legendo ad minimum una dictione lectorem antevortat. Eo enim pacto aliquanto prius corrigenda videbit & ad marginem annotabit, quam eum Lector assequetur. Ubi tamen Lectoris fuerit, si animadvertet Correctorem erratorum multitudine detineri, ut tardius legat, aut paulisper subsistat.116 Ferner ist dem Correctori zustndig/ sich also zu gewehnen/ daß er im lesen zum wenigsten mit einem Worte den Lectorem zuvor komme. Denn auff diese Weise wird er etwas eher sehen/ was zu corrigiren, und es auff den Rand zeichnen/ ehe ihn noch der Lector mit dem Lesen uberholet. Doch wil dem Lectori dißfalls geb(ren/ so er mercken wird/ daß der Corrector, wegen Vielheit der Erraten, auffgehalten wird/ daß er desto langsamer lese/ oder ein wenig inne halte.117
Hornschuch nimmt hier auf das Phänomen Bezug, dass der lector den Text laut vorliest, während der corrector den Probedruck auf Nichtübereinstimmungen und Fehler durchsieht.118 Eine ähnliche Arbeitsweise greift Schoppe im Zusammenhang mit der handschriftlichen Textproduktion auf und nennt Fehler – was auch in seinen typus (Abbildung 22, S. 255) eingeht –, die von den scribentes, sowie jene, die von den dictantes verursacht werden. Die Unterscheidung zwischen Fehlern beim Schreiben und beim Vorlesen stammt, wie in Kapitel 5.1 gezeigt wurde, aus der Tradition der Fehlersystematiken in der Grammatik. Schoppe entwickelt diesen Gedanken weiter und macht als Gründe für Fehler die schlechte oder überhastete Aussprache (mala oder praecipitata pronuntiatio) des Vorlesenden aus sowie die Ähnlichkeit mancher Laute (siehe Kapitel 5.2.2, S. 258).119 Heute wird bezweifelt, dass in den Skriptorien laut diktiert wurde. Als wahrscheinlicher gilt, dass solche Fehler, die Schoppe etwa durch die mala pronuntiatio des Vorlesenden erklärt, möglicherweise auf eine Art inneres Diktat bzw. leises Vorlesen des Schreiberlings zurückgehen.120
–––––––––––––– 115 Vgl. H. Grimm: Der Beruf Korrektor im 16. Jhd., 1964; J. Gerritsen: Printing at Froben’s, 1991, S. 150f.; L. Deitz: Frühneuzeitliche Texte und ihr heutiges Publikum, 2000, S. 124. 116 H. Hornschuch: Orthotypographia, 1608, S. 17. 117 H. Hornschuch: Orthotypographia teutsch, 1634, S. 19 (Hervorhebungen in ed. 1634). 118 Vgl. dazu auch H. Grimm: Der Beruf Korrektor im 16. Jhd., 1964, S. 188f.; M. Boghardt: Vorwort Ed. Hornschuch: ‚Orthotypographia‘, 1983, S. 29f. 119 Ars crit., 1597, fol. Fr, G7v, Hr. Schoppe spricht auch allgemein von Fehlern des Vorlesers (fol. Fv, Hr) und über einen Fehler, der durch die Ähnlichkeit der menschlichen Stimme (vox humana) entstand (fol. G4r–G4v). Mit vox bezeichnet er auch das Wort, siehe Kapitel 4.2.4. 120 Vgl. entsprechende Bemerkungen bei F. Brunhölzl: Codices archetypi, 1971, S. 30; P. Saenger: Lesen im Mittelalter, 1999, S. 192f.; P. Klopsch: Überlieferung der lat. Literatur im MA, 2003, S. 92.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
In der Ars corrigendi-Literatur ist die zweite Bedeutung von collatio maßgeblich, dass Texte miteinander verglichen werden bzw. eine Vorlage mit anderen Textfassungen.121 Als Ausgangstext dient meist eine einzelne Textfassung. Die Wahl des Angelicanus lat. 1097 als Vorlage für Bussis Plinius-Ausgabe bestimmte sich allerdings weniger durch ihre Qualität als durch ihre Erreichbarkeit und einfache Lesbarkeit.122 Eine freie Auswahl der Textvorlagen, aber auch ihre Zugänglichkeit waren in Zeiten fehlender Bibliothekskataloge und beschwerlichen Reisens nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der kritischen Durchsicht wird die Vorlage mit einer oder mehreren weiteren Textfassungen verglichen, wobei als Korrekturexemplare Handschriften und Drucke in Betracht kommen. So spricht Canter von verbesserten Lesarten mit Hilfe von (mehreren) Büchern und Robortello vom Vergleich mit Lesarten aus Büchern, die handgeschrieben oder gedruckt sind (qui manuscripti sunt aut impressi).123 Bei Schoppe lesen wir wiederum über die richtige Methode durch den Gebrauch der besten Handschriften und durch den Vergleich mit gedruckten Ausgaben (optimorum manuscriptorum usu & cum impressis comparatione).124 Als Korrekturexemplare werden editiones principes oder gedruckte Ausgaben herangezogen, die als textus receptus eingebürgert sind. Im Vorwort zu seiner Apuleius-Ausgabe von 1594 erläutert Bonaventura Vulcanius, wie er bei der collatio des Textes konkret vorgegangen ist: Cum vero ms. exemplar meum quod secutus sum, non omni ex parte ita fuerit probum, quin & suos habuerit naevos; non omnia promiscue in quibus ab excuso discrepabat in contextum recipienda iudicavi, sed ubi excusi | codicis lectio non incommoda videbatur, eam reliqui, & variam veteris Codicis lectionem annotavi; meam quoque de nonnullorum locorum emendatione sententiam paucissimis verbis adieci.125
Nach eigener Aussage konstituierte Vulcanius seinen Apuleius mit Hilfe von zwei Textquellen: einem codex vetus und einem codex excusus, also mit einer Handschrift und einer gedruckten Ausgabe. Bei Letzterer handelt es sich wohl um die Edition des jungen Brüggener Juristen Petrus Colvius.126 –––––––––––––– 121 122 123 124 125
Vgl. auch S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 253–256. G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 110. Cant. Ratio emend., 1571, S. 6; Rob. Ars corr., 1557, S. 2/31–34, zitiert S. 289. Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. Vgl. auch Riv. Castig., 1539, fol. E7v. „Weil aber meine Handschrift, der ich folgte, nicht überall so fehlerfrei war, weil sie Flecken hatte, urteilte ich, dass nicht alles, worin sie sich vom Druck unterschied, ohne Unterschied in den Text aufgenommen werden darf. Aber dort, wo die Lesart des gedruckten Buches nicht unpassend schien, ließ ich sie und schrieb die davon abweichende Lesart der alten Handschrift dazu. Auch setzte ich meine Auffassung über die Verbesserung von einigen Stellen in ganz wenigen Worten dazu.“ Vulc. Praef., 1594, fol. E3v–E4r. 126 Zu den Apuleius-Ausgaben von Colvius und Vulcanius vgl. R. Häfner: Frühneuzeitliche Apuleius-Editionen, 2004, S. 198ff.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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Diese Textfassung verbessert Vulcanius mit Hilfe einer Handschrift, deren Lesarten er grundsätzlich als die besseren beurteilt. Allerdings sei die Handschrift an manchen Stellen durch Flecken beschädigt. Dort hält er sich an die Textfassung der gedruckten Ausgabe. Auch an anderen Stellen, wo ihm die Lesung der Colvius-Ausgabe einleuchtender erscheint, entscheidet er sich für diese Textfassung, bewahrt aber die varianten Lesarten der Handschrift in Form von Marginalglossen. Auch behält er sich vor, seine Entscheidungen kurz zu begründen. Philologen beschrieben die handschriftliche Grundlage ihrer Kollationen, die sie für die Texteinrichtung in Ausgaben benutzten oder als notae-Sammlungen separat veröffentlichten. Auch dies illustriert den hohen Stellenwert des Handschriftenvergleichs als Verfahren zur Verbesserung von Texten im 16. Jahrhundert, was Lucas Fruterius auf den Punkt bringt: Hoc ego emendationis genus esse praesentissi- | mum iudico & optimum, quod ex ipso auctore auctoritatem accipit & vigorem.127
Man stimmte also darin überein, dass der Handschriftenvergleich die „unmittelbarste und beste Methode der Verbesserung“ sei. 5.3.3 Emendatio ope coniecturae Die Konjektur kommt zum Einsatz, wenn die Hilfe der Handschriften versagt: Altera est emendandi ratio, quae nititur coniectura. Ea duplici modo necessaria, vel cum destituti sumus praesidio optimorum librorum, vel cum optimi libri etiam interdum depravati sunt.128
Robortello benennt hier die Grenzen des Handschriftenvergleichs. Diese Methode kann demzufolge in zwei Fällen nicht angewendet werden: erstens, wenn überhaupt keine Handschriften und zweitens, wenn nur verderbte Handschriften des Textes überliefert sind. In diesen beiden Fällen kann der Textkritiker nur coniecturae über die richtige Lesart anstellen. Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Fruterius: –––––––––––––– 127 „Ich urteile, dass diese Art der Verbesserung die unmittelbarste und beste ist, weil sie das Ansehen und die Lebhabftigkeit aus dem Schriftsteller selbst übernimmt.“ Frut. Verisim., 1584, fol. D5r–D5v. 128 „Das andere Verfahren des Verbesserns ist jenes, das sich auf die Vermutung stützt. Dieses ist in zwei Fällen notwendig, entweder wenn wir ohne Schutz der besten Handschriften sind, oder wenn die besten Handschriften unterdessen ebenfalls verderbt sind.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 5/13ff. Vgl. auch S. 7/34f. (zitiert S. 251) oder die Stelle im Widmungsbrief zu seiner Aischylos-Ausgabe (zitiert S. 267). Vgl. auch Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
illi enim conquisitis passim scriptis codicibus auctoribus bonis eam dignitatem reddunt, quam suis aliquando temporibus habuerunt; aut si id fallit, ingenio suo ad eam rem pudenter tractandam utendum iudicant.129
Statt der Handschriften entsteht die Alternative aus der coniectura, die der Verstand (ingenium) des corrector hervorbringt oder, wie es Lipsius ausdrückt, durch die Verlässlichkeit des Verstandes (fiducia ingenii) entsteht.130 Seltener wird in diesem Zusammenhang der Begriff des Vorstellungsvermögens (divinatio) gebraucht.131 In Fruterius’ Mahnung, den Verstand zurückhaltend und vorsichtig (pudenter) anzuwenden, klingt eine Ambivalenz der methodischen Bewertung der Konjektur durch, die Rizzo auch bei Gelehrten wie Poliziano festhält.132 Man weiß um die Unausweichlichkeit von Konjekturen, verbindet mit dem Thema aber warnende Hinweise. Auch Robortello notiert die Unsicherheit von Konjekturen: Si destituti sumus, iudicio opus est magno, auditores; periculum enim est ne labamur, et coniectura nos fallat.133
Etwas später zweifelt er die Verlässlichkeit von Eingriffen an, die nur aufgrund des geistigen Wahrnehmungsvermögens (sensus) und des ingenium des Philologen angestellt werden und keine handschriftliche Evidenz besitzen.134 Auch spricht er davon, dass man bei Konjekturen vorsichtig (caute) vorgehen muss.135 Konjekturen bleiben vor allem in schwierigen Fällen zwangsläufig unsicher bleiben, nach Schoppe etwa bei ganzen fehlenden Wörtern. In diesen Fällen kann die ganze Einbildungskraft (omnis divinatio) des Lesers, können die weisesten Gelehrten (sagicissimi homines) –––––––––––––– 129 „Denn sie geben den guten Schriftstellern ihre Würde zurück, die sie einst in ihrer eigenen Zeit genossen hatten, indem sie Handschriften von überall her zusammentrugen. Oder aber, wenn dies scheitert, dann urteilen sie mit ihrem Verstand, den sie dazu benutzen, um diese Angelegenheit zurückhaltend zu erörtern.“ Frut. Verisim., 1584, fol. D4v. 130 Lips. Somn., 1585, fol. E4v. Zur Konjektur vgl. außerdem: Riv. Castig., 1539, fol. E7v (zitiert S. 171); Rob. Ars corr., 1557, S. 2/32, 5/13f., 5/17f., 5/22, 5/24, 5/26, 7/34f., 16/33; Cant. Ratio emend. (praef. 1566), S. 636; Cant. Ratio emend., 1571, S. 3, 4, 5, , 42; Mur. Var. lect., 1580, fol. Er; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r; Lips. Somn., 1585, fol. E5v, E6r; Lips. Praef., 1585, fol. E2v; Vulc. Praef., 1594, fol. E3r, E3v; Schop. Ars crit., 1597, fol. A8r, Br, Bv, C6v, Gv, G7v, H6r, I6r. 131 Divinatio: Lips. Somn., 1585, fol. E6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. H6r. Schoppe benutzt auch das Verb divinare: Ars crit., 1597, fol. G6v, G7r. Silvia Rizzo verzeichnet für das 14. und 15. Jahrhundert allerdings noch einen wesentlichen Bedeutungsunterschied zwischen divinatio und coniectura, da divinatio stärker Irrationales bezeichnete, gar eine Art göttliche Inspiration (Lessico filologico, 1973, S. 290). 132 S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 287–293. 133 „Wenn wir also ohne [Handschriften] sind, dann, Hörer, ist große Urteilskraft vonnöten. Denn es besteht die Gefahr, dass wir fehlgehen und unsere Vermutung uns täuscht.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 5/15ff. 134 Rob. Ars corr., 1557, S. 5/24ff., zitiert S. 180. 135 Rob. Ars corr., 1557, S. 11/26f.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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nichts ausrichten, diese Konjekturen werden immer unsicher bleiben.136 Janus Gulielmus stellt darauf ab, dass bei Konjekturen die Gefahr besteht, dass eine solche Verbesserung oft verdreht und leer (correctio irrita & inanis), manchmal gar waghalsig und gefährlich (temeraria & periculosa) sein kann.137 Ein weiteres Problem wird darin gesehen, dass viele Philologen beim Konjizieren willkürlich in die Texte eingreifen. Dagegen wettert Bonaventura Vulcanius im Vorwort seiner Apuleius-Ausgabe: incredibile dictu est, quanta licentia, quamque indignis modis in veterum authorum scripta saevierunt, dum passim pro | sua libidine vocabula vel in speciem corrupta, vel alioqui parum ab ipsis intellecta proterve reiiciunt, atque e nuda plerumque coniectura, quaeque nulla Ms. codicis authoritate nitatur, casca quaedam, & iam inde ab Euandro petita vocabula substituunt, magnum operae pretium fecisse rati, si se ¢rca…ouj esse aliis probaverint.138
Die Textkritik des Apuleius war nach Vulcanius’ Einschätzung bisher von willkürlicher Konjekturalkritik bestimmt, und der Text dadurch gründlich verdorben worden. Besonders tadelt Vulcanius hier die Mode der Zeit, offenbar verdorbene Wörter mit Wörtern ältererer Sprachstufen zu ersetzen. Das stand im Zusammenhang mit der schwierigen Sprache des Apuleius, die Filippo Beroaldo schon früher als Ursache für schlechte Textüberlieferung ausgemacht hatte: Apuleius Madaurensis plurimis scatet mendis, propterea quod plurimae eius lectionis [sic] sunt infrequentes, quae res scriptorem luculentum atque eruditum non solum redit scrupulosum, sed etiam in dies magis mendosum facit.139
Besonders vehement beschimpft neben Beroaldo und Vulcanius auch noch Isaac Casaubon jene Philologen, die der Attraktion erlagen, die archaische Wörter offensichtlich auf die frühneuzeitlichen Gelehrten ausübte. In dem von Schoppe angeführten testimonium von Casaubon liest man dazu: –––––––––––––– 136 Schop. Ars crit., 1597, fol. H6r, I6r. Ähnlich auch Frut. Verisim., 1584, fol. D5v. 137 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r. 138 „Es ist unglaublich, mit wie viel Ungezügeltheit und wie unwürdig sie in den Schriften der alten Schriftsteller wüteten, insofern überall Wörter aus [einfacher] Laune heraus in ihrer Gestalt verdorben werden. Auch sonst weisen sie das, was sie zu wenig verstehen, dreist zurück und ersetzen das Meiste mit einer bloßen Vermutung, die sich auf keinerlei Autorität einer Handschrift stützt, mit irgendwelchen uralten Wörtern, die schon Evander benutzte. Indem sie Anderen gegenüber bewiesen, dass sie überaus alt sind, meinten sie, dass sie ein großes Verdienst erwerben würden.“ Vulc. Praef., 1594, fol. E3r–E3v. Zur Willkür (temeritas) als Grund für Verderbnis vgl. auch Riv. Castig., 1539, fol. E7v (zitiert S. 171). 139 „Apuleius von Madaura wimmelt von Fehlern, weil sehr viele seiner Ausdrücke wenig gebräuchlich sind, was diesen glänzenden und gebildeten Schriftsteller nicht nur zur dornigen Lektüre, sondern auch von Tag zu Tag noch fehlerhafter macht.“ F. Beroaldo: Annotationes, 1488, fol. ir (lat. Text und dt. Übersetzung zit. nach K. Krautter: Beroaldos Kommentar zu Apuleius, 1971, S. 37f.).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Atqui hic est hodie solemnis & ™pid»mioj nostrorum Criticorum morbus: qui simul aliquid nove & inusitate dictum alicubi observarunt, statim quaerunt ubi possint apud alium scriptorem aut eum ipsum alio loco intrudere suam illam observatiunculam magnificis | prius verbis venditatam. hac ratione integerrimi atque incorruptissimi auctorum loci, ceu corrupti & depravati corriguntur. tÕ de; Ólon, perišsth ¹ nîn [recte: nàn] kritik¾ e„j ¢kris…an, ¹ tîn palaiîn xuggrafšwn diÒrqwsij e„j paradiÒrqwsin, ¹ swthr…a e„j ¢pèleian.140
Allerdings stehen solche skeptischen bis offen ablehnenden Haltungen zur Methode der Konjektur im Widerspruch zum Stellenwert, den Beispiele von Konjekturen in den Abhandlungen tatsächlich einnahmen. Textkritik wurde im 16. Jahrhundert bezüglich der Anwendung von Handschriftenvergleich und Konjektur von corrector zu corrector unterschiedlich gehandhabt. Anthony Grafton zeigte beispielsweise, dass Scaliger in seiner Edition des Catull den Text hauptsächlich mit Hilfe des Handschriftenvergleichs verbesserte, in seiner anschließenden ManiliusAusgabe dagegen vor allem mit Konjekturen.141 Auch Robortello scheint viel Konjekturalkritik betrieben zu haben, was Piero Vettori schon früh zu einer kritischen Mahnung veranlasste. Am 1. Februar 1540 antwortete Vettori auf einen Brief, in dem Robortello ihm einige Lesarten zur Begutachtung geschickt hatte: Pauca ista, quae ad me in epistola tua adnotata misisti libenter legi; non nulla probavi; cetera ex ingenio potius restituta cognovi, quam ex antiquis exemplaribus sumpta: huiuscemodi autem ratio libros corrigendi, quam periculosa sit, omnes iam noverunt.142
In der Tat widmet Robortello den überwiegenden Teil seiner Abhandlung der Exposition und Diskussion von Konjekturen. Ähnliches gilt für Canter und Schoppe, die auch in ihren Abhandlungen systematische Sammlungen von Lesarten aus Handschriften und von Konjekturen vorstellen. Auch wenn Robortello, Canter und Schoppe übereinstimmend beteuern, –––––––––––––– 140 „Und dies ist heute die übliche und heimische Krankheit unserer Kritiker: Sobald sie beobachten, dass irgendwo etwas neu oder selten gesagt wurde, suchen sie sofort danach, wo sie bei einem anderen Schriftsteller oder bei dem gleichen an einer anderen Stelle ihre [lächerlich] kleine Entdeckung, die sie mit wunderbaren Worten vorher preisen, hineindrängen können. Durch dieses Verfahren werden die unberührtesten und unversehrtesten Stellen der Schriftsteller genau so wie die verderbten und versehrten verbessert. Im Großen und Ganzen verwandelt sich die heutige Kritik in Unkritik, die Verbesserung der alten Autoren gerät zur Verschlimmbesserung, das Heile zum Verdorbenen.“ Casaub. Animad., 1596, fol. E2v–E3r. Bei dieser Übersetzung hat mir Sasha Kirichenko geholfen. 141 Zur Edition von Catull: A. Grafton: Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 165–176; für die Manilius-Ausgabe S. 186–192. 142 „Ich habe das Wenige, was Du angemerkt und mir in Deinem Brief geschickt hast, gerne gelesen. Einiges billigte ich. Ich erkannte, dass das Übrige stärker aus dem Verstand hergestellt wurde, anstatt aus der Sichtung von alten Handschriften. Aber wie alle bereits wussten, ist diese Art der Verbesserung alter Bücher gefährlich“ P. Vettori: Epistolae, 1586 (ed. & it. trad. G. Pompella 1991), S. 46ff.; hier: S. 47.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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dass der Handschriftenvergleich vorrangig ist, steht dennoch beim genauen Hinsehen in allen drei Abhandlungen die Konjektur im Mittelpunkt. 5.3.4 Die Rechtfertigung von Textverbesserung Folgt man dem Altertumswissenschaftler August Boeckh (1785–1867), wonach man „im Allgemeinen behaupten kann, dass von 100 Conjecturen, welche die Kritiker machen, nicht 5 wahr sind“, so handelt es sich bei Konjekturen um freie Einfälle der Philologen, geschöpft aus dem unendlichen Reich der Phantasie.143 Diese Skepsis gegenüber Konjekturen hat eine lange Tradition: Unter den beiden Verfahren der Verbesserung sind etwa nach Meinung von Justus Lipsius die Handschriften diejenigen, die einen ausreichend sicheren und geschützten Weg (via satis certa & tuta) bieten, wohingegen Konjekturen eine lubrica via darstellen, einen Weg, auf dem man ausrutschen und auf die Nase fallen kann.144 Und Schoppe warnt vor der krankhaften Verbesserungs- und Interpolationswut (corrigendi vel interpolandi cacoëthes) jener Gelehrten, die es nicht gelernt haben, mit Handschriften umzugehen (nullis manuscriptis instructi).145 Konjekturen sind niemals sicher, zumal wenn es sich um willkürliche Eingriffe handelt: Vel summae librariorum neglegentiae & oscitantiae hoc peccatum imputamus, vel compendiosae eorum scripturae... quando priori modo peccatum, scito semel, mi Critice, omnem tuam divinationem, nisi quid libri scripti auxilio sient, incertam & periculosam esse.146
Vor Schoppe zweifelte schon Johannes Rivius grundsätzlich die Möglichkeit an, solche Fehler mit Konjekturalkritik zu beheben: quod nulla re perinde optimos quosque corruptos & depravatos esse auctores existimem, atque temeritate illa sciolorum quorumdam facile quidvis immutantium. Itaque nihil ferme uspiam citra exem- | plarium veterum fidem atque consensum temere sum immutare ausus.147
–––––––––––––– 143 144 145 146
A. Boeckh: Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften, 1877, S. 175. Lips. Somn., 1585, fol. E5v. Schop. Ars crit., 1597, fol. A7r. „Entweder wir legen dieses Vergehen dem ungeheuren Unwissen und der Unaufmerksamkeit der Schreiber zur Last oder ihrer abgekürzten Schreibweise. ... Wenn es um den ersten Fall von Vergehen geht, dann, mein Kritiker, wisse ein für alle Mal, dass all Deine Einbildungskraft unsicher und gefährlich ist, wenn es keine Handschriften zur Hilfe gibt.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. H6r. Siehe dazu auch fol. I6r. 147 „Ich glaube, dass die besten Autoren durch keine Sache so sehr verderbt worden sind wie durch jene Waghalsigkeit gewisser Halbwisser, die leichtfertig etwas veränderten. Deshalb wagte ich es nicht, irgendetwas blindlings ohne die Verlässlichkeit und die Übereinstimmung der alten Handschriften zu verändern.“ Riv. Castig., 1539, fol. E7v–E8r. Gleichgerichtete Äußerungen finden sich auch bei Robortello (Ars corr., 1557, S. 2/24–28, 9/11f., 11/5f.) und Canter (Ratio emend., 1571, S. 42).
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Konjekturen können nur durch handschriftliche Evidenz bestätigt werden. Freilich ist auch das Vertrauen in Handschriften durch die vielfach voneinander abweichenden Lesarten grundlegend erschüttert, was auch zur Einsicht in die Historizität und Veränderbarkeit des Wortlauts führt (siehe Kapitel 4.2.5). Schoppe behauptet dazu: In illis itaque libris sine dubio longe vetustissimis & optimis, tanta monstra latere, ut fere mendarum hospitia appellari queant, illi lucumones nostri non possunt non mirari. Sed quod de optimis quibusque libris verissimum hoc sit, eosdem esse mendosissimos.148
Schoppe bewertet sogar die besten Handschriften (optimi libri) als voller Fehler (mendisissimi) und zweifelt an ihrer Verlässlichkeit. Allerdings stößt man in den Verbesserungslehren auf einige Indikatoren für die Sicherheit von konjekturalen Eingriffen und Entscheidungen bei untereinander abweichenden Lesarten, die in der Rechtfertigung als Argument angeführt werden. 5.3.4.1 Die fides: Kompetente correctores und verlässliche Handschriften Der Gegenstand textkritischer Arbeit ist der Wortlaut einer Textstelle (siehe Kapitel 4.2.3), der dann in Frage steht, wenn er keinen Sinn gibt oder mittels eines Vergleichs zweier Textfassungen voneinander abweichende Lesarten (lectiones variantes) festgestellt wurden. Für ein methodisches Vorgehen müssen beim Handschriftenvergleich die verwendeten Handschriften offen gelegt werden. Das geschieht etwa in den Vorworten von Editionen und notae-Sammlungen. Canter und Schoppe beschreiben in ihren Verbesserungslehren genau, welche Handschriften sie zur collatio heranziehen. Allein für die Textstellen zum Aristides greift Canter auf folgende verschiedene Quellen zurück: Nam praeter nostras coniecturas, et collationem orationum duarum ab Aldo editarum, atque etiam codicem ab A. Arlenio cum vetere quodam collatum, tribus manuscriptis post Aristidem iam editum usi nos sumus.149
Canter nennt abgesehen von eigenen Konjekturen seine AristidesÜbersetzung von 1566, zu deren Behelf er zwei Reden verglich, die von –––––––––––––– 148 „In jenen Büchern, die zweifelsohne bei weitem die ältesten und besten sind, sind demnach so viele Ungeheuerlichkeiten verborgen, dass sie in der Regel als Hort der Fehler bezeichnet werden können – darüber müssen sich sogar unsere Lucumonen wundern. Aber die höchste Wahrheit über die besten Bücher ist, dass sie überaus fehlerhaft sind.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. A3v. 149 „Denn abgesehen von unseren eigenen Konjekturen, von dem Vergleich zweier Reden, die Aldo gedruckt hatte, sowie noch von einer Handschrift, die A. Arlenius mit einer alten verglichen hatte, habe ich außer dem eben erst gedruckten Aristides drei [weitere] Handschriften benutzt.“ Cant. Ratio emend., 1571, S. 4.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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Aldo Manuzio gedruckt worden waren,150 und eine Kollation von Arnold Arlenius (siehe das Zitat aus dem Vorwort der Ausgabe in Kapitel 1.2.2, S. 55). Außerdem gingen in Canters Sammlung von Aristides-Lesarten noch Varianten ein, die er in weiteren tres manuscripti codices fand, die er anschließend ausführlich beschreibt. Schoppe wiederum erklärt in der praefatio, er stelle fehlerhafte Lesarten aus Symmachus und Plautus (mendosae lectiones ex Symmacho & Plauto) vor, die er zusammengetragen hatte, nachdem er die besten Pergamenthandschriften (optimae membranae) eingesehen hatte.151 Schoppe bezieht sich hier auf seine beiden vor der Ars critica erschienenen Sammlungen Verisimilia von 1596 und Suspectae lectiones von 1597, in denen er diese Lesarten bereits veröffentlicht hatte. Über die handschriftliche Grundlage der Lesarten äußert er sich ausführlich in der Widmungsepistel.152 Entscheidend beim Handschriftenvergleich ist die Verlässlichkeit des zugrunde gelegten Materials und seiner Bearbeiter. Robortello postuliert eine Art Transparenz der verwendeten Quellen, denn: Extiterunt, inquam, qui manuscriptos libros citant, nec tamen proferunt qui sint, ubi sint, cuius notae sint. Ecquis scit an somnia illa sint, an quisquiliae, meraeque nugae? Quae tandem igitur his est habenda fides?153
Robortello bezweifelt die Verlässlichkeit (fides) von Philologen, die ihre Quellen nicht offenlegen. Fides könne nur derjenige Philologe haben, der auf sichere Weise mit Handschriften umgehe: In primis vero in emendatore librorum requiritur fides, ut ne fucum faciat ullum, ut ne lectori imponat. Si dixerit se in manuscriptis libris invenisse, quod ipse excogitarit, possit fortasse decipere imperitos, at peritis necesse est, ut se deridendum praebeat.154
An dieser Stelle formuliert Robortello für den Philologen ein Ehrlichkeitsgebot und warnt ihn davor, bei den Angaben über die Handschriften etwas vorzuschwindeln (fucum facere).155 Es sind demnach jene correctores ver–––––––––––––– 150 Es handelt sich um wohl die Aldine zweier Reden von 1513, Angabe nach S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 248. 151 Schop. Ars crit., 1597, fol. A7v. 152 Schop. Ars crit., 1597, fol. A3r. Siehe dazu auch Kapitel 4.3.4. 153 „Es tauchten solche [Philologen] auf, heißt es, die sich auf Handschriften beziehen, aber nicht zeigen, welche es sind, wo sie sind und wer sie kennt. Und wer weiß, vielleicht sind jene nur Träume oder Nichtigkeiten und nichts weiter als Possen? Welche Verlässlichkeit können endlich diese Dinge haben?“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/28–31. 154 „In erster Linie benötigt der Verbesserer von Texten aber Verlässlichkeit, dass er nicht irgendeine Verstellung macht, und dass er den Leser nicht täuscht. Wenn er vorgibt, etwas in den Handschriften gefunden zu haben, was er sich indes nur selbst ausgedacht hat, dann kann er damit vielleicht die Unwissenden täuschen: Aber es ist unausweichlich, dass er sich damit dem Gespött der [wirklich] Gelehrten ausliefert.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 15/8–11. 155 Vgl. dazu auch Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6r. Auch G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 119.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
lässlich, die aufrichtig sind und den Handschriftenvergleich als das Hauptverfahren praktizieren. Robortello zählt dann eine Reihe von vorbildhaften Philologen auf, denen er eine gelungene, auf Handschriften basierende Arbeit bezeugt (siehe Kapitel 3.3.3, S. 190).156 Auf diese Weise benutzt Robortello fides als Auszeichnung einer vorbildlichen methodischen Haltung. Bei Schoppe lesen wir dazu: cum nec mihi, nec aliis in difficili sit persentire, bona ne quis fide in repraesentanda scriptura veteri utatur, an vero commentitia lectione aliis se imponere postulet.157
Schoppe greift das bereits von Robortello formulierte Ehrlichkeitsgebot auf. Die fides umfasst die richtige Handschriftenbeschreibung, die Befolgung des Ehrlichkeitsgebots und die Sorgfaltspflicht. Im Zusammenhang mit der auf die Eigenschaft von Personen konzipierten fides geht es um die Qualität von textkritischer Arbeit und bei der Kollation letztlich um die Genauigkeit der Abschrift. Dass fides im Zusammenhang mit Kollationen und notae-Sammlungen eine Rolle spielt, ist darauf zurückzuführen, dass das Textmaterial oftmals für den einzelnen corrector nicht erreichbar war. So wie etwa Robortello seinem Vorbild Piero Vettori Lesarten aus CiceroHandschriften mitteilte, war es üblich, sich Angaben aus Handschriften gegenseitig in Briefen zukommen zu lassen.158 Neben der Briefkommunikation setzten sich immer stärker notae-Sammlungen als Mitteilungsinstrument für Handschriftenmaterial und Kollationen durch (siehe Kapitel 2.3.2.2, S. 147). Da frühneuzeitliche Philologen in diesem Bereich auf die Zusammenarbeit mit anderen Gelehrten angewiesen blieben, waren Kategorien der Qualitätssicherung von nur mittelbar zugänglichem Material – etwa durch Auszeichnung eines Philologen mit fides – sehr wichtig. Neben Kompetenzen von correctores wird mit fides auch die Kollation und die Güte einer Handschrift bewertet. So sprechen etwa Lucas Fruterius von der fides codicum manuscriptorum und Johannes Rivius von der fides exemplarium veterum.159 Man wusste, dass Handschriften in unterschiedlich korruptem Zustand überliefert sind, und beurteilte die Güte einer Handschrift nach verschiedenen Kriterien. Wie in Kapitel 4.3.3 ausführlich dargestellt, spielt etwa bei codices vetustissimi das hohe Alter eine Rolle, bei exemplaria emendatissima die Fehlerfreiheit oder in der scriptura Langobardica die gute Lesbarkeit der Schrift. –––––––––––––– 156 Rob. Ars corr., 1557, S. 15/11–26. 157 „Denn es ist weder für mich noch für Andere schwer, deutlich zu erkennen, ob jemand bei der Angabe einer alten Lesart gewissenhaft arbeitet oder ob er Andere mit einer gefälschten Lesart eigentlich täuschen will.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B3v. 158 Siehe dazu Kapitel 1.1.1, S. 17. 159 Riv. Castig., 1539, fol. E7v–E8r; Frut. Verisim., 1584, fol. D5r. Weitere Stellen sind: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Cant. Ratio emend., 1571, S. 22; Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v; Frut. Verisim., 1584, fol. D6r; Schop. Ars crit., 1597, fol. A2v.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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5.3.4.2 Sprachgebrauch und Sinnkohärenz Weitere Kriterien, wie Texteingriffe gerechtfertigt werden können, finden sich vor allem bei Robortello. Unter den in der Person des Gelehrten liegenden Hilfsmitteln versteht Robortello sein Wissen und seine Bildung: Ein guter Textkritiker sollte über einen Verstand verfügen, der gut ausgebildet und von breiter, solider Bildung durchdrungen ist.160 An die inneren Hilfsmittel knüpft Robortello Argumente, mit denen er einzelne Konjekturen rechtfertigt. Verbesserungen werden durch Kenntnisse bestätigt, die in der Kompetenz des corrector liegen. Dabei führt Robortello insbesondere drei Wissensbereiche an: die Kenntnis der antiken Welt i. e. der antiken Literatur (notio antiquitatis), der Abkürzungs- und Übersetzungsregeln (notio scriptionis antiquae) und des Sprachgebrauchs (notio locutionum et verborum antiquorum) (siehe Kapitel 3.3.2).161 Die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung eines Wortlauts mit diesen historischen Wissensbeständen wird mit der Parallelstellenmethode geprüft. Eine Lesart oder Konjektur ist wahrscheinlich, wenn sie von einer anderen Textstelle bestätigt wird: Itidem, mutatione literae, ut apud Livium lib. I, ubi de Consualibus loquitur: Solemne notum erat. Sigonius non intelligens locum hunc, literam mutat et legit: solemne votum. Ignorat scilicet solemne aliquando ut substantivum poni. Nam alibi etiam Liv. lib. V. ab U. C.: et Pontifices Flaminesque negligentiores publicarum religionum esse quam privatus in solemni gentis fuerit. Itidem lib. eodem: inventumque tandem est ubi neglectas caerimonias, intermissum solemne, dii arguerent.162
Robortello lehnt eine Verbesserung von Carlo Sigonio im Text von Livius (1,5,1) ab und führt als Argument auf, dass das betroffene Wort sollemne von Livius substantivisch gebraucht wird. Dies belegt Robortello mit zwei Parallelstellen im Livius-Text (5,52,4 und 5,17,2), die diesen Wortgebrauch bestätigen, und weist so nach, dass Sigonios Eingriff im Widerspruch zum –––––––––––––– 160 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/9–13, zitiert S. 183. 161 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/19ff., zitiert S. 184. 162 „Ebenso durch die Veränderung eines Buchstabens beispielsweise bei Livius (Buch 1), wo über die consualia die Rede ist: Solemne notum erat. Sigonius, der diese Stelle nicht versteht, verändert einen Buchstaben und liest: solemne votum. Er weiß freilich nicht, dass solemne einst wie ein Substantiv gesetzt wurde. Denn an einem anderen Ort (Buch 5 von Ab urbe condita) [schreibt] Livius: et Pontifices Flaminesque negligentiores publicarum religionum esse quam privatus in solemni gentis fuerit. Ebenso im gleichen Buch: inventumque tandem est ubi neglectas caerimonias, intermissum solemne, dii arguerent.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 14/22–29, Hervorhebungen in ed. 1975.
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Sprachgebrauch des Livius steht. Um die Wortbedeutung geht es an einer weiteren Textstelle von Livius: Verba sunt haec Livii: quoniam eos ad cupiditatem amplam modo sperandi incitaverat, legem se promulgaturum ostendit. Nam est legendum: amplum modum. Modus enim de agris dicitur, mensura. Horatius: hoc erat in votis, modus agri non ita magnus; et Plin. libro XVIII cap. 2: bina tum iugera pop. Rom. satis erant, nullumque maiorem modum attribuit; idem cap. 6: modus hic probatur, ut neque fundus villam, neque villa fundum quaerat; et Liv. lib. VI ab. Ur. cond.: latam legem de modo agrorum.163
Robortello kritisiert wieder die Livius-Ausgabe von Sigonio.164 Diesmal meint Robortello, Sigonio verstoße in den Periochae (58,3) gegen den antiken Sprachgebrauch von modus und führt gleich vier Parallelstellen als Belege dafür an. Davon stammt nur eine aus dem Livius-Text (6,35,5), die anderen Texte sind Horaz (Saturae 2,6,1) und die Naturalis historia von Plinius (18,2,7 und 18,7,32). Dieses Parallelstellenverfahren zielt auf den Nachweis, dass eine bestimmte sprachliche Form oder ein Sprachgebrauch in dieser Zeit oder beim Autor üblich war. Argumente werden mit historischen Quellenbelegen gestützt, und zwar sowohl aus dem betreffenden Text selbst, als auch aus Texten anderer Autoren.165 In der Umkehrung zieht Robortello eine Konjektur in Zweifel, die durch keine Parallelstelle bestätigt werden kann.166 Außerdem verweist Robortello auf Parallelstellen, die bereits ein anderer corrector zusammenstellte: –––––––––––––– 163 „Der Wortlaut des Livius lautet: quoniam eos ad cupiditatem amplam modo sperandi incitaverat, legem se promulgaturum ostendit. Allerdings muss gelesen werden: amplum modum. Denn modus heißt das Feldmaß. [Vergleiche] Horaz: hoc erat in votis, modus agri non ita magnus. Und Plinius (Buch 18, Kap. 2): bina tum iugera pop. Rom. satis erant, nullumque maiorem modum attribuit. Ebenda im Kapitel 6: modus hic probatur, ut neque fundus villam, neque villa fundum quaerat. Und Livius (Buch 6, ab urbe condita): latam legem de modo agrorum.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 7/25–31, Hervorhebungen in ed. 1975. 164 Es handelt sich um: Livius: Ab urbe condita, ed. C. Sigonio, 1555, S. 470. Siehe Kapitel 3.2.3, S. 173. 165 Im Gegensatz zur Parallelstelle aus dem gleichen Autor, die sich nur noch an einer weiteren Stelle findet (Ars corr., 1557, S. 9/13–16), verwendet Robortello Parallelstellen aus anderen antiken Autoren ausgesprochen oft: S. 2/27–31, 6/23–28, 6/28–34, 7/3–14, 7/20, 7/22–31, 9/14ff., 9/33f., 10/19–24, 10/26–11/6, 11/8–18, 11/29–33, 13/16–28, 13/28– 31, 14/32–15/1, 15/1–7, 16/28–36. 166 Siehe die Stelle, an der Robortello einen Eingriff Paolo Manuzios unter anderem mit dem Argument verwirft, Manuzio könne für die Lesart keinerlei Belege liefern (Ars corr., 1557, S. 13/28–14/1, zitiert S. 206).
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Plura qui vult scire, legat Erythraei Annotationes in Verg., ubi copiose de dictione hac disserit, veterumque loca perpendit omnia; plane enim satis constat duas esse dictiones apud Homerum.167
Robortello meint hier die notae-Sammlung zu Vergil von Nicolaus Erythraeius (1. Hälfte 16. Jhd.), die sich in dessen Vergil-Ausgabe findet und in der er eine Schreibweise bei Homer ermittelte, die nachfolgende antike Autoren falsch übernommen hatten.168 Analog zu den Kenntnissen, die von einem fähigen Textverbesserer gefordert werden (notio locutionum et verborum antiquorum, scriptionis antiquae und antiquitatis), werden Konjekturen mit Parallelstellen im Hinblick auf die sprachliche Ausgestaltung, die Abkürzungs- und Übersetzungskonventionen und den sachlichen Gehalt der Textstelle bestätigt bzw. widerlegt. Sprachliche Ausgestaltung betrifft dabei den Wortsinn, den Sprachgebrauch und den Stil eines Autors. Wie an den beiden eben zitierten Stellen zur Livius-Philologie deutlich wird, gilt es aufzuweisen, dass die Verbesserung im Einklang mit der damaligen Verwendung des Wortes steht. Robortello erklärt darüber hinaus eine Lesart bei Catull (66,28) damit, dass es sich bei alis um eine ältere Schreibweise von aliud handelte, und stellt seine Verbesserung in Übereinstimmung mit dem Wissen über ältere Schreibweisen in der Antike.169 In der Ars corrigendi finden sich Stellen mit Rückgriffen auf antike lexikalische Werke von Festus und Nonius Marcellus.170 Damit schlägt Robortello Wortbedeutungen direkt in antiken Wörterbüchern nach, einem Wissensbestand, den er an anderer Stelle explizit zum festen Bestandteil der Bildung des Philologen erklärt.171 Auch führt Robortello an einer Stelle das Metrum, an einer anderen Stelle den Sprachstil an, um eine Konjektur zu bestätigen bzw. zu verwerfen.172 Die methodische Anweisung, Konjek–––––––––––––– 167 „Wer mehr dazu wissen möchte, der lese die Annotationes zu Vergil von Erythraeius, in denen er dieses Wort ausführlich bespricht und alle Stellen der Alten genau untersucht. Denn er stellt klar und deutlich fest, dass bei Homer zwei Wörter vorkommen“ Rob. Ars corr., 1557, S. 13/26ff., Hervorhebung in ed. 1975. 168 Diese Ausgabe, die wohl in Venedig in den Jahren 1500 und 1538 erschien, konnte ich nicht einsehen, sondern nur einen Nachdruck im Frankfurter Haus Wechel (Vergil: Opera, ed. N. Erythraeus, 1583). Vgl. dazu: Art. „Erythraeus, Nicolaus“, Zedler 8, 1734, Sp. 1835; Nomenclator philologorum, 1871, S. 144; M. E. Cosenza: Dictionary of Italian humanists, 1962, Bd. 2, S. 1313; G. Pompella: Introduzione all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 110. 169 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/34–7/3, zitiert S. 186. Schoppe referiert eine etymologische Begründung von Joseph Justus Scaliger für die Veränderung der Buchstaben von G zu Q. Scaliger hob offenbar auch auf ältere Schreibweisen ab (Ars crit., 1597, fol. F2r). Weitere Stellen zur Begründung mit Verweisen auf den antiken Wortgebrauch sind: Rob. Ars corr., 1557, S. 5/33ff., 7/31ff., 9/13–16, 9/16–10/8, 11/8–18, 16/28–36. 170 Festus: Rob. Ars corr., 1557, S. 13/28–31, zitiert S. 206; Nonius Marcellus: S. 14/34f., 16/32. 171 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/9–13, zitiert S. 301. Ähnlich äußern sich auch: Riv. Castig., 1539, fol. E7v; Frut. Verisim., 1584, fol. D4v, D5r. 172 Rob. Ars corr., 1557, S. 12/13f., 14/29–32.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
turen in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch und -stil zu tätigen, formuliert auch Lucas Fruterius: Nam ubi id consilii in auctore aliquo veteri tenes, ut omnes illius elegantias, & dicendi flosculos caute observes, dici vix potest, quantum auxilii, ad loca aliquot corrupta & difficilia, pararis tibi.173
Robortello rechtfertigt Konjekturen an mehreren Stellen auch mit Gepflogenheiten, wie übersetzt und abgekürzt wurde. Einerseits berücksichtigt er griechisch-lateinische Übersetzungen und legt etwa bei Ciceros Adaptationen von Aristoteles wohlwollende Annahmen zur Verlässlichkeit desselben zugrunde.174 Auf der Grundlage der Annahme, Cicero habe Aristoteles’ Rhetorik richtig verstanden und übertragen, kann Robortello Cicero-Stellen als verlässliche Belege für den Sprachgebrauch des Aristoteles anführen.175 Andererseits verteidigt Robortello an mehreren Stellen seine Konjekturen mit seinem Wissen über Abkürzungsgepflogenheiten.176 Neben der Untersuchung ihrer Übereinstimmung mit Sprache, Stil, Schreib- und Übersetzungskonventionen werden Konjekturen inhaltlich überprüft: Ablatione (qui secundus modus est) dictionis corrigitur locus ille depravatus apud Cic. in Oratore, non longe ab initio: ut igitur in formis ac figuris est aliquid perfectum, cuius ad cogitatam speciem referuntur ea, quae sub oculos ipsa non cadunt; debet enim tolli non; alioqui sententia inanis et falsa fuerit, ut quivis cognoscere potest.177
–––––––––––––– 173 „Denn wenn Du Dich bei welchem antiken Schriftsteller auch immer an den Entschluss hältst, alle seine sprachlichen Feinheiten und Redewendungen sorgsam zu beobachten, [dann] kann man kaum in Worte fassen, wie viel an Hilfe Du Dir für etliche verdorbene und schwierigere Stellen bereitest.“ Frut. Verisim., 1584, fol. D5v. Vgl. auch Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r–D7v; K. Rittershausen (& K. Schoppe): Dissertatio de causis variantium lectionum, zit. Schop. Ars crit., 1597, fol. K5r. 174 Siehe Kapitel 3.3.2, S. 184f., und die beiden dort zitierten Stellen: Rob. Ars corr., 1557, S. 7/3–14 und S. 10/24ff. Der griechisch-lateinische Literaturvergleich ist eine Methode, die als einer der ersten Angelo Poliziano anwendete und die zu Robortellos Zeiten in der französischen Philologie etwa bei Denis Lambin rege Anwendung fand. Eine Geschichte dieser comparative method zeichnet Anthony Grafton in seiner Scaliger-Biographie nach (Scaliger 1: Textual criticism, 1983, S. 33, 56, 71–83 und passim). Vgl. dazu noch: S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 295. 175 Dies praktiziert Robortello im langen Exkurs über eine Stelle in der aristotelischen Rhetorik und führt an mehreren Stellen Belege aus Ciceros De oratore und Orator auf: Rob. Ars corr., 1557, S. 9/16–20, 9/23–26, 10/1–7, 10/19–24. 176 Siehe Kapitel 3.3.2 und 5.2.1. 177 „Durch das Weglassen – das ist das zweite Verfahren – eines Wortes wird jene verderbte Stelle bei Cicero im Orator nicht weit vom Beginn verbessert: ut igitur in formis ac figuris est aliquid perfectum, cuius ad cogitatam speciem referuntur ea, quae sub oculos ipsa non cadunt. Denn hier muss non gelöscht werden. Sonst würde der Sinn leer und falsch, wie jeder erkennen kann.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 8/19–23, Hervorhebungen in ed. 1975.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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Robortello begründet an dieser Stelle in Ciceros Orator (3,9) das Weglassen des Wörtchens non damit, dass sonst der Sinn leer und falsch (sententia inanis et falsa) wäre. Diese Argumentation ist nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Wertschätzung antiker Literatur möglich. In den Abhandlungen ist der große Nutzen der Wiederherstellung dieser Texte in ihrem einstigen Glanz unumstritten, die auctores werden ausschließlich positiv bewertet (siehe Kapitel 2.1.1 und 4.2.1). Aus der in den Abhandlungen nicht eingehender explizierten Ansehens der Antike ergibt sich die Annahme, dass antike Literatur widerspruchsfrei und sachlich gehaltvoll ist. Das ist eine Annahme, die ein wesentliches Element in Interpretationstheorien war, was etwa Johann Conrad Dannhauer mit der Formel des bonus & sapiens auctor in seiner Idea boni interpretis von 1630 prägte.178 Dieses Billigkeitsprinzip liegt einer ganzen Reihe von Begründungen von Lesarten in Robortellos Abhandlung implizit zugrunde. Es wird auf logische und sachliche Sinnhaftigkeit abgehoben sowie auf das Verbot der Widersprüchlichkeit: Es geht etwa darum, einen verwirrten und unsicheren Sinn (confusa nec certa sententia) zu erklären.179 Lesarten werden auch durch den offenkundigen Sinn (sententia aperta) bestätigt und Fehler auf Sinnlosigkeiten (absurda) zurückgeführt.180 Weitere allgemeine Evidenzaussagen finden sich vereinzelt bei Schoppe181 und bei Justus Lipsius: Si quis e libris bonis fidisque correxerit, laudi semper esse. Si quis e coniecturis, noxae. Nisi eae clarae, liquidae, certae sint.182
Lipsius bezeichnet hier Verbesserungen, die nicht mit Hilfe von guten und verlässlichen Handschriften gemacht wurden, als grundsätzlich schädlich. Davon nimmt er nur jene coniecturae aus, die klar (clarae), deutlich (liquidae) und sicher (certae) sind. An anderen Stellen diskutiert Robortello den konkreten Sachverhalt, um den Leser von der Richtigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einer Konjektur zu überzeugen:
–––––––––––––– 178 Zu Dannhauer siehe Kapitel 2.1.3, S. 112. Vgl. dazu weiterführend: A. Bühler/L. Cataldi Madonna: Einleitung zur Ed. Meier: ‚Auslegungskunst‘, 1996, S. XXIVf.; zur Geschichte der so genannten hermeneutischen Billigkeit vgl. S. LXXVII–LXXXVIII. 179 Rob. Ars corr., 1557, S. 8/6–9. 180 Rob. Ars corr., 1557, S. 11/2–6, 12/2ff. 181 Schop. Ars crit., 1597, fol. G3r, H7v. 182 „Wenn jemand aus guten und verlässlichen Handschriften verbessert hatte, gebührt ihm immer Lob. Wenn er [dies] mit Konjekturen [tat], dann schadet es. Nicht, wenn sie klar, deutlich und sicher sind.“ Lips. Somn., 1585, fol. E6r.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Eodem modo corrigi debet apud Asconium locus in Verrem pag. 16 nu. 69 in Aldinis, quem Paullus Manutius sua inscitia, sicuti alia multa, corrupit: necesse fuerat eos primum de curia senatoria describi; debet autem legi: ex decuria senatoria. Legebantur enim, sive forte ducebantur, iudices ex decuriis; et una harum erat Senatoria, ut nos alibi copiose ostendimus, ubi de Iudiciis Rom. locuti sumus, et numero decuriarum.183
Es geht hier wohl um eine Stelle in Asconius’ Kommentars zu Ciceros Oratio in Verrem (1,6,16), offenbar in der Ausgabe des Paolo Manuzio aus dem Jahre 1547. Robortello begründet die Korrektur mit dem sachlichen Argument der richtigen Wahlmodalitäten der Richter bei den Römern. Er verweist auf die Institution der Dekurien und die Senatorendekurie, die senatoria genannt wurde. Um seine Sachkenntnis in diesem Bereich zu bekräftigen, nennt Robortello hier eine Abhandlung, die er selbst über die iudices Romanorum verfasste.184 Mit solchen konkreten inhaltlichen Erklärungen argumentiert Robortello auch an einigen anderen Stellen für eine größere Plausibilität von Verbesserungen.185 Die Geltung von Eingriffen bemisst Robortello an ihrer Übereinstimmung mit historisch-sprachlichem Wissen. Das wird mit der Parallelstellenmethode geprüft. Daneben spielen logische Plausibilitäten und Evidenzen eine Rolle, die implizit auf Autoritäts- und Billigkeitsannahmen antiker Literatur basieren. Fragen der Geltung von Konjekturen diskutieren Canter und Schoppe in ihren Abhandlungen allerdings nicht eingehender. Ihre Konzepte von Textverbesserung mittels Konjektur beschränken sich auf Fälle, die in den Typologien klar erfasst werden können.
–––––––––––––– 183 „Auf die gleiche Weise muss bei Asconius die Stelle [in seinem Kommentar zu Oratio] in Verrem, Seite 16, Nummer 69) in der Aldo-Ausgabe verbessert werden, die Paolo Manuzio in seinem Unverstand wie so vieles Andere verdarb: necesse fuerat eos primum de curia senatoria describi. Gelesen werden muss aber: ex decuria senatoria. Denn die Richter wurden aus den Dekurien ausgewählt oder per Los gezogen, und eine [der Dekurien] war die Senatoria, wie wir an einer anderen Stelle ausführlich gezeigt haben, wo wir über die Richter der Römer gesprochen haben und über die Anzahl der Dekurien.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 14/10–15, Hervorhebungen in ed. 1975. Die Stelle bei Manuzio konnte ich nicht ermitteln. 184 Robortellos Disputatio de iudiciis Romanorum erschien zwei Jahre nach der Ars corrigendi in einer Sammelschrift über verschiedene Aspekte des militärischen und zivilen Lebens im antiken Rom der Kaiserzeit. Ob es eine frühere separate Veröffentlichung von Robortellos Abhandlung über die römischen Richter gibt, wie es diese Bezugnahme in der Ars corrigendi nahelegt, ist mir nicht bekannt. 185 Rob. Ars corr., 1557, S. 6/23–28 (zitiert S. 184), 7/14–22 (zitiert S. 185), 8/12–19, 10/13– 19, 10/19–24, 11/29–33, 12/9–12, 14/20–23. Auf S. 13/31–14/1 moniert Robortello wiederum das Fehlen sachlicher Evidenz.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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5.3.5 Möglichkeiten und Grenzen von Textkritik Schließlich erlaube ich mir noch die Bitte um Nachsicht wegen der bei der Correctur und überhaupt bis jetzt von mir übersehenen Druckfehler und sonstigen Versehen. Die viele Noth, die ich mein Leben lang mit sinnentstellenden Druckfehlern gehabt, hat mich in dieser Hinsicht besorgt gemacht, ohne doch leider mein Auge bei der Revision genügend zu schärfen. Sollte sich also hier oder da noch irgend ein absoluter Nonsense finden, so wolle man daraus, falls derselbe sich durch die Veränderung eines Buchstaben oder Wortes in einen erträglich vernünftigen Sinn verwandeln läßt, doch nicht sofort auf den Blödsinn des Verfassers schließen!186
Wenngleich hier von Druckfehlern die Rede ist, dürfte diese launige Bemerkung des Gräzisten Adolf Ellissen (1815–1872) eines eindrücklich klarstellen:187 Die Korrektur von Texten ist eine Angelegenheit ohne Aussicht auf endgültigen Abschluss. Deswegen werden in viele Ausgaben nachträglich errata-Listen der Drucker eingebunden. Die von Ellissen formulierten Appelle an die Mitarbeit der Leser haben sogar Vorläufer in Subskriptionen von Handschriften des 13. und 14. Jahrhunderts.188 Für Manche jedoch scheinen alle Anstrengungen zur Textkritik vergeblich: Nam ita pleraeque corruptelae, tamquam pestes quaedam, in intima optimorum librorum viscera penetrarunt, atque iis se partibus, quae integrae supersunt, agglutinarunt; ut internosci a sanis, aut evelli ex pulcherrimis corporibus nulla vi possint: quamvis omni huc animi contentione vel perspicacissimus quisque incumbat.189
Die Lage antiken Literatur sei nach Janus Gulielmus angesichts der Korruptheit der Texte vom Prinzip her aussichtslos. Dabei spricht er von Verbesserungen mittels Konjekturen, was deutlich wird aus den Verweisen auf die Verstandeskräfte des Philologen. Trotz seiner Einsicht in die Unerreichbarkeit einer endgültigen und wahren Textfassung nennt er weiter unten Bewertungskriterien von Konjekturen:
–––––––––––––– 186 Adolf Ellissen: Vorwort. In: Timarion’s und Mazaris’ Fahrten in den Hades. Nach Hase’s und Boissonade’s Recension und erster Ausgabe des Textes griechisch und deutsch, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von A. Ellissen, Leipzig: Wigand 1860, S. XI (Hervorhebungen bei Ellissen). 187 Vgl. C. Bursian: Geschichte der Philologie, 1883, S. 885. 188 P. G. Schmidt: Schreiber und Probleme, 1994, S. 16. 189 „Denn die meisten Korruptelen dringen gewissermaßen wie Peststoffe in das Innerste der besten Bücher ein, heften sich allerdings an diejenigen Teile an, die noch unversehrt sind. Um von den gesunden unterschieden und um aus den wunderschönen Körpern herausgerissen zu werden, reicht keine Kraft, egal, ob sich jemand für diesen Zweck mit der gänzlichen Anspannung des Geistes zuwendet oder ob er überaus klarsichtig ist.“ Gulielm. Quaest., 1583, fol. D6v.
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Kapitel 5: Methoden der Textkritik
Meae suspiciones si non verae aut probabiles pleraeque, at certe neque a consuetudine Latine loquentium abhorrent, neque longe aberrant ab ipsis literis receptae lectionis.190
So wie Robortello vielfältige Überlegungen über die Rechtfertigung von Konjekturen anstellt, nennt auch Gulielmus für Konjekturen die Kontrollinstanz der genauen Beobachtung des lateinischen Ausdrucks (notatio accurata Latinitatis) sowie die Gepflogenheit der Latein Sprechenden (consuetudo Latine loquentium), das heißt also des lateinischen Sprachgebrauchs.191 Mit seinem Verdacht (suspicio) betont Gulielmus den spekulativen Charakter von Konjekturen. Eine Lesart kann nur, wie auch Robortello schreibt, wahrscheinlicher und wahrhaftiger (probabiliora ac veriora) sein.192 Es gilt zwischen mehreren Bedeutungen (sententiae) und den sie generierenden Eingriffen zu entscheiden. Das Ziel aller Textkritik liegt darin, über voneinander abweichende Lesarten zu urteilen und durch Abwägen von Eingriffen die wahrscheinlichere Bedeutung einer unverständlichen Stelle zu ermitteln. Grundsätzlich aber bleiben Konjekturen in ihrer Geltung unsicher. Trotzdem folgt aus der Unsicherheit von Verbesserungen angesichts des hohen Ziels der Verbesserung der antiken Literatur nicht, das Unternehmen als undurchführbar abzubrechen, sondern, im Gegenteil, so viel Mühe wie nur möglich dafür aufzubringen. Eingedenk des unsicheren, allenfalls wahrscheinlichen Charakters von Konjekturen nennt Gulielmus neben der notatio Latinitatis einen zweiten Grundsatz, der bei Entscheidungen über Konjekturen zu berücksichtigen ist. Die Verbesserung soll nicht vom Wortlaut der überlieferten Lesarten abirren (litterae receptae lectionis aberrare) bzw. – wie er an anderer Stelle sagt – von den Überresten der verdorbenen Lesart abweichen (vestigiis corruptae scripturae abducere).193 Diesen Grundgedanken, sich angesichts der prinzipiellen Unsicherheit von Konjekturen möglichst nah an die Überlieferung zu halten, verzeichnet auch Robortello kurz in seiner Ars corrigendi: periculum enim est ne labamur, et coniectura nos fallat: non est igitur recedendum longe a vestigio, quod apparet aliqua ex parte, verae lectionis.194
–––––––––––––– 190 „Auch wenn meine Vermutungen nicht wahr und viele davon nicht wahrscheinlich sind, ist es doch sicher, dass sie weder dem lateinischen Sprachgebrauch zuwiderlaufen, noch stark von den Buchstaben selbst der überlieferten Lesart abweichen.“ Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7v. 191 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r. 192 Rob. Ars corr., 1557, S. 11/19–24. 193 Gulielm. Quaest., 1583, fol. D7r. 194 „Denn es besteht die Gefahr, dass wir fehlgehen und die Vermutung uns täuscht. Man sollte sich folglich nicht weit vom Überrest der richtigen Lesart entfernen, weil er etwas [von ihr] teilweise zeigen könnte.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 5/16ff.
5.3 Verfahren und Rechtfertigung von Textverbesserung
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Robortello rät dazu, sich bei dem konjekturalen Eingriff nicht weit von der überlieferten Lesart zu entfernen, weil sie einen Rest der wahren Lesart enthalten könnte. Dieser Anweisung entsprechen vereinzelte Bemerkungen, sogar nachweislich falsche Lesarten zu bewahren, wie etwa von Angelo Poliziano.195 Auch Schoppes Lehrer Konrad Rittershausen formuliert: sed tamen sciens prudens in hoc auctore saepe quoque manifeste falsas lectiones in oras contextus contuli.196
Die Anweisung, gegebenenfalls auch falsche Lesarten zu bewahren, illustriert die Wertschätzung der handschriftlichen Überlieferung trotz aller Schwerpunktsetzung auf der Konjektur. Grundlage aller textkritischer Tätigkeit bleibt immer die Arbeit mit den Handschriften. Die Methode der konjekturalen Eingriffe ist nur dann erlaubt, wenn Handschriften verderbt oder verloren sind. Dieser Vorrangstellung tragen Canter und Schoppe implizit Rechnung, indem sie in ihren Abhandlungen zumindest die verwendeten Handschriften benennen und ihre fides bewerten. Dagegen äußert sich Robortello zur Handschriftenmethode nur pauschal. Auch wenn er sie als einzig sichere Methode bezeichnet, finden sich abgesehen von pauschalen Verweisen auf richtiges Methodenverhalten (fides) in der Ars corrigendi keine weiteren Ausführungen dazu.
–––––––––––––– 195 Vgl. S. Rizzo: Lessico filologico, 1973, S. 245; G. Heldmann: Antike Literatur und Textkritik, 2003, S. 121. 196 „Aber dennoch habe ich wissentlich in diesem Schriftsteller oft auch offensichlich falsche Lesarten an den Rändern des Textes zusammengetragen.“ K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597, fol. ll3v.
Abschließende Betrachtungen Textkritik ist ein ambivalentes Unternehmen. Neben eitlen Protagonisten, die großspurig ihre Ingeniosität verkünden, stehen bescheidenere Geister, die Möglichkeiten des Irrtums einräumen, Umstände der Fehlergenerierung erläutern und den Leser mit stupender Gelehrsamkeit beeindrucken. Es wird übertrieben, polemisiert und die Streitigkeiten und Eitelkeiten unter Philologen mündeten nicht nur einmal in den Austausch von körperlicher Gewalt. Solchen Phänomenen und Verhaltensweisen begegnet man zu allen Zeiten der Philologiegeschichte – und, wie sich in diesem Buch gezeigt hat, eben auch im 16. Jahrhundert. Die vorliegenden Studien bemühten sich um eine Rekonstruktion der textkritischen Vorstellungen in der Ars corrigendi-Literatur und förderte dabei viele Klischees, darüber hinaus aber ein beträchtliches Niveau der textkritischen Reflexion zutage. Zusammenfassend werden jetzt die Ergebnisse noch einmal vorgestellt. Zunächst werden die historischen Kontexte der Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe aufgezeigt und ihre Bedeutung für die Methodenlehren. Danach gilt es, die wesentlichen Aspekte der textkritischen Theorie selbst zu resümieren. Den Abschluss bildet die philologiehistorische Einordnung: Die Abhandlungen der Textverbesserung stehen in einem engen Verhältnis mit philologischen Praktiken und geben Aufschluss über den Charakter der frühneuzeitlichen Philologie. Buchdruck, Universitäten und die Philologie des 16. Jahrhunderts Die Dringlichkeit von Textverbesserung verschärfte sich in der frühen Neuzeit durch zwei äußere Bedingungen der philologischen Arbeit, erstens durch die Erfindung des Buchdrucks, der die Produktionsbedingungen von Büchern grundlegend veränderte, und zweitens durch eine verstärkte geistige Orientierung an den Schriften der Antike im Renaissancehumanismus. Es entfaltete sich eine breite Diskussion über die Vor- und Nachteile des Buchdrucks für die Restitution antiker Texte. Die Wiederentdeckung der Antike in Literatur und Wissenschaft ließ eine große Nachfrage an neuen Klassikerausgaben entstehen – hatte die Wertschätzung dieser Texte doch zur grundsätzlichen Einsicht in die Notwendigkeit textueller Unversehrtheit geführt. Im Vergleich zur handschriftlichen
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Abschließende Betrachtungen
Überlieferung förderte der Buchdruck hohe Stückraten einzelner Bücher. Relevant für die Textkritik war diese technische Innovation, weil einzelne Textfassungen einer Auflage tatsächlich weitgehend identisch waren. Im Gegensatz zur Textabschrift in der Manuskriptkultur wurde es jetzt möglich, die Ausgabe eines Textes an verschiedenen Orten von mehreren Gelehrten zu nutzen. Die hohe Anzahl von durch den Druck vervielfältigten Texten zeigte jedoch gleichzeitig die verheerende Wirkung von korrupten Texten sowie die Notwendigkeit von Standards bei der Texteinrichtung auf. Der Buchdruck wirkte darüber hinaus in das konkrete Leben der frühneuzeitlichen Philologen hinein, da viele in den frühneuzeitlichen Offizinen zeitweise einen Arbeitsplatz als correctores fanden. Auch die Büchersammlungen der Drucker spielten eine wichtige Rolle: Johannes Oporin beispielsweise, der Robortellos editio princeps des Perˆ Ûyouj des Ps.Longin oder Canters ersten beiden Auflagen der Novae lectiones von 1564 und 1566 druckte, lieh Canter eine Aristides-Handschrift, die dieser für seine Edition von 1566 nutzte und mit dem Sigel O bezeichnete. Im Anhang dieser Aristides-Ausgabe erschien dann auch die erste Auflage von Canters textkritischer Methodenlehre Ratio emendandi. Neben den Buchdruckereien waren die Universitäten wichtige Wirkungsstätten von Philologen. Voraussetzung für das Studium an den höheren Fakultäten war die propädeutische Ausbildung an der artistischen Fakultät. Das Fächersystem der sieben artes liberales wurde unter dem Eindruck des Renaissancehumanismus im 15. und 16. Jahrhundert wesentlich modifiziert. Diese jetzt studia humanitatis genannten Fächer waren darauf ausgerichtet, jene Kenntnisse zu vermitteln, die dazu befähigten, die antiken Texte zu verstehen und die antike Gelehrsamkeit aufzunehmen. Dazu gehörten neben Geschichte vor allem Sprachkenntnisse im Lateinischen und Griechischen sowie Techniken, Texte zu rekonstruieren und sich ihre Inhalte anzueignen, also Textkritik und Interpretation. Als Robortello die Ars corrigendi verfasste, war er Inhaber eines Lehrstuhls für die humanitates an der angesehenen Universität Padua. Robortello schrieb seine Abhandlung über die textkritische Methode aus der Position eines 41-jährigen, erfahrenen akademischen Lehrers, der im Laufe seiner bemerkenswerten Karriere mit Professuren in Lucca, Pisa und Venedig Griechisch, Latein, Moralphilosophie und Rhetorik – die Kerndisziplinen der studia humanitatis – unterrichtet hatte. Schoppe veröffentlichte seine Ars critica dagegen 1597 als kaum Zwanzigjähriger. Zu diesem Zeitpunkt war er noch nicht einmal mit seinem Studium der Rechte fertig, blickte allerdings bereits auf zwei veröffentlichte notae-Sammlungen zurück. Schoppes Ambitionen lagen trotz Jurastudiums zu diesem Zeitpunkt offensichtlich weniger in der Jurisprudenz als in der Philologie. Die Ars critica und seine notae-Sammlungen schrieb er, weil er seine Kompetenzen als Philologe in der Gelehrten-
Abschließende Betrachtungen
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welt unter Beweis stellen und seine Chancen für eine akademische Karriere verbessern wollte. Doch in Robortellos, Canters und Schoppes Situationen zum Veröffentlichungszeitpunkt ihrer Methodenlehren spiegeln sich nicht nur die Rahmenbedingungen, die der Buchdruck und die Universität für die Philologie bot. Aufschlussreich war der Blick auf die drei Gelehrten auch deswegen, weil sich ihre bis dahin begangenen Lebenswege mit entscheidenden Entwicklungen der Philologie in dieser Zeit kreuzten. So orientierte sich Francesco Robortello mit seinem Interesse für Historiographie und Rhetorik an typisch renaissancehumanistischen Textkorpora, die zeitgenössische Philologen oft und ausführlich diskutierten. In den methodischen Zugängen stellte sich Robortello mit Bezügen auf Angelo Poliziano, Giovanni Piero Valeriano und Piero Vettori ausdrücklich in die Tradition der italienischen Philologie, die sich auf die Restitution historischer Textfassungen konzentrierte und Literatur- und Textkritik streng voneinander unterschied. Willem Canter wurde wiederum wesentlich von der Gräzistik in Frankreich rund um den Collège royal und die Dichtergruppierung der Pléiade geprägt. Er hielt sich auf seiner akademischen peregrinatio lange Zeit unter den französischen Gräzisten auf und arbeitete etwa mit Joseph Justus Scaliger zusammen. Damit gehörte er zu jenen niederländischen und belgischen Philologen, die ihre Ausbildung zum Teil in Paris genossen und die verfeinerten Methoden und das Textverständnis mit in ihre Heimat brachten, wodurch die Gräzistik etwa an der Universität Leiden in der Folgezeit eine weitere Blüte erfuhr. Ganz im Einklang mit seinem Expertentum in der griechischen Philologie reservierte Canter seine Ratio emendandi ausschließlich der Verbesserung griechischer Literatur. Auch unter dem Eindruck der französischen Philologie entstand in dieser Zeit eine Strömung in der Jurisprudenz, in der Philologen und Juristen mit kritischem und historischem Textverständnis am Corpus iuris civilis arbeiteten. Solche Philologen, die sich an dem so genannten mos Gallicus ausrichteten, waren Scipio Gentilis, Konrad Rittershausen und Hubertus Giphanius, die Kaspar Schoppe als Lehrer in der Jurisprudenz unterwiesen. Sie waren es, die Schoppe dazu anregten, sich auch mit antiken – nichtjuristischen – Texten auseinanderzusetzen. Die philologische Tätigkeit der Verfasser der Abhandlungen fiel, abhängig von den biographischen Umständen, ebenfalls unterschiedlich aus. Robortellos Veröffentlichungsliste ist lang, umfasst die ganze Bandbreite philologischer Gattungen der Zeit – Editionen, Übersetzungen, Kommentare und notae-Sammlungen –, und seine Arbeiten berücksichtigen sowohl lateinische als auch griechische Literatur, literarisches Schrifttum und einige rhetorische Schriften. Im Umfang seiner Publikationsliste spiegelt sich Robortellos fortgeschrittenes Alter, in der Breite seine Professionali-
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Abschließende Betrachtungen
tät als arrivierter Professor und in der Auswahl der Literatur sein ausgeprägtes Interesse für die antike Rhetorik und Dichtungstheorie. Canter wiederum publizierte vornehmlich zur griechischen Literatur und machte sich einen hervorragenden Namen als Herausgeber und Übersetzer der griechischen Redner sowie von Lykophron und Synesios. Schoppe dagegen konnte als Student keine Klassiker-Edition in seiner Publikationsliste aufführen, seine Veröffentlichungen beschränkten sich auf zwei philologische notae-Sammlungen. Aus der Kontextualisierung mit den Institutionen, mit den Entwicklungen der damaligen Philologie und mit den Lebenswegen ihrer Verfasser konnten auch die Absichten ermittelt werden, die hinter der Abfassung der textkritischen Methodenlehren standen und über das primäre pädagogische Motiv der Unterweisung in die Textkritik hinausgingen. So konzipierte Robortello die Ars corrigendi auch als Beitrag zu einer Debatte über die Aufgaben der Philologie und ihrer Methoden. Dabei positionierte er sich zugunsten einer Philologie, die sich im Wesentlichen auf die Restitution von historischen Textfassungen konzentrierte. Darüber hinaus nutzte er die Ars corrigendi, um einige seiner Gegner mit einer ätzenden Polemik zu überziehen. In diesem Punkt ist Robortellos Abhandlung auch eine anschauliche Quelle für die frühneuzeitliche Streitkultur in der Philologie: Sie zeigt, wie Philologen entgegen der Nüchternheit und Kleinteiligkeit ihrer Tätigkeit Debatten mit aller Leidenschaftlichkeit führten. Die dabei zuweilen zutage tretende Vehemenz hängt damit zusammen, dass – wie auch im Falle von Robortello – die Debatten mittelbar über universitäre Posten und soziale Anerkennung in der Gelehrtengemeinschaft entschieden. Auch Schoppe verband mit der Veröffentlichung der Ars critica persönliche Ziele: Er bemühte sich darum, sich in der Gelehrtengemeinschaft als fähiger Nachwuchsphilologe zu profilieren. Allein bei Canter sind solche Instrumentalisierungen nicht spürbar – seine Ratio emendandi liest sich vielmehr als ein nüchternes Manifest einer professionellen Philologie, das allein dem Ziel der Verbesserung griechischer Schriften verpflichtet ist. Frühneuzeitliche Textverbesserung: Eine Rekonstruktion Wesentliche Elemente der Vorstellungen über Textkritik in der frühen Neuzeit wurden in diesen Studien in den Kapiteln 2 bis 5 systematisch und vergleichend dargestellt. Untersucht wurden die Methodenlehren von Robortello, Canter und Schoppe sowie verwandte Schriften wie Schoppes testimonia von Philologen des 16. Jahrhunderts, eine kurze Abhandlung seines Lehrers Rittershausen und einige andere kleinere Quellen, in denen sich frühneuzeitliche Gelehrte zur Textverbesserung äußerten. Rekon-
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struiert wurde eine Theorie der Textkritik, die mit spezifischen Wissensbeständen, einer Terminologie, leitenden Einstellungen und methodischen Vorschriften verbunden ist. In einem ersten Schritt wurde geklärt, wie man Textkritik definierte und in welchem Verhältnis sie zur Philologie stand. Robortello, Canter und Schoppe bestimmten den Sinn und Zweck ihrer Abhandlungen einhellig als Lehre von der Verbesserung von Stellen in antiken Texten. Diese Fertigkeit soll den Philologen vermittelt werden und verbindet sich mit dem nur knapp und formelhaft angesprochenen Ziel der Restitution der antiken Literatur. Deren Ansehen wird zwar vorausgesetzt, aber allenfalls in metaphorischen Wendungen weiter erläutert. In den Anlagen der Verbesserungslehren lassen sich Spuren antiken ars-Denkens ausmachen und zeitgenössische, am Ramismus orientierte, ordo-Vorstellungen. In der Sache wird eine fachlich-nüchterne Methodenlehre präsentiert, die sich an ein Fachpublikum richtet sowie an Studenten der Philologie, um sie methodisch weiterzubilden. Schoppe setzte die Textkritik ins Verhältnis zu allgemeinen Vorstellungen über Gelehrsamkeit. Er stellte sie der Interpretation zur Seite und nannte das Ganze critica. Dadurch fasste er critica als Philologie auf und erklärte die Textkritik zu einem ihrer Teile. Dabei knüpfte er an antike Konzepte von Philologie an, brach allerdings insofern mit der terminologischen Tradition, als die Philologie im Hellenismus überwiegend grammatica genannt wurde. Das Verständnis von grammatica als Philologie ruft ein enzyklopädisches Bildungsverständnis auf, das in der frühen Neuzeit von Polizian programmatisch für die Philologie erneuert wurde und in Robortellos Kompetenzkonzept einging. Jenseits solcher konzeptuellen Zugänge eröffnete die Frage, in welche äußere Gestalt die Abhandlungen gekleidet sind, aufschlussreiche Perspektiven auf philologische Gattungen in der frühen Neuzeit. Im Vordergrund stand die Beobachtung, dass sich in der Philologie im 16. Jahrhundert so genannte notae-Sammlungen zu einzelnen oder mehreren antiken Schriften einbürgerten. Sie fungierten in verschiedenen Varianten als eine spezifische Publikationsgattung für philologische Forschung und waren eng mit entsprechenden disziplinimmanenten Zielsetzungen verbunden, in fachlicher Hinsicht mit der Exponierung von Ergebnissen sowie in sozialer Hinsicht mit Profilierung und Polemik. Die textkritischen Abhandlungen zeigen eine große Nähe zu diesen notae-Sammlungen, da Robortello, Canter und Schoppe zum einen ihre Abhandlungen dazu benutzten, ihre Lesartensammlungen (geordnet) zu veröffentlichen, und zum anderen mit ihnen ebenfalls persönliche Absichten wie Kompetenzaufweise (Schoppe) und eine Stellungnahme in Kontroversen (Robortello) verfolgten.
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Die Analyse des frühneuzeitlichen philologischen Schrifttums förderte eine besondere Rolle von Personen bei der Textkritik zutage. Ihre Benennung ist uneinheitlich: Robortello orientierte sich an der Aufgabe der Abhandlung und bezeichnete die textkritisch tätigen Personen emendatores und correctores. Schoppe ließ sich wiederum von übergeordneten Gelehrsamkeitsvorstellungen leiten und nannte sie critici. In Robortellos Bezeichnungspraxis spielte hinein, dass corrector in der frühen Neuzeit ein gängiger Ausdruck für den in der Buchdruckerei tätigen Korrekturleser war. In der Bezeichnung des textkritisch tätigen Gelehrten klingt also bei Robortello das handwerklich-technische Umfeld der philologischen Praxis des Buchdrucks an, wohingegen bei Schoppe stärker Bildungsvorstellungen und disziplinäre Zuordnungen eine Rolle spielen. Allerorts in der Ars corrigendi-Literatur finden sich die komplementären Bilder der verbessernden und der verderbenden Philologen – die correctores und die corruptores. Neben den Kopisten, die für die Überlieferungsfehler in den Manuskripten verantwortlich gemacht werden, steht der damalige Philologe, ein Gelehrtentypus, der sowohl im positiven als auch im negativen Sinne hinsichtlich dreier Eigenschaften charakterisiert wurde: Begabung, Bildung und die sich im gelehrten Handeln manifestierende Tugend- bzw. Lasterhaftigkeit. Der Rede von den verderbenden oder heilenden Personen liegt mittelbar ein Verständnis des Textzustandes zugrunde, das die Qualität der Textfassung mit der Kompetenz des Bearbeiters ins Verhältnis setzt. Methodenbezogen bezeichnete Robortello diese Kompetenzen auch als fides, als Glaubwürdigkeit, die ein Textverbesserer genießt, der mit Hilfe seiner Kompetenzen seine Arbeit gut erledigt. Robortello und Schoppe gewichteten die einzelnen Eigenschaften allerdings unterschiedlich: Robortello betonte die Rolle der Bildung des Textverbesserers und seiner textkritisch relevanten Kenntnisse. Schoppe sprach wiederum – wohl aufgrund seiner eigenen Jugend – der Begabung die wichtigere Rolle zu. Als einziger legte Canter eine Verbesserungslehre vor, die Personen und ihre Eigenschaften im Konzept weitgehend außer Acht lässt. Die Rekonstruktion der textkritischen Theorie richtete sich auch auf Texte, also den Gegenstand von Textverbesserung. Es ließ sich unterscheiden, ob literarische Werke als Beispiele für Textkritik angeführt, ob der Text und seine Bestandteile (theoretisch) besprochen oder ob Kenntnisse über Bücher verhandelt wurden. Aus der Zusammenstellung der zitierten Korpora wurde ersichtlich, dass in den Abhandlungen die ganze Bandbreite antiker Literatur behandelt wurde, sowohl lateinischer als auch griechischer Sprache, sowohl literarisches als auch fachliches Schrifttum. Entgegen der Praxis in den Offizinen, viele mittelalterliche und frühneuzeitliche Texte zu edieren und zu drucken, beschränken sich die zitierten
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Textkorpora auf antike Literatur. Die Schwerpunkte im zitierten Schrifttum sind in den einzelnen Abhandlungen unterschiedlich: Robortello nannte vor allem Schriften, die den Gegenstand der Debatten bildeten, zu denen er mit seiner Ars corrigendi einen Beitrag lieferte, Canter berücksichtigte ausschließlich griechische Schriften, aber dafür in der ganzen zeitlichen Ausdehnung der antiken Literaturgeschichte, und Schoppe ging von jenen lateinischen Texten aus, die er bisher bearbeitet hatte. Die Auswahl der Literatur verrät zum einen ein Bemühen um Repräsentativität und Vollständigkeit, zeigt zum anderen den Trend zur Ablösung der Philologie von literarkritischen Vorgaben: Allenfalls bei Robortello klingen in seiner Vorliebe für die goldene Latinität sowie Historiographie und Rhetorik noch Kanonvorstellungen der Renaissance an. Canters und Schoppes Auswahl dagegen ist nurmehr Forschungsdesideraten in der herrschenden Philologie und dem persönlichen Werdegang geschuldet. Auch die Funktionen der einzelnen Nennungen spiegeln einen spezifischen Umgang mit antiker Literatur: Antike Autoren und Schriften wurden als Beispiele für Textkritik und Lesarten, als Beleg- und als Parallelstellen für textkritische Eingriffe herangezogen. Darin manifestieren sich spezialisierte philologische Zugriffe, die vor allem im Falle von Literatur als Sekundärüberlieferung ein methodisches Differenzierungsvermögen und einen reflektierten Quellenumgang verraten. Als konkreter Gegenstand wurde antike Literatur auf vier Ebenen verhandelt: Verbessert wurden antike Autoren, Bücher und Handschriften, Textstellen und einzelne sprachliche Elemente. Die Analyse des Sprechens über Texte gab Aufschluss über das frühneuzeitliche Textverständnis: Texte wurden als Artefakte angesehen, deren sprachliche Elemente es für eine Verbesserung der Textgüte zu verändern galt. Man wusste also, dass Texte eine Überlieferungsgeschichte besitzen und variabel sind. Außerdem sind sie an den materialen Träger Buch gebunden. Gemäß seiner Herstellung wurde der materiale Textträger in handgeschriebene und gedruckte Bücher unterschieden. Handschriften genossen als historische Zeugen und Überlieferungsträger Autorität, die gedruckte Ausgabe wiederum stellte das Ziel textkritischen Handelns dar. Konkrete Wissensbestände werden im Zusammenhang mit Büchern zu drei Bereichen aufgerufen: Schreibmaterial, Schriften und Handschriftenbeschreibung. Der Blick auf den zunehmenden Einsatz von Abkürzungen und Sigel zeigte, wie sich Fachwissen in der zeitgenössischen Philologie zunehmend standardisierte und wie paläographische und kodikologische Kenntnisse zu einer wichtigen Voraussetzung für philologisches Forschungshandeln wurden. Der fortschreitenden Spezialisierung der philologischen Wissensbestände in dieser Zeit wurde in den Methodenlehren einerseits
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mit der Exponierung dieser Wissensbestände begegnet und andererseits mit der Forderung nach Kompetenz von Philologen. Das eigentliche Verbessern von Texten wurde in der Ars corrigendiLiteratur auf zwei Ebenen besprochen, zum einen mit der Beschreibung und Erklärung von Fehlern und zum anderen mit der Vorgabe der beiden textkritischen Verfahren, des Handschriftenvergleichs und der Konjektur. Das methodologische Kernstück der Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe bildete jeweils eine Typologie, in der sie Fehlerarten beschrieben. Dabei orientierten sie sich an einem Ordnungsmuster, das aus der antiken Grammatik stammt und sich von den dort behandelten barbarismi herleitet. Es war auch in der mittelalterlichen Bibelkritik bekannt und in der frühen Neuzeit als rhetorische Figur schon vor Robortello im Zusammenhang mit Textverbesserung im Gebrauch. Faktisch sind die Typologien systematisierte phänomenologische Beschreibungen von Fehlern. In die Typologien eingestreut finden sich eine ganze Reihe von weitergehenden Erläuterungen von Fehlern. Mit dem Bezug auf Abkürzungen, auf das Prinzip der similitudo sowie auf in den Text geratene Glossen werden paläographische und wahrnehmungspsychologische Erklärungen von Fehlern gegeben. Methodisch verknüpft sich dies mit der pragmatischen Vorstellung von dem Textzustand als Ergebnis von Handlungen und mit der Forderung nach Kompetenzen der Textkritiker. Die beiden Verfahren der Textkorrektur schließlich wurden emendatio ope codicum und emendatio ope coniecturae genannt. Dass der Arbeit mit Manuskripten immer der Vorrang gebührt, weil es sich dabei um die verlässlichere Methode handelt, darüber ließ keiner einen Zweifel aufkommen. Und doch wählten Robortello, Canter und Schoppe als eigentliches Thema ihrer Verbesserungslehren die Konjektur. Robortello meinte, dass Eingriffe in methodologischer Hinsicht allein durch die Übereinstimmung mit Sprach- und Stilkenntnissen, mit allgemeinem historischen Faktenwissen sowie mit innertextueller Kohärenz gerechtfertigt werden können. Deswegen forderte er vom Philologen entsprechende Kompetenzen, um dies beurteilen zu können. Canter und Schoppe gaben wiederum ein Verbesserungsverfahren vor, das verschiedene Fehlertypen ansetzt, die sich auf einzelne sprachliche Elemente beziehen. Ausgehend von einer Systematik von Fehlern sollte die Art eines Fehlers identifiziert und in die Systematik eingeordnet werden. Die Zuordnung zu einem Fehlertypus klärt darüber auf, wie der Fehler zustande kommt, und weist den Weg des Verbesserns als Umkehrung dieses Vorgangs auf. In der Zusammenschau lassen sich zwei Konzepte von Textverbesserung ausmachen. Sie unterscheiden sich wesentlich in ihrem Umgang mit textkritisch relevantem Wissen. Robortello verknüpfte seine methodischen
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Anweisungen und Kriterien der Prüfung von Konjekturen konzeptuell mit Wissen und definierte es als Kompetenz. Über die Eigenschaften von Philologen band er bestimmte Wissensbestände als methodologische Rechtfertigungsinstanzen in die textkritische Theorie ein. Wissen wirkt als Korrektiv von Entscheidungen, ist sozusagen im Kopf des einzelnen corrector abgelegt und kann als notwendige Bedingung von gelingender Textkritik eingeklagt werden. Canter und Schoppe dagegen fanden keinen methodologischen Ort für textkritisch relevantes Wissen und sparten es als anthropologische Kategorie in ihren Konzepten aus. Wenn dennoch in der Ratio emendandi und der Ars critica immer wieder verschiedene Wissensbereiche angesprochen werden, so geschieht dies im Zusammenhang mit der Genese von Fehlern. Als eine der Ursachen von Fehlern spielt auch fehlendes Wissen eine Rolle. Allerdings verharrten Canter und Schoppe bei dieser Diagnose – den Umkehrschluss, für erfolgreiche Textkritik entsprechende Kenntnisse vom Philologen einzufordern, zogen sie nicht. Allerdings lassen sich die Konzepte von Robortello einerseits und von Canter und Schoppe andererseits auch komplementär zueinander deuten. Genau genommen behandeln sie nämlich unterschiedliche Dinge: Ziel der Fehlersystematiken von Canter und Schoppe ist es, für häufig vorkommende (verhältnismäßig einfache) Fehler dem (auch ungelehrten) Philologen ein Verfahren an die Hand zu geben, diese Fehler verlässlich korrigieren zu lernen. Dieses letztlich bescheidene Ziel erfüllt das Konzept durchaus, da es seine Grenzen kennt: ganze verderbte Wörter und willkürliche Korruption. Damit beschränkten Canter und Schoppe die Erkenntnismöglichkeiten durch zwei klare Kategorien: Wenn Fehlerursachen im Falle von ganzen Wörtern eine zu hohe Komplexität erreichen oder es keinen rationalen Zugang zu den Ursachen gibt, können keine erlernbaren Wege vorgegeben werden. Das Konzept Robortellos setzt im Grunde erst hier an. Über die phänomenologische Beschreibung der Veränderung von Redeteilen hinaus liefert es Argumentationen, die als Rechtfertigungen für Entscheidungen von Lesarten dienen können. Die Rechtfertigung kann nicht an den Fehlern abgelesen werden, sondern wird durch den Abgleich mit textexternem Wissen erreicht, über das der corrector verfügen muss. Die Lösung von problematischen Stellen wird mit Billigkeitsannahmen unterlegt, die den antiken Schriften als solchen Sinnhaftigkeit unterstellen. Bleibt die Frage zu klären, warum sich Robortello, Canter und Schoppe hauptsächlich der Konjektur zuwandten und das unangefochten als sicherer und verlässlicher geltende Verfahren des Handschriftenvergleichs in der methodologischen Reflexion weniger ausführlich behandelten. Robortello ging in der Vernachlässigung des Themas am weitesten und behauptete, die emendatio ope codicum sei weniger eine Angelegenheit der
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Kompetenz als eine des Reichtums (S. 6/13–16), nämlich entsprechende Handschriften zu besitzen. In dieser lapidaren Abkanzelung des Handschriftenverfahrens klingt – abgesehen von der zweifelsohne zutreffenden Feststellung, dass die Voraussetzung des Handschriftenverfahrens der Zugriff auf die Handschriften selbst ist – eine gewisse intellektuelle Verachtung und Geringschätzung durch. Als Herausforderung galt Robortello allein die Konjektur, die ihm das Höchstmaß an Bildung, Wissen und Begabung abnötigt – ähnlich gelagerte interessante Aufgaben, die etwa im Umgang mit Handschriften entstehen können, berücksichtigte Robortello nicht. In diesem Sinne sah Robortello das Geschäft des Konjizierens als eine exklusive Angelegenheit der hoch gelehrten und enzyklopädisch gebildeten Philologen an, die nur diesen vorbehalten sein soll und die Robortello am liebsten per Gesetz vor dem Zugriff der imperiti geschützt gesehen hätte. Dagegen eröffneten Canter und Schoppe das Textverbessern konzeptionell auch weniger gelehrten Philologen. Sie stellten mit den Fehlersystematiken ein Hilfsmittel vor, das auch unerfahrenen und fachlich nicht ganz so beschlagenen (jüngeren) Philologen die Textkorrektur erlaubte. Doch auch durch Schoppes Ars critica zieht sich eine Wertschätzung von angeborenen Eigenschaften wie Begabung bzw. ingenium. Er sprach davon, mit Konjekturen dem Ruhm des Verstandes nachzujagen (laudem ingenii aucupari) und legte eine bemerkenswerte Gelassenheit gegenüber Fehlern von jungen ungestümen Philologen an den Tag. Das alles macht nochmals deutlich, dass das Konjizieren auch entgegen anderslautenden Beteuerungen schon in der frühen Neuzeit die eigentlich prestigeträchtige Tätigkeit beim Textverbessern war. Die Ars corrigendi-Literatur als Methodik der Philologie Die Empirisierung der medizinischen Wissenschaften – um nur ein Beispiel zu nennen –, die in der frühen Neuzeit beträchtlich voranschritt, stand im engen Konnex zur Prüfung der autoritativen Überlieferung auf sachliche Richtigkeit und auf Korrektheit des Wortlauts. Dafür vermittelten die humanitates die nötigen sprachlichen Kompetenzen, die den Medizinern für ihr Studium des Galen unentbehrlich waren. Als Robortello die Ars corrigendi veröffentlichte, war er ein Professor für diese humanitates. Nach der Eskalation des Streits mit Carlo Sigonio ging er nach Bologna, wo er als Student in den 1530er Jahren bei Romolo Amaseo Rhetorik und Poetik gehört hatte. 1538 – da hatte Robortello die Universität bereits verlassen – wurden die humanitates in Bologna aus der Rhetorik und Poetik herausgelöst und einem eigenen Lehrstuhl zugeordnet, den Amaseo als
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Erster inne hatte. Nachdem ihn Sebastiano Corradi 1544 beerbt hatte,1 folgte ihm 1557 sein ehemaliger Schüler Robortello in der lectura humanarum litterarum nach. In der Zwischenzeit war dort der Umfang der humanistischen Studien auf vier Lehrstühle angewachsen.2 Das Beispiel der Universität von Bologna zeigt, wie die propädeutischen Studien in dieser Zeit umorganisiert wurden: Man löste die Sprachlehre aus den Rhetorik- und Poetiklehrstühlen heraus. Auf diese Weise verankerten sich die philologischen Studien an den Lehrstühlen der humanitates. Robortello legte mit der Ars corrigendi eine Methodenlehre vor, die einen der Kernbereiche seiner Lehre als Professor für die humanitates betraf. In diesem Sinne kann die Ars corrigendi als eine Methodologie aufgefasst werden, die jene philologischen Fertigkeiten vermittelte, die von allen Gelehrten in dieser Zeit gebraucht wurden und deren Vermittlung in den humanitates einen institutionellen Ort an den Universitäten bekommen hatte. Auch wenn Robortello Juristen und Mediziner ausbildete, beschränkte er sich in der Ars corrigendi in der Auswahl der behandelten Literatur dennoch auf Schriften klassischer antiker Autoren. Auch bei Canter und Schoppe kommen nur wenige juristische, medizinische und sakrale Schriften vor und werden mit anderen antiken Schriften gleichbehandelt. Besonders auffällig ist dies in der Ars critica, da Schoppe ja zum Abfassungszeitpunkt als Student der Jurisprudenz mit der rechtswissenschaftlichen Fakultät eng verbunden war. Dies spiegelt die Tendenz der philologischen Studien, Eigenständigkeit gegenüber den höheren Fakultäten und Allgemeingültigkeit ihrer Methoden zu beanspruchen. Im 16. Jahrhundert wurde in der Bibelphilologie trotz einer regen Betriebsamkeit – man denke etwa an die großen polyglotten Bibelausgaben wie die Complutenser Polyglotte von Alcalá 1522 oder die Plantinische Ausgabe in Antwerpen 1572 – nach vorliegendem Kenntnisstand keine eigenständige und kodifizierte Methodenlehre der Textkritik entwickelt. Erst die Professionalisierung der orientalischen Philologien zu Beginn des 17. Jahrhunderts etwa an der Universität Leiden sollte kodifizierte Bibelkritiken nach sich ziehen.3 Auch in der Jurisprudenz standen im Rahmen des mos Gallicus die –––––––––––––– 1
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Corradi hatte in Venedig bei Egnazio studiert und war dort mit vielen Gelehrten befreundet, etwa mit Piero Bembo und Lazzaro Bonamico. Seine philologischen Arbeiten waren berühmt, er beschäftigte sich mit Cicero, Valerius Maximus, Platon und Vergil. Wie viele andere Philologen in dieser Zeit war auch Corradi für Druckereien als Korrekturleser tätig: Als er in Venedig studierte, arbeitete er für die Sessa-Offizin. Seine philologischen Anmerkungen zu Cicero übernahm Robortello später in die Edition der Epistolae ad familiares (siehe Kapitel 1.1.2). Vgl. zu Corradi: F. R. de’Angelis: Art. „Corradi, Sebastiano“, DBI 29, 1983, S. 322f. Vgl. dazu E. Costa: La prima cattedra d’umanità nello Studio Bolognese, 1907, S. 25–34; C. B. Schmitt: Philosophy and science in the 16th c., 1982, S. 323 (Fn. 21). Weiterführend ist dazu ist beispielsweise H. J. de Jonge: Study of the New Testament, 1975.
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Kompetenzen im Umgang mit nicht-juristischen Texten in hohem Kurs. Textkritische Überlegungen tauchen aber nur in einer Schrift über den Iurisconsultus perfectus von 1588 auf. Dort beschreibt der Anonymus in einem kürzeren Abschnitt des Kapitels sieben (S. 51–55) einige textkritische Verfahren, griff dabei allerdings nur einige wenige der in der allgemeinen Ars corrigendi-Literatur besprochenen Themen auf.4 Wichtige disziplinäre Orte von Textkritik wie die Jurisprudenz (Corpus iuris civilis, Zwölftafelgesetz), Medizin (Galen, Corpus Hippocraticum) oder Sakralphilologie (Bibel, Kirchenväter) bildeten im 16. Jahrhundert also noch keine Methodenlehren aus, die den Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe vergleichbar wären. Obwohl Robortello und Schoppe an der Universität institutionell der medizinischen und juristischen Fakultät angehörten und Canter eng mit dem frühneuzeitlichen Druckwesen verbunden war, sind ihre Abhandlungen weder als medizinische oder juristische Fachmethodologien angelegt noch als Methodenlehren des frühneuzeitlichen Druck- oder Editionswesens. Dafür fehlen in ihnen spezielle Bezüge auf die Fächer der höheren Fakultäten bzw. technische und handwerkliche Details aus dem Buchdruck. Auch die Literaturkorpora stimmen weder mit den Vorgaben von Medizin, Jura oder Theologie noch mit der frühneuzeitlichen Verlagspraxis überein. Vielmehr sind sie als spezielle Lehren für die Philologie der antiken Autoren konzipiert, von denen nach damaligem Dafürhalten jede Behandlung juristischer, medizinischer und sakraler Texte ihren Ausgang nehmen musste. Die Auswahl der Literaturkorpora in den Abhandlungen zur Textverbesserung beschränkt sich auf antikes Schrifttum und bildet in ihrem Gegenstand das, was später Alt- oder Klassische Philologie genannt wird. Robortello, Canter und Schoppe stellen sich selbst und ihre Abhandlungen in den Kontext einer philologischen Gelehrsamkeit, die sie als so wichtig erachten, dass sie ihr eine eigenständige Methodologie zusprechen. Inhaltlich spiegeln die Methodenschriften ihre Bezogenheit auf die Philologie auf den ersten Blick durch die Spezifizität des Themas. Robortello, Canter und Schoppe beschäftigen sich ausdrücklich mit dem Verbessern von Texten und literarkritische Fragestellungen kommen nicht zur Sprache. Als einziger bestimmt Schoppe im Rückgriff auf antike Modelle die Textkritik zu einem von zwei Teilen der Philologie. Die Begrenzung des Themas geht mit einer erheblichen Gründlichkeit seiner Behandlung einher. Textverbesserung soll eingehend reflektiert und durch den Sprachenstudenten eingeübt werden. Die didaktische Zielsetzung wird in den Ab–––––––––––––– 4
Vgl. dazu auch die ausführliche Besprechung dieser Stelle bei H. E. Troje: ‚Graeca leguntur‘. Jurisprudenz im 16. Jhd., 1971, S. 137–149.
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handlungen an vielen Stellen ausdrücklich festgestellt, sichtbar wird sie darüber hinaus in den systematischen und alphabetischen Klassifikationen. Des Weiteren zeigen die Verbesserungslehren Ähnlichkeiten mit der philologischen Gattung der notae-Sammlung. Sie entwickelte sich in der frühen Neuzeit aus dem Kommentar heraus und war darauf ausgerichtet, die Ergebnisse philologischer Forschung zu antiken Schriften konzise in der Gelehrtengemeinschaft zu verbreiten. Die textkritischen Methodenlehren sind also mit einer Publikationsgattung verwandt, die zuvorderst auf die Vermittlung von Erkenntnissen philologischer Arbeit ausgerichtet war und sich an ein Fachpublikum adressierte. Am besprochenen Fachwissen kann eine Intensivierung der philologischen Arbeit abgelesen werden. Diese paläographischen und kodikologischen Kenntnisse sind zur Handschriftenbeschreibung und -bewertung nötig. Außerdem wird spezialisiertes Wissen als Voraussetzung für gelungene Textverbesserung angesehen und als Teil der für die Textkritik unabdingbaren Kompetenz in das methodologische Konzept eingebunden. Die im Zusammenhang mit der Ars corrigendi-Literatur stehenden philologischen Schriften zeigen, wie sich die Philologie in dieser Zeit auf die Erforschung einzelner Texte oder Textkorpora ausrichtete. Auf die Ergebnisse anderer Gelehrter wird systematisch Rücksicht genommen. So versuchte Schoppe durch scheinbar beiläufige Erwähnungen von zentralen Arbeiten in der Servius- und Plautus-Philologie den Eindruck von Kompetenz zu erwecken. Auffällig in den Abhandlungen ist, dass die eigentlichen Motive des Unternehmens der Textverbesserung nicht weiter erläutert wurden. Die von der Antikerezeption in der Renaissance herrührende Wertschätzung antiker Literatur und das damit verbundene Ziel der Wiederherstellung ihrer Zeugnisse werden allenfalls formelhaft und oftmals nur metaphorisch ausgedrückt. Dabei wird das Ansehen der antiken Schriften durchaus methodologisch relevant, etwa wenn den antiken Schriften stillschweigend Kohärenz und Autorität zugesprochen werden und damit Billigkeitsannahmen in textkritische Verfahren Eingang finden. Dass die mit der Textverbesserung verbundenen ideellen Einstellungen nicht eingehender erläutert werden, hat mit der Entwicklung der Philologie zu tun: In einer spezialisierten Praxis verhandelten die kompetenten beteiligten Philologen keine grundsätzlichen Fragestellungen und selbstverständlichen Zielsetzungen (mehr), sondern konzentrierten sich auf spezielle Einzelprobleme. In diesem Sinne sind die Abhandlungen eben keine Programmschriften, die humanistische Bildungsideen behandeln, sondern Methodologien einer spezialisierten Tätigkeit mit differenzierten und etablierten Umgangsweisen mit ihrem Gegenstand, den antiken Texten.
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Robortello, Canter und Schoppe legten Methodenlehren der Textverbesserung vor, die nicht als Methodenlehren der höheren Fakultäten oder eines im frühneuzeitlichen Buchdruck gelegenen Editionswesens, sondern einer übergeordneten Philologie gedacht waren. Die Abhandlungen waren außerdem in eine Philologie eingebettet, die von einer starken Spezialisierung und Intensivierung ihrer Praktiken geprägt war. Mit Verhältnissetzungen zu antiken Philologiekonzepten (Schoppe) und der Aufnahme des enzyklopädischen Bildungsideals (Robortello) bemühten sie sich direkt oder implizit um Legitimation. Schoppe rang dabei um eine innovative – gleichzeitig mit historischer Dignität ausgestattete – Grundlegung eines Faches der Philologie und damit um eine disziplinäre Einbindung seiner Verbesserungslehre. Über die Erfindung der Textkritik im 16. Jahrhundert Robortellos – und damit die früheste hier betrachtete eigenständige – Abhandlung über Textverbesserung beginnt mit den Worten: Ars haec corrigendi veteres auctores a nullo ante tradita fuit, sed nunc primum a me excogitata.5
Unter Verzicht auf Bescheidenheitsformeln stellte Robortello seine Lehre von der Textverbesserung vor und nahm für sich in Anspruch, der erste zu sein, der eine solche Ars corrigendi verfasste. Er platzierte sie in einen scheinbar traditionslosen Raum und stilisierte sich zum Begründer der textkritischen Methodologie. Auf den ersten Blick mag das richtig sein, da im Laufe der Beschäftigung mit philologischem Schrifttum in der frühen Neuzeit tatsächlich keine vorgängige Schrift gefunden werden konnte, die ihrem Selbstverständnis nach eine allgemeine Methodenschrift der Textkritik gewesen wäre.6 Allerdings handelt es sich bei der Ars corrigendi, wie die vorliegenden Studien gezeigt haben, keineswegs um eine creatio ex nihilo. Der Vergleich mit anderen Zeugnissen aus dieser Zeit und dem Gebrauch des philologischen Wortschatzes verschiedener Gelehrter zeigt deutlich, dass Robortello Gedanken aufgriff, die zum philologischen Gemeinwissen der Zeit gehörten. Auch Canter und Schoppe waren mit ihren Methodenlehren inhaltlich an die zeitgenössische Philologie gebunden. Höchstwahrscheinlich kannte –––––––––––––– 5 6
„Die folgende Kunst(lehre) des Verbesserns antiker Autoren wurde bisher von niemandem zuvor gelehrt, sondern jetzt von mir zum ersten Mal ausgedacht.“ Rob. Ars corr., 1557, S. 1/1f. So auch (allerdings wohl im Anschluss an Robortellos Behauptung) etwa A. Carlini: L’attività filologica di Robortello, 1969, S. 66; E. Keßler: Petrarcas Philologie, 1975, S. 102; G. Pompella: Commentario all’ ‚Ars corrigendi‘, 1975, S. 79.
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Canter Robortello, arbeitete er doch auch zu Aischylos. Und auch er griff wie Robortello auf Begriffe und Metaphern zurück, die in der zeitgenössischen Gelehrtenwelt gängig waren. Doch die Nüchternheit, der Verzicht auf Exkurse, die geradlinige Gliederung des Themas in übersichtliche Kapitel, die Verwendung von alphabetischen Verzeichnissen von Lesarten, die Anlehnung an die Gattung der philologischen notae-Sammlungen und letztlich (im Unterschied zu Robortello und Schoppe) auch der Verzicht auf soziale oder fachliche Instrumentalisierungen lassen gerade die Ratio emendandi als eine um Professionalität bemühte philologische Abhandlung erscheinen. Canter war dem Ziel verpflichtet, die Texte der griechischen Literatur, deren Erforschung sich in dieser Zeit als Disziplin in Frankreich und den Niederlanden etablierte, zu verbessern. Im Gegensatz zu Canter setzte Schoppe seine Ars critica ausdrücklich ins Verhältnis zu ihren Vorgängern. Die Abhandlung von Robortello nannte Schoppe in der praefatio: Sed debuit me aliorum fortasse iudicio ab hoc consilio deterrere, quod & Franciscus Robortellus Italus (ut | aiunt, nec enim quicquam eius vidi) undiquaque doctissimus & ingeniosissimus librum olim de hac ipsa corrigendi ratione edidit, & Paullus quoque Merula Leydanae Academiae professor celeberrimus peculiarem eadem de re libellum nunc nuper promisit.7
Die Rechtfertigung seines Vorhabens der Abfassung einer Verbesserungslehre kleidete Schoppe in die rhetorische Frage, ob er angesichts der Traktate von Robortello und Merula darauf hätte verzichten sollen. Mit Paul Merula nennt er den Professor für Geschichte an der angesehenen Leidener Universität, aus dessen Vorwort zur Ennius-Edition von 1597 er eine Stelle als testimonium in der Ars critica verwendete. Schoppe bezog sich wohl auf eine Stelle in der gleichen Schrift Merulas, die an das testimonium anschließt und an der Merula schrieb: Sed singulario servantur haec a me libello, ‚De Latinos Auctores emendandi ratione‘.8 Merula erwähnte hier eine eigene Abhandlung über das Verfahren der Textverbesserung und Schoppe griff diese Ankündigung in der Ars critica bereitwillig auf. Allerdings war es nicht möglich, eine solche Schrift von Merula ausfindig zu machen. Neben Merulas noch nicht – oder nie – geschriebener Abhandlung bezog sich Schoppe an der zitierten Stelle auf Robortellos Ars corrigendi. Dabei –––––––––––––– 7
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„Aber es hätte mich vielleicht, nach dem Urteil der Anderen, von diesem Vorsatz [der Abfassung der Ars critica] abschrecken müssen, dass einerseits der Italiener Francesco Robortello, der (so wird es berichtet, denn ich selbst habe nichts von ihm gelesen) in jeder Hinsicht überaus gelehrt und begabt war, seinerzeit eine Abhandlung über eben genau diese Methode des Verbesserns verfasste, und andererseits auch der überaus berühmte Professor an der Leidener Akademie Paullus Merula vor kurzem eine eigene Schrift über die gleiche Sache versprach.“ Schop. Ars crit., 1597, fol. B2r–B2v. „Aber diese werden von mir in einer eigenen Abhandlung ‚Über das Verfahren des Verbesserns lateinischer Schriftsteller‘ aufbewahrt.“ P. Merula: Ad lectorem, in: Ennius: Fragmenta annalium, ed. P. Merula 1595, S. ka.
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räumte er ein, dass er zwar von ihr gehört habe, gab aber zugleich vor, sie nicht gelesen zu haben. Ob er die Abhandlung von Robortello, die ja im Anhang seiner Ars critica abgedruckt erschien, tatsächlich nicht gelesen hatte, kann nicht abschließend geklärt werden. Einerseits finden sich einige sachliche Parallelen in der Ars critica zur Ars corrigendi – Schoppe formuliert beispielsweise das Ehrlichkeitsgebot im gleichen Sinne wie Robortello –,9 sowie viele terminologische und sachliche Ähnlichkeiten, die allerdings ebenso durch den zeitgenössischen Sprachgebrauch erklärbar wären. Andererseits weisen die Abhandlungen von Robortello und Schoppe grundsätzliche Unterschiede auf – inhaltlich steht Schoppe sicherlich den testimonia näher als Robortello. Die Abhandlung, die Schoppe aber tatsächlich und nachweislich mit seiner Ars critica an vielen Stellen und in der Darstellungsart – am auffälligsten in der Anlage seiner Typologie – imitierte, ist Canters Ratio emendandi. Dies verzeichnete Schoppe nur beiläufig an einer abgelegenen Stelle in der Ars critica, nämlich im Abschnitt über die zeitgenössische Philologie: Dort erwähnte er unter vielen Anderen auch Willem Canter in einem Satz und vermerkte dabei kurz, seine Ratio emendandi sei ihm von großem Nutzen gewesen.10 Die Abhandlungen von Robortello, Canter und Schoppe spannen mit ihren Veröffentlichungszeitpunkten der Jahre 1557, 1566 bzw. 1571 und 1597 die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. In diesem frühneuzeitlichen Korpus textkritischer Methodologie kommen Gedanken über Textkritik zum Vorschein, die ein beachtliches Reflexionsniveau aufweisen. Die in ihnen durchscheinende Philologie zeichnet sich durch eine an vielen Beispielen ablesbare Spezialisierung ihrer Tätigkeiten, Präsentationsgattungen, Wissensbeständen und Verfahren aus. Die inhaltliche Analyse dieser Abhandlungen förderte unter anderem spezialisierte paläographische und kodikologische Wissensbestände, ein historisches Textverständnis, eine systematisierte und didaktisch aufgearbeitete Behandlung von Fehlern und zwei unterschiedliche Konzepte von Textkritik zutage: Textverbesserung als Handlung von Personen mit bestimmten förderlichen oder abträglichen Eigenschaften einerseits, Textverbesserung als (mechanische) Rückgängigmachung der Fehlergenese andererseits. Die Konzepte unterscheiden sich wesentlich in ihrer Behandlung von Wissen, das Robortello an die handelnden Personen band, Canter und Schoppe dagegen nur im Zusammenhang mit bestimmten Fehlertypen diskutierten. Die Methodenlehren sind aussagekräftige Zeugnisse einer in dieser Zeit gängigen gelehrten Praxis und ihrer Reflexion, weil sie nachweislich zeitgenössische Vorstellungen wiedergeben. Das ermöglichte es, sie als ergiebige und –––––––––––––– 9 10
Rob. Ars corr., 1557, S. 15/8–11, zitiert S. 299; sowie Schop. Ars crit., 1597, fol. B3v, zitiert S. 300. Schop. Ars crit., 1597, fol. C2r, zitiert S. 253.
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repräsentative Quellen für die Geschichte der Philologie dieser Zeit heranzuziehen, systematisch darzustellen und jetzt einer weiterführenden historischen Verhältnissetzung mit früheren und späteren textkritischen Theorien zur Verfügung zu stellen. Auch wenn Robortello also die Ars corrigendi nicht erfunden hat, war er offenbar doch der erste, der auf die Idee gekommen ist, der Verbesserungskunst eine eigene Schrift zu widmen. Darin folgte ihm dann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Canter mit einer hoch spezialisierten Lehre von der Verbesserung griechischer Texte. Schoppe schließlich präsentierte Ende des Jahrhunderts seine Verbesserungslehre als Erörterung eines Teilbereichs einer als Fach konzipierten Philologie, die er critica nannte. Die drei Methodenschriften sind Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses der Philologie – eine Praxis des Umgangs mit Texten, die in eigenen Methodenschriften reflektiert wird.
Anhang Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Porträt Francesco Robortello .................................................. 16 Abbildung aus: Lutz Geldsetzer: Philosophengalerie. Bildnisse & Bibliographien von Philosophen aus dem 11.–17. Jahrhundert (Webinstallation unter www.phil-fak.uniduesseldorf.de/philo/galerie/neuzeit/robort.htm).
Abbildung 2: Das Titelblatt der Ars corrigendi ................................................ 31 Abbildung des Exemplars HAB: A: 154.1 Quodl. 2°.
Abbildung 3: Das Titelblatt zu Ps.Longin: Perˆ Ûyouj, ed. pr. 1554 von F. Robortello 1554 ...................................................................................... 41 Download aus dem Internet-Projekt der Universität Basel Griechischer Geist aus Basler Pressen (www.ub.unibas.ch/kadmos/gg/picpage/gg0233_ 001_tit.htm). Dieses Exemplar befindet sich im Bestand der Universitätsbibliothek Tübingen. In der Baseler Universitätsbibliothek befindet sich nur eine Fotokopie (Signatur: Bc VII 620).
Abbildung 4: Porträt Willem Canter .............................................................. 52 Abbildung in A. LeMire: Icones & elogia illustrium scriptorum, 1604 (La Hague, Königliche Bibliothek); hier aus J. A. Gruys: Early printed editions of Aeschylus, 1981, S. 115.
Abbildung 5: Das Titelblatt der Ratio emendandi ........................................... 60 Abbildung des Exemplars der Bibliotheca Palatina
Abbildung 6: Porträt Kaspar Schoppe............................................................ 63 Dieser Kupferstich von 1602 stammt von Adriaen Claesz Grebber; in: Kunstsammlungen der Veste Coburg, Inv.–Nr. VIII, 322,1; Angaben nach K. Schoppe: Philotheca Scioppiana, 1645 (ed. & dt. Übers. K. Jaitner 2004), Abb. 1 im Anhang von Teilband 1. Reproduktion nach Abbildung in: P. Mortzfeld: Porträtsammlung der HAB (Abbildungen), 1993, A 19540.
Abbildung 7: Das Titelblatt Schoppe: Suspectae lectiones, 1597 ..................... 72 Abbildung des Exemplars der Bibliotheca Palatina
330
Anhang
Abbildung 8: Plautus-Kodex Heidelbergensis 1613 Palatinus C, fol. 150r...... 74 Faksimilie-Ausgabe: Plautus Codex Heidelbergensis 1613 Palatinus C phototypice editus Praefatus est Carolus Zangemeister, Leiden: A. W. Sijthoff 1900 (Codices Graeci et Latini photographice depicti 5).
Abbildung 9: Titelblatt der Ars critica .............................................................. 78 Abbildung des Exemplars der Bibliotheca Palatina
Abbildung 10: Critica bei Schoppe (Ars crit., 1597, fol. B4v)...................... 119 Abbildung 11: Grammatica bei Quintilian (inst. 1,4,1–3) ............................. 121 Abbildung 12: Grammatica bei Sueton (gramm. 24) ...................................... 121 Abbildung 13: Die hellenistische grammatik».............................................. 125 Abbildung 14: Grammatica bei J. J. Scaliger (De arte critica, 1617) .............. 129 Abbildung 15: Titel von notae-Sammlungen zu einzelnen Texten............ 138 Abbildung 16: Titel von vermischten notae-Sammlungen .......................... 139 Abbildung 17: Eine frühneuzeitliche Offizin .............................................. 160 Aus: H. Hornschuch: Orthotypographia teutsch, 1634, fol. Aiiiv, Nachdruck in: Hieronymus Hornschuch Orthotypographia lateinisch / deutsch 1608 Leipzig 1634. Nachdruck hg. von Martin Boghardt, Frans A. Janssen und Walter Wilkes, Darmstadt: Renate Raecke 1983.
Abbildung 18: Terenz-Codex Bembinus, fol. 9r .............................................. 175 Aus S. Prete: Il Terenzio Vaticano lat. 3226, 1970, tav. 14.
Abbildung 19: In Robortellos Ars corrigendi erwähnte Handschriften ..... 241 Abbildung 20: In Canters Ratio emendandi (1571, S. 4) erwähnte Handschriften ............................................................................................ 242 Abbildung 21: In Schoppes Ars critica erwähnte Handschriften............... 243 Abbildung 22: Typus (Schop. Ars crit., 1597, fol. E8v) ................................ 255 Abbildung 23: Donat über barbarismi in der glossierten Handschrift Dom. 203, Anfang 13. Jhd., fol. 81r......................................................... 258 Abbildung aus J. M. Plotzek u. a.: Glaube und Wissen im MA, 1998, S. 297.
Abbildung 24: Die Tradition der Fehlermodi ............................................. 264 Abbildung 25: Fehlermodi bei Robortello, Canter und Schoppe ............ 265 Abbildung 26: Sprachliche Elemente in den Typologien .......................... 266 Abbildung 27: Griechische Ligaturen (Cant. Ratio emend., 1571, S. 62) ... 274 Abbildung 28: Fehlertypologie bei Canter (Ratio emend., 1571, S. 29)...... 277 Abbildung 29: Fehlertypologie bei Schoppe (Ars crit., 1597, fol. F3r) ..... 278
Anhang
331
Abkürzungsverzeichnis ABI
Archivio Biografico Italiano
ADB
Allgemeine Deutsche Biographie
Bibliotheca Palatina
Mikrofiche-Ausgabe 1989–1995, München: K. G. Saur Verlag.
BBK
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
BNB
Biographie nationale de Belgique
BSB
Bayerische Staatsbibliothek München
Centuriae Latinae
Colette Nativel (Hg.): Centuriae Latinae. Cent une figures humanistes de la Renaissance aux Lumières offertes à Jacques Chomarat, Genf: Droz 1997.
Centuriae Latinae II
Colette Nativel (Hg.): Centuriae latinae II. Cent une figures humanistes de la Renaissance aux Lumières. A la mémoire de Marie-Madeleine de la Garanderie, Genf: Droz 2006.
Contemporaries of Erasmus
Peter G. Bietenholz / Thomas B. Deutscher (Hg.): Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, 3 Bde., Toronto/ Buffalo/ London: University of Toronto Press, 1985–1987.
CTC
Paul Oskar Kristeller et al. (Hg.): Catalogus Translationum et Commentariorum: Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries, Vol. I–VIII. Annotated Lists and Guides, Washington, D.C.: The Catholic University of America Press 1960–2003.
DBE
Deutsche Biographische Enzyklopädie
DBF
Dictionnaire de Biographie Française
DBI
Dizionario Biografico degli Italiani
DHGE
Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques
DHM
Dictionnaire historique de la médecine ancienne et moderne
DKP
Der Kleine Pauly
DLLF
Dictionnaire des littératures de la langue française
DNP
Der Neue Pauly
DSB
Dictionary of Scientific Biography
DTC
Dictionnaire de théologie catholique
DuCange
Glossarium mediae et infimae Latinitatis
EO
Enciclopedia Oraziana
Georges
Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch von K. E. Georges, 8. Auflage.
HAB
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
HWP
Historisches Wörterbuch der Philosophie
332
Anhang
HWR
Historisches Wörterbuch der Rhetorik
Jöcher
Allgemeines Gelehrtenlexicon, herausgegeben von Christian Gottlieb Joecher.
Killy
Walther Killy: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache 1991
Letteratura italiana
Letteratura italiana. Gli Autori. Dizionario bio-bibliografico e Indici, hg. v. Alberto Asor Rosa, Turin: Giulio Einaudi, 2 Bde., 1990–1991.
LexThK2
Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage
LMA
Lexikon des Mittelalters
NBG
Nouvelle Biographie Générale
NNBW
Nieuw Nederlandsch Biographisch Woordenboek
Nomenclator Philologorum
Friedrich August Eckstein: Nomenclator Philologorum, Leipzig: Teubner 1871.
PSB
Polski S ownik Biograficzny
RE
Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
RL
Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte
Texts & transmission
Leighton Duham Reynolds (Hg.): Texts and Transmission. A Survey of the Latin Classics, Oxford: Clarendon 1983.
TLL
Thesaurus Linguae Latinae
TRE
Theologische Realenzyklopädie
UB
Universitätsbibliothek
Volpi
Großes Werklexikon der Philosophie, hg. v. Franco Volpi, 1999
Zedler
Johann Heinrich Zedlers grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste
333
Anhang
Konkordanzen F. Robortello: Ars corrigendi ed. 1557
ed. 1597
1r
L4r–L5r
ed. 1662
ed. 1975
ed. 1557
ed. 1597
ed. 1662
1
4v–5r
M5r–M6r
98–99
1r–1v
L5r–L6r
99–100
1v–2r
L6r–L7r
100–102
2r–2v
L7r–L8v
2v–3r
L8v–Mv
3r–3v
Mv–M2v
3v–4r 4r–4v
M4r–M5r 108–109
ed. 1975
109–111
9
2
5r–5v
M6r–M7v
111–112
10
3
5v–6r
M7v–M8v
112–114
11
102–103
4
6r–6v
M8v–Nv
114–115
12
103–105
5
6v–7r
Nv–N3r
115–117
13
105–106
6
7r–7v
N3r–N4r
117–118
14
M2v–M4r 106–108
7
7v–8r
N4r–N5v
118–120
15
8
8r–8v
N5v–N6v
120–121
16
W. Canter: Ratio emendandi ed. 1566
ed. 1571
ed. 1826
ed. 1829 (1964)
ed. 1566
ed. 1571
ed. 1826
ed. 1829 (1964)
3
177–178 795–796
639
21
197–198
811–812
4
178
639
22
198–199
812–813
5
178–179 796–797
639
23
199–200
813–814 814–815
796
6
179
639
24
200–201
636
--
180–181 797–799
797
639–640
25
201–202
815
637
7
182
799–800
640
26
202–203
815–816
637
8
183
800–801
640
27
203–204
816–817
637
9
184–185 801
640
28
205–206
817–818
637
10
185–186 801–802
640
29
206–207
818–819
637
11
186–187 802–803
640
30
207–208
819–820
637–638
12
187–188 803–804
640–641
31
208–209
820
638
13
188–189 804–805
641
32
209–210
820–821
638
14
189–191 805–806
641
33
210–211
821–822
638
15
191–192 806–807
641
34
212–213
822–823
638
16
192–193 807–808
641
35
213–214
823–824
638
17
193–194 808–809
641
36
214–215
824–825
638
18
194–195 809
641
37
215–216
825–826
638–639
19
195–196 809–810
641
38
216–217
826–827
639
20
106–197 810–811
641–642
39
217–219
827
334
Anhang
ed. 1566
ed. 1571
ed. 1826
ed. 1829 (1964)
ed. 1566
ed. 1571
ed. 1826
ed. 1829 (1964)
642
40
219–220
827–828
644
52
231–232
837
642
41
220–221
828–829
644
53
232–233
837–839
642
42
221–222
829–830
644
54
233–234
839–840
642
43
222–223
830–831
644
55
235
840–841
642
44
223–224
831–832
644
56
235–237
841–842
642–643
45
225–226
832–833
644–645
57
237–238
842–843
643
46
226
833
645
58
238–239
843
643
47
226–227
833–834
645
59
239–241
843–844
643
48
227–228
834–835
645
60
241
844–845
643
49
228–229
835–836
645
61
241–243
845–846
643–644
50
229–230
836
6451
62
243
846
644
51
231
837
63
243–244
846–847
64
244
847
K. Schoppe: Ars critica ed. 1597
1
ed. 1662
ed. 1597 ed. 1662
ed. 1597
A2r
*2r
Bv
**2r–**2v
Cr
A2v
*2r–*2v
B2r
**3r–**3v
Cv
A3r
*2v–*3v
B2v
**3v–**4r
C2r
A3v
*3v–*4r
B3r
**4r–**4v
A4r
*4r–*4v
B3v
A4v
*4v–*5r
B4r
A5r
*5r–*5r
A5v
ed. 1662
ed. 1597
ed. 1662
7
C8v
16–17
7–8
Dr
17
8–9
Dv
17–18
C2v
9–10
D2r
18–19
**4v
C3r
10
D2v
19
Ar = S.1
C3v
10
D3r
19–20
B4v
1–2
C4r
10–11
D3v
20
*6r
B5r
2–3
C4v
11–12
D4r
21
A6r
*6r–*6v
B5v
3
C5r
12
D4v
21–22
A6v
*6v–*7r
B6r
3–4
C5v
12–13
D5r
22–23
A7r
*7v–*8r
B6v
4
C6r
13–14
D5v
23
A7v
*8r–*8v
B7r
4–5
C6v
14
D6r
23–24
A8r
*8v–**r
B7v
5
C7r
14–15
D6v
24–25
A8v
**r–**v
B8r
5–6
C7v
15
D7r
25–26
Br
**v–**2r
B8v
6–7
C8r
15–16
D7v
26
Der Schluss auf den Seiten 645f. in der Ed. 1566 weicht von dem in der zweiten Auflage von 1571 ab.
335
Anhang
ed. 1597
ed. 1662
ed. 1597
ed. 1662
ed. 1597
ed. 1662
ed. 1597
ed. 1662
D8r
26–27
F3r
41–42
G6r
55–56
Ir
71–72
D8v
27–28
F3v
42–43
G6v
56
Iv
72
Er
28
F4r
43
G7r
56–57
I2r
72–73
Ev
28–29
F4v
43–44
G7v
57–58
I2v
73–74
E2r
29–30
F5r
44
G8r
58
I3r
74
E2v
30
F5v
44–45
G8v
58–59
I3v
74–75
E3r
30–31
F6r
45–46
Hr
59–60
I4r
76
E3v
31–32
F6v
46
Hv
60–61
I4v
76–77
E4r
32
F7r
46–47
H2r
61
I5r
77–78
E4v
32–33
F7v
47–48
H2v
61–62
I5v
78–79
E5r
33–34
F8r
48
H3r
62–63
I6r
79–80
E5v
34
F8v
48–49
H3v
63–64
I6v
80–81
E6r
35
Gr
49
H4r
64–65
I7r
81
E6v
35–36
Gv
50
H4v
65
I7v
81–82
E7r
36–37
G2r
50–51
H5r
65–66
I8r
82
E7v
37
G2v
51
H5v
66–67
I8v
83
E8r
37
G3r
51–52
H6r
67
Kr
83–84
E8v
38
G3v
52–53
H6v
67–68
Kv
84–85
Fr
39
G4r
53
H7r
68–69
K2r
85
Fv
39–40
G4v
53–54
H7v
69
K2v
85–86
F2r
40–41
G5r
54–55
H8r
69–70
K3r
86
41
G5v
55
H8v
70–71
F2v
Bibliographie 1. Quellen 1.1 Frühneuzeitliche Textausgaben und Übersetzungen [Aelian: Theoria tactica, ed. F. Robortello 1552]
AILIANOU PERI STRATHGIKWN t£xewn ˜llhnikîn. Aeliani de militaribus ordinibus
instituendis more graecorum liber a Francisco Robortello Utinensi nunc primum Graece, editus, multisque imaginibus, & picturis ab eodem illustratus. Venetiis. M D LII. [letzte Seite:] Impressum Venetiis apud Andream, & Iacobum Spinellos. Anno M D LII. [Ex. Trinity College Dublin: Q. ee. 43]
[Aelian: Theoria tactica, transl. F. Robortello 1552] Aeliani de militaribus ordinibus instituendis more graecorum liber a Francisco Robortello Utinensi in latinum sermonem versus, & ab eodem picturis quamplurimis illustratus. Venetiis. M D LII. [letzte Seite:] Impressum Venetiis apud Andream, & Iacobum Spinellos. [Ex. Trinity College Dublin: Q. ee. 43] [Aischylos: Tragoediae sex, ed. A. Turnèbe 1552] AISCULOU PROMHQEUS DESMWTHS, EPTA EPI QHBAIS, PERSAI, AGAMEMNWN, EUMENIDES, IKETIDES. Parisiis Ex officina Adriani Turnebi Typographi Regii.
M. D. LII. [Ex. BSB: ESlg/A.gr.a.6]
[Aischylos: Tragoediae septem, ed. F. Robortello 1552]
AISCULOU TRAGWDIAI EPTA. Aeschyli Tragoediae septem. A Francisco Robortello
Utinensi. Nunc primum ex manuscriptis libris ab infinitis erratis expurgatae, ac suis metris restitutae. Venetiis Apud Gualterium Scottum. M D LII. [Ex. BSB: A.gr.a.206] [Scholia in Aischyli tragoedias, ed. pr. F. Robortello 1552] Scholia in Aeschyli tragoedias omnes ex vetustissimis libris manuscriptis collecta, atque in hoc corpus redacta a Francisco Robortello Utinense. Venetiis ex officina Erasmiana Vincentii Valgrisii. M D L I I. [Ex. HAB: S: Alv.: Cc 350; BSB: A.gr.a.206]
[Anacreontea, ed. H. Estienne 1554] ANAKRE‰ONTOS Thi?ou mšlh. Anacreontis Teij odae. Ab Henrico Stephano luce & Latinitate nunc primum donatae. Lutetiae. Apud Henricum Stephanum. M. D. LIIII. [Ex. BSB: 4 A.gr.a.76]
338
Bibliographie
[Apuleius: Opera omnia, ed. P. Colvius 1588] L. Apuleii Madaurensis opera omnia quae exstant, Emendata et aucta: Cura Petri Colvii Brugensis; cum eiusdem ad omnia uberioribus Notis. Accessit nunc primum, inter alia, Lib. PERI ERMHNEIAS, ex bibliotheca c.v. Francisci Nansii. Lugduni Batavorum, Ex officina Plantiniana, Apud Franciscum Raphelengium. CIե. Iե. LXXXVIII. [Ex. HAB: S: Alv.: Bb 255] [Apuleius: Opera omnia, ed. B. Vulcanius 1594] L. Apuleii Madaurensis opera omnia quae exstant. E quibus, post ultimam P. Colvii editionem, Philosophici Libri Ope vetustiss. Cod. Ms. innumeris mendis expurgati; quamplurimis locis aucti, per Bon. Vulcanium Brugensem. Lugduni Batavorum, Ex officina Plantiniana, Apud Franciscum Raphelengium, CIե. Iե. XCIV. [Ex. HAB: M: Qu N 1068] [Aristides: Orationes, transl. W. Canter 1566] Aelii Aristidis Adrianensis oratoris clarissimi orationum tomi tres nunc primum Latine versi A Gulielmo Cantero Ultraiectino. huc accessit orationum tomus quartus ex veteribus Graecis oratoribus concinnatus: eodem interprete. item De ratione emendandi scriptores Graecos, eiusdem syntagma. Basileae [letzte Seite:] Basileae excudebat Petrus Perna suis & Henrici Petri impensis, Anno Salutis CIե. Iե. LXVI. mense martio. [Ex. UB Köln: GBIIb692b; HAB: S: Alv.: Kb 34 2º (mit Syntagma); HAB: A: 5 Rhet. 2° (ohne Syntagma)] [Aristides: Opera omnia, ed. & transl. S. Jebb, Bd. 2, 1730] Aelii Aristidis Adrianensis Opera omnia graece & latine, In Duo Volumina Ditributa; Cum Notis & Emendationibus Gul. Canteri, Tristani, Palmerii, T. Fabri, Spanhemii, Normanni, & Lamb. Bosii; adiunctis insuper veterum scholiis; et prolegomenis Sopatri Apameensis, ab erroribus ut plurimum repurgatis. Graeca, cum MSS. Codicibus variis & praestantissimis collata, recensuit, & Observationes suas adiecit Samuel Jebb, Tom. II. Oxonii, E Theatro Sheldoniano, MDCCXXX. Impensis Davidis Lyon. [Ex. UB Bonn: 4° Da 1690/60] [Aristides: Opera, ed. K. W. Dindorf 1829] Aristides ex recensione Guilielmi Dindorfii. Lipsiae Libraria Weidmannia G. Reimer. A. MDCCCXXIX. [Nachdruck Hildesheim: Olms 1964] [Ps.Aristoteles: Peplos, ed. & transl. & notae W. Canter 1566] Aristotelis Stagiritae, Pepli fragmentum, sive heroum Homericorum epitaphia: Nunc primum autori suo restituta, Latine versa, & annotationibus illustrata, per Gulielmum Canterum. His adiecta sunt propter argumenti similitudinem, Ausonii Epitaphia Heroum, qui bello Troiano interfuerunt, aliquot locis ab eodem emendata. Basileae, per T. Guarinum. M.D.LXVI. [Ex. HAB: S: Alv.: Cc 432] [Cicero: Epistolae ad familiares, ed. F. Robortello & L. G. Scoppa 1544] Marci Tullii Ciceronis familiarium epistolarum libri XVI. Cum singulis earum Argumentis, Varietatibus Lectionum, Annotationibus, Scholiis, atque Observationibus doctissimorum amplius Decemseptem virorum, qui docte, ac erudite in eas
1. Quellen
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scripserunt. His nos post Lugdunensem, ac Germanicam impressionem addidimus Lucii Ioan. Scoppae Parthenopei, & Francisci Robortellii [sic] Utinensis in loca quaedam difficiliora Lucubrationes. Ascensii familiaris item expositio. Authorum Catalogus, indexque, quo Epistolarum omnium genera facile cognoscuntur. Quae omnia multo politius, ac diligentius, quam quae hactenus impressa fuere, & perfecta, & emendata sunt. Venetiis Apud Hieronymum Scotum. 1544. [Ex. HAB: A: 10 Rhet. 2°] [Ps.Demetrios von Phaleron: De elocutione, ed. P. Vettori 1552] DHMHTRIOU FALHREWS PERI ERMHNEIAS. Demetrii Phalerei de elocutione. Florentiae apud Iuntas M D LII. [Angaben nach Bernard Weinberg: Translations and Commentaries of Demetrius, ‚On Style‘ to 1600: A Bibliography. In: Philological Quarterly 30 (4), 1951, S. 353–380, S. 361.] [Ps.Demetrios von Phaleron: De elocutione, transl. F. Mas owski 1557] Demetrii Phalerei de elocutione liber a Francisco Maslovio Polono in Latinum conversus, & ab eodem obscuriorum locorum explicationibus illustratus. Patavii, Gratiosus Perchacinus excudebat. 1557. [Ex. BSB: 4 A.gr.b.538] [Dionysios von Halikarnassos: Opuscula, ed. H. Estienne 1554] DIONUSIOU TOU ALIKAR-nassšwj prÕj Gna‹on Pomt»i>on ™pisol». Toà aÙtoà ™pisol» prÕj Amma‹on. Dionysii Halicarnassei responsio ad Gn. Pompeii epistolam, in qua ille
de reprehenso ab eo Platonis stylo conquerebatur. Eiusdem ad Ammaeum epistola. Alia praeterea, quae tertia pagina recensentur. Lutetiae, Apud Carolum Stephanum, Typographum Regium. M. D. LIIII. [Ex. HAB: H: QuH 125]
[Ennius: Fragmenta annalium, ed. P. Merula 1595] Q. Ennii, poetae cum primis censendi, annalium libb. XIIX Quae apud varios Auctores superant, fragmenta: conlecta, composita, inlustrata ab Paullo G.F.P.N. Merula, qui eadem fixit, dicavit, sacravit S.P.Q. Dordraceno L. M Lugduni Batavorum, Ex officina Ioannis Paetsii, & Ludovici Elzevirii, Anno CIե Iե XCV [Ex. HAB: A: 65.14 Poet.] [Euripides: Tragoediae, ed. W. Canter 1571] EURIPIDOU TRAGWDIAI IQ. Euripidis Tragoediae XIX: In quibus praeter infinita menda sublata, carminum omnium ratio hactenus ignorata nunc primum proditur: opera Gulielmi Canteri Ultraiectini, Antvverpiae, Ex officina Christophori Plantini. M. D. LXXI. [Ex. BSB: A.gr.a.715] [Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826] Hellanici Lesbii Fragmenta e variis scriptoribus collegit emendavit illustravit commentationem De Hellanici aetate vita et scriptis in universum praemisit et indices adiecit Fridericus Guilielmus Sturz. Editio Altera Aucta et emendata cui accessit Gulielmi Canteri Syntagma de ratione emendandi Graecos auctores Lipsiae Sumtibus C. H. F. Hartmanni CIե Iե CCC XXVI. [Ex. HAB: M: Lg 950; UB Köln: GB IIb 265a]
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Bibliographie
[Kallimachos: Hymni, ed. & transl. F. Robortello 1555] Callimachi hymni cum scholiis graecis, et interpretatione latina Fr. Robortelli et aliorum. Venetiis [1555] [Angaben nach S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1, 1838, S. 428.] [Livius: Ab urbe condita, ed. B. Rhenanus & S. Gelenius 1543] T. Livii Patavini Latinae historiae principis decades tres cum dimidia, longe tamen quam nuper emaculatiores, quod nunc demum ad vetera contulerimus exemplaria, ubi quatum sit deprehensum mendorum, facile indicabunt doctissimae in hunc auctorem Beati Rhenani & Sigismundi Gelenii adiunctae Annotationes. Addita est Chronologia Henrici Glareani, ab ipso recognita & aucta: cum gemino Indice, quorum alter, qui est orationum huius autoris, iam primum accessit. Basileae per Ioan. Hervagium anno M. D. XLIII. [Ex. UB Köln: WB III2 42] [Livius: Historia Romana, ed. & comm. 1552] T. Livii Patavini historiae Romanae principis Decades tres cum dimidia, seu libri XXXV, ex XIIII Decadibus relicti, longe quam hactenus ex collatione meliorum codicum, & doctiss. hominum iudicio correctiores, & emendatiores. Quibus accesserunt Simonis Grynaei de utilitate legendae historiae, praefatio. Bartholomaei Marliani equitis D. Petri de origine urbis Romae, caput. Messalae Corvini oratoris disertissimi libellus, ad Octavianum Augustum: in quo omnis Romana historia ab exordio quam brevissime describitur. Sexti Ruffi viri Consularis, de historia Romanorum brevis libellus. L. Flori Epitome in singulos omnium decadum libros T. Livii. Henrici Loriti Glareani Patricii Claronensis apud Helvetios, annotationes, in eas quae extant decadas. Chronologia eiusdem in universam Romanam historiam, nunc demum ab ipso authore recognita & aucta. Eiusdem Chronologiae index alphabeticus, per Ascensium collectus. Laurentii Vallae iudicium de quibusdam apud Livium locis: ex quo eruditus lector qua cura ac diligentia authores sint legendi, facile perspiciet. Emendationes eiusdem in sex priores libros de secundo bello Punico. M. Antonii Sabellici, Beati Rhenani, Sigismundi Gelenii doctiss. annotat. Io. Velcurionis introductio in universam Romanam historiam. Caelii Secundi Curionis libellus de mensuris, ponderibus, reque nummaria Romanorum & Graecorum, ad veterem historiam intelligendam. Tabula concionum atque orationum omnium T. Livii, velut generis divisionem in species complectens, ad communem quandam omnium generum scribendi, decendique facultatem comparandam. Rerum praeterea ac verborum in T. Livio memorabilium, plenissimus Index. Lutetiae Parisiorum, ex officina Michaelis Vascosani, via quae est hinc ad Divum Iacobum, sub Fontis insigni. M. D. LII. [Ex. UB München: 2° A.lat.215] [Livius: Ab urbe condita, ed. C. Sigonio 1555] Titi Livii Patavini, historiarum ab urbe condita, libri, qui extant, XXXV. cum universae historiae epitomis, a Carolo Sigonio emendati: Cuius etiam scholia simul eduntur quibus iidem libri, atque epitomae partim emendantur, partim etiam explanantur. Venetiis, M. D. LV. Apud Paulum Manutium, Aldo F. [Ex. UB München: 2 A. lat. 216]
1. Quellen
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[Livius: Ab urbe condita, ed. A. Drakenborch, Bd. 7, 1746] T. Livii Patavini historiarum ab urbe condita libri, qui supersunt, omnes, cum notis integris Laur. Vallae, M. Ant. Sabellici, Beati Rhenani, Sigism. Gelenii, Henr. Loriti Glareani, Car. Sigonii, Fulvii Ursini, Franc. Sanctii, J. Fr. Gronovii, Tan. Fabri, Henr. Valesii, Jac. Perizonii, Jac. Gronovii; excerptis Petr. Nanii, Justi Lipsii, Fr. Modii, Jani Gruteri; nec non ineditis Jani Gebhardi, Car. And. Dukeri, & aliorum: Curante Arn. Drakenborch, Qui & suas adnotationes adjecit. Accedunt Supplementa deperditorum T. Livii Librorum, a Joh. Freinshemio concinnata. Tomus Septimus. Lugd. Batav. Amstelaedami, Apud Sam. Luchtmans. Apud J. Wetstenium. & A. Schoonenburg. 1746. [Ex. HAB: Lh 4° 93] [Ps.Longin: Perˆ Ûyouj, ed. pr. F. Robortello [1554]]
DIONUSIOU LOGGINOU RHTOROS PERI UYOUS BIBLION. Dionysii Longini Rhetoris
praestantissimi liber, de grandi, sive sublimi orationis genere. Nunc primum a Francisco Robortello Utinensi in lucem editus, eiusdemque Annotationibus latinis in margine appositis, quae instar Commentariorum sunt, illustratus. nam ex iis methodus tota libri, & ordo quaestionum, de quibus agitur, omnisque ratio praeceptionum, & alia multa cognosci possunt. Basileae, per Ioannem Oporinum. [Ex. HAB: QuH 67] [Lukrez: De rerum natura, ed. & comm. D. Lambin [1564]] Titi Lucretii Cari de rerum natura libri sex. a Dionysio Lambino Monstroliensi litterarum Graecarum in urbe Lutetia doctore Regio, locis innumerabilibus ex auctoritate quinque codicum manu scriptorum emendati, atque in antiquum ac nativum statum fere restituti, & praeterea brevibus, & perquam utilibus commentariis illustrati. Parisiis, Et Lugduni habentur. In Gulielmi Rouillii, Et Philippi G. Rouillii Nep. aedibus, via Iacobaea sub Concordia. [Ex. UB München: 4 A.lat. 226]
[Lykophron: Alexandra, ed. W. Canter, transl. W. Canter & J. J. Scaliger, notae W. Canter 1566] LUKOFRONOS TOU CALKIDEWS Alex£ndra. Lycophronis Chalcidensis Alexandrae, sive Cassandrae versiones duæ: una ad verbum, a Gulielmo Cantero: altera carmine expressa, per Iosephum Scaligerum, Iulii F. Annotationes in priorem versionem Gulielmi Canteri: quibus loca difficiliora partim e Scholiis Graecis, partim ex aliis Scriptoribus explicantur. Huc accessit, epitome Cassandrae Graecolatina, carmine Anacreontio: Eodem autore. Item, Rerum & verborum in his praecipue memorabilium index. Basileae per Ioannem Oporinum, & Petrum Pernam. [letzte Seite:] Basileae excudebat Ioannes Oporinus, Anno Salutis humanae M. D. LXVI. [Ex. BSB: 4 A.gr.a.681] [Oppian: De venatione & de piscatu, ed. & transl. & comm. K. Rittershausen 1597] Oppiani Poëtae Cilicis de venatione Lib. IIII. de piscatu Lib. V. Cum Interpretatione Latina, Commentariis, & Indice rerum in utroque opere memorabilium locupletissimo, Confectis studio & opera Conradi Rittershusii Qui & recensuit hos libros denuo, & Adr. Turnebi editionem Parisiensem cum trib. M s s. Palatinis contulit: inde & var. Lect. & Scholia Graeca excerpsit. Lugduni Batavorum, Ex officina Plantiniana, Apud Franciscum Raphelengium. CIե. Iե. XCVII. [Ex. BSB: ESIg/A.gr.a.2805f; HAB: M: Lg 1537]
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Bibliographie
[Scholia in Oppiani Halieutica, ed. K. Rittershausen 1597] Scholia in Oppiani Halieutica. Ex tribus Codicibus Manuscriptis, in quibus partim inter lineas versuum, partim ad oram seu marginem adiecta erant, in unum collecta a C. R. [zusammengebunden mit:] Oppian: De venatione & de piscatu, ed. & transl. & comm. K. Rittershausen 1597. [Plautus: Comoediae, ed. J. Camerarius [1552]] M. Accii Plauti comoediae XX. diligente cura, & singulari studio Ioachimi Camerarii Pabeperg. [sic] emendatius nunc quam ante unquam ab ullo, editae: Adiectis etiam eiusdem ad singulas Comoedias Argumentis & Annotationibus. Basileae, per Ioannem Hervagium. [Ex. BSB: A.lat.a1482] [Plautus: Comoediae, ed. J. Camerarius & G. Fabricius 1558] M. Accii Plauti Comoediae XX. diligente cura, & singulari studio Ioachimi Camerarii Pabeperg. emendatius nunc quam ante unquam ab ullo, editae: Adiectis etiam eiusdem ad singulas Comoedias Argumentis & Annotationibus. Accesserunt iam Indicationes quoque multorum quae ad lectionem fabularum Plauti nonnihil momenti afferre possunt, a Georgio Fabricio Chemnicensi collectae. Basileae, per Ioannem Hervagium & Berhardum Brand [sic]. [letzte Seite:] anno Salutis humanae M. D. LVIII. [Ex. UB Köln: GB IIc 25a] [Plautus: Comoediae viginti, ed. J. Sambucus 1566] M. Accii Plauti comoediae viginti, olim a Joachimo Camerario emendatae: nunc vero plus quam CC versibus qui passim desiderabantur ex VV. CC. additis suo quodammodo nitori restitutae; opera et diligentia Ioannis Sambuci Tirnaviensis Pannonii. Aliquot erudite [sic] C. Langii, Adr. Turnebi, Hadr. Iunii, & aliorum doctorum virorum, partim margini adscriptae, partim in calcem reiectae, observationes. Antverpiae, Ex officina Christoph. Plantini. CIե. Iե. LXVI. [Ex. UB Göttingen: Auct. Lat. I 2898] [Plautus: Opera, ed. & comm. D. Lambin 1577] M. Accius Plautus ex fide atque auctoritate complurium librorum manuscriptorum opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendatus: ab eodemque commentariis explicatus. Adiecta sunt Plautina loca ex antiquis grammaticis collecta: & ex commentario antiquarum lectionum Iusti Lipsij multorum Plauti locorum illustrationes & emendationes. Nunc denuo plurimis quae in priorem editionem irrepserant mendis repurgatus, multisque in locis in gratiam antiquariorum illustratus. Cum gemino Indice: priore verborum, locutionum & sententiarum: posteriorum eorum quae Commentariis D. Lambini conti[nent] Lugduni. Expensis Gulielmi Hertman. M. D. LXXVII. [Ex. HAB: A: 23.5 Quod. 2°] [Plautus: Opera, ed. & notae J. Dousa Filius, 1594] M. Accii Plauti, Comici, Fabulae superstites XX. Ex recensione Dousica. Lugduni Batavorum, Ex officina Plantiniana, Apud Franciscum Raphelengium. CIե. Iե. XCIIII. [Ex. HAB: 187 Poet.]
1. Quellen
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[Fragmenta Pythagoreorum, ed. & transl. W. Canter 1566] Fragmenta Ethica Pythagoreorum quorundam, Ioannis Stobaei cura ab interitu vindicata, & a Gulielmo Cantero Ultraiectensi, Latinitate donate: quae hisce libris annectere voluimus, ut Peripatetica Philosophia fontes agnoscantur, dogmata confirmentur, praecepta illustrentur. [S. 455–487 in:] Aristotelis [Stari]gitae De Moribus ad Nicomachum Libri decem. In quibus Latina Graecis, Dionysio Lambino interprete, eregione respondent. Libri per Capita methodice distribuuntur. Capita singula argumentis suis declarantur: numerorum notis, sic ut Tabulis exacte respondeant, distinguuntur: necnon Annotationibus Lambini, novisque Zvinggeri Scholiis illustrantur. Opera et studio Theodori Zvinggeri Basiliensis, Medici & Philosophi. Adiecta sunt Fragmenta quaedam Pythagoreorum vetustissima, ex emendatione & versione Gul. Canteri. Basileae, Per Ioannem Oporinum, et Eusebium Episcopium: M. D. LXVI. [Ex. UB Düsseldorf: SCRGR44] [Ps.Quintilian: Declamationes minores, ed. T. Ugoletus 1494] Marcus Fabius Quintilianus. Declamationes CXXXVIII; ex recognitione Thadaei Ugoleti, cum eiusdem Epistola ad Georgium Anselmum, Parmae, per Angelum Ugoletum Parmensem, 1494 [Angaben nach Beriah Botfield (Hg.): Praefationes et epistolae editionibus princibus auctorum veterum, London: Henry George Bohn 1861, S. 184.] [Servius: Commentarii in Virgilium, ed. P. Daniel 1600] Pub. Virgilii Maronis Bucolicorum, eclogae X. Georgicorum, libri IIII. Aeneidos, libri XII. Et in ea, Mauri Servii Honorati grammatici commentarii, ex antiquiss. exemplaribus longe meliores et auctiores. Ex bibliotheca Petri Danielis I. C. Accessit Fabii Planciadis Fulgentii liber de Continentia Virgiliana, auctior e M s s. Codd. Item Iunii Philargyrii commentariolus in Bucolica & Georgica Virgilii. Cum certissimo et copiosissimo indice. Parisiis, Apud Sebastianum Nivellium, via Iacobaea, sub Ciconiis. M.D.C. [Ex. UB Göttingen: Auct. Lat. II 7171] [Symmachus: Epistolae, ed. F. Juret 1580] Q. Aurelii Symmachi epistolarum ad diversos libri decem. Ex Bibliotheca Coenobii S. Benigni Divionensis magna parte in integrum restituti. Cura et studio Francisci Iureti, cuius etiam Notae adiectae sunt, quibus & emendationum ratio redditur, & aliquot cum huius, tum aliorum auctorum loci obiter illustrantur. Parisiis, Apud Nicolaum Chesneau, via Iacobaea, sub Quercu viridi. M. D. LXXX. [Ex. HAB: M: Lh 2121] [Symmachus: Epistolae, ed. J. Lectius 1587] Q. Aurelii Symmachi, epistolarum ad diversos, libri decem. Iacobus Lectius Iurisconsultus restituit, auxit notis. Additae item Notae Fr. Iureti Iurisc. iam ante vulgatae. Cum Indice copiosissimo. Apud Eustathium Vignon. Per Dionysium Probum. M. D. LXXXVII. [Ex. BSB: A.lat.b.1834] [Symmachus: Epistolae, ed. K. Schoppe 1608] Symmachi Epistolarum Nova Editio. Gasp. Scioppius recensuit. Moguntiaci Imprimebat Ioannes Albinus, Anno M. DC. VIII [Ex. BSB: 4 A.lat.b.597]
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Bibliographie
[Synesios: Varia opera, ed. & transl. W. Canter 1567] SUNESIOU Upe;r toà dèrou, prÕj PaiÒnion. Omil…a deutšra. Kat£sasij. Etšra kat£sasij. Umnoi œmmetroi. Synesii De dono, ad Paeonium. Concio secunda. Constitutio. Con-
stitutio altera. Hymni carmine. Nunc primum Graece simul & Latine edita: Interprete Gulielmo Cantero. Basileae, per Ioannem Oporinum. [letzte Seite:] CIե. Iե. LXVII. [Ex. HAB: A: 95 Rhet.]
[Tertullian: Opera omnia, ed. I. Pamelius & notae F. Junius et al. 1597] Q. Septimii Florentis Tertulliani Carthaginiensis Presbyteri, auctoris antiquissimi Opera quae adhuc reperiri potuerunt omnia: Ex editione Iacobi Pamelii Brugensis. Quibus seorsim additae sunt annotationes Beati Rhenani Seletstadiensis, auctae censura Inquisitiones Hispanicae: Itemque castigationes ac notae perspicuae & breves Francisci Junii Biturigis, tum ex Mss. fide, & Latini Latinii Viterbiensis, aliorumque symbolis comportatae, tum coniecturis gravissimis atque lectissimis accuratae. Franekerae, Excudebat Aegidius Radaeus, Ordinum Frisiae Typographus. CIե. Iե. XCVII. [Ex. HAB: M: Li 4° 478] [Varro: De lingua Latina, ed. A. Agustín 1554] M. Terentii Varronis pars librorum quattuor et viginti de lingua Latina. Ex bibliotheca Antonii Augustini. Romae Apud Vicentium Luchinum M. D. LIIII. [Ex. UB Göttingen: Auct. Lat. II 6517] [Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J. J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581] M. Terentii Varronis opera quae supersunt. In lib. de ling. lat. Coniectanea Iosephi Scaligeri. In lib. de re rust. Notae eiusdem. Alia in eundem scriptorem, trium aliorum, Turn. Vict. August. Editio tertia, recognita & aucta. [Paris: Henri Estienne] Anno M.D. LXXXI. [Ex. HAB: Lh 2437, BSB: A.lat.b.2065] [Vergil: Opera, ed. N. Erythraeus, 1583] P. Virgilii Maronis Bucolica, Georgica, et Aeneis: Nicolai Erythraei I.C. Opera in pristinam lectionem restituta, & ad rationem eius Indicis digesta. Additis Eiusdem Erythraei Scholiis ad ea quae aliorum antehac circunferebantur, apprime utilibus: quae cuiusmodi sint, eiusdem epistola indicabit. His accedit diligens observatio cum licentiae omnis, tum diligentiae Maronianae in metris. quarum rerum Capita aversa pagina commonstrabit. In hac editione quid sit praestitum, duplici epistola Frid. Sylburgii exponitur. Francofurti Apud haeredes Andreae Wecheli, MDLCCCIII. [Ex. HAB: H: P 597.8° Helmst.] [Vergil: Opera omnia, ed. G. Fabricius [1586]] Pub. Vergilii Maronis opera, quae quidem extant, omnia: cum iustis et doctis in Bucolica, Georgica, & Aeneida Commentariis Tib. Donati & Servii Honorati, summa cura ac fide a Georgio Fabricio Chemnicense primo collectis & emendatis. Accesserunt iisdem Probi grammatici, Pomponii Sabini, Phil. Beroaldi, Ioan. Hartungi, Iod. Vvillichii, Georg. Fabricii, Bonfinis, Ioan. Ludovici Vivis, Adriani Barlandi, & aliorum Annotationes utilissimae. Omnia ab innumeris mendis vindicata, quaedam etiam ex Autographis novissime castigata. Basileae, per Sebastianum Henricpetri. [Ex. HAB: M: Lh 4° 189]
1. Quellen
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1.2 Andere Quellen [V. Acidalius: Divinationes et interpretationes in Plautum, ed. C. Acidalius 1607] In Comoedias Plauti, Quae exstant, divinationes et interpretationes Valentis Acidalii, Nunc primum in lucem editae. Francofurti, Excudebat Samuel Hempelius, Sumptibus Ionae Rhodii Bibliopolae. M. DC. VII. [Ex. HAB: M: Lh 1721] [A. Agustín: Emendationes & opiniones, 1544] Antonii Augustini, Emendationum & Opinionum Libri IIII. [S. 1–182 in:] Antonii Augustini Iurisconsulti Hispani, Emendationum & Opinionum Libri IIII. Una cum eiusdem ad Modestinum, sive De Excusationibus, libro singulari. His maxima iuris civilis pars ex Florentinis Pandectis emendatur, & declaratur. Item, Laelii Taurelli Iurisconsulti Fanensis, Ad Gallum & legem Velleam. Ad Catonem & Paulum. De militiis ex casu. Ex Pandectarum Florentinarum exemplari. Una cum locuplete rerum & verborum in hisce memorabilium Indice. Basileae. [letzte Seite:] M. D. XLIIII. [Ex. BSB: 2 J.rom.c.24 m] [A. Agustín: Emendationes seu annotationes in Varronem, 1581] [S. 39–48 in:] Adr. Turnebus Annotationes et emendationes in Varronis libros De lingua Latine: ex eius libris Adversariorum excerptae. Antonii Augustini Emendationes seu annotationes in quosdam Varronis locos, quibus vel variae lectiones, vel coniecturae in dubiis locis proponuntur. [in:] Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J. J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581. [J. H. Alsted: Encyclopaedia, 1630] Johannis-Henrici Alstedii encyclopaedia Septem tomis distincta, I. Praecognita disciplinarum, libris quatuor. II. Philologia, libris sex. III. Philosophia theoretica, libris decem. IV. Philosophia practica, libris quatuor. V. Tres superiores facultates, libris tribus. VI. Artes mechanicae, libris tribus. VII. Farragines disciplinarum, libris quinque. Serie Praeceptorum, Regularum, & Commentariorum perpetua. Insertis passim Tabulis, Compendiis, Lemmatibus marginalibus, Lexicis, Controversiis, Figuris, Florilegiis, Locis communibus, & Indicibus; ita quidem, ut hoc Volumen, secunda cura limatum & auctum, possit esse instar Bibliothecae instructissimae. Herbornae Nassoviorum Anno M. DC. XXX. [Nachdruck Stuttgart / Bad Cannstatt: frommann-holzboog 1989] [Anonymus: Iurisconsultus perfectus, 1588] De iurisconsulto perfecto liber unus Anonymi auctoris. [S. 7–81 in:] Cynosurae iuris pars altera: De iurisconsulto perfecto, et de optimo genere iuris interpretandi. Spirae, Typis Bernardi Albini, 1588. [Ex. HAB: Q 127 Helmst 8°, BSB: Jur.is.151] [A. M. Bandini: Catalogus codicum Graecorum bibliothecae Laurentianae, 1768] Catalogus codicum Graecorum bibliothecae Laurentianae Ang. Mar. Bandinius recensuit, illustravit, edidit. Tomus secundus in eo astronomi, mathematici, poetae, philologici, oratores et historici veteris ac recentioris aevi, qui in singulis codicibus continentur quam diligentissime recensentur. Florentiae Typis Regiis anno CIե. Iե. CC. LXVIII. [Nachdruck Leipzig: Zentral-Antiquariat der DDR 1961]
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Bibliographie
[P. Bembo: De Virgilii Culice et Terentii fabulis, 1530 (ed. 1729)] Petri Bembi ad Herculem Strotium de Virgilii Culice et Terentii fabulis liber. [S. 303– 319 in:] Opere del Cardinale Pietro Bembo Ora per la prima volta tutte in un corpo unite. Tomo quarto contenente i brevi scritti a nome di Lione X., le Lettere famigliari, i tre Dialoghi, il trattato della Imitazione e i Versi latini. In Venezia, MDCCXXIX. Presso Francesco Hertzhauser. [Ex. HAB M: Lk 2° 2] [A. Bendinello: Scipionis Vita, 1549] P. Cornelii Scipionis Aemiliani Africani Minoris Vita, vel dispersae potius reliquiae ex multis probatissimorum Authorum scriptis collectae, & in ordinem, ac modicum quoddam corpus redactae per Antonium Bendinellium Lucensem. Additi praeterea sunt quidam loci controversi, quorum partim omnino refelluntur, alii corriguntur, quidam etiam conciliantur. Accessit quoque rerum memorabilium Index. Florentiae Laurentius Torrentinus cudebat MDXLIX. [Ex. HAB: Gg 279] [J. Brodeau: Miscellanea [1555]] Ioannis Brodaei Turonensis Miscellaneorum Libri sex. in quibus, praeter alia scitu dignissima, plurimi optimorum autorum tam Latinorum quam Graecorum loci, vel depravati hactenus restituuntur, vel multo quam antea a quoquam est factum rectius explicantur. Accessit rerum & verborum memorabilium copiosus Index. Basileae, per Ioannem Oporinum. [Ex. HAB: A: 403.22 Quod.] [G. Budé: De asse, 1557] G. Budaei Operum Tomus II. in quo de asse et partibus eius libri V. continentur, ad postremam authoris recognitionem accuratissime excusi: praemisso Indice rerum memorabilium non infoecundo. Basileae, apud Nicolaum Episcopium Iuniorem, M. D. LVII. [Ex. HAB: A: 70.2 Quod. 2°] [P. Burmann: Sylloges epistolarum 1, 1727] Sylloges epistolarum a viris illustribus scriptarum tomus 1. quo Justi Lipsii, et ad eum virorum eruditorum, epistolae continentur. [in:] Sylloges epistolarum a viris illustribus scriptarum tomi quinque, collecti et digesti per Petrum Burmannum. Leidae, Apud Samuelem Luchtmans, 1727 [Ex. HAB M: Li 4° 528] [W. Canter: Novae lectiones, 1564] Gulielmi Canteri Ultraiectini novarum lectionum libri quatuor. In quibus, praeter variorum auctorum, tam Graecorum quam Latinorum, explicationes & emendationes: Athenaei, Gellii, & aliorum fragmenta quaedam nunc primum in lucem proferuntur. Accessit rerum & verborum in his memorabilium, item Scriptorum, quorum loci explicantur, emendantur, vel augentur, geminus index. Basileae, per Ioannem Oporinum. [letzte Seite:] Basileae, per Ioannem Oporinum, Anno Salutis humanae M. D. LXIIII Mense Maio. [Ex. HAB: A: 77.1 Gram.]
1. Quellen
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[W. Canter: Novae lectiones, ed. sec. 1566] Gulielmi Canteri Ultraiectini novarum lectionum libri septem: In quibus, praeter variorum autorum [sic], tam Graecorum quam Latinorum, explicationes & emendationes: Athenaei, Agellii, & aliorum fragmenta quaedam in lucem proferuntur. Accessit rerum & verborum in his memorabilium, item Scriptorum, quorum loci explicantur, emendantur, vel augentur, geminus index editio secunda, tribus libris aucta. Basileae, per Ioannem Oporinum. [letzte Seite:] Basileae excudebat Ioannes Oporinus anno CIե. Iե. LXVI. mense iulio. [Ex. UB Köln: GBIIa451b] [W. Canter: Annotationes in Lycophronem, 1566] In Lycophronis Cassandram annotationes Gulielmi Canteri Ultraiectini. [S. 146–229 in:] Lykophron: Alexandra, ed. W. Canter, transl. W. Canter & J. J. Scaliger, notae W. Canter 1566. [W. Canter: Ratio emendandi, 1566] Gulielmi Canteri de ratione emendandi Graecos autores syntagma. [S. 636–646 in:] Aristides: Orationes, transl. W. Canter 1566. [W. Canter: Ratio emendandi, 1566 (ed. S. Jebb 1730)] Gulielmi Canteri de Ratione emendandi Graecos Autores syntagma. [S. 621–631 in:] Aristides: Opera omnia, ed. & transl. S. Jebb, Bd. 2, 1730. [W. Canter: Ratio emendandi, ed. auct. 1571] Gulielmi Canteri de ratione emendandi Graecos auctores, Syntagma recens auctum. Antverpiae, Ex officina Christoph. Plantini. M. D. LXXI. [Ex. UB München: 8 Misc.934; HAB: A: 403.11 Quod.; Bibliotheca Palatina: V. 15 (lat. 163a), Mikrofiche F30] [W. Canter: Ratio emendandi, ed. auct. 1571 (ed. F. W. Sturz 1826)] Gulielmi Canteri De ratione emendandi Graecos Auctores Syntagma recens auctum. Antverpiae ex officina Christoph. Plantini M. D. LXXI. denuo edidit correxit et auxit Frideric. Guil. Sturzius. [S. 175–246 in:] Hellanikos von Lesbos: Fragmenta, ed. sec. F. W. Sturz 1826. [W. Canter: Ratio emendandi, ed. auct. 1571 (ed. K. W. Dindorf 1829)] Guilielmi Canteri de ratione emendandi Graecos auctores syntagma. [S. 795–848 in:] Aristides: Opera, ed. K. W. Dindorf 1829, Bd. 3. [W. Canter: Novae lectiones, ed. tert. 1571] Gulielmi Canteri Ultraiectini novarum lectionum libri octo. Editio tertia, recens aucta. Eiusdem De ratione emendandi Graeco[s] auctores syntagma, recens item auctum. Antvverpiae, Ex officina Christophori Plantini, Regii prototypographi. M. D. LXXI. [Ex. UB München: 8 Misc.934; HAB: A: 403.11 Quod.; Bibliotheca Palatina: V. 15 (lat. 163a), Mikrofiche F30] [G. G. Capodagli: Udine illustrata, 1665] Giovanni G. Capodagli: Udine illustrata da Molti suoi Cittadini così nelle lettere, come nelle armi famosi, e non tanto per dignità Ecclesiastiche, e secolari, Quanto per altre notabili condizioni insigni, e riguardevoli, Udine: Nicolò Schiratti 1665. [Nachdruck Bologna: Arnaldo Forni 1977]
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Bibliographie
[L. Carrion: Antiquae lectiones, 1576] Ludovici Carrionis Antiquarum lectionum commentarii III. In quibus varia scriptorum veterum loca supplentur, corriguntur & illustrantur. Antverpiae, Apud Christophorum Plantinum, CIե Iե LXXVI. [Ex. BSB: A.gr.b.1486] [I. Casaubon: Theocriticarum lectionum, 1584 (ed. 1604)] Isaaci Casauboni Theocriticarum lectionum Libellus [S. 235–283 in:] QEOKRITOY, MOSCOY, BIWNOS, SIMMIOY t¦ eØriskÒmhna. Theokriti, Moschi, Bionis, Simmii quae extant: Cum Graecis in Theocritum Scholiis, & Indice copioso: Omnia studio & opera Danielis Heinsii. Accedunt Iosephi Scaligeri, Isaaci Casauboni, & eiusdem Danielis Heinsii Notae & Lectiones. Ex Bibliopolio Commeliniano, [Heidelberg] M. D. CIIII. [Ex. HAB: Xb 2726] [I. Casaubon: Animadversiones in Suetonium, 1596] Isaaci Casauboni in C. Suetonii Tranquilli de XII Caesaribus libros VIII animadversiones [mit eigener Seitenzählung in:] C. Suetonii Tranquilli de XII Caesaribus libri VIII. Isaacus Casaubonus recensuit: & animadversionum libros adiecit. Additi sunt & Suetonij libelli De illustribus grammaticis & de claris rhetoribus. Apud Iacobum Chouët [Genf]. CIե Iե XCVI. [Ex. UB Köln: Wallraf B III279] [I. Casaubon: Animadversiones, 1600] Isaaci Casauboni animadversionum in Athenaei Dipnosophistas libri XV. opus nunc primum in lucem editum: quo non solum Athenaei libri quindecim kat¦ pÒda recensentur, illustrantur, emendantur: verum etiam multorum aliorum scriptorum loci multi qua explicantur, qua corriguntur. Lugduni, apud Antonium de Harsy. M. DC. [Ex. Bibliotheca Palatina: I.13 Mikrofiches B198–204] [A. Clarmund (i. e.: Johann Christoph Rüdiger): Vitae clarissimorum virorum 7, 1708] Vitae clarissimorum in re literaria Virorum Das ist: Lebens=Beschreibung etlicher Hauptgelehrten Mnner / so von der Literatur profess. gemacht. Worinnen Viel sonderbahre und notable Sachen / so wohl von ihren Leben / als gef(hrten Studiis entdecket. Siebender Theil / Oder der zweyten Centurie dritter Theil / zwantzig in sich haltend. Allen curieusen Gem(thern zu sonderbahren Nutzen und Vergn(gen entworffen. Von Adolpho Clarmundo. Wittenberg / Verlegts Christian Gottlieb Ludwig / 1708. [Ex. HAB: M: Da 431] [M. Crusius: Grammatica Graeca, pars prima, 1582] Martini Crusii Grammaticae Graecae, cum Latina congruentis, Pars Prima in usum scholarum, Vitebergae Excusa per Zachariam Lehmanum Anno M. D. LXXXII. [Ex. HAB: Alvensl. Ca 150] [J. C. Dannhauer: Idea boni interpretis, 1630] Idea boni interpretis et malitiosi calumniatoris quae obscuritate dispulsa, verum sensum a falso discernere in omnibus auctorum scriptis ac orationibus docet, & plene respondet ad quaestionem unde scis hunc esse sensum, non alium? Omnium Facultatum Studiosis per quam utilis, edita a M. Johan. Cunrado Dannhauvvero.
1. Quellen
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Argentorati, Typis Wilhelmi Christiani Glaseri Academiae Typographi. Anno M. DC. XXX. [Ex. HAB: A: 107.1 Rhet.] [J. Dousa: Praecidanea pro Catullo, 1581] Iani Dousae Nordovicis praecidanea Pro Q. Valerio Catullo, Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini, CIե. Iե. LXXXI. [Ex. Bibliotheca Palatina: VI.37(1) (lat.733a), Mikrofiche G145] [J. Dousa: Praecidanea pro Tibullo, 1582] Iani Dousae Nordovicis praecidanea Pro Albio Tibullo. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini, CIե. Iե. LXXXI. [Ex. Bibliotheca Palatina: VI.37(2) Mikrofiches G145f.] [J. Dousa: Succidanea, 1582] Iani Dousae Nordovicis schediasma succidaneum nuperis ad Tibullum Praecidaneis addendum. Eiusdem ad familiarem quandam Gerardi Falkenburgii Epistolam responsio: ab adolescentulo iam olim commentata & scripta: ac nunc recens primulum Tibulli & Propertii caussa maxime, quorum enarrationes partim, partim correctiunculas continet, typis aliquando divulgata. Gerardi Falkenburgii Epigrammata quaedam Graeca. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini, M. D. LXXXII. [Ex. Bibliotheca Palatina: VI.37(3) (lat.734b) Mikrofiche G146] [J. Dousa: Centurionatus, 1587] Iani Dousae Nordovicis Centurionatus, sive Plautinarum explanationum libri IV. In quibus praeter Plautum, multa veterum scriptorum loca, Poetarum inprimis, varie corriguntur, illustrantur, explicantur. Lugduni Batavorum, Ex officina Plantiniana Apud Franciscum Raphelengium, CIե. Iե. LXXXVII. [Ex. HAB: A: 210 Poet.] [J. Dousa Fil.: Animadversiones in Plautum, 1594] Iani Dousae Filii animadversiones in M. Accii Plauti comoedias. [S. 716–746 in:] Plautus: Opera, ed. & notae J. Dousa Filius, 1594. [Erasmus: Adagia (ed. & dt. Übers. T. Payr 1972)] Erasmus von Rotterdam: Adagiorum Chiliades (adagia selecta). Mehrere tausend Sprichwörter und sprichwörtliche Redenarten (Auswahl). Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Theresia Payr, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1972 (Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Acht Bände lateinisch und deutsch, herausgegeben von Werner Welzig, Siebenter Band, Sonderausgabe 1995). [Erasmus: Poems (ed. & notae C. Reedijk 1956)] The Poems of Desiderius Erasmus with Introduction and Notes. Leiden: E. J. Brill 1956. [Erasmus: Carmina (ed. & dt. Übers. W. Schmidt-Dengler 1975)] Erasmus von Rotterdam: Carmina selecta. Auswahl aus den Gedichten. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Wendeling Schmidt-Dengler, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975 (Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Acht Bände lateinisch und deutsch, herausgegeben von Werner Welzig, Zweiter Band, Sonderausgabe 1995).
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Bibliographie
[R. Estienne: Alphabetum Graecum, 1528] Alphabetum Graecum. Modus orandi, Graece et Latine. Abbreviationes aliquot Graecae. Alphabetum Hebraicum. Decalogus, Hebraice et Latine. Parisiis. ex officina Roberti Stephani. M. D. XXVIII. [Ex. HAB: A. 348.1 Quod (12); dieses Exemplar ist in einer digitalisierten Fassung frei im Internet abrufbar unter http://diglib.hab.de/drucke/348-1-quod-12/start.htm] [H. Estienne: Observationes in Anacreontis carmina, 1554] Observationes in Anacreontis carmina [S. 65–84 in:] Anacreontea, ed. H. Estienne, 1554. [H. Estienne: Ars typographica, 1569] Artis typographicae querimonia, De illiteratis quibusdam typographis, propter quos in contemptum venit. autore Henrico Stephano. Epitaphia Graeca & Latina doctorum quorundam typographorum, Ab eodem scripta. anno M. D. LXIX Excudebat Henricus Stephanus. [Ex. HAB: A: 16.10 Quod. 4°] [A. Fabroni: Historia academiae Pisanae 2, 1792] Historiae academiae Pisanae Volumen II. Auctore Angelo Fabronio Pisis MDCCXCII. Excudebat Cajetanus Mugnainius [Nachdruck Bologna: Forni, 1971] [G. Ferrario: Emendationes in Philippicas Ciceronis, 1543] Hieronymi Ferrarii ad Paulum Manutium emendationes in Philippicas Ciceronis, Parisiis. Ex officina Roberti Stephani typographi regii. M. D. XLIII. [Ex. HAB: Lh 488] [D. P. Freher: Theatrum virorum clarorum, 1688] D. Pauli Freheri, Theatrum Virorum eruditione clarorum. In quo vitae & scripta theologorum, jureconsultorum, medicorum & philosophorum, Tam in Germania Superiore & Inferiore, quam in aliis Europae Regionibus, Graecia nempe, Hispania, Italia, Gallia, Anglia, Polonia, Hungaria, Bohemia, Dania & Suecia, a seculis aliquot, ad haec usque tempora, Florentium. Secundum annorum emoralium seriem, tanquam variis in scenis repraesentantur. Opus omnibus Eruditis Lectu jucundissimum in quatuor partes divisum, quarum I. Theologos varios II. Magnates, Jurisconsultos & Politicos. III. Medicos, Chymicos, Botanicos, Anatomicos & c. IV. Philosophos, Philologos, Historicos, Mathematicos, Poetas & c. complectur. Cum Indice locupletissimo. Noribergae, Impensis Johannis Hofmanni, Bibliopola. Literis Christiani Sigismundi Frobergii. M DC. LXXXVIII. [Ex. HAB: Da 9 2°] [M. Freher: Parerga sive observationes in loca Iuris Civilis, 1588] Marquardi Freheri Augustani Iurisconsulti F. PARERGWN liber primus. In quibus varia iuris civilis loca nove explicantur, emendantur, illustrantur. Francofurti ad Moenum M. D. LXXXVIII. [mit eigener Seitenzählung in:] Tractatus de fama publica, in quo tota vis communis opinionis hominum, famae vocisque publicae et rumorum, tam in genere quam in exemplis plenissime et accuratissime demonstratur, multis vicinis quaestionibus, de notorio, de testimonio auditus, de gloria, de existimatione & infamia, passim admixtis; ad probationum forensium usum apprime commodus. Marquardo Frehero Augustano. F. Iurisconsulto & Electoralis Palatinatur consiliario
1. Quellen
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Auctore. Accesserunt eiusdem auctoris Observationum, quas Parerga inscripsit, libri duo. Quibus varia Iuris civilis loca nove explicantur, emendantur, illustrantur. Francofurti ad Moenum, impensis Sigismundi Feyrabendii. M. D. LXXXVIII. [Ex. HAB: M: Li 4° 125.1] [L. Fruterius: Verisimilia, 1584] Lucae Fruterii Brugensis verisimilium libri II. [S. 5–132 in:] Lucae Fruterii Brugensis librorum Qui recuperari potuerunt Reliquiae. Inter quos verisimilium lib. II. Et versus miscelli. Additus Iulii Severiani prisci scriptoris liber Omnia nunc primum edita, cura V. N. Iani Dousae a Nortvvyck. Antverpiae, Apud Christophorum Plantinum Iե. CIե. LXXXIV [Ex. UB Köln: GB IIc 771a] [L. Fruterius: Coniectanea verisimilia, 1605] Lucae Fruterii Coniectaneorum verisimilium Liber III. [S. 339–384 in:] J. Gruter: Lampax sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus 5, 1605. [J. M. Gesner: Isagoge in eruditionem universalem, 1774] Io. Matthi. Gesneri primae lineae isagoges in eruditionem universalem nominatim philologiam, historiam et philosophiam in usum praelectionum ductae. accedunt nunc praelectiones ipsae per Io. Nicolaum Niclas Tomus I. Lipsiae Sumptibus Caspari Fritsch CIե Iե CCLXXIIII. [Ex. HAB: M: Ea 259] [G. Ghilini: Teatro d‘huomini letterati 2, 1647] Teatro d‘huomini letterati Aperto dall’Abbate Girolamo Ghilini Academico incognito. volume secondo. In Venetia, Perli Guerigli. MDCXLVII. [Ex. HAB: M: Hr 105] [H. Glarean: Annotationes in Livium, 1542] Henrici Glareani in Titum Livium annotationes. Cum chronologia eiusdem: Cui Badii accessit Elenchus. Ad haec Laur. Vallae de quibusdam apud Livium locis iudicium. Lugduni apud Seb. Gryphium, 1542. [Ex. HAB: M: Lh 1257] [J. Gruter: Suspiciones, 1591] Iani Gruteri, suspicionum libri IX. ad nobiliss. doctiss.que H. Ranzovium, H. Pistoris, I. Scaligerum, I. Dousam, E. VVeihium, H. Donellum, P. VVesenbecium, I. Lipsium, D. Gothofredum. In quibus Varia scriptorum loca: praecipue vero Plauti Apuleii, & Senecae Philosophi; emendandi, illustrandi, conatu. VVitebergae, Excudebat Zacharias Lehman, M. D. XCI. [Ex. UB München: 8 Philol. 1329] [J. Gruter: Lampax sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus 2, 1604] Lampas, sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus, in quo infinitis locis Theologorum, Jurisconsultorum, Medicorum, Philosophorum, Oratorum, Historicorum, Poetarum, Grammaticorum, scripta supplentur, corriguntur, illustrantur, notantur. Tomus Secundus a Iano Grutero. Prodit Francofurti E Collegio Paltheniano, Sumtibus Ionae Rhodii Bibliopolae. anno M.DC. IV. [Ex. Bibliotheca Palatina: IV 8 (2) (lat. 2029 (2)), Mikrofiches E24–28]
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Bibliographie
[J. Gruter: Lampax sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus 5, 1605] Lampas, sive fax artium liberalium, hoc est thesaurus criticus, in quo infinitis locis Theologorum, Jurisconsultorum, Medicorum, Philosophorum, Oratorum, Historicorum, Poetarum, Grammaticorum, scripta supplentur, corriguntur, illustrantur, notantur. Tomus Quintus a Iano Grutero. Prodit Francofurti E Collegio Paltheniano, Sumtibus Ionae Rhodii Bibliopolae. anno M. DCV. [Ex. Bibliotheca Palatina: IV 8 (2) (lat. 2029 (5)), Mikrofiches E35–39] [J. Gulielmus: Verisimilia, 1582] Iani Gulielmii verisimilium libri tres. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini. M. D. LXXXII. [Ex. HAB: M: Li 3227] [J. Gulielmus: Quaestiones Plautinae, 1583] Iani Gulielmii Plautinarum quaestionum commentarius. In quo omnes ordine M. Plauti comoediae, tum multa veterum scriptorum, Poetarum inprimis, & M. Tullii loca varie illustrantur, corriguntur, augentur. Lutetiae, Apud AEgidium Beysium via Iacobaea, sub insigni Lilii albi. CIե. Iե. XXCIII. [Ex. HAB: S: Alv.: Cb 252] [C. A. Heumann: Commentatio de arte critica, 1714] Commentatio de arte critica et speciatim de arte therapeutica. [S. 1–58 in:] Christophori Augusti Heumanni parerga critica sive hebdomadum criticarum hebdomas et glossematum decas. accedit emendatio emendationum aliquot falsarum in V. C. Io. Clerici arte critica occurrentium praemissa commentatione de arte critica subiunctaque dissertatione critica ad I Ioan.V 20. Ienae apud Ioan. Felicem Bielckium CIե Iե CC XII. [Ex. HAB: M Li 3717] [C. A. Heumann: Commentatio de arte critica, 1747] Christoph. Aug. Heumanni commentatio de arte critica in usum academicum seorsum excusa accessit Francisci Robortelli Utinensis disputatio de arte critica corrigendi antiquorum libros Norimbergae et Altorfii in bibliopolio Schupfeliano CIե Iե CCXXXXVII [Ex. UB Köln: WaVII 379] [S. F. W. Hoffmann: Bibliographisches Lexicon der Griechen 1–3, 1838, 1839, 1845] S. F. W. Hoffmann’s Bibliographisches Lexicon der gesammten Litteratur der Griechen. Zweite umgearbeitete, durchaus vermehrte, verbesserte und fortgesetzte Ausgabe. Erster (A–D) und zweiter Theil (E–N) in Leipzig bei A. F. Böhme, dritter Theil (O–Z) in Leipzig bei Ernst Geuther. 1838, 1839 und 1845. [H. Hornschuch: Orthotypographia, 1608]
'Orqotupograf…a, Hoc est: instructio, operas typographicas correcturis; et admonitio,
scripta sua in lucem edituris Utilis & necessaria. Adiecta sunt sub finem varia typorum sive scripturarum typographis usitatarum genera & appellationes, singula dicto aut sententia aliqua repraesentata, ut, quibus sua excudi malit, benevolus lector inde seligere possit. Autore Hieronymo Hornschuch Henfstadiense Fr. Medic. Candid. Lipsiae Michael Lantzenberger excudebat Anno 1608. [Nachdruck, herausgegeben von Martin Boghardt, Frans A. Janssen und Walter Wilkes, Darmstadt: Renate Raecke 1983.]
1. Quellen
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[H. Hornschuch: Orthotypographia teutsch, 1634] Orqotupograf…a. Das ist: Ein kurtzer Unterricht / f(r die jenigen / die gedruckte Werck corrigiren wollen; Und Eine erinnerung f(r die / welche ihre Schrifften / oder verfertigte Werck ausgehen lassen / N(tzlich / und nothwendig. Am Ende seynd hinzugethan / viel und mancherley Arten und Namen der Schrifften / die bey den Buchdruckern gebruchlich / und sonderlich in Gregorio Ritzschens Druckerey / jetzo zu befinden / alle / und jede mit einem Spruch f(r Augen gestellet / daraus der g(nstige Leser eligiren und nehmen mge / mit welcher er sein verfertigtes Werck wolle drucken lassen. Liebevor Lateinisch beschrieben von Hieronymo Hornschuchen / von Henffstadt in Francken / der Artzney Doctore. Jetzo aber Auff instndiges Anhalten in Teutsche Sprach gebracht / und zum Druck verfertiget / durch T. H. L. Endlich ist auch mit angehengt ein gr(ndlicher Bericht / H. D. Daniel Kramers / wo / wenn und wer solche werthe Kunst erfunden. Mnniglichen zu guter Nachrichtung auffs newe gedruckt zu Leipzig / in Gregorio Ritzschens Buchdruckerey / Anno 1634. [Nachdruck, herausgegeben von Martin Boghardt, Frans A. Janssen und Walter Wilkes, Darmstadt: Renate Raecke 1983.] [C. G. Jöcher: Allgemeines Gelehrten-Lexikon, 4 Bde., 1750–1751] Allgemeines Gelehrtenlexicon, Darinne die Gelehrten aller Staende sowohl maenn- als weiblichen Geschlechts, welche vom Anfange der Welt bis auf ietzige Zeit gelebt, und sich der gelehrten Welt bekannt gemacht, Nach ihrer Geburt, Leben, merkwuerdigen Geschichten, Absterben und Schrifften aus den glaubwuerdigsten Scribenten in alphabetischer Ordnung beschrieben werden. herausgegeben von Christian Gottlieb Joecher. 4 Bde., Leipzig in Johann Friedrich Gleditschens Buchhandlung 1750–1751. [Nachdruck Hildesheim/New York: Olms 1981, 1998, 2003] [A. Junius: Animadversa, 1556] Hadriani Iunii Hornani Medici animadversorum libri sex, omnigenae lectionis thesaurus, in quibus infiniti pene autorum loci corriguntur & declarantur, nunc primum & nati, & in lucem aediti. Eiusdem de coma commentarium quo haud scio an quicquam extet in eo genere vel eruditius vel locupletius, sive historiarum cognitionem, sive lectionis multifariae divitias spectes. Basileae 1556. [Ex. BSB: RES\Biogr.228] [A. Junius: Nomenclator, 1567] Nomenclator, omnium rerum propria nomina variis linguis explicata indicans: Hadriano Iunio Medico auctore. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini. M. D. LXVII. [Nachdruck Hildesheim/ New York: Georg Olms 1976] [M. Kromer: De origine et rebus gestis Polonorum, 1558] Martini Cromeri de origine et rebus gestis Polonorum libri XXX. Recogniti ab autore. Una cum funebri eiusdem autoris Oratione, Sigismundi Regis vitam compendiose complexa, & aliquoties iam prius edita. Accessit modo iudicium Francisci Robortelli Utinensis, de authore & libro. Basileae, per Ioannem Oporinum. [letzte Seite:] Basileae, ex officina Ioannis Oporini, anno salutis humanae M. D. LVIII. [Ex. HAB: H: T 1185 2° Helmst]
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Bibliographie
[G. Lamola: Epistola ad Guarinum, 1428 (ed. R. Sabbadini 1971)] Iohannes Lamola Guarino Veronensi viro clarissimo s. p. d. [in:] Remigio Sabbadini: Storia e critica di testi latini. Cicerone. Donato, Tacito, Celso. Plauto. Plinio. Quintiliano. Livio e Sallustio. Commedia ignota, Padova: Antenore 1971 (Seconda edizione. Indice dei nomi e dei manoscritti. Bibliografia dell’autore a cura di Eugenio e Myriam Billanovich), S. 106; auch in: Silvia Rizzo: Il lessico filologico degli umanisti, Rom: Edizioni di Storia e Letteratura 1973, S. 176. [C. Langius: Variantes scripturae in Plautem, 1566] Variantes scripturae trium exemplarium MS. in VII comoedias Plauti, ex lib. Dn. Caroli Langii. [S. 807–839 in:] Plautus: Comoediae viginti, ed. J. Sambucus 1566. [A. LeMire: Icones & elogia illustrium scriptorum, 1604] Auberti Miraei Illustrium Galliae Belgicae scriptorum icones et elogia, Antwerpen 1604. [J. Lipsius: Somnium, 1581 (ed. C. Matheeussen & C. L. Heesakkers 1980)] I. Lipsi Satyra Menippaea. Somnium. Lusus in nostri aevi Criticos, Antwerpen Christopher Plantin 1581. [Auf dieser Grundlage:] Constantinus Matheeussen / Christiaan Lamberg Heesakkers (Hg.): Two Neo-Latin Menippean Satires. Justus Lipsius: Somnium – Petrus Cunaeus: Sardi venales. Edited with Introduction and Notes, Leiden: Brill 1980, S. 25–77. [J. Lipsius: Praefatio, 1585] Praefatio [fol. †3v und †4r in:] Iusti Lipsii opera omnia quae ad criticam proprie spectant. Quibus accessit Electorum Liber Secundus, novus nec ante editus. Cetera item varie aucta & correcta: Quorum omnium Index & Ordo pagina sequenti. Antverpiae, Apud Christophorum Plantinum. CIե. Iե. LXXXV. [Ex. HAB: Alv.: Cc 422] [J. Lipsius: Somnium, 1585] Iusti Lipsii satyra Menippaea. somnium. Lusus in nostri aevi Criticos. Edita iterum, & correcta. Antverpiae, Apud Christophorum Plantinum. CIե. Iե. LXXXV. [Ex. HAB: Alv.: Cc 422] [J. Lipsius: Antiquae lectiones, 1585] Iusti Lipsii antiquarum lectionum commentarius, Tributus in libros quinque; in quibus varia scriptorum loca, Plauti praecipue, illustrantur aut emendantur. Antverpiae, Apud Christophorum Plantinum. CIե. Iե. LXXXV. [Ex. HAB: Alv.: Cc 422] [G.-G. Liruti: Vite ed opere da letterati del Friuli 2, 1762] Notizie delle vite ed opere scritte da letterati del Friuli raccolte da Gian-Guiseppe Liruti, tomo secondo. In Venezia, MDCCLXII. Appresso Modesto Fenzo. [Nachdruck Bologna: Forni editore 1971] [V. Maggi & B. Lombardi: Explanationes in librum Aristotelis de poetica, 1550] Vincentii Madii Brixiani et Bartholomaei Lombardi Veronensis in Aristotelis librum de poetica communes explanationes: Madii vero in eundem librum propriae annotationes. Eiusdem de Ridiculis: Et in Horatii librum de arte Poetica interpretatio.
1. Quellen
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In fronte praeterea operis apposita est Lombardi in Aristotelis Poeticam praefatio. Venetiis, in officina Erasmiana Vincentii Valgrisii. M D L. [Nachdruck: München: Fink 1969] [N. Maniacoria: Introductio, 12. Jhd. (ed. H. Denifle 1888)] Incipit suffraganeus bibliothece editus a Nicolao Maniacoria. Petro venerabilis basilice sancti Petri canonico Nicolaus humilis tituli Damasi diaconus, spiritum cogitandi que recta sunt et agendi. Abdruck der Stelle aus Marcianus Venetianus lat. class. X, cod 178 (früher lat. 289), fol. 141 (15. Jhd.) [S. 270–276 in:] P. Heinrich Denifle: Die Handschriften der Bibel-Correctorien des 13. Jahrhunderts. In: Archiv für Literaturund Kirchengeschichte des Mittelalters 4, 1888, S. 263–311. [P. Manuzio: Scholia in Ciceronem, 1543] Scholia Pauli Manutii, quibus Ciceronis philosophia partim corrigitur, partim explanatur. Parisiis. Ex officina Roberti Stephani. M.D. XLIII. [Ex. HAB: M: Lh 689] [G. F. Meier: Allgemeine Auslegungskunst, 1756 (ed. A. Bühler & L. Cataldi Madonna 1996)] Georg Friedrich Meier: Versuch einer allgemeinen Auslegungskunst (1756). Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Axel Bühler und Luigi Cataldi Madonna, Hamburg: Meiner 1996. [J. Mercier: Notae ad Aristaenetem, 1596] Ad Aristaenetum Notae [S. 169–239 in:] ARISTAINETOU EPISTOLAI. Aristaeneti epistolae Graecae. Cum Latina interpretatione & notis [Jos. Merceri. = hs. Zusatz]. Parisiis, Apud Marcum Orry, via Iacobaea, sub insigni Leonis salientis. M. D. LXXXXVI. [Ex. UB Göttingen: Auct. gr. V 8430] [P. Merula: Praefatio, 1595] Ad lectorem [fol. - in:] Ennius: Fragmenta annalium, ed. P. Merula 1595. [F. Modius: Novantiquae lectiones, 1584] Franc. Modii Brug. Novantiquae lectiones, tributae in Epistolas centum, & quod excurrit: In quibus infinitis locis Silius, Censorinus, Hyginus, Macrobius, Fulgentius; plurimis Cicero, Seneca, Martialis, Plinius, Calpurnius; nonnullis Propertius, Ovidius, Lucanus, Valerius Maximus, Statius, alii, supplentur, emendantur, illustrantur, notantur. Cum Triplici Indice. Francofurti Apud heredes Andreae Wecheli, MDLXXXIIII. [Ex. HAB: H: P 1020.8° Helmst.] [D. G. Morhof: Polyhistor (1688), ed. quarta 1747] Daniel Georg Morhof: Polyhistor literarius, philosophicus et practicus cum accessionibus virorum clarissimorum Iohannis Frickii et Iohannis Molleri. Editio quarta, cui praefationem, notitiamque diariorum litterariorum Europae praemisit Io. Albertus Fabricius, Lübeck: Petrus Boeckmannus (1688) 1747. [Nachdruck Aalen: Scientia 1970]
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Bibliographie
[M.-A. Muret: Annotationes in Terentium, [1550]] M. Antonii Mureti annotationum in Terentium liber [S. 732–773 in:] P. Terentii Afri Fabulae, editionis postremae, et longe emendatissimae. Iodoci VVillichii Reselliani in easdem commentaria, quibus per singulas scenas ratio inventionis, dispositionis et eloquutionis, cum quorundam locorum obscuriorum explanatione, ostenditur. Indicantur et theses ethicae passim. his accedunt, Petri Menenii Lugdunensis libellus de fabularum origine & differentia, de ludorum ac tibiarum generibus. M. Antonii Mureti in sex Teretii Comoedias Annotationum Liber unus. Index rerum et verborum locupletissimus. Tiguri apud Andream Gesnerum F. et Iacobum Gesnerum Fratres. [Ex. HAB: P 555 Helmst. 8°] [M.-A. Muret: Commentarius in Catullum, 1554] Catullus et in eum commentarius M. Antonii Mureti. Venetiis, apud Paulum Manutium, Aldi filium. M. D. LIIII. [Ex. BSB: A.lat.a.96] [M.-A. Muret: Variae lectiones, 1559] M. Antonii Mureti variarum lectionum libri VIII. Venetiis, ex officina Iordani Zilleti, M D LIX. [Ex. BSB: ESlg/4 Ph.Sp.133] [M.-A. Muret: Variae lectiones, 1580] M. Antonii Mureti variarum lectionum libri XV. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini, M. D. LXXX. [Ex. HAB: A: 49.4 Gram.] [P. Nannius: SÚmmikta sive Miscellanea, 1548] Petri Nannii Alcmariani in collegio Buslidiano apud Lovanienses Latini professoris Summ…ktwn, sive Miscellaneorum decas una. Lovanii ex officina Servatii Sasseni, anno, 1548. [Ex. UB Düsseldorf: CULTG129] [J. Pacius: Synopsis iuris civilis, 1588] Synopsis iuris civilis, Iul. Pacio I.C. auctore. Apud Ioannem Mareschallum Ludgunensem. MDLXXXVIII. [Ex. HAB: S: Alv.: Hl 172 (1) 2°] [J. M. Palmerius: Spicilegia, 1580] Spicilegiorum Ian. Melleri Palmerii commentarius primus. quibus pleraque Sallustii, Lucretii, Plauti, Terentii, Propertii, Petronii Arbitri, tum fragmenta apud Marcellum: multa Cornelii Taciti: quaedam etiam Catulli, & aliorum scriptorum, alias conclamata, tentantur primum, aut impari ausu atque successu tentata iamante, cum diis volentibus emaculantur. Bene collocata opera, ut linguae Latinae melius sit: hoc primum: deinde, ne tam multis locu Scriptorum sensu abhorreant. [letzte Seite:] Francofurti ad Moenum, apud Georgium Corvinum, impensis Sigismundi Feyrabendii. Anno M. D. LXXX. [Ex. HAB: A: 344 Quod.] [N. C. Papadopoli: Historia Gymnasii Patavini 1, 1726] Nicolai Comneni Papadopoli: Historia Gymnasii Patavini Post ea, quae hactenus de illo scripta sunt, ad haec nostra tempora plenius, & emendatius deducta. Cum auctario
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De claris cum Professoribus tum Alumnis ejusdem. Tomus I. Venetiis, MDCCXXVI. Apud Sebastianum Coleti. [Ex. HAB: M: Pd 2º 12] [F. Patrizi: Diece dialoghi della historia, 1560] Della historia diece dialoghi di M. Francesco Patritio in Venetia, appresso Andrea Arrivabene. M D LX. [Ex. HAB: A: 125.48 Quod. (3)] [N. Perotti: Epistola adversus eos qui corrigunt errores, 1470 (ed. J. Monfasani 1988)] Nicolai Perotti: pontificis Sypontini, epistola adversus eos qui temere corrigunt errores veterum librorum cum expositione prohoemii Pliniani incipit feliciter. [Brief an Francisco Guarneri aus dem Jahr 1470, teilediert in:] John Monfasani: The First Call for Censorship: Niccolò Perotti, Giovanni Andrea Bussi, Antonio Moreto, and the Editing of Pliny’s ‚Natural History‘. In: Renaissance Quarterly 41 (1), 1988, S. 1–31; hier S. 24–27. [P. Pithou, Adversaria subseciva, 1565] Petri Pithoei Adversariorum subsecivorum libri II. Auctorum Veterum loci qui in iis libris aut explicantur aut emendantur, proximo indice notati sunt. Parisiis, Apud Ioan. Borellum, vico Bellouaco. M. D. LXV. [Ex. BSB: A.gr.b.2089] [Poggio Bracciolini: Epistola ad Guarinum, 1416 (ed. H. Harth 1984)] A Guarino Veronese. Costanza, 16 dicembre 1416 [in:] Poggio Bracciolini: Lettere II: Epistolarum familiarium libri. A cura di Helene Harth, Florenz: Leo S. Olschki 1984, S. 153–156. [A. Poliziano: Miscellanea centuria prima, 1489 (ed. 1553)] Angeli Politiani miscellaneorum centuria prima. [S. 213–311 in:] A. Poliziano: Opera omnia, 1553. [A. Poliziano: Lamia, 1492 (ed. & notae A. Wesseling 1986)] Angelo Poliziano: Lamia. Praelectio in priora Aristotelis analytica. Critical edition, introduction and commentary by Ari Wesseling, Leiden: E. J. Brill 1986. [A. Poliziano: Opera omnia, 1553] Angeli Politiani opera, quae quidem extitere hactenus, omnia, longe emendatius quam usquam antehac expressa: quibus accessit Historia de Coniuratione Pactiana in familiam Medicam, elegantissime conscripta: quorum omnium ordinem post Politiani elogia invenies: addito una Indice memorabilium copiosissimo. Basileae apud Nicolaum Episcopium iuniorem, M D. LIII. [Ex. HAB: 45.2 Quod. 2° (2); BSB: 2 Opp.79] [A. Poliziano: Epistolae, 1553] Angeli Politiani epistolarum libri duodecim. [S. 1–212 in:] A. Poliziano: Opera omnia, 1553. [A. Poliziano: Miscellanea centuria secunda (ed. V. Branca & M. Pastore Stocchi 1978)] Angelo Poliziano: Miscellaneorum centuria secunda per cura di Vittore Branca e Manlio Pastore Stocchi. Editio minor. Leo S. Olschki, Firenze 1978.
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[D. Rebitté: Guillaume Budé, 1846] Dominique Rebitté: Guillaume Budé. Restaurateur des études grecques en France. Essai historique, Paris 1846. [Nachdruck Genf: Slatkine 1969] [B. Rhenanus: Annotationes in Plinium, 1526] Beatus Rhenanus Selezestadiensis, in C. Plinium. [letzte Seite:] Basileae apud Ioannem Frobenium Mense Martio, Anno M. D. XXVI. [Ex. UB Köln: GB XI 619a] [B. Rhenanus & S. Gelenius: Annotationes in Livium, 1543] In T. Livii libros annotationes per Beatum Rhenanum et Sigismundum Gelenium [fol. a*2v–a*3r/dann S. 1–65 in:] Livius: Ab urbe condita, ed. B. Rhenanus & S. Gelenius 1543. [K. Rittershausen: Monitio de varietate lectionum, 1597] De varietate lectionum Monitio. [fol. 3r– 3v in:] Scholia in Oppiani Halieutica, ed. K. Rittershausen 1597. [K. Rittershausen (& K. Schoppe?): Dissertatio de causis variantium lectionum, zit. Schop. Ars crit., 1597] Dissertatio Conradi Rittershusii I.C. de causis variantium in auctoribus utriusque linguae lectionum, ex ipsius in OPPIANUM Commentariis descripta. [fol. K3r–K5r in:] K. Schoppe: Ars critica, 1597. [J. Rivius: Castigationes in Sallustium, 1539] Ioannis Rivii Atthendoriensis, in C. Crispi Sallustij de coniuratione Catilinaria, deque bello Iugurthino, quae solae omnium extant, historias, Castigationum libri II. explicatione interdum quorundam locorum addita. Contulimus IIII. manuscripta, eaque vetustissima exemplaria, nec non ex impressis quae correctiora caeteris videbantur, Florentinum, Parisiense, Venetum. Lipsiae Nicolaus VVolrab Excudebat, anno M. D. XXXIX. [Ex. HAB: M: Lh 1919] [F. Robortello: Annotationes, 1543] Francisci Robortellii [sic] Utinensis variorum locorum Annotationes tam in Graecis, quam Latinis authoribus, Venetiis apud Io. Baptistam a Burgofrancho Papiensem. M. D. XLIII. [Ex. BSB: A.gr.b.1641] [F. Robortello: Varia opuscula, 1548] Francisci Robortelli Utinensis De historica facultate, disputatio Eiusdem Laconici, seu sudationis explicatio Eiusdem De Nominibus Romanorum Eiusdem De Rhetorica facultate Eiusdem Explicatio in Catulli Epithalamium His accesserunt eiusdem Annotationum in varia tam Graecorum, quam Latinorum loca Libri II. Ode Graeca quae Biocrhsmwd…a inscribitur Explanationes in primum Aeneid. Vergilii librum eodem Robortello praelegente collectae a Ioanne Baptista Busdrago Lucensi. Florentiae apud Laurentium Torrentinum, Mense Iulio M D XLVIII. [Ex. UB Köln: WA VII 396]
1. Quellen
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[F. Robortello: Annotationes, 1548] Annotationum in varia tam Graecorum, quam Latinorum loca Libri II. [S. 113–276 in:] F. Robortello: Varia opuscula, 1548. [F. Robortello: De historica facultate, 1548] De historica facultate, disputatio. [S. 7–30 in:] F. Robortello: Varia opuscula, 1548 [Nachdruck auch in: Eckhard Keßler (Hg.): Theoretiker humanistischer Geschichtsschreibung. Nachdruck exemplarischer Texte aus dem 16. Jahrhundert. Mit einer Einleitung, analytischer Inhaltsübersicht, Bibliographie und Indices, München: Fink 1971 (o. Pag.).] [F. Robortello: De nominibus Romanorum, 1548] De Nominibus Romanorum. [S. 45–65 in:] F. Robortello: Varia opuscula, 1548. [Ein Abdruck dieser Abhandlung findet sich auch in: C. Sigonio: Emendationes, 1557, S. 94v–95v.] [F. Robortello: Explicatio in Catulli epithalamium, 1548] Ode Graeca quae Biocrhsmwd…a inscribitur. [S. 94–112 in:] F. Robortello: Varia opuscula, 1548. [F. Robortello: Explanationes in Virgilium, ed. I. B. Busdrago 1548] Explanationes in primum Aeneidos. Vergilii librum. Collectae a Io. Baptista Busdrago Lucensi, ex doctissimis interpretationibus Francisci Robortelli Utinensis praeceptoris sui. [S. 287–354 in:] F. Robortello: Varia opuscula, 1548. [F. Robortello: Explicationes de satyra, de epigrammate, de comoedia, de salibus, de elegia, 1548] Francisci Robortelli Utinensis paraphrasis in librum Horatii, qui vulgo de arte poetica ad Pisones inscribitur. Eiusdem explicationes de satyra de epigrammate de comoedia de salibus de elegia. Quae omnia addita ab authore fuerunt, ut nihil quod ad poeticam spectaret desiderari posset: Nam in iis scribendis Aristotelis methodum fervavit: & ex ipsius Libello de arte Poetica principia sumpsit omnium suarum explicationum. [Angehängt an:] F. Robortello: Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica, 1548. [Nachdruck München: Fink, 1968; moderne Ausgabe in: Trattati di poetica e retorica del cinquecento, a cura di Bernard Weinberg, Bd. 1, Bari: Laterza, 1970, S. 493–537.] [F. Robortello: Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica, 1548] Francesci Robortelli Utinensis in librum Aristotelis de arte poetica explicationes. Qui ab eodem Authore ex manuscriptis libris, multis in locis emendatus fuit, ut iam difficillimus, ab obscurissimus liber a nullo ante declaratus, facile ab omnibus possit intelligi. Florentiae In Officina Laurentii Torrentini Ducalis Typographi, MDXLVIII. [Nachdruck München: Fink, 1968] [F. Robortello: Paraphrasis in librum Horatii de arte poetica, 1548] Francisci Robortelli Utinensis paraphrasis in librum Horatii, qui vulgo de arte poetica ad Pisones inscribitur. Eiusdem explicationes de satyra de epigrammate de comoedia de salibus de elegia. Quae omnia addita ab authore fuerunt, ut nihil quod ad poeticam spectaret desiderari posset: Nam in iis scribendis Aristotelis methodum fervavit: & ex ipsius Libello de arte Poetica principia sumpsit omnium suarum explicationum. [Angehängt an:] F. Robortello: Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica, 1548. [Nachdruck München: Fink, 1968]
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Bibliographie
[F. Robortello: Disputatio in libros politicos Aristotelis, 1552] Francisci Robortelli Utinensis de fine, et materie politicae scientiae, seu artis disputatio Venetiis habita. MDL. cum libros politicos Aristotelis publ. interpretaturus esset. [S. 168–178 in:] Francisci Philelphi de morali disciplina libri quinque. Averrois paraphrasis in libros de repub. Platonis. Venetiis apud Scottum MDLII. [Ex. HAB A: 97 Quod.; dieses Buch ist in einer digitalisierten Fassung frei im Internet abrufbar unter: http://diglib.hab.de/drucke/97-quod-1/start.htm] [F. Robortello: Explicationes in librum Aristotelis de arte poetica, ed. sec. 1555] Francisci Robortelli Utinensis, in librum Aristotelis de arte Poëtica, explicationes. Qui ab eodem ex manuscriptis libris, multis in locis emendatus fuit, ut iam difficillimus, ac obscurissimus liber a nullo ante declaratus, facile ab omnibus possit intelligi. Cum Indice rerum & verborum locupletissimo. Basileae, per Ioannem Hervagium Iuniorem, anno M. D. LV. [Ex. HAB: A: 12.6 Poet. 2°] [F. Robortello: De convenientia supputationis, 1557] Francisci Robortelli Utinensis de convenientia supputationis Livianae et Dionysii Halicarnassei, Cum supputatione Marmorum Ro. [fol. *iir–**ivv in:] Francisci Robortelli Utinensis de convenientia supputationis Livianae ann. cum marmoribus Rom. quae in capitolio sunt. Eiusdem de arte, sive ratione corrigendi veteres Authores, disputatio. Eiusdem emendationum libri duo. Patavii, Apud Innocentium Olmum. M D. LVII. [Ex. wie Robortello: Ars corrigendi, 1557] [F. Robortello: Annotationes, 1557] Francisci Robortelli Utinensis variorum locorum in antiquis scriptoribus, tum Graecis, tum Latinis annotationes. [fol. Cr–Pivr bzw. S. 9v–60r in:] Francisci Robortelli Utinensis de convenientia supputationis Livianae ann. cum marmoribus Rom. quae in capitolio sunt. Eiusdem de arte, sive ratione corrigendi veteres Authores, disputatio. Eiusdem emendationum libri duo. Patavii, Apud Innocentium Olmum. M D. LVII. [Ex. wie Robortello: Ars corrigendi, 1557] [F. Robortello: Ars corrigendi, 1557] Francisci Robortelli Utinensis. de arte sive ratione corrigendi antiquorum libros Disputatio. [fol. Ar–B8v bzw. S. 1r–9v in:] Francisci Robortelli Utinensis de convenientia supputationis Livianae ann. cum marmoribus Rom. quae in capitolio sunt. Eiusdem de arte, sive ratione corrigendi veteres Authores, disputatio. Eiusdem emendationum libri duo. Patavii, Apud Innocentium Olmum. M D. LVII. [Ex. HAB: A: 154.1 Quodl. 2°; S: Alv.: Lo 308 (2) 2°; H: QuH 15 (3); das Exemplar A: 154.1 Quodl. 2° ist in einer digitalisierten Fassung frei im Internet abrufbar unter http://diglib.hab.de/drucke/154-1-quod-2f-1/start.htm] [F. Robortello: Ars corrigendi, 1557 (ed. G. Pompella 1975)] Francesci Robortelli Utinensis: De arte sive ratione corrigendi antiquorum libros disputatio. Introduzione, testo critico, traduzione, commentario, indici a cura di Giuseppe Pompella, Neapel: Luigi Loffredo, 1975. [F. Robortello: Disputatio de iudiciis Romanorum, 1559] Francisci Robortelli Utinensis, de vita, et victu populi Romani sub Impp. Caess. Augg. Tomus Primus, Qui continet libros XV. Eiusdem Disputationes novem. De
1. Quellen
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provinciarum administratione, & distributione apud Romanos. De iudiciis Romanorum. De legionibus Romanorum. De magistratibus Imperatorum Rom. De familiis Romanorum. De cognominibus Imperatorum Romanorum & appellationibus. De commodis, & praemiis, ac donis militaribus. De poenis, & ignominiis militum Rom. De gradibus honorum. Bononiae, Ex Typographia Io Bapt. & Alexandri Benaciorum, & Ioannis Rubei sociorum. 1559. [Ex. HAB: S: Alv.: Kp 390 (1) 2°] [F. Robortello: Ephemerides Patavinae, 1562] Francisci Robortelli Utinensis Ephemerides Patavinae mensis quintilis MDLXII. Adversus Caroli Sigonii Triduanas disputationes. A Constantio Charisio Foroiuliensi descriptae, & explicatae fusius. Gabrielis Faerni, Epistola qua continetur Censura emendationum Sigonii Livianarum. Patavii Ex officina Laurentii Pasquatii & Sociorum. [Ex. HAB: 69.1 Quod. (3)] [C. Salutati: De fato et fortuna, c.1399 (ed. C. Bianca 1985)] Coluccio Salutati: De fato et fortuna, a cura di Concetta Bianca, Florenz: Olschki, 1985. [J. C. Scaliger: De causis linguae Latinae, 1540] Iulii Caesaris Scaligeri de causis linguae Latinae libri tredecim, Lugduni apud Seb. Gryphium, 1540. [Ex. UB Köln: GB IIa207a] [J. C. Scaliger: Poetices, postum 1561 (ed. & dt. Übers. L. Deitz & G. Vogt-Spira 1994– 2003)] Iulius Caesar Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst, herausgegeben und übersetzt von Luc Deitz und Gregor Vogt-Spira, 5 Bde., frommann-holzboog: Stuttgart/ Bad Cannstatt 1994–2003. [J. J. Scaliger: Notae ad Varronis libros de re rustica, 1581] [S. 193–255 in:] Josephi Scaligeri, Iulii Caesaris F. Coniectanea in M. Terentium Varronem De lingua Latina. Appendix ad eadem, nunc primum ab eo edita. Eiusdem Iosephi Scaligeri Notae ad Varronis libros De re rustica. [in:] Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J. J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581. [J. J. Scaliger: Coniectanea in Varronem de lingua Latina, 1581] [S. 9–164 in:] Josephi Scaligeri, Iulii Caesaris F. Coniectanea in M. Terentium Varronem De lingua Latina. Appendix ad eadem, nunc primum ab eo edita. Eiusdem Iosephi Scaligeri Notae ad Varronis libros De re rustica. [in:] Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J. J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581. [J. J. Scaliger: Castigationes in Catullum, Tibullum, Propertium, 1582] Iosephi Scaligeri Iul. Caesaris Filii castigationes in Catullum, Tibullum, Propertium. [in:] Catulli, Tibulli, Propertii, nova editio. Iosephus Scaliger Iul. Caesaris F. recensuit. Eiusdem in eosdem Castigationum Liber. Ad Cl. Puteanum Consiliarium Regium in suprema Curia Parisiensi. Antverpiae, apud Aegidium Radaeum. M. D. LXXXII. [Ex. HAB: A: 78.2 Poet.; BSB: A.lat.a.107]
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Bibliographie
[J. J. Scaliger: De arte critica, 1619] Iosephi Scaligeri De Arte Critica Diatriba Nunc primum in lucem edita, Ex Museo Ioachim Morsi. Lugduni Batavorum Excudebat Iacobus Marci. CIե Iե C XIX. [Ex. BSB: 4 Diss.310; Abdruck auch in Herbert Jaumann: Critica. Untersuchungen zur Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius, Leiden/ New York/ Köln: Brill 1995, S. 402f.] [J. Schegk: Praemessa observationum et emendationum, 1590] Iacobi I. N. Schegkii observationum et emendationum, praemessa. Viris amicis, & doctis oblata. Francofurti Apud Ioannem Wechelum M D X C. [Ex. HAB: M: Li Kapsel 1 (20)] [J. Schegk: Notae in Velleium, 1593] Iacobi Iac. N. Schegkii ad Velleii Paterculi librum I. Notae [in:] C. Velleius Paterculus, cum Aldi Manutii Scholiis: Iusti Lipsii Animadversionibus: Iacobi Schegkii Notis: Vincentii Acidalii Variis lectionibus. Adiecti sunt Indices rerum & verborum necessarii. Lugduni, apud Franciscum Le Preux M. D. XCIII. [Ex. UB München: 8 A.lat. 1490] [M. Schmeitzel: Historie der Gelehrheit, 1728] Martin Schmeitzels Versuch Zu einer Historie Der Gelehrheit, Darinnen (berhaupt von dem Gantzen Crper der Gelehrheit, und denn von allen dessen Theilen, auch deroselben Verbindung insonderheit, hinlngliche Nachricht gegeben wird. Zum Gebrauch eines collegii publici und zum Nutzen der Jugend auf Schulen und Gymnasien publiciret. Jena, 1728. Zu finden bey Peter Fickelscherrn. [Ex. HAB: M: Ea 606] [K. Schoppe: Commentarii ad Priapeia, 1506 (recte: 1596?)] Priapeia sive diversorum poetarum in Priapum Lusus, Illustrati Commentariis Gasperis Scioppii Franci. L. Apuleii Madaurensis ANECOMENOS, Ab eodem illustratus. Adiuncta sunt Heraclii Imperatoris, Sophoclis Sophistae, C. Antonii, Q. Sorani, & Cleopatrae Reginae Epistolae, De propudiosa Cleopatrae Reginae libidine, nunc primum inventae & editae. Francoforti ad Moenum CIե Iե VI. [letzte Seite:] Francoforti, In Officina Typogr. VVolffgangi Richteri, Sumptibus Conradi Nebenii. Anno CIե Iե VI. [Ex. BSB: A.lat.a.2550] [K. Schoppe: Verisimilia, 1596] Gasperis Scioppii Franci Verisimilium libri quatuor. In quibus multa veterum scriptorum loca, Symmachi maxime, Cor. Nepotis, Propertii, Petronii, aliorum emendantur, augentur, inlustrantur. Norimbergae Excudebat Paulus Kaufmann. Anno CIե Iե XCVI [Ex. HAB: 512 Quod.] [K. Schoppe: Suspectae lectiones, 1597] Gasperis Schoppii Fr. Suspectarum lectionum Libri Quinque, In centum & quatuordecim [sic] epistulas ad celeberrimos quosque aevi nostri viros aliosque amicos, facti. In quis amplius ducentis locis Plautus, plurimis Apuleius, Diomedes Grammaticus, alii, corriguntur, notantur, subplentur, illustrantur. Noribergae Ex typographeio Paulli Kaufmanni, CIե Iե XCVII. [Ex. HAB: 448 Quod.; Bibliotheca Palatina: V.219 (lat.314), Mikrofiches F852–855]
1. Quellen
363
[K. Schoppe: Ars critica, 1597] Gasparis Scioppii Franci de arte critica, et praecipue, de altera eius parte emendatrice, quae ratio in Latinis scriptoribus ex ingenio emendandis observari debeat, commentariolus. In quo nonnulla nove emendantur, alia prius emendata confirmantur. Ad Christophor. Pflugium in Euteren, EQ. Misnum. Noribergae, E typographeio Valentini Fuhrmanni. Anno M. D. IIIC. [Ex. HAB: H: P 1043.8° Helmst. (1); HAB: A: 426 Quod. (1); Bibliotheca Palatina: V 229 (lat. 1040a), Mikrofiches F889ff.] [K. Schoppe: Melos super obitu I. Douzae, 1597] Gasparis Scioppii Fr. Melos ad Vir. Clariss. Paulum Merulam super obitu Nobilis et Eruditi Iani Douzae Filij acerbo & praematuro Veronae. Noribergae, e Typographeio Valentini Fuhrmanni. Anno M. D. IIIC. [Ex. HAB: A: 426 Quod. (1)] [K. Schoppe: Lectiones variae in Tertulliani Apologeticum, 1597] Lectiones Variae [S. 1–21 im Anhang von:] Tertullian: Opera omnia, ed. I. Pamelius & notae F. Junius et al. 1597. [K. Schoppe: Symbola critica in Apuleii opera, 1605] Gasp. Scioppii symbola critica in L. Apuleii Philosophi Platonici Opera. Augustae Vindelicor. Apud Christophorum. Mangum. Anno M. DCV. [Ex. BSB: A.lat.b.51] [K. Schoppe: Philotheca Scioppiana, 1645 (ed. & dt. Übers. K. Jaitner 2004)] Kaspar Schoppe: Autobiographische Texte und Briefe. Band 1: Philotheca Scioppiana. Eine frühneuzeitliche Autobiographie 1576–1630. 2 Teilbände. In Zusammenarbeit mit Ursula Jaitner-Hahner und Johann Ramminger bearbeitet von Klaus Jaitner, München: Beck 2004 (Bayerische Gelehrtenkorrespondenz 2: Kaspar Schoppe). [K. Schoppe: De vita sua (ed. K. Jaitner 2004)] Caspar Scioppius, De vita sua. [= Anhang II, S. 1131–1151 in:] Kaspar Schoppe: Autobiographische Texte und Briefe. Band 1: Philotheca Scioppiana. Eine frühneuzeitliche Autobiographie 1576–1630. 2 Teilbände. In Zusammenarbeit mit Ursula Jaitner-Hahner und Johann Ramminger bearbeitet von Klaus Jaitner, München: Beck 2004 (Bayerische Gelehrtenkorrespondenz 2: Kaspar Schoppe). [K. Schoppe: Ars critica, ed. sec. 1662] Gasparis Scioppii, Franci, de arte Critica; & praecipue, de altera eius parte emendatrice, Quaenam ratio in Latinis scriptoribus ex ingenio emendandis observari debeat; commentariolus. In quo nonnulla nove emendantur, alia prius emendata confirmantur. Ad Christophor. Pflugium in Euteren, Eq. Misnum. Quae praeterea accesserint, sequens docebit pagina. Amstelodami, Apud Judocum Pluymer Bibliopolam, pone Curiam, sub signo Senecae, M. DC. LXII. [Ex. UB Köln: GB IIa 45a]
364
Bibliographie
[F. L. A. Schweiger: Bibliographisches Lexicon der Römer, 1834] Franz Ludwig Anton Schweiger.: Bibliographisches Lexicon der gesamten Literatur der Römer, Leipzig 1834. [Nachdruck Amsterdam: Adolf M Hakkert 1962] [C. Sigonio: De praenominibus Romanorum, 1550] [fol. Er–E6r in:] Regum, consulum, dictatorum ac censorum Romanorum Fasti ... Carolo Sigonio auctore. Eiusdem in Fastos et acta trimphorum explicationes propediem edentur. Qui liber erit tanquam totius Romanae historiae commentarius. Excudebat Mutinae Antonius Gadaldinus, MDL. [Angaben aus William McCuaig: Carlo Sigonio. The Changing World of the Late Renaissance, Princeton: Princeton University Press 1989, S. 10 (Fn. 20).] [C. Sigonio: De nominibus Romanorum, 1555] Regum, consulum, dictatorum, ac censorum Romanorum Fasti, una cum triumphis actis, a Romulo rege usque ad Ti. Caesarem, Carolo Sigonio Auctore. Eiusdem de Nominibus Romanorum liber. Kalendarium vetus Romanum, e marmore descriptum: & Pauli Manutii de veterum dierum ordine opinio, eiusdemque interpretatio literarum, quae in Kalendario non ita faciles ad intelligendum videbantur. Venetiis, M. D. LV. Apud Paulum Manutium, Aldi F. [Ex. HAB: Gg 4° 24] [C. Sigonio: Scholia in Livium, 1555] Caroli Sigonii Scholia, quibus T. Livii Patavini historiae, et earum epitomae partim emendantur, partim etiam explanantur. Eiusdem in eosdem libros Chronologia, ipsorummet auctorum verbis confirmata. Venetiis, M. D. LV. apud Paulum Manutium Aldi filium. [Ex. UB München: 2 A. lat. 216] [C. Sigonio: Chronologia in Livium, 1555] Caroli Sigonii Scholia, quibus T. Livii Patavini historiae, et earum epitomae partim emendantur, partim etiam explanantur. Eiusdem in eosdem libros Chronologia, ipsorummet auctorum verbis confirmata. Venetiis, M. D. LV. apud Paulum Manutium Aldi filium. [Ex. UB München: 2 A. lat. 216] [C. Sigonio: Emendationes, 1557] Caroli Sigonii emendationum libri duo. Quorum argumentum proximae pagellae indicabunt, Aldus. Venetiis, M. D. LVII [Ex. BSB: 4 L.eleg.g.24; HAB: M: Li 8411] [G. Stewechius: Quaestiones et coniecturae in Apuleium, 1586] Godescalci Stewechii Heusdani in L. Apuleii opera omnia Quaestiones et conjecturae. In queis praeter castigationes infinitas, ritus prisci observati, explicati. Accesserunt quoque aliorum doctorum virorum in eundem scriptorem emendationes. Antverpiae, Ex officina Christophori Plantini. M. D. LXXXVI. [Ex. HAB: M: Lh 41]
1. Quellen
365
[A. Teissier: Les éloges des hommes savans 2, ed. quarta 1715] Les eloges des hommes savans, & Tirez de l’Histoire de M. de Thou, avec des additions contenant l’Abbrégé de leur Vie, le Jugement & le Catalogue de leurs Ouvrages, par Antoine Teissier. tome second. Quatriême Edition revûe, corrigée, & augmentée, outre un très-grand nombre de nouvelles remarques, d’un quatriême Tome. A Leyde, Chez Theodore Haak, Marchand Libraire, 1715. [Ex. BSB: Biogr.c.309 m-2] [A. Teissier: Les éloges des hommes savans 3, ed. quarta 1715] Les eloges des hommes savans, & Tirez de l’Histoire de M. de Thou, avec des additions contenant l’Abbrégé de leur Vie, le Jugement & le Catalogue de leurs Ouvrages, par Antoine Teissier. Tome Troisieme. Quatriême Edition revûe, corrigée, & augmentée, outre un très grand nombre de nouvelles Remarques, d’un quatriême Tome. A Leyde Chez Theodore Haak, Marchand Libraire, 1715. [Ex. BSB: Biogr.c.309 m-3] [A. Turnèbe: Adversaria, 1565] Adriani Turnebi Adversariorum, t. 2, 12 libros continens. Cum indice copiosissimo. Parisiis apud Gabrielem Buoniem. 1565. [Ex. HAB: H: P 308 4° Helmst.] [A. Turnèbe: Adversaria, 1573] Adriani Turnebi philosophiae, et graecarum literarum Regii professoris, adversariorum tomus tertius, libros sex continens. Additi sunt indices duo, unus locorum qui in auctoribus explicantur, aut emendantur, alter rerum & verborum. Parisiis. Apud Martinum Iuvenem, via S. Ioannis Lateranensis, ad insigne Serpentis. M. D. LXXIII. [Ex. BSB: 2 A.lat.b.485] [A. Turnèbe: Adversaria, 1581] Adriani Turnebi Adversariorum tomi III. Auctorum loci, qui in his sine certa nota appellabantur, suis locis inserti, auctoribusque suis adscripti sunt. Additi Indices tres copiosissimi: Unus rerum & verborum Latinorum: Alter Graecorum: Tertius Auctorum qui explicantur aut emendantur. Basileae Per Thomam Guarinum MDLXXXI. [Ex. HAB: A: 34.39 Jur. 2° (2)] [A. Turnèbe: Annotationes et emendationes in Varronis de lingua Latina, 1581] [S. 1–38 in:] Adr. Turnebus Annotationes et emendationes in Varronis libros De lingua Latine: ex eius libris Adversariorum excerptae. Antonii Augustini Emendationes seu annotationes in quosdam Varronis locos, quibus vel variae lectiones, vel coniecturae in dubiis locis proponuntur. [in:] Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J. J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581. [J. P. Valeriano: Castigationes et varietates Virgilianae lectionis, 1529] Castigationes et varietates Virgilianae lectionis, per Ioannem Pierium Valerianum. Parisiis ex officina Roborti [sic] Stephani M. D. XXIX. [Ex. HAB: 20 Poet. 2°]
366
Bibliographie
[L. Valla: Elegantiae, c.1440 (ed. 1540)] Laurentii Vallae patritii Romani, et de lingua latina bene meriti, sex Elegantiarum libri. [S. 3–235 in:] Laurentii Vallae opera, nunc primo non mediocribus vigiliis & iudicio quorundam eruditiss. virorum in unum volumen collecta, &, exemplaribus variis collatis, emendata. Ludimagistris, aut alias bonas literas profitentibus incredibiliter utilia adeoque necessaria. Quam ob rem rectissime a doctioribus fere omnibus iudicantur neque docti neque vere studiosi, qui non omnes huius autoris libros habent, idque praecipuo loco. Basileae apud Henricum Petrum, mense martio, anno M. D. XL. [Nachdruck: Laurentius Valla: Opera omnia. Con una premessa di Eugenio Garin. Tomus prior. scripta in editione Basilensi anno MDXL collecta. Bottega d’Erasmo, Torino, 1962.] [L. Valla: De falso credita et ementita Constantini donatione, c.1440, ed. pr. 1506] [Nachdruck in:] Wolfram Setz: Lorenzo Vallas Schrift gegen die Konstantinische Schenkung. De falso credita et ementita Constantini donatione. Zur Interpretation und Wirkungsgeschichte, Tübingen: Niemeyer 1975, S. 3*–50*. [Polydorus Vergilius: De rerum inventoribus libri octo, 1555] Polydori Vergilii Urbinatis de rerum inventoribusw libri octo. Eiusdem in dominicam precem commentariolum. Basileae, anno M. D. LV. [letzte Seite:] Basileae per Iacobum Parcum, expensis Michaelis Isingrinei, anno 1553 [sic], mense Augusto. [Ex. UB Köln: A 2 14] [Polydorus Vergilius: De rerum inventoribus libri octo (engl. Übers. B. Weiss & L. C. Pérez 1997)] Beginnings and Discoveries. Polydore Vergil’s De inventoribus rerum. An Unabridged Translation and Edition with Introduction, Notes and Glossary by Beno Weiss and Louis C. Pérez. Nieuwkoop: De Graaf Publishers 1997 (= Bibliotheca humanistica & reformatorica LVI). [P. Vettori: Commentarii in Aristotelis de arte dicendi, 1548] Petri Victorii commentarii in tres libros Aristotelis de arte dicendi. positis ante singulas declarationes graecis verbis auctoris. Florentiae in officina Bernardi Iunctae. M. D. XLVIII. [Ex. BSB: 2° A.gr.b.169] [P. Vettori: Variae lectiones, 1553] Petri Victorii variarum lectionum Libri XXV. Florentiae Excudebat Laurentius Torrentinus M D LIII. [Ex. HAB: 10.4 Gram 2°] [P. Vettori: Commentarii in Aristotelis de arte Poetarum, 1560] Petri Victorii Commentarii, in primum librum Aristotelis de Arte Poetarum. Positis ante singulas declarationes Graecis vocibus auctoris: Iisdemque ad verbum Latine expressis. Accessit rerum et verborum memorabilium index locupletissimus. Florentiae In officine Iuntarum, Bernardi Filiorum. M D L X. [Nachdruck München: Fink 1967]
1. Quellen
367
[P. Vettori: Variae lectiones, 1568] Petri Victorii variarum lectionum XIII novi libri, Florentiae excudebant filii Laurentii Torrentini et Carolus Pettinarius ipsorum socius 1568. [Ex. HAB: H: P309.4° Helmst.] [P. Vettori: Explicationes suarum castigationum in Varronis de re rustica, 1581] Petri Victorii explicationes suarum in Varronis libros De re rustica castigationum. [in:] Varro: Opera, ed. A. Agustín, notae J.J. Scaliger, A. Turnèbe, A. Agustín, P. Vettori ed. tert. 1581. [P. Vettori: Variae lectiones, 1582] Petri Victorii variarum lectionum Libri XXXVIII. Quorum Librorum veteribus editionibus addita sunt quaedam, pauca variata. Florentiae Apud Iunctas. CIե Iե LXXXII. [Ex. HAB: A: 67 Quod. 2° (2)] [P. Vettori: Epistolae, 1586 (ed. & it. trad. G. Pompella 1991)] Petri Victorii epistolarum libri X. Introduzione, testo, traduzione, commentario, indice a cura di G. Pompella, Neapel: Luigi Loffredo, 1991. [= kritische Teiledition und italienische Übersetzung der Briefe aus:] Petri Victorii epistolarum libri X. orationes XIIII. Et Liber de laudibus Ioannae Austriacae. Florentiae. Apud Iunctas. CIե Iե LXXXVI. [Viglius: Epistola de arte typographia, 1534 (ed. J. Gerritsen 1991)] Epistola LII. Dothiae Wyardae. Omnem artis typographiae rationem instrumentorum, operariorumque, accurate describit. [Brief von Viglius Zuichemus an Dooitzen Wiarda vom 1. Juli 1534, abgedruckt in:] Johan Gerritsen: Printing at Froben’s: An Eye-Witness Account. In: Studies in Bibliography 44, 1991, S. 160–163. [B. Vulcanius: Praefatio, 1594] Praefatio [fol. *2r–*3r in:] Apuleius: Opera omnia, ed. B. Vulcanius 1594. [J. Wower: Tractatio de polymathia, 1604] Ioan. a Wovver De polymathia tractatio. Integri Operis de studiis Veterum ¢pospasm£tion. [Hamburg] Ex Bibliopolio Frobeniano. CIե Iե CIV. [Ex. HAB: A: 125.38 Quod. (1), digitalisiert unter http://diglib.hab.de/drucke/12538-quod-1/start.htm]
368
Bibliographie
2. Literatur ab 1851 2.1 Editionen und Übersetzungen [Anonymus: Epistolae, ed. A. Markopoulos 2000] Anonymi professoris epistolae recensuit Athanasios Markopoulos, Walter de Gruyter Berolini et Novi Eboraci MM (= Corpus fontium historiae byzantinae volumen XXXVII Series Berolinensis). [Aristoteles: Nikomachische Ethik, dt. Übers. F. Dirlmeier 1969] Aristoteles: Nikomachische Ethik, Übersetzung und Nachwort von Franz Dirlmeier, Anmerkungen von Ernst A. Schmidt, Philipp Reclam Jun. Stuttgart 1969. [Charisius: Ars grammatica, ed. C. Barwick & F. Kühnert 1964] Flavii Sosipatri Charisii artis grammaticae libri V edidit Carolus Barwick. Editio stereotypa correctior editionis prioris addenda et corrigenda collegit et adiecit F. Kühnert. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri MCMLXIV. [Dio Chrysostomos: Opera 2, ed. J. v. Arnim 1896] Dionis Prusaensis quem vocant Chrysostomum quae exstant omnia edidit apparatu critico instruxit J. de Arnim. Vol. II. Berolini apud Weidmannos MDCCCLXXXXVI. [Dio Chrysostomos: Reden, dt. Übers. W. Elliger 1967] Dion Chrysostomos: Sämtliche Reden, eingeleitet, übersetzt und erläutert von Winfried Elliger, Artemis Verlag Zürich und Stuttgart 1967. [Dionysios Thrax: Tšcnh grammatik», ed. & frz. trad. J. Lallot 1998] La grammaire de Denys le Thrace, traduite et annotée par Jean Lallot, 2e édition revue et augmentée, Paris: CNRS 1998, S. 42–67. [Donat: Ars grammatica, ed. L. Holtz 1981] Ars Donati Grammatici urbis Romae. [in:] Louis Holtz: Donat et la tradition de l‘enseignement grammatical. Étude sur l’‚Ars Donati‘ et sa diffusion (IVe–IXe siècle) et édition critique, Paris: CNRS 1981, S. 571–674. [Epistola de Psalterio, ed. E. Perels & E. Dümmler 1925] Epist. § 33: Scottus quidam in territorio Mediolanensi commorans Graecae linguae gnarus de psalterio in linguam Latinam transferendo atque emendando disserit. [S. 201–205 in:] Epistolae variorum inde a saeculo nono medio usque ad mortem Karoli II (Calvi) Imperatoris collectae. [S. 127–206 in:] MGH, Epistolarum tomus VI, Epistolae Karolini aevi IV, ed. Ernest Perels & Ernest Dümmler, Berlin 1925. [Euripides: Fragmenta, ed. R. Kannicht 2004] Tragicorum Graecorum Fragmenta (TrGF) Vol. 5: Euripides, editor Richard Kannicht, pars posterior, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2004. [Eusebios: Historiae ecclesiaticae, graec. ed. E. Schwartz & lat. ed. T. Mommsen 1903] Eusebius Werke Zweiter Band. Die Kirchengeschichte herausgegeben im Auftrag der Kirchenväter-Commission von Eduard Schwartz. Die lateinische Übersetzung des Rufinus von Theodor Mommsen. Erster Teil: Die Bücher I bis V, Leipzig: J. C. Hinrich’sche Buchhandlung 1903.
2. Literatur ab 1851
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[Eusebios: Kirchengeschichte, dt. Übers. P. Haeuser & H. A. Gärtner 1967] Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte, herausgegeben und eingeleitet von Heinrich Kraft. Die Übersetzung von Philipp Haeuser (Kempten 1932) wurde neu durchgesehen von Hans Armin Gärtner, München: Kösel 1967. [Hieronymus: Epistulae, ed. & trad. fr. J. Labourt 2002] Sancti Hieronymi Epistulae LXXI–XCV. Saint Jérôme: Correspondance. Tome IV, lettres LXXI–XCV. Texte établi et traduit par Jérôme Labourt, 3. Auflage (Erstauflage 1954), Paris: Les Belles Lettres 2002. [Isidor von Sevilla: Etymologiae, ed. W. M. Lindsay 1911] Isidori Hispalensis Episcopi etymologiarum sive originum libri XX, recognovit brevique adnotatione critica instruxit W. M. Lindsay Oxonii e typographeo Clarendoniano 1911. [Kallimachos: Hymni et epigrammata, ed. R. Pfeiffer 1949] Callimachus edidit Rudolfus Pfeiffer volumen II hymni et epigrammata Oxonii e Typographeo Clarendoniano [1949]. [Origenes: De principiis, dt. Übers. H. Görgemanns & H. Karpp 1976]
ORIGENOUS PERI ARXWN TOMOI D‘ Origenis de principiis libri IV Ediderunt,
transtulerunt, adnotationibus criticis et exegeticis instruxerunt Herwig Görgemanns et Heinrich Karpp. Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien. Herausgegeben, übersetzt, mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1976. [Pompeius: Commentum artis Donati, ed. H. Keil 1868] Pompeii Commentum artis Donati. Artium scriptores minores ex recensione Henrici Keilii, Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri A. MDCCCLXVIII (= Grammatici Latini V, S. 81–312). [Quintilian: Institutio oratoria, ed. & dt. Übers. H. Rahn 1972] M. Fabii Quintiliani institutionis oratoriae libri XII. Ad usum antiquitatis amantium edidit, transtulit, adnotationibus criticis atque exegeticis instruxit Helmut Rahn. Pars prior Libros I–VI continens. Marcus Fabius Quintilianus: Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Rahn. Erster Teil Buch I– VI, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1972.
[Rufin: Praefatio in librum I Origenis PERI ARCWN, ed. P. Koetschau 1966] Praefatio in librum I [S. 245ff. in:] Tyrannii Rufini praefationes in libros PERI ARCWN ad fidem editionis Pauli Koetschau [S. 243–248 in:] Tyrannii Rufini opera recognovit Manlius Simonetti Turnholti, typographi Brepols editores pontificii MCMLXI (= Corpus Christianorum. Series Latina XX). [Sueton: De grammaticis illustribus, ed. & engl. transl. R. A. Kaster 1995] C. Suetonius Tranquillus: De Grammaticis et Rhetoribus. Edited with a translation, introduction, and commentary by Robert A. Kaster, Clarendon Press, Oxford 1995. [Synesios: Hymnes, ed. & trad. fr. C. Lacombrade 1978] Synésios de Cyrène. Tome I: Hymnes. Texte établi et traduit par Christian Lacombrade, Paris: Les Belles Lettres 1978.
370
Bibliographie
[Symmachus: Epistolae, ed. O. Seeck 1883] Q. Aurelii Symmachi V. C. consulis ordinarii Epistulae editae post eius obitum a Q. Fabio Memmio Symmacho V. C. Filio. Q. Aurelii Symmachi Quae supersunt editit Otto Seek, Berolini Apud Weidmannos MDCCCLXXXIII (= MGH 42: Scriptores, Auctores Antiquissimi, Tomus 6). [Symmachus: Epistolae, ed. & trad. fr. J. P. Callu 1972] Symmaque: Lettres, Tome I (Livre I–II). Texte établi, traduit et commenté par Jean Pierre Callu, Paris: Les Belles Lettres 1972. [Varro: De lingua Latina lib. V, ed. & trad. fr. J. Collart 1954] Varron de lingua Latina livre V. Texte établi, traduit et annoté par Jean Collart, Paris: Les Belles Lettres 1954.
2.2 Forschungsliteratur o. A.: Literaturverzeichnis. In: Maximilian-Gesellschaft (Hg.): Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert, zweiter Halbband, Hamburg: Maximilian-Gesellschaft 1999, S. 379–412. Ahsmann, Margreet J. A. M.: Collegium und Kolleg. Der juristische Unterricht an der Universität Leiden 1575–1630 unter besonderer Berücksichtigung der Disputationen, Frankfurt a.M.: Klostermann 2000. Arndt, Johannes: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Politischkonfessionelle Verflechtung und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 1998. Arns, R. P. Evaristo: La technique du livre d’après Saint Jérôme, Paris: E. de Boccard 1953. Ax, Wolfram: Sprache als Gegenstand der alexandrinischen und pergamenischen Philologie. In: Peter Schmitter (Hg.): Sprachtheorien der abendländischen Antike, Tübingen: Narr 1996 (2. Auflage), S. 275–301. Ax, Wolfram (Hg.): Von Eleganz und Barbarei. Lateinische Grammatik und Stilistik in Renaissance und Barock, Wiesbaden: Harrassowitz 2001. Barker, Nicolas: Aldus Manutius and the Development of Greek Script & Type in the Fifteenth Century, Sandy Hook, Connecticut: Chiswick Book Shop 1985. Bartels, Klaus: Der Begriff Techne bei Aristoteles. In: Hellmut Flashar/Konrad Gaiser (Hg.): Synusia. Festgabe für Wolfgang Schadewaldt zum 15. März 1965, Pfullingen: Neske 1965, S. 275–287. Bataillon, Louis J.: Exemplar, pecia, quaternus. In: Olga Weijers (Hg.): Vocabulaire du livre et de l’écriture au moyen âge. Actes de la table ronde, Paris 24–26 septembre 1987, Turnhout, Belgien: Brepols 1989, S. 206–219. Beeson, Charles Henry: Lupus of Ferrières as Scribe and Text Critic. A Study of His Autograph Copy of Cicero’s ‚De oratore‘. With a Facsimile of the Manuscript, Cambridge, Mass.: The Mediaeval Academy of America 1930. Bernardini, Antonio/Gaetano Righi: Il concetto di filologia e di cultura classica dal Rinascimento ad oggi, Bari: Giuseppe Laterza 1953 (2. vermehrte Auflage).
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Index Antike Accius 199 Ps.Acron 144 Aelian, De natura animalium 142 Aelian, Tactica theoria 26, 202 Aesop 47 Agathias 86 Aischylos 6, 24f., 45, 54, 57f., 113f., 199, 218, 248, 267, 293, 325 Alexander de Villa-Dei, Doctrinale 132 Alexis 209 Alkidamas 55, 201 Ammonios 130 Anacreontea 6, 34, 42f., 48, 84, 191, 199, 231 Anakreon von Teos 42 Andokides 55, 201 Antiphanes 209 Antiphon 201 Antisthenes 55, 201 Ps.Apollodor 199 Appian 83 Apuleius 73, 90, 92, 118, 180, 200, 290, 292, 295 Archestrator von Gela 209 Argonautika 199 Aristainetos 145f., 203, 216 Aristarch von Samothrake 120, 123f., 129f., 158 Aristides 55f., 58f., 61, 201, 215, 228, 242, 245, 268, 298f., 312 Aristophanes 199 Aristophanes von Byzanz124, 129, 131 Aristoteles 18ff., 25, 27f., 34, 40, 44f., 79, 83f., 87, 106ff., 124, 130, 173f., 185, 195, 201f., 207, 241, 267, 304 Ps.Aristoteles 56, 58, 84 Arnobius 50 Asconius 40, 120, 174, 185f., 202, 271, 306 Asinius Gallus 120
Asklepiades von Myrlea 125 Ateius Philologus 120, 158, 209 Athenagoras 203 Athenaios 54, 58, 87, 203, 209, 245 Augustinus 114, 203 Ausonius 56, 112 Bibel 51, 54, 162, 256, 260ff., 264, 269, 287, 318, 321f. Bion 86 Caecilius Epirota 120, 158, 209 Caesar 28, 120, 201 Cassiodor 30 Catull 6, 28, 41f., 47, 186, 199f., 210, 230, 273, 276, 296, 303 Celsus, Cornelius 114 Censorinus 203 Charisius 132, 257, 259, 264 Cicero 17, 24, 28, 40, 45, 47, 50, 58, 85, 91, 120f., 132, 134, 140, 144, 174, 184f., 197, 201f., 204, 207, 209f., 271, 287, 300, 304ff., 321 Clemens Alexandrinos 61, 203 Consentius 201, 272 Corpus iuris civilis 21, 23, 66–69, 83, 161, 243, 270, 273, 313, 322 Crassicius, Lucius 120, 158, 209 Deinarch 55, 201 Ps.Demades 201 Ps.Demetrios von Phaleron 22, 45f., 201, 241 Demosthenes 83, 201 Dio Cassius 83, 200, 241 Dio Chrysostomos 102, 120, 123f., 201, 210 Diodor 200 Diogenes Laertios 28, 87 Diomedes 73 Dionysios Thrax 124f. Dionysios von Halikarnassos 30, 38, 43, 83, 111, 189, 200, 241
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Index
Domitius Marsus 120, 199 Donat 130, 132, 226, 257ff., 261, 264, 271, 280 Ennius 87, 92, 111f., 127, 199 Epiphanios von Salamis 203 Eratosthenes von Kyrene 120, 158, 209 Eunap 203 Euripides 44, 57f., 80, 112, 199, 283 Eusebios 83, 86, 260 Eustathios von Thessalonike 202 Fasti consulares / Capitolini 30, 37f. Festus, Sextus Pompeius 45, 71, 201, 206, 208, 303 Galen 23, 134, 320, 322 Gellius, Aulus 120, 142, 202 Gorgias 55, 201 Gregor von Nazianz 203 Heliodor 61, 199, 242 Hellanikos von Lesbos 59, 61 Hermogenes von Tarsos 201, 231, 241 Herodes Atticus 55, 201 Herodian 28 Herodot 200 Hesiod 198, 280 Hieronymus 134, 260f. Hippocraticum corpus 50, 84, 110, 134, 322 Homer 99, 102, 112, 123, 198, 202, 303 Horaz 27f., 121f., 134, 145, 199, 202f., 210, 230, 241 Irenaeus 260 Isaak Tzetzes 202 Isaios 201 Isidor von Sevilla 86, 259, 264, 266 Julius Severianus 61, 203 Justin 88, 201 Iustinos Martys 73, 200 Juvenal 114, 138, 200, 243 Kallimachos von Kyrene 27f., 86, 129 Kleanthes von Assos 131 Krates von Mallos 120, 123f., 129, 158 Laktanz 120, 203 Ps.Lampridius 200 Lasos von Hermione 209 Lesbonax 55, 201 Livius 19, 30, 34, 36–39, 46f., 144, 161, 172f., 185, 200, 204, 210, 230, 272, 301ff. Ps.Longin 26, 40ff., 51, 202, 312 Lucilius 209 Lukrez 28, 103, 202
Lykophron 54, 56, 58, 199, 202, 314 Lykurg 201 Lysias 55, 201 Macrobius 203 Manilius 296 Mark Aurel 202 Martianus Capella 86, 203 Menander 43, 111, 199 Mimnermos 198 Minucius Felix 50 Moschos 86 Musaios 199 Nepos, Cornelius 72, 151, 200 Nigidius Figulus 120 Nonius Marcellus 201, 209, 215, 279, 303 Oppian 77, 138, 236, 246, 282f. Origenes 260 Ovid 24, 91, 199 Persius 24, 87 Petron 72, 151, 200 Phaedrus 200 Philon 83 Philoponos, Johannes 130 Philostrat 28 Pindar 199 Platon 202, 321 Plautus 73ff., 79, 81f., 88, 91f., 110, 129, 137, 146f., 151, 182, 192, 199, 204, 225f., 243, 254, 283, 299 Plinius d.Ä. 36, 104, 110, 177, 202, 208, 210, 214, 230, 232, 276, 281, 292, 299f., 302, 323 Plutarch 202, 210, 230 Pollux 202 Polybios 61, 87, 200 Pompeius 259, 264 Priapea carmina 75f. Priscian 132 Properz 28, 58, 72, 151, 199, 273, 276 Quintilian 120–123, 126, 133, 144f., 197, 201, 210, 236, 256f., 259, 264ff. Ps.Quintilian 263 Rufin von Aquileia 260f., 264 Sallust 91f., 151, 186, 200, 283 Sammonicus 283 Sappho 41ff., 111, 150, 176, 199, 209 Scriptores historiae Augustae 200 Seneca 85 Servius 130, 202, 209f., 225ff., 229, 243, 323 Sextus Empiricus 125, 134
Index Simplikios 130 Sophokles 54, 58, 80, 199, 248 Stephanos von Byzanz 202 Stobaios, Johannes 57 Strabon 87 Sueton 28, 90, 92, 120–123, 125f., 135, 145, 158, 202, 209f., 228 Symmachus 72, 79, 81f., 151, 203f., 225, 237f., 240f., 243, 246, 254, 299 Synesios 57, 61, 203, 228, 242, 314 Tacitus 200, 204 Terenz 8, 34, 39, 46f., 144, 150, 157, 175f., 199, 241 Tertullian 75, 147, 203, 238 Theokrit 87, 199
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Theophilos Antecessor 161 Theophrast 84, 87 Thukydides 55, 61, 200 Tibull 28, 199, 273, 276 Turpilius 199 Valerius Maximus 321 Valerius Probus 121, 158, 202, 209, 225ff. Varro 73, 91, 120, 122, 124, 129, 131, 146, 170, 188, 201f., 206, 209, 228ff. Velleius Paterculus 200, 246 Vergil 8, 24, 28, 50, 99f., 113, 130, 197, 199, 202, 205, 209, 225ff., 234, 241, 303, 321 Xenophon 45, 83, 202 Zenodotos von Ephesos 130 Zwölftafelgesetz 70, 202, 207, 322
Mittelalter und frühe Neuzeit Accursius (c.1185–1263) 66 Agustín, Antonio (1517–1586) 49, 138, 146, 206, 228, 273 Alciato, Andrea (1492–1550) 21, 24, 68, 160 Alsted, Johann Heinrich (1588–1638) 9, 116 Amaseo, Girolamo (1467–1517) 17 Amaseo, Gregorio (1464–1541) 16f. Amaseo, Romolo (1489–1552) 17, 21, 34, 320 Amerbach, Basilius (1533–1591) 20f., 23, 68, 135, 161 Amerbach, Bonifacius (1495–1562) 20 Amerbach, Johannes (c.1440–1513) 20 Arconatus, Hieronymus (1553–1599) 79 Arlenius, Arnold (c.1510–n.1574) 55f., 242, 244f., 298f. Avanti, Girolamo (Ende 14., Anfang 15. Jhd.) 216 Baldus (1327–1400) 66 Barbaro, Ermolao (1454–1493) 110, 276 Bartolus (1314–1357) 66 Barzizza, Gasperino (c.1360–1431) 275 Baudouin, François (1520–1572/4) 21 Belloni, Andrea (1480–1554) 18 Belloni, Camilla (16. Jhd.) 18 Bembo, Pietro (1470–1547) 8, 160, 174, 176, 205, 234, 241, 321 Bendinello, Antonio (1515–1575) 34, 49, 183
Berg, Matthias (16. Jhd.) 188 Beroaldo, Filippo (1453–1505) 81, 188, 275, 295 Bessarion (c.1403–1472) 238 Boccaccio, Giovanni (1313–1375) 263f. Bock, Heinrich (1573–1607) 73, 79, 238 Bodmer, Johann Jakob (1698–1783) 285 Bonamico, Lazzaro (1477/8–1552) 19, 321 Bongars, Jacques (1554–1612) 6, 73, 243 Breitinger, Johann Jakob (1701–1776) 285 Brodeau, Jean (c.1550–1563) 139, 143, 145 Bruni, Leonardo (1369–1444) 157 Buchanan, Georges (1506–1582) 85 Budé, Guillaume (1468–1540) 24, 42, 54, 82f., 91ff., 168 Busdraghi aus Lucca, Giovanni Battista (16. Jhd.) 28 Bussi, Giovanni Andrea (1417–1475) 288f., 292 Camerarius, Joachim (1500–1574) 50, 73, 75, 81, 84, 146, 181, 188, 190, 226, 242ff., 270 Caminadus, Augustinus Vincentius (bis 1511) 99f. Canter, Dirk (1545–1616) 53, 84, 90, 188 Carrion, Louis (1547–1595) 139, 188, 218 Casaubon, Isaac (1559–1614) 6, 7, 14, 73, 82, 87, 90, 92, 113, 138f., 159, 172, 290, 295 Castelvetro aus Mantua, Ludovico (c.1505– 1571) 26
400
Index
Chacon, Pedro (lat. Petrus Ciacconius, 1525– 1581) 188 Chalkondyles, Demetrios (1423–1511) 19, 25 Ciofano, Ercole (lat. Hercules Ciofanus, 2.H. 16. Jhd.) 188 Colvius, Petrus (1567–1594) 290, 292f. Cordus, Euricius (1486–1535) 110, 137 Corradi, Sebastiano (1510–1556) 24, 321 Crusius, Martin (1526–1607) 41, 274 Culmann, Leonhard (1497/8–1562) 270 Cujas, Jacques (1522–1590) 68ff., 85, 87 Daniel, Pierre (c.1530–1603) 6, 226f., 243 Dannhauer, Johann Conrad (1603–1666) 115, 305 Dante (1265–1321) 205 Decembio, Angelo (c.1415–c.1466) 163, 270, 275, 280 Della Fonte, Bartolomeo (1446–1513) 272 Demetrios Triklinios (c.1280–1340) 25 Donato, Giovanni (16. Jhd.) 30 Doneau, Hugues (lat.: Hugo Donellus, 1527– 1591) 67–70 Dorat, Jean (1504/8–1588) 53, 84 Dousa d.Ä., Janus (1545–1604) 6, 53, 68, 85f., 88, 91, 138f., 143 Dousa d.J., Janus (1571–1596) 79 Dupuy, Claude (16. Jhd.) 110 Edelman, Anton (16. Jhd.) 21 Egnazio, Giovanni Battista (1478–1553) 18f., 40, 321 Episcopius, Eusebius (1540–1599) 86 Erasmus von Rotterdam (1467/9–1536) 24, 28f., 51, 81, 84, 99f., 103, 110f., 113, 145, 149, 155, 161ff., 177, 181, 188 Erythraeius, Nicolaus (1.H. 16. Jhd.) 303 Estienne, Henri (1531–1598) 34, 42f., 48f., 83, 86, 112, 138, 161, 173, 191, 231 Estienne, Robert (1503–1559) 25, 40, 42, 274 Estienne, Charles (c.1504–1564) 42 Fabricius, Georg (1516–1671) 75, 226f., 243 Facio, Bartolomeo (1405/10–1457) 275 Faerno, Gabriele (1510–1561) 39, 46–49, 51, 146, 162, 241 Falckenburg, Geraard (1538–1578) 242, 244 Fasolo, Giovanni (1518–1571) 19, 22 Ferrario, Girolamo (1501–1542) 50, 138, 190 Freher, Marquard (1565–1614) 68, 71, 79, 138, 181, 188
Froben, Johannes (c.1460–1527) 37f., 51, 86, 160ff., 193, 205, 231, 246 Fruterius, Lucas (c.1541–1566) 53, 82, 84f., 88, 92, 127, 139, 144, 293f., 300, 304 Gaza, Theodoros (c.1400–1475/6) 26 Gelenius, Sigismundus (eigentlich: Zikmund Hrubý z Jelení, 1497–1554) 38, 138, 161 Gentilis, Scipio (1563–1616) 21, 68ff., 80, 181, 313 Giphanius, Hubertus (1533/4–1604) 53, 65, 68ff., 72, 84f., 136, 151, 162, 237f., 240, 243, 313 Glacianus aus Vilseck, Georg (c.1549–1607) 73, 138 Glarean, Heinrich (1488–1563) 38, 50f., 161, 190, 205 Goldast, Melchior (1576–1635) 76 Grebber, Adriaen Claesz (1576–1661) 63 Gruter, Janus (1560–1627) 32, 68, 72, 85, 139, 228 Grynäus, Simon (1493–1541) 37 Guarino von Verona (1374–1460) 7, 197 Gulielmus, Janus (1555–1584) 82, 84f., 88, 92, 102, 112, 119, 127, 139, 159, 171f., 181, 186, 218, 244 Haniel, Ignatius (bis 1608) 72, 192, 237 Hahn, Georg (Ende 16. Jhd.) 239 Havvelius, Martin (16. Jhd.) 85 Hemmerlin, Paul (lat. Paulus Malleolus, Ende 15. / Anfang 16. Jhd.) 99f. Herwagen, Johannes (1497–c.1558) 27, 38 Heumann, Christoph August (1681–1764) 32, 76, 82, 115 Hornschuch, Hieronymus (1573–1616) 114, 161, 178, 291 Hrubý z Jelení, eho (1460–1514) 161 Hübner, Matthias (1572–1614) 188, 192, 238 Hugo von St.-Victor (bis 1141) 274 Irnerius (c.1055–1130) 66 Junius, Adrian (1511–1575) 139f., 146, 148, 216, 231 Junius, Franciscus (1545–1602) 75, 147 Juret, François (1553–1626) 238, 240, 246f. Kromer, Marcin (1512–1589) 21 Küchel, Matthias (lat. Kuchelius, 16./17. Jhd.) 73 Lambin, Denis (1520–1572) 48, 53f., 84f., 103, 304
Index Langius, Carolus (bis 1573) 138, 147, 192, 243f. Laskaris, Ianos (1445–1534) 54, 83, 112 Leto, Pomponio (1428–1497) 8 Lipsius, Justus (1547–1606) 63f., 68f., 71f., 82, 85ff., 89–93, 102, 104, 113f., 127, 159, 166, 168, 170ff., 178, 182, 192, 218, 229, 294, 297, 305 Lectius, Jacob (1556–n.1603) 181, 238, 240 Lombardi, Bartolomeo (bis c.1540) 27, 138 Lupus de Ferrière, Servatus (c.805–862) 287 Maffei, Bernardino (1514–1553) 207 Maggi, Vincenzo (c.1498–c.1540/1563) 19, 27, 34, 49, 173f., 176 Maniacoria, Nicolaus (auch: Maniacutia, bis c.1145) 261f., 264, 287 Manuzio, Aldo (1449–1515) 19, 40, 155, 205, 273, 299 Manuzio d.J., Aldo (1547–1597) 270 Manuzio, Paolo (1512–1574) 19, 23, 26, 29f., 34f., 39–44, 46–49, 51, 54, 84, 138, 140, 148, 150, 157, 162, 167, 173f., 176, 206ff., 302, 306 Marliani, Bartolomeo (1488–1566) 37 Mas owski, Franciszek (lat. Franciscus Maslovius, 1530–1590) 22, 46, 49, 241 Mathisius, Heinrich (bis 1565) 50 Melanchthon, Philipp (1497–1560) 24, 84 Mercier, Josia (c.1560–1626) 73, 138, 145, 181, 216 Merula, Giorgio (bis 1494) 110 Merula, Paul (1558–1607)79, 82, 87, 92, 111, 159, 181, 187f., 325 Mesme, Henri de (1532–1596) 119 Modius, Franciscus (1556–1597) 6, 73, 75, 139, 218, 238f., 243 Moschopulos, Manuel (c.1265–c.1313) 85 Muret, Marc-Antoine (1526–1585) 19, 23, 26, 34f., 41ff., 47ff., 51, 53, 58, 82, 84f., 88f., 92, 102, 104f., 112f., 115, 138f., 148ff., 157, 162, 164f., 173, 176, 182, 188, 192, 218, 245, 247, 263f. Musuros, Markos (c.1470–1517) 112 Nannius, Petrus (1496/1500–1557) 29, 139, 144f., 148f. Oporin, Johannes (1507–1568) 41, 54ff., 58, 242, 244ff., 312 Pacius, Julius (1550–1635) 67f. Palmerius, Janus Mellerus (bis 1580) 139, 181
401
Pamelius, Jacob (1536–1587) 75 Patrizi, Francesco (1529–1597) 20 Patrycy, Andrzej Nidecki / Andreas Patricius (1522–1587) 21, 135 Perotti, Niccolò (1429/30–1480) 3, 105, 132, 177f., 193, 289 Petrarca, Francesco (1304–1374) 7, 11, 37, 205 Pflug, Christoph (1573–1638) 79ff., 187f., 192 Pinelli, Gian Vincenzo (1535–1601) 54, 57, 242, 244 Pithou, Pierre (1539–1596) 139, 246 Plantin, Christoph (1520–1589) 53f., 56, 61, 86, 88, 162, 187, 243 Planudes, Maximos (c.1255–c.1305) 25 Poggio Bracciolini (1380–1459) 7, 197 Poliziano, Angelo (1454–1494) 7, 11, 17, 23f., 44f., 47, 50, 81, 83, 130–134, 136, 139, 141–144, 148, 156, 183, 190, 215f., 241, 248f., 273, 276, 280, 294, 304, 309, 313, 315 Porzio, Simone (1496–1554) 49 Queck, Georg (1561–1628) 73 Ramus, Petrus (1515–1572) 24, 254, 289 Rhenanus, Beatus (1485–1547) 7, 38, 50, 138, 161, 190, 205, 276, 279 Riccoboni, Antonio aus Rovigo (1541–1599) 22 Rittershausen, Konrad (1560–1613) 63ff., 68–72, 77, 79f., 123, 136, 138, 188, 191, 195, 228, 236f., 242ff., 246f., 282–285, 304, 309, 313f. Rivius, Johannes (1500–1553) 82ff., 91f., 138, 226, 297, 300 Robortello, Andrea (bis c.1549) 16 Rochius, Melior (16./17. Jhd.) 79 Ronsard, Pierre de (1524–1585) 48, 54, 84 Rysi ski, Salomon (bis 1625) 79, 181 Rusotas, Immanuel (2.H. 15. Jhd.) 273 Salutati, Coluccio (1331–1406) 7, 11, 111, 163, 262, 264, 270, 280 Sambucus, Johannes (1531–1584) 143, 146, 242ff., Savelli, Mariano (bis 1599) 25f., 267 Scaliger, Joseph Justus (1540–1609) 7, 53f., 56ff., 65, 69, 71f., 83, 90, 110, 112, 122, 127ff., 134f., 138, 143f., 146, 159, 181, 189, 206, 245, 273, 276, 296, 303f., 313 Scaliger, Julius Caesar (1484–1558) 82ff., 89, 92, 124, 126f., 205
402 Schegk, Jacob (1511–1587) 73, 138f., 243 Schmeitzel, Martin (1679–1747) 9, 15 Schoppe d.Ä., Kaspar (1542–1607) 65 Scoppa, Lucio Giovanni (16. Jhd.) 24 Seripando, Girolamo (1493–1563) 35 Sigonio, Carlo (1522/3–1584) 6, 18f., 22f., 29f., 34–40, 43f., 46–49, 51, 53f., 84, 94, 138f., 148f., 172f., 176, 185, 301f., 320 Sophianos, Michael (c.1530–1565) 26, 57, 242, 244 Stewechius, Godescalus (1551–1586) 118, 138, 188 Sylburg, Friedrich (1536–1596) 79, 246 Tanner, Georg (c.1520–c.1580) 21 Teissier, Antoine (1632–1715) 16, 52 Thomas Magistros (bis n.1346) 25 Traversari, Ambrogio (1386–1439) 7, 248 Trestoudantius, Gulielmus (16. Jhd.) 246 Turnèbe, Adrien (1512–1565) 6, 25, 48, 54, 57, 113f., 138f., 141, 144ff., 148, 206 Ugoletus, Thaddaeus (bis 1514) 263f. Urceo, Cordo (2.H. 15. Jhd.) 105, 137, 140
Index Valeriano, Giovanni Piero (1477–1558) 45, 50, 190, 205, 313 Valerius van Auwater, Cornelius (1512–1578) 52f., 56, 69 Valla, Lorenzo (1407–1457) 3, 37, 132, 213, 232, 272, 275 Vergilius, Polydorus (1470–1555) 232 Vertunien, François (16. Jhd.) 128, 134 Vettori, Piero (1499–1584) 6, 17, 23f., 43–49, 138f., 143–146, 148, 184, 190, 206, 218, 231, 241, 273, 296, 300, 313 Vulcanius, Bonaventura (1538–1614) 82, 86, 90, 92, 111, 161, 168–172, 180f., 187f., 211, 215, 292f., 295 Welser, Marcus (1558–1614) 73, 181, 188 Wolf., Hieronymus (1516–1579) 57, 242 Wower, Johannes (1574–1612) 116, 129 Zabarella, Jacobo (1533–1589) 20 Zwichem, Wigle van Aytta van (lat. Viglius Zuichemus, 1507–1577) 160f., 193, 290 Zwinger, Theodor (1533/6–1588) 254