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German Pages 174 [184] Year 2010
Rahel Schomaker
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas: Institutionelle Bestimmungsfaktoren und Potentiale
Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft
Herausgegeben von Prof. Dr. Gernot Gutmann, Köln Dr. Hannelore Hamel, Marburg Prof. Dr. Helmut Leipold, Marburg Prof. Dr. Alfred Schüller, Marburg Prof. Dr. H. Jörg Thieme, Düsseldorf Prof. Dr. Stefan Voigt, Hamburg
Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr.
Dieter Cassel, Duisburg Karl-Hans Hartwig, Münster Hans-Günter Krüsselberg, Marburg Ulrich Wagner, Pforzheim
Redaktion:
Dr. Hannelore Hamel
Band 92:
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas: Institutionelle Bestimmungsfaktoren und Potentiale
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Lucius & Lucius · Stuttgart · 2010
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas Institutionelle Bestimmungsfaktoren und Potentiale Von
Rahel Schomaker
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Lucius & Lucius · Stuttgart -2010
Anschrift der Autorin: Dr. Rahel Schomaker Stückenstrasse 58a 33604 Bielefeld e-mail: [email protected]
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. (Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft; Bd. 92) ISBN 978-3-8282-0518-5
© Lucius & Lucius Verlags-GmbH • Stuttgart -2010 Gerokstraße 51 • D-70184 Stuttgart Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Isabelle Devaux, Stuttgart Druck und Einband: ROSCH-BUCH Druckerei GmbH, 96110 Scheßlitz Printed in Germany
ISBN 978-3-8282-0518-5 ISSN 1432-9220
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter dem Titel public Private Partnerships in der Siedlungswasserwirtschaft - Bestimmungsfaktoren und Potentiale für den Nahen Osten und Nordafrika" als Dissertation angenommen. Entstanden ist sie während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der WWU Münster sowie an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, ihre Erstellung wäre ohne die Unterstützung vieler Kollegen und Freunde nicht möglich gewesen. Ich danke in diesem Sinne meinen Gutachtern, Prof. Dr. Thomas Apolte und Prof. Dr. Rüdiger Robert, für ihre stete, weit über das normale Maß hinausgehende Motivation und Unterstützung in den vergangenen Jahren, aber auch für ihre Kritik, die mich fachlich und persönlich immer ein Stück voran gebracht hat. Besonderer Dank gilt auch den Kollegen der Hochschulen in Münster, Speyer, Pforzheim und Villach, die mich durch ihre Anmerkungen und ihre eigenen, teilweise recht unorthodoxen Sichtweisen auf das Thema so vielfältig bereichert haben. Meinen Familien - der angeborenen, der angeliebten, der erheirateten und der ererbten - , denen ich so viel mehr verdanke als die Unterstützung während meiner Arbeit, sei diese Dissertation gewidmet.
Inhalt 1.Einleitung 1.1. Problemabgrenzung und Forschungsstand 1.2. Forschungsleitendes Interesse und Gang der Untersuchung 1.3. Methodische Vorüberlegungen 2. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung - Abgrenzung, Bestimmungsfaktoren und Guteigenschaften 2.1. Definitionen und Abgrenzungen 2.2. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung - Begriffsabgrenzung und technische Standards 2.3. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als Infrastrukturgut 2.4. Pfadabhängigkeiten von Wasserinfrastruktur 2.5. Die Ökonomie des Wassers aus wohlfahrtstheoretischer Sicht 2.5.1. Guteigenschaften aus Sicht der Kollektivguttheorie 2.5.1.1. Wasserinfrastruktur - Rivalität im Konsum 2.5.1.2. Wasserinfrastruktur - Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer 2.5.2. Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft 2.5.2.1. Leitungsgebundene Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als natürliches Monopol 2.5.2.2. Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft als Begründung für staatliche Eingriffe 2.5.2.3. Staatliche Eingriffe zur Heilung von Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft 2.6. Ethisch und politisch motivierte Vorbehalte gegen den Einbezug des privatwirtschaftlichen Sektors in die Siedlungswasserwirtschaft 2.7. Wasser in der (internationalen) Entwicklungszusammenarbeit 2.7.1. Wasser auf der aktuellen Agenda - Aktionspläne und Abkommen 2.7.2. Wasser auf der aktuellen Agenda - Akteure und Organisationen 2.8. Wasserinfrastruktur zwischen Markt, Staat und Entwicklungszielen Zwischenfazit 3. Privatsektorbeteiligung als Konzept zwischen Markt, Staat und Entwicklungszielen 3.1. Warum Privatsektorbeteiligung? Public Private Partnerships anstelle von New Public Management 3.2. Das Konzept Public Private Partnership - Definitionen und Abgrenzung 3.3. Public Private Partnership-Modelle im Überblick 3.3.1. Service- und Managementverträge
1 3 4 6
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42 42 43 46 48
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3.3.2. Leasing und Gebührenmodelle/Konzessionen
49
3.3.3. Build-Operate-Transfer (BOT), Build-Own-Operate-Transfer (BOOT) und Build-Own-Operate (BOO)
49
3.3.4. Weitere Modelle
49
3.4. Der Implementierungsprozess von Public Private Partnerships
50
3.5. Das Konzept in der (internationalen) Entwicklungszusammenarbeit
52
3.5.1. Zur Notwendigkeit neuer Konzepte
52
3.5.2. Theoretische Fundierung
54
3.5.3. Praktische Einbindung in die Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit
56
3.5.4. Konkrete Förderung von Public Private Partnerships im Entwicklungskontext
58
3.6. Potentiale von Public Private Partnerships
59
3.6.1. Volkswirtschaftliche Motive
61
3.6.2. Politische Motive
64
3.6.3. Motive aus betrieblicher Sicht
64
3.6.4. Motive der Entwicklungsagenturen
66
3.7. Zwischenfazit - Potentiale durch den Einsatz von Public Private Partnerships
67
4. Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Public Private Partnerships
68
4.1. Politische Bereitschaft
68
4.2. Handlungskongruenzen der beteiligten Partner
69
4.3. Institutionen als Bestimmungsfaktoren für Public Private Partner- ships
71
4.3.1. Zur Begriffsbestimmung und Bedeutung von Institutionen
71
4.3.2. Unvollständige Verträge, Informationsasymmetrien und Transaktionskosten
74
4.3.3. Institutionen und Transaktionskosten im Umfeld von Public Private Partnerships als theoretisch ableitbare Bestimmungsfaktoren
77
4.3.4. Empirische Evidenzen der Bedeutung von Institutionen
81
4.4. Zwischenfazit - Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Public Private Partnerships 5. Der Nahe Osten und Nordafrika - Determinanten und Charakteristika
87 88
5.1. Geographische und klimatische Determinanten der ΜΕΝΑ-Region
89
5.2. Der Islam als kulturelle Determinante der ΜΕΝΑ-Region
98
5.2.1. Die Haltung des Islams zu wirtschaftlichem Handeln
100
5.2.2. Wasser aus islamischer Sicht
101
5.3. Politik und Ökonomie der ΜΕΝΑ-Region
106
5.3.1. Die ΜΕΝΑ-Region als weltweit älteste Kulturregion
106
5.3.2. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung der MENA-Region seit dem 19. Jahrhundert
107
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
IX
5.3.3. Politisches System und institutionelle Rahmenbedingungen in der ΜΕΝΑ-Region
109
5.3.4. Aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen
116
5.3.5. Gesellschaftliche Herausforderungen in der ΜΕΝΑ-Region 5.4. Wasserinfrastruktur in der ΜΕΝΑ-Region
119 121
5.4.1. Die Siedlungswasserwirtschaft im Nahen Osten und Nordafrika im Überblick
122
5.4.2. Wasserver- und Abwasserentsorgung - Status quo
122
5.4.3. Wassertarife in der ΜΕΝΑ-Region
123
5.4.4. Aktuelle Problemfelder der SiedlungsWasserwirtschaft
126
5.5. Zwischenfazit - Zur Notwendigkeit einer verbesserten Wasserversorgung für den Nahen Osten und Nordafrika 6. Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Public Private Partnerships in der Siedlungs Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
128
129
6.1. Mögliche Potentiale von Public Private Partnerships in der Siedlungswasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
129
6.2. Die Public Private Partnership von Amman als best practice
132
6.3. Status quo und aktuelle Entwicklungen von Public Private Partnerships in der Siedlungswasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
136
6.3.1. Methodische Vorbemerkungen
136
6.3.2. Public Private Partnerships im Nahen Osten und Nordafrika Allgemeiner Überblick
137
6.3.3. Public Private Partnerships auf dem Wassersektor in der MENARegion
139
6.4. Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Public Private Partnerships in der Siedlungswasserwirtschaft im Nahen Osten und Nordafrika
143
6.4.1. Politische Bereitschaft und Handlungskongruenzen - sind die Grund-Voraussetzungen in der ΜΕΝΑ-Region erfüllt?
143
6.4.2. Mangelnde Institutionenqualität als Bestimmungsfaktor 6.4.3. Sozio-kulturelle Bestimmungsfaktoren 6.5. Zwischenfazit - Zu Status quo und Entwicklungspotentialen von Public Private Partnerships in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas
148 151 153
7. Ansätze für eine stärkere Nutzung von Public Private Partner-ships in der Siedlungswasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
155
8. Fazit und Ausblick
157
Literatur
159
Anhang
171
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
1.
1
Einleitung „The public sector in Middle East and North Africa has done a poor job managing infrastructure. Up to 60 million people do not have access to safe water and 80 million people lack access to adequate sanitation" (O'Sullivan 1999, S. 150).
In vielen industrialisierten Nationen weltweit sieht sich der Staat, insbesondere seine kommunale Ebene, mit der Herausforderung konfrontiert, trotz sinkender Budgets Güter und Dienstleistungen von allgemein wirtschaftlichem Interesse für seine Bürger vorzuhalten. Diese .traditionelle' Sichtweise von staatlicher Verantwortung ist jedoch in zweifacher Hinsicht fragwürdig: zum einen, da aus theoretischer Sicht heraus angezweifelt werden kann, ob es wirklich der Staat selber ist, der in der Verantwortung steht, diese Dienstleistungen herzustellen; zum anderen, da die Realität demonstriert, dass dies vielfach aus budgetären Gründen nicht länger realisierbar erscheint. In diesem Zusammenhang wird seit einigen Jahren verstärkt das Konzept einer Einbindung privatwirtschaftlicher Unternehmen mittels sog. Public Private Partnerships 1 diskutiert. 2 Diese Kooperationen zwischen öffentlichen Betrieben und privaten Unternehmen können in sehr verschiedenen Formen erfolgen. Gemeinsam ist ihnen, dass der private Partner ehemals in staatlicher Hand liegende Aufgaben übernimmt und dabei seine spezifischen Fähigkeiten einbringt. Obwohl in den Industriestaaten nicht unumstritten, hat das Konzept mit zeitlicher Verzögerung zwischenzeitlich auch in weniger entwickelten Staaten der Erde Einzug gehalten und wurde in die bi- und internationale Entwicklungszusammenarbeit eingebunden. 3 Insbesondere im Bereich netzgebundener Infrastruktur, deren Aufbau und Betrieb mit erheblichen Kosten verbunden ist, ist der Einbezug Privater als Chance erkannt worden, um wichtige Entwicklungsziele zu erreichen. Für eine anderweitige Realisierung fehlen sowohl den Entwicklungsländern als auch den Entwicklungsagenturen finanzielle Mittel und Expertise. Für die potentiellen privaten Partner eröffnen diese Partnerschaften dabei Zugang zu Märkten und Gewinnmöglichkeiten. Im weltweiten Vergleich ist diese Art der Entwicklungspartnerschaft allerdings nicht gleichermaßen verbreitet, es existieren erhebliche regionale Unterschiede: Während in Süd- und Mittelamerika sowie Asien in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche PPPs realisiert wurden, sind der Nahe Osten und Nordafrika 4 bislang in nur sehr geringem
Im Folgenden abgekürzt: PPP. Synonym verwandt wird im deutschen Sprachraum auch der Begriff .Öffentlich-Private Partnerschaften'. Zur Diskussion um Public Private Partnerships u. a. Budäus und Grüb 2007; Hartwig 2005; Knorr 2005; Mühlenkamp 2004. Zur Diskussion um die grundsätzliche Einbeziehung privatwirtschaftlicher Unternehmen Arbeitsgemeinschaft Swissaid et al. 2004, S. 1. Die Definition der in der vorliegenden Arbeit betrachteten Region durch internationale Organisationen erfolgt sehr inhomogen: Die Weltbank fasst die Region unter der Bezeichnung ΜΕΝΑ (Middle East and North Afrika) zusammen. Diese Definition umfasst Ägypten, Algerien, Bahrain, Djibuti, den Irak, den Iran, Israel, den Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, den Libanon, Libyen, Malta, Marokko, den Oman, die palästinensischen Autonomiegebiete (Gaza-Streifen und Westbank), Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate (Weltbank 2007a). Andere Akteure der multilateralen
2
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Maße Ziel privatwirtschaftlichen Engagements geworden. Dies gilt auch für den Bereich Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, der für die Staaten der Region von besonderer Relevanz ist: Angesichts der herrschenden natürlichen Wasserknappheit in den Staaten der Region und der Tatsache, dass die bestehende Wasserversorgung den Anforderungen einer steigenden und in zunehmendem Maße urbanisierten Bevölkerung nicht mehr gewachsen ist, sind dringend Modernisierungsmaßnahmen erforderlich. Dem öffentlichen Sektor fehlen hierfür jedoch vielfach die finanziellen Kapazitäten und Know-how. Obgleich die Frage nach einer ausreichenden und effizienten Wasserversorgung sowohl in der Region selbst als auch in der internationalen Politik und Wissenschaftsgemeinde durchaus diskutiert wird, erfolgt dieses doch in erster Linie unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten: Der allgemeine Mangel an verfügbarem Trinkwasser in der Region wurde und wird oftmals als Auslöser politischer Instabilitäten im Inneren oder zwischenstaatlicher Konflikte angesehen (so ζ. B. bei Bulloch und Darwish 1993 und Kliot 1994 diskutiert). Dies gilt umso mehr, da eine Vielzahl der natürlichen Wasserressourcen der Region, sowohl unterirdische Vorkommen als auch Flusssysteme, grenzüberschreitend verlaufen und ihre Nutzung daher zwischenstaatliche Kooperation erfordert. Wenig Beachtung fand hingegen bis vor einigen Jahren die wohlfahrtsorientierte Komponente der Wasserproblematik für die Volkswirtschaften der Region (Ahmad 2001, S. 19). Erst in der letzten Dekade ist dieser Problembereich verstärkt in den Fokus sowohl des wissenschaftlichen als auch des politischen Diskurses gerückt. In diesem Zusammenhang wird das Konzept des Integrated Water Resource Management (IWRM) regelmäßig als Lösungsansatz diskutiert. Dieses Konzept, spätestens seit dem Jahr 2003 international als wasserpolitischer Konsens anerkannt, stellt die Grundlage für die wasserbezogene Entwicklungszusammenarbeit dar (Robert 2008, S. 29). IWRM wird dabei definiert als Prozess, „der die koordinierte Entwicklung und Bewirtschaftung von Wasser, Boden und zugehörigen Ressourcen fördert, mit dem Ziel, menschliche Wohlfahrt unter der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Gesichtspunkte zu steigern" (Hübschen 2008, S. 52.).
Entwicklungszusammenarbeit, darunter die Unterorganisationen der Vereinten Nationen, rechnen dagegen die nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko, Libyen und Tunesien Afrika zu; ebenso Djibuti. Ägypten, der Jemen, Jordanien, Katar, der Libanon, der Oman, die palästinensischen Gebiete, Saudi-Arabien, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate werden von den Vereinten Nationen zusammen mit dem Irak als , Western Asia' zusammen gefasst, Israel ist als industrialisierter Staat in dieser politischen Definition kein Teil der Region, ebenso wenig der Iran (www.escwa.un.org). Des Weiteren existieren abweichende Definitionen, welche von einem erweiterten Regionalbegriff ausgehen und zusätzlich zu den von der Weltbank und den Vereinten Nationen erfassten Staaten auch Afghanistan zum Broader Middle East zählen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Begriff ΜΕΝΑ, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, in Anlehnung an die Definition der Weltbank verwandt. Synonym zum Begriff ΜΕΝΑ genutzt werden die Bezeichnungen MENA-Staaten, ΜΕΝΑ-Region, Naher Osten/Nahost und Nordafrika sowie Arabische Welt.
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
3
Das Fundament dieses Prozesses bilden die im Jahr 1992 auf der internationalen Konferenz über Wasser und Umwelt in Dublin verabschiedeten Prinzipien, welche den ökonomischen Wert der Ressource Wasser in ihren verschiedenen Verwendungsrichtungen anerkennen. Auch wird in den Dublin-Prinzipien ein Wassermanagement angemahnt, welches die verschiedenen Stakeholder einbindet. Ein verstärkter Einbezug (multinationaler) privatwirtschaftlicher Unternehmen in den Bereich Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist entsprechend ein Bestandteil des Konzeptes, ohne dass PPPs jedoch als Kernstück des Konzeptes verstanden werden können. Dies liegt begründet in der Tatsache, dass IWRM insbesondere auf die jeweils vor Ort betroffenen Individuen und Nutzergruppen abstellt, zu denen internationale Wasserkonzerne eben nicht gehören. Dennoch wird Privatsektorbeteiligung innerhalb des IWRM als ein möglicher Schritt verstanden, um das in diesem Konzept verankerte Ziel der Entwicklungsförderung unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte zu realisieren. Die Implementierung des IWRM in nationalen Wasserstrategien kann also als Zeichen von staatlicher Seite gesehen werden, PPPs im Bereich der Wasserwirtschaft grundsätzlich zuzulassen, ohne dass der Umkehrschluss - ohne IWRM keine PPPs - gerechtfertigt wäre. Trotz der weitgehenden Anerkennung des Konzeptes durch die Organisationen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ist seine Umsetzung in vielen Entwicklungsländern noch nicht flächendeckend abgeschlossen. In der MENA-Region wurde dieser Ansatz bislang von einigen Staaten implizit oder explizit in ihre nationalen Wasserpolitiken aufgenommen, andere Staaten hingegen haben keine nationalen Wasserstrategien oder berücksichtigen die IWRM-Prinzipien nicht. Darüber hinaus bestehen - soweit vorhanden - nach wie vor erhebliche nationale Unterschiede in Bezug auf die praktische Umsetzung der theoretisch verankerten Prinzipen (Fourth World Water Forum 2006, S. 35). Es ist festzustellen, dass auch in der ΜΕΝΑ-Region innerhalb der letzten Dekade die wohlfahrtsorientierte Dimension der Wassernutzung zunehmend in den Fokus der politischen Entscheidungsträger ebenso wie der Wissenschaft gerückt ist. Die grundsätzliche Bereitschaft vieler Regierungen, ein Konzept wie das .Integrated Water Resource Management' einzuführen, zeigt dies deutlich. Jedoch befindet sich die Diskussion über einen möglichen Einbezug privatwirtschaftlicher Unternehmen, insbesondere in Bezug auf die Haushaltswasserversorgung und -abwasserentsorgung, im Anfangsstadium.
1.1.
Problemabgrenzung und Forschungsstand
Während der Recherche für die vorliegende Arbeit, insbesondere während eines Forschungsaufenthaltes der Verfasserin bei der Weltbank in Washington D.C., welcher den Zugang zu unveröffentlichten Informationen und die Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen mit Verantwortlichen bot, stellte sich heraus, dass der Gesamtkomplex ,Privatsektorbeteiligung in der Siedlungswasserwirtschaft der Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas' bislang nur in Anfängen wissenschaftlich erschlossen ist. Wissenschaftliche Arbeiten und Studien bestehen bislang lediglich zu den einzelnen Teilaspekten.
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Eine Gesamtbetrachtung erfolgt nach Wissen der Verfasserin erstmalig mit der hier vorliegenden Arbeit. So ist bspw. die allgemeine Situation von Wasserressourcen und den damit verbundenen Problemen im Nahen Osten und Nordafrika aus hydrologischer Sicht gut erschlossen; ebenso sind sicherheitspolitisch orientierte Arbeiten, welche sich mit transnationaler Wasserverteilung und Kooperationsmechanismen zwischen den Staaten der Region befassen, existent. 5 Auch die landwirtschaftliche Wassernutzung und moderne Bewässerungsmethoden steht im Fokus wissenschaftlicher und praxisnaher Analyse; Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als Infrastrukturgut werden für die Region hingegen nur in Einzelfällen behandelt. Zu diesem Subkomplex existiert eine Reihe von Studien, herausgegeben überwiegend von internationalen Entwicklungsagenturen, welche den Wassersektor und evtl. Reformansätze u. a. im Nahen Osten betrachten. Empirische Arbeiten ζ. B. zur Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für suffiziente Wasserversorgung fehlen jedoch weitgehend. Allgemein ist zur Liberalisierung und Regulierung in der ΜΕΝΑ-Region eine Reihe von Analysen, in erster Linie erstellt von der Weltbankgruppe, verfügbar, welche sich jedoch nur in Ausnahmen speziell mit dem Bereich Wasserdienstleistungen befassen. Vor allem bezüglich des Subkomplexes Privatsektorbeteiligung/Public Private Partnerships beschäftigt sich der Großteil der deutschsprachigen und internationalen Literatur aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive mit den Anwendungsmöglichkeiten des Konzeptes in Industriestaaten zur Entlastung öffentlicher Budgets. Hier sind in der Regel die juristischen Komponenten derartiger Partnerschaften Gegenstand der Untersuchung. Dazu kommt eine Reihe aktueller Arbeiten, welche das PPP-Konzept aus vertragstheoretischer und institutionenökonomischer Sicht beleuchten. Diese Beiträge stellen jedoch ebenfalls in der Regel auf national ausgerichtete Partnerschaftsprojekte ab. Einige wenige Autoren haben in den letzen Jahren den Versuch unternommen, Erkenntnisse aus nationalen Partnerschaften im Bereich der Infrastruktur auf den Einsatz in weniger entwickelten Staaten zu übertragen. 6 Eine intensive Diskussion über die grundsätzlichen Möglichkeiten und Grenzen von Entwicklungspartnerschaften findet seit Ende der 1990er Jahre unter den verschiedenen Akteuren im Bereich Entwicklungspolitik statt. Diese erfolgt jedoch nicht in erster Linie auf wissenschaftlich-theoretischer Ebene, sondern ist in hohem Maße ideologisch-politisch geprägt und befasst sich weniger mit der Frage, wie PPPs eingesetzt werden können, sondern vielmehr damit, ob ein derartiger Einbezug privater Unternehmen ideologisch zu rechtfertigen ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Komplex „Privatsektorbeteiligung und Wasser" diskutiert wird (zu dieser Debatte u. a. Aquamedia 2003; Rosemann o. J.).
1.2.
Forschungsleitendes Interesse und Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, einen in der Wirtschafts- wie auch Politikwissenschaft kontrovers diskutierten Ansatz - den Einbezug privatwirtschaftli-
Hierzu ζ. B. Kliot (1994) und Robert (2002) zu Fragen von Konfliktpotentialen der Ressource Wasser in der Region; Weltbank (1993) zu hydrologischen Grundlagen der Region. Hier insbesondere Hart (2005) sowie Grimsey und Lewis (2005).
Public Private Partnerships
in der Wasserwirtschaft
des Nahen Ostens und Nordafrikas
5
eher Unternehmen bei der Bereitstellung von Infrastruktur - anhand des regionalen Beispiels des Nahen Ostens und Nordafrikas auf seine grundsätzliche Eignung, sein Potential in Bezug auf Effizienzsteigerung und VersorgungsVerbesserung sowie die bestimmenden Faktoren speziell für die Siedlungswasserwirtschaft hin zu überprüfen. Die Auswahl der Region erfolgte dabei in gleichem Maße entsprechend der Interessenlage der Verfasserin wie aufgrund der Tatsache, dass für die Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas in dieser Hinsicht ein bestehendes Forschungsdesiderat zu konstatieren ist. Ausgehend von Überlegungen zu den Möglichkeiten der Wasserbereitstellung auch durch Private und zur Notwendigkeit einer verbesserten Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Nahen Osten und Nordafrika und basierend auf der Annahme, dass der Einsatz von Public Private Partnerships ein geeignetes Werkzeug dazu ist, werden zunächst im Rahmen einer positiven Analyse Bestimmungsfaktoren identifiziert, welche für das geringe Maß an Public Private Partnerships in der Siedlungswasserwirtschaft in der Region verantwortlich zeichnen. In einem weiteren Schritt werden normative Kriterien aufgezeigt, deren Erfüllung dazu beitragen kann, das sich aus PPPs ergebende Potential für die ΜΕΝΑ-Region nutzbar zu machen. Im Einzelnen folgt dem einleitenden Kapitel zunächst in Kapitel 2 eine Übersicht über die verschiedenen Dimensionen der Wasserinfrastruktur. Schwerpunktmäßig werden die besonderen Charakteristika der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als Infrastrukturgut anhand der ökonomischen Theorie bestimmt. Darüber hinaus werden die ethischen und politischen Dimensionen aufgezeigt, und es erfolgt eine Einordnung der Diskussion über suffiziente Wasserver- und Abwasserentsorgung in Entwicklungsländern in die Strukturen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Anschließend wird in Kapitel 3 das Konzept der Public Private Partnerships detailliert vorgestellt und insbesondere im Hinblick auf seinen Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit kritisch bewertet. Die Motive der beteiligten Parteien - private Unternehmungen, der öffentliche Sektor und (internationale) Entwicklungsorganisationen, welche hier näher betrachtet werden - können dabei gleichzeitig als Potentiale des Konzepts PPP angesehen werden. Aufbauend darauf werden unter Bezugnahme auf die Transaktionskostenökonomik und die Neue Institutionenökonomik in Kapitel 4. Bestimmungsfaktoren für das Zustandekommen von PPPs identifiziert, und es wird ihre empirische Haltbarkeit diskutiert.7 Im Anschluss daran werden in Kapitel 5 die besonderen naturräumlichen, kulturellen, politischen, ökonomischen und infrastrukturbezogenen Charakteristika der ΜΕΝΑ-Region aufgezeigt und analysiert. Im Fokus der Betrachtung stehen dabei diejenigen Faktoren, welche zum einen den Bereich Siedlungswasserwirtschaft betreffen, zum anderen als bestimmend für Privatsektorbeteiligung in der Region angesehen wer-
Während die neoklassische Theorie von grundsätzlicher Nutzenmaximierung, einem vollkommenen Markt und vollkommen rationalen, ihren Nutzen maximierenden Individuen ausgeht, betrachtet die Neue Institutionenökonomik menschliches Handeln unter der Annahme beschränkter Rationalität in einer von Unsicherheit geprägten Umgebung und geht davon aus, dass Transaktionen „nicht kostenlos abgewickelt werden können" (Voigt 2002, S. 27), sondern in ihrer Höhe von dem bestehenden institutionellen Rahmenwerk abhängen. Die Transaktionskostenökonomik kann daher als Vorgänger, aber auch Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik angesehen werden (Voigt 2002, S. 57).
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den können. Anschließend wird die Notwendigkeit einer verbesserten Versorgung mit Wasserdienstleistungen für die Region herausgearbeitet. Darauf aufbauend wird in Kapitel 6 - nach einem Überblick über den Status quo der Privatsektorbeteiligung im Nahen Osten und Nordafrika allgemein und speziell in Bezug auf die Siedlungswasserwirtschaft - der Frage nachgegangen, warum das Konzept in der Region bislang so wenig Anwendung findet. Die theoretisch wie empirisch identifizierten Bestimmungsfaktoren für PPPs werden an dieser Stelle für die Region überprüft und diskutiert. In diesem Zusammenhang wird auch eine in der Region erfolgreich implementierte PPP als best practice betrachtet. In Kapitel 7 werden mit Rückgriff auf die vorangegangene Diskussion normative Kriterien definiert, deren Erfüllung dazu beitragen kann, dass das Potential dieses Partnerschaftskonzeptes auch in der ΜΕΝΑ-Region ausgeschöpft werden kann. Ein Ausblick bildet schließlich den Abschluss der Untersuchung.
1.3.
Methodische Vorüberlegungen
Das Konzept von Public Private Partnerships wird mangels einer ausgearbeiteten .Theorie der Public Private Partnership' in der vorliegenden Arbeit unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik und Transaktionskostenökonomik analysiert.8 Diese theoretischen Konzepte erlauben eine Betrachtung von PPPs abstrahierend vom herkömmlichen neoklassischen Modell, welches die Rolle von Institutionen nicht gesondert berücksichtigt. Es sind jedoch insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen, welche erheblichen Einfluss auf den einer jeden PPP zugrundeliegende Vertrag haben. Die Neue Institutionenökonomik und die Transaktionskostenökonomik können aufgrund der Tatsache, dass in ihnen Institutionen explizit berücksichtigt werden, daher als besonders geeignet angesehen werden, um das Konzept von PPPs theoretisch zu analysieren. Die Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas sind nicht als homogen einzustufen. Dies gilt sowohl für ihre geographischen Bedingungen als auch für ihre politischen und wirtschaftlichen Strukturen. Dennoch ist eine Reihe von Charakteristika für alle Staaten der Region prägend. An erster Stelle zu nennen sind hier grundlegende klimatische Bedingungen und die Religion des Islam, der in seinen unterschiedlichen Auslegungen alle Staaten maßgeblich prägt. Dazu kommen Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Qualität der Regierung und den Zustand der (Wasser-)Infrastruktur. Grundsätzlich ist keines der Länder der Region als Industriestaat einzustufen, wenn auch die ressourcenreichen Staaten des Persisch-Arabischen Golfes 9 aufgrund von Einnahmen aus Erdöl- und ErdgasM a ß g e b l i c h geprägt von Douglass
C. North
und Oliver
Williamson,
ζ. Β.
Williamson
(1996), S. 3. Die Staaten Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate sind - zusammen mit Bahrain, dem Oman und Saudi-Arabien - im Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council) organisiert. Im Jahr 1981 gegründet, besteht zwischen den Staaten des Golfkooperationsrates eine enge Kooperation in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Auch die wirtschaftliche Integration der einzelnen Volkswirtschaften soll durch den Rat gefördert werden, ein gemeinsamer Markt trat Anfang des Jahres 2008 in Kraft, eine Währungsunion ist für das Jahr 2010 geplant.
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
7
vorkommen über ein im regionalen Vergleich relativ hohes Pro-Kopf-Einkommen verfügen. Etliche Merkmale von Entwicklungs- und Schwellenländern, wie sie für die anderen Staaten der ΜΕΝΑ-Region zutreffen, sind in den Golfstaaten nicht anzutreffen. Dazu gehören ein niedriges Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, ein niedriger Rang innerhalb des Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen und weitere Indikatoren. 10 Die Staaten des Golfkooperationsrates werden daher in verschiedenen Klassifikationen internationaler Organisationen zu den weiter entwickelten Staaten, nicht jedoch den Industriestaaten gezählt. Eine Reihe von Aussagen der Arbeit ist somit nur auf diejenigen Staaten der Region zutreffend, welche neben ihrer geographischen Lage weitere Merkmale aufweisen und damit unter die Kategorie ,Entwicklungs- und Schwellenländer' fallen. Entsprechend sind im Einzelfall nicht alle Schlussfolgerungen, welche für die ΜΕΝΑ-Region als Ganze gelten, auf jeden einzelnen Staat übertragbar. Die Betrachtung der gesamten Region erscheint jedoch gerechtfertigt, da die im Rahmen dieser Arbeit getätigten Überlegungen, wie gezeigt wird, zu einem überwiegenden Teil auch auf die finanziell besser gestellten Staaten der Region zutreffen.
2.
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung - Abgrenzung, Bestimmungsfaktoren und Guteigenschaften
Rund 97,5 Prozent der globalen Wasservorkommen von insgesamt rund 500 Mio. km 2 bestehen aus dem Salzwasser der Weltmeere, welches ohne zeit- und energieintensive (und damit auch kostenintensive) Aufbereitung mit Hilfe von Entsalzungsanlagen nicht für die menschliche Nutzung 11 geeignet ist (Bouguerra 2005). Von den restlichen ca. 2,5 Prozent, welche direkt als Frischwasser vorliegen, ist ein großer Teil in Gletscher- und Polareis dauerhaft gebunden. Insgesamt sind nur rund 0,8 Prozent der globalen Wasservorkommen als Grund- oder Oberflächenwasser direkt für den menschlichen Konsum verfügbar. Dieses Grund- und Oberflächenwasser ist heterogen über die verschiedenen Regionen der Erde verteilt, auch das jeweilige Verhältnis von Grund- zu Oberflächenwasser differiert zwischen den Weltregionen erheblich. Die globale Was-
Obwohl der Staat Israel geographisch ein Teil der Region ist, wird er im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit wenigen Ausnahmen nicht mit in die Betrachtungen einbezogen, da er weder ein Teil des politischen Nahen Ostens' ist noch die Spezifika eines Entwicklungs· oder Schwellenlandes erfüllt. Ungeachtet der nach wie vor ungeklärten Frage der Zugehörigkeit der Türkei zu Europa oder Asien wird auch sie im Rahmen dieser Arbeit nicht der ΜΕΝΑ-Region zugerechnet. Die Nutzung der Ressource Wasser durch den Menschen ist in zwei Kategorien zu unterteilen - .Entzug' und .Konsum'. Während unter Entzug jeder Prozess verstanden wird, welcher Wassernutzung und die anschließende lokale Rückführung in den Hydrologischen Kreislauf (ζ. B. durch Einleitung in Grundwasserspeicher oder Oberflächengewässer) umfasst, bezeichnet der Begriff Konsum in diesem Zusammenhang die Nutzung und die Rückführung in weiterer Entfernung von der Stelle der Gewinnung. Weltweit werden dieser Definition entsprechend mehr als zwei Drittel des Wassers konsumiert; Hauptverursacher ist hier die landwirtschaftliche Nutzung, während industrielle Nutzung und Nutzung durch private Haushalte in der Regel unter die Kategorie Entzug fallen. Ursache hierfür ist in erster Linie die Verdunstung im Rahmen von Bewässerungslandwirtschaft, welche zu einer räumlich und zeitlich versetzten Rückführung des Wassers in den Kreislauf führt (im Einzelnen Thompson und Turk 20 053, S. 276 f.).
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serverteilung ist jedoch keineswegs statisch, vielmehr besteht durch Wechselwirkungen - Verdunstung, Niederschläge und Abflüsse - zwischen Atmosphäre, Landfläche und Wasseroberfläche ein beständiger globaler Kreislauf (.hydrologischer Kreislauf'), welcher in sich geschlossen ist und die globalen Wassermassen bis zu einem gewissen Grade zwischen den Weltregionen umverteilt (im Einzelnen Ward und Trimble 2004 2 , S. 5 f.). Die oftmals getätigte Feststellung einer ,globalen Wasserkrise' ist in dieser Form somit auch unzutreffend, da die global verfügbaren Wasserressourcen innerhalb der menschlichen Zeitrechnung nicht abgenommen haben. Lediglich eine räumliche Umverteilung, qualitative Änderungen oder eine - im Rahmen meteorologischer Prozesse auftretende - temporäre Wasserknappheit kann wissenschaftlich festgestellt werden. Unbestritten ist jedoch, dass Wasser eine lebensnotwendige Ressource darstellt, ohne welche der Mensch nicht existieren kann, deren Vorkommen jedoch - global gesehen in qualitativer und quantitativer Hinsicht begrenzt ist. Während jedoch aktuell in einigen Regionen der Erde Wasser nicht knapp im Sinne eingeschränkter Verfügbarkeit ist, sind andere Regionen in hohem Maße von Einschränkungen in Bezug auf Quantität und Qualität des verfügbaren Wassers betroffen. Im Zentrum der vorliegenden Analyse steht die Versorgung privater Haushalte mit Trink- und Brauchwasser sowie die Abwasserentsorgung, deren besondere ökonomische, politische und ethische Charakteristika nachfolgend näher betrachtet und kritisch eingeordnet werden. Die Bereitstellung und Distribution von Wasser für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke ist nicht Gegenstand der Arbeit. Ausgehend von einem singulären globalen hydrologischen Kreislauf und der Tatsache, dass die verschiedenen genannten Sektoren gemeinsam auf diesen zugreifen, ist jedoch keine Unabhängigkeit der einzelnen Sektoren voneinander gegeben. Sobald also Verteilungsaspekte betrachtet werden, haben Änderungen auf einem Sektor entsprechenden Einfluss auf die anderen Sektoren, ζ. B. im Rahmen der Berücksichtigung von Opportunitätskosten bei der Nutzung einer knappen Ressource in einer bestimmten Verwendung. Darüber hinaus sind viele der in der vorliegenden Arbeit für den Bereich der Haushaltsversorgung getroffenen Aussagen grundsätzlich auch für die Betrachtung der Wasserverwendung in den Bereichen Landwirtschaft und Industrie gültig.
2.1.
Definitionen und Abgrenzungen
Die Ressource Wasser 12 wird maßgeblich charakterisiert durch ihre chemischen, physikalischen, mechanischen und thermodynamischen Eigenschaften, die ihre Nutzbarkeit determinieren. An dieser Stelle bedeutsam ist die Fähigkeit von Wasser, nahezu unbegrenzt häufig und relativ schnell den Aggregatzustand zu wechseln. Wasser kommt daher in den Aggregatzuständen (Phasen) flüssig, fest und dampfförmig vor. Diese Fähigkeit führt dazu, dass Wassertransport und -behandlung in verschiedenen Formen vorgenommen werden kann, ohne dass sich die Ergebnisse wesentlich voneinander unterscheiden. Die mechanischen Eigenschaften von Wasser sind abhängig von seiner TemPhysikalisch wird Wasser bezeichnet als H20\ ein Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen.
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peratur und dem jeweiligen Salzgehalt, sie bestimmen im Einzelnen Fließgeschwindigkeit und Widerstand, aber auch die elektrische Leitfähigkeit des Wassers. Dazu kommen die besonderen chemischen Eigenschaften des Wassers. In Wasser lösen sich Salze zu Ionen auf, dadurch kann Wasser sowohl Mineralien als auch schädliche wasserlösliche Stoffe enthalten. Auch Gase wie Sauerstoff und Kohlendioxid lösen sich in Wasser (Ward und Trimble 20042, S. 6). Die Löslichkeit von Stoffen in Wasser ist im Einzelnen abhängig von der Temperatur, dem pH-Wert und dem Sauerstoffgehalt des Wassers. Die vorgenannten Eigenschaften führen dazu, dass die Ressource Wasser als flüchtig angesehen wird, Aufbereitung, Speicherung und Transport von Wasser also mit besonderen Merkmalen behaftet sind, welche die Ressource von anderen unterscheidet.
2.2.
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung - Begriffsabgrenzung und technische Standards
Als .Wasserwirtschaft' allgemein wird entsprechend der Norm DIN 4049 die „zielbewusste Ordnung aller menschlichen Einwirkungen auf das ober- und unterirdische Wasser verstanden" (www.umweltdatenbank.de/lexikon/wasserwirtschaft.htm). Damit handelt es sich um einen Oberbegriff, welcher sowohl staatliches als auch privatwirtschaftliches Handeln in Bezug auf alle Wasserarten umfasst. Ergänzend bezeichnet der Begriff ,Wassergesetze' alle rechtlichen Vorschriften, welche sich auf die Wasserwirtschaft und den Gewässerschutz beziehen. Die Bezeichnung ,Wassermarkt' umfasst die genannten gesetzlichen und institutionellen Komponenten, zusätzlich wird auch der physikalisch-technische Rahmen mit diesem Begriff abgedeckt, soweit sie Kauf und Verkauf der Ressource Wasser betreffen (Ahmad 2001, S. 46). Der Begriff .Wasserwirtschaft', synonym auch als ,Wassermanagement' bezeichnet, ist aufzugliedern in einzelne Komponenten, welche sich aus den Verwendungsrichtungen der Ressource Wasser ergeben: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung privater Endabnehmer (englisch: water supply/sanitation·, im Folgenden auch synonym bezeichnet mit .Siedlungswasserwirtschaft', ,Wasserdienstleistungen' und ,Wassersektor'), landwirtschaftliche Bewässerung und Bereitstellung von Wasser für industrielle Nutzung (Thompson und Turk 20053, S. 277). Diese Einzelkomplexe stehen miteinander in enger Beziehung, ihre spezifische Ausprägung ist von der Wasserpolitik der einzelnen Staaten abhängig (Spulber und Sabbaghi 1998, S. 3). Unter dem Begriff .Wasserversorgung' sind „alle Maßnahmen zur Beschaffung, Aufbereitung, Speicherung, Zuführung und Verteilung von Trink- und Brauchwasser" (www.umweltdatenbank.de/lexikon/ wasserversorgung.htm) subsumiert, ohne dass jedoch alle Einzelmaßnahmen im Rahmen der Wasserversorgung auch tatsächlich durchgeführt werden müssen. Wasserversorgung muss definitionsgemäß nicht staatlich institutionalisiert erfolgen, sondern kann auch privatwirtschaftlich oder individuell organisiert sein. In einem derartigen Fall werden jedoch in der Regel nicht alle der folgenden Maßnahmen vorgenommen, so fehlt häufig der legale Erwerb von Verfügungsrechten, so etwa bei der Entnahme von Wasser aus Flüssen und Seen. Im Einzelnen umfassen die Maßnahmen der Wasserversorgung — den Erwerb von Verfügungsrechten über Wasserressourcen,
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2.3.
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als Infrastrukturgut
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind klassische Infrastrukturgüter. 14 Obwohl der Begriff der Infrastruktur nur schwerlich allgemeingültig zu definieren ist, kann unter Infrastruktur ..jener Teil des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft verstanden [werden], der Voraussetzung ist für eine Vielzahl an gleichzeitigen und unterschiedlichen wirtschaftlichen Aktivitäten" (Hartwig 2005, S. 9) oder auch „den Unterbau einer Volkswirtschaft, ohne den jede direkte produktive wirtschaftliche Betätigung [...] unmöglich wäre" (Knorr 2005, S. 37). Es handelt sich also um Güter und Dienstleistungen von allgemeinem, d. h. über Partialinteressen hinaus gehendem wirtschaftlichen Interesse. Unterschieden werden können an dieser Stelle .institutionelle/soziale Infrastruktur' und .materielle/technische Infrastruktur' (siehe Diagramm 1): Während Erstere die öffentliche Verwaltung sowie Bereiche wie soziale Dienste, Gesundheitsfürsorge, kulturelle Belange und Bildung umfasst, werden unter Letzterer Verkehr. Post und Telekommunikation. Energie sowie der Bereich Wasservcr- und Abwasserentsorgung sowie Abfallentsorgung erfasst. 15 Viele dieser Infrastrukturgüter wurden und werden aufgrund ihrer Eigenschaften den sog. .öffentlichen Gütern' zugeordnet, woraus sich spezielle Probleme der Bereitstellung ergeben. Ein weiteres Charakteristikum zahlreicher Infrastrukturgüter ist die Eigenschaft der Netzgebundenheit - so ist es in den Bereichen Telekommunikation, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Personenverkehr und Verkehrswege allgemein das Versorgungsnetz, welches Qualität und Quantität der Versorgung garantiert. Diese Infrastrukturgüter sind insbesondere, aber nicht ausschließlich, betroffen von Kostenremanenzen, d. h. einer Fixierung der Grundkosten auch bei sinkenden Nutzerzahlen. Auch die Wasserwirtschaft als netzgebundenes Infrastrukturgut ist hiervon betroffen. Eine qualitativ und quantitativ ausreichende Infrastruktur stellt eine notwendige Bedingung für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft dar - eine Tatsache, welche sowohl in der öffentlichen als auch in der akademischen Debatte weitgehend anerkannt ist (Guasch 2004, S. 2: Hammami et al. 2006, S. 3; Knorr 2005, S. 37). Dennoch ist der Auf- und Ausbau entsprechend benötigter Infrastruktur in vielen weniger entwickelten Staaten der Erde in den vergangenen lahrzehnten oftmals nicht als prioritäre Maßnahme der Wirtschaftspolitik erkannt worden. Dies und die Tatsache, dass die zumeist kostenintensive Infrastruktur für diese Staaten nicht eigenständig finanzierbar ist, hat dazu beigetragen, dass in zahlreichen Entwicklungsländern weltweit der Stand der Infrastruktur mehr oder weniger demjenigen der 1960er Jahre entspricht (Hammami etal. 2006. S. 3 f.).
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Übersicht 1: Klassifikation der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung anhand hygienischer Standards
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Angemessene Wasserversorgung
Unangemessene Wasserversorgung
Angemessene Wasserentsorgung
Unangemessene Wasserentsorgung
Leitungsversorgung im eigenen Haushalt
Ungeschützte Quellen
Anbindung an öffentliche Abwasserkanalisation
Öffentliche und/oder Gruppenlatrine
Wasser aus Trinkwasserbohrungen
Flüsse, Bäche, Teiche, abgefülltes Wasser
Anbindung an Kläranlage
Latrineneimer
Sammlung von Regenwasser
Unabgefülltes Wasser von privaten Verkäufern
Wassertoilette
Geschützte Quellen
Wasser aus Tankwagen
Private Senkgrube
Quelle: Eigene Zusammenstellung in Anlehnung an UNDP (2006). Grundsätzlich besteht in technischer wie in administrativer Hinsicht kein Unterschied zwischen einer privatwirtschaftlichen und einer öffentlichen Bereitstellung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung: Für die Abnehmer, in diesem Fall die einzelnen Haushalte, die als Endverbraucher auftreten, macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob die Wasserleitungen durch kommunale Behörden oder private Unternehmen gebaut oder gewartet werden bzw. die Wasserlieferung durch ein öffentliches oder privatwirtschaftliches Unternehmen erfolgt. Im Einzelnen können jedoch Probleme - verursacht durch unterschiedliche Formen der Bereitstellung - aufgrund anderer Charakteristika des Wassersektors entstehen. Für die direkte Nutzung im Sinne von Trinkwasser und Wasser zur Nahrungszubereitung benötigt der Mensch rund 1 m 3 Wasser pro Jahr, weitere 50 bis 100 m 3 Wasser sind für sonstigen Gebrauch im Haushalt, ζ. B. für die Betätigung einer Wassertoilette oder das Waschen und Putzen, zu veranschlagen. Die größte Menge von bis zu 1000 m 3 Wasser pro Jahr pro Person ist jedoch für die Produktion der durchschnittlichen Menge an Nahrungsmitteln für einen einzelnen Menschen anzusetzen (Allan 2001, S. 6 f.). 13 Dieses in Lebensmitteln enthaltene Wasser wird als „virtuelles Wasser" bezeichnet und findet oftmals keinen Eingang in Berechnungen über die für das menschliche Leben notwendige Gesamtwassermenge.
Die Menge von 1000 m3 Wasser pro Jahr pro Person gilt an dieser Stelle für eine durchschnittliche Kalorienaufnahme. Grundsätzlich verbraucht ζ. B. die Produktion von Fleisch erheblich mehr Wasser als die Erzeugung von pflanzlichen Lebensmitteln. Ausnahmen können durch die sehr wasserintensive Bewässerungslandwirtschaft, wie sie in ariden Gebieten praktiziert wird, entstehen.
12
2.3.
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Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als Infrastrukturgut
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind klassische Infrastrukturgüter. 14 Obwohl der Begriff der Infrastruktur nur schwerlich allgemeingültig zu definieren ist, kann unter Infrastruktur „jener Teil des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft verstanden [werden], der Voraussetzung ist für eine Vielzahl an gleichzeitigen und unterschiedlichen wirtschaftlichen Aktivitäten" (Hartwig 2005, S. 9) oder auch „den Unterbau einer Volkswirtschaft, ohne den jede direkte produktive wirtschaftliche Betätigung [...] unmöglich wäre" (Knorr 2005, S. 37). Es handelt sich also um Güter und Dienstleistungen von allgemeinem, d. h. über Partialinteressen hinaus gehendem wirtschaftlichen Interesse. Unterschieden werden können an dieser Stelle , institutionelle/soziale Infrastruktur' und .materielle/technische Infrastruktur' (siehe Diagramm 1): Während Erstere die öffentliche Verwaltung sowie Bereiche wie soziale Dienste, Gesundheitsfürsorge, kulturelle Belange und Bildung umfasst, werden unter Letzterer Verkehr, Post und Telekommunikation, Energie sowie der Bereich Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie Abfallentsorgung erfasst. 15 Viele dieser Infrastrukturgüter wurden und werden aufgrund ihrer Eigenschaften den sog. öffentlichen Gütern' zugeordnet, woraus sich spezielle Probleme der Bereitstellung ergeben. Ein weiteres Charakteristikum zahlreicher Infrastrukturgüter ist die Eigenschaft der Netzgebundenheit - so ist es in den Bereichen Telekommunikation, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Personenverkehr und Verkehrswege allgemein das Versorgungsnetz, welches Qualität und Quantität der Versorgung garantiert. Diese Infrastrukturgüter sind insbesondere, aber nicht ausschließlich, betroffen von Kostenremanenzen, d. h. einer Fixierung der Grundkosten auch bei sinkenden Nutzerzahlen. Auch die Wasserwirtschaft als netzgebundenes Infrastrukturgut ist hiervon betroffen. Eine qualitativ und quantitativ ausreichende Infrastruktur stellt eine notwendige Bedingung für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft dar - eine Tatsache, welche sowohl in der öffentlichen als auch in der akademischen Debatte weitgehend anerkannt ist (Guasch 2004, S. 2; Hammami et al. 2006, S. 3; Knorr 2005, S. 37). Dennoch ist der Auf- und Ausbau entsprechend benötigter Infrastruktur in vielen weniger entwickelten Staaten der Erde in den vergangenen Jahrzehnten oftmals nicht als prioritäre Maßnahme der Wirtschaftspolitik erkannt worden. Dies und die Tatsache, dass die zumeist kostenintensive Infrastruktur für diese Staaten nicht eigenständig finanzierbar ist, hat dazu beigetragen, dass in zahlreichen Entwicklungsländern weltweit der Stand der Infrastruktur mehr oder weniger demjenigen der 1960er Jahre entspricht CHammami et al. 2006, S. 3 f.).
Der Begriff der Infrastruktur entstammt ursprünglich dem französischen Eisenbahnsystem und bezeichnete hier insbesondere die erdverbundenen Anlagen (Hartwig 2005, S. 9). Synonym verwandt wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Begriff .Daseinsvorsorge'. Neben diesen Dimensionen wird in der Literatur teilweise auch „personelle Infrastruktur" (Ausstattung mit dem Faktor Arbeit bzw. Humankapital) als dritte Dimension der Infrastruktur diskutiert (Knorr 2005, S. 37).
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13
Diagramm 1: Klassifikationen von Infrastruktur
.Materielle/technische Infrastruktur"-
„Institutionelle/soziale Infrastruktur":
Verkehrswege
Soziales
Personenverkehr
Gesundheit;
Post/Telekommunikation
Kultur
Energie
Bildung
Wasserver- und Abwasserentsorgung
Quelle: Eigene Darstellung. Traditionell liegen Bereitstellung und Betrieb von Infrastruktur in öffentlicher Hand, ging man doch lange Zeit davon aus, dass nur auf diesem Wege staatlichen Ordnungsinteressen entsprechend gedient sei (Baietti et al. 2006, S. 1; Puwein et al. 2004, S. 88). Sowohl Planung als auch Betrieb und Erhaltung der entsprechenden Infrastrukturanlagen erfolgen dabei durch den Staat; die Finanzierung ist durch Steuern und/oder Gebühren gewährleistet (Hartwig 2005, S. 19). Auch die Herstellung der entsprechenden Infrastrukturgüter wird in diesem Modell oftmals durch den Staat übernommen. Diese gleichsam als normal empfundene Situation der Zuständigkeit von Staaten, Gebietskörperschaften oder Kommunen bzw. auch kommunalen Betrieben entspricht in vielen Staaten jedoch nicht mehr der Realität, sondern ist mehr und mehr ein Model, welches der Vergangenheit zuzuordnen ist (Guasch 2004, S. I). 16 Innerhalb der letzten zwei Dekaden wurde in vielen Staaten weltweit ein verstärkter Einbezug der Privatwirtschaft in zahlreichen Wirtschaftsbereichen vorangetrieben, welcher in den meisten westlichen Industrienationen in der letzten Dekade einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, dessen Ende jedoch bislang nicht absehbar erscheint. Auf dem Infrastruktursektor ist diese Beteiligung von Privaten gegenüber anderen Sektoren der Volkswirtschaft besonders ausgeprägt (Harris 2003, S. 1). In vielen Staaten werden Beispielhaft genannt sei an dieser Stelle die Existenz von privaten Gefängnissen in den Vereinigten Staaten oder privater Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Brücken, Tunnel) in vielen Staaten der Europäischen Union.
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14
gerade auf diesem Sektor verstärkt privatwirtschaftliche Unternehmungen einbezogen, die ehemals staatliche Aufgaben ganz oder teilweise übernehmen. Zwar können AufgabenVerantwortung und Aufgabenerfüllung im Infrastrukturbereich nach wie vor in einer - der staatlichen - Hand liegen, müssen es aber keineswegs zwangsläufig. 17
2.4.
Pfadabhängigkeiten von Wasserinfrastruktur
Grundsätzlich resultiert ein Teil der Komplexität von (netzgebundener) Infrastruktur aus der Tatsache, dass eine in hohem Maße statische Komponente - die eigentliche Ausrüstung mit Infrastruktur - auf eine dynamische Komponente, die aktive eigentliche Versorgung, trifft und diese ggf. beschränkt. Das Funktionieren des Gesamtsystems hängt also einerseits ab von der Ausgestaltung der eigentlichen hardware wie Gebäuden, Leitungen oder Rohren und andererseits dem kollektiven Verhalten des die Netze nutzenden Verkehrs. Dabei gilt, dass sich das ganze Netz immer langsamer ändern wird als der das Netz nutzende Verkehr (Batten 1998; S. 2 f.). Dies ist auch für die Wasserinfrastruktur zu beobachten. Hier ist in vielen Staaten eine deutliche Änderung des Netzverkehrs 18 - ausgelöst durch geändertes Nachfrageverhalten - bei gleichzeitiger Persistenz des Netzwerks zu beobachten, welche mit technischen und historischen Pfadabhängigkeiten zu begründen ist. Diese Pfadabhängigkeiten determinieren die aktuelle Ausprägung und den Standard des Netzes und haben auch für zukünftige Entwicklungen große Bedeutung. Technische Pfadabhängigkeiten in der Siedlungswasserwirtschaft bestehen in erster Linie aufgrund der den Netzwerkstrukturen geschuldeten Spezifika, ζ. B. der verwendeten Leitungsdurchmesser, der Art des Netzaufbaus sowie bedingt durch die Festlegung auf bestimmte technische Standards in der Abwasseraufbereitung. Diese Netzspezifika sind, einmal festgelegt, nur schwerlich und unter Inkaufnahme erheblicher Kosten modifizierbar, wäre doch im Extremfall ein Austausch des gesamten Netzes notwendig. Somit können diese Pfadabhängigkeiten dazu führen, dass gegebenenfalls technische Innovationen keine Anwendung finden können, da ihre Einführung eine nachträgliche Änderung der kompletten bislang eingerichteten Anlage bzw. im Falle der Wasserinfrastruktur des Gesamtnetzes, voraussetzen würden. Als historische Pfadabhängigkeiten können in diesem Zusammenhang diejenigen Spezifika des Netzes verstanden werden, welche in historischen Ereignissen oder geschichtlich bedingten Überlegungen resultieren. 19 Für den Fall der Wasserinfrastruktur
Zu öffentlichen Aufgaben im Bereich der Infrastruktur im Einzelnen Zimmermann und Henke (2001 8) , S. 12 ff. sowie 411 ff., zur Diskussion um die Notwendigkeit öffentlicher Produktion S. 47. Dies gilt gleichermaßen für die Zunahme des Netzverkehrs, ζ. B. durch Bevölkerungswachstum, wie auch für die Abnahme des Netzverkehrs bedingt durch negative demographische Trends. Dazu zählt ζ. B. der Verlauf wichtiger Verkehrsinfrastruktur (Bahnschienen, Straßen) in ehemaligen Kolonien, welche in der Regel zentral auf die ehemalige Hauptstadt oder zu wichtigen Häfen hin ausgerichtet sind. Diese Ausrichtung ist die direkte Folge der Kolonialisierung, welche neue Verwaltungsstrukturen und urbane Zentren geschaffen hat und
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15
handelt es sich dabei um das Verlegungsmuster des Netzes, ausgehend vom kolonialen Stadtzentrum, und die Abdeckung in der Fläche, welche in der Regel bestimmte, ehemals weniger bedeutende Regionen ausklammert (Transparency International 2008, S. 42). Die Auswirkungen dieser historischen Pfadabhängigkeiten sind - ähnlich der technischen Pfadabhängigkeiten - aktuell von Relevanz, da auch sie eine mögliche Modifikation der Wasserinfrastruktur maßgeblich beeinflussen. Daher müssen beide Komponenten in Betracht gezogen werden, wenn die Frage nach Modernisierung oder allgemein Anpassungen der entsprechenden Infrastruktur an aktuelle Gegebenheiten gestellt wird.
2.5.
Die Ökonomie des Wassers aus wohlfahrtstheoretischer Sicht
Der normative Standardansatz in der Ökonomie ist die Wohlfahrtstheorie, deren Ausgangspunkt der normative Individualismus ist. Demnach ist das Wohl des Individuums das einzig zulässige normative Kriterium für die Beurteilung gesellschaftlicher Arrangements. Übergeordnete gesellschaftliche, politische, religiöse oder sonstige Kriterien sind wohlfahrtstheoretisch nur insoweit zulässig, wie eine Orientierung an ihnen zu einer Verbesserung der Lebensqualität der individuellen Einwohner eines Landes beitragen können. Vom Wohle der Individuen abgehobene Kriterien übergeordneter Art sind hingegen unzulässig. Betrachtet man Wasser als natürliche Ressource, stellt sich unter wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten die Frage, ob es - ebenso wie andere Teile der unbelebten Umwelt - als freies Gut anzusehen ist, welches allen Menschen ohne monetäre Kompensation gleichermaßen zur Verfügung steht, oder ob es wie natürliche Ressourcen im Sinne von Bodenschätzen wie Metallen oder Mineralien gehandelt werden kann, also Menschen von der Nutzung ausgeschlossen werden können. Davon unterschieden werden muss die Frage nach Wasser als Infrastrukturgut, welches leitungsgebunden zur Verfügung gestellt wird. Dieses ist in der Regel im Bereich der Wasserdienstleistungen der Fall. 20 Diese Abgrenzung ist von besonderer Relevanz, da sich aus den unterschiedlichen Verwendungen der Ressource unterschiedliche ökonomische Dimensionen ergeben (Smith 2004, S. 1). Eine generelle, d. h. dimensionsübergreifende Bewertung von Wasser anhand ökonomischer Kriterien, welche zu einem einheitlichen Ergebnis kommt, ist daher nur schwerlich möglich. Vielmehr ist den Besonderheiten der Ressource, welche sich aus ihren verschiedenen Eigenschaften und Nutzungen ergeben, bei einer Bewertung anhand ökonomischer Kriterien Rechnung zu tragen. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht der Bereich ,häusliche Wasserversorgung', d. h. Wasser als Infrastrukturgut. Wasser als natürliche, ubiquitär vorhandene
oftmals die Volkswirtschaften der Kolonien auf Rohstoffexporte ausrichtete, welche zentral verschifft wurden. Grundsätzlich kann noch weiter unterschieden werden zwischen der physischen Infrastruktur (Speicherbecken, Versorgungsnetz) und der eigentlichen Dienstleistung der Wasserbereitstellung, also den Transport der Ressource Wasser etc. Dieser Tatbestand kann relevant werden, wenn über unbundling im Rahmen staatlicher Regulierungstätigkeit diskutiert wird.
16
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und innerhalb des hydrologischen Kreislaufs flüchtige Ressource wird nur am Rande mit in die Analyse einbezogen. 2.5.1. Guteigenschaften aus Sicht der Kollektivguttheorie Unter ökonomischen Gesichtspunkten wird die Frage, ob ein Gut als freies Gut angesehen werden muss, anhand verschiedener Kriterien beantwortet. Unterschieden wird an dieser Stelle grundsätzlich zwischen Kollektivgütern und Individualgütern (Blankart 2008 7 , S. 52 f.). Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen Individual- und Kollektivgütern ist dabei die Tatsache, dass Kollektivgüter von mehreren Nutzern ohne nennenswerte Einschränkung gemeinsam genutzt werden können, Individualgüter dagegen nicht. Für verschiedene Arten von Kollektivgütern (bzw. Mischgütern) gelten unterschiedliche Regeln für ihre Bereitstellung und Finanzierung. Diese unterscheidet sich grundsätzlich von der Finanzierung von Individualgütern (Blankart 2008 7 , S. 68).21 Die ökonomische Theorie der Kollektivgüter kann anhand der im Einzelfall vorliegenden Guteigenschaften Aussagen über die Funktionsfähigkeit eines dieses Gut betreffenden Marktes treffen. Die zur Klassifizierung der Güter herangezogenen Kriterien sind dabei im Einzelnen Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer und Rivalität im Konsum (Blankart 20087, S. 52 f.; Grossekettler 19956, S. 499; Zimmermann und Henke 2001 8 ,S. 48 f.). Der Grad der Exkludierbarkeit ε zeigt an, ob Nachfrager von der Nutzung eines Gutes wirksam und unter ökonomisch vertretbaren Kosten ausgeschlossen werden können {Anand 2007, S. 9; Blankart 20087, S. 52). Als Kriterien für die Anwendung des Ausschlussprinzips können an dieser Stelle die Höhe der mit dem Ausschluss verbundenen Transaktionskosten (Ausschlussverwaltungskosten, Überwachungskosten), der politische Wille, allen Bürgern Zugang zu einer Dienstleistung zu gewähren (Infrastruktur) und die rein technisch determinierte Ausschlussmöglichkeit angesehen werden (Fritsch et al. 20077, S. 115 f.). Ist ein Ausschluss nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten möglich, ist keine Aussage der Nutzer über ihre Zahlungsbereitschaft zu erwarten. In diesem Zusammenhang tritt oftmals das Problem des , Trittbrettfahrens' oder free riding auf, da es für das Individuum in einem solchen Fall rational erscheint, seinerseits keinen Beitrag zu leisten bzw. seine Präferenz für ein Gut oder eine Dienstleistung nicht zu erkennen zu geben. Dennoch wird das Individuum diese in Anspruch nehmen, sofern sie angeboten wird (Anand 2007, S. 10; Fritsch et al. 20077, S. 102 f.). Es kommt in einem solchen Fall kein Markt zustande, da der Produzent des Gutes bzw. der Dienst-
Insbesondere bei Mischgütern stellt sich die Frage, durch wen eine Bereitstellung erfolgen soll, den Staat oder private Anbieter. Dieses Problem betrifft auch „temporäre Mischgüter", die - im Gegensatz zu Gütern, bei welchen einer der Parameter Rivalität oder Exkludierbarkeit grundsätzlich nicht gegeben ist - nur zeitweise von Rivalität betroffen sind, ζ. B. bei einer einmaligen Überfüllung einer Ausstellung. Eine grundsätzliche Beurteilung ist hier schwierig, es bedarf vielmehr ,,maßgeschneiderte[r] Arrangements" (Blankart 20087, S. 68).
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17
leistung nicht davon ausgehen kann, dass ein entsprechender Preis als Entschädigung für seine Bereitstellung gezahlt wird (Zimmermann und Henke 20018, S. 47).22 Im Falle der Nichtexkludierbarkeit gilt e=0, im Falle vollständiger Exkludierbarkeit gilt ε=1. Der Rivalitätsgrad λ gibt an, ob der Konsum eines Gutes durch einen Nutzer den Konsum des gleichen Gutes durch einen anderen Nutzer vermindert (Blankart 2008 7 , S. 53). Somit gibt der Rivalitätsgrad eines Gutes Auskunft über die Kosten eines zusätzlichen Nutzers und damit Hinweise auf eine ökonomisch sinnvolle Bepreisung. Entsprechend bedeutet ein Rivalitätsgrad von λ=0, dass keine Rivalität im Konsum vorliegt, die Grenzkosten der Versorgung also Null betragen, da die Bereitstellung einer weiteren Einheit keine Kosten verursacht.23 Ein Rivalitätsgrad von λ=1 sagt aus, dass die Nutzer des Gutes in Rivalität zueinander stehen (Blankart 20087, S. 53 f.). Im Falle ,reiner' öffentlicher Güter bzw. ,prototypischer Kollektivgüter' versagt der Marktmechanismus, es können keine effizienten Mengen über den Markt bereitgestellt werden. Daher übernimmt hier regelmäßig der Staat die Koordinierung von Angebot und Nachfrage bzw. die Versorgung mit diesen Gütern. Diese Bereitstellung wird aus Steuern oder allgemeinen Staatseinnahmen finanziert (Blankart 20087, S. 54; Anand 2007, S. 10). Es ist jedoch zu beachten, dass - wie historische und internationale Vergleiche zeigen - kaum Güter existieren, auf welche das Ausschlussprinzip grundsätzlich nicht angewandt werden kann bzw. dass auch die Nichtrivalität im Konsum nicht als unabänderliche Eigenschaft eines bestimmten Gutes angesehen werden kann, sondern z. B. durch den gegebenen Stand der Technik determiniert werden kann (Fritsch et al. 20077, S. 365). Übersicht 2 fasst diese Überlegungen zusammen, bevor die beiden Kriterien Rivalität und Exkludierbarkeit der Kollektivguttheorie auf die Wasserinfrastruktur angewandt werden. Übersicht 2: Klassifikation von Gütern anhand der Parameter „Rivalität im Konsum" und „Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer" Rivalitätsgrad
Evkludierbarkeit
X=0
>.s=1
ε =o
Prototypische Kollektivgüter
Quasikollektivgüter
v~ 1
Klubkollektivgüter
Individualgüter
' ·
Quelle: Grossekettler 19956, S. 499.
Dieses grundsätzliche Problem, dass trotz der Besserstellung aller Nutzer durch das Zustandekommen eines Marktes dennoch keine Kooperation erfolgt, wird in der Literatur als,Gefangenendilemma' diskutiert. Angebotsseitig bedeutet dies, dass der Produzent gemäß der mikroökonomischen Preisregel, welche einen Preis entsprechend der Grenzkosten vorsieht, nur einen Preis von Null verlangen könnte.
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2.5.1.1. Wasserinfrastruktur - Rivalität im Konsum Betrachtet man Wasserinfrastruktur, ist zu überprüfen, welcher Rivalitätsgrad die Nutzung determiniert. Dabei ist eine Unterscheidung zwischen Wasser als natürlicher Ressource und als Infrastrukturgut möglich: Hier ist es das Gut Wasser, welches im Rahmen der Siedlungswasserwirtschaft die eigentliche Infrastruktur, die Zu- und Ableitungen determiniert, ist doch die Versorgung mit der technischen Ausstattung ohne die Zuleitung der Ressource Wasser nicht zielführend. Sofern also für die Ressource Rivalität im Konsum vorliegt, ist davon auch die Infrastruktureinrichtung (zumindest mittelbar) betroffen. Wasser, welches über individuelle Zuleitungen geliefert wird, dient in der Regel als Trink- oder Brauchwasser. In beiden Verwendungen wird es durch die Nutzung in seinen Guteigenschaften insofern verändert, als dass es nicht gleichzeitig oder in kurzem zeitlichen Abstand von einem weiteren Nutzer verwandt werden kann. Für Trinkwasser gilt dies, da es durch den menschlichen Konsum dem Wasserkreislauf vorübergehend gänzlich entzogen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt als Abwasser wieder zugeführt wird. Brauchwasser, ζ. B. für Dusche und WC-Spülung, wird zwar kurzfristig als Abwasser zurück in den Wasserkreislauf gespeist, muss jedoch gereinigt bzw. anderweitig aufbereitet werden, bevor es in einer anderen Verwendung genutzt werden kann. 24 Eine Einheit Wasser, welche von einem Nutzer konsumiert wird, steht also - zumindest temporär und ohne weitergehende Behandlung - keinem weiteren Nutzer zur Verfügung. Damit ist ein Rivalitätsgrad von λ=1 oder zumindest nahe 1 anzunehmen. Differenziert man zwischen der Ressource und der Wasserinfrastruktur, ist festzustellen, dass bei der Nutzung der hardware eine geringere Rivalität vorliegt als für die Ressource selbst, da eine gleichzeitige Nutzung des Leitungsnetzes durch mehrere Nutzer zumindest theoretisch denkbar wäre, während dies für die Ressource selbst nicht gilt. 2.5.1.2. Wasserinfrastruktur - Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer Bezüglich des Parameters Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer ist die Unterscheidung zwischen leitungsgebundener Wasserversorgung sowie der Ressource Wasser im Sinne einer natürlichen Ressource relevant. Die Exklusion potentieller Nutzer ist im Fall der natürlichen Ressource zu vertretbaren Kosten per se nicht möglich, da eine umfassende Kontrolle der Entnahmen zu jeder Zeit an jedem Ort und ggf. die Ahndung von Verstößen nicht organisierbar und finanzierbar ist (Cassel und Rüttgers 2009). So haben ζ. B. nicht zahlungswillige Nutzer dennoch Zugang zu öffentlichen Gewässern und könnten dort theoretisch Wasser für den eigenen Verbrauch entnehmen, ein Trittbrettfahrerproblem ist also grundsätzlich gegeben. Im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung ist eine Exklusion jedoch recht einfach möglich (Hartwig 2005, S. 17). Theoretisch wäre hier die Möglichkeit gegeben,
Die Nutzung von Abwasser ohne voherige Aufbereitung hat in der Vergangenheit zwar stattgefunden, ζ. B. in der Bewässerungslandwirtschaft, wird jedoch aktuell aufgrund möglicher Gesundheitsgefährdungen kaum mehr eingesetzt.
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nur (im Voraus) zahlende Nutzer überhaupt an das Wassernetz anzuschließen bzw. Nichtzahler ex post physisch vom Netz zu trennen oder die Zulieferung der Dienstleistung einzustellen. Da sich in der Praxis eine physische Trennung vom Netz technisch recht schwierig gestaltet und mit hohen Kosten verbunden ist, da sie dezentral vor Ort erfolgen muss, ist an dieser Stelle die Einstellung der Zulieferung durch den Versorger der reguläre Sanktionsmechanismus. Für den Bereich der Abwasserentsorgung ergeben sich die oben aufgeführten Optionen grundsätzlich ebenfalls. Da Abwasserentsorgung über Leitungssysteme ausschließlich in Zusammenhang mit der Zulieferung von Wasser für die Spülanlage funktioniert, bedeutet die Einstellung der Wasserversorgung also automatisch die Nichtnutzbarkeit der Abwasserentsorgung. Eine Sanktion über die Einstellung der Wasserversorgung ist also auch in diesem Fall wirksam. Wasserversorgung ebenso wie Abwasserentsorgung kann also diesen Überlegungen folgend als Individualgut angesehen werden, da sowohl Rivalität im Konsum als auch Exkludierbarkeit zahlungsunwilliger Nutzer vorliegt (Anand 2007, S. 10). Damit ist wäre aus Sicht der Kollektivguttheorie eine grundsätzliche Voraussetzung für die Möglichkeit einer marktlichen Bereitstellung gegeben. 2.5.2. Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft 2.5.2.1. Leitungsgebundene Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als natürliches Monopol Neben den oben diskutierten Eigenschaften der Wasserinfrastruktur sind weitere Überlegungen von Bedeutung, wenn die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit des Einbezugs privatwirtschaftlicher Unternehmen im Bereich der Wasserdienstleistungen beantwortet werden soll. Dazu müssen die einzelnen Wertschöpfungsstufen der Wasserinfrastruktur gesondert betrachtet werden; diese ergeben sich als (Rüttgers 2005, S. 31): — Wassergewinnung, — Wasseraufbereitung und Wasserspeicherung, — Wassertransport und — Wasserverteilung Die einzelnen Produktionsstufen sind darauf hin zu überprüfen, ob Kennzeichen eines beständigen, nicht angreifbaren natürlichen Monopols vorliegen, welches Marktversagen 25 induziert und damit einen staatlichen Eingriff rechtfertigen könnte (Cassel und Rüttgers 2009). Da detaillierte Kostenstudien zur Wasserinfrastruktur weitgehend fehlen, ist an dieser Stelle aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen vorzugehen. Es zeigt sich, dass der größte Teil der Investitionen - rund 60 Prozent - in der Wasserinfrastruktur auf den Produktionsstufen Transport und Verteilung, also für das eigentliche Rohr-
Synonym zum Begriff ,Marktversagen' wird in der ökonomischen Theorie auch der Terminus , Marktun Vollkommenheiten' verwandt, um das Nichtfunktionieren von Märkten zu bezeichnen.
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netz, anfällt (Rüttgers 2005, S. 33). Dies lässt vermuten, dass die durch Investitionen verursachten Kapitalkosten einen höheren Anteil an den Gesamtkosten dieser Produktionsstufen haben als an den Gesamtkosten über alle Produktionsstufen hinweg. Die Produktionsstufen Transport und Verteilung stehen daher im Fokus der nachfolgenden Analyse, führen obige Überlegungen doch zu der Annahme, dass es dieser Teil der Wasserinfrastruktur ist, der möglicherweise als monopolistischer bottleneck26 anzusehen ist. Für die sonstigen Produktionsstufen der Wassergewinnung und Wasseraufbereitung ebenso wie die mit Wasserversorgung verbundenen Dienstleistungen, wie ζ. B. der Abrechnung beim Endverbraucher, ist dies nicht plausibel anzunehmen (Cassel und Rüttgers 2009). Grundsätzlich gilt, dass ein einzelner Anbieter bei Vorliegen eines natürlichen Monopols den Markt zu geringeren Kosten bedienen kann als mehrere Anbieter. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es demnach sinnvoll, dass nur ein einzelnes Unternehmen den gesamten Markt abdeckt (Oelmann 2008, S. 113). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es an dieser Stelle für den Monopolisten die dominante Strategie, potentielle Konkurrenten am Markteintritt zu hindern, um auf diese Weise die für ihn anfallende sog. „Monopolrente" zu sichern. Diese ergibt sich aus seiner Preissetzung, bei welcher die Grenzkosten den Grenzerlösen entsprechen (Cournot-Preis). Darüber hinausgehend können weitere Wohlfahrtverluste durch sog. X-Ineffizienzen entstehen - Effizienzverluste in der Produktion des Monopolisten, die durch mangelnde Konkurrenz bedingt sind (Rüttgers 2005, S. 14 f.). Mit diesen Wohlfahrtsverlusten wird traditionell der regulatorische Eingriff durch den Staat gerechtfertigt. Notwendige und hinreichende Bedingungen für das Vorliegen eines natürlichen Monopols sind im Einzelnen: — Strenge Subadditivität der Kostenfunktion im relevanten Bereich und — Skalenerträge bei der Produktion. Subadditivität der Kostenfunktion bedeutet dabei, dass im Bereich der relevanten Nachfrage die Durchschnittskostenkurve fällt bzw. nicht ausreichend wieder steigt, so dass für ein zweites Unternehmen kein Anreiz besteht, in den Markt einzutreten (Oelmann 2008, S. 113; Blankart 2008 7 , S. 56). Eine Kostenfunktion C(y) ist „subadditiv in der Menge aller Güter, wenn für jede Menge von Outputvektoren { yi, ..., ym } gilt" (Knieps 2005 2 , S. 23): C(y0+
••• + C(ym)>C(yi
+
...+ym).
Der Begriff bottleneck bezeichnet denjenigen Bereich, der durch versunkene Kosten in Verbindung mit hohen Fixkosten gekennzeichnet ist; hier besteht in einem natürlichen Monopol stabile Marktmacht, welche Regulierung erfordert. Monopolistische bottlenecks sind insofern regulierungsbedürftig, als dass zum einen die Gefahr einer Monopolpreisabschöpfung durch den Anbieter besteht, zum anderen die Zugangsbedingungen zu eben diesen bottlenecks so gestaltet werden, dass Wettbewerb in komplementären Teilmärkten möglich wird (Knieps 20052, S. 32 f.).
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Subadditivität entsteht für den Einproduktfall durch Größenvorteile (economies of scale)27, die durch ein Sinken der Durchschnittskostenkurve bei steigender Ausbringungsmenge und einen Verlauf der Grenzkosten unterhalb der Durchschnittskosten gekennzeichnet sind (Knieps 2005 2 , S. 24) 28 . Das Vorliegen von Größenvorteilen ist für die Siedlungswasserwirtschaft eindeutig festzustellen: Die bei der Produktion von Wasserdienstleistungen anfallenden Kosten sinken mit der absolut produzierten Menge. Diese economies of scale entstehen, da in der Wasselinfrastruktur der mengenunabhängige Fixkostenanteil bei Produktion und Bereitstellung sehr hoch ist (ζ. B. bedingt durch die Verlegung des notwendigen Netzes oder den Bau einer Aufbereitungsanlage), die mengenabhängigen variablen Kosten dagegen recht niedrig ausfallen. Insgesamt kann von einem Verhältnis von 10:1 ausgegangen werden (Kluge und Scheele 2008, S. 18). Auch entstehen Bündelungsvorteile, die sich aus der sog. ,Zwei-Drittel-Reger ergeben: Da bei einer Vergrößerung des Durchmessers einer Leitung deren Volumen stärker zunimmt als der Rohrumfang (welcher jedoch die Kosten verursacht), kann die Versorgung vieler Haushalte durch einen Versorger günstiger erfolgen als durch mehrere Anbieter (Knieps 2005 2 , S. 22). 29 Stochastische Größenvorteile ergeben sich aus der Tatsache, dass unvorhergesehene Ereignisse wie Instandhaltungsbedarf oder spontane Nachfrageschwankungen mit zunehmender Netzgröße leichter kalkulierbar sind, da - entsprechend dem Gesetz der großen Zahl - Abweichungen vom Durchschnitt zunehmend unwahrscheinlicher werden (Fritsch et al. 2007 7 , S. 182; Rüttgers 2005, S. 42). Hier ist - mit Wasserversorgung als klassischem Einproduktfall - ein direkter Zusammenhang mit dem Vorliegen eines natürlichen Monopols gegeben, obwohl die beiden Konzepte nicht als identisch angesehen werden können (Knieps 2005 2 , S. 24). Für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung bedeutet dies, dass die Verlegung der Zu- und Ableitungen bis zum Endverbraucher, welche einen erheblichen Anteil der Gesamtkosten der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur ausmacht, ökonomisch effizienter erfolgt, sofern sie nur einmalig durchgeführt wird (Kluge und Scheele 2008, S. 18). Es ist jedoch in Frage zu stellen, ob das Konzept der economies of scale im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Wasserversorgung durchgängig tragfähig ist. An dieser Stelle ist zu trennen zwischen der Wasserinfrastruktur - im Einzelnen den Zuund Ableitungen - und der Ressource Wasser selbst: Bedingt durch steigende Nachfrage im Zuge von Bevölkerungswachstum und Urbanisierung insbesondere in Entwicklungsländern und die damit verbundene Erschöpfung oberflächennaher und daher leicht
Diese liegen vor, „falls eine proportionale Erhöhung aller Inputfaktoren eine übeiproportionale Erhöhung aller Outputkomponenten bewirkt" (Knieps 20052, S. 24). Knieps geht darüber hinaus auf den Sonderfall ein, dass sehr wohl auch ein natürliches Monopol vorliegen kann, wenn die Größenvorteile bereits ausgeschöpft sind; damit sind Größenvorteile im Einproduktfall als hinreichende, jedoch nicht notwendige Bedingung für ein natürliches Monopol anzusehen; für den Mehrproduktfall sind Größenvorteile weder als hinreichend noch als notwendig anzusehen. Dieser Vorteil ergibt sich sowohl für eine gegebene Versorgungsstrecke als auch für eine „Vernetzung verschiedener Strecken in der Fläche" (Knieps 20052, S. 22) und gilt unabhängig von der Netzstruktur.
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zu fördernder Vorkommen ist davon auszugehen, dass die Kosten durch die notwendige Erschließung alternativer Wasserquellen - ζ. B. Wasser aus Aquiferen 30 in größeren Tiefen - und die Aufbereitung von Abwasser ansteigen. Dies kann in Extremfällen zu einer Überkompensation von Größenvorteilen führen (Spulber und Sabbaghi 19982, S. 198).31 Betrachtet man den ggf. notwendig werdenden Transport über längere Strecken, ist hier der Fall denkbar, dass die bei Bereitstellung durch nur ein Versorgungsnetz anfallenden Bündelungsvorteile durch die notwendig werdenden Leitungsumwege überkompensiert werden (Knieps 2005 2 , S. 22). Steigt die nachgefragte Wassermenge erheblich an, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der „steigende Ast der Durchschnittskostenkurve des etablierten Anbieters erreicht und somit eine parallele Transportleitung ökonomisch sinnvoll wird" (Rüttgers 2005, S. 43). In einem derartigen Fall besteht keine zwingende Logik, dass diese neue Leitung durch den bereits im Markt aktiven Anbieter günstiger bereitgestellt werden kann als durch den Marktneuling, sind doch vor dem Hintergrund des hohen Anteils der Kapitalkosten an den Gesamtkosten eventuelle Einsparungen, ζ. B. durch bereits geschultes Personal zu vernachlässigen. Insbesondere für lange Versorgungsleitungen mit einem hohen Durchlauf können damit die Größenvorteile entfallen. Die Feststellung eines natürlichen Monopols alleine kann nicht als ausreichend für eine evtl. notwendige Regulierungstätigkeit angesehen werden. Entsprechend der theoretischen Überlegungen zu angreifbaren Märkten (contestable markets) muss vielmehr an dieser Stelle geprüft werden, ob das bestehende natürliche Monopol angreifbar ist, d. h. inwieweit Anreize für andere Unternehmen bestehen, in den Markt einzutreten und damit letztendlich die Möglichkeit eines potentiellen Marktzutritts anderer Anbieter als Substitut für den fehlenden Wettbewerb im Markt dienen kann (Knieps 2005 2 , S. 29 ff.). Ist ein natürliches Monopol angreifbar, besteht also Wettbewerb um den Markt, kann schon dieser potentielle Wettbewerb disziplinierend wirken, so dass dadurch aktiver Wettbewerb ersetzt wird. Die Nichtangreifbarkeit eines natürlichen Monopols ist gekennzeichnet durch folgende Eigenschaften: 32 — Es bestehen hohe versunkene Kosten (sunk costs', auch: Marktaustrittskosten), — die Möglichkeit des freien Markteintritts für potentielle Wettbewerber fehlt und
Bei Aquiferen handelt es sich um unterirdische Gesteinsschichten, welche über Hohlräume verfügen und damit dazu geeignet sind, Grundwasser zu leiten. Hier besteht eine Parallele zum klassischen Beispiel der Differentialrente der Bodennutzung von David Ricardo (dazu Hollander 1979) und den darauf aufbauenden Erkenntnissen zur Übertragbarkeit auf andere Ressourcen von Johann Heinrich von Thünen (zur Debatte um Formen und Theorieentwicklung der Differentialrente Stavenhagen 19694, S. 251 ff.). Die in diesem Konzept vorliegende Unterscheidung in Bonitätsrente (unterschiedliche Fruchtbarkeit/Erträge), Intensitätsrente (unterschiedliche Intensität der Bebauung/Förderung) und Lagerrente (unterschiedliche Marktferne) ist durchaus auch auf die Ressource Wasser anzuwenden. Unter der Annahme des Nash-Bertrand-Verhaltens der Akteure. Die Nash-BertrandAnnahme geht davon aus, das potentielle Wettbewerber den bestehenden Preis des Monopolisten als gegeben annehmen und sich an diesem orientieren und die Kunden über vollständige Informationen verfügen, welche dazu führen, dass sie bei Preisänderungen unmittelbar zum günstigeren Anbieter wechseln (Knieps 20052, S. 30).
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— Ausweichmöglichkeiten der Endnutzer auf Alternativen (intermodale Konkurrenz) existieren nicht. Angreifbar ist ein Markt dann, wenn der Marktzutritt frei und kostenlos möglich ist, d. h. der neu in den Markt eintretende Wettbewerber gegenüber dem bereits im Markt aktiven Unternehmen keine Kostennachteile zu erwarten hat. Dies ist dann der Fall, wenn keine versunkenen Kosten existieren. Sofern in einem natürlichen Monopol hingegen irreversible Kosten vorliegen, die einen hinreichend hohen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, ist das natürliche Monopol als beständig, d. h. nicht angreifbar, anzusehen (Knieps 2005 2 , S. 32 f.). Für die Siedlungswasserwirtschaft ist die Existenz von sunk costs33 zu bejahen. Diese sind in der Netzstruktur des größten Teils der Gesamtanlage begründet: Da das bestehende Versorgungsnetz nicht nachträglich einer anderen Verwendung zugeführt werden oder materialisiert werden kann, sind bei Betriebseinstellung die getätigten Investitionen als verloren anzusehen (Blankart 2008 7 , S. 56). Dies bedeutet aber, dass das bereits im Markt aktive Unternehmen, welches diese Investitionen bereits getätigt hat, an dieser Stelle einen Vorteil hat, weil für dieses die getätigten Kosten nicht länger entscheidungsrelevant sind: „Da es keinen fungiblen Markt für gebrauchte Wassernetze gibt, wird der etablierte Wasserver- oder Abwasserentsorger de facto keine Opportunitätskosten aufweisen und im Falle eines Preiskampfes mit einem Wettbewerber auch über längere Zeit zu Grenzkosten anbieten" 3 4 (Oelmann 2008, S. 113). Hier wäre das neu in den Markt eintretende Unternehmen, das die Investitionen tätigen muss, bevor es mit der Produktion beginnen kann, nicht konkurrenzfähig. Damit kann festgestellt werden, dass Markteintrittsschranken bestehen, welche Wettbewerb um den Wassermarkt verhindern. Die Bedingung der fehlenden intermodalen Konkurrenz ist im Bereich der Wasserinfrastruktur als gegeben anzusehen, gibt es doch kein anderes Produkt, welches alle Verwendungsarten von Wasser abdeckt. Als Substitut für Trinkwasser wären an dieser Stelle abgefülltes Flaschenwasser oder andere Getränke denkbar, ebenso wie nicht abgefülltes Wasser aus Tankwagen oder natürlichen Quellen, welches zusätzlich auch ein Ersatz für Brauchwasser bieten könnte. Eine Substituierbarkeit von Brauchwasser durch grundsätzlich andere Güter besteht jedoch nicht (Storer 1995, S. 262). Die für die Ressource Wasser vorliegende Kreuzpreiselastizität von Null stellt hier einen deutlichen Hinweis dar. Die genannten Ausweichmöglichkeiten sind jedoch zum einen kein vollständiges Substitut, da sie jeweils nur ein Teilspektrum der Nutzungsmöglichkeiten abdecken. Zum anderen sind sie erheblich teurer. So sind die Preise für Wasser aus Kanistern um das 10- bis 20-fache gegenüber dem Bezug leitungsgebundenen Wassers erhöht; andere Getränke als partielles Substitut in der Regel teurer (Faruqui 2001a, S. 18). Daher besteht aus Mangel an Alternativen für den aktuellen Anbieter die Möglichkeit,
Versunkene oder synonym irreversible Kosten sind allgemein für das bereits am Markt agierende Unternehmen nicht länger entscheidungsrelevant, für den potentiellen Wettbewerber dagegen schon - steht dieser doch vor der Entscheidung, diese ggf. versunkenen Investitionen zu tätigen, um in den Markt einzutreten (Knieps 20052, S. 32). Diese Feststellung gilt nicht nur für das Leitungsnetz, sondern mit geringen Einschränkungen auch für die weiteren Teile der Anlage wie Aufbereitungsanlage oder Speicherbecken.
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die Qualität seines Angebots recht weit zu senken, ohne dass ein Abwandern der Kunden zu befürchten wäre. Es existiert also in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ein nicht bestreitbares, durch hohe versunkene Kosten und mangelnde intermodale Konkurrenz gekennzeichnetes Monopol in den Wertschöpfungsstufen Transport und Verteilung. 2.5.2.2. Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft als Begründung für staatliche Eingriffe Ein Kriterium, mit „dessen Hilfe sich die Grenze des Marktversagens mit wissenschaftlicher Exaktheit bestimmen ließe" (Fritsch et al. 20077, S. 82) existiert nicht. Vielmehr ist für jeden Einzelfall die Bewertung notwendig, inwieweit ein Markt funktioniert oder ob und in welchem Maße ein staatlicher Eingriff notwendig ist. Dennoch gibt es eine Reihe von Charakteristika, deren Vorliegen Märkte in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich einschränkt; die ökonomische Theorie systematisiert diese wie folgt (.Fritsch et al. 20077, S. 82; Hartwig 2005, 17; Mühlenkamp 2004, S. 2 f): — Öffentliche Güter, — externe Effekte, — Unteilbarkeiten bzw. Größenvorteile, — Informationsmängel sowie — Anpassungsmängel und — meritorische Güter/verzerrte Präferenzen. Aus dem Vorliegen dieser Anzeichen folgt jedoch nicht unmittelbar ein staatlicher Eingriff, kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass der Staat tatsächlich in diesen Fällen eine Allokationsverbesserung herbeiführen kann (Fritsch et al. 2007 7 , S. 83). Dieser Nicht-Automatismus liegt darin begründet, dass eine derartige Schlussfolgerung einen „Vergleich der Ergebnisse eines nicht realisierbaren Allokationskalküls und einer nicht realisierbaren Modellmechanik mit der Wirklichkeit [bedeuten würde]" (Streit 20056, S. 22).35 Da gemäß des Modells der vollständigen Konkurrenz auf nahezu jedem Markt Marktversagen vorliegen würde, wäre der Spielraum für beständigen staatlichen Eingriff gegeben - selbst in Bezug auf diejenigen Annahmen des Modells, deren Nichtzutreffen möglicherweise sogar sinnvoll ist (Fritsch et al. 20077, S. 65). Ein Fehlschluss wäre an dieser Stelle also der Vergleich des Marktversagens einerseits und einer angenommenen perfekten staatlichen Lösung andererseits. Eine entsprechende perfekte Lösung setzt Informationen voraus, welche in der Realität nicht vorhanden oder nur schwerlich zu beschaffen sind, ζ. B. über die entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten einer Intervention.
Demsetz (1969) beschreibt diesen ,Nirvana-Ansatz' wie folgt: „In practice, those who adopt the nirvana viewpoint seek to discover discrepancies between the ideal and the real and if discrepancies are found, they deduce that the real is inefficient" (Demsetz 1969, S. 1).
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Auch werden regelmäßig anfallende Transaktionskosten sowie die mit einem staatlichen Eingriff ggf. verbundenen Ausgaben ignoriert. Die perfekte Modellösung ist somit realistisch nicht zu erreichen (Fritsch et al. 2007 5 , S. 83; Streit 2005 6 , S. 22 f.). 36 Darüber hinaus sind die Kosten eines korrektiven staatlichen Eingriffs zur Heilung des Marktversagens den gesamtwirtschaftlichen Kosten des bestehenden Marktversagens gegenüberzustellen. Staatlicher Handlungsbedarf wäre entsprechend nur dann zu konstatieren, wenn die Kosten des Marktversagens die „Folgekosten seiner Therapie insgesamt übersteigen" (Knorr 2005, S. 40). Abschließend muss - sofern ein staatlicher Eingriff als geeignete Lösung festzustellen ist - der Eingriff auf diejenige Wertschöpfungsstufe begrenzt sein, auf der das Marktversagen vorliegt und der Eingriff muss insgesamt auf das erforderliche Minimum beschränkt werden (Knorr 2005, S. 40). 37 Das Vorliegen eines natürlichen Monopols begründet somit nicht ohne weitere Überprüfung staatliches Handeln, ebenso wenig wie die Existenz eines meritorischen Gutes - obgleich dieses normative Konzept oftmals als Rechtfertigung eines solchen Eingriffs dient (Zimmermann und Henke 2001 8 , S. 51). Um die Möglichkeit einer (zumindest partiellen) privatwirtschaftlichen Bereitstellung von Wasserinfrastruktur beantworten zu können, ist also zu prüfen, ob trotz des bestehenden natürlichen Monopols auf dem Sektor ein funktionsfähiger Markt zustande kommen kann oder dieser zwangsläufig versagen muss, bzw. ob andere Eigenschaften der Wasserinfrastruktur die marktliche Bereitstellung verhindern. Für die Siedlungswasserwirtschaft ist, wie oben erläutert, ein nicht bestreitbarer monopolistischer bottleneck in den Bereichen Wassertransport und -Verteilung gegeben, welcher einen regulatorischen Eingriff auf dieser Wertschöpfungsstufe rechtfertigen dürfte. Darüber hinaus zu diskutieren ist auch die Frage nach eventuell mit der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur verbundenen externen Effekten. .Extern' heißt an dieser Stelle 'außerhalb des Marktmechanismus". Sowohl positiv als auch negativ anfallende Extemalitäten werden also nicht durch den Preis eines Gutes abgebildet. Dieser fällt damit - je nachdem, ob eine Externalität positiv oder negativ ausfällt - im Sinne der ökonomischen Theorie zu niedrig oder zu hoch aus. Die Extemalitäten können nicht ausschließlich auf der Stufe des monopolistischen Engpasses auftreten, sondern durchaus auch auf anderen Produktionsstufen, so dass diese mit berücksichtigt werden müssen.
Nun könnte grundsätzlich argumentiert werden, dass das Modell der vollständigen Konkurrenz die Realität nur ungenügend abbildet. Dies gilt jedoch für alle Modelle - würden sie die Realität vollständig abbilden, entbehrten sie ihrer Vereinfachungsfunktion und wären damit überflüssig (Fritsch et al. 20077, S. 64). Es ist also zu diskutieren, ob das Modell dazu angetan ist, zur Problemerklärung bzw. -lösung beizutragen. Ist dies der Fall, können zumindest für jeden einzelnen betrachteten Fall aus einer Abweichung real existierender Tatbestände von modelltheoretisch idealen Zuständen Ineffizienzen abgeleitet werden, aus denen ggf. staatliches Handeln folgen kann. Darüber hinaus sollte der staatliche Eingriff zeitlich begrenzt sein. Ggf. kann die fortbestehende Notwendigkeit staatlicher Korrekturmaßnahmen geprüft und entsprechend die Maßnahme bei Bedarf verlängert werden.
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Die Entnahme von Wasser aus natürlichen Speichern kann bereits negative Externalitäten verursachen. Zum einen kann dies durch die Beeinträchtigung weiterer potentieller Nutzer direkt im Rahmen eines Allmendeproblems geschehen, zum anderen durch den automatisch erfolgenden Eingriff in das natürliche Gewässersystem, welcher zu negativen Auswirkungen auch an anderen, nachgelagerten Stellen des Ökosystems führen kann (Cassel und Rüttgers 2009). Bezüglich der eigentlichen Infrastruktur kann davon ausgegangen werden, dass eine funktionierende Wasserinfrastruktur einen positiven Einfluss auf die gesamtvolkswirtschaftliche Entwicklung hat, ζ. B. durch die Abnahme wasserinduzierter Krankheiten durch die Wasseraufbereitung und die anschließende Bereitstellung qualitativ hochwertigen Trinkwassers sowie eine suffiziente Abwasserentsorgung. Auch sind gesellschaftliche Effekte zu erwarten wie ζ. B. die Entlastung von Frauen und Mädchen, welche traditionell für Wasserbeschaffung zuständig sind. Positive externe Effekte der entsprechenden Infrastruktur können daher abgeleitet werden. Es sind jedoch auch negative externe Effekte denkbar. Diese können ζ. B. durch Verschmutzungen und ggf. daraus resultierende Krankheiten, bedingt durch Leckage von Abwasserleitungen, entstehen (Anand 2007, S. 10). Darüber hinaus ist ein Externalitätenproblem denkbar, wenn ein einziges Wassernetz von mehreren Produzenten gemeinsam genutzt wird. Hier ist eine Vermischung unterschiedlicher Wasserqualitäten gegeben. Eine gute oder schlechte Qualität des jeweils eingespeisten Wassers hat also entsprechend „positive oder negative Auswirkungen auf jene Qualität, die bei den Kunden des Konkurrenten ankommt" (Cassel und Rüttgers 2009). Im Gesamtergebnis kann dadurch im Extremfall die Wasserqualität auf ein sehr niedriges Niveau sinken, da in einem derartigen Versorgungssystem für jeden Anbieter ein Anreiz besteht, nicht hochwertiges Wasser, sondern eher schlechte Qualität zu liefern (race to the bottom). Im Zusammenhang mit positiven externen Effekten kann auch von Wasserinfrastruktur als meritorischem Gut gesprochen werden: Das Konzept meritorischer Güter geht auf Musgrave (1959) zurück und bezeichnet allgemein Güter und Dienstleistungen, welche mit besonderen Verdiensten und Vorteilen für die Gesellschaft verbunden sind (Musgrave 2005, S. 126). Neben dem offensichtlichen Nutzen für den einzelnen Konsumenten entsteht durch diese Güter ein quasi ,verborgener Nutzen', der in Form von positiven externen Effekten allen Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung steht.38 Sofern das für diese Güter entstehende Verteilungsergebnis nicht dem politisch gewünschten Ergebnis entspricht, erfolgt hier ein staatlicher Eingriff auf Grundlage verteilungspolitisch erwünschter Zielvorstellungen, eine ökonomische begründete Legitimation fehlt (Knorr 2005, S. 41). Für den betrachteten Fall der Wasserinfrastruktur kann die Eigenschaft als meritorisches Gut angenommen werden, da der Wert der Serviceprovision gesamtgesellschaftlich gesehen höher ausfällt als der Wert für die individuelle Nachfrage (Puwein et al. 2004, S. 4 f.). Abschließend ist festzuhalten, dass die Angebotsseite von leitungsgebundener Wasserinfrastruktur durch das Vorliegen eines natürlichen Monopols mit hohen Investitionen, einer langen Lebensdauer von bis zu 80 Jahren und langen Rückzahlungsperioden sowie die (zumindest potentielle) Existenz von externen Effekten gekennzeichnet ist.
Zur Diskussion Uber meritorische Güter im Einzelnen Musgrave (1959) und (2005).
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Eine Doppelung des Netzes ist also nicht effizient, auch die Nutzung des Netzes durch mehrere Anbieter gestaltet sich in der Regel schwierig: Im Sinne einer Qualitätssicherung ist die Nutzung eines Netzes durch verschiedene Anbieter problematisch, da diese durchaus unterschiedliche Standards die Wasserqualität betreffend haben können. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Ressource ist jedoch nicht klar identifizierbar, welches Wasser letztendlich beim Endabnehmer ankommt (Baumert und Bloodgood 2004, S. 4). Dieser bezahlt damit aufgrund der vorliegenden Informationsasymmetrie im Extremfall für eine (gute) Wasserqualität, welche er nicht erhält. Damit wäre im Falle von leitungsgebundener Wasserversorgung und Abwasserversorgung festzustellen, dass stabile Marktmacht vorliegt, das Monopol also nicht angreifbar ist (etwa Haarmeyer und Mody 2005, S. 506; Kluge und Scheele 2008, S. 17). Die somit vorliegende Marktzutrittsbarriere 39 erfordert aus Sicht der ökonomischen Theorie in der Regel einen staatlichen Eingriff, um die bestehende Marktmacht zu disziplinieren. 2.5.2.3. Staatliche Eingriffe zur Heilung von Marktversagen in der Siedlungswasserwirtschaft Bevor zur Verfügung stehende Regulierungsinstrumente diskutiert werden sollen, muss an dieser Stelle geklärt werden, ob Alternativen für direkte staatliche Regulierungstätigkeit existieren und wie diese gestaltet sein können. Eine Möglichkeit ergibt sich aus dem auf Überlegungen von Demsetz (1968, S. 55 ff.) und auch schon Chadwick (1859, S. 381 ff.) beruhenden Konzept der Versteigerung des bestehenden, nicht bestreitbaren Monopols. Den Zuschlag erhält in einem solchen Fall deijenige Bieter, der den Verbraucher zu den günstigsten Preisen zu bedienen vermag bzw. dasjenige Unternehmen, das bei gegebenen Preisen die besten Konditionen für den Kunden anbieten kann (Lajfont 1994, S. 521). Die Voraussetzungen für eine derartige Versteigerung des Rechtes, den Markt als Monopolist zu bedienen, sind im Einzelnen (Bracht 1998, S. 22; Oelmann 2008, S. 121 f.): — eine hinreichend große Anzahl an Bietern, — die Verfügbarkeit der für den Betrieb notwendigen Inputs zu Wettbewerbspreisen — keinerlei Absprache zwischen den Bietern sowie — die Verpflichtung für den Monopolisten, alle zahlungswilligen Kunden und damit die komplette Marktnachfrage zu bedienen. Unter diesen Voraussetzungen ist durch die Versteigerung im Sinne eines .Wettbewerbs um den Markt' eine Second-best-Lösung gegenüber eine funktionierenden Markt erreichbar - die Bieter werden in einem solchen Fall ihre Gebote auf Durchschnittskostenniveau senken, welches keine zusätzlichen Gewinne mehr erlaubt. Dies gilt auch dann, wenn Märkte nicht angreifbar sind, und ist insofern vorteilhaft, als dass - im Gegensatz zu direkten regulatorischen Maßnahmen - der staatliche Eingriff relativ schwach bleibt. Dennoch verbleibt bei einem derartigen Vorgehen ein PrinzipalAgenten-Problem zwischen der Instanz, welche das Recht versteigert (in der Regel also
Äquivalent besteht für das bereits im Markt aktive Unternehmen eine Marktaustrittsbarriere.
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dem Staat), als Prinzipal und dem Unternehmen als Agenten: Um eine ex post erfolgende, nicht überprüfbare Qualitätsreduktion durch den Agenten zu verhindern, müssen verbindliche Qualitätsstandards gesetzt werden, die staatlich überwacht werden - ein in der Realität schwerlich mögliches und kostenintensives Verfahren. Darüber hinaus ist - vor dem Hintergrund des unvollständigen Vertrages zwischen den beiden Parteien - ein Verfahren notwendig, welches es ermöglicht, den Monopolpreis anzupassen, sollte dies notwendig werden, etwa bedingt durch steigende Preise von Inputfaktoren (Bracht 1998, S. 23). Als Lösung ist hier ein Ansatz denkbar, der einen zeitlich begrenzten Vertrag vorsieht, welcher regelmäßig erneuert wird. Um hier jedoch ggf. für neue Anbieter das Problem der versunkenen Kosten zu überwinden, muss eine Übernahmemöglichkeit für das Netz (und damit die sunk costs) bestehen bzw. dieses müsste vom Betrieb getrennt werden (unbundling), so dass nur noch die eigentliche Nutzung des Netzes versteigert wird, die Eigentümerschaft jedoch in staatlicher Hand verbleibt. Ebenfalls kritisch hinterfragt werden muss die Annahme der Nicht-Kollusion. Es kann davon ausgegangen werden, dass Kollusion das rationale Verhalten für die Bieter darstellt, also auch hier ggf. eine Kontrolle erfolgen muss ( L a f f o n t 1994, S. 524). Darüber hinaus ist anzunehmen, dass - im Falle einer erneuten Ausschreibung - der bestehende Monopolist über einen erheblichen Informationsvorsprung gegenüber den neuen Bietern verfügt, welche zu einer generellen Zurückhaltung dieser bei der Gebotsabgabe führen werden. Mögliche Lösungen sind an dieser Stelle sowohl die Bevorzugung des weniger informierten neuen Bieters, welche ihn zur Abgabe eines Angebotes animieren soll, als auch die Bevorzugung des bestehenden Monopolisten - durch ein derartiges Vorgehen sollen möglicherweise auftretende Unterinvestitionen verhindert werden (Oelmann 2008, S. 123 f.). Darüber hinaus fallen in jeder erneuten Ausschreibung Transaktionskosten an, welche bei der Entscheidung über eine Versteigerung als geeingetes Instrument berücksichtigt werden müssen. Unabhängig davon gilt, dass der Bieterwettbewerb von demjenigen Unternehmen für sich entschieden wird, das „die Kosten für die Erbringung der ausgeschriebenen Dienstleistung am meisten unterschätzt" (Oelmann 2008, S. 123). Dieses als winner's curse bezeichnete Phänomen gilt es zu umgehen, um die Wirtschaftlichkeit für den siegreichen Bieter zu sichern; hier ist die Anwendung einer sog. second price auction sinnvoll, bei welcher der Gewinner denjenigen Preis für die Erbringung der Dienstleistung erhält, den der zweitplatzierte Wettbewerber gefordert hat (Oelmann 2008, S. 124). Insgesamt ist ein derartiges Vorgehen mit einem ,Wettbewerb um den Markt' durchaus eine Möglichkeit, um private Unternehmen mit der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur zu betrauen. Die restriktiven Annahmen und die somit in der Realität zu erwartenden Probleme schränken jedoch die Praktikabilität dieses Verfahrens erheblich ein. Dazu kommt die Tatsache, dass Wettbewerb als Entdeckungsverfahren im Hayek'sehen Sinne hier nicht stattfindet, da die zu erbringende Leistung vorgegeben ist (Rüttgers 2005, S. 11). Aufgrund der genannten Gründe werden regelmäßig andere Ansätze praktiziert, welche entsprechend geringere Anforderungen stellen. Insbesondere die kostenorientierte Preisregulierung und die Kapitalrenditenregulierung stellen hier traditionelle Konzepte dar, die weltweit auf verschiedenen Infrastruktursektoren Anwendung finden
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(Oelmann 2008, S. 114). Mit Blick auf die Wertschöpfungsstufe Netz als eigentlichem bottleneck könnte an dieser Stelle jedoch auch argumentiert werden, dass disaggregierte Regulierungsansätze hier das Mittel der Wahl sein könnten bzw. sollten, da eine Trennung von Netz und Betrieb möglich wäre und lediglich der störungsfreie Zugang aller Anbieter zum Netz gewährleistet werden müsste. Die kostenorientierte Regulierung beruht auf dem Prinzip, die für das Unternehmen bei der Produktion der jeweiligen Dienstleistung anfallenden Kosten zuzüglich eines Aufschlags (als Gewinnmarge) zu entgelten (mark-up; dazu ζ. B. Knieps 2005 2 , S. 90; Oelmann 2008, S. 114). Der Output wird in einem derartigen Fall über demjenigen eines unregulierten Monopolisten liegen, jedoch geringer als der wohlfahrtsmaximierende Output ausfallen (Knieps 2005 2 , S. 91 f.). In der Praxis ist die Anwendbarkeit dieses Konzeptes jedoch sehr eingeschränkt, müsste doch die regulierende Instanz die tatsächlichen Kosten der Unternehmung kennen (und ggf. auf den regulierten Bereich zurechnen können) - eine aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Regulierer und Reguliertem nicht anzunehmende Tatsache. Auch muss festgestellt werden, dass der Anreiz zur Kostenreduktion für das Unternehmen nicht gegeben ist. Die Reduktion der Kosten würde keine bzw. allenfalls eine temporäre Gewinnmöglichkeit bedeuten, da die regulierende Instanz diese Kostensenkung bei einer erneuten Festsetzung des Mark-up-Preises berücksichtigen wird (Oelmann 2008, S. 114 f.). Um diese Probleme zu umgehen, ist der Einsatz der Kapitalrenditenregulierung - Rate-of-ReturnRegulierung - denkbar. Dieses Verfahren, initial modelliert von Averch und Johnson (1962), betrachtet Regulierung nicht länger als Möglichkeit zur Erreichung wohlfahrtsmaximierender Preise und berücksichtigt das bestehende Problem der Informationsasymmetrien zwischen Regulierer und Reguliertem (Knieps 2005 2 , S. 86 f.). Unter der Annahme, dass der bestehende Kapitalstock eines Unternehmens besser beobachtbar ist als die tatsächlich anfallenden Kosten, wird bei diesem Verfahren eine bestimmte Verzinsung der Kapitalkosten festgesetzt. Die Folge dieses Regulierungsverfahrens ist jedoch regelmäßig ein relativ höherer Kapitaleinsatz, welcher allokative Verzerrungen nach sich zieht (Oelmann 2008, S. 116). Dennoch ist, insbesondere im Umfeld schwerlich zu beschaffender Informationen Uber die tatsächlichen Kostenstrukturen für die regulierende Instanz, dieses Regulierungsverfahren grundsätzlich als geeignet anzusehen. Während sich die bereits diskutierten Regulierungsverfahren grundsätzlich auf das gesamte Unternehmen über die Wertschöpfungsstufen hinweg beziehen, besteht mit den disaggregierten Regulierungsansätzen die Möglichkeit, gezielt den monopolistischen bottleneck zu regulieren. Dieser Regulierungsansatz beruht auf dem Konzept der essential facilities: Einrichtungen, welche wesentlich für potentiellen oder aktiven Wettbewerb sind, müssen dabei so reguliert werden, dass ein diskriminierungsfreier Zugang möglich ist; der regulatorische Eingriff ist jedoch auf diese bottlenecks zu begrenzen (.Knieps 2005 2 , S. 102 f.). Mit einem disaggregierten Regulierungskonzept ist sichergestellt, dass der regulatorische Eingriff nicht unnötig erfolgt 40 bzw. zu umfangreich ist, Unnötig im Sinne eines „Fehlers erster Ordnung", also eines regulatorischen Eingriffes, obwohl dieser nicht durch ein unangreifbares Monopol auf der jeweiligen Wertschöpfungsstufe gerechtfertig ist.
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während eine Regulierung auch der komplementären Wertschöpfungsstufen 41 als Überregulierung angesehen werden kann, da auch diejenigen Netzsektoren Gegenstand der Regulierung sind, auf denen durchaus funktionsfähiger Wettbewerb möglich wäre (Knieps 2005 2 , S. 95 f.). Als Regulierungsansätze, welche eine minimale Regulierungsbasis zum Gegenstand haben, sind an dieser Stelle das Prinzip der Preisobergrenzenregulierung {price cap) und (ergänzend) das der yarrfsficfc-Regulierung (,Als-obWettbewerb') zu diskutieren. Das von Stephen Littlechild im Jahr 1983 im Rahmen einer Studie für das britische Industrieministerium entwickelte Regulierungsverfahren des price cap berücksichtigt eventuelle Informationsasymmetrien und erlaubt dem Monopolisten Gewinne in Höhe des Betrages, welchen er einsparen kann bzw. insoweit es ihm gelingt, unterhalb der vom Regulierer vorgegebenen Preisobergrenzen zu bleiben (Oelmann 2008, S. 117). Für das Unternehmen besteht hier also der Anreiz zu kostenminimierendem Verhalten, da keine garantierte Rendite besteht; denkbar sind jedoch Qualitätseinbußen, welche aufgrund von Maßnahmen zur Kostensenkung entstehen können (RUttgers 2005, S. 22 f.). Da sich die Preisobergrenze nicht auf die Preisstruktur, sondern das Preisniveau bezieht, lässt es entsprechenden Spielraum zur Preisgestaltung für das Unternehmen. Dieses Verfahren ist unabhängig von der Kenntnis der Kosten(struktur) des regulierten Unternehmens durch den Regulierer und somit von den bestehenden Prinzipal-AgentenBeziehungen. Damit stellt es ein Regulierungsinstrument dar, welches gut geeignet ist, die verbleibende Marktmacht im monopolistischen bottleneck wirksam zu disziplinieren, wenn auch - abhängig vom Zeitraum, für welchen die Preisobergrenze gilt - ggf. Anreize für statische Arbeiten seitens des Unternehmens bestehen. Das System vergleichenden Wettbewerbs (yarctoic/:-Regulierung), begründet von Andrei Shleifer (1985, S. 326), orientiert sich an den Kostenstrukturen anderer Unternehmen, nicht derjenigen des regulierten Unternehmens selbst. Die Preisobergrenze wird entsprechend aus dem Vergleich mit einem fiktiven Vergleichsunternehmen ermittelt, welches aus den Kosteninformationen real existierender Vergleichsunternehmen gespeist wird. Voraussetzung für den Einsatz dieses Verfahrens ist damit die Existenz vergleichbarer Unternehmen - eine Bedingung, welche jedoch insbesondere bei ehemals staatlich bereitgestellten Dienstleistungen wie der Wasserversorgung zumindest nationale bzw. regional nicht durchgängig als gegeben angesehen werden kann. Dennoch kann dieses Verfahren das Kernproblem vieler Regulierungsverfahren, die bestehende Informationsasymmetrie, lösen, da für Unternehmen kein Anreiz besteht, dem Regulierer Informationen vorzuenthalten - werden diese Informationen doch ausschließlich zur Regulierung anderer Unternehmen verwandt. Auch erlaubt dieses Regulierung sowohl statisch als auch dynamisch effizientes Wirtschaften seitens des Unternehmens, gegenteilige Anreize fehlen hier (Oelmann 2008, S. 120).
Im Sinne einer umfassenden End-to-End-Regu\ierung, welche möglicherweise Wettbewerbsverzerrungen verhindert, jedoch zu ordnungspolitischen Verzerrungen in dem Sinne führt, als dass durch eine - wenn auch geeignete - globale Regulierung Wettbewerb nicht zu ersetzen ist.
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Die Wahl eines der diskutierten Regulierungsverfahren für den Bereich Wasserversorgung muss im Einzelnen entsprechend der nationalen Gegebenheiten erfolgen; die verschiedenen Regulierungsverfahren finden so denn auch in unterschiedlichen Teilen der Welt im Bereich Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Anwendung, sowohl in Europa (Preisobergrenzenregulierung in England und Wales, Ausschreibungswettbewerb in Frankreich) als auch international (Oelmann 2008, S. 114). Eine allgemeingültige Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren kann und soll daher an dieser Stelle nicht erfolgen; festzuhalten ist jedoch, dass verschiedene Regulierungsverfahren existieren, welche dazu angetan sind, die Marktmacht im monopolistischen bottleneck der Siedlungswasserwirtschaft zu disziplinieren. Der Status quo ist in vielen Staaten der Welt - darunter auch in den Staaten der MENA-Region - jedoch nicht von regulierter Bereitstellung durch privatwirtschaftliche Unternehmen gekennzeichnet, vielmehr wird in der Regel Wasserinfrastruktur vom öffentlichen Sektor 4 2 bereitgestellt. Dieses Vorgehen erscheint, wie oben diskutiert, aus Sicht der ökonomischen Theorie keineswegs gerechtfertigt, da ein Eingriff im Rahmen eines Regulierungsregimes geeignet wäre, die Serviceprovision durch private Unternehmen sicherzustellen. Der Staat hat an dieser Stelle also lediglich die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass diejenigen Schritte durchgeführt werden, die notwendig sind, um ein Funktionieren des Marktes zu gewährleisten (Gewährleistungsverantwortung des Staates). Er muss weder diese Schritte (Identifikation von Marktversagen, Bereitstellung eines Regulierungsregimes) zwangsläufig selbst durchführen noch die entsprechende Dienstleistung selber bereitstellen (Bereitstellungs- bzw. Erfüllungsverantwortung; siehe Mühlenkamp 2004, S. 3 f.). Damit ist festzuhalten, dass die staatliche Bereitstellung von Wasserinfrastruktur unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht gerechtfertig erscheint. 43 Sofern dies dennoch erfolgt, sind es andere, polit-ökonomisch motivierte Handlungskalküle, welche - freilich nur aus staatlicher Sicht - diesen Eingriff begründen.
2.6.
Ethisch und politisch motivierte Vorbehalte gegen den Einbezug des privatwirtschaftlichen Sektors in die Siedlungswasserwirtschaft
Neben der Erwägung wohlfahrtstheoretischer Argumente in der Frage der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur werden in der öffentlichen Diskussion auch andere Argumente angefühlt, welche sich sehr grundlegend von den wohlfahrtstheoretischen Argumenten unterscheiden.
Der Terminus .Öffentlicher Sektor' verweist an dieser Stelle auf alle Arten der öffentliche Verwaltung in Form der einzelnen Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Kommunen) sowie öffentliche Betriebe (rechtlich unselbstständige und selbstständige Unternehmen der Gebietskörperschaften; siehe dazu Mühlenkamp 2004, S. 3). Gleiches gilt über den Sektor der häuslichen Wasserversorgung und Abwasserversorgung grundsätzlich hinaus für die natürliche Ressource Wasser: Allgemein sind auch auf dem landwirtschaftlichen und industriellen Sektor natürliche Monopole und externe Effekte anzutreffen, die ein Marktversagen begründen (im Einzelnen dazu Ahmad 2001, S. 30 f).
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Solche Argumente verlassen in ihrer normativen Grundlegung den Rahmen der in der Wohlfahrtstheorie zulässigen Kriterien, indem sie auch solche gesellschaftlichen, politischen oder religiösen Kriterien zulassen, welche sich nicht auf das individuelle Wohl der Einwohner eines Landes zurückführen lassen. Die Argumentation der ethisch und politisch motivierten Vorbehalte beruht hier auf einer generellen Skepsis gegenüber der Privatwirtschaft sowie politischen Interessen, kann also nicht als methodologisch äquivalent zu den in Kapitel 2.5 getroffenen Überlegungen gesehen werden. Dennoch müssen sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgestellt und diskutiert werden, bilden sie doch - zumindest partiell - politische Realitäten ab und bestimmen somit das Vorgehen einzelner Staaten in Bezug auf den Einbezug der Privatwirtschaft zumindest mit. 44 Zu unterscheiden sind an dieser Stelle Argumentationsstränge, die in Industrie- wie Entwicklungsländern gleichermaßen herangezogen werden, und spezifisch auf die Situation in Entwicklungsländern bezogene Argumente. Zu den Ersteren gehören u. a. ethisch bzw. religiös motivierte Vorbehalte sowie das sicherheitspolitische Argument. Dieses qualifiziert Wasser als nationales Interesse und rechtfertigt damit aus Sicht der staatlichen Akteure, dieses nicht durch Private bereitstellen zu lassen, da hierdurch Kontrollfunktionen verloren gehen. Zu Letzteren zählen vorrangig die Bedeutung von Wasser für die menschliche Entwicklung sowie das intra-gesellschaftliche Konfliktpotential, welches aus ungenügender Reichweite von Wasserinfrastruktur resultiert. So sind es denn auch weniger Wissenschaftler, welche sich derartiger Argumentationen bedienen, als vielmehr Akteure des politischen Prozesses der jeweiligen Staaten sowie Vertreter von - auch international agierenden - Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen. Grundsätzlich wird sowohl im nationalstaatlichen politischen Diskurs als auch auf internationaler politischer Ebene vielfach von einem , Menschenrecht auf Wasser' gesprochen, welches oftmals als unvereinbar mit jedweder Form von Kommodifizierung der Ressource angesehen wird (Kluge und Scheele 2008, S. 15; Rosemann o. J.). Es existiert auf internationaler Ebene eine Reihe von Nonprofitorganisationen, welche Wasser als Menschenrecht betrachten und gegen eine ,Ökonomisierung' 45 der Ressource argumentieren. Diese fordern ,freien' bzw. erschwinglichen' Zugang zur Ressource Wasser, ohne diese Termini jedoch zu konkretisieren. Besonders aktiv sind hier ζ. B. die Organisation Food&Water Watch sowie das World Development Movement und Attac. Auch in der Bundesrepublik Deutschland sprechen sich zahlreiche Gruppen ge-
Teilweise werden diese Argumentationen nicht nur auf die Wasserinfrastruktur bezogen, sondern auch gegenüber dem Engagement privater Unternehmen in anderen Infrastruktursektoren geäußert (dazu u. a. Aquamedia 2003). Zu beachten ist an dieser Stelle jedoch, dass die durch die einzelnen Gruppen abgelehnte Kommodifizierung der Ressource Wasser keinesfalls ausschließlich mit dem Einbezug privater Unternehmungen verbunden ist. Trotz der weitgehenden Gleichsetzung von Kommodifizierung und Privatisierung kann die Erstere auch unter der Ägide staatlicher Betriebe erfolgen; denkbar ist an dieser Stelle ζ. B. eine stärkere Effizienzausrichtung bzw. Gewinnerwartung der staatlichen Betriebe, welche kostendeckende Wasserpreise erlaubt. Diese Tatsache wird von den Gegnern privatwirtschaftlichen Engagements in der Siedlungswasserwirtschaft regelmäßig nicht in die Argumentation einbezogen.
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gen eine Privatisierung der Wasserversorgung aus, indem sie argumentieren, Wasser dürfe nicht als handelbare Ware wie jede andere angesehen werden.46 Darüber hinaus wird innerhalb der internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls die Debatte um die Kommodifizierung der Ressource Wasser geführt. So wird ζ. B. die Frage nach einem generellen Recht auf Wasser im Human Development Report der Vereinten Nationen aufgegriffen (UNDP 2006, S. 2 ff.; zur Diskussion im Einzelnen Anand 2007, S. 228 ff.). Hier wird ausdrücklich ein allgemeines ,Menschenrecht Wasser' benannt, ohne dass in diesem Fall jedoch ein eindeutiger Gegensatz dieses Rechtes zu privatwirtschaftlicher Bereitstellung konstruiert oder eine kostenlose Bereitstellung gefordert wird. Auch die Europäische Kommission hat hierzu treffend in ihrer Direktive 2000/60/EC festgestellt, dass Wasser zwar handelbar, jedoch - und sei es nur aufgrund seiner Perzeption - keine Handelsware wie jede andere ist: „Water is not a commercial product like any other but, rather, a heritage which must be protected, defended and treated as such" (Europäische Kommission 2000). Vielfach sind es religiöse Begründungen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, die als Argument gegen die Privatsektorbeteiligung ins Feld geführt werden. Wasser ist aus dieser Sicht ein Geschenk Gottes an die gesamte Menschheit und sollte daher nicht gewinnorientiert eingesetzt bzw. gehandelt werden (dazu Marschner et al. 2008). Damit wird innerhalb dieser Argumentationslinie die Ressource Wasser aus religiösen Gründen als freie Ressource angesehen, welche allen potentiellen Nutzern in Mindestmenge und -qualität ohne monetäre Kompensation zur Verfügung stehen sollte.47 Eine solche Betrachtung macht das Funktionieren von Wassermärkten unmöglich, da die Voraussetzung für einen Markt die Existenz einer Zahlungsbereitschaft potentieller Konsumenten ist. Argumentiert wird auch - sowohl in Industrie- wie auch Entwicklungsländern - mit der Tatsache, dass Wasser ein Grundstoff und Grundbedürfnis menschlichen Lebens ist. Dieses unbestreitbare Faktum wird herangezogen, um eine Bereitstellung durch Private grundsätzlich abzulehnen. Grundlage dieser Argumentation ist die Annahme, dass die Eigenschaft von Wasserinfrastruktur als natürliches Monopol zwangsläufig eine Ausbeutung dieser Monopolstellung durch das den Markt bedienende private Unternehmen zur Folge hat (Smets 2005, S. 180 f.). Es werden Preissteigerungen als zwangsläufige Folge von Privatsektorbeteiligung vorausgesetzt, ohne dass jedoch staatliche Regulierungsmöglichkeiten zur Verhinderung dieser Ausbeutung der Monopolstellung berücksichtigt werden. Zusätzlich wird die mögliche komplette Exkludierbarkeit nichtzahlender Nutzer innerhalb dieser Argumentationslinie als Begründung gegen die Beteiligung Privater herangezogen. Ein derartiges Vorgehen könne dazu führen, dass Menschen ohne ausreichende Zahlungsfähigkeit von der Nutzung ausgeschlossen werden. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie zu Abwasserentsorgung entsprechend hygienischer Mindeststandards ist jedoch als notwendige Bedingung für menschliches WohlerZu diesen gehört ζ. B. die Hamburger Initiative .Wasser in Bürgerhand', ein Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen, welche sich explizit gegen jedwede gewinnorientierte Beteiligung in der Wasserversorgung ausspricht. Diese Forderung erfolgt allerdings, ohne zu klären, ob und wie dies praktisch erfolgen soll.
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gehen und nachhaltige menschliche Entwicklung anzusehen (Storer 1995, S. 261; Del Pozo 2003, S. 16). Wasserinfrastruktur für Haushalte senkt das Risiko wasserinduzierter Krankheiten und Todesfälle und entlastet insbesondere Frauen, welche ansonsten mehrheitlich mit der Wasserbeschaffung von öffentlichen Stellen betraut sind. Ein Ausschluss bestimmter Nutzergruppen kann bei diesen zu Wassermangel führen, welcher Krankheiten und in letzter Konsequenz den Tod zu Folge haben könnte, zumindest aber notwendige Entwicklungsmöglichkeiten verschließt. Neben der Möglichkeit einer individuellen Ex-posi-Exklusion nichtzahlender Nutzer wird aus entwicklungspolitischer Sicht befürchtet, dass ganze Stadteile mit einer armen Bevölkerung oder Slums von Unternehmen, die nach Gewinnmaximierung streben, nicht an das allgemeine Netz angeschlossen werden, sondern ausschließlich Gebiete, von denen entsprechende Profite zu erwarten sind (Rosemann o. J.). Im Sinne einer staatlich erwünschten Verteilungsgerechtigkeit könnte die allgemeine Abdeckung zumindest mit einer Basisversorgung entsprechend menschlicher Minimalbedürfnisse unabhängig von der Zahlungsbereitschaft (oder -fähigkeit) der Nutzer durchaus erforderlich sein. Diese Tatsache wird häufig herangezogen, um die Bereitstellung von zumindest basaler Wasserinfrastruktur durch den Staat zu rechtfertigen: Der Staat, so wird angenommen, kann im Gegensatz zu privaten Unternehmen Unwirtschaftlichkeit der Wasserbetriebe hinnehmen, um das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit für seine Bürger zu erreichen. Auch diese Argumentation hält jedoch einer kritischen Prüfung nicht Stand, kann doch auch eine staatlich garantierte Grundversorgung erfolgen, ohne dass der Staat die Einrichtungen selber vorhalten und betreiben muss. Denkbar wäre hier die Finanzierung der entsprechenden Basismengen durch den Staat (ζ. B. im Rahmen einer Kostenübernahme), welcher das Wasser von privatwirtschaftlichen Unternehmen bereitstellen lässt. Ein weiteres Argument ist die Bedeutung von Wasser als Produktionsfaktor für die Industrie eines Staates bzw. seine Bedeutung für die Attraktivität eines Produktionsstandortes sowie die Relevanz von Wasser als notwendiger Faktor für die Sicherung der nationalen Selbstversorgung mit Lebensmitteln und damit als sicherheitspolitischer Faktor. Aus dieser Bedeutung der Ressource Wasser wird die grundsätzliche Unmöglichkeit einer privatwirtschaftlichen Bereitstellung abgeleitet, wird doch von staatlicher Seite davon ausgegangen, dass der private Sektor nationale Interessen in Bezug auf Wasser nicht angemessen sichern kann. Insbesondere die Beteiligung ausländischer Unternehmen an der nationalen Wasserversorgung wird innerhalb dieser Argumentationslinie als „unsicher" abgelehnt. In diesem Zusammenhang ist auch die politische Symbolik der Ressource Wasser insbesondere in ariden Regionen (im Einzelnen Allan 2001, S. 30) von Bedeutung: Der Zugang zur Ressource Wasser bedeutet und signalisiert Macht im Sinne von Reichtum und gesellschaftlicher Anerkennung sowie Souveränität und ist damit traditionell auch ein machtpolitisches Symbol für die politische Elite, welches naturgemäß nur ungern aus der Hand gegeben wird. Hierzu bemerkte Mark Reisner: „Water flows up-hill to money and power" (Reisner 1993, zitiert nach Allan 2001, S. 159). Dass diese auf traditionellen Wasserrechten und religiösen Symboliken beruhenden Überlegungen, insbesondere im Nahen Osten und Nordafrika, auch im 21. Jahrhundert durchaus noch Gültigkeit besitzen, zeigen Prestigeprojekte wie der Great Man-
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Made River in Libyen deutlich. 48 Diese Rolle von Wasser als Machtsymbol und Ausdruck von Souveränität dient oftmals zumindest als implizite Begründung für den Staat, die Kontrolle über diese Ressource nicht abzugeben bzw. zu teilen. Eng verbunden mit diesen Überlegungen ist die Eigenschaft von Wasser als Auslöser von Konflikten. Während bisher - oftmals bedingt durch die möglichen Repressionen bestehender autoritärer Regimes oder schlicht bedingt durch einen mangelnden Organisationsgrad - die Bevölkerung zumeist den Status quo von Machtverteilung und Zugang zu Ressourcen akzeptiert hat, ist unter zunehmender Wasserknappheit in zunehmendem Maße Widerstand gegen derartige Umstände zu erwarten (Barsoum 2007). Ein hohes Bevölkerungswachstum und die zunehmende Urbanisierung verschärfen die bestehende Knappheitssituation in zahlreichen Entwicklungsländern weiter. Diese Entwicklungen werden oftmals als Begründung für staatliche Bereitstellung von Wasserinfrastruktur herangezogen; argumentiert wird hier mit einem wohlfahrtsorientierten Staat, der die Bedürfnisse seiner Bürger am besten kennt sowie gesellschaftliche Ungleichheiten a b zugleichen wünscht und auch vermag. Die hier diskutierten Argumente von Gegnern eines privatwirtschaftlichen Engagements auf dem Wassersektor gehen grundsätzlich von einer Unvereinbarkeit bzw. einem bestehenden Zielkonflikt zwischen privatwirtschaftlichem Engagement einerseits und einer Grundversorgung bzw. einem hohen Versorgungsgrad andererseits aus. Ein solcher Zielkonflikt ist jedoch vor dem Hintergrund der in Kapitel 2.5 diskutierten Überlegungen nicht festzustellen: Soweit die ökonomische Theorie die Bereitstellung von Wasserinfrastruktur durch private Unternehmen empfiehlt, kann davon ausgegangen werden, dass diese wohlfahrtsmaximierend ist und daher der ethischen Forderung einer bestmöglichen Versorgung nicht gegenübergestellt werden kann. Vielmehr wäre an dieser Stelle zu argumentieren, dass es gerade die Bereitstellung durch den Staat sein kann, welche zu einer schlechteren Versorgung führt, das ,ethische' und das .ökonomische' Argument also als komplementär angenommen werden müssen - wenn eine bestmögliche Versorgung erwünscht ist, darf diese eben gerade nicht durch den Staat erfolgen. Die Annahme, dass das von Gewinninteressen gesteuerte private Unternehmen schlechter Wasser bereitstellen wird als ein öffentlicher Betrieb, nur da die Wasserversorgung nicht das primäre Ziel des Unternehmens ist, muss als kurzschlüssig und häufig gar als falsch bewertet werden. Auch die Frage nach einer größtmöglichen Verteilungsgerechtigkeit steht einer privatwirtschaftlichen Bereitstellung nicht entgegen, sind hier doch Möglichkeiten gegeben, diese zu gewährleisten, ohne dass der Staat die Serviceleistung der Wasserversorgung selber anbieten muss, ζ. B. über Subventionen.
Beim Great Man-Made River handelt es sich um ein Rohrleitungsnetzwerk zu Wasserverteilung, welches Wasser aus der libyschen Wüste in die Küstenregion transportiert. Aufgrund seines Zugriffs auf erschöpfbare Grundwasservorkommen und seiner Effizienz heftig umstritten, soll das Netzwerk Libyen Unabhängigkeit in der Wasserversorgung sichern. Durch eine enge Verknüpfung mit den Zielen der libyschen Revolution und der Person des Revolutionsführers Ghaddafi dient der Great Man-Made River der Staatsführung seit dem offiziellen Baubeginn im Jahr 1991 zur Selbstinszenierung (im Einzelnen dazu Simons 2000).
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Damit bleibt an dieser Stelle einzig das , Souveränitätsargument' übrig, welches in der Realität nach wie vor Bedeutung besitzt: Die Abgabe der Wasserversorgung an privatwirtschaftliche Unternehmen wird als Macht- und Souveränitätsverlust und damit als politisches Risiko empfunden. Selbst in einer Demokratie kann dieses Argument relevant sein, wenn sich keine politische Mehrheit für eine Öffnung des Wassersektors findet. Damit kann dieses Argument zwar als möglicherweise theoretisch nicht stichhaltig entkräftet werden, ist aufgrund der bestehenden politischen Realitäten aber dennoch von Bedeutung. Da letztendlich der Staat die Entscheidung über eine Sektorliberalisierung treffen muss, wird diese nicht zustande kommen, solange mit Blick auf einen angenommenen Souveränitätsverlust ernsthafte Vorbehalte bestehen. 49
2.7.
Wasser in der (internationalen) Entwicklungszusammenarbeit
Wassermangel als gesellschaftliches Problem ist, wie bereits erläutert, kein reines Problem der Verknappung der natürlichen Ressource selbst. Vielmehr ist Wassermangel in diesem Kontext als multikausal bedingt anzusehen. Mangelnde technische Möglichkeiten von Wassergewinnung, -aufbereitung und -distribution ebenso wie ein fehlendes Verständnis für die Schutzwürdigkeit der Ressource Wasser oder die Ungleichheit bei Anschlussraten führen zu dem bestehenden Wassermangel gerade für arme Bevölkerungsteile. Ebenso vielschichtig wie die Gründe für Wassermangel sind dessen Auswirkungen. Neben direkten Auswirkungen wie Dürren und den damit einhergehenden Hungeropfern, wie sie zumeist in Least Developed Countries anzutreffen sind, ist eine Vielzahl von gesellschaftlichen Problemen indirekt auf Wassermangel zurückzuführen: bestehende Unterentwicklung armer Bevölkerungsteile, Benachteiligung der Frau durch die notwendige, aber schwierige Wasserbeschaffung über ζ. T. weite Strecken hinweg sowie nicht-nachhaltige landwirtschaftliche Technologien aufgrund von Wassermangel. Dazu kommen neben diesen quantitativ bedingten auch qualitativ bedingte Probleme, z. B. die durch die mangelnde Wasserqualität bedingte hohe Kindersterblichkeit in vielen Regionen der Welt sowie das Auftreten von Krankheiten, welche auf verschmutztes Wasser zurückgehen. 50 Aufgrund dieser Vielzahl an negativen Folgewirkungen für die menschliche Entwicklung ist in diesem Zusammenhang von einer „Multifunktionalität" (Allan 2001, S. 197 ff.) von Wasser bzw. Wassermangel die Rede. Die Erkenntnis dieser Problematik durch die Organisationen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit hat dazu geführt, dass der Zugang zu ausreichendem und hochqualitativem Wasser als prioritäres Entwicklungsziel der internationalen Geberge-
Dennoch muss angemerkt werden, dass ungeachtet der hohen Bedeutung, welche oftmals dem Bereich Wasserversorgung zugemessen wird, dieser, im Gegensatz zu anderen Infrastruktursektoren, in vielen weniger entwickelten Staaten der Erde bislang nicht im Zentrum nationaler Entwicklungsförderung stand. Vielmehr ist, wie Beispiele zeigen, gerade dieser Sektor häufig zugunsten anderer, prestigeträchtigerer Bereiche vernachlässigt worden. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind 60 Prozent der Kindersterblichkeit und bis zu 80 Prozent (2,3 Mio. Menschen) der Krankheitsfälle in Entwicklungsländern kausal auf mangelnde Wasserqualität durch verschmutztes Trinkwasser oder unzureichende Abwasserentsorgung zurückzuführen (UNDP 2006).
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meinschaft definiert wurde und in die großen Aktionspläne der vergangenen Jahrzehnte Eingang gefunden hat. Eine Reihe von Initiativen, auch auf nationaler Ebene, haben in den letzten Jahren dieses Ziel weiter spezifiziert und klare Handlungsvorgaben zu diesem Themenkomplex verabschiedet. An dieser Stelle ist zu unterscheiden zwischen rein zwischenstaatlichen ,Typ-1-Abkommen' und ,Typ-2-Partnerschaften', welche als Multi-Stakeholder-Pannerschaften auch nichtstaatliche Akteure wie Nichtregierungsorganisationen, Aktivisten und privatwirtschaftliche Unternehmen umfassen (Partzsch 2007, S. 15). Letztere Kooperationsform ist im Rahmen von Wasserinitiativen von besonderer Bedeutung, handelt es sich bei den meisten in der letzten Dekade verabschiedeten Wasserpartnerschaften doch um solche unter Einbezug nichtstaatlicher Akteure. Nachfolgend werden die wichtigsten den Sektor betreffenden Abkommen und Initiativen ebenso wie die entsprechenden Akteure betrachtet. Der Fokus liegt hier auf der internationalen Ebene, obwohl durchaus eine erhebliche Zahl wasserorientierter Initiativen und Akteure auch auf nationalstaatlicher Ebene existieren. 2.7.1. Wasser auf der aktuellen Agenda - Aktionspläne und Abkommen Die Regierungskonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1977 in Mar del Plata war die erste derartige Konferenz, welche ausschließlich dem Themenbereich Wasser gewidmet war. Sie konstatierte ein Recht aller Menschen auf Wasser in ausreichender Qualität und Quantität (Smets 2005, S. 175), konkrete Handlungsvorgaben für die beteiligten Regierungen blieben jedoch aus. Die Internationale Regierungskonferenz in Dublin zum Thema Wasser im Jahr 1992, bei der mehr als 100 Staaten vertreten waren, hatte mit der Verabschiedung der vier sog. ,Dublin Prinzipien' erstmalig bedeutenden Einfluss auf die politische und öffentliche Wahrnehmung des Problemfeldes Wassermangel. Im Einzelnen lauteten die Schlussfolgerungen der Regierungskonferenz wie folgt (UNESCO 2003, S. 25): — Süßwasser ist eine begrenzte und schutzbedürftige Ressource, unentbehrlich für Leben, Entwicklung und Umwelt. — Wassererschließung und -management sollten auf einem partizipativen Ansatz basieren, der Nutzer, Planer und politische Entscheidungsträger aller Ebenen einbezieht. — Frauen spielen eine zentrale Rolle bei der Versorgung mit Wasser, seinem Management und Schutz. — Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert in allen seinen Nutzungsmöglichkeiten und sollte als wirtschaftliches Gut angesehen werden. Die Annahme der Agenda 21 im gleichen Jahr auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UN Conference on Environment and Development — UNCED) in Rio de Janeiro, welche die Dubliner Prinzipien bestätigt, insbesondere die in Kapitel 18 verankerte Betonung der Maßnahmen in Bezug auf Süßwasser, und das Dritte Weltwasserforum in Den Haag im Jahr 2000 zeigte deutlich, dass die Relevanz der Wasserproblematik auch auf internationaler Ebene erkannt wurde (UNESCO 2003, S. 26 f.). Gleichwohl fehlen diesen Übereinkommen konkrete Handlungsvorgaben für die Unterzeichnenden, die Formulierung der Prinzipien bleibt relativ unscharf.
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Auch der ,Millenniums-Gipfer der Vereinten Nationen in New York im Jahr 2000 behandelt den Themenkomplex Wasser als hochprioritär. Als Messgröße für die angestrebten Fortschritte in der Entwicklung der Menschheit dienen die sog. , Millenniumsziele' (Millennium Development Goals - MDG), von insgesamt acht definierten Entwicklungszielen beziehen sich sieben zumindest indirekt auf die Ressource. Stärkste Zielvorgabe ist an dieser Stelle der Zugang zu Trinkwasser: Danach soll die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis zum Jahr 2015 halbiert werden, d. h. von ca. 1,2 Mrd. Menschen im Jahr 2000 auf 600 Mio. in 2015 sinken. Der Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung von Johannesburg im Jahr 2002 hat die wasserorientierten Ziele des Millenniumsgipfels bestätigt und um eine weitere Facette ergänzt. Entsprechend der Trinkwasserversorgung soll der Zugang zu suffizienter Basisversorgung im Bereich Abwasserentsorgung, welcher zum Verabschiedungszeitpunkt für 2,6 Mrd. Menschen nicht gewährleistet war, bis 2015 für rund 1,2 Mrd. Menschen zusätzlich garantiert werden (Poverty Environment Partnership o.J., S. 19). Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es sich bei den genannten Abkommen und Aktionsplänen im völkerrechtlichen Sinne ausschließlich um soft law, d. h. nicht einklagbare Absichtserklärungen und Empfehlungen handelt, welche keinerlei bindende Wirkung entfalten (dazu im Einzelnen Janosch 2008, S. 72). Die Umsetzung ist im Einzelnen daher nach wie vor abhängig vom politischen Willen der betreffenden Staaten bzw. der politischen Entscheidungsträger. Bislang existiert kein internationales Übereinkommen, welches als hard law die unterzeichnenden nationalen Regierungen rechtlich bindet. 2.7.2. Wasser auf der aktuellen Agenda - Akteure und Organisationen Neben den internationalen Übereinkommen, welche die Regierungen der Welt verabschiedet haben, haben sich auch die verschiedenen Unterorganisationen der Vereinten Nationen und andere Entwicklungsagenturen separat mit dem Themenkomplex befasst, Maßnahmen beschlossen und zum Teil eigene Abteilungen dazu eingerichtet. Dazu kommt eine Reihe von Initiativen und Plattformen, welche sich speziell dem Thema Wasser widmen und als Multi-Stakeholder-Plattformeri Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und Akteure aus dem Bereich der Privatwirtschaft zusammenbringen. Die Vereinten Nationen sind in den letzten Jahrzehnten durch spezielle Aktionsprogramme wiederholt für die Bedeutung von Wasser im Kontext menschlicher Entwicklung eingetreten, so ζ. B. im Rahmen verschiedener Themenjahre bzw. -dekaden wie der „UN-Dekade für Trinkwasser und Gesundheit" in den Jahren 1981 bis 1990, des „Internationalen Jahrs des Süßwassers" im Jahr 2003, der , Decade for Action - Water is Life' von 2005 bis 2015 (www.un.org/waterforlifedecade) sowie des „Internationalen Jahrs der sanitären Grundversorgung" in 2008. Diese Initiativen sind insbesondere auf die öffentliche Wahrnehmung der Wasserproblematik ausgerichtet, sowohl in den Geberländern wie in den Entwicklungs- und Schwellenländern selbst. Spezielle Arbeitsgruppen, Programme oder Suborganisationen unterstützen diese Initiativen durch Einzelmaßnahmen.
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Das Joint Monitoring Programme for Water Supply and Sanitation der World Health Organisation und des United Nations Children 's Fund als bedeutende Initiative erfüllt dabei eine Doppelfunktion, indem die Organisation einerseits Uber aktuelle Entwicklungen auf dem Sektor berichtet, andererseits Entwicklungsländer direkt bei der Umsetzung wasserorientierter Entwicklungsmaßnahmen unterstützt. Auch das World Water Assessment Programme (www.unesco.org/water/wwap) der United Nations Educational Scientific and Cultural Organization ist in erster Linie ein Programm, welches Wissen über die Ressource Wasser bereitstellt. Mit dem Water Supply & Sanitation Collaborative Council (WSSCC) (www.wsscc.org) besteht unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen darüber hinaus eine Organisation, welche als Multi-StakeholderPlattform den Dialog zwischen den betroffenen Staaten, insbesondere der Zivilgesellschaft dort, sowie internationalen Organisationen und Regierungsorganisationen fördert und als Netzwerk für Aktionen dient. Der Global Sanitation Fund, gegründet im März 2008, ist eine direkte Ausgründung des WSSCC und befasst sich ausschließlich mit der Finanzierung sanitärer Basisdienstleistungen. Der Weltwasserrat (World Water Council), dessen Gründung im Jahr 1996 Bezug nehmend auf einen Beschluss der Konferenz in Rio de Janeiro durch die Weltbank und die Vereinten Nationen erfolgte, ist heute eine Multi-Stakeholder-Plattiorm ohne direkten Anschluss an eine große Organisation der Entwicklungszusammenarbeit. Inhaltlich werden ökologische, soziale und ökonomische Fragestellungen behandelt, einschließlich der besonderen Herausforderung grenzüberschreitenden Wassermanagements. Als Unterorganisation kann die World Commission on Water angesehen werden, welche aus hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik und Entwicklungszusammenarbeit besteht. Die Global Water Partnership (www.gwpforum. org), gegründet ebenfalls 1996 durch eine Initiative der Weltbank, des United Nations Development Program (UNDP) sowie der Schwedischen Internationalen Entwicklungsagentur (SIDA), besteht ebenfalls aus Mitgliedern aller Stakeholder-Gruppierungen. Der Arbeitsschwerpunkt liegt hier auf der globalen und entwicklungsorientierten Förderung des Konzeptes des Integrierten Wasserresourcenmanagements (IWRM) durch finanzielle, technische sowie personelle Vernetzung. Ebenfalls aus einer Zusammenarbeit von UNDP und Weltbank ist das Water and Sanitation Program im Jahr 1979 hervorgegangen; aktuell trägt es - organisiert als unabhängige Untereinheit des Sustainable Development Network der Weltbank - zur Erreichung der MDGs durch direkte Regierungsberatung bei. Als weitere große Initiative, welche sich mit dem Themenkomplex Wasser befasst, sei das Netzwerk Household Water Treatment and Safe Storage, initiiert von der Weltgesundheitsorganisation, genannt, das sich aus rund 110 Institutionen aus Wissenschaft, Politik, Privatwirtschaft und dem Non-profit-Bereich zusammensetzt. Neben diesen aus Regierungskonferenzen und Kooperationen zwischen Entwicklungsagenturen hervorgegangenen Initiativen existiert eine große Zahl von kleineren, von der Privatwirtschaft oder zivilgesellschaftlichen Organisationen angestoßenen Wassernetzwerken, welche sich des Themenkomplexes annehmen. Darüber hinaus befassen sich die einzelnen Unterorganisationen der Vereinten Nationen unabhängig von etwaiger Beteiligung in speziellen Initiativen im Rahmen ihrer Arbeit ebenfalls mit dem Problemfeld, ebenso wie spezielle Abteilungen der Weltbank und anderer, unilateral tätiger Entwicklungsagenturen. Die Initiativen von einzelnen Abteilungen internationaler Organisationen sind in der Regel mit den speziellen Aus-
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gründungen im Rahmen von Wasserinitiativen vernetzt und sorgen für eine institutionelle Verankerung dieser bei den Organisationen. Von besonderer Bedeutung ist dies, da auf diese Weise der Wassersektor in die tägliche Arbeit der internationalen Organisationen eingebunden wird und nicht ausschließlich auf die Behandlung innerhalb spezieller Initiativen oder Aktionen begrenzt ist. So gelangte der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) im Jahr 2002 zu einer gemeinsamen Formulierung des Rechts auf Wasser: „Das Menschenrecht auf Wasser ist unumgänglich, wenn Menschen in Würde leben wollen. Es ist eine Vorbedingung für die Verwirklichung anderer Menschenrechte. [...] Das Menschenrecht auf Wasser berechtigt jedermann zu ausreichendem, ungefährlichem, sicherem, annehmbarem, physisch zugänglichem und erschwinglichem Wasser für den persönlichen und den häuslichen Gebrauch" (ECOSOC 2002, S. 1 f.). Auf globaler Ebene existiert somit eine Reihe von miteinander vernetzten Organisationen und Unterorganisationen, welche sich mit den verschiedenen Dimensionen der Wasserknappheit befassen. Als problematisch muss an dieser Stelle angesehen werden, dass trotz personeller und struktureller Vernetzung nur wenige konzertierte Aktionen dieser Organisationen erfolgen, die wesentliche Arbeit unkoordiniert abläuft. Darüber hinaus sind die von Wasserknappheit am stärksten betroffenen Nutzergruppen, arme Bevölkerungsgruppen aus Entwicklungs- und Schwellenländern, weitgehend ausgeklammert.
2.8.
Wasserinfrastruktur zwischen Markt, Staat und Entwicklungszielen Zwischenfazit
Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass mit der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur und dem Angebot der eigentlichen Wasserdienstleistung eine Reihe von Charakteristika verbunden ist, welche diese gegenüber anderen Infrastruktursektoren erschweren. Diese Besonderheiten müssen bei der Debatte über den Einbezug privatwirtschaftlicher Unternehmen bei der Bereitstellung dieser Infrastruktur bzw. der entsprechenden Dienstleistung berücksichtigt werden. Zum einen sind es die physischen Eigenschaften der Ressource Wasser selbst, welche ihre Nutzung maßgeblich determinieren - neben der Flüchtigkeit des Wassers, welche eindeutige Eigentumszuschreibungen erschwert, ist hier das Verschmutzungsrisiko relevant. Dazu kommen technische und historische Pfadabhängigkeiten. Gleichzeitig ist die Versorgung mit qualitativ und quantitativ ausreichendem Wasser eine notwendige Bedingung für menschliche Entwicklung und wird entsprechend von den internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt gefördert (dazu im Detail Del Pozo 2003; Poverty Environment Partnership ο. J.). Betrachtet man die ökonomische Dimension von Wasserinfrastruktur, ist festzuhalten, dass es sich um ein Individualgut handelt, welches durch Rivalität im Konsum und Exkludierbarkeit gekennzeichnet ist. Gleichzeitig handelt es sich bei Transport und Verteilung von leitungsgebundenem Wasser um ein nicht angreifbares natürliches Monopol. Neben dem Vorliegen externer Effekte auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen und der Eigenschaft von Wasserversorgung als meritorisches Gut führt dieser Tatbestand gemäß der ökonomischen Theorie zu Marktversagen. Dies rechtfertigt einen staatlichen Eingriff, der auf verschiedenen Wegen erfolgen kann. Möglich erscheint hier einerseits die Versteige-
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rung des Rechts, den Markt als Monopolist zu bedienen, andererseits bestehen mit der Kostenregulierung und der Rate-of-Return-Regulierung als globalen Regulierungsalternativen und den disaggregierten Ansätzen der Preisobergrenzenregulierung (price cap) und der Karilsncfc-Regulierung verschiedene Instrumente, mit denen eine Ausbeutung der Monopolstellung durch das den Markt bedienende private Unternehmen verhindert werden kann (dazu im Detail Knieps 20052). Ungeachtet der Notwendigkeit eines geeigneten Regulierungsregimes lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass aus Sicht der ökonomischen Theorie eine staatliche Bereitstellung von Wasserinfrastruktur nicht gerechtfertig erscheint, kann doch eine Bereitstellung durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen erfolgen. Dies ist insofern vorzuziehen, als dass für den Fall einer privaten Bereitstellung von einer höheren Effizienz, einer besseren Kundenorientierung und einem verbesserten Zugang zu Kapital ausgegangen werden kann. Dies bedeutet, dass eine politische Entscheidung zugunsten einer staatlichen Bereitstellung in diesem Zusammenhang als ,Staatsversagen' im Sinne der ,Neuen Politischen Ökonomie' zu werten ist: Staatsversagen ist insoweit zu konstatieren, als dass der öffentliche Sektor tätig wird, ohne dass Marktversagen vorliegt oder „bei bestehendem Marktversagen nicht eingreift bzw. ungeeignete (ineffektive) oder unwirtschaftliche (ineffiziente) Maßnahmen ergreift" (Mühlenkamp 2004, S. 4; auch Haug 2007).
Im vorliegenden Fall der Bereitstellung von Wasserinfrastruktur ist festzustellen, dass regelmäßig Staatsversagen in dem Sinne gegeben ist, als dass bei bestehendem Marktversagen Maßnahmen (eben die ineffiziente Bereitstellung durch die öffentliche Hand) ergriffen werden, die als unwirtschaftlich angesehen werden müssen. Ein entsprechend schwächerer Eingriff in Form eines Regulierungsregimes wäre ausreichend, um die durch die Marktunvollkommenheiten ausgelösten Ineffizienzen zu beseitigen, und wäre daher in diesem Zusammenhang als erstbeste Lösung anzusehen. Die in vielen Teilen der Welt bestehende Bereitstellung von Wasserdienstleistungen durch die öffentliche Hand kann somit als aus ökonomischer Sicht nicht geeignet eingeordnet werden. Dennoch ist Wasser in vielerlei Hinsicht kein (Infrastruktur-)Gut wie jedes andere: Mit seinen religiösen, ethischen, sozialen und politischen Implikationen wird aus Sicht staatlicher und gesellschaftlicher Akteure vielfach eine Sonderklassifikation begründet. Ob dies zurecht geschieht, sei an dieser Stelle dahingestellt. In jedem Falle jedoch sind diese politisch relevant, begründen sie doch aus Sicht der relevanten politischen Akteure staatliches Handeln: Weigert sich der Staat, die Souveränität über die nationale Wasserversorgung an (internationale) privatwirtschaftliche Unternehmen abzugeben, so kann eine - aus ökonomischer Sicht - .erstbeste Lösung', eben die komplette Privatisierung des Sektors unter einem geeigneten Regulierungsregime, nicht erreicht werden. Diesem Tatbestand muss dahingehend Rechnung getragen werden, als dass Privatsektorbeteiligung im Rahmen von Public Private Partnerships entsprechend als ,zweitbeste', jedoch im Rahmen der politischen Realitäten maximal praktikable Lösung diskutiert wird.
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3.
Rahel
Schomaker
Privatsektorbeteiligung als Konzept zwischen Markt, Staat und Entwicklungszielen
Das Konzept einer Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen bei der Bereitstellung von Infrastruktur im Rahmen von Public Private Partnerships wird in der Mehrzahl der industrialisierten Staaten der Erde bereits seit den 1980er Jahren eingesetzt.51 Als Begründung für diesen Einsatz dienen in erster Linie staatliche Finanzengpässe, wie Bult-Spiering und Dewulf feststellen: „The public sector can no longer afford larger investments, so private sector involvement is required" (Bult-Spiering und Dewulf 2007, S. 1). Auch die Akteure der Entwicklungszusammenarbeit haben in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts die Privatwirtschaft als potentiellen Partner erkannt, trotz einer traditionell eher von Distanz und einem gewissen Misstrauen geprägten Beziehung zwischen den beiden Akteursgruppen (Roloff 2004, S. 155f; Prahalad 2004, S. xi f.). Nachfolgend wird das Konzept einer Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmungen bei der Bereitstellung von Infrastruktur 52 , sog. Public Private Partnerships, im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit näher betrachtet. Nach einer kurzen Abgrenzung der Einsetzbarkeit gegenüber dem Konzept des New Public Management und einer definitorischen Eingrenzung werden verschiedene Modelle vorgestellt und der Einsatz dieses Konzeptes in der Entwicklungszusammenarbeit diskutiert. Anschließend wird das Potential dieses Ansatzes basierend auf den Motiven der beteiligten Akteure analysiert.
3.1.
Warum Privatsektorbeteiligung? Public Private Partnerships anstelle von New Public Management
Man könnte an dieser Stelle - zunächst abstrahierend von evtl. vorliegenden finanziellen Gründen oder theoretischen Empfehlungen - diskutieren, ob nicht die Bereitstellung von Infrastruktur über öffentliche Betriebe nach Reformierung dieser im Sinne des New Public Management eine Alternative zur Beteiligung privater Unternehmen darstellt. Öffentliche Betriebe sind ebenfalls Unternehmen, welche die Produktion von Gütern vornehmen und diese gegen Entgelt verkaufen. Sie sollten daher auch das Kostenargument in der Produktion beachten, um ausreichende Gewinne zu generieren, und könnten somit durchaus auch im Wettbewerb bestehen (Spulber und Sabbaghi 19982, S. 193). Dies ist jedoch in der Praxis regelmäßig nicht der Fall; hier fehlen zum einen die für ein derartiges Vorgehen benötigten Managementkompetenzen der Mitarbeiter, zum anderen fehlt insbesondere in Entwicklungsländern oftmals der staatliche Wille, die öffentlichen Betriebe entsprechend zu reformieren. Auch muss festgestellt werden, dass In verschiedenen Staaten wird die Einbeziehung des privaten Sektors bei der Bereitstellung von Infrastruktur bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts praktiziert, so beispielsweise in Frankreich im Bereich der Wasserinfrastruktur; dazu Hartwig (2005). Der Begriff Infrastruktur rekurriert an dieser Stelle auf technische Infrastruktur, im Einzelnen Energie, Telekommunikation, Verkehrswege und den Bereich Wasserversorgung/Abwasserentsorgung. Zwar findet das Konzept von PPPs zunehmend auch in anderen Sektoren der sozialen Infrastruktur Anwendung, die Zahl dieser Partnerschaften ist jedoch noch recht begrenzt.
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die Frage nach der Beteiligung des privatwirtschaftlichen Sektors bei der Bereitstellung von Infrastruktur keinesfalls ausschließlich auf die in letzter Instanz auch mit öffentlichen Betrieben zu erreichende Liberalisierung und die Herstellung von Wettbewerb abzielt: Zwar wird durch einen Einbezug privater Unternehmen in der Regel die institutionelle Blockade, welche Wettbewerb verhindert, aufgebrochen. Dazu kommt jedoch, dass sowohl formale Privatisierung als auch Privatsektorbeteiligung im Rahmen von Public Private Partnerships die Eigentumsverhältnisse der Anlage betrifft. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach den Anreizen für die öffentlichen oder privaten Betreiber einer Anlage von Bedeutung. Der Property-Rights-Theorie folgend kann an dieser Stelle davon ausgegangen werden, dass für den Eigentümer der Anreiz besteht, das Verfügungsrecht über sein Eigentum effizient zu nutzen, da es für ihn direkt vorteilhaft ist (im Einzelnen Demsetz 1967). Dies kann eingeschränkt auch für Kapitalgesellschaften o. ä. angenommen werden - also Fälle, in denen keine direkten Verfügungsrechte bestehen - , in welchen dem Manager jedoch ein gewisses Maß an Freiheitsgraden verbleibt (Puwein et al. 2004, S. 13 f.). Für staatliche Betriebe ist - mit dem einzelnen Staatsbürger als Miteigentümer - der unmittelbare Zusammenhang zwischen Effizienz des Unternehmens und eigenem Nutzen des Managers/der Verwaltung des Betriebes zu verneinen. Das Interesse daran, den Bedürfnissen der Staatsbürger als Stakeholder und Steuerzahler gerecht zu werden, ist entsprechend gering, ist doch die Entlohnung in der Regel nicht an die Performance oder Effizienz des Betriebes gekoppelt, sondern tariflich fixiert oder abhängig von Kriterien wie Dienstzeit (Spulber und Sabbaghi 19982, S. 194). Darüber hinaus kann die Regierung als für das Staatsunternehmen letztendlich verantwortliche Instanz (welche auch die Manager der öffentlichen Betriebe auswählt) hier Freiräume zur Bedienung von Partialinteressen nutzen. An dieser Stelle müssen auch die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme aus der mehrstufigen Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Staatsbürger, Regierung und Verwaltung beachtet werden (Puwein et al. 2004, S. 14). Manager in privaten Unternehmen haben hingegen einen entsprechend höheren Anreiz, die Effizienz des Betriebes zu verbessern, ist doch ihre Bezahlung, ζ. B. über die Gewährung von Aktienoptionen, oftmals Leistungsabhängig, ebenso wie ihre Reputation (relevant ζ. B. bei gegebenenfalls anstehendem Firmenwechsel) durchaus vom Wert der (verlassenen) Unternehmung abhängt (Spulber und Sabbaghi 19982, S. 194). Abschließend muss darüber hinaus festgestellt werden, dass - ungeachtet dieser Begründungen für eine Beteiligung Privater - insbesondere im Rahmen der Betrachtung unter entwicklungsorientierten Fragestellungen der Mangel an finanziellen Ressourcen ein gewichtiges Argument für die nicht ausschließliche Bereitstellung durch den öffentlichen Sektor ist. Diese Problemdimension kann nicht alleine durch den öffentlichen Sektor gelöst werden.
3.2.
Das Konzept Public Private Partnership - Definitionen und Abgrenzung
Der Begriff Public Private Partnership kann nicht als juristisch eindeutig definierter Fachterminus verstanden werden (Jonas und Paulsen 2007; auch Sach 2006), sondern
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ist vielmehr ein Oberbegriff, unter dem verschiedene Arten öffentlich-privater Kooperationen zusammengefasst werden können, wie Budäus und Griib (2007) feststellen: „PPP ist [...] ein nur allgemein gehaltener und wenig strukturierter Sammelbegriff für sehr heterogene, vielschichtige Formen und Kategorien zur Einbindung des privatwirtschaftlichen Sektors in die Finanzierung und/oder Wahrnehmung bisher öffentlicher Auf-
gabenerfüllung" (Budäus und Grüb 2007, S. 247). Gemeinsam ist allen diesen Kooperationsmodellen, dass sie dem öffentlichen Partner Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten sichern und zugleich dem privaten Partner die Möglichkeit eröffnen, Gewinne zu erzielen. Eine vollständige materielle Privatisierung, welche den Verlust genannter Kontrollmöglichkeiten für den staatlichen Partner impliziert, ist ebenso wenig als PPP einzustufen wie die herkömmliche Vergabe öffentlicher Aufträge an privatwirtschaftliche Unternehmen, welche in der Regel einmalig erfolgt und keine auf Dauer angelegte Partnerschaft begründet. Der PPP-Vertrag selbst kann dabei sehr unterschiedliche Formen in Bezug auf Laufzeit, Verantwortungsübernahme, Risiko- und Gewinnverteilung aufweisen; eine Standardisierung fehlt bislang weitgehend (Weihrauch 2008, S. 179). Es existiert daher - in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Konzept ebenso wie in der Praxis - eine Reihe unterschiedlicher Definitionen, welche den Bereich der öffentlich-privaten Partnerschaft abzugrenzen suchen. Neben dem Mangel einer einheitlichen Definition fehlt bislang auch eine theoretische Fundierung des Konzeptes weitgehend (Budäus und Grüb 2007a, S. 421). Linder sieht den Begriff PPP in einer recht weiten Definition als „... rubric for describing cooperative ventures between the state and private business..." (Linder 1999, S. 35). Hier wird weder eine Begrenzung auf einzelne volkswirtschaftliche Sektoren vorgenommen, noch erfolgt die Eingrenzung auf bestimmte Vertragsformen. Littwein definiert PPPs in einer weiten Abgrenzung als „... eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft bei Planung, Erstellung, Finanzierung und dem Betrieb von bislang durch die öffentliche Hand wahrgenommenen Aufgaben. Kennzeichnend für das PPPProjekt ist, dass nicht mehr die öffentliche Hand, sondern ein Privater die Bereitstellungsverantwortung über die gesamte Nutzungsdauer (Lebenszyklusansatz) übernimmt"
(Littwein 2008, S. 4). Eine engere, da ausschließlich auf den Bereich Infrastruktur abstellende Definition verwenden Puwein et al., wenn sie feststellen: „Eine PPP ist eine auf Risikoteilung aufbauende vertragliche Beziehung zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor mit dem Ziel, öffentliche Infrastrukturleistungen effizienter anzubieten" (Puwein et al. 2004, S. 2).
Ähnlich definieren Grimsey und Lewis Public Private Partnerships als „... arrangements whereby private parties participate in, or provide support for, the provision of infrastructure, and a PPP project results in a contract for a private entity to deliver public infrastructure-based services" (Grimsey und Lewis 2005, S. xiv).
Als wesentliches Kriterium für das Vorliegen einer PPP sieht Ziekow - unabhängig vom betroffenen Sektor und der Vertragsgestaltung im Einzelnen - die „sektorenüber-
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greifende Zusammenfügung von Handlungsrationalitäten" (Ziekow 2003, S. 30) an. Bult-Spiering und Dewulf sehen als wesentliches Kriterium einer öffentlich-privaten Partnerschaft die Aufteilung bestimmender Faktoren zwischen den Partnern; sie stellen fest: „In PPPs, public and private parties (actors) share costs, revenues and responsibilities" (Bult-Spiering und Dewulf 2007, S. 3). Dieser Ansatz bietet eine hinreichende Abgrenzung gegenüber sonstigen vertraglichen Beziehungen zwischen Markt und Staat, z. B. reinen Β eschaffungsVerträgen oder outsourcing, wie auch einer Vollprivatisierung, und kann daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit als konstituierendes Charakteristikum einer PPP angesehen werden, unabhängig von der Vertragsgestaltung im Einzelnen. Gemeinsam ist obigen Definitionen, dass sie für das Konzept nationaler Kooperationen zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft ausgelegt sind. Es ist jedoch unproblematisch, diese Ansätze zu erweitern auf transnationale Public Private Partnerships: Diese sollen in diesem Kontext definiert werden als Partnerschaften zwischen einem öffentlichen Partner aus einem Entwicklungsland und einem (multinational agierenden) privatwirtschaftlichen Unternehmen. Diese Entwicklungspartnerschaften sind, ihre grundsätzlichen Merkmale betreffend, durchaus vergleichbar mit nationalen PPPs. Bedingt durch die besonderen Spezifika des öffentlichen Sektors in den weniger entwickelten Staaten der Welt und mit Blick auf spezielle Probleme, welche durch eine grenzübergreifende Kooperation entstehen können, sehen sich diese Entwicklungspartnerschaften jedoch mit speziellen Herausforderungen konfrontiert. Generell sind derartige Partnerschaften erst in der letzten Dekade als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung populär geworden, insbesondere in der theoretischen Beschäftigung mit internationalen Beziehungen (zur Debatte um transnationale PPPs im Rahmen der Governance-Forschung siehe im Einzelnen Schäferhoff et al. 2007). Unabhängig von der einzelnen theoretischen Ausrichtung der Beiträge in dieser speziellen Debatte können PPPs in diesem Zusammenhang zusammenfassend als "institutionalized transboundary interactions between public and private actors [...]" (Schäferhoff et al. 2007, S. 7 f.) definiert werden. Im Falle dieser entwicklungsorientierten PPPs sind grundsätzlich zwei Modelle abzugrenzen: zum einen die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter, zum anderen Public Private Partnerships zwischen international agierenden Unternehmen und dem öffentlichen Sektor der Entwicklungs- und Schwellenländer zum Zwecke direkter Maßnahmen im Rahmen der Verbesserung der Lebensbedingungen armer Bevölkerungsteile, wie ζ. B. der Bereitstellung spezieller Infrastruktur. Hier werden durch die Kooperation eines öffentlichen Betriebes und eines privatwirtschaftlich organisierten Unternehmens Effizienzsteigerungen erwartet: "PPPs can provide services more efficiently to the poor than governments, since they foster the build up of infrastructure, and help to encourage entrepreneurship and competition in developing countries. Overall, proponents see PPPs as a response to both state- and market failure" (Schäferhoffet al. 2007, S. 9). Abschließend bleibt festzustellen, dass trotz des Fehlens einer einheitlichen, sowohl für nationale wie auch internationale Partnerschaften gültigen Definition einer Public Private Partnership Kennzeichen identifiziert werden können, die für jedwede PPP gel-
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ten und daher gewissermaßen als deflnitorisches Minimalkriterium dienen können (Budäus und Grüb 2007, S. 248): —
Mindestens jeweils ein Akteur aus dem öffentlichen und aus dem privatwirtschaftlichen Sektor sind beteiligt,
—
die Ziele der beteiligten Partner sind nicht konfligierend
—
die Kooperation ist - durchaus in unterschiedlichem Grade - formalisiert und
—
die individuelle Identität der einzelnen Partner bleibt erhalten.
3.3.
Public Private Partnership-Modelle im Überblick
Nicht nur fehlt eine einheitliche Definition für PPPs, darüber hinaus existiert in der Praxis eine Vielzahl verschiedener Modelle, deren Systematisierung bislang nicht durchgehend vereinheitlicht wurde. Nach Budäus (2006) kann eine basale Differenzierung anhand der Handlungsmotivation beider Seiten in Public Private Partnerships erster, zweiter und dritter Generation erfolgen: PPPs erster Generation sind dabei gekennzeichnet durch eine Aufgabenkooperation, innerhalb derer das spezifische Know how beider Partner zusammengeführt wird. Zweiter Generation sind entsprechend dieser Argumentation entstanden aus der reinen Notwendigkeit des Einbezugs eines privatwirtschaftlichen Partners aufgrund der Finanzknappheit des öffentlichen Sektors. Die dritte Generation von Partnerschaften ist durch den privaten Partner selbst induziert; Motivation ist hier die Übernahme öffentlicher Verantwortung - corporate social responsibility (CSR) - , welche das private Unternehmen aus eigenem Wunsch heraus übernimmt, um sich besser in der Öffentlichkeit zu positionieren (auch Schuppert 2007, S. 108). Diese Unterteilung anhand von Handlungsmotivationen erscheint insofern nicht unproblematisch, als dass in der Praxis durchaus von einer Überschneidung der Motivation für eine PPP ausgegangen werden muss. So kann eine PPP aus öffentlicher Sicht durchaus aus der finanziellen Notwendigkeit heraus etabliert werden und gleichzeitig für den privaten Partner eine willkommene Gelegenheit bieten, seine gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Daher ist diese auf die Motivationen der Akteure beruhende Einteilung an dieser Stelle nicht ausreichend gegeneinander abgrenzbar, um verschiedene Public Private Partnerships zu klassifizieren. Eine weitere Differenzierung von PPPs bietet sich anhand ihrer jeweiligen Vertragsstrukturen. Gemäß dieses Ansatzes bilden zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge sowie gesellschaftsrechtliche Kooperationen die drei Gruppen, in welche PPPs grundlegend unterteilt werden können. Zivilrechtliche Kooperationsverträge beteiligen den privaten Partner bei der Finanzierung der Anlage und - im Rahmen von Planung und Aufsicht - auch bei der Bereitstellung von spezifischem Wissen. Hierbei handelt es sich in der Regel um längerfristigen Mietkauf bzw. Miet- oder Leasingverträge. Die jeweiligen Bauten bzw. Anlagen können in einem derartigen Fall automatisch oder aufgrund von Options- oder Vorverkaufsrechten an die öffentliche Hand zurückfallen (Puwein et al. 2004, S. 8 f.). Diese Vertragsart ist in der Regel auf öffentliche Gebäude wie Schulen beschränkt. Im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Kooperation wird von beiden Partnern gemeinsam eine neue Gesellschaft gegründet, welche die Einheit erstellt und an den öffentlichen Partner vermietet; auch hier geht es in der Regel um
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die Erstellung baulicher Anlagen. Öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge beziehen den Privaten direkt in die öffentliche Aufgabenerfüllung mit ein, sei es im Rahmen eines Submissions- oder Konzessionssystems. Ersterer sieht vor, dass Bau und Betrieb der Anlage über den privaten Partner erfolgen, der öffentliche Partner jedoch die Verträge mit privaten Endabnehmer, ζ. B. über Gebühren, abschließt, Preise festsetzt und das Inkasso vornimmt (Puwein et al. 2004, S. 8 f.). Im Gegensatz dazu besteht im Falle eines Konzessionssystems eine direkte Vertragsbeziehung zwischen privatem Unternehmen und den Endabnehmern, das Unternehmen ist weitgehend frei in Bezug auf Tarifgestaltung und Leistungsgestaltung, lediglich eine Kontrollfunktion liegt beim öffentlichen Partner. Diese Art von Verträgen finden sich oftmals im Rahmen monopolartiger Infrastrukturanlagen (Puwein et al. 2004, S. 8 f.). Nach Krasemann (2008, S. 9) ist eine Aufgliederung von privat-öffentlichen Kooperationen in zwei Grundtypen vorzunehmen; auf der einen Seite zeitlich befristete, jedoch durchaus für einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren angelegte Verträge zum Zwecke der Durchführung eines speziellen Projektes, zum anderen langfristig und organisatorisch verfestigte Kooperationen innerhalb eines eigenständigen Rechtssubjektes. Eine ähnliche Differenzierung nehmen auch Budäus und Grüb (2007, S. 251 ff.) vor, wenn sie PPPs in Vertrags-PPPs und Organisations-PPPs unterscheiden. Während Erstere als vertraglich festgelegte Tauschbeziehung zwischen dem öffentlichen Sektor als Auftraggeber und dem privaten Unternehmen als Auftragnehmen gelten, sind Letztere gekennzeichnet durch eine „vertraglich definierte Zusammenlegung der Ressourcen beider Partner in einen gemeinsamen Ressourcenpool" (Budäus und Grüb 2007, S. 254). Diese grundsätzliche Unterteilung von PPPs wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwandt, kann doch entsprechend ihrer vertraglichen Ausgestaltung im Einzelnen die Mehrheit der bestehenden Partnerschaftsverträge diesen Grundmodellen zugeordnet werden. Eine weitergehende Untergliederung ist jedoch notwendig, um differenziertere Aussagen über die Ausgestaltung der PPP im Einzelnen vornehmen zu können. Mit Blick auf die Vertrags-PPPs, die nachfolgend im Fokus der Analyse stehen, hat sich in der theoretischen Betrachtung nationaler PPPs die Aufgliederung in Betriebsführungs-, Betreiber-, Betriebsüberlassungs-, Kurzzeitbetreiber-, Beratungs-, Entwicklungs-, Fonds- und Factoring-Modelle sowie Kredit- und Mischfinanzierungen durchgesetzt (Krasemann 2008, S. 9 f.). In der internationalen Diskussion um Public Private Partnerships als Entwicklungspartnerschaften werden insbesondere die nachfolgend aufgeführten Modellarten mit den genannten Bezeichnungen diskutiert, welche sich an die nationalen Modelle anlehnen, jedoch ζ. B. detaillierter zwischen Neubau und Instandhaltung unterscheiden (vgl. Übersicht 3).
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Übersicht 3: Public Private Partnership-Modelle nach Risikoverteilung und Laufzeit Vertragsoption
Eigentümerschaft Betrieb der Anlage und Wartung
Laufzeit
Finanzinvestition
Risiko
Öffentlich
Öffentlich
1-2
(Jahre)
Servicevertrag
Öffentlich
Privat und öffentlich
Managementvertrag
Offentlieh
Privat
! Öffentlich
Öffentlich
3-5
Leasing
Öffentlich
Privat
Öffentlich
Geteilt
8-15
Konzession
Öffentlich
Privat
Privat
Privat
25-30
"Build Operate Transfer' (BOT) oder "Build Operate Own Transfer' (BOOT)
Privat und ö f fentlich
Privat
Privat
Privat
20-30
Privat
Nicht näher bestimmt, ggf. durch Lizenz begrenzt
BOO, Voll- Rein privat oder ständige Ab- privat und öffentlich gabe
Privat
Privat 1
Quelle: In Anlehnung an Weltbank (1997). Neben der Eigentümerschaft, welche als Abgrenzungskriterium zwischen den verschiedenen Formen von PPPs dienen kann, sind Risikoverteilung und finanzielle Beteiligung zwei weitere Parameter, anhand derer die Klassifikation erfolgen kann (auch Bult-Spiering und Dewulf 2007, S. 3). Grundsätzlich gilt, dass die Tiefe der Partnerschaft durch die Verteilung von Eigentümerschaft und Risiko sowie die Übernahme der finanziellen Verantwortung determiniert ist. Dies spiegelt sich in der Regel in der Länge der Vertragslaufzeit wieder - je mehr Risiken und Kosten auf den privaten Partner übergehen, desto länger ist die Laufzeit des Vertrages gehalten. Dies eröffnet dem privaten Partner zumindest theoretisch die Möglichkeit einer Amortisation seiner Investitionen; relevant ist dies insbesondere bei langlebigen Infrastrukturanlagen mit hohen Anfangsinvestitionen. 3.3.1. Service- und Managementverträge Als Varianten mit der geringsten Beteiligungstiefe bieten diese Service- und Managementverträge die Möglichkeit, den privaten Partner für einen vertraglich festgelegten, in der Regel relativ kurzen Zeitraum von drei bis fünf Jahren mit dem Betrieb, der Wartung und/oder dem Management der Einrichtung zu betrauen. Diese Dienstleistung wird durch den öffentlichen Partner entsprechend leistungsabhängig oder gemäß einer vertraglichen Vereinbarung mit einem Fixum entlohnt, eine Refinanzierung für den Privaten direkt durch den Nutzer findet nicht statt.
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Der private Partner ist bei dieser Partnerschaftsvariante nicht an der Finanzierung der Anlage beteiligt, sondern bringt lediglich spezifische Fähigkeiten ein. Das Risiko des Projekts trägt unter einem derartigen Vertrag ausschließlich die öffentliche Hand, auch verbleibt die Eigentümerschaft der Anlage komplett über die gesamte Laufzeit beim öffentlichen Partner. Das privatwirtschaftliche Unternehmen erwirbt keine Eigentumsrechte. 3.3.2. Leasing und Gebührenmodelle/Konzessionen Im Kontext von PPPs als Entwicklungspartnerschaften eher selten, wird im Falle der - mittelfristig angelegten - Leasing-Option die Anlage komplett durch die öffentlichen Hand finanziert und verbleibt auch vollständig in deren Besitz, der Betrieb erfolgt jedoch durch den Privaten, welcher auch einen Teil des Risikos übernimmt. Bei Wahl einer Konzession als PPP-Variante ist das private Unternehmen verpflichtet, langfristig eine spezifische Dienstleistung auf eigenes wirtschaftliches Risiko direkt für den Endabnehmer zu erbringen und kann im Gegenzug seine Kosten über Entgelte oder Gebühren aus einer direkten vertraglichen Beziehung mit dem Nutzer decken (Littwein 2008, S. 6 f.). Die Eigentümerschaft der Anlage verbleibt hier von Beginn bis zum Ende des Projektes in öffentlicher Hand; dies unterscheidet dieses Partnerschaftsm o d e l l v o n der Alternative Build-Operate-Transfer
(Puwein et al. 2004, S. 9).
3.3.3. Build-Operate-Transfer (BOT), Build-Own-Operate-Transfer (BOOT) und Build-Own-Operate (BOO) Die Ausgestaltung einer PPP als BOT-Modell ist die am weitesten verbreitete Form des Einbezugs Privater, insbesondere bei der Bereitstellung von Infrastruktur, und wird - ebenso wie andere Modelle, die den Bau der Anlage beinhalten - auch als GreenfieldProjekt bezeichnet. Die private Unternehmung erhält eine langfristige Konzession, welche die Finanzierung, den eigentlichen Bau, den Betrieb und die Erhaltung (Wartung und Reinvestitionen) der Anlage umfasst, und tritt direkt in Kontakt zu den Endabnehmern der Serviceleistung. Nach einer ex ante vertraglich festgelegten Zeitspanne fällt die gesamte Anlage an die öffentliche Hand zurück, welche während der gesamten Laufzeit die formale Eigentümerschaft inne hat (Puwein et al. 2004, S. 9). Ein Sonderfall ist das BOOT-Modell, innerhalb dessen die - komplette oder anteilige - Eigentümerschaft der Anlage zwischenzeitlich an den privaten Partner übergeht, bevor sie nach einem vertraglich festgelegten Zeitraum transferiert wird. Ebenfalls genutzt wird die Variante des BOO-Modells, welches die Eigentümerschaft der Anlage nach privater Erstellung und Betrieb endgültig in privater Hand belässt; die Abgrenzung zu einer Vollprivatisierung ist hier lediglich - wenig trennscharf - durch den Verbleib von vertraglich festgelegten Kontroll- und Mitspracherechten beim öffentlichen Partner gegeben. 3.3.4. Weitere Modelle Neben den genannten Varianten existiert ein breites Portfolio an weiteren Modellen sowie Zwischenstufen und Mischformen der genannten Vertragsarten (Rivera 1996, S.
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8). Da eine Standardisierung der einzelnen Partnerschaftsformen bislang weitgehend fehlt, ist hier grundsätzlich ein weites Spektrum an Kooperationsformen denkbar. Die nachfolgend aufgeführten Partnerschaftstypen bilden somit lediglich aktuell bestehende Bezugspunkte in einem sich nach wie vor entwickelnden Spektrum, im Einzelnen handelt es sich dabei um Design-Build-Finance-Operate (DBFO), Build-Lease-Transfer (BLT), Design-Build-Operate-Transfer (DBOT), Build-Lease-own-Transfer (BLOT), Build-Own-Operate-Subsidize-Transfer (BOOST), Build-Own-Renewal of Concession (BOR), Build-Rent-Operate-Transfer (BROT), Build-Transfer-Operate (BTO), DesignConstruct-Manage-Finance (DCMF), Lease-Develop-Operate (LDO), Modernize-OwnOperate (MOO), Modernize-Operate-Transfer (MOT), Refurbish-Own-Operate (ROO) und Refurbish-Operate-Transfer (ROT) (Puwein et al. 2004, S. 9 f.). Im entwicklungspolitischen Kontext besonders relevant, da zur Aufrechterhaltung des Services dringend benötigt, sind diejenigen Modelle (MOO, MOT, ROO, ROT), welche die Modernisierung und/oder Rekonstruktion der Anlage bzw. des Versorgungsnetzes beinhalten: Die aktuelle Situation in zahlreichen Entwicklungsländern erfordert im Bereich der Infrastruktur nicht in erster Linie eine Ausweitung des Service, sondern vielmehr die qualitative Verbesserung der bestehenden Anlagen/Netze, ζ. B. im Hinblick auf Versorgungspersistenz. Die hierfür notwendige Investition in bestehende Anlagen erfolgt jedoch weit weniger häufig im Rahmen von PPPs als der Neubau von Anlagen unter Nutzung eines BOT-Modells, da dieses Vorgehen für den privaten Partner eine bessere Abschätzung notwendiger Investitionen ermöglicht und für den öffentlichen Partner ggf. aus Prestigegründen sinnvoll erscheint. Um dieser Fehlallokation vorzubeugen, wird zunehmend versucht, Modelle zur Instandhaltung und dem Ausbau von Anlagen zu fördern. Wie das Beispiel der International Finance Corporation zeigt, werden daher Modelle, die den Neubau von Anlagen umfassen, entsprechend niedriger gefördert, um den in Frage kommenden privatwirtschaftlichen Unternehmen entsprechend Anreize zu bieten.
3.4.
Der Implementierungsprozess von Public Private Partnerships
Unabhängig vom jeweils gewählten Partnerschaftsmodell verläuft eine nationale PPP regelmäßig in fünf verschiedenen Phasen, die durch einzelne Arbeitsschritte gekennzeichnet sind (vgl. Diagramm 2) (Littwein 2008, S. 8 ff). Entsprechend nationaler Gesetzgebung sind hier Unterschiede möglich, ζ. B. durch bestehende gesetzliche Vorgaben bzgl. der Vorgehensweise im Prozess der PPP-Implementierung. Relevant ist an dieser Stelle jedoch nicht die konkrete gesetzliche Ausgestaltung, sondern die Tatsache, dass der Implementierungsprozess überhaupt gesetzlich geregelt ist, was insgesamt den Spielraum für die beteiligten Partner verringert.
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Diagramm 2: Implementierungsphasen nationaler PPPs
1
Bedarfsfeststellung, Finanzierbarkeit, Maßnahmenwirtschaftlichkeit PPP-Eignungstest (qualitativ)
2
V CD
Vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Erstellung des konventionellen Vergleichswertes Festlegung Kostenobergrenze für staatl. Budget Abschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Projektcontrolling Verwertung
Quelle: In Anlehnung an Littwein (2008), S. 8.
Im Falle transnationaler Entwicklungspartnerschaften bestehen gewisse Differenzen zu nationalen Modellen: Während die Implementierung nationaler PPPs in der Regel durch gesetzliche Vorgaben des entsprechenden Landes bzw. der föderalen Untereinheit geregelt wird, ist dies für entwicklungsorientierte PPPs regelmäßig nicht der Fall. Somit müssen die einzelnen in Diagramm 2 beschriebenen Schritte nicht zwangsläufig eingehalten werden, damit die Partnerschaft zustande kommen kann. Auch ein entsprechend standardisiertes Prüfungsverfahren für den Fall der Beteiligung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit existiert nicht, hier werden die Standards für die Förderung der PPP von der jeweiligen Organisation selbst gesetzt. In der Regel existieren jedoch anteilige Obergrenzen zumindest der finanziellen Förderung, so werden ζ. B. von der International Finance Corporation für Neuanlagen maximal 25 Prozent (bzw. 35 Prozent bei Kleinprojekten) der gesamten prognostizierten Projektkosten übernommen; sofern es sich um Erweiterungs- oder Instandhaltungsprojekte handelt, können bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten gefördert werden (www.ifc.org). Anderweitige Förderungen wie Garantien werden in der Regel aufgrund von Einzelfallprüfungen vergeben, auch hier existiert kein allgemein gültiges Verfahren wie eine standardisierte Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ungeachtet des detaillierten Vorgehens im Einzelprojekt verlaufen Entwicklungspartnerschaften grundsätzlich entsprechend eines festen Musters (vgl. Diagramm 3).
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Diagramm 3: Implementierungsschritte bei Entwicklungspartnerschaften Bedarfsfeststellung im Entwicklungsland
Ausschreibung
Bieterprozess bzw. direkte Verhandlungen mit Interessenten
Einzelverhandlungen mit qualifizierten Bewerbern
Vertragsabschluss/Festlegung der Förderung durch Entwicklungsagenten
Quelle: Eigene Darstellung.
3.5.
Das Konzept in der (internationalen) Entwicklungszusammenarbeit
Bedingt durch die Entwicklungen der letzten Dekade sieht sich die internationale multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, vertreten insbesondere durch die Unterorganisationen der Vereinten Nationen und die Weltbankgruppe, neuen Herausforderungen gegenüber. Diese stellen sich sowohl auf der „Nachfrageseite" nach Entwicklungshilfe, den wenig entwickelten Staaten der Welt, wie auch auf der „Angebotsseite", den westlichen Industriestaaten bzw. Entwicklungsorganisationen. Beide Seiten werden beeinflusst von den tiefgehenden Umwälzungen des weltweiten (sicherheits-)politischen Gefüges im Zuge des Falls des „Eisernen Vorhangs" in den Jahren 1989/1990 und den Folgen der Globalisierung im Sinne eines ökonomischen wie politischen Vemetzungs- und Entgrenzungsprozesses (Robert 2002a, S. 10).
3.5.1. Zur Notwendigkeit neuer Konzepte Auf der Nachfrageseite nach Entwicklungszusammenarbeit sind es insbesondere drei zusammenhängende Faktoren, welche die Notwendigkeit finanzieller Transfers und technischer Unterstützung aus industrialisierten Staaten befördern. Dabei handelt es sich um ein starkes Bevölkerungswachstum, eine hohe Urbanisierungsrate sowie gesellschaftlichen Wandel im Sinne sich verändernder staatlicher Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Transformationen. Diese Faktoren sind für nahezu alle Entwicklungsländer weltweit zu beobachten und insbesondere in den Staaten der A/flVA-Region evident. Dazu kommt ein weiterer Faktor, welcher auf eine Reihe von Entwicklungsländern zutrifft - der zunehmende Zerfall staatlicher Ordnung {Menzel 2001, S. 383 ff.). Diese failed states sind gekennzeichnet durch das Fehlen bzw. vollständige Versagen staatli-
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eher Strukturen und Organisationen sowie die Nichtexistenz staatlicher Handlungsmacht über eng begrenzte Gebiete hinaus. Mit diesem Versagen staatlicher Ordnung steigt die Verwundbarkeit der entsprechenden Gesellschaften für ein Versagen der Märkte, Versorgungsengpässe in Bezug auf Nahrungsmittel, eine mangelnde Bereitstellung notwendiger Infrastruktur und soziale Verelendung - Faktoren, welche mittelfristig ein verstärktes Engagement von Entwicklungsagenturen erfordern würden. Wie u. a. das Beispiel Afghanistan zeigt, geht dieses Versagen des Staates darüber hinaus oftmals mit einem Erstarken radikaler Bewegungen im Inneren oder dem „Import" dieser aus dem Ausland einher. Diesen verschiedenen Entwicklungen zu begegnen bzw. sie bereits im Vorfeld abzuwenden, erfordert die langfristige Bereitstellung finanzieller Mittel durch die Entwicklungsagenturen; zum einen, um die negativen Folgen für die betroffenen Gesellschaften abzufedern, zum anderen, um diese - im Sinne politischer Konditionalitäten - gemäß eigener Vorstellungen umzugestalten bzw. aus sicherheitspolitischem Eigeninteresse heraus zu stabilisieren (zum Verhältnis von Entwicklungszusammenarbeit und Terrorismusprävention im Einzelnen siehe Von der Goltz 2004). Ein bestimmendes Element aktueller Entwicklungspolitik ist also die Frage nach der Finanzierbarkeit notwendiger entwicklungspolitischer Maßnahmen durch die Organisationen der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, welche abhängig von den Zahlungen der Industrienationen sind, sowie den bilateral arbeitenden, national verankerten Organisationen selbst ( S c h ä f e r h o f f et al. 2007, S. 11). Die Entwicklungen der letzten Dekade zeigen, dass die Gebemationen immer weniger Willens oder dazu in der Lage sind, entwicklungspolitische Maßnahmen entsprechend zu finanzieren. So stagnierten oder sanken die Ausgaben für offizielle Entwicklungshilfe, d. h. Entwicklungshilfe durch die öffentliche Hand ( O f f i c i a l Development Aid - ODA), der meisten OECDStaaten in den letzten Jahrzehnten (OECD 2007a). Die von den Vereinten Nationen als Zielvorgabe festgelegten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommen ζ. B. wurden im Jahr 2007 unter den größten Gebemationen ausschließlich von den Niederlanden und Schweden erreicht bzw. vielmehr überschritten. Die Vereinigten Staaten als Nation mit den absolut höchsten Zahlungen für staatliche Entwicklungshilfe brachten offiziell rund 0,18 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auf (vgl. Übersicht 4). 53 Der Durchschnitt der Zahlungen am BIP lag für die EU-15-Staaten im Jahr 2002 bei 0,4 Prozent (Nuscheier 2005, S. 484 ff.). In absoluten Zahlen sind es die Mitglieder der ehemaligen„G-7", welche die höchsten Zahlungen leisten, der durchschnittliche Anteil am Bruttonationaleinkommen lag jedoch nur bei 0,27 Prozent im Jahr 2007 (OECD 2007a). 54
Auch Dänemark, Luxemburg und Norwegen als Länder mit insgesamt geringeren Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit überschritten im Jahr 2007 die Quote von 0,7 Prozent. Im Vergleich dazu: Der Anteil der offiziellen Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen lag bei den Nicht-G-7-Staaten im Jahr 2007 im Durchschnitt bei 0,51 Prozent.
54
Rahel Schomaker
Übersicht 4: Entwicklungshilfe im Jahr 2007 durch ausgewählte Staaten — Staat/Rang
— Summe in Mio. US-S
— Prozent des BIP
— Vereinigte Staaten
-
23.532
-
0,18
— Vereinigtes Königreich
-
12.459
-
0.51
— Japan
-
11.187
-
0,25
— Frankreich
-
10.601
-
0,47
— Deutschland
-
10.435
-
0,36
— Niederlande
-
5.452
-
0,81
— Schweden
-
3.955
-
1,02
— Kanada
-
3.684
-
0,29
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle OECD (2007a). Dazu kommt, dass die aus der veränderten globalen Sicherheitslage entstehenden neuen, präventiven Aufgabenfelder von Entwicklungspolitik unter den gegebenen Rahmenbedingungen auf die gleichen finanziellen Ressourcen zugreifen wie die „klassische Entwicklungspolitik". Dieser trade off führt damit zwangsläufig zu einer Unterfinanzierung zumindest eines Bereiches, solange keine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Mittel erfolgt. „Neue Aufgaben brauchen neues Geld und neue Finanzierungsinstrumente" (BMZ 2004, S. 17), so stellvertretend auch für andere Organisationen die Schlussfolgerung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgrund dieser veränderten Ausgangslage. Ein weitere Faktor, welcher aus Sicht nationaler wie internationaler Entwicklungsagenturen einen verstärkten Einbezug des privaten Sektors notwendig erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass angesichts der zunehmenden technischen Komplexität von Infrastruktur und Güterproduktion die Organisationen selbst häufig nicht mehr dazu in der Lage sind, die erforderliche Expertise vorzuhalten. Diese muss daher von Dritten bezogen werden (Schäferhoffet al. 2007, S. 11). 3.5.2. Theoretische Fundierung Als Erklärungsansätze für die nach wie vor bestehende Unterentwicklung verschiedener Teile der Welt, insbesondere der Länder des Südens, existiert ein nahezu unübersehbares Maß an Theorien. Allen Entwicklungstheorien 55 gemeinsam ist dabei, dass sie
Unterscheiden lassen sich an dieser Stelle grundsätzlich Entwicklungstheorien, welche Unterentwicklung endogen bzw. exogen erklären. Während endogene Erklärungsansätze davon ausgehen, dass die Ursachen für den im Vergleich niedrigen Entwicklungsstand der entsprechenden Staaten ursächlich in diesen selbst verankert liegen, ζ. B. durch Korruption bedingt werden, sehen Theorien, die auf exogene Verursachung abstellen, die
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des Nahen Ostens und Nordafrikas
55
zum einen Prozesse von Entwicklung bzw. Unterentwicklung im internationalen Vergleich zu erklären suchen, zum anderen normativ ausgerichtet sind, d. h. aus ihren Erklärungsansätzen sollen Handlungsorientierungen abgeleitet werden, wie Entwicklung ablaufen sollte (Brand 2004, S. 4). Wie Menzel feststellt (2001, S. 379 ff.), sind seit Beginn der 1990er Jahre die etwaige Entwicklungsrückstände erklärenden .großen Theorien' heftig umstritten. Ihr Erklärungsgehalt im Einzelnen wie auch die Brauchbarkeit ihrer Handlungsempfehlungen wird dabei grundsätzlich angezweifelt. Darüber hinaus stellt sich zunehmend die Frage, ob die Zielobjekte der Entwicklungstheorie, die betrachteten Entwicklungsländer, (noch) als homogene Gruppe im Sinne einer einheitlichen „Empfängergruppe" entsprechender Theorien angesehen werden können. Die empirische Evidenz der in hohem Grade unterschiedlichen Entwicklungen in verschiedenen Teilen der Welt untermauert diese These (Menzel 2001, S. 383 f.). Damit handelt es sich um ein „doppeltes Versagen" (Brand 2004, S. 4) im Sinne versagender Erklärungsmuster wie auch insuffizienter Handlungsempfehlungen. Verständlich wird dieses Versagen vor dem Hintergrund der Kontextabhängigkeit von Entwicklungstheorien: Da diese - sowohl in ihrer Entstehung als auch ihrer Rezeption - in hohem Maße von den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängen, kann die zunehmende Komplexität des Gegenstands, ausgelöst durch die Verwerfungen im internationalen Raum seit Ende der 1980er Jahre, als Erklärung für das Scheitern der ,großen Theorien' gelten (Brand 2004, S. 7 f.). Somit ist zwangsläufig die Frage nach dem ,was nun' zu stellen. Ausgehend von der Annahme, dass nicht jedwede theoretische Erklärung von Unterentwicklung abzulehnen ist, wie sie auch Brand vertritt, sind im akademischen Diskurs neue Ansätze entstanden, welche unter der Sammelbezeichnung .Neuer Realismus' firmieren und neue, alternative Entwicklungskonzepte - wie ζ. B. das Partizipationsprinzip - in die Diskussion mit einbeziehen (ausführlicher Brand 2004, S. 9 ff.). Diese Konzepte haben in den vergangenen Jahren vielfach bereits aus dem akademisch-theoretischen Diskurs heraus Eingang in die angewandte Entwicklungspolitik gefunden, umso mehr als dass der theoretische Hintergrund selbst vielfach weniger als Theorie denn als Strategie angesehen werden muss (Brand 2004, S. 16). Die aktuellen Herausforderungen erkennend, haben die internationalen Entwicklungsagenturen in der vergangenen Dekade ein Portfolio neuer Ansätze entwickelt, um der Aufgabe von Armutsreduktion und nachhaltiger Entwicklung nachkommen zu können. Dazu gehört an erster Stelle der verstärkte Einbezug aller stakeholder (Partizipation) in den Entscheidungs- und Implementierungsprozess entwicklungspolitischer Maßnahmen. Dieser „normativen Zielvorgabe der partizipatorischen Entwicklung" (Nuscheler 2005, S. 85) entsprechen die Ansprüche der internationalen Organisationen der Entwicklungshilfe - und damit auch den in ihnen organisierten Geberländer - insofern, als dass Vergabekriterien für Entwicklungshilfe definiert wurden, welche als conditio sine qua non die aktuelle Entwicklungspolitik determinieren. Im Einzelnen (Nuscheier 2005, S. 85) handelt es sich bei diesen Kriterien um:
Gründe für Unterentwicklung durch das Handeln der Industriestaaten bedingt (im Einzelnen Nuscheier 2005).
56
Rahel Schomaker
•
das Vorliegen bzw. die Förderung von Good Governance und Rechtsstaatlichkeit,
•
die Förderung von Demokratie und die Verbesserung der Menschenrechtslage,
•
eine direkten Entwicklungsorientierung der entsprechenden Staaten durch Einschränkung der Rüstungsausgaben und Bekämpfung der Korruption sowie
•
marktwirtschaftliche Reformen, insbesondere Liberalisierung der Volkswirtschaft und Förderung der Privatwirtschaft.
Die Festlegung der drei erstgenannten Voraussetzungen für das Engagement internationaler Entwicklungshilfeinstitutionen ist als neue, doppelte Konditionalität zu betrachten, welche die rein ökonomische, auf die Anpassung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen ausgerichtete Konditionalität der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) der 1980er Jahre um das politische Element erweitert (Nuscheier 2005, S. 447 f.). Die über eine verstärkte Partizipation zu verwirklichende Zielvorstellung ist dabei, dass Nachhaltigkeit nur Uber die Akzeptanz der Programme bei allen Betroffenen zu erreichen sei. Die genannten Voraussetzungen werden dazu als unabdingbare Voraussetzung angesehen. Auch die Finanzierungsseite der Entwicklungszusammenarbeit kann und soll durch den Einbezug anderer stakeholder gestärkt werden. Hier richten sich die Hoffnungen in erster Linie auf den privatwirtschaftlichen Sektor, welcher seinerseits Ressourcen in den Entwicklungsprozess einbringt. Neben finanziellen Ressourcen werden auch personelle Ressourcen in Form von technischem Know how und Managementfähigkeiten erwartet. 3.5.3. Praktische Einbindung in die Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen der privaten Wirtschaft und den Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit oftmals distanziert und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Privatwirtschaftliche Unternehmen spielten bestenfalls eine Nebenrolle in der zumeist staatlichen Entwicklungspolitik; ihr Engagement, ζ. B. im Rahmen von Direktinvestitionen, wurde dabei in der Regel nicht als Maßnahme der Entwicklungszusammenarbeit, sondern deren Folge betrachtet (Roloff 2004, S. 157). Nunmehr werden im Zuge neuer theoretischer Erkenntnisse, insbesondere aber aufgrund der erläuterten praktischen Erfordernisse neue Partnerschaften gebildet. Sowohl auf internationaler wie auch auf nationaler Ebene ist vor diesem Hintergrund die Privatwirtschaft als quasi natürlicher Partner in entwicklungspolitischen Maßnahmen erkannt worden. Zahlreiche neue Initiativen, sowohl national als auch international, institutionalisieren diesen Ansatz, indem der private Sektor - wie auch andere Stakeholdergruppen - im Rahmen neuer ,Typ-2'-Partnerschaften" (Partzsch 2007, S. 15) quasi offiziell eingebunden wird. Viele dieser Partnerschaften beruhen dabei auf direkten Initiativen internationaler Organisationen oder gingen aus ,Typ-l'-Abkommen hervor; in der Regel erfolgt eine enge Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Partnerschaften (Partzsch 2007, S. 15). An erster Stelle relevant ist hier der Global Compact der Vereinten Nationen, der, initiiert vom ehemaligen Generalsekretär der UN, Kofi Annan, privatwirtschaftliche Unternehmen ausdrücklich in die Entwicklungszusammenarbeit einbinden will:
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„On my previous visits, I told you of my hopes for a creative partnership between the United Nations and the private sector. I made the point that the everyday work of the United Nations - whether in peacekeeping, setting technical standards, protecting intellectual property or providing much-needed assistance to developing countries - helps to expand opportunities for business around the world. And I stated quite frankly that, without your know-how and your resources, many of the objectives of the United Nations would remain elusive" (Annan 1999). Auch die Erklärung der Millennium Development Goals der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 betont die Rolle der Privatwirtschaft als Stakeholder in der Entwicklungszusammenarbeit und damit ihren hohen Stellenwert für die Erreichung des Ziels globaler Armutsreduzierung um die Hälfte bis zum Jahr 2015 (Schuppen 2007, S. 104): "To give greater opportunities to the private sector, non-governmental organizations and civil society, in general, have to contribute to the realization of the Organization's goals and programs" (United Nations General Assembly 2001). Schon die im Rahmen der Konferenz der Regierungschefs in Rio de Janeiro im Jahr 1992 von der internationalen Staatengemeinschaft akzeptierte .Agenda 21', welche insbesondere in den Abschnitten 27 und 30 eine vermehrte Einbeziehung von - transnationalen - Unternehmungen, lokalen Gruppen, Nichtregierungsorganisationen sowie der Zivilgesellschaft im allgemeinen fordert, hat den privaten Sektor als Akteur der Entwicklungszusammenarbeit benannt. Auch auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Jahr 2002 haben die Staats- und Regierungschefs ebenfalls öffentlich-private Entwicklungspartnerschaften befürwortet und ihre Bedeutung für die Erreichung der angestrebten Entwicklungsziele betont (Brown 2004, S. 231). Auch im institutionellen Rahmen entwicklungspolitisch tätiger Organisationen ist das Konzept der Privatsektorbeteiligung inzwischen fest eingebunden. Auf der internationalen Ebene ist an dieser Stelle insbesondere die Weltbankgruppe zu nennen, welche über eine eigene Division für den Bereich Private Participation in Infrastructure (PPI) verfügt. Diese Institution bietet mit einer umfassenden Datenbank den weltweit umfassendsten Überblick Uber bestehende Projekte zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor und bietet Politikberatung für Akteure der Entwicklungszusammenarbeit an. In diesem Rahmen arbeitet die Weltbank eng mit der im Jahr 1999 gegründeten PublicPrivate Infrastructure Advisory Facility (PPIAF) zusammen. Diese bietet technische Unterstützung direkt für Entwicklungsländer, um deren Entwicklungsbemühungen durch den vermehrten Einbezug Privater bei der Bereitstellung von Infrastruktur zu unterstützen. Die International Finance Corporation (IFC) der Weltbankgruppe hat mit der PEP-MENA einen speziellen Schwerpunkt auf der Förderung von Public Private Partnerships und Privatisierungsbemühungen im Nahen Osten und Nordafrika. Auch im Rahmen der Vereinten Nationen wird mit der Public Private Partnerships for the Urban Environment (PPPUE) als Untereinheit des United Nations Development Programs (UNDP) für einen verstärkten Einbezug privatwirtschaftlicher Unternehmungen gearbeitet; hier liegt der Schwerpunkt auf dem Bereich Siedlungswasserwirtschaft in Urbanen Zentren. Die Growing Sustainable Business Initiative (GSB) und die Commission on the Private Sector in Development sind zwei weitere Initiativen des UNDP. Beide legen einen Schwerpunkt auf die Rolle der Privatwirtschaft als Entwicklungsagent, erstere in Form von Infrastrukturförderung durch PPPs, letztere - ins Leben gern-
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Rahel Schomaker
fen im Juli 2003 durch den damaligen UN-Generalsekretär - arbeitet zu einer stärkeren Ausbildung des lokalen privaten Sektors in Entwicklungsländern {Brown 2004, S.240 f.). Auch die meisten bilateral tätigen Entwicklungsorganisationen, wie ζ. B. in der Bundesrepublik Deutschland die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit oder die Kreditanstalt fur Wiederaufbau, unterstützen im Rahmen speziell aufgelegter Programme einen stärkeren Einbezug der Privatwirtschaft (zu Strategien und einzelnen Projekten KfW Entwicklungsbank 2005). 3.5.4. Konkrete Förderung von Public Private Partnerships im Entwicklungskontext Im Einzelnen erfolgt die Förderung von PPPs durch eine Reihe unterschiedlicher Instrumente. Eine Standardisierung der Förderverfahren und -bedingungen über alle bilateral und multilateral tätigen Entwicklungsorganisationen hinweg existiert nicht, obwohl im Rahmen der in Kapitel 3.5.3 vorgestellten Initiativen teilweise mehrere Entwicklungsagenturen eng zusammenarbeiten. Die Antragstellung für die verschiedenen möglichen Förderungen erfolgt daher entsprechend der Regularien der einzelnen Entwicklungsagentur, welche eigene Bedingungen zugrunde legt. Grundsätzlich müssen beantragte Projekte jedoch einen eindeutigen Entwicklungsbezug haben und dürfen den Standards der jeweiligen Entwicklungsorganisation nicht widersprechen: so fordert der IFC unter anderem als Vorbedingung für die Förderung einer PPP die Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards der Organisation und fördert nur Projekte, deren langfristige Profitabilität gegeben erscheint (www.ifc.org). Im internationalen Kontext von besonderer Bedeutung in der Förderung privatöffentlicher Partnerschaften ist die Weltbankgruppe, die sowohl gemessen anhand der Anzahl der PPPs (rund 1200 Projekte weltweit) als auch anhand der Investitionssumme die stärkste Unterstützung bereitstellt (Hammami et al. 2006, S. 12). Praktisch organisiert wird diese Unterstützung in den einzelne Unterorganisationen der Weltbankgruppe, die jeweils verschiedene Förderinstrumente verwenden (vgl. das folgende Diagramm 4). Wie aus Diagramm 4 ersichtlich, sind sowohl direkte finanzielle Förderungen für den öffentlichen wie auch den privaten Partner möglich (bis zu einem maximalen Anteil an der Gesamtsumme des PPP-Projektes, regulär maximal 25 Prozent). Diese kann in Form eines Kredites erfolgen oder auch direkt als Eigenkapital beigesteuert werden. Neben dieser finanziellen Komponente ist auch die technische Unterstützung durch Experten der Entwicklungsagenturen, die vor Ort im Projekt oder durch technische Beratung im Vorfeld erfolgt, ein Bestandteil der PPP-Förderung. Dazu kommt die Absicherung des privaten Partners gegen politische Risiken des Ziellandes und eine spezielle Risikoabsicherung gegen Vertragsbruch durch den öffentlichen Partner (Hammami et al. 2006, S. 12). Diese Förderung ist dabei nicht automatisch kostenfrei, sondern erfolgt z.T. zu marktüblichen Zinsen bzw. Beteiligungen am Gewinn.
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Diagramm 4: Förderinstrumente der Weltbankgruppe
Quelle: Eigene Darstellung. Neben der Weltbankgruppe sind die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IADB), die Europäische Entwicklungsbank (EBRD) und die Europäische Investmentbank (EIB) sowie die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) mit jeweils mehr als 100 betreuten Projekten in der Förderung von PPPs führend; dazu kommen kleinere multinational tätige Entwicklungsagenturen wie die Islamische Entwicklungsbank oder die Afrikanische Entwicklungsbank, die jedoch jeweils nur weniger als 100 Projekte begleiten, sowie bilaterale Entwicklungsagenturen. Alle diese Organisationen sind durch verschiedene Instrumente, ähnlich denen der Weltbankgruppe, in der Förderung von Entwicklungspartnerschaften aktiv (Hammami et al. 2006, S. 12).
3.6.
Potentiale von Public Private Partnerships
Wie aus der oben skizzierten Einbindung des Konzeptes in die Entwicklungszusammenarbeit ersichtlich wird, sind mit dem Einsatz von PPPs als Entwicklungspartnerschaften große Erwartungen verbunden. Sowohl aus Sicht der Entwicklungsagenturen als auch mit Blick auf die weniger entwickelten Staaten sind finanzielle Entlastung und administrativ-technische Unterstützung für Entwicklungsprojekte notwendig. Dies gilt umso mehr in finanzintensiven Bereichen wie der Bereitstellung von Infrastruktur. Es stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch die Frage, welche Motive im Einzelnen aus Sicht der jeweiligen (potentiellen) Partner fiir die Implementierung von Public Private Partnerships im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sprechen und inwieweit diese als tragfahig angenommen werden können. In der Summe können diese verschiedenen Motive bzw. Gründe als das durch die Implementierung einer PPP erwartete „Verbesserungspotential" angesehen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass anhand der Motive konkrete Aussagen über die tatsächlichen, durch eine einzelne PPP zu
60
Rahel Schomaker
erreichenden Verbesserungen gemacht werden können. Diese sind vielmehr abhängig vom Einzelprojekt und in hohem Maße individuell. Insbesondere das gewählte PPPModell, welches maßgeblich die Chancen und Risiken des öffentlichen und privaten Partners determiniert, sowie dem Sektor, auf welchem die PPP erfolgt, sind hier von entscheidender Bedeutung. Zu differenzieren ist an dieser Stelle zwischen den Motiven der beteiligten (internationalen) Entwicklungsagenturen, denjenigen der privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie volkswirtschaftlichen und politischen Motiven. Letztere sind auf Ebene des öffentlichen Partners angesiedelt. Es muss an dieser Stelle - insbesondere vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Realitäten in Entwicklungsländern - angezweifelt werden, dass der öffentliche Partner aus rein wohlfahrtsorientierten Motiven heraus handelt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Entscheidungen des öffentlichen Sektors von politischen Motiven und Partialinteressen von Politik und Bürokratie (mit)geleitet wird. Die im Folgenden getätigte Differenzierung in volkswirtschaftliche Motive zum einen und politische Motive zum anderen versucht diesem Tatbestand Rechnung zu tragen, indem sie die unterschiedlichen Sichtweisen betrachtet. Dennoch soll an dieser Stelle grundsätzlich angenommen werden, dass es das Interesse des Staates ist, eine gute Versorgung mit Infrastruktur - im Rahmen der vorliegenden Arbeit insbesondere bezogen auf Wasserversorgung und Abwasserentsorgung - sicherzustellen. Es muss jedoch beachtet werden, dass auf Seiten des öffentlichen Partners nicht eine einzige Ebene tätig wird, sondern mit politischer Ebene und Bürokratie 56 zwei verschiedene Akteursgruppen an der Implementierung einer PPP beteiligt sind: Während regelmäßig die politische Ebene - sei sie kommunal, regional oder national - die Einführung von derartigen Partnerschaften initiiert und den Vertrag aushandelt, ist es die bürokratische Ebene, welche das Projekt im Einzelnen durchführt. Hier ergibt sich ein PrinzipalAgenten-Problem, welches durchaus zu Schwierigkeiten bei der Implementierung von PPPs führen kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass die politische Ebene als Prinzipal der Bürokratie aus eigenem Machtinteresse heraus handelt bzw. die Strategie bzgl. der PPP Wählerstimmen für die Zukunft sichern soll. Die bürokratische Ebene als Agent verfolgt hingegen Eigeninteressen, welche in der Maximierung ihres eigenen Spielraumes bzw. auch in der Budgetmaximierung für die eigene Behörde sowie generell in einem maximalen (politischen) Einfluss liegen dürften. 57 Da die direkte Kontrolle der Bürokratie durch die Politik aufgrund bestehender Informationsasymmetrien
Als Büro kann an dieser Stelle eine Organisation verstanden werden, die einerseits keinen Zugriff auf die zwischen Kosten und Erträgen entstehende Differenz hat und andererseits Dienstleistungen anbietet, die von der politischen Ebene (oder auch übergeordneten Büros) nachgefragt werden und für welche ein Gesamtbudget gezahlt wird (Niskanen 1971, S. 15). Zwischen dem Büro bzw. der Bürokratie und der politischen Ebene kommt es hierbei regelmäßig zu Informationsasymmetrien, da die übergeordnete Ebene ausschließlich das Budget, nicht jedoch die Kosten kennt. Niskanen (1971) geht an dieser Stelle nicht von einer Allgemeinwohlorientierung der Bürokratie aus, sondern sieht diese vielmehr einem eigenen Nutzenkalkül verpflichtet. Dieses besteht in der Verfolgung eigener Ziele, welche wiederum positiv mit dem Budget korreliert sind, budgetmaximierendes Verhalten des Bürokraten ist somit nutzenmaximierend.
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schwerlich möglich ist, können ggf. stattfindende Aktionen, welche aus Eigeninteresse heraus erfolgen, dem Erfolg der PPP jedoch abträglich sind, nicht aufgedeckt und geahndet werden. In der vorliegenden Arbeit wird dieses Problem jedoch nur am Rande mitbehandelt; die Bezeichnung .öffentlicher Partner' umfasst regelmäßig beide Ebenen, welche im Zuge von PPPs gemeinsam agieren. Es erfolgt also nachfolgend lediglich eine Aufsplittung in volkswirtschaftliche und politische Motive, ohne das mögliche Eigeninteresse der Bürokratie gesondert zu betrachten. 3.6.1. Volkswirtschaftliche Motive Als Hauptargument für den Einbezug Privater im Rahmen von PPPs dienen oftmals erwartete Effizienzgewinne, bedingt durch die (angenommene 5 8 ) grundsätzlich höhere Effizienz privatwirtschaftlicher Unternehmen, verglichen mit dem öffentlichen Sektor bei der Leistungserstellung. Neben der Annahme, dass der private Partner über Effizienzvorteile in der eigentlichen Leistungserstellung verfügt, sind es Managementfähigkeiten, Innovationsfähigkeit und technische Expertise, welche die öffentliche Hand selbst nicht bereitstellen kann und somit zu beschaffen sucht (Schäferhoff et al. 2007, S. 12; auch Parker und Hartley 2005, S. 304). Dies gilt insbesondere für die Bereitstellung von Infrastruktur, die in der Regel technisch komplex und in Bezug auf Tarifausgestaltung und Management abhängig von Spezialkenntnissen ist (Spulber und Sabbaghi 1998 2 , S. 195). Denkbar bzw. erwünscht sind hier neben der angestrebten Effizienz in der eigentlichen Produktion ζ. B. die Vermeidung zusätzlicher Kosten durch ein besseres Management privater Unternehmen, welches aufgrund anreizorientierter Verträge zu erwarten ist (Parker und Hartley 2005, S. 304). Dabei sind Kosteneffizienz 59 , Allokationseffizienz 60 und Bedarfsgerechtigkeit 61 die drei Parameter, auf welche sich die Erwartungen richten und an welchen der Einbezug Privater gemessen werden muss (Storer 1995, S. 264). Weiterhin kann, anlehnend an die theoretische Diskussion über PPPs im nationalen Kontext, davon ausgegangen werden, dass die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft dem öffentlichen Partner dabei hilft, ökonomische Prinzipien anzuwenden und überkommene bürokratische Prozeduren abzulegen, wie es im Rahmen des New Public Ma-
Evidenzen aus vielen industrialisierten Staaten zeigen jedoch, dass dieses Effizienzargument nicht durchgehend Gültigkeit besitzt: Die für den öffentlichen Sektor angenommenen per se höheren Produktionskosten - bedingt ζ. B. durch die eingeschränkte Möglichkeit des öffentlichen Sektors, Wirtschaftlichkeitspotentiale auszuschöpfen - lassen sich empirisch nicht durchgehend nachweisen; in einigen Fällen erweist sich der öffentliche Betrieb als der Effizientere (Mühlenkamp 2004, S. 10). So weisen ζ. B. Dupont und Renzetti (2003) in einer empirischen Studie nach, dass die Privatisierung der Wasserversorgung in der Regel nicht zu Effizienzvorteilen geführt hat (dazu im Einzelnen Mühlenkamp 2004: 10, auch Haug 2007). Im Sinne der Produktion einer gegebenen Qualitäts-Mengen-Kombination zu minimalen Kosten (Produktions- und Transaktionskosten). Kriterium der Grenzkostenpreise, es wird also kein Monopolpreis erhoben, welcher darüber läge. Im Sinne der Bereitstellung lebensnotwendiger Güter für Bedürftige.
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nagement gefordert wird (Eggers 2004, S. 42). Insbesondere ist hier die Substitution einer angestrebten, jedoch wenig konkret formulierten Wohlfahrtsmaximierung durch messbare Qualitätsziele relevant, welche zu erwarten ist, „because corporate partners face strong economic incentives to realize returns on their investments, and will push the public actor to establish clear targets, which leads to a more efficient mode of operation" ( S c h ä f e r h o f f et al. 2007, S. 12). Es ist plausibel, diese Vorteile der privatwirtschaftlichen Unternehmung regelmäßig als gegeben anzunehmen, sie müssen jedoch nicht in jedem Einzelfall tatsächlich vorliegen. Ein weiterer wesentlicher Grund für die Implementierung einer PPP ist aus Sicht des öffentlichen Sektors die Übernahme finanzieller Verantwortung durch das privatwirtschaftliche Unternehmen, was zu einer maßgeblichen Entlastung des öffentlichen Haushaltes führt ( S c h ä f e r h o f f et al. 2007, S. 12). Insbesondere im Kontext von Entwicklungspartnerschaften ist dies von Bedeutung, greift doch die ausländische bzw. multinationale Unternehmung auf andere Ressourcen zu als der öffentliche Partner, es finden also für diesen reale Kostenersparnisse statt (dazu auch Parker und Hartley 2005, S. 304). Bei diesen durch PPPs dem Staat zusätzlich zur Verfügung stehenden Ressourcen handelt es sich zum einen um die direkt aus dem privatwirtschaftlichen Unternehmen stammenden Finanzmittel, zum anderen um Fördermittel von Entwicklungsorganisationen. Letztere werden vielfach ausschließlich für PPP-Projekte bereitgestellt (ζ. B. durch die International Finance Corporation) oder - vor dem Hintergrund der bestehenden Konditionalitäten - nur an Staaten vergeben, welche Privatsektorbeteiligung fördern. Dieses Argument gilt insbesondere für Infrastruktursektoren, darunter die Siedlungswasserwirtschaft, die hohe Investitionen erfordern, welche durch die betroffenen Staaten direkt bzw. die öffentlichen Betriebe nicht oder nur unter Inkaufnahme hoher Opportunitätskosten aufzubringen sind (Storer 1995, S. 263) Kritisch betrachtet werden muss an dieser Stelle die Frage nach den Kapitalkosten: Ausgehend von der Annahme, dass Staaten in der Regel günstigere Konditionen für Kapital erhalten als privatwirtschaftliche Unternehmen (Parker und Hartley 2005, S. 304) stellt sich hier die Frage, welche Auswirkungen sich im Falle von Entwicklungspartnerschaften ergeben. 62 Zahlreiche Entwicklungsländer müssen für die Kapitalaufnahme höhere Kosten auf sich nehmen, da aufgrund ihrer wirtschaftlichen Performance und des hohen Risikos die Möglichkeiten der Kreditaufnahme begrenzt sind. Auf der anderen Seite fallen auch für die privatwirtschaftlichen Unternehmen die Kapitelkosten u. U. höher aus, da - neben den insgesamt höheren Zinsen - ggf. ein Risikoaufschlag aufgrund ihres Engagements in risikoreichen Regionen und/oder Projekten zu zahlen
Zu Kapitalkosten der öffentlichen Hand detaillierter De Bettignier und Ross (2004, S. 146 f.). Die Kapitalkosten ergeben sich in einem solchen Fall regelmäßig als (Aquamedia 2003): WACC = [(SMRB + BA) χ ß + Ε] χ SFK + ROE χ SEK. Dabei bezeichnet WACC die gewichteten Kapitalkosten, SMRB die Sekundärmarktrendite, BA einen Bonitätszuschlag, ß die entsprechende Risikoprämie, Ε den Gewinnaufschlag, SFK den Anteil des Fremdkapitals an der Gesamtfinanzierung, SEK den Anteil des Eigenkapitals an der Gesamtfinanzierung sowie ROE die Eigenkapitalrendite.
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Es kann also nicht allgemein festgestellt werden, ob die Finanzierung durch einen privaten Partner für das Gesamtprojekt günstiger ist. Für den Fall eines hohen Risikoaufschlags können die Kapitalkosten für die Unternehmung vielmehr sogar höher als für den öffentlichen Partner ausfallen. In diesem Fall würde lediglich die Tatsache, dass das Kapital nicht durch die öffentliche Hand aufgebracht werden muss, aus staatlicher Sicht für die Implementierung der PPP sprechen. Unter reinen Effizienzgesichtspunkten, welche von der Verteilung abstrahieren, könnte eine PPP unter diesen Umständen (d. h. sofern die erhofften Effizienzgewinne ausbleiben) sogar unwirtschaftlich werden. Zusammenfassend ist das Finanzierungsargument in der Debatte um transnationale PPPs als Entwicklungspartnerschaften ein grundsätzlich anderes als im Kontext nationaler PPPs: Aufgrund der generellen Unfähigkeit vieler Entwicklungsländer, die notwendigen Finanzmittel für Entwicklungsmaßnahmen - insbesondere für kapitalintensive Infrastrukturentwicklung - aufzubringen, ist es also regelmäßig nicht ihr staatliches Budget, welches durch privates Kapital ersetzt wird, sondern das der Organisationen der Entwicklungshilfe. Es ist hier also eher von einer finanziellen Entlastung der Entwicklungsagenturen auszugehen, welche ohne den Einbezug des privaten Sektors einen Großteil der Kosten tragen müssten. Im Zusammenhang dieser auf finanzielle Ressourcen abstellenden Argumentation kann also lediglich die durch eine Public Private Partnership induzierte zusätzliche Förderung durch Zuschüsse oder auch Kredite der Entwicklungsagenturen als Anreiz für den öffentlichen Sektor gesehen werden, eine Partnerschaft zu implementieren. Einen weiteren Anreiz für den öffentlichen Partner, eine PPP zu begründen, kann darüber hinaus die Risikoteilung mit dem privaten Partner darstellen, welche bei einem Großteil der PPP-Modelle besteht; ausgenommen davon sind lediglich reine Serviceund Managementverträge (Eggers 2004, S. 65). Risiken 64 können hier als negative Abweichung vom erwarteten Resultat verstanden werden. Die einzelnen Akteure können dieses Risiko zumindest annähernd entsprechend seiner Wahrscheinlichkeit einschätzen (Voigt 2002, S. 29). Im Bereich Infrastruktur bedeutet der Eintritt eines derartigen Ereignisses in der Regel hohe monetäre Schäden sowie einen Vertrauensschaden für die öffentliche Hand, sofern diese der ihr zugeschriebenen Aufgabe der Serviceprovision nicht nachkommen kann. Durch die Teilung des Risikos mit dem privaten Partner verringern sich für den öffentlichen Partner evtl. auftretende Verluste, ohne dass mit der Risikoteilung zwangsläufig ein Kontrollverlust einhergeht, wie es für den Fall einer Vollprivatisierung zu erwarten ist. Daher muss dieses Argument als relevant betrachtet werden.
Der Begriff Risiko kann definitorisch zweifach verstanden werden: Im statistischmathematischen Sinne als das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß eines Ereignisses, im umgangssprachlichen Sinne als die (in der Regel negative) Abweichung des tatsächlich eintretenden Ergebniswertes vom erwarteten Ergebniswert (Fourie und Burger 2000, S. 13).
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3.6.2. Politische Motive Neben den genannten ökonomischen Motiven gibt es eine Reihe genuin politisch motivierter Gründe, welche einen stärkeren Einbezug des privaten Sektors aus Sicht der politischen Entscheidungsträger sinnvoll erscheinen lassen. Ausgelöst von der ökonomischen Notwendigkeit der Sektorliberalisierungen zum einen und wachsendem politischen Druck im Rahmen entwicklungspolitischer Konditionalitäten zum anderen erscheint die Einbeziehung des privaten Sektors innerhalb von PPPs für die betroffenen Staaten oftmals die einzige Möglichkeit zu sein, den Forderungen von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit nachzukommen, ohne eine politisch nicht gewünschte oder nicht durchsetzbare vollständige Sektorliberalisierung durchzuführen: Durch die Implementierung von Public Private Partnerships wird einerseits ein Signal an die Entwicklungsagenturen gesandt, dass die geforderten Maßnahmen erfolgen, zum anderen können auch die sich aus den PPPs ergebenden Vorteile wie Serviceverbesserung oder finanzielle Entlastung direkt genutzt werden. Dies ist möglich, ohne dass es zu einem (regelmäßig nicht gewünschten) Souveränitätsverlust kommt, welcher gezwungenermaßen mit Vollprivatisierungen verbunden wäre. Somit kann das Eingehen derartiger Entwicklungspartnerschaften direkt zum Machterhalt politischer Eliten beitragen: In vielen Staaten der Welt, so auch in der MENARegion, führen Versorgungsengpässe insbesondere armer Bevölkerungsgruppen und eine insgesamt unzureichende Versorgung zu Unruhen und Protesten, welche oftmals mit direkter Regimekritik verbunden werden. Die Implementierung von PPPs kann in diesem Zusammenhang als Signal dienen, dass Realitäten erkannt wurden und Maßnahmen ergriffen werden, um der Unterversorgung der Bevölkerung Abhilfe zu schaffen. Darüber hinaus sorgen die auf staatlicher Seite verbleibenden Kontrollrechte bei der Einführung von PPPs - im Gegensatz zu reinen Privatisierungen - dafür, dass Patronage und die Begünstigung eigener Klientelgruppen wenigstens teilweise weiter fortgeführt werden kann, ζ. B. durch die entsprechende Tarifgestaltung oder Netzabdeckung. Ein weiteres Argument ist an dieser Stelle die durch die Implementierung von PPPs signalisierte Offenheit, welche im Rahmen von Spill-over-Effekten zu einer Zunahme ausländischer Investitionen sowie einer insgesamt guten Außendarstellung des entsprechenden Staates führen soll. Damit können entsprechende Partnerschaften als Signal für wirtschaftliche Offenheit oder Liberalisierung dienen, ohne dass diese tatsächlich vorhanden sein muss. 3.6.3. Motive aus betrieblicher Sicht "Privatwirtschaftliche Unternehmen wollen Gewinne schreiben" (Brown 2004, S. 233). Aus Sicht privatwirtschaftlicher Unternehmen spricht - zunächst unabhängig vom einzelnen Projekt - grundsätzlich eine Reihe von Gründen für ein Engagement im Rahmen von Public Private Partnerships. An erster Stelle zu nennen ist hier sicherlich der aus dem einzelnen Projekt erwartete Gewinn, der - nach einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsüberprüfung eines Projektes - für das Unternehmen den Ausschlag gibt, sich im Einzelfall zu engagieren. Zur Generierung von Gewinnen bedarf es Einnahmen. Diese erfolgen im Rahmen von PPPs im Infrastrukturbereich je nach Projektart entwe-
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der durch Zahlungen der öffentlichen Hand für Management und/oder Service durch das Unternehmen oder durch die Erhebung von Gebühren direkt beim Endabnehmer. Nicht weiter betrachtet werden soll im Folgenden die Frage, ob das Engagement in Entwicklungsländern - sei es im Rahmen von PPPs oder in anderer Form - für multinationale Unternehmen im Bereich der Infrastruktur überhaupt lohnend sein kann, da dieses als gegeben angesehen werden muss: Prahalad (2004, S. 10 ff.) analysiert treffend die verbreiteten Fehlannahmen zu privatwirtschaftlichem Engagement multinationaler Unternehmungen in Entwicklungsländern: Da allgemein angenommen wird, dass die Konsumenten in Entwicklungsländern weder über liquide Mittel für den Konsum noch Markenbewusstsein verfügen oder Interesse an technischen Innovationen haben, werden sie als Konsumenten grundsätzlich für wenig attraktiv gehalten. Evidenzen aus allen Entwicklungsregionen weltweit zeigen jedoch, das diese Annahmen nicht zutreffen: Zwar ist das individuell verfügbare Einkommen der Armen gering, in der Summe über vier bis fünf Milliarden potentielle Konsumenten mit einer Kaufkraft von rund 13 Billionen US-$ stellen diese jedoch eine durchaus relevante Konsumentengruppe dar (Prahalad 2004, S. 21). Gleichzeitig ist der Bedarf (eben gerade an technischen Neuerungen) in dieser Gruppe immens, da etablierte Produkte und Dienstleistungen oftmals aufgrund ihrer Eigenschaften den Bedarf der armen Konsumenten nicht hinreichend zielgenau treffen, für diese nicht finanzierbar sind oder aufgrund der Charakteristika der Entwicklungsländer selbst nicht anwendbar sind. Es kann also davon ausgegangen werden, dass - abstrahierend vom einzelnen Projekt, welches durchaus unwirtschaftlich sein kann - grundsätzlich Gewinne durch unternehmerisches Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern zu erzielen sind, zunächst einmal unabhängig von der Art und Weise, in welcher dieses Engagement stattfindet. Auch der Zugang zu neuen Märkten und/oder Geschäftsfeldern ist für Unternehmen ein relevantes Argument für die Etablierung von Entwicklungspartnerschaften: Im Bereich der Infrastruktur, welcher bislang die größte Offenheit gegenüber einer Privatsektorbeteiligung zeigt, sind in vielen weniger entwickelten Staaten der Erde die Zugangsmöglichkeiten für Private aufgrund nicht liberalisierter Märkte und eines staatlichen Monopols sehr beschränkt. Insbesondere die verschienenden Infrastruktursektoren sind nach wie vor in vielen weniger entwickelten Staaten durch staatliche Protektion vor dem Markt geschützt. Das Engagement im Rahmen von Entwicklungspartnerschaften eröffnet hier Eintrittsmöglichkeiten in diese Märkte und kann ggf. bei einer späteren Marktöffnung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bedeuten, ζ. B. aufgrund eines Informationsvorsprungs oder bereits ausgebildeten Humankapitals (dazu auch Krasemann 2008, S. 15). Ein weiteres Motiv für das Engagement in Entwicklungspartnerschaften können die im Rahmen derartiger Partnerschaften zu erwartenden Förderungen ζ. B. durch staatliche Subventionen wie auch durch die Entwicklungsagenturen direkt sein. Verglichen mit sonstigen Geschäftstätigkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern können durch PPPs ζ. B. die Kosten für die Ausbildung lokaler Mitarbeiter gesenkt werden oder es sind günstige Kredite von Entwicklungsbanken zu erhalten (Schäferhoff et al. 2007, S. 11). Diese Vergünstigungen sind insbesondere dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Alternativentscheidung zwischen PPP und .sonstigem Engagement' fällt.
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Auch aus Sicht des Unternehmens ist ein weiterer wesentlicher Faktor für das Engagement in PPPs gegenüber anderweitiger Geschäftstätigkeit in Entwicklungsländern die Risikoteilung. Unterschieden werden müssen hier das genuin unternehmerische Risiko auf der einen Seite und etwaige mit dem Engagement in Entwicklungsländern verbundene sonstige Risiken wie Wechselkursrisiken oder politische Risiken. Die Reduzierung des unternehmerischen Risikos wird bei einem Großteil der PPPs durch die Vertragsgestaltung bewirkt, welche ex ante die jeweilige Risikoübernahme für den öffentlichen und den privaten Partner festschreibt und dabei das Risiko der Unternehmung gegenüber anderweitiger geschäftlicher Tätigkeit reduziert, ζ. B. durch die garantierte Zahlung einer festgesetzten Summe für das Management einer Anlage, unabhängig von deren Performance. Auch typische Risiken, die mit unternehmerischem Handeln in Entwicklungsländern verbunden sind, wie das Risiko einer Abwertung der Landeswährung, in welcher die Rückflüsse erfolgen, oder politischer Unruhen, werden - obwohl im allgemeinen als sehr hoch eingestuft (Haarmeyer und Mody 2005, S. 506) - durch Kooperation mit dem öffentlichen Sektor maßgeblich verringert (Brown 2004, S. 234). Diese Risikoreduktion kann durch die Übernahme von speziellen Garantien durch den staatlichen Partner oder beteiligte Entwicklungsagenturen erfolgen, welche finanzielle Ausfälle der Unternehmung kompensieren. Darüber hinaus sind bestimmte politische Risiken, ζ. B. die nachträgliche Enteignung und Verstaatlichung von Anlagen geringer, sofern das private Unternehmen in Kooperation mit einem öffentlichen Partner handelt - kann doch davon ausgegangen werden, dass dieser seine eigene Interessenlage, die in einem Fortbestand der PPP liegen dürfte, nicht durch ein derartiges Vorgehen konterkarieren wird. Darüber hinaus ist gerade für multinationale Unternehmungen verstärkt die Pflege des eigenen Images ein kritischer Faktor (dazu auch UNIDO 2002, S. 5). Durch entwicklungsorientiertes Engagement können - im Sinne der Übernahme von corporate social responsibility - dabei zum einen potentielle Nutzer und Konsumenten im Partnerland wie international angesprochen werden und damit die positiven Wirkungen des Engagements realisiert werden. Zum anderen - vor dem Hintergrund zumeist diskretionärer Entscheidungen von besonderer Relevanz - werden die Verwaltungen und Entscheidungsträger der Partnerländer direkt von der Nützlichkeit der Unternehmung als good citizen überzeugt, eine Tatsache, welche positiven Einfluss auf ggf. zukünftige Geschäftstätigkeit in dem entsprechenden Staat nach sich ziehen kann (Engels 2000, S. 42 f.). 3.6.4. Motive der Entwicklungsagenturen Wie bereits oben erläutert, steht für die Entwicklungsagenturen insbesondere das Kostenargument im Mittelpunkt der Argumentation: Um das eigene Budget zu entlasten, gleichzeitig jedoch dem eigenen Auftrag zu entsprechen und die bestehende Unterentwicklung in großen Teilen der Welt zu überwinden, wird der private Sektor der geeignete Partner angesehen. Der finanzielle Beitrag privatwirtschaftlicher Unternehmen in denjenigen Bereichen, in denen ein Tätigwerden überhaupt denkbar ist, ζ. B. in der Bereitstellung von Infrastruktur, ist dabei nicht nur für die Entwicklung dieses Sektors bzw. des entsprechenden Staates von Bedeutung. Darüber hinaus führt diese Übernahme
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finanzieller Verantwortung durch private Unternehmen dazu, dass die an dieser Stelle freiwerdenden finanziellen Ressourcen in diejenigen Bereiche investiert werden können, welche privatwirtschaftlichem Engagement gegenüber nicht offen sind. Darüber hinaus ist es das eigene Unvermögen, technische oder allgemein wissenschaftliche Expertise für die verschiedenen Bereiche bereitzustellen, welches Entwicklungsagenturen dazu bewegt, verstärkt in die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen zu investieren bzw. deren Engagement im Rahmen von PPPs zu fördern. Insbesondere technisch komplexe Sektoren bedürfen speziellen Expertenwissens, welches durch Entwicklungspartnerschaften eingebracht werden kann. Dadurch erfolgt eine Entlastung der Entwicklungsagenturen, welche auf speziell ausgebildete Mitarbeiter oder Spezialabteilungen für spezifische technische Fragen verzichten können, ohne ihren Entwicklungsauftrag zu gefährden. Ein weiterer aus Sicht der Entwicklungsagenturen relevanter Punkt dürfte die mit geförderten PPPs verbundene Kontrolle sein: Im Gegensatz zu konventionellem Engagement von (international agierenden) Unternehmen in Entwicklungsländern ζ. B. im Rahmen von Direktinvestitionen, ist hier die Wahrscheinlichkeit größer, über eigene Beteiligung Einfluss auf den Entwicklungsbeitrag dieser Projekte zu nehmen. Während Direktinvestitionen, die ggf. auch entwicklungsrelevante Ziele unterstützen können, ohne die Beteiligung von Entwicklungsagenturen auskommen, sind diese an PPPs regelmäßig beteiligt. Somit haben sie durch individuell formulierte Bedingungen für eine Förderung erhebliche Einflussmöglichkeiten auf das Zustandekommen und die Ausgestaltung der einzelnen Projekte.
3.7.
Zwischenfazit - Potentiale durch den Einsatz von Public Private Partnerships
Aus den skizzierten Motiven der einzelnen Akteure im Rahmen von PPPs kann das Gesamtpotential dieses Konzeptes abgelesen werden: Public Private Partnerships können allgemein zu Effizienzgewinnen bei der Bereitstellung von Infrastruktur durch moderne Managementmethoden und die Anwendung neuer Technologien führen. Auch die effektive Zielerreichung - im Fall der Siedlungswasserwirtschaft die qualitativ und quantitativ ausreichende Versorgung mit Wasser sowie eine sajjfiziente Abwasserentsorgung - ist durch den Einsatz von PPPs zu erwarten. Diese Aspekte sind aus Sicht der beteiligten Staaten wie auch der Entwicklungsagenturen von besonderer Bedeutung. Auch die für den privaten Akteur relevante Einnahmensteigerung sollte regelmäßig erreichbar sein, wie zahlreiche gewinnbringende PPPs im Entwicklungskontext weltweit belegen (detaillierter dazu Estache 2004). Es kann festgestellt werden, dass PPPs die oben skizzierten Erwartungen erfüllen bzw. die gewünschten Verbesserungen bewirken können. Im Sinne eines normativen Ansatzes kann die verstärkte Nutzung des Konzeptes im Rahmen von Infrastrukturprovision im Entwicklungskontext somit als wünschenswert betrachtet werden. Ob die erwarteten und angestrebten Ergebnisse im Einzelfall jedoch wirklich erreicht werden, ist von der individuellen Performance jedes einzelnen Projektes abhängig und kann nicht allgemeingültig prognostiziert werden. Dabei sind sowohl die vertraglichen
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Regelungen zwischen den beiden Partnern im Einzelnen als auch die Entwicklungen innerhalb der Vertragslaufzeit von Bedeutung. Der Erfolg der einzelnen Partnerschaft ist also in hohem Maße abhängig vom gewählten PPP-Design und dem einzelnen Infrastruktursektor. Zusammenfassend lässt sich feststellen: „the probability of the success of a PPP may depend on the particular case and circumstances" (Fourie und Burger 2000, S. 4). Der Erfolg des Einzelprojektes hängt also von individuellen Faktoren ab, welche sich nicht allgemeingültig benennen lassen und oftmals erst ex post ersichtlich sind. Im Gegensatz dazu können jedoch Faktoren benannt werden, welche entscheiden, ob Public Private Partnerships in einem Land bzw. einer Region überhaupt erst zustande kommen können - und damit die Grundlage für den Erfolg einer späteren Partnerschaft geschaffen werden kann. Diese Bestimmungsfaktoren sind objektivierbar und aus den Eigenschaften von PPPs abzuleiten.
4.
Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Public Private Partnerships
Betrachtet man das Konzept der Public Private Partnership theoretisch, so wird deutlich, dass aufgrund der Charakteristika derartiger Partnerschaften einige Faktoren für die Implementierung von besonderer Bedeutung erscheinen. Diese Bestimmungsfaktoren können gleichsam als notwendige Bedingungen dafür angesehen werden, dass Public Private Partnerships grundsätzlich zustande kommen können. Sie sind jedoch nicht hinreichend in dem Sinne, dass bei Erfüllung dieser Bedingungen zwangsläufig auch Partnerschaften zustande kommen bzw. diese im Sinne der von beiden Partnern angestrebten Ziele erfolgreich sind. Die nachfolgend identifizierten Bestimmungsfaktoren im Sinne notwendiger Bedingungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit Blick auf die Praxis diskretionärer Einzelfallentscheidungen von sich entwickelnden Staaten und auch Unternehmen, derartige Partnerschaften einzugehen, ist damit zu rechnen, dass weitere, politisch motivierte Faktoren existieren können. Es wird nachfolgend aus theoretischer Perspektive diskutiert, welche Faktoren besondere Bedeutung für die Implementierung von PPPs haben. Ziel der Untersuchung ist es, die möglichen Bestimmungsfaktoren von Public Private Partnerships theoretisch zu beleuchten, um anschließend durch die Analyse empirischer Evidenzen die Haltbarkeit der theoretischen Ergebnisse zu überprüfen und somit zu einer Festlegung der relevanten Faktoren zu gelangen.
4.1.
Politische Bereitschaft
Im Zuge der Identifikation notwendiger Bedingungen für die Implementierung einer Partnerschaft ist an dieser Stelle festzuhalten, dass das absolute Mindestkriterium für das Zustandekommen von Public Private Partnerships im Allgemeinen die grundsätzliche Bereitschaft ist, Partnerschaften einzugehen. Dieser Bereitschaft ist nicht deckungsgleich mit den nachfolgend diskutierten Interessen- und Handlungskongruenzen, welche auf die inhaltliche Dimension der einzelnen Partnerschaft ausgerichtet sind (ζ. B. die Verbesserung der Wasserversorgung in armen Stadtvierteln), sondern bezieht sich auf
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die grundsätzliche Frage, ob ein Staat das Engagement privater Unternehmen zulassen will bzw. muss. Es ist plausibel anzunehmen, dass der politische Wille regelmäßig ein Resultat der oben diskutierten Notwendigkeiten ist, privatwirtschaftliches Engagement zuzulassen, also in Folge eines bestehenden Bedarfs auftritt, jedoch auch aus Überzeugung heraus entstehen kann. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht gültig, so ist trotz bestehenden Bedarfs der Fall denkbar, dass aus politischen Gründen keine PPPs angestrebt werden. Fehlt die poltische Bereitschaft, werden PPPs nicht entstehen, unabhängig von der Einhaltung weiterer Kriterien. In einem ersten Schritt ist also stets zu prüfen, ob diese als gegeben angesehen werden kann. Als Prüfkriterium kann hier auf staatlicher Seite die Existenz entsprechender Gesetze oder Institutionen dienen, welche PPPs befördern sollen, ζ. B. Absichtserklärungen oder spezielle Behörden für die Koordination derartiger Partnerschaften. Bestehen diese, ist davon auszugehen, dass der Wille auf staatlicher Seite vorhanden ist.
4.2.
Handlungskongruenzen der beteiligten Partner
Mit Rückgriff auf die als Minimaidefinition einer PPP dienenden Überlegungen von Budäus und Grüb (2007, S. 248) kann als weitere notwendige Bedingung die Interessen- bzw. Handlungskongruenz der potentiellen Partner abgeleitet werden, welche sich durch nichtkonfligierende Ziele ausdrückt: Gerade, aber nicht ausschließlich im Kontext von Entwicklungspartnerschaften wird diese Voraussetzung kontrovers diskutiert, geht doch eine durchaus populäre Argumentation davon aus, dass Gewinnerzielung und entwicklungspolitisches Engagement per deftnitionem unvereinbar seien. 65 Das gesamte Konzept solcher Partnerschaften wird kritisch betrachtet, häufig ist in diesem Zusammenhang die Rede von einer „Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste" (zu dieser Diskussion in Industrie- wie Entwicklungsländern Arbeitsgemeinschaft Swissaid et al. 2004). In der Tat ist es unmittelbar relevant für den Erfolg einer jeden Public Private Partnership, dass keine Partei ihre genuinen Interessen verleugnet - so unterschiedlich diese naturgemäß sein mögen: Als vorherrschendes Handlungsmotiv des privaten Unternehmens ist die Gewinnerzielungsabsicht zu konstatieren (Brown 2004, S. 238). Beachtet werden muss an dieser Stelle jedoch, dass - auch und gerade in Entwicklungsländern weitere Faktoren eine wichtige Rolle für das Engagement Privater innerhalb von PPPs spielen: Für die beteiligten Unternehmen birgt das Engagement im Rahmen von Public Private Partnerships oftmals die Chance, Zugang zu Märkten zu erhalten, welche für
Beispielhaft erwähnt seien an dieser Stelle das World Development Movement, eine international agierende Nichtregierungsorganisation, welche sich insbesondere gegen die zunehmende Privatsektorbeteiligung bzw. Privatisierungsprozesse im Bereich der Wasserinfrastruktur ausspricht (www.wdm.org.uk/campaigns/index.htm) sowie die internationale agierende Gruppe Attac (www.attac.org/?lang=en), die mit Kampagnen gegen die Beteiligung privatwirtschaftlicher Unternehmen gerade in Entwicklungsländern auf sich aufmerksam gemacht hat (zur internationalen Diskussion über Privatisierung und Privatsektorbeteiligung in der Entwicklungszusammenarbeit und den Pro- und Kontraargumenten zu dieser Entwicklung ausführlich siehe Weizsäcker et al. 2006, S. 14 ff.).
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ausländische Direktinvestitionen oder die komplette Übernahme im Rahmen einer Vollprivatisierung nicht oder nur sehr eingeschränkt offen stehen. Auch kann die Übernahme sozialer Verantwortung, wie sie durch Partnerschaften, die direkt zur Armutsreduktion beitragen, übernommen wird, mittelfristig die Attraktivität des Unternehmens sowohl für potentielle Investoren als auch für Konsumenten steigern. Diese Faktoren lassen es durchaus plausibel erscheinen, dass Unternehmen im Einzelprojekt nicht gewinnmaximierend auftreten (dazu auch Hart 2005, S. 296). Trotz dieser Einschränkungen muss das Motiv der Gewinnerzielung als die Unternehmensseite dominierend angenommen werden. Es ist also an dieser Stelle kritisch zu hinterfragen, ob die Gewinnerzielungsabsicht, welche sich in einer angestrebten Maximierung der Produzentenrente der beteiligten Unternehmung ausdrückt, und das Interesse der Entwicklungs- und Schwellenländer (welches hier als ,entwicklungsmaximierend' angenommen werden soll und von politischem rent seeking bzw. den Eigeninteressen der Bürokratie abstrahiert), grundsätzlich als konfligierend und nicht miteinander vereinbar angesehen werden müssen bzw. ob die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Beteiligten zwangsläufig in Handlungsinkongruenzen münden. Grundsätzlich sind die unterschiedlichen Interessen in Bezug auf die Maximierung von Produzenten- und Konsumentenrente durchaus kritisch zu betrachten für das Zustandekommen einer PPP: Gerade für Dienstleistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, die - besonders relevant für die wirtschaftliche Entwicklung der entsprechenden Staaten - in der Regel unter monopolistischen oder monopolähnlichen Bedingungen angeboten werden, sollten aus wohlfahrtsökonomischer Sicht kostendeckende Preise (Durchschnittskostenpreise) angesetzt werden. Das Gewinninteresse des privaten Partners bewirkt hingegen an dieser Stelle höhere Preise, „die jedoch nicht allokativ effizient sind" (Mühlenkamp 2004, S. 9). Diese können jedoch durch staatliche Regulierung durchaus auf das Niveau der Durchschnittskosten gesenkt werden. In einem solchen Fall ist kein Konflikt zu erwarten, lohnt sich das Engagement für das Unternehmen dennoch, ohne dass Wohlfahrtsverluste auf Konsumentenseite auftreten. Geht man hingegen von der Existenz von Monopolpreisen aus, wäre im Sinne der ökonomischen Theorie die Implementierung einer Partnerschaft nur dann effizient, wenn die allokative Effizienzminderung durch eine Steigerung der betrieblichen Effizienz im Vergleich zu einer rein öffentlichen Produktion überkompensiert wird (Mühlenkamp 2004, S. 9 f.). Dies ist im Falle einer Privatsektorbeteiligung aufgrund erzielbarer Skaleneffekte, erweiterter Managementkompetenzen, einer besseren Kapitalausstattung oder zusätzlicher Subventionierungen seitens der Entwicklungsorganisationen regelmäßig zu erwarten, muss jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein. Unabhängig davon ergeben sich für Partnerschaften unter Beteiligung von Entwicklungsländern spezielle Kriterien: Es besteht im Kontext dieser Partnerschaften in der Regel oftmals nicht der trade off einer Bereitstellung durch die öffentliche Hand oder durch ein privates Unternehmen, sondern es geht - vor dem Hintergrund eingeschränkter Fähigkeiten der Entwicklungsländer sowie beschränkter finanzieller und managementorientierter Fähigkeiten der traditionellen Entwicklungsagenten - um die Frage, ob die entsprechende Dienstleistung überhaupt bereitgestellt wird. Vor diesem Hintergrund erscheint auch eine (angenommene) Second-best-Lösung aus staatlicher Sicht - die Bereitstellung
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durch Private unter Inkaufnahme eines teilweisen Abschöpfens der Monopolrente durchaus tragbar, verglichen mit dem Wohlfahrtsverlust im Falle einer Nicht-Bereitstellung. Es ist also durchaus plausibel anzunehmen, dass grundlegend unterschiedliche Interessen der potentiellen Partner nicht automatisch auch zu unterschiedlichen Handlungen führen. Vielmehr ergeben sich durchaus Handlungskongruenzen aus den unterschiedlichen Partialinteressen der Beteiligten. Ungeachtet ggf. auftretender - und in der Realität sicherlich nicht seltener - Abweichungen des öffentlichen Partners von dem Ziel der Wohlfahrtsmaximierung, muss ihm diese doch zumindest theoretisch unterstellt werden. Es ist dann im Kontext von Entwicklungspartnerschaften davon auszugehen, dass das Interesse des öffentlichen Partners regelmäßig auf eine Versorgung mit dem entsprechenden Infrastrukturgut überhaupt ausgerichtet ist. Entsprechend wäre er ggf. bereit, eine Umverteilung zugunsten des privaten Partners zu akzeptieren. Der private Partner wird hingegen sein Interesse - die Generierung von Umsätzen bzw. Gewinn - durch sein Engagement im Rahmen der Partnerschaft durchzusetzen suchen. Für beide Seiten mündet die Maximierung der eigenen Interessen also sinnvoll in einer gemeinsamen Handlung, der Durchführung der durch die PPP abgedeckten Maßnahmen.
4.3.
Institutionen als Bestimmungsfaktoren für Public Private Partnerships
Als ein weiterer wichtiger Bestimmungsfaktor für das Zustandekommen von PPPs kann die Existenz starker Institutionen in dem Staat, der als öffentlicher Partner agieren soll, identifiziert werden. Ihr besonderes Gewicht resultiert, wie nachfolgend gezeigt wird, aus ihrer Bedeutung für den PPP-Vertrag, insbesondere aber aus ihrer Relevanz für die Entscheidungsfindung des potentiellen Partners. Somit bilden sie eine wichtige Grundlage für den unternehmerischen Willen, sich in einer PPP in einem speziellen Land zu engagieren. Aufgrund des Fehlens einer eigenständigen Theorie der Public Private Partnership (Budäus und Grüb 2007a, S. 421) kann eine Analyse von weiteren Bestimmungsfaktoren für PPPs nur durch Rückgriff auf andere theoretische Konzepte der Ökonomie erfolgen. Vor dem Hintergrund der Kennzeichen derartiger Partnerschaften - dem Vorliegen eines unvollständigen Kooperationsvertrages im Umfeld von Unsicherheit und eines komplexen Projektes sowie einer hohen strategischen Relevanz - können hier die Neue Institutionenökonomik und die Transaktionskostenökonomik wertvollen Aufschluss geben.
4.3.1. Zur Begriffsbestimmung und Bedeutung von Institutionen Nach North (1991) können Institutionen allgemein interpretiert werden als „humanly devised constraints that structure political, economic, and social interactions" (North 1991, S. 97). Institutionen schaffen damit, allgemein ausgedrückt, „Ordnung im Bereich
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des Sozialen" (Göbel 2002, S. I). 6 6 Sie bilden ein - formelles oder informelles - Netzwerk oder Normensystem und determinieren das Handeln der Akteure, sei es offiziell oder inoffiziell (Anand 2007, S. 144; North 1992, S. 4 f.). Als Institution gilt nicht ausschließlich das Regelsystem selbst, sondern ebenso die entsprechenden Durchsetzungsmechanismen, welche seine Einhaltung garantieren sollen (Erlei et al. 2007 2 , S. 24). Darüber hinaus haben Institutionen „informatorischen Gehalt und verringern deshalb strategische Unsicherheit" (Voigt 2002, S. 38). Institutionen in diesem Sinne sind somit die „Spielregeln" einer Gesellschaft (ζ. B. Normen und Regeln), gleichzeitig aber gewissermaßen auch das „Spielergebnis" (ζ. B. Gesetze) - werden doch die meisten Institutionen in einem gesellschaftlichen Prozess, welcher wiederum Traditionen oder gesellschaftlichen Regeln folgt, bestimmt. 6 7 Per definitionem sind diese Regeln und Gesetze allgemeingültig, also nicht ausschließlich durch spezielle Gruppen oder Bevölkerungsteile anerkannt oder für diese gültig. Damit müsste jedes Individuum in einer Gesellschaft sie zumindest theoretisch kennen (und sich an ihnen orientieren), auch wenn daraus nicht zwangsläufig eine durchgängige Einhaltung folgt (Voigt 2002, S. 34 f.). Die Abgrenzung des Institutionenbegriffs, welcher Kultur, Verfassung und Gesetze bis hin zu Vertragssystemen umfasst, ist nicht immer trennscharf vorzunehmen (Erlei et al. 2007 2 , S. 24). 68 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden als starke bzw. funktionierende Institutionen diejenigen Organisationen, Regeln, Normen, Maßnahmen und Gesetze verstanden, welche staatliches Handeln im Sinne von Good Governance69 bestimmen. Entsprechend dieses Institutionenverständnisses ist „Institutionenversagen" oder „mangelhafte Institutionenqualität" dann gegeben, wenn entweder keine geeigne-
Differenziert werden kann an dieser Stelle in externe (staatliche) Institutionen, deren Durchsetzung „unter Rückgriff auf den Staat erfolgt" (Voigt 2002, S. 39) und interne (private) Institutionen, für welche dies nicht zutrifft. Interne und externe Institutionen können dabei durch eine komplementäre, substitutive, konfligierende oder auch neutrale Beziehung zueinander gekennzeichnet sein (Voigt 2002, S. 40 f.; zur Unterscheidung zwischen staatlichen und privaten Formen von Institutionen auch Mummert 1999, S. 300 f.). Formelle Institutionen wie Gesetze entstehen somit oftmals aus informellen Institutionen, ζ. B. denkbar ist an dieser Stelle die Entstehung einer formellen Verfassung entsprechend bestimmter Regeln, welche informell bereits zuvor existiert haben, jedoch aufgrund einer gestiegenen Gruppengröße informell nicht länger durchsetzbar sind (Erlei et al. 20072, S. 548 f.). Dennoch ist keinesfalls ein Automatismus zu konstatieren, welcher zur „Herausbildung transaktionskostenminimierender Institutionen führt" (Blum et al. 2005, S. 51). Insbesondere ist der Begriff der Institution nicht immer eindeutig vom Begriff der Organisation abzugrenzen. Hier ist ein wesentliches Differenzierungskriterium die Tatsache, dass Organisationen regelmäßig planvoll hergestellt werden (ζ. B. Gründung einer Einrichtung) und nach außen begrenzt sind (Mitglieder/Nichtmitglieder) (Göbel 2002, S. 4 f.). Insbesondere die letztere Eigenschaft trifft für Institutionen im Allgemeinen nicht zu, so dass Organisationen als spezielle Institutionen beschrieben werden können, jedoch keineswegs auch der Umkehrschluss gültig ist. In Anlehnung an Wagener (2004) kann diese „gute Regierung(sführung)" auch unter dem Begriff „soziale Infrastruktur" subsumiert werden, neben der Wirtschaftsordnung werden hier „die Rechtsordnung, das Bildungs- und Gesundheitssystem, aber auch die Kultur" (Wagener 2004, S. 121) erfasst.
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ten Institutionen existieren, die gute Regierungsführung garantieren, oder aber existierende Institutionen ihren Aufgaben nicht nachkommen (können). Die Feststellung der Qualität von Institutionen ist komplex, stellt sich doch die Frage nach einem geeigneten Indikator. Grundsätzlich unterschieden werden kann an dieser Stelle zwischen dem eigentlichen materiellen Inhalt, der Qualität der Institution selbst, und der Glaubwürdigkeit ihrer Durchsetzung (Voigt 2002, S. 146). Obgleich im Ergebnis durchaus gleich, ist das Fehlen des materiellen Inhaltes relativ einfach beobachtbar (ζ. B. die Nichtexistenz eines Gesetzes), während mangelnde Glaubwürdigkeit der Durchsetzbarkeit in der Regel nur schwerlich zu belegen ist. Insbesondere die Messbarkeit von realer ökonomischer Freiheit gestaltet sich regelmäßig besonders schwierig. An dieser Stelle wird aktuell zumeist ein Ansatz gewählt, innerhalb dessen das Maß an ökonomischer Freiheit mit Hilfe des Indikators Demokratie gemessen wird, welcher als Proxy genommen wird. Begründet ist dies zum einen in der regelmäßig vorhandener Verknüpfungen der politischen und ökonomischen Freiheiten eines Staates, zum anderen durch die schwierige Operationalisierbarkeit ökonomischer Freiheitsrechte (Voigt 2002, S. 147).70 Die Bedeutung starker Institutionen im Sinne von „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsfreiheit" (Apolte 2004, S. 141) für wirtschaftliche Entwicklung insgesamt gewinnt in der ökonomischen Theorie zunehmend an Bedeutung und ist entsprechend in der Literatur ausführlich behandelt worden. 71 So weist ζ. B. de Soto (1992) darauf hin, welche Bedeutung starken Institutionen für das Funktionieren einer Marktwirtschaft zukommt: Durch fehlende Institutionen in Form von Gesetzen oder Regeln in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt, ζ. B. durch nicht zugeordnete Eigentumsrechte, bleibt für viele Menschen ausschließlich der Weg in die Schattenwirtschaft. Märkte entstehen in einem solchen Fall nicht, auch eine formell bestehende Rechtsstaatlichkeit wird faktisch irrelevant (de Soto 1992; zu Argumentation und Ergebnissen von de Soto im Einzelnen siehe auch Brockmeier 1997). Die Existenz und die Durchsetzbarkeit effizienter staatlicher Institutionen kann somit als conditio sine qua non für wirtschaftliches Handeln gelten, sie können als „der wesentliche Bestimmungsfaktor der langfristigen Wirtschaftsleistung" (North 1992, S. 127) angesehen werden (zum Zusammenhang zwischen effektiven Institutionen und Wirtschaftswachstum Sachs und Warner 1997; Wagener 2004 und u. a. Obinger 2001 zum empirischen Nachweis). Ihr Einfluss kann dabei als im Wesentlichen auf drei Effekten beruhend angesehen werden: Beschleunigung der Adaption fremder Technologien, die Stabilisierung unternehmerischer Erwartungen sowie die Reduktion der Transaktionskosten (Obinger 2001, S. 89).
Seit Mitte der 1980er Jahre wird versucht, eine Operationalisierbarkeit und damit Vergleichbarkeit ökonomischer Freiheitsrechte herzustellen; mit dem Economic Freedom Index, der erstmalig 1996 von Gwartney et al. publiziert wurde, ist dies mit regionalen und zeitlichen Einschränkungen gelungen. So wurde dieser Zusammenhang unter anderem von North 1988, Obinger 2001 und Sachs und Warner 1997 behandelt.
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4.3.2. Unvollständige Verträge, Informationsasymmetrien und Transaktionskosten Der von Coase (1937) und Williamson (1975/1985) (weiter-)entwickelten Transaktionskostentheorie 72 folgend - welche ursprünglich aus der Frage entstanden war, warum Transaktionen innerhalb von Firmen erfolgen und nicht alle Prozesse über den Markt bzw. Preis koordiniert werden - sind Transaktionen nicht kostenlos realisierbar. Als Transaktion wird in diesem Kontext die Übertragung einer speziellen Serviceleistung oder eines Gutes ebenso wie die Übertragung von Verfügungsrechten an einer Sache verstanden (Richter und Furubotn 19992, S. 523). Transaktionskosten in diesem Sinne sind also alle Kosten, die bei der Festlegung, der Übertragung und auch der Durchsetzung von Verfügungsrechten im weiteren Sinne entstehen, also auch die für die Suche, Aufbereitung und Verarbeitung von Informationen anfallenden Kosten. Dazu kommen Kosten für die Einrichtung bzw. Bereitstellung von Institutionen (Blum et al. 2005, S. 47). 73 Bezug nehmend auf die Überlegungen der Transaktionskostentheorie sind insbesondere Verträge kritisch zu betrachten. Entsprechend des von Grossmann und Hart (1986) mitbegründeten Konzeptes relationaler Verträge ist der „klassische Vertrag, welcher allen Eventualitäten Rechnung trägt und vollständige Information und Rationalität voraussetzt, lediglich im neoklassischen Modell anzutreffen" (Richter 1999, S. 5), kann aber in der Realität nicht vorkommen. Verträge werden als „notwendigerweise unvollständig" (Erlei et al. 20072, S. 199) angesehen, d. h. sie können nicht grundsätzlich alle in der Zukunft möglichen Zustände antizipieren. Diese Unvollständigkeit ist das Resultat unvollständiger Informationen bzw. der begrenzten Rationalität74 der Vertragspartner. Diese versuchen, sich rational zu verhalten, sind dabei jedoch nur begrenzt erfolgreich: Zum einen sind nicht alle möglicherweise in der Zukunft eintretenden Ereignisse vorhersehbar und können daher nicht mit berücksichtigt werden, zum anderen verursacht die Beschaffung und Verarbeitung von Informationen Kosten, welche in Form von Transaktionskosten den Vertrag verteuern würden. Somit ist es möglicherweise nicht sinnvoll, alle theoretisch beschaffbaren Informationen zu berücksichtigen bzw. sich gegen alle evtl. auftretenden Risiken abzusichern. Auch die jedem menschlichen Wesen zueigenen kognitiven Beschränkungen sind in diesem Zusammenhang relevant, führen sie doch dazu, dass selbst theoretisch verfügbare bzw. vorhandene Informationen unter Umständen nicht bzw. falsch verarbeitet werden. An dieser Stelle ist das allge-
In der Literatur auch als Governancekostenansatz beschrieben (Erlei et al. 2007, S. 199). Es kann an dieser Stelle unterschieden werden in fixe Transaktionskosten, welche für die Einrichtung und Modifikation der Institutionen selbst anfallen, und variable Transaktionskosten, welche bei der Nutzung der entsprechenden Institutionen entstehen (Richter
und Furubotn 1999, S. 523; Blum et al. 2005, S. 47). Nach Williamson liegt begrenzte Rationalität der Individuen zum einen begründet in rein neurophysiologischen Limits, welche eine lediglich begrenzte Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von Informationen zulässt, sowie in sprachlichen Limits (Williamson 1975, S. 21 f.).
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meine Vorliegen von Unsicherheit 75 bzgl. zukünftiger Ereignisse von Bedeutung. Läge diese nicht vor, hätte also der einzelne Akteur eine vollkommene Sicherheit in Bezug auf zukünftige Entwicklungen, wäre die begrenzte Rationalität der Akteure aufgrund eingeschränkter kognitiver Fähigkeiten vergleichsweise unproblematisch (Erlei et al. 2007 2 , S. 204). Im Falle unvollständiger oder .relationaler' Verträge kommt es regelmäßig zu späteren Nachverhandlungen, da (zwangsläufig) nicht geregelte Sachverhalte auftreten, welche nach dem Vertragsschluss geregelt werden müssen (Erlei et al. 2007 2 , S. 202 ff.). Die Tatsache, dass Verträge unvollständig sind, ist erst dann von Bedeutung, wenn die aus der Transaktionskostentheorie abgeleitete Annahme des opportunistischen Verhaltens der Akteure berücksichtigt wird (Erlei et al. 2007 2 , S. 202). Opportunismus kann hier verstanden werden als „Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von Arglist" (Erlei et al. 2007 2 , S. 202). Dieses opportunistische Verhalten ist die Eintrittsmöglichkeit für die Durchsetzung von Partialinteressen einzelner Vertragsparteien und kann in verschiedenen Formen auftreten. Opportunistisches Verhalten beinhaltet „the incomplete or distorted disclosure of information, especially the calculated effort to mislead, distort, disguise, obfuscate or otherwise confuse" (Williamson 1985, S. 47 f.). Neben der Einbehaltung und Verfälschung von Informationen können auch Versprechungen erfolgen, welche schon im Vorhinein als nicht relevant angesehen werden, da der Vertragspartner ihre Einhaltung nicht erzwingen kann. Dieser Fall ist regelmäßig dann zu erwarten, wenn spezifische Investitionen 76 bzw. Faktorspezifität vorliegen, d. h. im Vorfeld oder während des Prozesses des Vertragsschlusses von einem Vertragspartner Investitionen vorgenommen werden müssen, welche in einer nächstbesten Verwendung erheblich an Wert verlieren bzw. als irreversibel angesehen werden müssen (Williamson 1996, S. 59). Hier relevant ist die transaktionsspezifische Quasirente, welche die Differenz zwischen der erstbesten und zweitbesten Verwendung der einzelnen Investition bezeichnet (und um so höher ist, je spezifischer die jeweilige Investition ist; Erlei et al. 2007, S. 204): Der Investierende ist durch diese insofern gebunden, als dass ein Wechsel der Verwendungsrichtung mit einem Verlust an der entsprechenden Quasirente einhergeht (Parker und Hartley 2005, S. 305). Daneben kann Informationsasymmetrie auch bedingt durch ein einfaches Missverständnis auftreten - in einem derartigen Fall ist keine Täuschung geplant, sondern die Vertragspartner legen das Übereinkommen bzw. den Vertragstext lediglich unterschiedlich aus. Unterschieden werden muss an dieser Stelle, ob die Informationsasymmetrie bereits vor Vertragsschluss oder erst danach eintritt (vgl. Übersicht 5). Entsprechend des (mögUnsicherheit kann an dieser Stelle unterschieden werden in Risiko (kann objektiv oder subjektiv erfasst werden) und Ungewissheit, welche nicht erfassbar ist (Blum et al. 2005, S. 153). Nach Williamson (1996, S. 59 f.) können unterschieden werden „site specifity" (Standortspezifität), „physical asset specifity" (Sachkapitalspezifität), „human asset specifity"(Humankapitalspezifität), „dedicated assets" (Widmungsspezifität), „brand name capital" (Markennamenkapital) und „temporal specifity" (temporäre Spezifität) (auch Erlei et al. 2007, S. 204 f.).
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Rahel Schomaker
lichen) Eintrittszeitpunktes und der Art der Informationsasymmetrie ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für die Vertragsgestaltung und mögliche Maßnahmen zur Überwindung der Informationsasymmetrie. Übersicht 5: Typen asymmetrischer Informationsverteilung hidden characteristics
hidden intention
hidden information
hidden action
Zeitpunkt
vor Vertragsschluss
vor oder nach Vertragsschluss
nach Vertragsschluss, vor Investitionsentscheidung
nach Vertragsschluss, nach Investititonsentscheidung
Ursache
ex-ante verborgene Eigenschaft des Agenten
ex-ante verborgene Absichten des Agenten
nicht beobachtbarer Informationsstand des Agenten
nicht beobachtbare Aktivität des Agenten
Problem
Eingehen der Vertragsbeziehung
Durchsetzung impliziter Ansprüche
Ergebnisbeurteilung
Verhaltensbzw. Leistungsbeurteilung
Resultierende Gefahr
adverse selection
hold up
adverse selection
moral hazard, shirking
Lösungsansatz
signaling, screening, self selection
signaling, Reputation
self selection, Anreiz- und Kontrollsysteme, (Reputation)
Anreiz- und Kontrollsysteme, (Reputation)
Quelle: In Anlehnung an Breid 1995, zitiert nach Blum et al. (2005), S. 159. Werden beim Vertragspartner hidden characteristics vermutet, besteht die Gefahr, dass die optimale Vertragsbeziehung nicht realisiert wird. In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass von demjenigen Partner (Prinzipal), der die Eigenschaften des anderen Partners (Agent) aufgrund einer asymmetrischen Informationsverteilung nicht kennen kann, ex ante eine inferiore Vertragsoption (ζ. B. eine andere Art der Aufgabenerledigung) gewählt wird (adverse selection), um spätere Probleme zu verhindern (Blum et al. 2005, S. 158 f.). Wie Williamson (1985) feststellt, ergibt sich eine Hold-upProblematik, wenn vor oder nach Vertragsschluss damit gerechnet werden muss, dass einer der Vertragspartner verborgene Absichten (hidden intention) hat: In einem derartigen Fall ist unklar, ob die Ansprüche aus dem Vertrag durchsetzbar sind. Somit wäre der Vertragspartner, welcher spezifische Investitionen getätigt hat, de facto dazu gezwungen wäre, auch einen für ihn unvorteilhafteren Vertrag zu erfüllen (dazu im Detail Williamson 1996, S. 59). Verfügt einer der Vertragspartner über nicht beobachtbare Informationen (hidden information), besteht die Gefahr, dass er diesen Informationsvorsprung zu seinem Vorteil ausnutzt (moral hazard) oder, bei Antizipation dieses Verhaltens durch den Vertragspartner, der Vertrag nicht zustande kommt (adverse selection·, Parker und Hartley 2005, S. 305 f.). Nach Vertragsschluss ist es möglich, dass verbor-
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gene Aktivitäten (hidden action) durch einen der Vertragspartner erfolgen, welche dazu führen, dass der andere Vertragspartner schlechter gestellt wird (moral hazard), auch hier handelt es sich um eine Ausnutzung von asymmetrisch verteilten Informationen. Die im Umfeld unvollständiger Verträge anzutreffenden Informationsasymmetrien verursachen somit in der Regel Kosten: Sowohl die Überwachung des Vertrages als auch die ggf. notwendig werdende Durchsetzung, ζ. B. vor Gericht, ist nicht kostenlos. Dazu kommen die Kosten der Vertragsanbahnung und des Vertragsschlusses selbst, welche um so höher ausfallen, je komplexer der Vertrag ist. Diese Transaktionskosten verteuern den Vertrag. Zusammenfassend kann festgehalten werden: „Transaktionskosten resultieren im Allgemeinen aus unvollständigen Informationen im weitesten Sinne und strategischem „Mißbrauch" von einseitigen bzw. nicht allgemein verfügbaren Informationen" (Erlei et al. 20072, S. 200). In diesem Zusammenhang ist die Reputation (beruhend auf Verhalten in der Vergangenheit) und Vertrauen (basierend auf angenommenem Verhalten in der Zukunft) von entscheidender Bedeutung, führt sie doch zu einem Sinken der Transaktionskosten {Parker und Hartley 2005, S. 306 f.). Es kann davon ausgegangen werden, dass im Zeitverlauf der Anreiz für opportunistisches Verhalten sinkt, sofern der entsprechende Akteur die Gewinne aus opportunistischem Verhalten - der Ausbeutung des Vertragspartners - für geringer hält als den „aus der Reputation resultierenden ökonomischen Vorteil" (Erlei 2007, S. 252). Je länger der Vertrag bereits andauert, desto eher werden die Reputationsgewinne die Gewinne aus opportunistischem Verhalten übersteigen. Insgesamt werden Reputation und Vertrauen damit zu einer Form von Sozialkapital, das mit weiterer Nutzung steigt (Budäus und Grüb 2007a, S. 426; Parker und Hartley 2005, S. 307). Dadurch kann im Extremfall durch Reputation quasi ein selbstdurchsetzender Vertrag erzielt werden, welcher die oben genannten Probleme umgeht. 4.3.3. Institutionen und Transaktionskosten im Umfeld von Public Private Partnerships als theoretisch ableitbare Bestimmungsfaktoren Public Private Partnerships entstehen im Umfeld unvollständiger Informationen (Parker und Hartley 2005, S. 304). Vor dem Hintergrund der Ungewissheit über die Zukunft und der Komplexität einer Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor wird regelmäßig das oben skizzierte Problem unvollständiger Verträge anzutreffen sein (Budäus und Grüb 2007, S. 254; Mühlenkamp 2004, S. 1). Anstrengungen der Vertragspartner, diese Unvollständigkeit zu überwinden, "give rise to correspondingly high transaction costs" (Dudkin und Välilä 2005, S. 3). Diese hohen Transaktionskosten treten dabei nicht ausschließlich im Vorfeld der Public Private Partnership und bei den Vertragsverhandlungen selbst auf, sondern während der ganzen Vertragslaufzeit im Rahmen des notwendigen Monitoring und bedingt durch Nachverhandlungen. Dies ist umso wahrscheinlicher, je länger die Vertragslaufzeit ist, je eher es also - unabhängig von möglichen gegenteiligen Effekten durch Reputation - zu Nachverhandlungen kommt. Transaktionskosten sind in hohem Maße individuell und abhängig von der spezifischen Vertragsausgestaltung sowie dem Verhalten der beteiligten Partner. Auch der Sektor, auf welchem die Partnerschaft implementiert werden soll, beeinflusst die Höhe der Transaktionskosten. Es entstehen verschiedene „Sollbruchstel-
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78
Rahel Schomaker
len", an denen Transaktionskosten entstehen, insbesondere wenn es gilt, opportunistische Ausbeutung von Informationsasymmetrien zu verhindern. Zusammenfassend können Transaktionskosten im Umfeld von PPPs definiert werden als „legal, financial, and technical advisory costs incurred by both public and private sectors in the procurement and operational phases of a project. Costs for organising the bidding process; participating in it; negotiating the contract between the public sector and the winning bidder; monitoring the private sector partner's compliance with the contract and also renegotiating the contract during its life-cycle would all be included among transaction costs" (Dudkin und Välilä 2005, S. 3). Die Transaktionskosten verursachenden Informationsasymmetrien und die daraus möglicherweise resultierenden opportunistischen Ausbeutungsmöglichkeiten sind vielfältig. Im Vorfeld des Vertragsschlusses, im Bieterprozess, entstehen sie ζ. B. aus der mangelnden Fähigkeit der öffentlichen Hand, die Angebote privater Unternehmen im Bieterverfahren zu beurteilen. In der Regel verfügt der öffentliche Partner nicht über die Expertise (Managementkompetenz, technisches Wissen) und die notwendigen Informationen, um die Angebote der einzelnen privaten Unternehmen realistisch gegeneinander abwägen zu können. Ob ζ. B. die in einem Angebot zugrunde gelegten Endkundenpreise für Wasser oder Elektrizität realistisch erscheinen, wird der öffentliche Betrieb nicht immer abschätzen können, da diese Sektoren in der Regel in Entwicklungsländern stark subventioniert werden und Informationen über Zahlungsbereitschaften der Endnutzer und Grenzkosten fehlen. Damit wird es für ein privates Unternehmen möglich, seine Preise künstlich niedrig anzusetzen, um die Partnerschaft zu begründen. Antizipiert der öffentliche Partner ein derartiges Verhalten, wird es u. U. nicht zu einem Vertragsabschluss kommen, sondern der staatliche Partner wird sich ggf. für eine andere, schlechtere Option der Bereitstellung entscheiden. Sofern der Vertrag zustande kommt, kann das private Unternehmen später, etwa im Rahmen von Nachverhandlungen, versuchen die Konditionen zu ändern. Insbesondere auf Infrastruktursektoren, welche als vitales Interesse des öffentlichen Partners gelten müssen, kann dies zu erheblichen Nachteilen für den öffentlichen Partner führen. Da ein Totalausfall der Versorgung für den öffentlichen Partner nicht tragbar sein wird, ist er, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können, einem derartigen Verhalten dann regelmäßig ausgeliefert. Auch ist für das private Unternehmen die Möglichkeit der hidden action gegeben. Nicht beobachtbare Aktionen des privaten Unternehmens können für den öffentlichen Partner einen Nachteil verursachen. So kann etwa der private Partner bei PPP-Modellen, die den Bau, nicht aber den Betrieb der Anlage umfassen, dergestalt agieren, dass sich die Baukosten minimieren, sich dafür aber die späteren Wartungs- und Betriebskosten erhöhen, die nicht er, sondern der öffentliche Partner zu tragen hat (Dewatripont und Legros 2005, S. 125). Eine Überwachung des privaten Partners ist an dieser Stelle für den öffentlichen Partner sehr kostspielig und in der Realität kaum möglich. Nachverhandlungen innerhalb der Vertragslaufzeit bergen das Risiko, dass einer der Partner seinen Informationsvorteil ausnutzt, um diese zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit spezifischen Investitionen, wie sie im Zuge von PPPs regelmäßig anzutreffen sind (Parker und Hartley 2005, S. 305). Dies gilt für den privaten Partner, der sowohl im Vorfeld der PPP-Implementierung als auch im Rahmen der Durchführung der PPP Investitionen in Human- oder Sachkapital vor-
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nehmen muss. Ein wichtiger Bereich, in dem erhebliche spezifische Investitionen anfallen, ist die Vorqualifizierung des privaten Unternehmens für den Bieterwettbewerb, das Bieterverfahren selbst und die anschließenden Vertragsverhandlungen mit dem öffentlichen Partner. Hier besteht eine realistische //oM-wp-Problematik zu Ungunsten des privaten Partners. Die speziellen Charakteristika von Infrastruktur verschärfen diese Probleme: So ist, bedingt durch den hohen Investitionsbedarf und die Spezifität der Investitionen, auf den meisten Infrastruktursektoren eine lange Vertragslaufzeit notwendig, damit der private Partner Uberhaupt erst die Möglichkeit erhält, dass sich seine Investitionen amortisieren. Mit der Vertragslaufzeit steigt jedoch aufgrund von Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Entwicklungen (ζ. B. Bedarfsentwicklung, technische Standards) die Wahrscheinlichkeit, dass nachträglich Nachbesserungen bzw. Anpassungen am Vertrag vorgenommen werden müssen, auch die eingeschränkte Rationalität steigt mit zunehmender Vertragsdauer. Aus den skizzierten Zusammenhängen folgt die besondere Bedeutung von Institutionen im Sinne ihres positiven Einflusses auf die im Zuge einer PPP anfallenden Transaktionskosten (Obinger 2001, S. 89).77 Darüber hinaus sind suffiziente Institutionen für die Stabilisierung unternehmerischer Erwartungen im Rahmen der Begründung einer PPP von Bedeutung. Stabile Erwartungen ermöglichen es dem privaten Partner, den Erfolg einer Partnerschaft besser abschätzen zu können und geben somit möglicherweise den Ausschlag für das Eingehen eines entsprechenden Vertrages. Für die Erwartungsbildung ist das Vorliegen entsprechender Informationen jedoch unabdingbar. Staatliche Institutionen können an dieser Stelle als Signal wirken, welches die Erwartung des privaten Partners beeinflusst. Auch für die Beteiligung von Entwicklungsagenturen an PPPs ist die Signalwirkung von Institutionen von Bedeutung. Zwar existieren keine standardisierten, gemeinsamen Prüfverfahren der Entwicklungsagenturen, die über Beteiligungen an Entwicklungspartnerschaften entscheiden. Es folgen jedoch alle internationalen Entwicklungsagenturen dem Prinzip einer doppelten, politischen wie ökonomischen Konditionalität. Gefördert werden entsprechend dieser Konditionalität ausschließlich Projekte bzw. Maßnahmen, deren Zielstaaten eine Regierungsführung im Sinne von Good Governance vorweisen können. Die Existenz entsprechender Institutionen führt also an dieser Stelle dazu, dass für die Entwicklungsagenturen überhaupt erst ein Engagement im Rahmen von Ent-
Es wäre an dieser Stelle zu argumentieren, dass unter Umständen der öffentliche Partner - zumindest mittelbar - die Ausgestaltung der Institutionen in den entsprechenden Staaten beeinflussen kann. Fraglich ist an dieser Stelle, ob der Anreiz für eine derartige Beeinflussung vorliegt: Während sich auf Seiten des privaten Unternehmens das Zustandekommen und der Erfolg einer PPP unmittelbar finanziell niederschlägt, der Anreiz also als hoch angesehen werden muss, hat für den Verantwortlichen im öffentlichen Sektor, in der Regel also den Manager des öffentlichen Betriebes oder auch den entscheidenden Politiker, die Implementierung einer Public Private Partnership regelmäßig keine finanziellen Konsequenzen. Der Anreiz für Entscheidungsträger, Institutionen derart zu gestalten, dass sie PPPs befördern, dürfte entsprechend gering sein (zur Verteilung der Anreize in PPPs im Detail Mühlenkamp 2004).
80
Rahel Schomaker
Wicklungspartnerschaften möglich wird, ohne dass dieses im Einzelfall dann auch entsprechend erfolgen muss. Von besonderer Bedeutung ist die Institutionenqualität für die Entscheidungsfindung des potentiellen privaten Partners. Da privatwirtschaftliche Unternehmen in der Regel nicht auf das Engagement in einem speziellen Land angewiesen sind, können „schwache" Institutionen als ein Bestimmungsfaktor dazu führen, dass das Risiko, in einem bestimmten Land tätig zu werden, als zu groß eingeschätzt wird. Ein Ausweichen auf alternative Märkte wäre dann die logische Konsequenz. In vielen weniger entwickelten Staaten der Welt 78 sind funktionierende Institutionen oftmals nicht existent (Mummert 1999, S. 302). Es lassen sich Hauptcharakteristika identifizieren, welche symptomatisch für Entwicklungsländer sind und die Funktionsfähigkeit von Institutionen maßgeblich beeinträchtigen: Oftmals sind weder Verfiigungsrechte durchgehend eindeutig definiert noch ist, sofern existent, eine freie Ausübung dieser gegeben, Verantwortlichkeiten sind somit nicht klar zuzuordnen (Erlei et al. 2007, S. 298 f.). Auch verläuft die Implementierung von Institutionen in Entwicklungsländern oftmals entlang traditioneller Klientelverhältnisse oder folgt den Partialinteressen gewachsener Eliten, nicht aber dem Interesse der Bevölkerung bzw. der Erreichung von Entwicklungszielen wie Wirtschaftswachstum und Demokratisierung. Institutionen sind oftmals weder demokratisch legitimiert noch organisiert. Bestehende Institutionen sind darüber hinaus in Entwicklungsländern oftmals in ihrer bloßen Existenz bedroht oder können willkürlich von herrschenden Eliten modifiziert werden; die notwendige Glaubwürdigkeit fehlt ihnen. Von besonderer Bedeutung ist an dieser Stelle die Tatsache, dass die Nutzung der entsprechenden Institutionen - u. a. bedingt durch Korruption - in vielen Entwicklungsländern weltweit nur zu erheblichen, teilweise prohibitiv hohen Kosten möglich ist (Mummert 1999, S. 302 ff.). Diese Argumentation gilt nicht ausschließlich für das Engagement lokaler Unternehmen in Entwicklungsländern, sondern kann auch für die Aktivität ausländischer bzw. multinationaler Unternehmen in diesen Staaten angenommen werden. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Qualität von Institutionen von erheblicher Bedeutung für das Entstehen von PPPs ist. Ihre Existenz führt zu einer Reduktion von Transaktionskosten, welche die PPP verteuern würden und somit im Extremfall unwirtschaftlich machen könnten. Wie Hart (2005, S. 298 ff.) aufzeigt, sind die relativen Kosten des Vertrags - welche maßgeblich von der Höhe der Transaktionskosten abhängen - für den öffentlichen Partner oftmals von höherer Bedeutung als die (angenommene) günstigere Finanzierung der Anlage durch eine private Unternehmung. Sind die erwarteten Kosten des Vertragsabschlusses selbst und der späteren Vertragsdurchführung und Überwachung zu hoch, wird dieser, unabhängig von möglichen späteren (EffizienzGewinnen, nicht zustande kommen. Für das private Unternehmen stellen hohe erwartete Transaktionskosten schon vor Beginn des Bieterprozesses ein Problem dar, wie Dudkin und Välilä (2005, S. 5) aufzeigen:
Zu Evidenzen aus dem Nahen Osten und Nordafrika siehe Kapitel 5.
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
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"The high transaction costs can have the potential to erode the cost savings achieved through a PPP structure. Apart from their direct negative impact on the financial and economic viability of the project, the high cost of bidding constitutes an obvious hurdle for potential bidders to enter the bidding process." Die Erwartungsbildung bzgl. der Rentabilität des eigentlichen Projektes und die entsprechende Investitionsentscheidung des privaten Partners ist somit u. a. von den erwarteten Transaktionskosten abhängig. Sind diese zu hoch, wird das Unternehmen davon absehen, in einen Bieterprozess bzw. die Partnerschaft selbst einzutreten. Darüber hinaus stellen starke, funktionsfähige Institutionen die Voraussetzung für ein Engagement von internationalen Entwicklungsagenturen dar, welche PPPs in Entwicklungsländern maßgeblich unterstützen. Sind starke Institutionen, welche niedrige Transaktionskosten garantieren und stabile Erwartungen befördern, nicht existent, ist eine hohe Zahl von Public Private Partnerships nicht zu erwarten, wie Schäferhoff konstatiert: „PPPs cannot be found in areas where institutional failure and governance gaps are exceptionally pronounce" (Schäferhoff et al. 2007, S. 10). 4.3.4. Empirische Evidenzen der Bedeutung von Institutionen Wie dargestellt, resultiert die theoretische Bedeutung von Institutionen für die Implementierung von PPPs in erster Linie aus ihrem Einfluss auf die im Zuge der Partnerschaft anfallenden Transaktionskosten. 79 Auch die Erwartungsbildung des potentiellen privaten Partners, so theoretisch ableitbar, wird durch starke Institutionen positiv beeinflusst und sie fungieren als Signal an die Entwicklungsagenturen. Anlehnend an die oben skizzierten Erkenntnisse des theoretischen Ansatzes der Institutionenökonomik erscheint es plausibel, die Qualität von Institutionen als entscheidendes Kriterium für die Entstehung von PPPs anzusetzen. Daher muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob ein empirisch nachweisbarer Einfluss der Güte von Institutionen auf das Zustandekommen von Public Private Partnerships in einer (Entwicklungs)Region besteht und wie stark dieser ggf. ist.
Die empirische Quantifizierung von Transaktionskosten im Kontext von PPPs erweist sich jedoch als komplex. Zum einen ist dies in der Tatsache begründet, dass ihre präzise Abgrenzung problematisch ist; zum anderen kommt für den Fall prohibitiv hoher Transaktionskosten die ganze Transaktion nicht zustande, es fallen also keinerlei Transaktionskosten an. Darüber hinaus gilt hier nicht die Tendenz einer Anpassung der Transaktionskosten (Gesetz des einheitlichen Preises), sondern Transaktionskosten fallen spezifisch an, sind also „subjektive Kosten und damit schlecht objektivierbar" (Voigt 2002, S. 87). Hieraus resultiert das weitgehende Fehlen empirischer Studien zu Transaktionskosten, dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit Public Private Partnerships. Eine Studie der Weltbank (Klein et al. 1996) kommt nach empirischer Betrachtung von 34 PPPs weltweit zu dem Ergebnis, dass generell ca. 5 bis 10 Prozent der Projektkosten auf die Transaktionskosten entfallen. Dabei gilt, dass die Transaktionskosten im Falle von so genannten Pionierprojekten unter bislang unbekannten Umständen (ζ. B. das Engagement in bestimmten Regionen oder Sektoren) - als welche Projekte in Entwicklungsländern fast durchgehend gelten können - rund 10 bis 12 Prozent der Gesamtkosten ausmachen können (Klein et al. 1996 und 1996a).
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Rahel Schomaker
Empirische Untersuchungen, die diesen Zusammenhang untersuchen, bestehen bislang bis auf eine Studie von Hammami et al. aus dem Jahr 2006 nicht. Diese Studie berücksichtigt im Längsschnitt für die Jahre 1990 bis 2003 PPPs aus der Datenbank Private Participation in Infrastructure der Weltbank (im Folgenden PPI-Datenbank), welche die Infrastruktursektoren Energie, Telekommunikation, Transport sowie Wasser/Abwasser umfasst. Insgesamt werden 457 Beobachtungen von der Studie erfasst, die betrachteten Länder stammen aus allen Entwicklungsregionen. 80 Die Anzahl der Partnerschaften (abhängige Variable) wird gegen verschiedene Indikatoren (unabhängige Variablen) getestet. Im Einzelnen werden - neben sonstigen unabhängigen Variablen wie der Bevölkerungsgröße, dem realen BIP pro Kopf und der jährlichen Inflationsrate - die Qualität der Bürokratie, die Stärke und Effektivität von gesetzlichen Institutionen und der Schutz der Rechte von Investoren durch Gesetze betrachtet. Abgebildet werden diese Institutionen mit Hilfe des Indikators Rule of Law, entwickelt von Kaufmann et al. (2008) 81 , sowie der Indikatoren Control of Corruption und Composite Country Risk82. Dazu kommen Dummy-Variablen für die Regionen Europa und Zentralasien, Ostasien und Pazifik, ΜΕΝΑ und Südasien, die Bezugsregion bildet Lateinamerika und Karibik. Die Schätzung für die Anzahl von PPPs in einem Staat erfolgt dabei sowohl mittels der ,Methode der kleinsten Quadrate', eines Poisson-Modells, einer negativen Binomial-Regression und eines ZIP-Modells (Zero-inflated-Poisson-Modell).83 Betrachtet man die Ergebnisse der verschiedenen Schätzmodelle, zeigt sich eine zumindest partielle Bestätigung der aus der Theorie abgeleiteten These der Bedeutung von Institutionen als Bestimmungsfaktoren für das Zustandekommen von PPPs (vgl. Übersicht 6). Eine starke Korruptionskontrolle (Control of Corruption) sowie das Vorliegen von Rechtsstaatlichkeit (Rule of Law) zeigen bei zwei bzw. drei Schätzverfahren einen signifikanten Einfluss auf die Anzahl von Public Private Partnerships. Jedoch fällt dieser Einfluss je nach verwandter Schätzmethode unterschiedlich hoch aus, so dass eine eindeutige Aussage über die Höhe nicht zu treffen ist. Die gleichen unabhängigen Variablen ergeben bei Anwendung anderer Schätzmethoden nicht-signifikante Ergebnisse, jedoch weist das Vorzeichen auch unter diesen Umständen in die richtige Richtung. Gleiches ergibt sich für den Indikator Composite Country Risk, welcher keinen signifikanten Einfluss auf die Anzahl von PPPs hat, jedoch bei drei der fünf Schätzmethoden ebenfalls das erwartete Vorzeichen hat (Hammami et al. 2006, S. 14 ff.).
Als Schwäche ist der betrachteten Studie von Hammami et al. anzulasten, dass weder die im Einzelnen in die Untersuchung einfließenden Staaten namentlich ausgewiesen werden noch die Gesamtzahl der betrachteten Staaten aufgeführt wird, sondern lediglich die Gesamtanzahl der Beobachtungen. Eine kritische Überprüfung der Ergebnisse, ζ. B. bzgl. evtl. Außreißer, ist daher nicht möglich. Zur Methodik dieses Indikators im Einzelnen vgl. Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit. Der Indikator Composite Country Risk besteht aus einem gewichteten Durchschnitt politischer, ökonomischer und finanzieller Risiken und bildet somit das spezifische Länderrisiko ab (Hammami et al. 2006; S. 16 f.). Vgl. zu den einzelnen Schätzverfahren im Detail Backhaus et al. 200310.
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in der Wasserwirtschaft
des Nahen Ostens und Nordafrikas
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Übersicht 6: Empirische Zusammenhänge zwischen Anzahl der PPPs und Institutionenqualität - Längsschnittanalyse Unabhängige
OLS
01 s
Poison
Negative Binomial-Regression
ZIP
-2,841
-6,615
-3,456
-3,545
-2,772
(1,59)
(3,34)*
(5,88)**
(6,25)**
(4,61)**
1,582
1,382
0,732
0,643
0,617
(4,85)**
(4,04)**
(6,72)**
(7,01)**
(5,18)**
0,001
0,001
0,000
0,000
0,000
(4,06)**
(4,43)**
(3,51)**
(3,33)**
(2,19)*
Variable Konstante
Bevölkerung (logahthmieri; Reales BIP pro Kopf (zeitversetzt) inflation ft P i w e r (jährlich) Control ί ; / ' θ irruption (Index) Rule öj him φφ*) Compn.it;, Country Risk (Indes) Dummy Owawen and P SubsaharaAfrika Dummy MBNA
Dummy Sfldusiea
-0,066
-0,059
-0,015
-0,012
-0,015
(4,05)**
(4,37)**
(4,96)**
(3,60)**
(5,05)**
0,140
0,149
0,170
0,061
0,212
(0,60)
(0,55)
(2,04)*
(0.84)
(0,53)*
0,833
0,367
0,511
0,500
0,400
(1,33)
(0,51)
(2,92)**
(2,94)**
(2,10)*
0,002
0,031
-0,005
0,006
-0,013
(0,07)
(1,16)
(0,60)
(0,80)
(0,24)
-4,01
-0,125
-0,734
-0,382
-0,831
(0.38)
(0,11)
(2,49)*
(1,32)
(2,77)**
-2,381
-2,569
-0,350
-0,393
-0,364
(3,13)**
(3,56)**
(1.68)
(2,06)*
(1,89)
-2,605
-2,299
-1,410
-1,114
-1,398
(3,25)**
(2,53)*
(4,51)**
(3,91)**
(4,48)**
-3,519
-2,785
-1,731
-1,639
-1,484
(4,29)**
(2,58)**
(4,93)**
(5,37)**
(4,19)**
-3,942
-3,944
-1,493
-0,981
-1,486
(2,15)*
(2,47)*
(3,28)**
(2,18)*
(3,14)**
457
Beobachtungen {alle Modelle) R2
0,50
P>eudo R-
0,55
Chi-Quadrat-Test
870,0 Z?=3,77
Vuong Test: Poisson VS. ZIP Q u e l l e : Hammami
0,21
et al. 2 0 0 6 , S . 2 9 . Erläuterung: T-Statistik in K l a m m e r n . * signifikant
auf 5-Prozent-Level; ** signifikant auf 1-Prozent-Level.
Rahel Schomaker
84
Ergänzend zu den Ergebnissen von Hammami et al. werden Rahmen einer Querschnittstudie die im Jahr 2007 bestehenden PPPs in 123 Staaten in allen Entwicklungsregionen (Europa und Zentralasien, Ostasien und Pazifik, ΜΕΝΑ, Südasien sowie Lateinamerika und Karibik) über alle Infrastruktursektoren betrachtet (vgl. Übersicht 7). Die Anzahl der Partnerschaften (abhängige Variable) wird dabei mit Hilfe der .Methode der kleinsten Quadrate' (Ordinary Least Squares - OLS) gegen verschiedene Indikatoren (unabhängige Variablen) getestet. Im Einzelnen werden dabei die Bevölkerungszahl, das reale BIP pro Jahr und Kopf (zeitversetzt um ein Jahr), die jährliche Inflationsrate sowie als Proxy für die Institutionenqualität die von Kaufmann et al. (2008) entwickelten Indikatoren Voice and Accountability sowie Government Effectiveness betrachtet. Übersicht 7: Empirische Zusammenhänge zwischen PPPs und Institutionenqualität - Querschnittsanalyse Unabhängige Variable
OLS
Konstante
35,499 (2,365)*
Bevölkerung tn Μ to.
0,471 (17,971)**
Inflation in Prozent (jährlich)
-0.113 (-0,158)
Reales BIP pro Kopf (zeitverseut um ein Jahr)
Government Effectiveness ι index)
0,004 (2,161)* 24,577 (2,297)*
Voice und Accountability (Index)
-20,623 (-2,652)**
Beobachtungen
123
R·'
0,807
K2 korr.
0,789
Quelle: Eigene Berechnung (vgl. Anhang a). Erläuterung: t-Statistik in Klammern. * signifikant auf 5-Prozent-Level; ** signifikant auf 1-Prozent-Level.
Wie der Wert von R2 von 0,807 zeigt, hat das geschätzte Modell einen insgesamt hohen Erklärungsgehalt. Betrachtet man die Indikatoren Voice and Accountability sowie Government Effectiveness, so ergibt sich ein heterogenes Bild der Bedeutung von Institutionen. So hat die durch Government Effectiveness abgebildetet Qualität öffentlicher Dienstleistungen bzw. ihre Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme einen signi-
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
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fikanten Einfluss auf die Anzahl von PPPs in einem Staat, ein Ergebnis, welches die theoretischen Überlegungen unterstützt. Insbesondere wird durch diesen Zusammenhang die These untermauert, dass Stabilität, Transparenz und Effektivität des Handelns des öffentlichen Sektors ein wichtiges Entscheidungskriterium für das private Unternehmen bilden, sich in einer Entwicklungspartnerschaft zu engagieren. Der durch den Indikator Voice and Accountability abgebildete Grad von Mitentscheidungsfreiheit der Bürger bzw. von Demokratie hat ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf die Anzahl von PPPs, dieser ist jedoch negativ. Dies erscheint auf den ersten Blick nicht mit den theoretischen Überlegungen zur Bedeutung von Institutionen kongruent. Eine plausible Erklärung für den bestehenden negativen Zusammenhang kann aus der oben diskutierten Motivation für das Eingehen einer PPP abgeleitet werden: Es ist plausibel anzunehmen, dass nicht-demokratische Staaten insgesamt weniger liberal in Bezug auf eine mögliche Liberalisierung von Infrastruktur sind. Für diese Staaten käme eine vollständige Sektorliberalisierung und ggf. Vollprivatisierungen also aus politischem Kalkül heraus nicht infrage. PPPs wären an dieser Stelle eine mögliche Alternative, welche mit dem Verbleib umfangreicher Kontrollrechte beim Staat einhergeht. Je undemokratischer ein Staat ist, je niedriger also entsprechend sein Governance-Wert ist, desto eher würden PPPs als Handlungsoption gewählt. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wäre an dieser Stelle die Rolle der Entwicklungsagenturen·. Sofern diese insbesondere in Staaten, welche nicht über stabile Demokratien verfügen, zur Erreichung von Entwicklungszielen Garantien für PPP-Projekte bereitstellen und somit finanzielle und sonstige Risiken zu minimieren helfen, könnte der negative Zusammenhang erklärt werden. Darüber hinaus könnte die ablehnende Haltung zahlreicher NGOs und Aktivistengruppen ggü. PPPs möglicherweise eine Rolle spielen. Sofern diese aufgrund mangelnder Partizipationsmöglichkeiten keinen weitergehenden politischen bzw. gesellschaftlichen Einfluss besitzen, wie es ein niedriger Wert des Indikators Voice and Accountability anzeigt, könnte dies dazu führen, dass eher PPPs eingegangen werden, da das private Unternehmen nicht mit Protesten rechnen muss. Betrachtet man den beschriebenen Zusammenhang zwischen PPPs und der Qualität von Institutionen sowie weiterer unabhängiger Variabler im Rahmen einer gepoolten Regression, ergeben sich ähnliche Ergebnisse. Für die gepoolte Panelregression werden PPPs in 119 Staaten in allen Entwicklungsregionen (Europa und Zentralasien, Ostasien und Pazifik, ΜΕΝΑ, Südasien sowie Lateinamerika und Karibik) Uber alle Infrastruktursektoren betrachtet, die Beobachtungsdaten stammen aus den Jahren 1996, 1998, 2000, 2002, 2004 und 2006 (vgl. Übersicht 8). Im Einzelnen werden dabei die Bevölkerungszahl, das reale BIP pro Jahr und Kopf (zeitversetzt um ein Jahr), die jährliche Inflationsrate sowie als Proxy für die Institutionenqualität die von Kaufmann et al. (2008) entwickelten Indikatoren Voice and Accountability
getestet.
sowie Government
Effectiveness
Rahel Schomaker
86
Übersicht 8: Empirische Zusammenhänge zwischen PPPs und Institutionenqualität - Gepoolte Regressionsanalyse Unabhängige Variable
OLS
Konstante
14.427 (2,967)** 2.503E7
Bevölkerung
(25,551)** 0.000
Inflation in i"rozent (jährlich)
(-0,079) Reales BIP pro Kopf (zeitversetzt um ein Jahr)
0,007 (6,229)**
Government Effectiveness (Index)
10.945 (2,668)** -10,945
Voice and Accountability (Index)
(-3,916)** Beobachtungen
119
Jahre
6 (1996, 1998, 2000, 2002, 2004, 2006)
; R3
0,574
R* kon
0,567
Quelle: Eigene Berechnung (vgl. Anhang b). Erläuterung: t-Statistik in Klammern. * signifikant auf 5-Prozent-Level; ** signifikant auf 1-Prozent-Level.
Wie der Wert von R 2 von 0,574 zeigt, hat auch dieses geschätzte Modell einen insgesamt hohen Erklärungsgehalt. Die Betrachtung der Indikatoren Voice and Accountability sowie Government Effectiveness zeigt signifikante Ergebnisse, die mit den Ergebnissen der Querschnittstudie konform gehen und die erwarteten Vorzeichen tragen. Während die Qualität der Regierung einen deutlich positiven Einfluss auf die Anzahl von PPPs in einem Land hat, bewirkt ein hoher Grad an demokratischer Partizipation, ausgedrück durch VA, eine geringere Anzahl an PPPs unter ansonsten gleichen Bedingungen. Während der in der Querschnittsanalyse schwach negative Einfluss der Inflationshöhe in dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden kann, bestätigen sich ein (schwach) positiver Einfluss des BIP sowie der Bevölkerungsgröße in dieser Untersuchung. 84
Trotz dieser, die bisherigen theoretischen Überlegungen und empirischen Untersuchungen stützenden Ergebnisse muss bezweifelt werden, ob das gepoolte Regressionsmodell an dieser Stelle perfekt dazu geeignet ist, die Zusammenhänge zwischen abhängiger und unabhängigen Variablen für verschiedene Länder über den Untersuchungszeitraum dar-
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
87
Zu beachten ist jedoch an dieser Stelle, dass zwischen den einzelnen unabhängigen Variablen ein gewisser Zusammenhang zu bestehen scheint, die Variablen also in gewissem Grade abhängig voneinander sind (Multikollinearität). Eine Separierung des spezifischen Einflusses einer bestimmten unabhängigen Variablen ist in einem derartigen Fall nur schwerlich möglich; j e höher die Multikollinearität im Einzelnen ausgeprägt ist, desto unsicherer wird die Einschätzung der Bedeutung einer speziellen Variablen (Eckey et al. 2001 2 , S. 89). Generell kann ab einem Korrelationskoeffizienten von 0,8 und mehr von Multikollinearität ausgegangen werden (Eckey et al. 2001 2 , S. 90). Dieser wird in der vorliegenden Untersuchung nicht erreicht. Darüber hinaus kann Multikollinearität als weniger problematisch angesehen werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Beziehung zwischen den unabhängigen Variablen weitgehend stabil ist (Εckey et al. 2001 2 , S. 89), wie es im vorliegenden Fall als gegeben angesehen werden kann. Dennoch wird aufgrund einer bestehenden Unschärfe von einer weitergehenden Interpretation des Einflusses der einzelnen unabhängigen Variablen abgesehen. Betrachtet man abschließend die empirischen Ergebnisse der Untersuchungen zusammen, wird deutlich, dass neben der Institutionenqualität eine Reihe anderer Variablen Einfluss auf die Anzahl von PPPs in einem Staat hat. Die Bevölkerungsgröße eines Staates, das reale Pro-Kopf-Einkommen und die jährliche Inflationsrate sind hier von Bedeutung. Insbesondere die Bevölkerungsgröße, welche die Nachfrage nach Infrastruktur und damit auch nach PPPs determiniert, hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Anzahl von PPPs. Sie kann als Proxy für den (Maximal-)Bedarf an Infrastruktur unabhängig vom einzelnen Sektor - angesehen werden. Je höher dieser Bedarf ist (der jedoch nicht ausschließlich über die Bevölkerungsgröße, sondern auch sektorale Bedarfskennzeichen wie ζ. B. Abdeckung mit Wasseranschlüssen abgebildet werden kann), desto eher bieten sich für das Unternehmen Gewinnchancen, desto eher werden also PPPs zustande kommen.
4.4.
Zwischenfazit - Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von Public Private Partnerships
Es ist deutlich geworden, dass das Zustandekommen von Public Private Partnerships - abstrahierend vom Einzelprojekt - abhängig ist vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Als derartige Bestimmungsfaktoren müssen der politische Wille der beteiligten
zustellen. Begründet liegt dies in der Tatsache, dass das gepoolte Regressionsmodell insgesamt nur dann eine höhere erklärende Qualität als einzelne Querschnittsregressionen für die untersuchten Länder aufweist, wenn die Residuenquadratsumme des gepoolten Modells die Summe der Residuenquadrate der Einzelregressionen nicht maßgeblich übersteigt (Eckey et al. 20012, S. 274). Alternativ wäre die Durchführung von entsprechenden einzelnen Querschnittsanalysen bzw. die Schätzung eines Panelmodells mit festen Effekten (fixed effects model) oder zufälligen Effekten (random effects model) die geeignetere
Wahl. In der vorliegenden Untersuchung ergibt sich, dass die Residuenquadratsumme des gepoolten Modells die Aufsummierung der Residuenquadrate übersteigt. Dieser Anstieg erscheint tolerabel, da er - relativ zur gesamten Summe - nicht allzu hoch ausfällt. Dazu kommt, dass eine alternative Betrachtung der einzelnen Querschnittsregressionen zu prinzipiell gleichen Ergebnissen kommt. Die grundsätzlichen Aussagen über den Zusammenhang von PPPs und Institutionenqualität können also nicht in Zweifel gezogen werden.
88
Rahel Schomaker
Staaten sowie bestehende Interessenkongruenzen zwischen den potentiellen Partnern angesehen werden. Diese als .notwendige Bedingungen' charakterisierten Faktoren führen dazu, dass das Konzept überhaupt erst eingesetzt werden kann. Auch muss ein genereller Bedarf an der entsprechenden Infrastruktur bestehen, welche durch PPPs angeboten werden soll. Dazu kommen weitere Bestimmungsfaktoren, welche die Implementierung von PPPs befördern und damit die Grundlage bilden, dass die aus dem Konzept erwarteten Potentiale realisiert werden können. Sowohl die theoretischen, auf Erkenntnissen der Neuen Institutionenökonomik beruhenden Überlegungen als auch die - eingeschränkt vorhandenen - empirischen Evidenzen lassen vermuten, dass Institutionen an dieser Stelle ein wesentlicher Faktor für das Zustandekommen von Public Private Partnerships sind. Dies gilt unabhängig vom Sektor, auf welchem die PPP eingerichtet werden soll, und gleichermaßen für alle Regionen der Welt. Ausgehend von der Vielzahl verschiedener PPP-Modelle, kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung von Institutionen um so höher ist, je tiefer die Beteiligung des privaten Unternehmens ist: Im Umfeld schwächerer Institutionen werden eher Beteiligungsmodelle mit kurzer Laufzeit, geringen Investitionen und einer niedrigen Risikobeteiligung gewählt werden (ζ. B. Management- oder Serviceverträge), während starke Institutionen ein weitergehendes Engagement des Privaten ζ. B. im Rahmen eines BOT-Modells erlauben (dazu auch Hammami et al. 2006, S. 18 f.). In diesem Zusammenhang sind neben der Institutionenqualität auch weitere Faktoren von Bedeutung. Insbesondere das Pro-Kopf-Einkommen ist relevant, sobald ein Vertrag direkt zwischen dem privaten Unternehmen und dem Endabnehmer zustande kommt, gibt es doch ex ante Auskunft über die mögliche Zahlungsfähigkeit der Abnehmer.
5.
Der Nahe Osten und Nordafrika - Determinanten und Charakteristika
Die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehende Frage nach den Potentialen und Bestimmungsfaktoren für den Einsatz von PPPs in der Siedlungswasserwirtschaft im Nahen Osten und Nordafrika kann nur anhand einer Analyse der in der Region vorliegenden Charakteristika erfolgen. Das vorliegende Kapitel befasst sich dementsprechend mit den verschiedenen naturräumlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die - wenngleich in unterschiedlichem Maße - sowohl die Siedlungswasserwirtschaft entscheidend prägen als auch, in Anlehnung an die theoretischen Ausführungen in Kapitel 4, als relevant für die Implementierung von PPPs angesehen können. Grundsätzlich sind die Besonderheiten der sozio-ökonomischen und politischen Strukturen im Nahen Osten und Nordafrika gegenüber denjenigen in anderen Regionen der Welt nicht monokausal zu begründen, sondern vielmehr die Folge besonderer geographischer Faktoren und verschiedenster kultureller, politischer und ökonomischer Entwicklungen. Zusammenfassend kann die Region folgendermaßen charakterisiert werden: „The political economy of the Middle East is dominated by three simple facts: little rain, much oil, and increasingly many (and therefore young) people" (Richards und Waterbury 20 08 3 , S. 44).
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft
des Nahen Ostens und Nordafrikas
89
Wenngleich diese Aufzählung als verallgemeinernd sowie darüber hinaus als nicht abschließend angesehen werden muss, stellen die aufgezeigten Faktoren wichtige Parameter dar, die neben anderen die politische und ökonomische Umwelt der Region determinieren.
5.1.
Geographische und klimatische Determinanten der MENA-Region
Die klimatischen Bedingungen müssen an dieser Stelle als besonders prägender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Region im Allgemeinen und des Wassersektors im Besonderen herausgestellt werden: Die gesamte ΜΕΝΑ-Region ist klimatisch als arid oder semi-arid einzustufen. Nahezu 90 Prozent der Landfläche zwischen Marokko im Westen und dem Iran im Osten bleiben ganzjährig ohne regelmäßige Regenfälle; natürliche Wasservorkommen - sowohl unter- wie auch überirdisch - sind knapp und damit auch die Möglichkeit von landwirtschaftlicher Nutzung ohne den Einsatz von Methoden der künstlichen Bewässerung. In dem Wüstengürtel der Region, welcher die nordafrikanische Sahara ebenso umfasst wie die Arabische Wüste, fallen jährlich nur zwischen Null und 200 mm Niederschlag, eine Menge, die weder eine extensive landwirtschaftliche Nutzung noch Viehhaltung erlaubt. Innerhalb dieser Wüstengebiete existieren Oasen, für welche diese Einschränkungen nicht gelten. Dies ist jedoch nicht die Folge häufigerer Regenfälle, sondern vielmehr bedingt durch lokale Vorkommen an (fossilem) Grund- und/oder Oberflächenwasser. In den Halbwüsten und Steppengebieten der Region fallen jährlich zwischen 200 und 400 mm Niederschlag, hier ist eine extensive Landwirtschaft mit Hilfe von künstlicher Bewässerung möglich, nicht jedoch Regenfeldbau. In den Gebirgen der Region vom Atlasgebirge in Marokko bis zum libanesischen Bergland - stellt sich die Lage anders dar; bedingt durch mit steigender Höhe abnehmenden Temperaturen und eine schwächere Verdunstung sind diese in der Regel weniger trocken (Robert 2008, S. 23). Es ergibt sich also eine in hohem Maße inhomogene Verfügbarkeit von Wasser, sowohl zwischen den einzelnen Staaten der Region als auch innerstaatlich sowie im Verlauf der Jahreszeiten. Im Nord-Westen des Iran kommt es so ζ. B. zu einem Wasserüberschuss von 1200 Kubikmeter pro Person und Jahr oder mehr. Niedrigere Wasserüberschüsse treten in Teilen Syriens und des Libanon auf. Der Jemen, die palästinensischen Autonomiegebiete sowie Jordanien sind dagegen durch eine Verfügbarkeit von lediglich 200 Kubikmeter oder weniger pro Kopf pro Jahr gekennzeichnet (Weltbank 2003). Insgesamt finden die Regenfalle in der Region hauptsächlich zwischen Oktober und März statt; eine Ausnahme bildet hier der Jemen, der - vom Monsun betroffen einen Großteil seiner Niederschläge in den Monaten von Mai bis Oktober erhält (Allan 2001, S. 265). Auch die Temperatur in der ΜΕΝΑ-Region ist extremen jahreszeitlichen und regionalen Schwankungen ausgesetzt, sie beträgt in den verschiedenen Staaten zwischen 10°C bis 25°C im Januar und 20°C bis über 35°C im Juli (IPCC 1997). Insgesamt sind die natürlichen Niederschläge in der ΜΕΝΑ-Region trotz teilweise temporär auftretender Überschüsse sehr spärlich. Der Durchschnitt der regionalen Niederschläge liegt so denn auch weit unter dem weltweiten Durchschnitt (Weltbank 2003) (vgl. Abbildung 1).
90
Rahel Schomaker
Abbildung 1: Globale Übersicht jährlicher Niederschläge in mm
i!:7£i
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Quelle: Cooperative Institute for Research in the Atmosphere o.J. Auswirkungen des Klimawandels sind in der Region bislang kaum zu beobachten, die klimatischen und meteorologischen Bedingungen sind weitgehend unverändert geblieben bzw. es haben sich ausschließlich nicht signifikante Änderungen ergeben. Lediglich für den Südwesten der Arabischen Halbinsel sind signifikante Veränderungen festzustellen. Hier hat sich eine 200-prozentige Steigerung der jährlichen Niederschlagsmenge ergeben, jedoch ausgehend von einer sehr geringen Ausgangsmenge im Umfang von weniger als 200 mm/Jahr (IPCC 2007). Bedingt durch diese klimatischen und geographischen Ursachen wird die MENARegion seit dem 19. Jahrhundert durch urbane Siedlungen in wasserreichen Gebieten dominiert (Carkoglu et al. 1998, S. 63). Die überwiegende Mehrheit der Einwohner der Region lebt innerhalb relativ kleiner Zonen entlang der fruchtbaren Küstenstreifen des Mittelmeeres oder des persisch-arabischen Golfes sowie entlang der großen Flüsse Nil, Euphrat und Tigris. Die Bevölkerungsdichte innerhalb der relativ wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Gebiete, in denen sich auch die großen Urbanen Zentren der Region befinden, ist daher entsprechend hoch, obwohl die ΜΕΝΑ-Region mit 34 Einwohnern pro km2 im internationalen Vergleich nicht übermäßig dicht besiedelt ist. Das Bevölkerungswachstum in der ΜΕΝΑ-Region ist mit einer durchschnittlichen Rate von 1,8 Prozent im Jahr 2006 (vgl. Übersicht 9) jedoch auch im Vergleich mit anderen Entwicklungsregionen sehr hoch und wird im weltweiten Vergleich einzig von Subsahara-Afrika übertreffen (Weltbank 2007c). Obwohl sich die Zuwachsraten in vielen Staaten der Region in den letzten Jahren leicht abgeschwächt haben, sind die aus dem Anstieg der Bevölkerung resultierenden Probleme dennoch nicht unwesentlich und müssen daher weiterhin als relevant betrachtet werden (Richards und Waterbury 20083, S. 71 f.).
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
Übersicht 9: Region !
91
Bevölkerungsentwicklung und Urbanisierung in Entwicklungs· regionen Bevölkerung (in Millionen Einwohner)
Bevölkerungswachstum in % (2006)
Urbanisierungsquote in % (2006)
ΜΕΝΑ
312
1,8
57
Ostasien und Pazifik
1885
0,8
42
Europa und Zentralasien
472
0,1
64
Lateinamerika und Karibik
533
1,3
78
Südasien
1425
1,6
29
SubsaharaAfrika
705
2,5
36
Quelle: Eigene Darstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank. Darüber hinaus weist die Region eine - für Entwicklungsländer symptomatisch - hohe Urbanisierungsquote 85 von 57 Prozent auf, welche mit einer jährlichen Rate von 2,4 Prozent wächst und damit im Mittelfeld der Entwicklungsregionen weltweit liegt (Richards und Waterbury 20083, S. 265 ff.). Dies führt zu einer Ausweitung bebauter (und damit versiegelter) Flächen um bestehende städtische Zentren herum, was zu einer zunehmenden Zersiedelung ehemals landwirtschaftlich genutzter Fläche führt. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen nehmen somit immer mehr ab, ein Faktum, welches durch moderne Anbaumethoden und den Einsatz von Düngemitteln nur begrenzt kompensierbar ist. Diese Entwicklungen sowie die ohnehin bestehende natürliche Wasserknappheit führen zu einer zunehmend unzureichenden landwirtschaftlichen Produktion. Dies, insbesondere vergesellschaftet mit einem hohen Bevölkerungswachstum, führt zu einer stetig ansteigenden Abhängigkeit von anderen Weltregionen in der Produktion von Nahrungsmitteln (Carkoglu et al. 1998, S. 56 f.). Das Weltwasserforum fasste im Jahr 2006 die Situation wie folgt zusammen: „The region is the most arid region in the world. Of the total area about 14 million km2, more than 87 percent is desert. Except for coastal strips in the Maghreb and the East Mediterranean, and the mountains of Northern Iraq and the Arabian peninsula, conditions are predominantly arid to hyper arid. Water resources are consequently very sparse. Total
Problematisch ist an dieser Stelle die Frage nach der Definiton von „urban", die in ihrer Anwendung über die verschiedenen Staaten der Region hinweg (ebenso wie weltweit) differiert. So rechnet der Staat Ägypten ausschließlich Personen zur Urbanen Bevölkerung, die in der Hauptstadt Kairo, dem Verwaltungsbezirk Kairo oder der Hauptstadt eines anderen Regierungsbezirkes leben. Im Jemen werden hingegen Personen, die in einer menschlichen Siedlung mit insgesamt mehr als 5000 Einwohnern leben, als Stadtbewohner gezählt (im Einzelnen zur Erfassung Richards und Waterbury 20083, S. 267 f.). In der vorliegenden Arbeit erfolgt die Klassifikation der Begriffe urban und rural entsprechend derjenigen der Weltbank.
92
Rahel Schomaker
renewable water resources in the region are estimated at about 335 km3/year, with demand already exceeding 200 km3/year (about 60% of the renewable resource) and rising fast" (Fourth World Water Forum 2006, S. 6). Die ΜΕΝΑ-Region gehört also aufgrund der sie prägenden klimatischen Bedingungen zu den wasserärmsten Regionen der Welt. Dies gilt sowohl für Wasservorkommen in Form von (fossilem) Grund- und Oberflächenwasser als auch für natürliche Niederschläge (vgl. Abbildung 2). Die Verfügbarkeit von bzw. der Zugang zur Ressource Wasser stellt damit im Nahen Osten und Nordafrika ein spezielles Problem dar: Auf rund 5 Prozent der Weltbevölkerung, welche in der Region leben, entfällt nur rund ein Prozent der weltweiten Frischwasservorkommen (Weltbank 2003). Insgesamt leben in der Region rund 60 Prozent der Einwohner unter Bedingungen extremer Trockenheit, mit steigender Tendenz. Abbildung 2: Weltweite Frischwasserressourcen (erneuerbar/nicht erneuerbar) pro Kopf im Jahr 2000 Freshwater resources per capita. 2000
0 IwMIA» φ MMO-JJS» 0 VOMM» Φ «00-9SI» Φ i&aoaor ff*»· Φ NodBte
JS
Quelle: Weltbank Datenbank. Die durchschnittliche Verfügbarkeit von Wasser - sowohl aus erneuerbaren wie nicht erneuerbaren Vorkommen - pro Person pro Jahr ist in der Region mit jährlich rund 761 Kubikmetern die niedrigste weltweit. Dies gilt für den Status quo, die Zahlen umfassen dabei auch die nicht regenerierbaren Wasservorkommen. Da mittelfristig die nicht erneuerbaren Wasservorkommen nicht in die Planungen einzubeziehen sind, verschärft sich die abnehmende Tendenz, welche sich bzgl. der Wasserverfiigbarkeit ergibt, umso deutlicher (vgl. Übersicht 10).86
Zum Vergleich: Der weltweite Durchschnitt des verfügbaren Wassers liegt bei jährlich rund 6 895 Kubikmeter pro Kopf (Weltbank 2005).
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft
des Nahen Ostens und Nordafrikas
93
Übersicht 10: Bevölkerung und erneuerbare Wasservorkommen in den Jahren 1975, 2000 und 2025 (Projektion) Land
Bevölkerung
Erneuerbare Wasservorkotmnen pro Einwohner in m 3
in Mio. 1975 2000
2025 (Projektion) niedrige
mittlere
1975
hohe
16,7
3U
46,1
2025 (Projektion) niedrige
Nordafrikanischer Sudan
2000
miniere
hohe
3.S08
2.908
Teil
49,6
52,9
9241
4.953
3.341
Somalia
4,3
8.8
20,1
21.2
22,0
3.798
L789
778
741
714
Marokko
17,3
29,9
38.5
42.0
45.1
1.734
1.004
779
714
665
Ägypten
38.8
67.9
86,9
94,8
102,8
1.764
1.009
789
723
666
Tunesien
5,7
9,5
11.2
12,3
13,4
688
412
348
316
291
Algerien
16,0
30,3
39,6
42,7
45,7
893
472
361
335
313
Djibouti
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Libyen
2,4
5,3
7,5
7,9
8,5
327
151
107
100
95
Vorderasiatischer
Teil
Irak
11,0
22,9
38.3
40.3
42,3
10.082
4.842
2.901
2,757
2.627
Iran
33,5
70.3
91,8
99.3
106,6
3.840
i .827
1.400
1.293
1.206
Syrien
7,4
16,2
25.5
27.4
29.3
6.010
2.761
1.754
1.631
1.524
Libanon
2.8
3.5
4.3
4,6
4,8
1.735
1.373
1.117
1.048
992
Oman
0,9
2,5
5,1
5.4
5.6
1.136
394
196
185
177
Israel
3,4
6,0
7,9
8,5
9,0
834
464
354
330
310
Jemen
7,0
18,3
46.1
48,2
49,9
686
223
89
85
82
Bahrain
0.3
0,6
0,8
0,9
1,0
-
-
-
-
-
Jordanien
1,9
4,9
8,1
8,7
9,2
361
142
87
81
76
SaudiArabien
7,3
20,3
38,4
40,5
42,6
331
118
63
59
56
Katar
0,2
0,6
0,7
0,8
08
-
-
-
-
-
VAE
0,5
2,6
3,3
3,5
3,7
396
77
61
58
55
~
"
"
"
•
"
"
3,0
3,2
3,5
0
0
0
0
-
-
Gazastreifen Kuwait
"
1,0
1,9
Westbank
Quelle: Robert 2008, S. 26.
-
0
-
94
Rahel Schomaker
Auch an dieser Stelle werden die Folgen des starken Bevölkerungswachstums in der Region deutlich. Seit 1960 ist die Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Wasser im Durchschnitt um 62 Prozent zurückgegangen; eine Entwicklung, welche sich Prognosen der Weltbank zufolge in den nächsten Jahren verschärfen wird und bis zum Jahr 2025 zu einer durchschnittlichen Wasserverfügbarkeit von unter 500 Kubikmeter pro Kopf pro Jahr führen könnte (Saghir et al. 1999, S. 3; Weltbank 2003). Entsprechend dieser Prognosen wäre die Region als Ganze von dem Wasserstress 87 betroffen, welcher heute bereits in einzelnen Staaten besteht. Gemessen am Kriterium einer suffizienten Wasserversorgung, die als „Wasserversorgung, welche den totalen Wasserbedarf inklusive des Wassers für die Nahrungsmittelproduktion umfasst" (Allan 2001, S. 5) definiert werden kann, besteht in den Staaten der ΜΕΝΑ-Region seit den 1950er Jahren Wassermangel. Darüber hinaus wird nur ein geringer Anteil des verfügbaren Wassers tatsächlich bewirtschaftet im Sinne eines gesteuerten Managements, während der Großteil des Wassers nicht oder nur passiv genutzt wird, ζ. B. durch Bauern im Rahmen des Regenfeldbaus, oder durch die belebte natürliche Umwelt (vgl. Diagramm 5). Diagramm 5: Das Wasserdefizit in der ΜΕΝΑ-Region - Status quo und Prognose
tete/gemanagte Wasserangebot. Da die natürlichen Niederschläge in der Region spärlich und unkalkulierbar in ihrer Höhe sind, werden sie in den entsprechenden nationalen Wasserbudgets in der Regel nicht aufgeführt (Allan 2001, S. 86). Ihre Bedeutung ist entsprechend für den industriellen Sektor und die Versorgung von Haushalten gering, lediglich die Subsistenzlandwirtschaft beruht in einigen Teilen der Region auf dieser Wasserquelle. Neben der
Wasserstress ist dann gegeben, wenn eine jährliche Pro-Kopf-Verfügbarkeit von weniger als 1000 m3 pro Jahr pro Person vorliegt.
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95
Entnahme aus großen Flüssen kann Wasser in der ΜΕΝΑ-Region auch aus unterirdischen Vorkommen wie Grundwasseraquiferen 8 8 gewonnen werden (vgl. Übersicht 11).
Übersicht 11:
ΜΕΝΑ
Anteil des Grundwassers (erneuerbar/fossil) an den Wasservorkommen der MENA-Region Frischwasser total in km3
Grundwasser in km 3
Prozentual
467
106
22,7
Quelle: Allan (2001), S. 83. Ein großer Teil dieses Grundwassers ist fossilen Ursprungs, d. h. nicht erneuerbar. Die Grundwasservorkommen sind innerhalb der ΜΕΝΑ-Region sehr unterschiedlich verteilt in Bezug auf in Qualität und Quantität {Allan 2001, S. 81). Grundsätzlich unterschieden werden können Shallow Alluvial Aquiferes entlang von Flusstälern sowie Beneath Alluvial Fans und Deep Rock Aquiferes, welche in der Regel in Sandsteinschichten bzw. Kalkstein auftreten (Beaumont 1981, S. 41). Diese Grundwasservorkommen können in verschiedenen Tiefen vorliegen, welche maßgeblich die Nutzbarkeit der einzelnen Vorkommen determiniert: Wasser in tiefen Schichten ist - bedingt durch die lange Verweildauer im Untergrund - häufig stark mineralisiert und damit für die Nutzung ohne weitere Behandlung ungeeignet; oberflächennahe und damit relativ junge Grundwasservorkommen sind dagegen durch die natürlichen Reinigungskräfte der durchsickerten Schichten auch ohne weitere Aufbereitung als Trinkwasser geeignet. Die Entnahme von Wasser aus unterirdischen Vorkommen ist, verglichen mit der direkten Entnahme aus oberflächlichen Vorkommen, folglich technisch aufwendiger und damit in der Regel teurer. Dazu kommen ggf. die Kosten für die Aufbereitung dieses Wassers für den menschlichen Gebrauch sowie Kosten für den durch die inhomogene Verteilung der Aquifere notwendigen Transport des Wassers über weite Strecken. Insgesamt ist Grundwasser jedoch unanfällig gegenüber „natürlichen Verlusten" (Allan 2001, S. 81) ζ. B. durch Verdunstung, welche oberflächliche Vorkommen gerade in ariden Regionen erheblich reduzieren können und damit die menschliche Nutzung entsprechend einschränken. Die Grundwasservorkommen der Region werden erst seit den 1970er Jahren verstärkt genutzt, da insbesondere bei den häufig vorkommenden tiefliegenden Grundwasservorkommen erst die entsprechenden technischen Möglichkeiten wie Hochleistungspumpen eine entsprechende Nutzung erlauben (Allan 2001, S. 85). Nach wie vor ist die Nutzung von Grundwasser sehr heterogen in den verschiedenen Staaten der Region (vgl. Abbildung 3):
Grundwasser wird entsprechend DIN 4049 definiert als „unterirdisches Wasser, das die Hohlräume der Erdrinde zusammenhängend ausfüllt und dessen Bewegung ausschließlich oder nahezu ausschließlich von der Schwerkraft und den durch die Bewegung selbst ausgelösten Reibungskräften bestimmt wird".
96
Rahel Schomaker
Abbildung 3: Zusammensetzung des verfügbaren Wassers nach Herkunft in Prozent
Percentage of Water Resources Available, by Source
U Interna» renewable Q external renewable Ε nonrenewable groundwater
Quelle: Weltbank (2007g). Als Oberflächenwasser werden alle stehenden Gewässer (Seen, Teiche), Flüsse und künstliche Fluss- und Staubecken bezeichnet. Auch das von befestigten Flächen ohne Kanalisation abfließende Niederschlagswasser wird dieser Kategorie zugerechnet (www.umweltdatenbank.de/lexikon/oberflaechenwasser.htm). Als niederschlagsarme Region verfügen der Nahe Osten und Nordafrika kaum über größere, dauerhaft Wasser führende, oberflächliche Wasservorkommen. Nur wenige Flüsse durchziehen die Region: An erster Stelle ist hier der Nil zu nennen, der in der Region den Sudan und Ägypten durchfließt. Weitere große Flüsse sind Euphrat und Tigris, die - in der Türkei entspringend - den Irak (sowie im Falle des Euphrats Syrien) durchqueren und in den persisch-arabischen Golf münden sowie der Jordan als israelisch-palästinensischjordanischer Grenzfluss mit seinen Quellflüssen Dan, Hasbani, Banias, Yarmuk. Rund 35 Prozent der erneuerbaren Wasserressourcen der Region werden von den drei Flüssen Nil, Euphrat und Tigris gebildet, die außerhalb der Region entspringen, an denen die arabischen Staaten also lediglich als Unteranrainer beteiligt sind. Dennoch haben die großen Oberflächengewässer in der Region über die Jahrhunderte eine herausragende Rolle für die Wasserversorgung inne gehabt und sind bis heute für die jeweiligen Anrainer die Hauptquelle des genutzten Wassers (im Einzelnen Allan 2001, S. 60 ff.). Zahlreich sind dagegen nicht-permanente Flüsse (im Arabischen Wadi), welche nur nach starken Regenfällen Wasser führen und somit nur sehr wechselhaft zur Wasserversorgung der Bevölkerung betragen können. Diese Wasserläufe findet man in Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel, ebenso wie oberflächliche Wasserstellen, welche in bestimmten Zeiten des Jahres zur Bewässerung oder zur Versorgung von Nutzvieh dienen. Die ständigen Oasen der Region werden teilweise von fossilen unterirdischen Wasserspeichern gespeist, teilweise auch durch Oberflächenwasser.
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Die Wieder- oder Weiterverwendung von landwirtschaftlich genutztem Wasser hat eine lange Tradition in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas; traditionell werden hier zuerst höher gelegene landwirtschaftlich genutzte Flächen bewässert und das Wasser anschließend auf tiefer gelegene Flächen weitergeleitet. Dadurch wird die dem gesamten Bewässerungssystem entzogene Menge an Wasser minimiert, ohne dass daraus Nutzungseinschränkungen für die Landwirte resultieren (im Einzelnen dazu Allan 2001, S. 87). In den letzten Jahrzehnten gewinnt darüber hinaus verstärkt die Wiederverwendung aufbereiteter Abwässer aus der Nutzung in Industrie und Haushalten an Bedeutung. Diese Art der Wiederverwendung stößt jedoch in Teilen der Region nach wie vor auf religiös begründete Vorbehalte und ist daher limitiert; in keinem Staat der Region übersteigt derart gewonnenes Wasser einen Gesamtanteil von zehn Prozent des nationalen Wasserbudgets (Allan 2001, S. 90). Nahezu 60 Prozent der natürlichen Wasservorkommen in der Region sind regional grenzüberschreitend, d. h. mindestens zwei ΜΕΝΑ-Staaten haben Anteil an diesen Wasservorkommen. Diese Tatsache hat in der Vergangenheit bereits zu ernsten zwischenstaatlichen Krisen geführt. Bislang sind die Nutzungsrechte eines Großteils dieser Wasservorkommen nicht vertraglich geregelt oder aber die rechtliche Regelung findet keine Anwendung (Arab Water Council 2007, S. 4). Diese fehlende Zuordnung eindeutiger Eigentumsrechte kann im Sinne der Theorie der Property Rights nach Demsetz zu einer generellen Übernutzung der Ressource führen, da die Konsequenzen - im Sinne negativer externer Effekte - von der Allgemeinheit getragen werden (Demsetz 1967, S. 354 f.). Nur die eindeutige Zuordnung von Eigentumsrechten führt an dieser Stelle zu einer nachhaltigen Lösung im Sinne des Einbezugs zukünftiger Bedürfnisse in aktuelle Nutzungen: „In effect, an owner of a private right [...] acts as a broker whose wealth depends on how well he takes into account the competing claims of the present and the future" (Demsetz 1967, S. 355). Dazu kommt die Tatsache, dass mehr als 50 Prozent der erneuerbaren Wasservorkommen (Grund- und Oberflächenwasser) ihren Ursprung außerhalb der Region haben. Betroffen sind rund 188,5 km 2 von insgesamt verfügbaren 355 km 2 Wasser, für welche im Wesentlichen die oben diskutierte Problematik der Eigentumsrechte gilt. Hier zeigt sich deutlich die Abhängigkeit der Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas von der Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten, um trotz mangelnder Eigentumsrechte eine effiziente Wassernutzung zu gewährleisten. Die fossilen, nicht erneuerbaren Grundwasservorkommen der Region werden auf insgesamt 143,8 km 2 geschätzt (Arab Water Council 2006). Detaillierte Daten zu den fossilen Grundwasservorkommen der einzelnen Staaten fehlen. In den Staaten der ΜΕΝΑ-Region wird, wie auch in nahezu allen anderen Entwicklungsregionen der Welt, ein Großteil des Wassers in der Landwirtschaft verbraucht. Der landwirtschaftliche Bedarf liegt hier - je nach Staat - bei ca. 60 bis über 90 Prozent des verfügbaren Wassers, im regionalen Schnitt werden 89,5 Prozent des insgesamt verfügbaren Wassers landwirtschaftlichen Verwendungen wie Bewässerung und in weit geringerem Maße der Tierzucht zugeführt (vgl. Übersicht 12).
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Rahel
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Übersicht 12: Wasserentnahmen aus erneuerbaren und fossilen Vorkommen in der ΜΕΝΑ-Region im Jahr 2004 Sektor
In km 2 pro Jahr
In Prozent
Landwirtschaft
205.657
89.5
Private Haushalte
15.661
6,8
Industrie
8.585
3,7
Total
229.905
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Quelle: Arab Water Council (2006).
Problematisch ist nicht ausschließlich die absolute Höhe des Wasserverbrauchs durch die Landwirtschaft vor dem Hintergrund knapper nutzbarer Wasserressourcen. Vielmehr ist diese Relation insbesondere deswegen problematisch, da die Landwirtschaft je nach Staat nur mit rund zwei bis 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der einzelnen Staaten beiträgt und sich daher in diesem Zusammenhang die Frage nach der effizienten Nutzung der knappen Ressource Wasser stellt (Weltbank 2003, S. 1): Rund ein Prozent des landwirtschaftlich genutzten Wassers trägt zwischen 0,04 Prozent (Jordanien) und 0,24 Prozent (Syrien) zum BIP des jeweiligen Staates bei, für industriell genutztes Wasser liegt der Beitrag entsprechend zwischen 2,64 Prozent (Ägypten) und 20,8 Prozent (Libanon) (Perard 2007, S. 7). Eine ökonomisch effiziente Allokation in denjenigen Verwendungen, welche den meisten Nutzen stiften, findet nicht statt. Die Nutzung der Ressource erfolgt hier somit pareto-inferior, da eine andere Verwendungsweise zu gesamtgesellschaftlichen Gewinnen führen würde. Tatsächlich sind es politische Ziele, in erster Linie die Wahrung staatlicher Unabhängigkeit durch - zumindest teilweise Nahrungssicherheit, welche die Verteilung der Ressource über die volkswirtschaftlichen Sektoren determiniert. Die gesamte Verfügbarkeit von Frischwasser und die Zugangs- bzw. Produktionskosten für die einzelnen Vorkommen bzw. Wasserressourcen im Nahen Osten und Nordafrika ist im Detail Übersicht 13 entnehmbar. 5.2.
Der Islam als kulturelle Determinante der MENA-Region
Ein Faktor, welcher die Gesellschaften der Region in hohem Maße beeinflusst und maßgeblich von anderen Entwicklungsregionen unterscheidet, ist die dominierende Religion des Islam, welche auch auf das Wirtschaftsleben der Region erheblichen Einfluss hat (El-Ghonemy 1998, S. 45). Der Islam spielt in einer Weise in alle Bereiche des täglichen Lebens der Menschen in der Region hinein, welche kaum trennscharf abzugrenzen ist: Jeder Lebensbereich, sei es das soziale Miteinander, die allgemeine Gesellschaftsordnung oder aber das Handeln im Rahmen des Wirtschaftssystems, ist durch
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Übersicht 13: Verfügbarkeit und Zugangs- bzw. Produktionskosten von Wasser in der MENA-Region Zugangskosten/Produktion
Wasservorkommen
Wasserart
Natürliche Frischwasservorkommen
Regen, Schnee, sonstige Niederschläge
50 (+/40 Prozent)
Nicht messbar/ Keine
Oberflächen wasser* * (für Bewässerung)
Mehr als 200*
Niedrig (US-$ 0,01 bis 0,10 pro m 3 )
Grundwasser** (für Bewässerung)
100*
Variabel (US-$ 0,1 bis über 1,0 pro m 3 )
Wiederverwertetes Wasser aus landwirtschaftlicher Bewässerung
20 (+/20 Prozent)
Nicht bewertet
Pipelines**
0,4
Hoch (mehr als US-$ 0,6 pro m3)
Staubecken etc.
Mehr als 0,1
Hoch (mehr als US-$ 1,0 pro m 3 )
„Virtuelles Wasser" in Getreide
40
Keine, liegt in subventionierter Form vor
Wiederaufbereitetes Wasser** aus urbaner Nutzung für Bewässerung
1,0 (steigend)
Hoch (mehr als US-$ 1,0 pro m 3 )
Entsalzenes Wasser** für Haushalte und Industrie
1,0 (steigend)
Hoch (mehr als US-$ 1,0 pro m3)
Transportiertes Wasser
Sonstiges Wasser
Ii Millionen m3pro Jahr
Quelle: Allan (2001), S. 43. Erläuterung: Die mit * gekennzeichneten Daten sind Schätzwerte, exakte Daten liegen nicht vor. Die mit ** markierten Wasserarten können als „evidentes Wasser" angesehen werden, d. h. die Nutzer sind sich über das Vorhandensein dieser Wasserressourcen bewusst und kalkulieren mit diesem Wasser. Andere Wasserarten werden als „nichtevident" bezeichnet; dieses Wasser ist ausschließlich dann von Nutzen, wenn es passiv, d. h. ungesteuert von Pflanzen genutzt wird. Als „potentiell evident" kann Wasser in Behältern angesehen werden, welches bislang nicht operationalisiert wird.
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Vorgaben religiöser Quellen 89 geregelt (Faruqui 2001, S. xv). Die aus diesen abgeleiteten Ge- und Verbote sind dabei nicht alleinig für das Leben im Diesseits bindend, sondern ihre Einhaltung hat auch darüber hinausgehende Konsequenzen - damit erhält regelkonformes Verhalten also eine zusätzliche Anreizdimension. Obwohl bei weitem nicht in allen Staaten das aus den religiösen Quellen abgeleitete islamischen Gesetz (Shari'a ) auch das weltliche Staatsorganisations-, Zivil- und Strafrecht darstellt, ist das Rechtssystem aller Staaten der Region doch traditionell in hohem Maße durch die Shari 'a geprägt und beeinflusst. 5.2.1. Die Haltung des Islams zu wirtschaftlichem Handeln Allgemein ist der Islam eine Religion, welche wirtschaftlichem Handeln sehr positiv gegenübersteht. Traditionell überliefert ist die Tatsache, dass der Religionsstifter Mohammed selbst ein erfolgreicher Kaufmann gewesen sei. Vier wesentliche, auf den schriftlichen Quellen des Islam basierende Faktoren kennzeichnen die Wirtschaftsstruktur in islamischen Staaten maßgeblich und unterscheiden sie damit von anderen, unter anderem auch dem „westlichen", auf der christlich-jüdischen Tradition basierenden Wirtschaftsmodell: Die Haltung der Religion zu den Themenfeldern .Eigentum', .Gemeinschaft und Staat', .Gleichheit' sowie ,Zinsen' (Issawi 1995, S. 191 ff.). Persönliches Eigentum hat im Islam einen sehr hohen Stellenwert; das Recht auf eigenen Besitz und eigenes Einkommen steht allen Menschen - Männern wie Frauen - in gleichem Maße zu und wird durch die Religion geschützt. Entsprechend wird der Diebstahl fremden Eigentums hart sanktioniert. Das islamische Recht sieht hierfür als Regelstrafe die Amputation der rechten Hand vor. Eigentum hat im Islam darüber hinaus eine weitgehende soziale Funktion, da es grundsätzlich als .Gotteseigentum' angesehen wird (Nienhaus 2002, S. 138). Das besitzende Individuum hat also als Verwalter die Verpflichtung, sein Eigentum nicht nur zu seinem eigenen Vorteil, sondern darüber hinaus gottgefällig zum Nutzen der Gemeinschaft und des Staatswesens einzusetzen. Dennoch sind Privateigentum und die sich aus diesem ergebenden Gewinne vorgesehen und werden durch den Islam geschützt, solange sie (auch) sozialen Nutzen erbringen, ζ. B. zum allgemeinen Wirtschaftswachstum beitragen, und ein entsprechender Anteil im Rahmen
Die Hauptquellen der islamischen Religion und der auf ihr basierenden Gesellschaftsordnung sind der Qur'an - die heilige Schrift des Islam, welche als direkt von Gott selbst gesandt angesehen wird - selbst, die Ahadith (Plural von Hadith), Überlieferungen durch Gewährsmänner von Aussagen des Propheten Mohammed, welche in Kompilationen zusammengestellt sind, sowie die Sünna, die Lebensgeschichte des Propheten. Dazu kommt die Auslegung und Interpretation islamischer Texte durch islamische Gelehrte, sowie der Analogieschluss. Die Ergebnisse dieser Begutachtung werden durch eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, zu einem Bestandteil des islamischen Rechts. Diese Quellen, von welchen der Qur'an die Wichtigste ist, geben detailliert Auskunft zu einer Vielzahl von Bereichen: Neben genuin religiösen Praktiken werden sowohl Fragen der allgemeinen Lebens- und Gesellschaftsorganisation geregelt als auch zivil- und strafrechtliche Normen niedergelegt. Diese Ge- und Verbote werden in Einzelfällen zwar von einzelnen Gelehrten und Rechtsschulen unterschiedlich ausgelegt, bilden aber dennoch ein recht homogenes Normenwerk (Shari'a), welches im gesamten islamischen Kulturkreis, dessen Kern der Nahe Osten und Nordafrika sind, Geltung hat.
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der religiösen Verpflichtung des Almosengebens an Bedürftige abgetreten wird (Kadouri et al. 2001, S. 88). Markttätigkeit und das Streben nach Profiten ist also vom Islam erwünscht und soll entsprechend der religiösen Quellen nicht mehr als unbedingt notwendig durch staatlichen Eingriff reglementiert werden. Eine Ausnahme bildet die staatliche Intervention, um wettbewerbsschädliches Verhalten oder unfaire Geschäftspraktiken zu verhindern (Kadouri et al. 2001, S. 88). Auch ist die staatliche Festsetzung von Preisen, einschließlich derer für Grundbedürfnisse wie Wasser oder Lebensmittel, grundsätzlich vom Islam verboten und darf nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgen. Diese Ausnahmen sind dann vorgesehen, wenn ein weiterer essentiell wichtiger Grundsatz des Islams berührt wird, die soziale Gleichheit. Obwohl das islamische Recht in vielen Fällen zwischen Männern und Frauen unterscheidet, ist doch eine grundsätzliche Gleichheit im Sinne sozialer Gleichheit dem islamischen Gesellschaftssystem inhärent: Soweit die Menschen gleiche Bedürfnisse haben, ζ. B. im Bezug auf die Nutzung lebensnotwendiger Ressourcen, müssen diese ihnen auch gleichermaßen zur Verfügung stehen, kein Individuum darf davon ausgeschlossen werden (Faruqui 2001a, S. 2). Das Erheben eines Zinses ist, ebenso wie unehrliche Geschäftspraktiken oder Wettbewerbsverzerrung, durch den Qur'an selbst verboten. 90 Dieses Gebot macht einen Großteil der in westlichen Industrienationen stattfindenden Wirtschaftstransaktionen in islamischen Staaten unmöglich. So ist das auf der Verzinsung beruhende Bankensystem grundsätzlich unvereinbar mit dem Islam und in einer Reihe von Staaten der MENARegion nicht zulässig. Diese Begrenzungen eröffnen aber gleichermaßen einen Weg zu einem anderen, in erster Linie auf Beteiligungen basierenden Wirtschaftsmodell.
5.2.2. Wasser aus islamischer Sicht Der Islam hat seine Wurzeln in der ariden Region der Arabischen Halbinsel im heutigen Saudi-Arabien. Die Genese der frühen islamischen Gemeinschaft und des religiösen Normenwerks ist an vielen Stellen gekennzeichnet von Wassermangel und auf diesen basierenden Konflikten. Die Ressource Wasser ist denn auch von herausragender Bedeutung im Islam: Angesehen als ,Geschenk Gottes', welche Leben spendet und auch im islamischen Ritus eine wichtige Rolle einnimmt, ist Wasser aus religiöser Betrachtung heraus mehr als eine beliebige natürliche Ressource und wird einsprechend anders behandelt (Allan 2001, S. 113; Faruqui 2001a, S.l). Insgesamt wird das Wort Wasser im Quran an 63 Stellen erwähnt, zahlreiche Ahadith aus frühislamischer Zeit und moderne Fatwas91 islamischer Gelehrter befassen sich mit
Das arabische Wort Rib'α bedeutet übersetzt Zins, Vermehrung, Wucher; das Zinsverbot gilt also für Zinsen jedweder Höhe, nicht ausschließlich für Wucher im westlichen Verständnis überhöhter Zinsen. Vgl. zum Zinsverbot auch Sure 2, Verse 276, 278 und 279: „Diejenigen aber, die Wucher zehren, werden nur so auferstehen, wie die von Satan besessenen. Dies deshalb, weil sie sagten, Handel und Wucher gleichen einander; aber Gott erlaubte den Handel und untersagte den Wucher" (2: 276). Bei einer Fatwa handelt es sich um ein Rechtsgutachten islamischer Gelehrter zu einem abgegrenzten Thema, häufig einer konkreten Anfrage; in diesem wird in der Regel eine
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dem Thema. Wasser ist aus islamischer Sicht das Element, aus welchem der Mensch und alles Lebende geschaffen wurden. „Sehen die nicht, die ungläubig sind, da[ss] die Himmel und die Erde zusammengefügt waren und wir sie getrennt und aus dem Wasser alle Lebewesen geschaffen? Wollen sie nicht glauben?" (Sure 21:31). Explizit auf die Erschaffung des Menschen bezogen heißt es an anderer Stelle: „Und Er ist es, der aus Wasser schuf den Menschen, und ihm Verwandtschaft gab und Verschwägerung. Und allmächtig ist dein Herr" (Sure 25: 56). Gemäß islamischer Vorstellung werden die Rechtgläubigen von Gott mit reichlich Wasser beschenkt, während die Ungerechten Dürre und Trockenheit leiden müssen. Diese Unterscheidung betrifft nicht nur das diesseitige Leben, sondern auch das jenseitige und ist somit ewig gültig: „Und die Genossen des Fegefeuers rufen den Genossen des Paradieses zu: La[ss]t über uns vom Wasser fließen oder von dem, womit euch Gott versorgt hat. Diese erwidern: Wahrlich, beides hat Gott für die Ungläubigen verboten." (Sure 7: 48). So wird denn auch das Paradies (im Arabischen das Wort für Garten), welches die Gläubigen nach ihrem Tod erwartet, in der islamischen Vorstellungswelt als von Wasser durchflossener Garten dargestellt, der von irdischen Problemen wie Wasserknappheit oder mangelnder Wasserqualität nicht betroffen ist (im Einzelnen Marschner et al. 2008): „Das Bild des Paradieses, das den Gottesfürchtigen verheißen ist: darin Ströme Wasser, unverderblich, Ströme Milch, deren Geschmack unveränderlich, und Ströme Wein, wohlschmeckend für die Trinkenden" (Sure 47: 16). Ebenso heißt es: „Das Bild des Gartens, dessen sind verheißen die Gottesfürchtigen, darunterhin die Ströme fließen, beständig seine Frucht ist und sein Schatten, das ist der Lohn für die Gott fürchten, der Lohn der Leugner ist die Glut" (Sure 13: 35). Nach der Menschheit ist Wasser die wertvollste Schöpfung Gottes, seine Bedeutung für Leben und Wohlergehen der Menschen ist einzigartig und nicht substituierbar (Faruqui 2001a, S. 1). Neben diesen Qualitäten der Ressource Wasser, welche für alle Menschen weltweit gleichermaßen bedeutsam sind, hat sie eine besondere Bedeutung für Muslime: Neben der Bedeutung des Wassers im Schöpfungsmythos, für das Leben auf der Erde und den Lebensunterhalt des Menschen ist im Qur'an oft die Rede von der Kraft des Wassers als reinigendes Element. Mit ihm lassen sich im gegenständlichen Sinne die körperlichen und im symbolischen Sinne die nichtkörperlichen Verunreinigungen abwaschen, die es einem Muslim verwehren, seinen Glaubensverpflichtungen nachzukommen (dazu im Einzelnen Marschner et al. 2008): „[...], und sandte euch vom Himmel Wasser, euch damit zu reinigen und von euch die Unreinheit Satans zu nehmen, um eure Herzen zu stärken und (euch) damit die Füße zu festigen" (Sure 8: 11).
Handlung als islamisch „erlaubt" oder „verboten" klassifiziert und ggf. entsprechende Anweisungen für die Ausübung gegeben.
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Vorgeschrieben ist die rituelle Reinigung, welche je nach Situation als sog. kleine Waschung (Wudu) und als Ganzkörperwaschung (Ghusl) notwendig wird, vor jeder religiösen Handlung. Ohne Wasser ist im Regelfall also ζ. B. die Verrichtung des Gebets, das Betreten einer Moschee oder das Lesen des Qur'ans nicht möglich; nur im Ausnahmefall kann hier Wasser durch Sand ersetzt werden: „O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr euch zum Gebet hinstellt, waschet euch das Gesicht und die Hände bis zum Ellbogen und reibet euch den Kopf und die Füße bis zu den Knöcheln. Wenn ihr flu[ss]behaftet seid, reiniget euch, und wenn ihr krank seid, oder auf Reisen oder jemand von euch vom Abort kommt, oder ihr Frauen näher berührt habt und kein Wasser findet, so nehmet reinen Sand und reibet euch damit Gesicht und Hände. Gott will euch keine Belästigung aufbürden, vielmehr will er euch reinigen und seine Huld über euch vollbringen, auf da[ss] ihr dankbar seid" (Sure 5: 8, 9). Aus dieser besonderen Bedeutung des Wassers ergeben sich auch die spezifischen quranischen Anweisungen, wie mit der Ressource umgegangen werden soll: Es wird an mehreren Stellen im Qur'an und in verschiedenen Ahadith daraufhingewiesen, dass das Stillen des Durstes vorrangig vor anderen Verwendungen ist, nachrangig das Tränken des Viehs und die Bewässerung. Die Verwendung von Wasser für industrielle Zwecke und zur Erholung und Entspannung werden aus islamischer Sicht nachrangig betrachtet und haben somit eine niedrigere Priorität; ausschließlich überflüssiges Wasser sollte also demzufolge für diese Zwecke verwandt werden (Abderrahman 2007, S. VI). Dennoch verfugt aus dem Gedanken heraus, dass Wasser ein Geschenk Gottes an alle Lebewesen ist, auch die belebte Natur über starke Rechte an Wasser; die Menschheit ist in diesem Sinne als Treuhänder dafür verantwortlich, dass dieses gewährleistet ist (Faruqui 2001a, S. 2). Diese religiöse Verpflichtung erfordert einen nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen, welcher sich in erster Linie in zwei Verhaltensweisen manifestieren soll: Vermeidung von Wasserverschwendung und Schutz natürlicher Wasserressourcen vor Verschmutzung. Verschwendung jedweder Art ist nach islamischem Recht verboten, darunter explizit auch die Verschwendung von Wasser: So darf nicht mehr Wasser als notwendig zum Trinken und die Nahrungszubereitung verwandt werden, auch die Wassermenge für die rituelle Reinigung soll so knapp wie möglich bemessen sein. 92 Auch Verschmutzung von natürlichen Wasserressourcen verbieten die religiösen Quellen des Islam ausdrücklich; so ist nach einer //adi'rA-Kompilation des Gelehrten Al Muslim 93 das Urinieren in stehendes Wasser durch den Propheten selbst untersagt worden. Diese Vorgaben beruhen auf der Ansicht, dass Wasser eine begrenzte Ressource und nur in bestimmtem Maße verfügbar ist. 94 Auch die Frage nach der Wiederaufbereitung und anschließenden Verwendung von Wasser ist in der aktuellen islamischen Rechtssprechung geregelt: Sofern nicht ausreichend Wasser für eine ständig wachsende Bevölkerung zur Verfügung steht, muss fast zwangsläufig bereits genutztes Wasser recycelt und wiederverwendet werden - ein Nach einem Hadith aus der Kompilation von Buchari (Hadith 1.200) war der Prophet Mohammed selber sehr sparsam bei Waschung und Bad und verwandte für beide Handlungen maximal 3,5 Liter Wasser; dazu auch Faruqui (2001a), S. 5. Hadith 553 aus der Kompilation von Al Muslim, Faruqui (2001a), S. 5. Sure 40, Vers 18: „Und wir haben Wasser herab gesandt vom Himmel in fester Größe."
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Problem, das sich in der Vergangenheit aufgrund ausreichender Verfügbarkeit und mangelnder technischer Möglichkeiten nicht gestellt hat. Es finden sich zahlreiche moderne Rechtsgutachten zu diesem Themenkomplex, welche Wasseraufbereitung und die anschließende Nutzung sowohl für weltliche als auch religiöse Zwecke zulassen. 95 Entsprechend dieser Aussage ist die Wiederaufbereitung von Wasser im islamischen Sinne erlaubt und sogar erwünscht, da es dem qur'anischen Gebot des Wassersparens dient. Die Verwendung des aufbereiteten Wassers unterliegt auch im kultischen Gebrauch keinerlei Beschränkungen und wird ausschließlich durch eine nicht äußerlich erkennbare, aber vorauszusetzende Gesundheitsgefährdung eingeschränkt. Die erläuterte Schutzfunktion des Menschen für die Ressource Wasser hat denn auch weitergehende Bedeutung für die Sicht auf Wasser als Wirtschaftsgut: Wie bereits erläutert, unterliegen Privateigentum und die Möglichkeit der Gewinnerzielung im Islam einem starken Schutz; das Individuum soll hier so wenig als möglich staatlich reglementiert werden. Gleichermaßen ist der Mensch jedoch nur als Sachwalter über Gotteseigentum eingesetzt, so dass er es nicht zwangsläufig dem westlichen Verständnis von Eigentum folgend besitzt. Dennoch ist grundsätzlich der Eigentumserwerb an Wasser möglich, es sind aus Sicht des Islam jedoch drei differierende Eigentumsverhältnisse zu unterscheiden (Kadouri et al. 2001, S. 89; Faruqui 2001a, S. 12): — Privateigentum: Wasser in Zu- und Ableitungen, Behältnissen und Reservoirs wird im Islam als Privateigentum angesehen, egal aus welcher Quelle es stammt und auf welchem Wege es entnommen wurde. Auch Wasser, welches in irgendeiner Art und Weise behandelt oder aufbereitet wurde, also zusätzlicher Wertschöpfung unterzogen wurde, gilt als Privateigentum. Dieses Wasser kann vom Eigentümer uneingeschränkt genutzt und gehandelt werden und darf nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Eigentümers von anderer Seite genutzt werden. 96
Beispielhaft erwähnt sei an dieser Stelle eine jordanische Fatwa aus dem Jahr 2002, in welcher es heißt: "Recycling is a method of cleaning and preservation. It is being used in many Muslim countries as well. It should be encouraged. Some Muslim jurists and scholars have discussed this topic. There is a great need to discuss this subject in greater details and rules and regulations should be given in the light of the Shari'ah and modern science. We Muslims should be in the forefront of this study. Briefly I can say that the basic rule of Shari'ah about water is that by nature it is pure as long as its taste, color and smell have not changed. Nature also recycles itself. Allah has put some laws in nature by which it restores itself. Some recycling methods are very much like natural methods, but in a faster way. If a recycling method restores the taste, color and smell of some unclean water to its original level, then it will become pure. It can be then used for washing clothes, for making ablution and even for drinking purpose, if it is good for health. We must keep in mind that sometimes water looks like water, tastes and smells like water, but it could be very unhealthy and even deadly. Such water must not be used, not because it is impure but because it is unhealthy and dangerous" (Water Authority of Jordan 2007). Gemäß dem islamischen Recht muss diese Einwilligung aber durch den Eigentümer erteilt werden, sofern es für ein anderes Individuum lebensnotwendig ist, da es einem Muslim gemäß einer Hadith-Überlieferung (Bukhari 3.838; Faruqui 2001a, S. 2) nicht erlaubt ist, Wasser im Überfluss zu besitzen und dieses nicht mit Bedürftigen wie ζ. B. Reisenden zu teilen.
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— Eingeschränktes Gemeinschaftseigentum: Fließwasser, Seen und Brunnen auf privatem Besitz gelten aus islamischer Sicht als „eingeschränktes Gemeinschaftseigentum", d. h. der Besitzer des Landes verfügt zwar über Vorrangrechte an dem Wasser, es ist jedoch nicht sein Privateigentum und kann daher von Dritten ohne vorherige Erlaubnis für basale Bedürfnisse 97 genutzt werden. — Gemeinschaftseigentum: Wasser in Flüssen, Seen, Aquiferen und Meeren sowie Regen- und Schmelzwasser ist im Islam Gemeinschaftseigentum, das von jedem Individuum gleichermaßen genutzt werden kann, solange die Nutzung nicht das Gemeinwohl einschränkt, ζ. B. durch Verschmutzung, oder unverhältnismäßig verschwenderisch erfolgt. Wasser, welches definitorisch unter die beiden erstgenannten Kategorien fällt, kann nach Maßgabe der islamischen Rechtsquellen frei gehandelt werden, unter die letzte Kategorie fallende Wasserressourcen können nicht durch Privatpersonen veräußert oder erworben werden. Eine in der Praxis jedoch nicht unbedeutende Einschränkung erfährt diese Klassifikation durch die Auslegung dieser Rechte durch die größte Glaubensrichtung des Islam, die Sunniten: Das Recht des Durststillens ist aus dieser Sicht das wohl gewichtigste aller verbrieften Rechte und erstreckt sich auf alle Menschen, Muslime wie Nichtmuslime, gleichermaßen. Demnach hat jeder Mensch das Recht, seinen Durst an jeder Wasserquelle unentgeltlich zu löschen, unabhängig davon, in welche Eigentumsklassifikation diese fällt (Kadouri et al. 2001, S. 89). Diese Auslegung führt in der aktuellen Diskussion um Wasser als frei handelbares Gut mitunter dazu, dass der unentgeltliche Zugang zu basaler Wasserinfrastruktur als islamisches Recht angesehen wird, Wasser für die Haushaltsversorgung dieser Auslegung zufolge also nicht über den Markt gehandelt werden könnte. Zusammenfassend gilt entsprechend der islamischen Quellenlage, unabhängig von einzelnen Auslegungen: Sofern Wasser entsprechend islamischer Kategorisierung privat oder teilweise privat - gehandelt werden darf, ist der Preis über den Markt zu ermitteln. Subventionen oder eine spezielle, ideologisch motivierte Regulierung des Sektors sind nicht vorgesehen. Eine Kostendeckung im Sinne einer Vollkostenrechnung 98 für den Anbieter ist wünschenswert und nach islamischem Gesetz erlaubt (Kadouri et al. 2001, S. 90). Damit müssen Wassermärkte ebenso wie andere Märkte behandelt werden, Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise, ohne dass mit religiöser Begründung ein Eingreifen des Staates gerechtfertigt wäre. Auch die Möglichkeit der Bereitstellung von Wasserdienstleistungen durch private Unternehmen kann aus den islamischen Quellen abgeleitet werden: Zwar war die Verwaltung der gemeinsamen Wasserressourcen traditionell die Aufgabe einer zentralen regionalen oder Stammes-
Basale Bedürfnisse an Wasser aus islamischer Sicht sind Trinken, Nahrungszubereitung und rituelle Reinigung, nicht aber Bewässerung oder industrielle Nutzung (Kadouri et al. 2001, S. 89). In der Betriebswirtschaftlehre wird unterschieden zwischen der Vollkostenrechnung und der Teilkostenrechnung; während die Erstere sämtliche anfallenden Kosten, d. h. auch Fix- bzw. Gemeinkosten, auf den entsprechenden Kostenträger umlegt, wird bei Letzterer nur ein Teil der Kosten, ζ. B. die variablen oder Einzelkosten, dem Kostenträger zugerechnet.
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autorität, Bezug nehmend auf die islamischen Quellen zum wirtschaftlichen Engagement des Individuums und abgeleitet aus den Eigentumskategorien für Wasser ist die Serviceprovision durch privatwirtschaftliche Unternehmen jedoch religiös legitimiert.
5.3.
Politik und Ökonomie der MENA-Region
Insgesamt ist festzuhalten, dass die ΜΕΝΑ-Region als homogene Einheit trotz starker Parallelen in Hinsicht auf Naturraum und Religion bzw. Tradition nicht existiert, weder in ökonomischer noch politischer Hinsicht. So kann die Region als Ganze zwar als Entwicklungsregion eingeordnet werden, die Staaten des persisch-arabischen Golfes sind jedoch aufgrund ihres Ressourcenreichtums ökonomisch erheblich weiter entwickelt als die Mehrheit der Entwicklungsländer weltweit. Dennoch bestehen über die klimatischen und kulturellen Faktoren hinausgehende Gemeinsamkeiten zwischen den Staaten der Region, welche im Folgenden näher betrachtet werden.
5.3.1. Die ΜΕΝΑ-Region als weltweit älteste Kulturregion Die frühesten Zivilisationen" der Weltgeschichte haben ihre Ursprünge in derjenigen Weltregion, die heute als Naher Osten bezeichnet wird: Dabei waren und sind insbesondere die großen Flussoasen die Kristallisationspunkte der gesellschaftlichen Entwicklung, hier nahmen die regionalen Kulturen ihren Ursprung. Die antiken Hochkulturen der Ägypter, Babylonier und Sumerer haben - neben ihren kulturellen und sozialen Errungenschaften - auch prosperierende Volkswirtschaften und stabile politische Systeme hervorgebracht (Issawi 1995, S. 1). Die ersten Schriftsprachen (Hieroglyphen, Keilschrift) haben ihren Ursprung im Nahen Osten, ebenso Entwicklungen auf dem Gebiet der Astronomie, Architektur und Medizin. Kleinere Stadtstaaten finden sich in der Antike ebenso in der Region wie Flächenstaaten, alle mit hoch entwickeltem Verwaltungsund Münzwesen sowie einer ausgefeilten Infrastruktur in Bezug auf Verkehrswege und Bewässerung. Die archäologischen Zeugnisse des ägyptischen Großreichs sowie der antiken Städte in der heutigen Türkei und im Irak sind Beleg für diese Errungenschaften. Tatsächlich wurde in der ΜΕΝΑ-Region zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte Wassernutzung für Individuen und Landwirtschaft öffentlich organisiert und durch geeignete Institutionen unterstützt (Kinnersley 1995, S. 271). Sowohl künstliche Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft als auch portable Nutzung der Ressource Wasser sind in der Region erstmalig schriftlich verbrieft (Simpson und Ringskog 1997, S. 8). Aus dem antiken Ägypten sind ζ. B. Aufzeichnungen enthalten, welche die Nilflut detailliert klassifizieren und die mit Bewässerungslandwirtschaft verbundenen Verteilungsprobleme rechtlich regeln. Auch ein vom pharaonischen Staat eingerichtetes „Nilometer", welches den Wasserstand des Flusses misst und damit in der Antike die Besteuerungsgrundlage für die Bauern festsetzte, ist bis heute erhalten. Auch Sumerer,
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass auch auf dem Gebiet der heutigen Türkei zum gleichen Zeitpunkt oder bereits früher ein hoher Zivilisationsgrad, verbunden mit entsprechenden kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen, bestanden hat.
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Babylonier und Assyrer organisierten, wie Keilschrifttafeln verschiedenster Art 100 belegen, Wasserwirtschaft zentral und für damalige Maßstäbe hoch technisiert. Andere Teile der Region, wie der größte Teil Nordafrikas und der Arabischen Wüste (mit Ausnahme des heutigen Jemen), waren in der Antike hingegen nur schwach besiedelt und weitgehend von der nomadischen Lebensweise der Bevölkerung geprägt (Arab Water Council 2006). Städtische Strukturen fehlten hier nahezu völlig, die Gesellschaft war entlang von Stammesstrukturen und Familienclans organisiert. Auch hier fanden sich jedoch bereits in frühhistorischer Zeit gemeinschaftlich genutzte Brunnen und Oasen, deren Wasser entsprechend eines tradierten Gewohnheitsrechts unter den einzelnen Nutzern aufgeteilt wurde. 5.3.2. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung der ΜΕΝΑ-Region seit dem 19. Jahrhundert Während also die ΜΕΝΑ-Region in der Antike über längere Zeiträume über stabile staatliche oder zumindest lokale Strukturen und auch bereits erste Ansätze einer öffentlich organisierten Daseinsfürsorge verfügte, stellt sich die aktuelle Situation anders dar. Die Geschichte der Region ist seit dem 19. Jahrhundert geprägt von externen Mächten, welche im Rahmen imperialer Expansion faktisch oder formell als Protektoratsmächte auftraten. Diese Einflussnahme war im 19. Jahrhundert in erster Linie durch wirtschaftliche Verflechtungen bedingt und erfolgte durchaus im Einverständnis mit den lokalen Machthabern, welche darin ein Gegengewicht zur türkisch-osmanischen Zentralherrschaft 101 sahen. Die ausländische Intervention dehnte sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem fortschreitenden Zerfall des Osmanischen Reiches diese Macht auch auf Politik und Staatsorganisation aus. Großbritannien und Frankreich als europäische Mächte hatten Einflusssphären in Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, dem Irak, dem heutigen Jordanien, Kuwait, dem Libanon, Palästina, Syrien und dem Sudan sowie auf der Arabischen Halbinsel; Libyen stand unter italienischem Einfluss. Bis heute sind diese Staaten maßgeblich geprägt von den Veränderungen ihrer rechtlichen und politischen Institutionen, aber auch dem Ausbau der Infrastruktur, welche in dieser Zeit ihren Ursprung haben. Verglichen mit dem Stand des ausgehenden 19. Jahrhunderts bzw. dem Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Fortschritte der Region evident: An Stelle der bis vor wenigen Jahrzehnten überwiegend anzutreffenden lokalen Märkte und der aus der Kolonialzeit stammenden Verkehrswegen ist heute vielerorts eine moderne Infrastruktur getreten; Straßen, Flughäfen und Häfen bieten gute Voraussetzungen für (internationalen) Handel und Tourismus (Issawi 1995, S. 187). Auch die politischen Rahmenbedingungen sind Gebäudeinschriften, Briefe, Gesetzestexte, Wirtschafts- und Verwaltungsurkunden zeugen von verschiedenen Arten der Wassernutzung in den antiken Großreichen und belegen die Probleme, welche sich sowohl aus Wasserknappheit als auch aus temporärem Wasserüberfluss für die Gesellschaften ergaben (dazu im Einzelnen Bagg 2000). Seit dem 15. Jahrhundert stand ein weiter Teil der ΜΕΝΑ-Region zumindest formal in Abhängigkeit des Türkisch-Osmanischen Kalifats in Istanbul. Obgleich in der Tagespolitik relativ unabhängig, waren doch nahezu alle regionalen Machthaben abgabenpflichtig und damit Teil des Osmanischen Reiches.
108
Rahel Schomaker
grundsätzlich andere als noch vor einigen Dekaden: Als vielleicht bedeutendste Entwicklung ist an dieser Stelle zu nennen, dass alle Staaten der ΜΕΝΑ-Region inzwischen die volle staatliche Unabhängigkeit erlangt haben und - in vielen Fällen erstmalig in ihrer Geschichte - selbstständig Uber politische Programme entscheiden können. Dennoch sind zu Anfang des 21. Jahrhunderts die Hoffnungen der politischen Eliten der 1930er und 1940er Jahre, in denen es den Anschein hatte, dass die MENA-Region innerhalb kürzester Zeit zu den industrialisierten Staaten aufschließen könnte, verflogen {Henry und Springborg 2001, S. 2). Verschiedene Faktoren sind für diesen sowohl politischen als auch ökonomischen Rückschritt oder zumindest Stillstand maßgeblich. An erster Stelle ist hier das Kräftemessen der beiden großen Blöcke in der Zeit des „Kalten Krieges" zu nennen: Als Stellvertreterregion beteiligt, hat die ΜΕΝΑ-Region in dieser Zeit erhebliche ideologische, politische und ökonomische Beeinflussung erlebt, sei es durch ehemalige (europäische) Kolonialherren und die USA oder durch die UdSSR und deren Verbündete im Rahmen des Warschauer Paktes. Auch die wiederholten Waffengänge mit Israel in den Jahren 1949, 1956, 1967 und 1973 haben die Staaten des Nahen Ostens sowohl politisch als auch wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt und nachhaltige Reformen verhindert. Die Auswirkungen dieser Zeit sind auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht überwunden. Nach wie vor sind die meisten Volkswirtschaften als ,Kriegsökonomien' anzusehen, deren Ausrichtung vorrangig auf die Herstellung äußerer Sicherheit abzielt. Nicht ökonomische Motive scheinen die Wirtschaftspolitiken vieler Staaten der Region anzutreiben, sondern vielmehr sicherheitspolitische Motive und Bedenken. Dazu gehören insbesondere Entscheidungen, welche in ökonomischen Ineffizienzen resultieren und allein aus strategischen und militärischen Gesichtspunkten getroffen werden. (Carkoglu et al. 1998, S. 57). In den ΜΕΝΑ-Staaten wird rund das Doppelte des weltweiten Durchschnitts in Militärausgaben investiert, insgesamt rund sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes der einzelnen Staaten (Weltbank 2005). Alle Staaten der Region müssen, um diese Summe aufbringen zu können, ökonomische Ressourcen aktivieren, die an anderer Stelle benötigt werden, insbesondere Arbeitskraft (ca. 3,2 Millionen Menschen sind hauptsächlich in den Armeen der Region gebunden, dazu kommen zahlreiche Reservisten und paramilitärische Einheiten) oder monetäre Ressourcen, um die hardware des Krieges zu beschaffen. (Carkoglu et al. 1998, S. 99). Auch sind die Folgen der Verstaatlichung der Volkswirtschaft, wie sie in zahlreichen Staaten der Region zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattgefunden hat, nach wie vor spürbar und finden in einem ausgeprägten öffentlichen Sektor, fehlender Liberalisierung und hohen staatlichen Subventionen für zahlreiche Wirtschaftssektoren ihren Ausdruck. Auf politischer Ebene bestehen die Auswirkungen jahrzehntelanger Herrschaft (sozialistischer) Einparteienregierungen, wie ζ. B. der Ba'ath-Partei in Syrien, weiter fort.
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des Nahen Ostens und Nordafrikas
109
5.3.3. Politisches System und institutionelle Rahmenbedingungen in der MENARegion Zwar ist die aktuelle politische, soziale und ökonomische Struktur der Staaten der ΜΕΝΑ-Region keineswegs als homogen einzustufen (Fergany 1997, S. 90). Dennoch gelten gewisse Bestimmungsfaktoren gleichermaßen fur alle Staaten, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Zwei bedeutende Faktoren determinieren dabei den institutionellen Kontext aller ΜΕΝΑ-Staaten: zum ersten die Marginalisierung der Menschen in der Regierungsfiihrung sowie zum zweiten der Fortbestand eines Anreizsystems, dessen soziale und ökonomische Signale nicht mit den aktuellen Ideen von (ökonomischer wie auch politischer) Entwicklung kompatibel sind. Die in der Region bestehenden Gesellschaftssysteme beruhen regelmäßig auf Paternalität und Gehorsam und sind insgesamt als autoritär einzustufen (auch Nienhaus 2002). In Verbindung mit mangelnder formaler Bildung und einer nach wie vor hohen Analphabetenquote führt dieser Tatbestand zum Fortbestand einer Gesellschaftsform, in welcher kritisches Denken, freie Meinungsäußerung und Partizipation an staatlichen Entscheidungen nach wie vor eher die Ausnahme denn die Regel sind (Fergany 1997, S. 106). Eine Zivilgesellschaft im eigentlichen Sinne ist in nahezu allen Staaten der Region nicht existent bzw. nach wie vor sehr schwach ausgeprägt. Diese Charakteristika sind sowohl fiir die ressourcenreichen Staaten des Golfkooperationsrates als auch für die weniger entwickelten Staaten der Region zutreffend. Ein weiterer Faktor, welcher die Gesellschaften der Region kennzeichnet, ist die sehr starke Zentralität der politischen Entscheidungsfindung und Regierungsführung. Föderalismus im westlichen Sinne existiert kaum, in der Regel ist die lokale Subeinheit nur ein Ableger der zentralen Administration ohne weitergehende Entscheidungsbefugnisse oder politische Legitimation (Fergany 1997, S. 107). Die Region ist heute gekennzeichnet durch nationalstaatliche Souveränität. Formal handelt es sich bei den ΜΕΝΑ-Staaten - mit Ausnahme des Iran (Theokratie) und Libyens (Volksrepublik) um Republiken oder Monarchien. De facto finden sich jedoch in nahezu allen Staaten an vorkoloniale oder koloniale Strukturen angelehnte autoritäre oder autokratische Systeme. 102 Macht wird entweder (quasi-)dynastisch weitergegeben (Marokko, Syrien, Jordanien, Bahrain, Saudi-Arabien, Katar, VAE, Oman), de facto vom Militär ausgeübt (Ägypten) oder einer theologisch motivierten Elite zugesprochen (Iran) (Wilson 1995, S. 21). Ausnahmen bildet hier der Libanon, welcher seit dem Ende des Bürgerkrieges 1990 eine wenn auch schwache - parlamentarische Demokratie bildet, welche formal annähernd internationalen Standards standhält, in der Realität jedoch schwerwiegenden Spannungen ausgesetzt ist, und Kuwait, das seit 1991 über ein gewähltes Parlament verfugt. Auch andere Staaten - wie ζ. B. Ägypten - sind formal demokratisch organisiert, in der Realität jedoch durch andauernde Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien gekenn-
Anlehnend an die Theorie der Rolle des Staates in sich entwickelnden Gesellschaften lassen sich an dieser Stelle fünf verschiedene Entwicklungspfade ausmachen: der „beschützende Staat", der „produktive Staat", der „dirigistische Staat", der „autoritäre Staat" sowie der „totalitäre Staat" (protective, productive, Wilson 1995, S. 21).
dirigiste, authoritarian,
totalitarian·,
110
Rahel Schomaker
zeichnet, oder befinden sich erst im Anfangsstadium einer Demokratisierung. 103 Gemeinsam ist den meisten Staaten der Region, dass die Interessen der herrschenden Elite die Ausrichtung der Entwicklung bzw. deren Verlauf vorgeben. Die Einflussmöglichkeiten der Staatsbürger - sei es durch demokratisch organisierte Wahlen oder im Rahmen zivilgesellschaftlichen Engagements - sind stark eingeschränkt (Übersicht 14). Übersicht 14: Staatssysteme der ΜΕΝΑ-Region im Überblick
Republik
Monarchie
Defekte Demokratie
Moderate Autokratie
Autokratie
Übergangsstaat
Libanon
Algerien
Tunesien
Irak
Ägypten
Syrien
Jemen
Sudan
Bahrain
VAE
Marokko
Saudi-Arabien
Kuwait
Jordanien Andere
Iran Libyen
Quelle: Bertelsmann Stiftung (2005), eigene Zusammenstellung. Betrachtet man den Bereich Regierungsführung, zeigen sich also in der Region mit den beschriebenen Charakteristika deutlich die für Entwicklungsländer symptomatischen Merkmale einer schlechten Regierungsführung. Die Operationalisierbarkeit der Qualität von staatlichen Institutionen oder - entsprechend der Nomenklatur der internationalen Organisationen - der Good Governance ist jedoch komplex. Es stellt sich die Frage nach geeigneten Indikatoren für die Institutionenqualität sowie nach Möglichkeiten der Erhebung der für die Indikatorenwerte notwendigen Informationen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird auf Indikatoren zurückgegriffen, wie sie von der Weltbank genutzt werden, um den Bereich Governance and Anti-Corruption" wissenschaftlich zu erfassen. Diese von Kaufmann, Kraay und Mastruzzi (Kaufmann et al. 2008) entwickelten Indikatoren beruhen auf Befragungen von Unternehmen, M?npro/iii-Organisationen, Bürgern und Experten in Industrie- und Entwicklungsländern zur Qualität der Regierungsführung und Institutionenqualität in den einzelnen Staaten. Die einzelnen Daten wurden dabei mit Hilfe eines unobserved components model ag-
So wurden im Königreich Bahrain seit 2001 durch königliches Dekret schrittweise demokratische Institutionen eingeführt, inzwischen verfügt der Staat am Persisch-Arabischen Golf über ein Zwei-Kammer-System mit einem gewählten Parlament mit 40 Abgeordneten und einer vom König eingesetzten beratenden Versammlung mit ebenfalls 40 Mitgliedern. Auch in Saudi-Arabien zeigen die ersten Kommunalwahlen im Jahr 2005, dass erste Schritte zur Demokratisierung hin unternommen werden, jedoch durchaus staatlich gelenkt und unter Ausschluss einer großen Bevölkerungsgruppe, der Frauen.
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111
gregiert und gewichtet, um eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Basisdatensätzen herzustellen. Die aus Befragungen generierten Govemance-Indikatoren, die der Arbeit von Kaufmann et al. zugrunde liegen, beziehen sich nicht auf eine theoretisch feststellbare, tatsächliche Institutionenqualität. Vielmehr basieren die Werte auf der Wahrnehmung bzw. Einschätzung der Güte der jeweiligen Institutionen durch die befragte Organisationen und Individuen. Diese Art der Indikatorenbildung kann durchaus kritisch betrachtet werden, beruht sie doch ausschließlich auf einer subjektiven Perzeption eines Sachverhaltes. Dennoch werden sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit als geeignet herangezogen, da verschiedene Gründe für eine Bildung von Indikatoren, welche die Qualität staatlicher Institutionen messen, auf diese Art und Weise spricht. Zum einen ist es hier die große Anzahl der befragten Organisationen und Individuen aus verschiedenen Bereichen, welche extremen Abweichungen wenig Gewicht einräumt. Auch die Tatsache, dass die Befragten sowohl aus dem jeweiligen Land stammen, für welches der Indikator gebildet wird, als auch aus anderen Staaten weltweit, lässt den Schluss zu, dass die subjektive Verzerrung relativ gering sein wird. Neben diesen eher methodischen Überlegungen sind es inhaltliche Faktoren, welche die von Kaufmann et al. genutzte Methodik als geeignet erscheinen lassen: zum einen die Tatsache, dass bereits die Annahme einer bestimmten Institutionenqualität zu Änderungen der Erwartungen und daraus folgend zu Verhaltensänderungen führen kann. So kann ζ. B. die Befürchtung, dass vor Gericht individuelle Eigentumsrechte nicht geschützt sind, aus Sicht des Einzelnen dazu führen, dass kein Kauf einer Ware stattfindet. Somit ist schon die bloße Erwartung schlechter Institutionenqualität bedeutsam, nicht das reale Eintreffen dieser Befürchtung. Zum anderen muss festgestellt werden, dass .objektive' (im Gegensatz zu subjektiven', d. h. auf eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen beruhenden) Informationen in diesem Zusammenhang oftmals nicht existieren bzw. nicht für wissenschaftliche Zwecke zugänglich sind. So sind ζ. B. offizielle Zahlen über Korruptionsfälle oder Amtsmissbrauch durchaus in vielen Entwicklungsländern nicht öffentlich zugänglich oder werden nicht erhoben. Darüber hinaus ist durchaus zu erwarten, dass - für den Fall vorliegender vermeintlich objektiver Informationen wie ζ. B. Stellungnahmen der Regierung etc. - diese aus politischen Gründen manipuliert sind und von der Realität abweichen. Derartige Daten wären daher für eine Analyse nur begrenzt von Nutzen, da sie zu einseitigen Verzerrungen führen würden (zur Diskussion der Indikatorenerhebung im Einzelnen Kaufmann et al. 2008, S. 3 ff.). Im Einzelnen bezeichnen die sechs Indikatoren gemäß der Verwendung der Weltbank und den Definitionen von Kaufmann et al. (2008): — Voice and Accountability (VA) misst, zu welchem Grade die Bürger bei der Auswahl der Regierung mitentscheiden können, ebenso den Grad der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Pressefreiheit. — Political Stability and Absence of Violence (PV) misst die Wahrscheinlichkeit politischer Instabilität, eines nicht verfassungskonformen, gewaltsamen Machtwechsels sowie politischer Gewalt und Terrorismus. — Government Effectiveness (GE) misst die Qualität öffentlicher Dienstleistungen und deren Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme, die Qualität von Politikges-
112
Rahel Schomaker
taltung und -Implementierung und die Glaubwürdigkeit der Politiker, welche sich den entsprechenden Politiken verpflichtet haben. — Regulatory Quality (RQ) misst die Fähigkeiten der Regierung, Politiken und Regulierung derart zu gestalten und einzuführen, das sie das Engagement des privaten Sektors erlauben und fördern. — Rule of Law (RL) misst, bis zu welchem Grad Agenten wie Regierung und Bürokratie den gesellschaftlichen Gesetzen vertrauen und gehorchen, insbesondere die Qualität der Vertragsdurchsetzung, den Schutz von Eigentumsrechten, die Qualität von Polizei und Gerichten sowie die Wahrscheinlichkeit von Kriminalität und Gewalt. — Control of Corruption (CC) misst, bis zu welchem Grad Regierung und Bürokratie anfällig für Korruption sind sowie das Maß, in welchem Eliten und politische Partialinteressen Einfluss auf den Staat nehmen können.
Abbildung 4: Governance-Indikatoren in der ΜΕΝΑ-Region für das Jahr 2007 Middle
East
&
Nor-tli
Africa
Voice and Rccountability
Political
Stability
Governnent
Effectiveness
Regulatory
Quality
Rule of Lau
Control of Corruption
β
25
Country's Percentile Rank
58
75
108
Quelle: Kaufmann et al. (2008). Insgesamt ist die Performance des öffentlichen Sektors, gemessen an den Parametern Voice and Accountability, Political Stability, Government Effectiveness, Regulatory Quality, Rule of Law und Control of Corruption in der ΜΕΝΑ-Region schlecht. Die Perzentilwerte 1 0 4 für die gesamte Region liegen zwischen 23,7 und 50,7 und sind damit - im weltweiten Vergleich - unterdurchschnittlich (vgl. Abbildung 4). Betrachtet man den Governance-Indikator, wird deutlich, dass der Mittelwert von Null in der Region nicht erreicht wird, die Institutionenqualität also unterdurchschnittlich ist (Weltbank 2007). Interpretiert man dieses Ergebnis, bedeutet dies, dass entweder die entsprechenden Institutionen nicht vorhanden oder in ihrer Funktionsweise stark eingeschränkt sind.
Das Perzentil (auch: Prozentrang) zeigt hier an, welchen Rang die ΜΕΝΑ-Region in einer Rangliste aller bewerteten Staaten einnimmt; Null bezeichnet den geringsten, 100 den höchsten Rang.
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113
Übersicht 15: Governance-Indikatoren in der ΜΕΝΑ-Region im Jahr 2007 Governance Indikator
Per/entil
"Governance Score"
(0-100)
(-2.5 bis +2,5)
Voice and Accountability
23,7
-0,88
Political Stability
35,7
-0,51
Government Effectiveness
44,9
-0,21
Regulatory Quality
45,2
-0,17
Rule of Law
49,6
-0,04
Control of Corruption
50,7
-0,07
Quelle: Kaufmann et al. (2008). Erläuterung: Die Einheiten, in denen der „Governance Score" gemessen wird, folgen einer Normalverteilung mit dem Mittelwert 0 und einer Standardabweichung von 1. Ein höherer Wert des Indikators bedeutet dabei ein besseres Abschneiden in Bezug auf die Qualität der Institutionen. Für die einzelnen Staaten der ΜΕΝΑ-Region ergeben sich die Werte für die verschiedenen Indikatoren durchaus inhomogen (vgl. Übersicht 16). Während in einigen Staaten für mehrere Indikatoren positive Werte oder Werte nahe Null (im negativen Bereich) erreicht werden, liegen sie in anderen Staaten durchgehend im negativen Bereich, teilweise unter -1. Basierend auf diesen Tatsachen lassen sich - trotz der in der Region bestehenden, unübersehbaren Disparitäten - einige allgemeine Aussagen zur Qualität der Regierungsführung bzw. von Institutionen in der Region treffen. Insgesamt ist festzustellen, dass in vielen Staaten die politischen Systeme nicht als stabil zu bezeichnen sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass Machtwechsel gewaltsam und ohne demokratische Legitimierung erfolgen, ist in der Region relativ hoch, Terrorismus und Aufstände bedrohen die herrschende Staatsgewalt und verursachen Instabilität. Besonders schlecht stellt sich die Situation im Bereich Voice and Accountability dar. Hier liegen die Einzelwerte in der Region durchgehend unter dem Mittelwert bzw. innerhalb der des letzen Viertels im weltweiten Vergleich. Es besteht also für die Bürger dieser Staaten durchgehend nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, über die Staatsführung demokratisch mit zu entscheiden, wesentliche Bürgerrechte sind eingeschränkt. Dies gilt für die weiter entwickelten Staaten des persisch-arabischen Golfes ebenso wie für die Entwicklungsländer der Region. Die staatliche Politik und die bestehenden Regulierungssysteme können als insuffizient bezeichnet werden, da sie nicht darauf ausgerichtet sind, ein flächendeckendes Engagement privatwirtschaftlicher Unternehmen zu befördern. Insgesamt ist die Qualität der Verwaltung relativ schlecht, Unabhängigkeit von politischen Partialinteressen ist nicht durchgehend gegeben und die Glaubwürdigkeit der politischen Eliten ist relativ gering.
Rahel Schomaker
114
Übersicht 16: Übersicht der sechs Governance-Indikatoren in den Staaten der Region im Jahr 2007 PV
cc
RQ
RL
VA
GE
(-2,5 bis +2,5) Staat Algerien
-1,18
-0,47
-0,66
-0,72
-1,01
-0,52
Bahrain
-0,28
+0,60
+0,89
+0,66
-0,82
+0,41
Djibuti
-0,05
-0,48
-0,80
-0,51
-1,06
-0,98
Ägypten
-0,77
-0,58
-0,31
-0,13
-1,24
-0,44
Iran
-1,33
-0,56
-1,61
-0,84
-1,52
-0,78
Irak
-2,82*
-1,39
-1,35
-1,89
-1,29
-1,68
Jordanien
-0,29
+0,32
+0,35
+0,51
-0,64
+0,27
Kuwait
+0,40
+0,49
+0,29
+0,69
-0,46
+0,20
Libanon
-2,09
-0,65
-0,21
-0,66
-0,45
-0,61
Libyen
+0,47
-0,83
-0,98
-0,62
-1,94
-1,07
Marokko
-0,52
-0,24
-0,11
-0,15
-0,62
-0,07
Oman
+0,76
+0,62
+0,63
+0,73
-1,03
+0,38
Katar
+0,81
+1,00
+0,55
+0,89
-0,64
+0,06
Saudi Arabien
-0,59
-0,10
-0,10
+0,27
-1,59
-0,18
Syrien
-0,61
-0,88
-1,22
-0,55
-1,77
-0,88
Tunesien
+0,10
+0,08
+0,15
+0,32
-1,22
+0,46
VAE
+0,76
+ 1,00
+0,70
+0,66
-0,89
+0,86
Westbank/Gaza
-2,07
-0.77
-1,38
-0,84
-1,28
-1,24
Jemen
-1,48
-0,62
-0,71
-0,94
-1,06
-1,02
Quelle: Kaufmann et al. (2008). Erläuterung: Die Einheiten, in denen der „Governance Score" gemessen wird, folgen einer Normalverteilung mit dem Mittelwert 0 und der Standardabweichung von 1. Ein höherer Wert bedeutet dabei ein besseres Abschneiden in Bezug auf de Qualität der Institutionen. * Der die Grenzwerte überschreitende Wert im Irak ist auf die dem Governance Score zugrundeliegenden Einzelwerte zurückzuführen, ist aber für die weitere Verwendung der Daten nicht von Bedeutung.
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Auch der Schutz von Privateigentum und die Bindung staatlicher Akteure an das Gesetz kann nicht durchgängig als gegeben angesehen werden, obwohl sich die Situation bzgl. dieses Indikators, wie auch für den Bereich Korruptionskontrolle, verglichen mit den anderen Indikatoren für die Region und auch im weltweiten Vergleich relativ gut darstellt. Dennoch ist Korruption gerade im öffentlichen Sektor, aber auch in der Privatwirtschaft in der ΜΕΝΑ-Region weit verbreitet (El-Ghonemy 1998, S. 112; zur Ausprägung von Korruption in den einzelnen Staaten Transparency International 2001). Korruption ist dabei gemäß der Chicago School definiert als Missbrauch - also illegaler Akt - im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit zur Erlangung eines privaten Nutzens (Kaufmann und Vicente 2005; auch Puwein et al. 2004, S. 19). Diese Festschreibung von Korruption als illegaler Tätigkeit im bürokratischen, öffentlichen oder privaten Sektor unterscheidet sie von legalem rent seeking im Rahmen von Lobbyismus und der Durchsetzung politisch oder wirtschaftlich motivierter Ziele mittels Einflussnahme (dazu im Einzelnen Kaufmann und Vicente 2005). Eine Erklärung für die Verbreitung von Korruption in der Region bieten verschiedene regionale Charakteristika, welche - trotz des starken regionalen Gefälles zwischen den ölexportierenden Staaten im persisch-arabischen Golf und den weniger entwickelten ΜΕΝΑ-Staaten - für die Region gesamt gelten: weit verbreitete Armut, niedrige Lohneinkommen, ein weitverzweigter, stark regulierter öffentlicher Sektor und eine insgesamt starke Bürokratisierung vieler Bereiche (Transparency International 2001, S. 95). Die Größe des öffentlichen Sektors allein lässt - obwohl durchaus so in der Literatur diskutiert - jedoch keineswegs einen Rückschluss auf das Vorliegen und die Höhe von Korruption zu (Graf Lambsdorff 2006, S. 4). So ist denn auch der Einfluss von Privatisierung auf bestehende Korruption unklar, da Korruptionszahlungen in diesem Fall lediglich vom öffentlichen auf den privaten Sektor umverteilt werden können. Mehr noch können, insbesondere in Transitionsökonomien, gerade Privatisierungen zu einem Anstieg der Korruption führen (Graf Lambsdorff 2006, S. 5). Neben den typischen Korruptionskosten auf Ebene des Individuums bzw. der einzelnen Haushalte und den negativen Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Staaten führt die verbreitete Korruption bzw. schon die Vermutung über diese dazu, dass das Vertrauen in die Regierung fehlt, Gesetze durchsetzen zu können (zu Korruptionskosten wie Einkommensungleichheit und dem Einfluss von Korruption auf das BIP im Einzelnen Graf Lambsdorff2006, S. 23 ff.). Die Neigung, sich dem öffentlichen System anzuvertrauen, sinkt (Kaufmann et al. 2008, S. 3); auch eine erhöhte Unsicherheit bzgl. des Schutzes von Privateigentum ist die unmittelbare Folge (El-Ghonemy 1998, S. 113). Die hierbei entstehenden Kosten können erheblichen Einfluss insbesondere auf das Engagement privater ausländischer Unternehmen haben; diese werden ab einer bestimmten Höhe des Erwartungswertes des Auftretens derartiger Folgen in der Regel auf die Investition verzichten. Diese Entwicklung zeigt sich deutlich in den Staaten der ΜΕΝΑ-Region, so dass ein Großteil der Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung darauf angelegt ist, ausländische Investoren zu gewinnen (auch Transparency International 2001, S. 102 ff.).
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5.3.4. Aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen Nur wenige der Staaten der Region gehören aktuell zu den Least Developed Countries (LDC, auch LLDC). Die Klassifizierung eines Staates als LDC setzt das Vorliegen einer Kombination von drei armutsanzeigenden Indikatoren105 voraus, in der MENARegion gehören Djibuti, der Jemen und der Sudan zu dieser Gruppe. Zu den so genannten More Advanced Developing Countries (MAD) gehören in der Region Katar, Kuwait, Libyen und die Vereinigten Arabischen Emirate. Diese werden aufgrund ihres ProKopf-Einkommens, generiert in erster Linie durch Einnahmen aus Erdöl und Erdgas, dieser Gruppe zugeordnet, ohne dass eine weitere Betrachtung bzgl. anderer entwicklungsbezogener Indikatoren erfolgen würde. Die restlichen und damit weitaus meisten Staaten der Region gehören zu den Low Income Countries (LIC) bzw. den Middle Income Countries (MIC), welche entsprechend des durchschnittlichen Pro-KopfEinkommens ermittelt werden. Keiner der Staaten der ΜΕΝΑ-Region wird im Rahmen der Einteilung durch internationale Organisationen als Industrieland geführt. Eine vom reinen Pro-Kopf-Einkommen abstrahierende und damit wesentlich differenziertere Bewertung des Entwicklungsstandes der einzelnen Staaten der Region kann anhand des Human Development Index sowie des Human Poverty Index erfolgen. Übersicht 17 dokumentiert die erheblichen Disparitäten der Region, gemessen an verschiedenen Entwicklungsindikatoren. Die Unterschiede innerhalb der Region sind in hohem Maße auf den Ressourcenreichtum und die daraus folgende bessere Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen, Bildung und ökonomischer Grundsicherung einiger Staaten zurückzuführen. Im Gegensatz zu den Werten im Bereich governance ist hier ein deutlich besseres Abschneiden der ressourcenreichen Staaten der Region zu konstatieren. Zwei politische Ereignisse haben in den letzten Dekaden erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region gehabt: zum einen das Ende des „Kalten Krieges", zum anderen der zweite Golfkrieg 106 zwischen der internationalen Koalition unter UN-Mandat und dem Irak im Jahr 1991. Ersteres hat in den 1990er Jahren zu einer verminderten ökonomischen Aufmerksamkeit für die Region und einer Fokussierung der internationalen Gebergemeinschaft auf die Staaten in Mittel- und Osteuropa geführt und erhebliche Spuren in den einzelnen Volkswirtschaften hinterlassen (dazu im Einzelnen
Seit dem Jahr 1991 sind die folgenden Kriterien für eine Einstufung als LDC/LLDC verbindlich (dazu im Einzelnen Nuscheier 2005, S. 100 ff.): Der Staat darf eine Bevölkerungszahl von 75 Mio. Einwohnern überschreiten, es darf ein Bruttonationaleinkommen von aktuell max. 900 US-$ pro Kopf bestehen, der Human Assets Index (bestehend aus dem durchschnittlichen Kalorienverbrauch pro Kopf in Prozent des Minimalbedarfs, der Rate der Kindersterblichkeit sowie der Alphabetisierungsrate Erwachsener und der Einschulungsrate im Sekundarbereich) darf eine bestimmte Obergrenze nicht überschreiten und der Economic Vulnerability Index (der die Konzentration der Exporte, die Instabilität von Exporterlösen und Agrarproduktion, den Anteil der verarbeitenden Industrie und von Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt sowie die Bevölkerungsgröße umfasst), muss unterhalb einer bestimmten Obergrenze liegen. Als erster Golfkrieg wird der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran in den Jahren 1980 bis 1988 bezeichnet.
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Übersicht 17: Die Staaten der ΜΕΝΑ-Region klassifiziert nach Entwicklungsindikatoren Staat
Human Development index (HDI)'
Human Poverty Index 1 (HPI· m* .
Nordafrikanischer Teil Sudan
147
69
Marokko
126
68
Ägypten
112
48
Tunesien
91
45
Algerien
104
51
Djibuti
149
59
Libyen
56
-
Vorderasiatischer Teil Irak
-
Iran
94
30
Syrien
108
31
Libanon
88
18
Oman
58
-
82
Jemen
153
Bahrain
41
-
Jordanien
86
11
Saudi-Arabien
61
-
Katar
35
13
VAE
39
17
Gazastreifen/Westbank
106
9
Kuwait
33
-
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank. Erläuterung: * Der HDI wird aus folgenden Parametern errechnet: der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt, der Analphabetenquote bei Erwachsenen und der Bildungsbeteiligung im primären, sekundären und tertiären Sektor sowie dem durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (Kaufkraftparität zum US-$. Die Listung erfolgt in absteigender Reihe entsprechend der Klassifizierung des entsprechenden Landes, der HDI ist also um so höher, je besser ein Staat abschneidet. ** Der HPI 1 wird aus folgenden Parametern errechnet: der Wahrscheinlichkeit für einen Einwohner des entsprechenden Landes, das 40 Lebensjahr nicht zu erreichen, der Höhe der Analphabetenquote bei Erwachsenen sowie dem durchschnittlichen Lebensstandard der Bevölkerung (Anteil der Bevölkerung, die weniger als 1 US-$ bzw. 2 US-$ pro Tag zur Verfügung hat). Die Listung erfolgt in absteigender Reihe entsprechend der Wertung des entsprechenden Landes.107
Ergänzt wird der HPI 1 durch den HPI 2, welcher die Lebensbedingungen in industrialisierten Staaten bewertet. Dieser umfasst die Lebenserwartung (Prozentsatz der Menschen,
118
Rahel Schomaker
Henry und Springborg 2001, S. 12). Für viele der Staaten des Nahen Ostens wurden so die makroökonomischen Instabilitäten der 1980er Jahre verlängert. Insbesondere der Wegfall ideologisch motivierter Transferzahlungen durch die Vereinigten Staaten bzw. die UdSSR hat in den Jahren nach 1990 weitere Defizite in den Staatshaushalten der Region verursacht. Auch die starke Abhängigkeit von schwankenden Einnahmen aus Rohstoffverkäufen (insbesondere Erdöl und Erdgas) etlicher Staaten der Region ist an dieser Stelle von Bedeutung. Betrachtet man die Auslandsschulden als Indikator, ist hier in den 1980er Jahren im Schnitt über die Region ein erheblicher Anstieg durch die hohe Quote öffentlicher Ausgaben festzustellen, eine Ausnahme bildet lediglich der Iran (Nabli und Veganzones-Varoudakis 2004, S. 8). Die Rolle der meisten Staaten der Region als Bündnispartner der Vereinigten Staaten im zweiten Golfkrieg hat dagegen in vielen Fällen zu Schuldenerlässen geführt und die Staatshaushalte damit erheblich entlastet. Spätestens mit der internationalen Perzeption der ΜΕΝΑ-Staaten als Herkunftsregion für globalen Terrorismus seit dem Jahr 2001 ist auch die Marginalisierung der Region in Bezug auf entwicklungspolitisch motivierte Transfers zu Ende gegangen. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen Armut und Vulnerabilität für extremistische Aktivitäten hat dazu geführt, dass die Staaten der Region gezielt finanziell unterstützt werden, um terroristische Aktivitäten zu verhindern. Einige der Staaten der Region haben dazu schon Ende der 1990er Jahre deutliche makroökonomische Reformen unternommen, so ζ. B. Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien (Nabli und Veganzones-Varoudakis 2004, S. 7). Deutlich werden die veränderten Bedingungen bei näherer Betrachtung der globalen Handelsverflechtungen der Region. Grundsätzlich gilt, dass die ΜΕΝΑ-Region in hohem Maße in den Welthandel integriert ist, zumindest in dem Sinne, als dass viele der Staaten der Region abhängig sind von Außenhandel. Durchweg macht der internationale Handel (Im- und Exporte) mehr als 50 Prozent des Bruttosozialproduktes der einzelnen Staaten aus (Henry und Springborg 2001, S. 66). Auch die durchweg positive wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ist den Staaten der Region gemeinsam. So wuchsen die Volkswirtschaften der Region zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Schnitt mit 6,1 Prozent pro Jahr, eine im internationalen Vergleich sehr hohe Rate, welche ansonsten nur noch von den osteuropäischen und südasiatischen Ökonomien erreicht wird (Weltbank 2007d). Auch die Summe ausländischer Direktinvestitionen in der Region ist innerhalb der letzten Jahre erheblich gestiegen; in den Jahren von 2004 bis 2006 verdreifachte sie sich auf rund 24,4 Mrd. US-$ (Weltbank 2007d). Bedingt wird diese positive Entwicklung durch die hohen Erdöl und -Gaspreise, (wieder) zunehmenden Tourismus und einen verstärkten, wenn auch von niedrigem Niveau ausgehenden, intraregionalen Handel.
die nicht älter als 60 Jahre werden), Bildung (Anteil der funktionalen Analphabeten) und ökonomische Versorgung (Anteil der Menschen mit weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens sowie den Anteil der Langzeitarbeitslosen).
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
119
Übersicht 18: Volkswirtschaftliche Indikatoren in der ΜΕΝΑ-Region im Jahresvergleich 2001 und 2005 Indikator
2001
2005
BIP (Mrd. US-$, ohne Kaufkraftbereinigung)
55,18
101,79
BIP-Wachstum (% jährlich)
3
6
Handel Endprodukte (% des BIP)
53
65
terms of trade (Referenzjahr 2000)
97
171
Exporte Güter und Service (% des BIP)
36
48
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank.
Die im internationalen Vergleich hohen Arbeitslosenquoten der Region zeigen eine abnehmende Tendenz; im regionalen Durchschnitt sank die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren von rund 14,3 Prozent im Jahr 2000 auf 10,8 Prozent in 2005 (Geiger 2007). Diese Entwicklung ist als sehr positiv zu betrachten, nicht von diesem Indikator erfasst ist jedoch das in der Region virulente Overstaffing. Diese Überbeschäftigung, welche in der Regel aus staatlichen Arbeitsplatzgarantien108 resultiert, führt zu erheblichen Ineffizienzen und stellt eine de facto Arbeitslosigkeit dar. Ein Faktor, welcher trotz der zunehmenden Modernisierung der Volkswirtschaften der Region weiterhin die Funktionsweise der dortigen Märkte dominiert, ist die sog. „Basarökonomie" (Wilson 1995, S. 19): Preise sind in diesem System - sowohl im Bereich der Güter des täglichen Lebens als auch in Bezug auf Investitionsgüter und im Business-to-Business-Bereich in der Regel nicht feststehend und allgemein einsehbar, sondern werden frei verhandelt. In einem derartigen System wird der Verkäufer den Preis entsprechend der aktuellen Zahlungsbereitschaft des einzelnen Abnehmers festsetzen. Es besteht eine erhebliche Informationsasymmetrie zwischen den beiden Marktparteien. Insgesamt ist dieses System sehr kostenintensiv aufgrund hoher Transaktionskosten (ζ. B. für die Preisermittlung; Wilson 1995, S. 21). Es lassen sich also für die Region in den letzten Jahrzehnten, trotz kurzfristiger Einbrüche, erhebliche Fortschritte sowohl politischer als auch ökonomischer Natur feststellen. Dazu gehören die wenigstens teilweise Öffnung zuvor staatlich gesteuerter Volkswirtschaften, verbunden mit einem hohen Wirtschaftswachstum ebenso wie vorsichtige politische Reformen, wie beispielsweise die ersten Kommunalwahlen in Saudi-Arabien im Jahr 2005, die Parlaments wählen in Jordanien im gleichen Jahr sowie der Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon. 5.3.5. Gesellschaftliche Herausforderungen in der MENA-Region Trotz der insgesamt positiven politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region sind weiterhin erhebliche Defizite zu konstatieren, welche die Gesellschaften betreffen. Grundsätzlich gilt für die Region mit Ausnahme der Staaten des GolfkooperaSo garantiert ζ. B. der ägyptische Staat jedem Hochschulabsolventen nach einer dreijährigen Arbeitslosigkeit einen Arbeitsplatz im öffentlichen Sektor.
120
Rahel
Schomaker
tionsrates, dass die Bevölkerung im Durchschnitt wenig vom ökonomischen Wandel der letzten Jahre profitiert. Immer noch sind es in erster Linie Ausländer sowie ein kleiner Kreis einheimischer Eliten 109 , die die Hauptnutznießer der positiven Entwicklungen sind (Issawi 1995, S. 187 f.). Bankenwesen, Versicherungen, industrieller Außenhandel und Transportgewerbe - diese als „urban" anzusehenden Wirtschaftszweige sind hier ebenso betroffen wie die Landwirtschaft. Diese wird auch heute noch in der Regel von Bauern ausgeübt, die nur einen geringen Teil der von ihnen bestellten Felder tatsächlich besitzen, einen großen Teil dagegen für Großgrundbesitzer bestellen. Ein hohes Bevölkerungswachstum gerade in Schichten mit niedrigem sozialem Status, eine steigende Lebenserwartung durch verbesserte Hygiene sowie eine sinkende Kindersterblichkeit führen in den letzten Jahrzehnten zu einem erneuten Anstieg von besitz- und landlosen Bevölkerungsteilen ohne formale Ausbildung. In den Staaten des persisch-arabischen Golfes sind es zwar größere Bevölkerungsgruppen, welche von den Gewinnen aus dem Ressourcenreichtum der Region profitieren; auch hier ist jedoch weder eine grundsätzliche Änderung der ökonomischen noch der politischen Strukturen erfolgt. Damit profitiert zwar ein größerer Bevölkerungsanteil als in den meisten anderen Staaten der ΜΕΝΑ-Region finanziell; da die volkswirtschaftlichen Strukturen jedoch im Wesentlichen gleich geblieben sind, ist der Gewinn tatsächlich ein ausschließlich monetärer. Zwar werden Kranken- und Rentenversicherung staatlich getragen und in vielen Golfstaaten sind keine Steuern zu entrichten. Dennoch existiert oftmals eine hohe (verdeckte) Arbeitslosigkeit und damit verbunden eine entsprechend hohe Einkommensarmut. Auch hat sich im Bereich Good Governance kaum eine Fortentwicklung ergeben; politische Partizipation weiterer Bevölkerungsschichten findet in der Realität nicht statt. Als kritischer Punkt anzumerken ist an dieser Stelle ein wenigstens teilweise stattfindender Zerfall der tradierten Gesellschaftsordnung, welcher als typisch für Entwicklungsregionen anzusehen ist: Die traditionellen islamischen Gesellschaftsstrukturen der Region, welche der (Groß-)Familie und der Stammeseinheit einen überragenden Platz zuweisen, lösen sich insbesondere im Rahmen der zunehmenden Urbanisierung zusehends auf. Trotz der nach wie vor hohen Geburtenraten der Region sind zunehmend Familien mit lediglich einem oder zwei Kindern zu finden, insbesondere in der sich entwickelnden Urbanen Mittelschicht. Lange Ausbildungszeiten und eine relativ hohe Arbeitslosigkeit führen dazu, dass das Alter bei Hochzeit und von Erstgebärenden kontinuierlich ansteigt. Im Urbanen Raum sind daher zunehmend Kleinfamilien zu finden, die Bindung an die Strukturen der Großfamilie nimmt ab.
Häufig handelt es sich bei diesen Eliten überdies um Minderheiten wie Griechen oder koptische Christen in Ägypten, Armenier oder Drusen im Libanon, die von den positiven Entwicklungen der Volkswirtschaften profitieren, nicht die Mehrheitsbevölkerung, welche aus Arabern besteht (dazu auch Henry und Springborg 2001, S. 9 ff.). Bei diesen Minderheiten handelt es sich zumeist um Bevölkerungsgruppen, welche in hohem Maße von ausländischen Kolonialmächten unterstützt wurden; die Etablierung dieser Minderheiten als wichtige Säulen der Volkswirtschaften in der ΜΕΝΑ-Region war und ist daher nicht ohne Risiko - eine Tatsache, welche sich bei zahlreichen, nicht religiös motivierten Ausschreitungen diesen Personengruppen gegenüber bestätigt hat.
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
121
Aus Protest gegen diese als falsch (und oftmals als unislamisch) empfundenen Veränderungen ebenso wie aus Mangel an Perspektiven für die eigene Zukunft 1 1 0 kommt es gerade bei den jüngeren Bevölkerungsschichten zunehmend zu einer Hinwendung zu islamistischen 1 1 1 Gruppen, darunter auch radikal-islamistischen Gruppierungen 1 1 2 . Diese Bewegungen, welche Modernisierung und Reformen, die nicht religiös motiviert sind, zumeist ablehnen, haben ein hohes Attraktionspotential, da sie neben einer ideologischen Aufwertung des Individuums auch soziale Grundabsicherung anbieten und häufig eine Verknüpfung mit nationalistischen Zielen in ihren Programmen abbilden. Im Gegensatz zu einer zwar konservativ-religiösen, aber nicht politisch aktiven oder gewaltbereiten Mehrheitsgesellschaft in der Region stellen diese Gruppen die gesamte Gesellschaftsstraktur in Frage und haben so in den letzten Jahren zu erheblichen inneren Unruhen in den Staaten der Region beigetragen (Richards und Waterbury 2008 3 , S. 365 ff.).
5.4.
Wasserinfrastruktur in der MENA-Region
Die klimatischen und geographischen Rahmenbedingungen in der MENA-Region haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Siedlungswasserwirtschaft der einzelnen Staaten. Da oberflächennahe Wasservorkommen weitgehend fehlen, muss Wasser zeit- und kostenintensiv aus in der Regel nicht erneuerbaren Grundwasseraquiferen gewonnen, aufbereitet und zu den Endabnehmern transportiert werden. Das schwankende Dargebot in der Region führt dazu, dass gerade in den Sommermonaten die Stau- und Speicherbecken nur wenig befüllt sind. Weitere Verluste entstehen durch die dem heißen Klima geschuldete verstärkte Verdunstung. Dadurch entstehen schon im Vorfeld der eigentlichen Zuleitung an die Endnutzer Versorgungsdefizite, welche sich vor dem Hintergrund abnehmender fossiler Wasserressourcen verschärfen dürften. Insbesondere sind es aber die sozio-ökonomischen und politischen Faktoren, welche Auswirkungen auf den Wassersektor haben. Mit Blick auf die Region gilt umso mehr der Satz „scarcity at the heart of the global water crisis is rooted in power, poverty and inequality, not in physical availability" ( U N D P 2006, S. 2).
Diese Pespektivlosigkeit hat regelmäßig zwei Ursachen: Zum einen - für alle Staaten der Region zutreffend - ist die Tatsache relevant, dass trotz (bzw. gerade aufgrund) eines hochqualifizierten Abschlusses für viele Individuen keine angemessene Beschäftigung zu finden ist und somit oftmals ein Ausweichen in den informellen Sektor erfolgen muss. Zum anderen sind, insbesondere in den weniger entwickelten Staaten der Region, absolute Armut und mangelnde Bildung dafür verantwortlich, dass keine Integration in den Arbeitsmarkt erfolgen kann, was zu einer entsprechend niedrigen gesellschaftlichen Stellung und damit verbundenen Schranken, ζ. B. die Möglichkeit einer Eheschließung betreffend, führt (detaillierter dazu Richards und Waterbury 20083, S. 95 ff.). Der Terminus .Islamismus' bezieht sich auf die Verknüpfung islamisch-religiöser Inhalte und Wertvorstellungen mit politischen Zielen. Angestrebt wird eine nach islamischen Prinzipien ausgerichtete Gesellschafts- und Staatsordnung (Richards und Waterbury 20083, S. 363 ff.). Zu diesen gehören ζ. B. die Muslimbruderschaft in Ägypten und die Hisbollah im Libanon.
122
Rahel Schomaker
5.4.1. Die Siedlungswasserwirtschaft im Nahen Osten und Nordafrika im Überblick In vielen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas hat sich der Wassersektor über Jahrzehnte hinweg kaum weiterentwickelt. Das mit dem Begriff new water knowledge (Allan 2001, S. 31) beschriebene Wissen um moderne Managementtechniken in allen Verwendungen der Ressource war bislang überwiegend einigen wenigen Experten in der Region zugänglich. Eine tiefgreifende Diskussion über innovative Lösungsansätze für die bestehende Wasserknappheit auf gesellschaftlicher und politischer Ebene findet so denn auch erst innerhalb der letzten Jahre verstärkt statt. Inzwischen ist jedoch die Adaption neuer Methoden und Techniken durch entsprechende Wasserpolitiken in zahlreichen Staaten der Region als notwendig erkannt worden ist (Allan 2001, S. 36 f.). Eine entsprechende Transformation der Wasserpolitik, ablesbar ζ. B. an der beginnenden Ausrichtung an den Richtlinien des IWRM, findet so denn auch inzwischen in nahezu allen Staaten der Region statt, auch wenn konkrete Erfolge in vielen Staaten bislang ausgeblieben sind (Fourth World Water Forum 2006, S. 46 ff.). Als für die Region charakteristisch ist die Tatsache anzusehen, dass die überwiegende Mehrheit der Staaten versucht, ihre wasserpolitischen Ziele über eine zentralistische Steuerung mithilfe von Fünfjahresplänen umzusetzen. Die trotz des begonnenen Transformationsprozesses an vielen Stellen mangelnde (insbesondere lokale und regionale) Expertise und ein fehlender Rückhalt dieser Ansätze in der Bevölkerung lassen Reformen auf dem Wassersektor dennoch nur langsam erfolgen. Insgesamt gilt darüber hinaus, dass - sofern politische Reformen des Sektors erfolgen - nicht der Bereich der Wasserver- und Entsorgung für private Haushalte oder die Industrie im Fokus steht, sondern vielmehr der landwirtschaftliche Sektor, der auch den größten Teil des verfügbaren Wassers bezieht (Ahmad 2001, S. 21). Das hohe Bevölkerungswachstum und die steigende Urbanisierungsrate von prognostizierten 63 Prozent für die nächsten 25 Jahre wird zu einem starken Anstieg des im Urbanen Raums stattfindenden Wasserverbrauchs führen. Bis zum Jahr 2030 wird sich dieser gegenüber dem Jahr 2000 verdoppelt haben und damit näherungsweise ca. 40 Mrd. m 3 pro Jahr gegenüber 20 Mrd. m 3 im Jahr 2000 betragen (Allan 2001, S. 90; Perard 2007, S. 7; dazu auch Kinnersley 1995, S. 273). Auch der steigende Lebensstandard weiter Bevölkerungsschichten, insbesondere auch der städtischen Mittelschicht, trägt nicht nur zu einem erhöhten Wasserbedarf insgesamt und damit steigender Nachfrage bei, sondern erhöht darüber hinaus den Druck auf die an ihren Kapazitätsgrenzen operierenden Leitungsnetze (Beaumont 1981, S. 63; Saghir et al. 1999, S. 1). 5.4.2. Wasserver- und Abwasserentsorgung - Status quo Insgesamt werden rund sieben Prozent der Wasserentnahmen in der Region für den Bereich der städtischen Wasserver- und Abwasserentsorgung verwandt, das entspricht rechnerisch rund 175 Litern pro Tag für jeden Einwohner (Saghir et al. 1999, S. 4). Mehr als 70 Prozent des im städtischen Raum verbrauchten Wassers werden in das System zurückgeführt und können - nach entsprechender Aufbereitung - grundsätzlich wiederverwendet werden. Eine derartige Wiederverwendung ist bislang allein durch die hohen Kosten der Aufbereitung limitiert (Allan 2001, S. 91).
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
123
Die bestehenden Werte erscheinen unproblematisch, gemessen an internationalen Kriterien, ebenso wie die in der Region bestehende Netzabdeckung: Theoretisch quantitativ gemessen ist die Abdeckung der Bevölkerung mit Wasserinfrastruktur im Vergleich zu anderen Entwicklungsregionen hoch. An dieser Stelle zeigen sich jedoch erhebliche Disparitäten innerhalb der Region. Darüber hinaus besteht in allen Staaten ein starkes Stadt-Land Gefälle. Im regionalen Durchschnitt haben insgesamt 80,8 Prozent der ländlichen Bevölkerung und 96,3 Prozent der städtischen Bevölkerung in der MENA-Region (Israel eingeschlossen) Zugang zu sicherer Wasserversorgung (vgl. im Einzelnen Übersicht 19). Insgesamt sind die ländlichen Regionen in den ΜΕΝΑ-Staaten weitgehend von den politischen und ökonomischen Reformen der letzten Jahrzehnte ausgeschlossen. Diese Benachteiligung gemessen im Vergleich mit dem städtischen Raum spiegelt sich sehr deutlich auch auf dem Wassersektor wieder, wie die folgenden Übersichten 20 und 21 dokumentieren. Insgesamt ist die Ausstattung mit Infrastruktur in ländlichen Gebieten weniger gut als in Urbanen Zentren; dies gilt für Wasserdienstleistungen ebenso wie für sonstige Infrastruktursektoren. Wasser wird hier von vielen Haushalten aus mehr als einer Quelle bezogen, unabhängig von der Tatsache, ob im Haushalt ein Wasseranschluss vorhanden ist (Komves et al. 2003, S. 109). Deutlich wird das Gefälle insbesondere in Bezug auf die Anschlussraten an die öffentliche Kanalisation. Hier ist nahezu die Hälfte der ländlichen Bevölkerung nicht versorgt, entsprechend erhöht ist das Risiko wasserübertragener Krankheiten. 5.4.3. Wassertarife in der MENA-Region In allen Staaten der Region mit Ausnahme Tunesiens differieren die Wassertarife zwischen den verschiedenen Teilen des Landes. Die Tarifgebiete entsprechen dabei entweder kommunalen Bezirken (ζ. B. in Marokko und dem Jemen) oder umfassen verschiedene substaatliche Einheiten (ζ. B. in Algerien und Jordanien; Weltbank o.J.b). Während in einigen Staaten lediglich zwei Wasserkategorien mit unterschiedlichen Tarifen für Haushalte und Nicht-Haushalte existieren, verfügen andere Staaten über bis zu fünf Tarifkategorien für Haushalte, Unternehmen, Industriebetriebe, touristische Einrichtungen und öffentliche Betriebe. Alle Staaten der ΜΕΝΑ-Region verwenden ansteigende Blocktarife, die detaillierte Ausgestaltung bzgl. der Anzahl der Blöcke (zwei bis sechs) und der Blockgröße in m 3 bzw. Litern differiert von Land zu Land (Weltbank o.J.b). Während der erste Block entsprechend niedrig bepreist ist, steigt der Preis mit zunehmender Blockgröße überproportional an. Ursprünglich entwickelt, um gerade arme Bevölkerungsschichten zu entlasten, ist dieses System aufgrund seiner mangelnden Anreize eine Ursache für Wasserverschwendung: Da der jeweils angefangene Abrechnungsblock unabhängig vom realen Verbrauch voll berechnet wird, fehlt hier der Anreiz, Wasser einzusparen.
124
Rahel Schomaker
Übersicht 19: Zugang zu Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in der ME' NA-Region (2005) Urban
Land
Wasserversorgung
Ländlich
Abwasserentsorgung
Wasserversorgung
Abwasserentsorgung
Nordafrikanischer Teil Sudan
78
50
64
24
Marokko
99
SS
56
52
Ägypten
99
86
97
58
Tunesien
99
96
82
56
Algerien
88
99
80
82
Djibouti
76
88
59
50
Libyen
-
97
-
96
Vorderasiatischer Teil Irak
97
95
50
48
Iran
99
-
-
84
Syrien
98
99
81
87
Libanon
100
100
100
87
Oman
-
97
-
-
28
65
Jemen
71
86
Bahrain
100
100
-
-
Jordanien
99
94
91
87
SaudiArabien
97
100
"
"
Katar
100
100
100
100
VAE
100
98
100
95
-
-
-
-
94
78
88
61
Kuwait Westbank/Gazastreifen
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank.
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft des Nahen Ostens und Nordafrikas
125
Übersicht 20: Wasserversorgung und Abwasserversorgung in ländlichen Regionen in der MENA-Region (2005) Indikator | | |
Anschlussrate in Prozent
Sichere Sanitärversorgung (Prozent der ländlichen Bevölkerung mit Zugang)
57,9
Sichere Wasserversorgung (Prozent der ländlichen Bevölkerung mit Zugang)
80,8
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank.
Übersicht 21: Wasserversorgung und Abwasserversorgung in Urbanen Zentren in der MENA-Region (2005) Indikator
Anschlussrate in Prozent
Sichere Sanitärversorgung (Prozent der Urbanen Bevölkerung mit Zugang)
92
Sichere Wasserversorgung (Prozent der Urbanen Bevölkerung mit Zugang)
96
Quelle: Eigene Zusammenstellung, Datenquelle Weltbank Datenbank. Der Wasserverbrauch wird üblicherweise mit Hilfe von Ablesegeräten bestimmt. Aufgrund der Ineffizienzen der bislang zumeist öffentlichen Versorger sind diese jedoch häufig defekt und damit unbrauchbar, ein Ersatz erfolgt in der Regel nicht bzw. nur mit erheblicher Zeitverzögerung. In derartigen Fällen werden die Verbrauche der vorherigen Abrechnungszeiträume (zwischen einem und drei Monaten) der Berechnung zugrunde gelegt. W i e aus der folgenden Abbildung 5 ersichtlich, differieren die Tarife zwischen den Staaten der Region ebenso wie innerhalb der einzelnen Staaten stark, ohne dass die jeweilige Tarifsetzung aufgrund von ökonomischen Überlegungen erfolgen würde. Die Zugangs- bzw. Produktionskosten für das Wasser werden regelmäßig nicht berücksichtigt CRichards und Waterbury 2008 3 , S. 167 f.). In den meisten Staaten der Region erfolgt eine starke Subventionierung der Wasserpreise, sowohl über die verschiedenen Sektoren der Wasserwirtschaft hinweg als auch durch zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Staatshaushalt an die öffentlichen Versorger. Dennoch sind in einigen Staaten der Region die Wasserpreise für die ärmere Bevölkerung unerschwinglich hoch bzw. eine erhebliche Belastung: Während die Weltbank nicht mehr als 2 Prozent des frei verfügbaren jährlichen Einkommens als akzeptabel für den Kauf von Wasser betrachtet, sind es in der Region bis zu 20 Prozent des Haushaltseinkommens welches - insbesondere im Urbanen Raum - für oftmals qualitativ geringwertiges Wasser ausgegeben werden (Allan 2001, S. 141).
126
Rahel Schomaker
Abbildung 5: Wassertarife in ausgewählten Städten und Regionen des Nahen Ostens und Nordafrikas
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3 Ο I
I< l, m
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m . sa a a s
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J -
φ Quelle: Weltbank o.J.a. 5.4.4. Aktuelle Problemfelder der Siedlungswasserwirtschaft Um die Zielvorgaben der Millennium Development Goals zu erreichen, müssen in den Jahren bis 2015 in der Region 83 Mio. Menschen - rund 27 Prozent der Einwohner - Zugang zu sicherem Trinkwasser erhalten, 96 Mio. Menschen (30 Prozent der Bevölkerung) benötigen Zugang zu sanitärer Versorgung (Arab Water Council 2006). Hier ist zu differenzieren zwischen dem Urbanen und dem ländlichen Raum. Während in ländlichen Regionen in einem ersten Schritt die reine Anschlusszahl an die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erhöht werden muss, um eine ausreichende Versorgung zu garantieren, ist das Problem im städtischen Raum ein anderes: Wasserinfrastruktur ist hier oftmals vorhanden, jedoch insuffizient. Nicht die Menge des theoretisch pro Kopf und Tag verfügbaren Wassers oder die grundsätzliche Anschlussdichte an die öffentliche Wasserinfrastruktur stellt hier also das Hauptproblem dar, sondern vielmehr zum einen die Qualität des Wassernetzes selbst und zum anderen die Qualität des verfügbaren Wassers. Bis zu 60 Prozent des in die Leitungen eingespeisten Wassers geht aufgrund physikalischer Verluste wie ζ. B. schadhafter Netze/Leckage oder durch administrative Verluste wie illegale Entnahmen verloren. Der Wasserdruck ist aufgrund von Leckage oder mangelhafter Pumpleistung oftmals gering (O'Sullivan 1999, S. 152). Insbesondere illegale Siedlungen und offiziell nicht existierende Slums sind jedoch auch im städtischen Raum nicht an die öffentlichen Versorgungsnetze angeschlossen. Daher muss - unabhängig von den offiziell hohen Anschlussraten, welche sich jedoch
Public Private Partnerships in der Wasserwirtschaft
des Nahen Ostens und Nordafrikas
127
nur auf legale Siedlungen bezieht - auch hier der generelle Anschluss an das Versorgungsnetz ermöglicht werden. A u c h entspricht die Qualität des Trinkwassers in der Mehrheit der Staaten des N a h e n Ostens und Nordafrikas nicht internationalen Standards. So ist - soweit eine physikalische oder chemische Reinigung ausbleibt - mit hochgradigen Belastungen durch Schwermetalle, Pestizide sowie virale oder bakterielle Erreger zu rechnen, ansonsten wird aufgrund der Verunreinigungen eine entsprechend h o h e Chlorierung notwendig. In vielen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas kann nur ein Teil der Kosten des laufenden Betriebes u n d der W a r t u n g der N e t z w e r k e aus den Einnahmen der Wasserbetriebe gedeckt werden; Neu- oder Erhaltungsinvestitionen sind in der Regel in Gänze nicht abgedeckt (vgl. Übersicht 22). Als Ursache für diese mangelnde Kostendeckung k ö n n e n zwei P r o b l e m k o m p l e x e identifiziert werden, z u m einen die hohen Kosten der (staatlichen) Wasserbetriebe, z u m anderen die geringen Einnahmen. A u f Seiten der Wasserbetriebe sind es insbesondere das ineffiziente M a n a g e m e n t und die veraltetet technische Infrastruktur, die zu einem hohen Anteil an Verlusten durch Leckage fuhrt, welche h o h e Kosten verursachen. A u c h die personelle Überbesetzung in den Wasserbetrieben erhöht die Kosten für die Betreiber zusätzlich, ohne dass diese Personalabdec k u n g unter Effizienzgesichtspunkten gerechtfertigt wäre.
Übersicht 22: Basisdaten der Wasserversorgung in ausgewählten Gebieten im Vergleich Gaza
Amman
Tunis
Algier
Casablanca
USA
London
practice
best
UFW* (Prozent)
31
52
21
51
34
13
23
100
Angestellte pro 1000 Netzanschlüsse
7
5,5
10
8,6
6
2
1,6