Preußische Husaren-Geschichten [3]


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German Pages 298 Year 1853

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S. ...
mal nicht in ſolchem Saal. Jeßt aber im üppigen...
dienft im Freien gefeiert. Auf einer ſchönen, noch ...
ſenden Truppentheife noch vor dem Brigadegeneral, der die ...
wie fte denn ſo ſchwer geworden wären. Gern hätte ...
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Fünftes Kapitel. ...
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den auf dem Kerbholze fißen, und es bedurfte mancher ...
Dienſte thun foll, das muß doch Folge leiſten und ...
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ſtehen ſie für eine Nacht auch gut genug und find ...
geweſen, wenn ſo der Bonaparte in der Nacht gefangen ...
Undere fümmerte er fich nicht mehr wie um eine Pfeife ...
Siebentes Kapitel. ...
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Erdmann uns eine Champagner-Geſchichte erzählt. Ja, ...
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Solche Sterle, obſchon fie nichts wie ſchreiben thuen, ...
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Und damit will ich denn heute Abend nun auch mit ...
ihre Büchſen etwas gereinigt hatten, ſogleich an ihre eigene ...
3ebntes Kapitel. ...
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die unſern angegriffenen Truppen zur Hülfe geſchickt waren, ...
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Schaden, auf den man ſonſt weiter nicht viel achtet...
verführen. Als wir denn abmarſchirten, da wollte fich ...
Elftes Kapitel. ...
gute Mahlzeit im Magen hat, pflegt der Soldat fich ...
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8wölftes Kapitel. ...
freute ich mich doch, daß der ſich heute mal ...
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und was die denn für ein Gefrache machten, könnt ...
l'empereur“ haben die Gardiſten noch immer gerufen, je ...
der ſchlechten Wege und aller ſonſtigen Mühſeligkeiten zu ...
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einen von ihren Tambouren, einen derben, handfeſten Juna ...
10,000 Gefangene machten wir Preußen allein. Das war ...
Dreizehntes Kapitel. ...
er dies dazumals nicht gethan hätte, denn viel Unheil ...
Soldaten ſolche zu ihrem Gebrauche einſt benußen würden. ...
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große Armee einen ſchnelleren Marſch gemacht. Dazu hatten ...
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volfem Galopp den Franzofen entgegen. Daß es man ſo ...
als Sieger in Paris einziehen zu dürfen. Na, ...
jest den Triumph und die Ehre, es auch an ...
Preußen und mit ihm der Prinz von Preußen, der ...
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Preußische Husaren-Geschichten [3]

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Preußiſche

Huſaren -Geſchichten 1

von

Julius von Wickede,

Dritter Theil.

Lincke 1

feipzig , Friedrich Ludwig Herbig. 1853 .

5965

M5

PT .

1565

no, 9381 V.3

CA Cincke

CHICAGO E PH

UNIVERSITY OF

2

---TA

LIBRARIES

CHICAGO, ILLES

Heims Library

Erftes Kapitel. 1

S.Do

einen vergnügten Königs-Geburtstag wie in dieſem Jahr , hatten die Huſaren von der Schwadron lange nicht mehr gefeiert. Zwar war dieſer Tag , wie es bei allen preus

Biſchen Truppen der Fall ſein wird, ſtets ſo feſtlich und fröh lich wie nur möglich von ihnen begangen worden ; - diesmal aber kamen gar manche glückliche Umſtände dazu die Feier noch mehr zu erhöhen. Zuerſt das ſchöne , ſonnige Herbſt wetter, das ganz wie zu einem ſolchen Feſt geſchaffen , es möglich machte daſſelbe unter Gottes freiem Himmel zu feiern. In dem kleinen Städtchen im Norden Deutſchlands, das der Schwadron gewöhnlich zur Garniſon diente , iſt der 15. Des tober faſt immer ſchon ſo raub und unfreundlid ), daß an Feſttafel und Tanz im Freien an dieſem Tage nur ſehr ſelten noch gedacht werden kann. Nothgedrungen muß. man ſchon in einen Saal ſich dann flüchten , und wenn auch alle ge ſchicten Hände der Soldaten noch ſo eifrig bemüht ſind,

dieſen Raum möglichſt feſtlich herauszupußen und die grün: ften Eichenbüſche und rotheſten Vogelbeeren , die man in der ganzen Umgegend nur finden konnte , zu diden Guirlanden verflochten , überall die Wände deſſelben verzieren , ſo ſchön

wie unter Gottes blauem Himmelszelt iſt es nun dod; ein III .

1

mal nicht in ſolchem Saal. Jeßt aber im üppigen , ſo reich von der gütigen Natur geſegneten badiſchen Lande , wie war es noch ſo ſonnig und milde draußen , wie ſdien ſelbſt der Himmel dazu aufzufordern , dieſen Tag ganz im Freien zu feiern. Aber auch beſſer wie gewöhnlich mit Gelde ausges ſtattet, fahen jeßt die Taſchen der Soldaten aus , und alle konnten ſchon einen größeren Beitrag wie ſonſt zur Feſtlichs feit beiſteuern. Stand man doch im Felde und gab es daher

Feldzulage , und in dem geſegneten badiſchen Land war die Verpflegung in den Quartieren größtentheils ſo reichlich und gut, daß der Fuſar recht bequem damit auskommen und mans chen Groſden daher zu ſeinen kleinen Vergnügungen außer dem verwenden konnte. Dazu war man jeßt noch in einem

Weinlande , und mag man nun auch ſagen was man will, ,,der Wein erfreut des Menſchen Herz “ und macht es luſtiger und vergnügter wie jedes andere Getränk. In der heimath lichen Garniſon da mußte man fich des Mittags bei der Feſts tafel ſchon mit einem Glaſe Bier begnügen, und des Abends auf dem Ball da fonnte, wenn es hoch fam , der Quſar feines

Königs Geſundheit nur in einigen Gläſern Bunſch trinken . Nun man war auch freilich nach Herzensluſt hiebei vergnügt, und alle Soldaten freuten ſich , wie recht und billig , ſchou das ganze Jahr auf dieſen ſchönen Tag. Aber beſſer iſt beſſer , und wenn man des Königs Geſundheit in gutem, leichtem Wein ausbringen kann, da läßt man Bier und Pund

gern dafür ſtehen . Ein Fäßlein echten Markgräfler hatte der Herr Rittmeiſter aber für die gemeinſame Mittagstafel ſeiner Schwadron jeßt einkaufen laſſen , was wahrhaftig nicht ſchlecht .

war und den puſaren ſchon ſchmeden konnte , und auch für

den abendlichen Ball ſollte es an gutem Wein nicht fehlen. Der Vormittag des Feſttages ward , nach guter Sitte, durch eine große Kirchenparade und einen feierlidhen Gottess

dienft im Freien Wieſe, nicht ſehr einquartiert war, Zwede errichtet. >

gefeiert. Auf einer ſchönen , noch grünen weit von dem Dorfe, in dem die Schwadron entfernt, hatte man einen Altar zu dieſem Aus grünem Moos und weißen Birkenſtäm

men war derſelbe von funſtfertigen Soldaten gar geſchickt aufgebaut worden ,1 und Guirlanden von bunten Aſtern und

*

anderen Herbftblumen bekränzten in ſchönen Bogenwindungen die Seiten deſſelben. Alle Truppen , die ungefähr 1 Stunde weit im Umkreis kantonirt lagen , waren zu dieſem Feſtlichen Feldgottesdienſt nach dem Plaße hinmarſchirt.

Da

war

Landwehr- Infanterie, kräftige, feſte Geſtalten mit ſchon ältes

ren, mehr ernſteren Geſichtern , wie ihre jüngeren Kameraden 1

von der Linie. Der kleine Feldzug in Baden und das mehr wöchentliche Leben im Felde , hatte der Landwehr ſchon den echten militäriſchen Schick verliehen , wie folchen jedes Sola datenauge mit Freude ſteht. Nur an dem Fehlen des rothen Borſtoßes am Waffenrod konnte man manche Compagnien der Landwehr jegt noch von denen der Linie unterſcheiden , 1

fonft tamen fte denſelben an paltung ,1 Marſchfertigkeit und Geſchidlichkeit im Gebrauch der Waffen ſdpn völlig gleich.

Verſchiedenen Regimentern und Provinzen gehörten aber die einzelnen Linien -Abtheilungen an , die hier bei der Kirchen : parade zuſammentrafen. Da waren die ſtämmigen, breitſdyul terigen Weſtphalen mit ihren hellblauen Achſelklappen , die

kleinen, aber gewandten Brandenburger, mit den rothen, und die unterſekten Polen " aus Ober-Schleſten ,1 mit ihren gelben Achſetklappen. Die Jäger - Compagnie aber , die ſo ſtattlich in ihren grünen Waffenröcken, mit den kurzen Büchſen, unter

luftigem Hörnerklang dahermarſchirt fam , mußte gewiß , nach dem ganzen Ausſehen der Jäger, aus fröhlichen Rheinländern beſteben. Was machte es aber auch aus , wenn die hier auf badiſdem Boden verſammelten Truppen aus Söhnen der 1*

-

verſchiedenſten und entfernteften Theile des großen Preußen landes beſtanden . Waren fie dody Alle preußiſche Soldaten, trugen mit Ehren ihres Königs Rock , feierten mit gleicher

Liebe und Treue ſeinen Geburtstag als den ſchönſten Feſts tag , den das Heer nur beſikt. Ungemein ſtattlich ſah auch die Artillerie aus , die eine halbe Batterie ſtark, zur Kirchen parade mit ausgerückt war. Mit vollſtändig beſpannten Ges ſchüßen war ſte gekommen , um nach dem Gottesdienſt die

Ehrenſalven zu geben . Wie aus reinem Golde gegoſſen , ſo hell glänzten die Röhre der Kanonen, die von den Artilleriſten mit äußerſter Sorgfalt für den feſtlichen Gebrauch dieſes Ehrentages gepußt worden waren. Der hellblaue Anſtrich der Lafetten und Räder, mit den ſchmalen , ſchwarzen Streifen darauf, war aber ſo ſauber und rein , als wenn der Maler mit ſeinem Farbentopfe eben erſt davon ſich entfernt hätte. Wahrlich man hätte eher glauben können , dieſe ſo zierlichen , glänzenden Kanonen ſeien mehr für die Aufſtellung in irgend einer prächtigen Waffenſammlung beſtimmt geweſen , als daß fie einer Batterie angehörten , die ſo eben einen Feldzug mit gemacht hatte. In größter Parade , ſo ſtramm auch zu Fuß, war die Huſaren -Schwadron zu dem Feldgottesdienſt hinmars ſchirt. Wenn Kavallerie ſonſt zu Fuß ausrüden muß, ſo will

dies immer nicht viel heißen. Der Marſch iſt ſchon der lan

gen Sporen wegen , auf die der Hintermann leicht tritt , nie ſo feſt und ſicher wie bei der Infanterie,1 und auch die Ges ſichter der Soldaten wie Officiere ſehen ſelten recht vergnügt

aus, denn Ade entbehren ungern ihre raſchen Pferde, ſebnen fich nach denſelben zurück und finden fein ſonderliches Vers

gnügen daran, jeßt des Schuſters Rappen “, wie man wohl zu ſagen pflegt, zu reiten , ſtatt ſonſt ein muthiges Roß. Heute aber ſaben die Huſaren alle ſo munter aus, und kamen auf dem feſten Raſenboden mit klirrendem Schritte ſo tüchtig 1

-

5

anmarſchirt, als wenn fte die geübteſten Infanteriſten wären. So blank und ſauber wie er nur irgendwie fonnte, hatte fich jeder Fuſar herausgepußt , und ſelbſt bei Solchen , die ſonſt hierin eine ſtrengere Aufſicht und etwaige Nachhülfe erforder ten, hatten die Unterofficiere der Beritte es diesmal gar nicht nöthig gehabt. Schwarz und glänzend, als wäre er mit dem feinſten Pariſer Lack überzogen , ſpiegelte ſich der Lederbeſat der Hoſen in der Sonne , die langen Sporen und die Sä belſcheiden und Klingen funkelten förmlich, ſo blank waren 1

fie gepußt, die Säbelfoppeln und die Bandeliere der Kartus idyen ſaben ſo weiß wie friſch gefallener Schnee aus , und auf den rothen Dolmans und den über die Schulter gehans

genen blauen Pelzen mit den weißen Sdnuren , hätte auch

das ſchärfſte Auge nicht den kleinſten Fleck zu bemerken ver mocht. Und wie verwegen waren die ſchwarzen Kolpads etwas ſchief auf den Kopf geſebt, und die ſcharlachrothen Beutel derſelben ſtachen gar ſo hübſch von dem dunkeln Pelz werk ab. Madyten doch die munteren helläugigen Mädchen in dem badiſchen Dorfe gar lange Hälſe und neugierige Ges ſichter, wie ſie ſo den ausmarſchirenden preußiſchen Huſaren nachſchauten, und freuten ſich doppelt auf den Tanz am heus tigen Abend, da ſie ſo ſchmucker Tänzer gewiß waren. Der Feldgottesdienſt war bald beendet. In einfach -würs

diger Weiſe hatte der Feldprediger allen Anweſenden die hohe Bedeutung des heutigen Tages für alle Soldaten des preus Biſchen Heeres an das Herz gelegt , und auf fruchtbaren Bos den waren ſeine Worte gewiß gefallen. Ein ſchön vorgetra gener kirchlider Geſang von beſonders darauf eingeübten

Sängerchören der Soldaten , und eine dreimalige Salve der Artillerie beendete die firchliche Feier. Unter dem Klange munterer Märſche, welche die ziemlich gut eingeübte Bataillons muſt eines Füjelier-Bataillons ſpielte , defilirten die anwes 1

ſenden Truppentheife noch vor dem Brigadegeneral, der die Kirchenparade abhielt, vorbei , und marſchirten dann wieder in allen Richtungen nach ihren verſchiedenen Quartierorten ab. Die ernſte Weibe des Tages war geendet , die fröhliche Feier deſſelben ſollte nun beginnen. Auf dem freien großen

Plage in der Mitte des Dorfes wurde die feſtliche Mittages tafel für die ganze Fuſaren -Schwadron aufgeſchlagen . Der Plaß , von großen Walnußbäumen , deren ſchon ſehr gegelbs tes Laub das bunteſte Farbenſpiel zeigte, umgeben, war ganz zu dieſem Gebraud, wie geſchaffen. Mit hurtiger Geſchäftig . feit tummelten die Fuſaren fich nun , alle die verſchiedenen

Vorrichtungen für das Mittagsmahl noch zu Wehr und Waffen und Pelze und Dolmans hatten die flinken Burſchen vorläufig wieder ſolche nicht bei den verſchiedenen Arbeiten, die

treffen. Ihre und Kolpads, abgelegt , um ſie jeßt nöthig

hatten , zu beſchmußen. In den kurzen Leinen - Jacken , oft fogar leinene Schürzen zur Schonung der Hoſen vorgebuns den , ließen fich ja derartige Geſchäfte am beſten verrichten. Aus allen Häuſern des Dorfes faſt wurden Tiſche zuſammena getragen , die lange Tafel , die im Viereck aufgeſchlagen war, aus ihnen zuſammen zu ſeßen , und Bänke und Holzſtühle, die man Fid ebenfalls von den Quartierwirtben gelieben, dann

darum geſtellt. Da gab es denn bei dieſem Zuſammenges ſchleppe ſchon manchen Spaß , und lautes Gelächter fonnte man überall hören. Gerade bei ſolchen Fanthierungen laſſen fich gar viele Wige und Scherze anbringen , und was die pfiffigen Köpfe der Schwadron ſind, die wiffen Manchen ihrer 1

weniger gewißten Kameraden nicht allein den ſchwerſten Theil

der Arbeiten aufzubürden , ſondern dieſelben nachher noch tüchtig dafür auszulachen. Wie mühſam z. B. feuchte dort

der Huſar, der einige Stühle hinter fich auf dem Rüden trug, unter der Bürde derſelben , und konnte gar nicht begreifen,

wie fte denn ſo ſchwer geworden wären. Gern hätte er ſeine Laſt mal abgeſegt, um fich einen Augenblick zu verpuſten . Da aber feine übrigen Kameraden , die ebenfalls hoch mit Stühlen beladen waren , raſch damit fortliefen , ſo ſchämte er fich deffen und ſchleppte ohne abzuſeßen fort , fo gut er nur konnte. Hatte er doch nicht bemerkt , daß ein anderer Hufar, der einen Arm voll Ziegelſteine berbeibolen ſollte, um ſolche zum feſteren Geradeſtellen - unter die Tiſchfüße zu legen , ihm

folche ſchlauer Weiſe heimlich mit auf einen Stuhl gelegt hatte, ſo daß er freilich ein tüchtiges Gewicht tragen mußte. Und für alle dieſe Mühe ward er nur nod von den Anderen

ausgelacht und verſpottet, als er endlich mit ſeiner doppelten Laſt angefeucht fam. Solche und andere derartige Spüße wurden von den luſtigen Fuſaren noch viele bei dieſer Arbeit gemacht, und wollte Einer oder der Andere die mit ihm vers

übte Fopperei auch wohl etwas übernehmen und ein verdrieß liches Geficht machen , er durfte es fich nicht merken laſſen, wenn er nicht noch mehr von all ſeinen Kameraden ausges

lacht werden ſollte. Beſonders auch ihre Voltigirgeſchicklichkeit über alle dieſe Tiſche und Bänke zu zeigen, waren einige der Huſaren , die mehr Luſt zum Springen in den Füßen , wie zum Arbeiten in den Händen zu haben ſchienen, unermüdlich. „ Jebt Acht, ich ſpringe über Den da mit ſammt ſeinem Tiſche

weg ,“ rief übermüthig ein Berliner, bekannt mit als zwar der Gewandteſte , aber dabei auch größte Windbeutel der ganzen

Sdymadron , auf einen anderen Huſaren zeigend , der einen ziemlich großen Tiſch auf dem Kopfe tragend , langſam einen fteilen Grashügel herauffeuchte. Das Lachen und Zweifeln der Anderen erregte den Ehrgeiz des Springers , und mit kräftigem Anfauf fam er dem Tiſchträger zum Sprunge ent gegengerannt. Statt über den Tiſch, fornte er nur auf dens

felben ſpringen , was übrigens auch nicht ganz leicht war.

Der Tiſch fippte denn natürlich von dieſer heftigen Erſchüts terung um , der Träger verlor aud dabei das Gleichgewicht, und zum großen Ergößen aller Zuſchauer rollten Springer, Träger und Tiſch einträchtig miteinander den ganzen Hügel wieder herunter. Es ſchimpfte und fluchte zwar der fo zum Fall gebrachte Fuſar nicht wenig und wollte ſeinen Kameras den dafür züchtigen , der aber war raſch und gewandt , wußte ſich des Tiſches zu bemächtigen, hielt ſolchen ſtets als Schild gegen ſeinen Angreifer , der halb im Scherz, balb im Ernſt mit einer Schaufel auf ihn eindrang, und brachte ſo die Las cher wieder auf ſeine Seite. Und ſo ging es fort und fort, und troß aller ſolcher Nedereien und Unterbrechungen waren die großen Tiſche und die langen Bank- und Stuhlreihen um dieſelben doch bald geordnet, und waren zur beſtimmten Zeit zur Aufnahme der Gäſte bereit. Andere Huſaren , die .

fid dabei aber alle Nedereien verbaten , da ihre Arbeit große

Aufmerkſamkeit erforderte , waren unterdeß beſchäftigt geweſen, den Plaß zu Ehren des Feſtes gehörig auszuſchmücken. In

der Mitte deſſelben , ſo daß man die Tiſche um ihn herum gelegt hatte , ſtand ein großer ſogenannter ,,Maienbaum ". Den hatten die badiſchen Inſurgenten als Freiheitsbaum bes

nußt gehabt , und wie die Preußen zuerſt in das Dorf ein. rückten , hing noch eine gewaltige rothe Jacobinermüße , die man aus dem rothen Wollenrod einer Elſaßer Bäuerin ges macht hatte, auf demſelben, und ward nun natürlich bald ents

fernt. Anfänglich wollten die Soldaten den ganzen Baum ſogleich umhauen , wie ſie es mit Recht überall, wo ſie ſolch Zeug fanden , gemacht hatten , ließen jedoch dann denſelben ſtehen , um ihn bei der Feier des -Königs-Geburtstages bes nußen zu können. Von der Spiße dieſes Baumes flatterte

jeßt ſtolz in der blauen Herbſtluft eine ſchwarz-weiße preußiſche Fahne , die ein geſchidter Kletterer unter. Den puſaren am

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Morgen dort befeſtigt hatte. In der mittleren Höhe deſſel ben hatten kunſtverſtändige Soldaten ein hübſches militäriſches Bild angebracht. Es war ein großer preußiſcher Adler mit der Königskrone auf dem Haupt , den ein früherer Maler, der jeßt bei der Schwadron diente , ganz geſchiđt auf einer großen Holztafel, die man dann nach der Zeichnung zuſchnitt, gemalt hatte , umgeben von gefreuzten Säbeln , Karabinern und Piſtolen. Zwei kleine preußiſche Fahnen flatterten zu 1

beiden Seiten des Adlers , während große Guirlanden von Buchsbaum die ganze Gruppe bekränzten . Auch über dem Lehnſtuhl, der am oberſten Plaß des Tiſches für den Herrn Rittmeiſter beſtimmt war , hatte man an dem Stamm eines

mächtigen Wallnußbaumes aus Säbeln , Piſtolen und Kara binern einen großen Stern, über dem zwei preußiſche Fahnen

wehten , zuſammengeſeßt. Unter allen dieſen Arbeiten und Zurüſtungen für das Feſt waren die wenigen Morgenſtunden nach der Kirchenparade faſt zu ſchnell verſtrichen , und man war faum damit fertig , als der Trompeter ſchon zum Stall:

dienſt blies. Alzulange hielt derſelbe diesmal nicht auf, denn das Pugen der Pferde am heutigen Mittag unterblieb dem Feſte zu Ehren. Mit dem Sdlage Ein Uhr ſchon konnten die Huſaren natürlich Ade wieder in beſter Parade -Uniform an den Tiſchen Plaß nehmen. Oben an der Feſttafel präſi dirte der Herr Rittmeiſter, dem zur Rechten und Linken die drei Lieutenants , die bei der Schwadron ſtanden , zur Seite

ſaßen. Der Wachtmeiſter und die übrigen Unterofficiere der Schwadron, ihrem Dienſtalter nach geordnet, folgten den Of ficieren, und darauf die übrigen Huſaren, wie ſie für gewöhn lid im Gliede ſtanden .

Eine fröhlichere , und dabei mit

beſſerem Appetit geſegnete Tiſchgeſellſchaft wie dieſe Huſareus Schwadron , die ſich hier zuſammengeſept, ihres Königs Ges

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burtstag in Luſt und Ehren zu feiern , hätte man weit und

breit in der ganzen Welt kaum finden können . Welche Geſchicklichkeit hatten aber auch die Stochkünſtler in der Schwadron ,I welche die Zubereitung des Mahles bes forgten , bei ihrem wichtigen Geſchäft diesmal entwickelt , und da man ihnen aus der Schwadronskaſſe eine ganz erfleckliche

Extraſumme dazu bewilligt, ſo konnten ſie ſchon eine Mahl

1

zeit liefern , die dem hohen Feſte alle Ehre machte. Zuerſt

eine kräftige Reisſuppe, in der man zum Ueberfluß ſogar noch einige Hühner gekocht hatte. In großen Schüſſeln wurde dieſelbe aus dem nahen Hauſe, in dem man mit Bewilligung ; des Beſibers die Feldküche aufgeſchlagen hatte , von Huſaren

herbagetragen, und war bald ſo vertheilt , daß jeder Mann 1

ſeinen vollgefüllten Teller davon erhielt. Auch die Officiere aßen gleiche Speiſen wie die Mannſchaft, doch wurden ihnen dieſelben , wie es in der Ordnung war , in beſonderen Ges fäßen , aus denen dann auch der Wachtmeiſter und die zu nächſt ſißenden Unterofficiere ihr Theil mit abbekamen, aufges tragen . Der Suppe folgte gutes Rindfleiſch , ſchon vorher in ſo große Stüđe zerlegt, daß jeder Mann kaum ſeine Por

tion bezwingen fonnte, dann Kalbø: und Schweinebraten , ebenfalls in reichlichen Portionen, mit Pflaumen -Compot oder Salat , je nach dem verſchiedenen Geldymack eines jeden, und dann ſüße Mehlſpeiſe. So wie der Braten fam, batten

übrigens die Unterofficiere jedem Huſaren einen großen Schop pen von dem guten Markgräfler-Wein, dem ſpäter dann noch ein halber folgte, eingeſchenkt. Jeßt erhob ſich denn auch der Herr Rittmeiſter , und brachte mit kräftiger Stimme die 1

Geſundheit von Sr. Majeſtät dem Könige aus , deſſen hohen Geburtstag feine Schwadron heute auf ſo fröhliche und feſts

liche Weiſe zu feiern das Glück habe. Ein dreimaliges laute $

3

11

Lebehod aller puſaren , begleitet von dem Schmettern der Trompeten , folgte dieſen Worten des Rittmeiſters. ,,Sr. Kös

miglichen Hoheit dem Prinzen von Preußen , dem ritterlichen Führer des Heere8 , unter deſſen befonderem Befehl zu ſtehen man jeßt in Baden die hohe Auszeichnung habe, " galt die zweite , mit gleichem allgemeinem Jubel ausgebrachte Geſund heit. Nun folgten die Geſundheiten aller übrigen hohen Mit glieder der königlichen Familie in Preußen , dann die der Generäle der Diviſion und Brigade, zu der das Huſaren Regiment gehörte. Der Wadytmeiſter brachte darauf im Na men der Unterofficiere und Quſaren die Geſundheit aller

Herreu Officiere des Regiments und beſonders des Herrn Oberſten und des Herrn Rittmeiſters aus , bei deſſen Schwaa dron fie zu ſteben die Ehre hätten . Groß war auch hiebei der Jubel der Fuſaren , denn ſo ſehr dieſe ihren Rittmeiſter im Dienſte fürchteten , eben ſo ſehr liebten und ehrten ſie dens ſelben auch außer dem Dienſte. Der alte Unterofficier Erdmann nahm fich darauf die

Erlaubniß , auf alle tüchtigen und achtbaren Soldaten in der ganzen Welt , und beſonders auf alle Fuſaren , möchten ſie nun auch einem Potentaten , wer es auch fei, dienen , die Geſundheit auszubringen, und allgemeinen Anklang fand die ſelbe unter den Officieren wie Soldaten. Ja zulegt, als die Tafel ſchon aufgehoben war, und die Officiere der Schwadron fidh eben in die Laube des Wirthshausgartens zurüdziehen wollten , dort den Kaffee einzunehmen , brachte ein junger, hübſcher Huſar, der gerade nicht der Blödeſte zu ſein ſchien, noch die Geſundheit aller hübſchen Frauen und Mädchen aus , 1

į die einen þuſaren ſchon in ihr Herz geſchloſſen hätten ,

oder

dies doc balb thun würden . Lachend ergriff der Rittmeiſter nod)male fein Glas wieder , ficß den puſaren vor fich komis

men und ſtieß mit demſelben an, indem er ſagte : „Im Namen

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meiner Frau muß ich mich bei Ihnen wohl für dieſe Geſund beit bedanken , " und „Hurrah unſere Fmu Rittmeiſterin ſoll

leben, hoch, hoch,“ riefen mit lautem Jubel darauf die fröh lichen Huſaren. Kommt doch auch ſo ein Königs -Geburtstag nur alle Jahre einmal 1, da kann man freilich wohl etwas außergewöhnlich luſtig ſein . Bald nady der aufgehobenen Mittagstafel und nachdem Alles wieder in die gehörige Ordnung gebracht war , folgten

die Zurüſtungen für den Ball , der den heutigen Feſttag bes ſchließen ſollte. Vorerſt nahm der Stalldienſt die Zeit der Huſaren aber noch etwas in Anſpruch, denn in Luft wie Leid, nach dem Gefedyt wie bei dem feſtlichen Mittagsmahl , darf der Reiter fein treues Roß nie vergeſſen , und muß ſtets ein

gutes Theil ſeiner Zeit mit der ſorgſamen Pflege deſſelben verbringen.

Wird ein ordentlicher preußiſdier Reitersmann

auch ſein Pferd nie vernachläſſigen , ſo hatte der Rittmeiſter an dem heutigen Tage , wo der Wein wohl Manchen ſchon etwas zu Kopfe geſtiegen ſein mochte, und die Ausſicht des baldigen Tanze$ die Gedanken in Anſpruch nahm , den Un terofficieren noch beſonders eingeſchärft, die einzelnen Leute ihrer Beritte ja recht ſorgſam zu überwachen und genau darauf zu ſehen, daß bei dem ganzen Staldienſt nichts übereilt, ſon dern Alles wie es ſich gehörte recht ordentlich gemacht würde. Vor dem Tanze ließ der Rittmeiſter auch noch die Gefreiten und alle älteren Huſaren der Schwadron , von denen er

wußte , daß fte Einfluß auf ihre übrigen Kameraden hatten, zuſammen vor fich kommen. Er ſagte ihnen , daß er allen Leuten den heutigen Abend bis Mitternacht ganz frei gebe, und aud feine beſondere Patrouille zur Aufrechthaltung der

Ordnung kommandiren wolle, denn dieſe vertraue er heute 1

allein der Ehre der Schwadron an. Alle puſaren möchten bedenken , daß es in einem fremden Lande eine doppelte

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Schande für die ganze Schwadron ſei, wenn an des Königs

Geburtstag irgend ein Exceß oder nur eine Unordnung ſtatt fände.

Solch Zutrauen ihres Rittmeiſters rechtfertigten die

Huſaren aber vollkommen, denn auch nicht der mindeſte Lärm oder Zanf irgend einer Art fam an dem Abend unter ihnen vor. War Ginem oder dem Anderen auch wohl der Wein etwas

zu ſtark zu Kopfe geſtiegen, und wer wollte darüber zür und ſeine nen , wenn an folchem Feſtabend dies geſchah, Kameraden merkten , daß er vielleicht etwas zu laut und un

geſtüm werden könne , nun da faßten ihn zwei Aeltere und Vernünftige unter dem Arm, und führten ihn möglichſt unbes merkt in ſein Quartier, daß er dort in aller Stille ſeinen

Rauſch wieder verſchlafen könne. Und auch Streitigkeiten wegen Vortanzen und ähnlichen Dingen durften gar nicht vors kommen , denn im Tanzſaal wurden nur Huſaren als Tänzer zugelaſſen, und die mußten ſich ſchon dem Ausſpruch ihrer älteren Kameraden fügen. Beſeelte doch ein guter Geiſt Adle, denn ſie ſeßten ihren Stolz darein zu zeigen , daß eine pren Biſche Huſaren -Schwadron auch ihres Königs Geburtstag in voller Luſt zu feiern vermag, ohne von Patrouillen und dienſt lich kommandirten Unterofficieren dabei überwacht zu werden . Und ſo ſollte es ſtets bei allen preußiſchen Soldaten ſein.

Der Tanzſaal ſelbſt, zu dem man den ſchönſten Saal des Wirthshauſes ausgewählt hatte, war von den Huſaren

am Nachmittage auf das Stattliciſte ausgepußt worden. Das Waffenbild mit den preußiſchen Fahnen daneben , was am Mittage den früheren Freiheitsbaum zierte , hatte man jest auf paſſende Weiſe an der einen Wand des Saales anges bracht. Auf der anderen Seite , dieſer Gruppe gegenüber, war ein Transparentbild Sr. Majeſtät des Königs ,1 auf ge

ſchmackvolle Weiſe durch dahinter aufgeſtellte farbige Lampen beleuchtet.

Mit vieler Mühe und nicht ohne Geſchicklichkeit

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batte der in der Schwadron dienende Maler dies Bitd nadi

einer Lithographie verfertigt, und wenn es auch freilich lauge fein Kunſtwerf war, ſo machte es ſeinem Verfertiger doch alle

Ehre und genügte ſeinem Zwede vollkommen . Daſſelbe war auch mit dem auf gleiche Weiſe gemalten und aufgeſtellten Bild Sr. Königl. Hoheit des Prinzen von Preußen der Fall, welches die dritte ſchmale Seite des Saales , der Hauptthür

gegenüber, zierte. Große Kränze umgaben dieſe beiden Bil der, wie auch ſonſt die Wände des Saales mit Guirlanden

von Buchsbaum und Tannenzweigen, zwiſchen denen rothe Vos gelbeeren auf geſchmadvolle Weiſe eingeflochten , verziert was ren. Ueber der großen Eingangsthür des Saales hatte man ein ſchwarz und weißes Transparent angebracht, aus dem mit Flammenſchrift die Worte : „Mit Gott für König und Vas terland " ſtrahlten . Auf dem Balle ſelbft, der um 7 Uhr, nach beendetem

Staldienft, begann und bis Mitternacht währte, herrſchte große Heiterkeit. An hübſchen Tänzerinnen fehlte es nicht, denn in dem großen Dorfe , in dem die Schwadron einquartiert lag, gab es gar ſaubere Mädchen in Menge. Von denen hatten nur Wenige die Einladung der Quſaren ,1 die in dem Hauſe ihrer Eltern oder Dienſtherrſchaften einquartiert lagen , oder ſonſt mit ihnen befannt waren , zu dem beutigen Feſtabend

ausgeſchlagen. Fanden ſte doch Ale , daß die preußiſchen Soldaten , die vorher in den demokratiſchen Schmierblättern dem badiſchen Volfe als halbe Barbaren und „ verthierte Sols datesta “ und „ entmenſchte Wütheriche" und Gott weiß was fonſt noch Alles , geſchildert waren , ſich als ganz artige, get fittete Menſchen betrugen. Freilich mit demokratiſchen Redens arten und nicht &nußigen Sticheleien auf ihren König und das Heer durfte man ihnen natürlich nicht kommen , da konnten ſie nicht allein ganz grob wieder auftrumpfen , ſondern auch

15

gar bald tüchtig zuſchlagen , wie es fich auch gehörte. Und tanzen konnten die flinken und adretten Huſaren gar zu gut, und die rothen knappen Dolmans und die weißen reinen 1

Lederhandſchuhe , die ſie auch alle beim Tanze trugen , das

Alles gefiel den hübſchen badiſchen Mädchen wahrhaftig nicht ſchlecht. Modyten daher auch einzelne verbiſſene Demofraten unter den Burſchen im Dorfe noch ſo viel im Geheimen das

gegen eifern und die Fäuſte in der Hoſentaſche ballen , - nun die Mädden fehrten ſich bald nicht mehr daran, ſondern ließen

dieſe böſe Geſichter ſchneiden und ſchiefe Mäuler machen , ſo viel fie wollten und gingen gern mit den luſtigen Quſaren und .anderen Soldaten zum Tanze. Waren ſie doch dort vor Roh

heiten und anderen Ungebührlichkeiten ficher, und endeten dieſe militäriſchen Feſte nicht mit Saufgelagen und blutigen Prü geleien , wie es in den Jahren 48 und 49 in den badiſchen Dörfern ſonſt bei ähnlichen Gelegenheiten nur zu häufig der Fall war.

Nicht weit von dem Tanzſaal entfernt, ſo daß die luſtige Muſik der Trompeter in etwas gemilderten Klängen recht gut zu ihnen hinſchallen fonnte , hatte fid in der Laube des

Wirthshausgarfens an dem Abend ein Kreis frober Trinker

zuſammengefekt. Es waren meiſt die Unterofficiere der Schwa dron und einzelne ältere Huſaren, die am Tanzen und ähnli chen Vergnügungen kein rechtes Behagen mehr fanden und ein vernünftiges Geſpräch bei einem ſoliden Glaſe Wein oder Bier und der dampfenden Pfeife im Munde vorzogen. Das zu eignete ſich aber das Pläßchen , was man an dem heuti gen Abend ausgeſucht, ganz vortrefflich , da es por dem füh len Nachtwind, der von den Bergen des nahen Schwarzwal. des herwehte, geſchüßt war und zugleich die freie Ausſicht auf die vom Mondlicyt hell beleuchtete , weite freie Rheinebene

darbot. Mit Flaſchen und Gläſern voll guten leichten Wein

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war der Tiſch ganz bedeckt, denn ein fürzlich zum Unteroffis

cier beförderter. Gefreiter, ein wohlhabender Bauersſohn, dem es an Mutterpfennigen nicht fehlte, benußte dieſen Feſtabend, ſeinen neuen Kameraden gleich einen kleinen Einſtand zu zahs len. So ließ man ſich denn Speiſe und Trank ganz vortreff lich ſchmecken und blies behaglich den blauen Dampf aus den

Pfeifen und Cigarren in die Abendluft hinein. Der vorzüg lichſte von Aden faſt war wieder unſer früherer Bekannter, der alte Unterofficier Frip Erdmann. Des Königs Geburtos tag war dem Alten ſtets ein hoher Feſttag, auf den er fich ſchon lange Zeit vorher ſehr freute und ihn immer ſo viel wie

nur möglich zu feiern ſuchte. Einen guten Tropfen Wein, der neue Wärme in ſeine Adern goß , liebte er dabei auch recht

ſehr, ohne jedoch im Mindeſten ein Säufer zu ſein , und ſo war er denn am heutigen Abend ſo recht vom Herzen kreuz fidel. Wahrlich, es fonnte auch ſchon einen Beſchauer Freude gewähren , das gutmüthige , recitliche Geſicht des Alten , was jekt vom Mondlidt bed beleuchtet wurde , ſo recht zu ſehen. Wie Silber erglänzten in dieſer Beleuchtung der lange weiße Schnurrbart und die gleichfarbigen Loden, die unter der flei nen Feldmüße ohne Schirm hervordrangen, während die hobe 1

Stirn und die ſcharf geſchnittenen Züge des hageren Geſtch tes ſo gut dazu paßten .

„ Ja ſo einen vergnüglichen Königs Geburtstag haben wir lange nicht gehabt ; wahrhaftig , ſo ein Tag fann einen alten Kerl, wie ich bin, wieder um ein Paar Jährchen jünger machen ," ſchmunzelte Erdmann, das Glas, aus dem er , einen langen Zug gethan , wieder niederſebend und dann den lans

gen Schnurrbart durch die Finger ziehend , ihn von den das ran fißengebliebenen Weintropfen zu reinigen. ,,Das will ich meinen ," entgegnete ein anderer Unteroffi cier, „ſolch guter Wein wie hier kommt bei uns kaum auf die

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1. Tafel der Herren Officiere , und wenn man am 15. October | Abends gar noch im Freien fißen wollte, ſo könnte man nur gleid, die Mäntel anziehen und ein tüchtiges Bivouakfeuer da bei anzünden ." ,,Nu, Alles kann man in einem Lande nicht zugleich has ben. Es gefällt mir bei uns zu Hauſe doch recht gut, wenn i wir auch ſolch einen Wein nicht bauen , und id) möchte doch

nirgends anders, wie in unſerem alten preußiſchen Lande für 1

I immer leben ,“ warf ein dritter Unterofficier, auf deſſen Bruſt auch ſchon die filberne Dienſtſchnalle erglänzte, entgegen. „ Ja, das iſt ein ander Ding , " hieß es ießt allgemein im Kreiſe ; , unſer Preußen und gar die Marf Brandenburg wola

len wir deshalb gewiß nicht verachten , wenn man audy keinen Wein da baut und am 15. October des Abends nicht mehr draußen fift."

„Na , wenn man verliebt iſt, thut man das auch. Idy habe mit meiner Geliebten mal eine ganze Januars-Nacht in Magdeburg im Schnee vor der Hausthür geſeffen , da wir in das verſchloſſene Haus nicht mehr hinein konnten, " meinte la chend ein junger, hübſcher Unterofficier, der ſchon danach aus fah , als könne er ein feuriges Mädchen zu einem nächtlichen : Rendez-vous troß Schnee und verſchloſſener Hausthüre be 1

wegen .

„ Wir ſollten nur ſo manchmal zur Veränderung unſeres Königs Geburtstag ſo in einem andern " Lande feiern dürfen, wenn wir aud) für immer ſonſt gern in unſerm Preußen, wo es mir eigentlich doch auch am Beſten gefällt, bleiben möch ; ten , “ ſagte wieder ein Korporal .

,,So da drüben im franzöftſchen Lande , was mit den blauen Bergen ſo hübſch über den Rhein berſchimmert , da

müßte es ſich prächtig den Königs-Geburtstag feiern laſſen. Guten Wein in Menge haben ſie dort und an hübſchen Täns 2 Ill .

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zerinnen für unſere flotten Burſchen würde es auch nicht feh len , " meinte der Erſte.

„ Ja , das ginge wohl , aber es geht nicht , wie man zu fagen pflegt. Ein fideles Feſt ſollte es wohl ſouſt da wer den und die hübſchen franzöſiſchen Mädels , die ſollten mir ſchon gefallen . Sapperment , id) wollte mich ſchon mit ihnen verſtändigen , “ ſcherzte der junge Herzenscroberer und fräuſelte fich ſchmunzelnd bei dieſem lockenden Gedanken ſchon ſein

ſchwarzes Bärtchen in die Höhe.

„ Nu, warum ſollte denn das nicht angehen, wenn es ge rade ſo kommen ſollte,“ ſprach der alte Erdmann. „ Es wäre doch wahrhaftig das erſtemal nicht , daß wir preußiſchen Hu: ſaren den „ Königs-Geburtstag " im franzöſiſchen Lande feiers ten und ich bin ſelbſt zweimal mit dabei geweſen . Gar das legtemal, Anno 1815, da waren wir in einem ſchönen Lands

hauſe, was man noch ſo zu Paris hinzurechnete, und da ging es denn ſo luſtig zu , daß wir uns es gar nid)t beſſer wüns (den konnten . "

„ Wie war es denn da, Vater Erdmann, erzählen Sie uns ein Bischen mehr davon . Wir Fiben hier gerade ſo redyt ver

gnüglich beiſammen und ſo hören ſich ſolche Geſchichten am Beſten an ," bat jeßt der junge Unterofficier mit dem kleinen ſchwarzen Barte, der ſchon als Huſar ſtets zu den beſonderen Lieblingen des Alten gehört hatte.

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Zweites Kapitel.

,,Nu, wenn Ihr es denn gern hören wollt, ſo kann ich Euch die Geſchichte von dieſer Feier ſchon erzählen , “ antwor tete der Alte , indem er ſich ſeine Pfeife friſch ſtopfte. „Alſo bört zu. Daß unſer Huſaren -Regiment in der großen Schlacyt bei Belle Alliance, die auch von den Engländern die von Wa terloo genannt wird, ordentlich mit auf die Franzoſen losfa laſdite , wißt Ihr ja Ale , und wenn es ſich gerade die Ge 1

legenheit ſo trifft, erzähle ich Euch auch ein andermal nodi mehr davon.

Wenn audy mancher braver Huſar bei dieſer

Schladt aus dem Sattel mußte und wir in all dieſen Tagen bei Ligny und Belle - Alliance auch große Verluſte hatten , ſo waren wir Andern dod alle in unſerer Seele recht vergnügt

darüber. Zum zweitenmal ging es jeßt in das franzöſiſdie

Land , und unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Ercellenz, den wir Preußen jeßt als oberſten Anführer hatten, was uns Alle ſehr freuen that, ſagte , diesmal ſollten wir etwas länger drin bleiben und das franzöſiſche Land beſſer beſehen wie das ,, Die Franzoſen geben ſonſt doch keine Ruhe und

erſtemal.

· holen ſich ihren Bonaparte am Ende noch gar zum dritten mal wieder, wenn wir jeßt nicht ihnen mal ordentlid, den Hochy:

muthsteufel aus dem Leibe treiben . Na, an mir foll es nicht 2*

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liegen , wenn es nicht geſchieht, ſobald id) nur die verfluchten Federfudiſer und all die andern Kerle mit ihren glatten Ge ſichtern und ſchönen Redensarten vom Halſe habe, “ hatte der Alte noch am Abend vor der Schlacht bei Belle-Alliance ge ſagt. Und als ich ihm ein paar Tage drauf mal unter die Augen fam und mein kleiner Fuchsbleß , den ich dazumalen ritt , von dem ſtändigen Verfolgen der Franzoſen etwas ab geradert ausſah und ich dazu auch wohl ein Bischen müde

und marode, da rief er mir zu : „ Ieh, ſieh da, Frige Erds

mann, das freut mir ſehr, Dich noch munter und geſund auf die Knochen zu ſehen. Na , man immer vorwärts und friſch druf los auf die Franzoſen , daß ſie keine Ruhe kriegen , ihr Huſaren. Diesmal ſollt Ihr denn auch ſo lange in Frank reich bleiben, bis Ihr Alle Franzöſiſch könnt," und dabei ritt der Alte lachend weiter. Daß wir und die Quſaren , die bei mir waren , uns über ſolche Worte von unſerm Feldmarſchall 1

1

von Blüdyer Excellenz ſehr freuten und alle Müdigkeit ießt

ganz vorbei war, fönnt Ihr Eudy wohl denfen, Kinder. Ja der Olle der verſtand's, wie man mit den Soldaten umgehen mußte, daß ſie mit Freuden den leßten Blutstropfen und die äußerſte Kraft hergaben. Na, um aber auf meine Geſchichte von der Feier des Kö nigs -Geburtstags zu kommen , ſo waren wir denn dazumalen bei Paris. Zwar war es unſerem Regimente und auch den pommerſchen Huſaren zuleßt noch bei Verſailles, wo uns die Franzoſen mit großer Uebermacht überfielen , recht ſchlecht ge

gangen und wir hatten manchen braven Kerl und manch gu tes Pferd dabei verloren , im Ganzen aber ging dieſer legte Die Franzoſen hatten bei BellesAlliance fo viel Schläge bekommen ,1 daß fte nidyt mebr nocy verlangten , und da ihr Bonaparte auch dion wieder abgezogen war, um diesmal nicht wieder zu kommen,

Theil von dem Feldzug doch raſch vorbei.

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ſo übergaben ſie denn ihr Paris audy bald . Sie hatten zwar auch diesmal wieder, wie das ihre Art nun ſo einmal iſt, große Mäuler machen wollen und gewaltig ſchwadronirt, Paris dürfe nicht übergeben und es folle eine Regentſchaft vder irgend ſo ein anderes Ding da eingeſeßt werden und darüber hatten ſie auch mit unſerm Alten parliren wollen.

Da waren ſie aber

diesmal juſt an den Rechten gefommen und der zeigte ihnen ſchon , wo Barthel den Moſt geholt hatte, wie man zu ſagen pflegt. Als die Deputation , die ſoldies ausmachen wollte, zu unſerm Herrn Feldmarſdall von Blüder Ercellenz ins Haus fam , da hat der Alte ſte zuerſt mal ein paar Stunden in ſeinem Vorzimmer warten laſſen. Er hat geſagt, er habe vor der Sand etwas Nöthigeres zu thun , als mit den Frans zoſen zu parliren , denn er müſſe die Liſten ſeiner Soldaten

nachſehen , daß alle die braven Jungen , die Auszeichnungen verdient hätten, ſolche nun auch richtig erhielten.

Als denn

nun die Franzoſen fid) erſt ein paar Stunden in dem Vorzim

mer müde geſtanden hatten, da iſt unſer Alter denn in ſeinem abgetragenen Uniformrock , ſeine lange Thonpfeife in der Hand, wie nun ſeine Mode einmal ſo war, zu ihnen gefom men und hat gefragt, was fte wollten. Die haben denn nun nach ihrer Art gleich Franzöſiſch zu parliren angefangen, denn ſo die Franzoſen die glauben ſchon , jeder ehrliche Chriſtenmenſch

.

auf der ganzen weiten Welt, der müſſe auch ihre Spradie * verſtehen. Unſer Alter aber der hat gleich mit der Fauſt auf dem Tiſde aufgetrumpft und geſagt , was das für eine vers fludyte Dreiſtigkeit ſei, in ſeinem Zimmer Franzöſiſch mit ihm ſprechen zu wollen .

In dem Hauptquartier von einem



niglid preußiſchen Feldmarſchall da dürfe nur Deutſch ges ſprochen werden , und wer das nicht föune oder möge, der 1

folle fich lieber gleich zum Teufel ſcheeren. Na, als die Fran zoſen , die bei der Deputation waren , ſo etwas hörten , da 1

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ſollen ſie zwar ſo grimmige Gefichter geld nitten haben , als wenn ſie Rhabarber freſſen müßten , was ihnen aber nichts half, denn Einer von ihnen, der Deutſch konnte, hat für gut dies auch ſprechen müſſen . Geſchah ihnen ſchon recht, denn als die Franzoſen von Anno 1806-13 bei uns im Lande

waren , da haben ſie es noch oft viel ärger gemacht und ihre Generäle ſind gegen die unſeren noch weit gröber geweſen . Ja, wer da nid )t Franzöſiſch mit ihnen parlirte , dem hätten

fie gleich den Rüden gedreht, und ſelbſt wenn er dies gethan, ſo mußte er , fid auch ſo noch ſchlecht behandeln laſſen und Grobbeiten über Grobheiten einſtecken .

Als denn nu die Deputation unſerm Herrn Feldmarſchall von Blücher Ercellenz ihre Bitte vorgetragen, daß Paris die8

mal von einer fremden Beſaßung befreit ſein möge, da hat der noch viel ärger mit der Fauſt auf den Tiſch gehauen wie zuerſt, da er in der franzöſiſchen Sprache angeredet ward . „ Schock ſchwerenoth ! " ſoll er ausgerufen haben , „ was iſt denn das für eine verfluchtige Bitte. Meint Ihr, daß Ihr mir alten 1

Mann zum Narren haben könnt. Da roll doch gleid, das Wetter einſchlagen . Jd will Guch man ſagen, daß wenn ich in ein paar Stunden nicht die Schlüſſel von Paris in Hän

den habe, ſo laſſe ich die ſchweren Batterien dagegen auffah ren und meine

Schwarzfrägigen " die werden ſidy

don ein

Vergnügen machen , Guer ganzes Neſt in Grund und Boden zu ſchießen . 11"

Und als die Franzoſen noch haben dagegen

Einwendungen machen wollen , da hat der Alte ausgerufen : „Baſta , was ich geſagt habe , dabei bleibt es und dies iſt 1

mein legtes Wort, darauf fönnt Ihr Euch verlaſſen , ſo wahr id ) Gerhardt Leberecht von Brüder heiße und die Ehre habe !,

Sr. Majeſtät des Königs von Preußen wohlbeſtallter Feld marſchall zu ſein ," und damit iſt er fortgegangen und hat die

Deputation ſtehen laſſen. Ja dieſe Geſdichte, die iſt wahr,

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das könnt Ihr glauben , Kinder , ein Unterofficier von uns, der dazumalen als Ordonnanz mit im Hauptquartier des Herrn .

Feldmarſdalls von Blücher Ercellenz kommandirt war , der bat ſie mir und all uns Anderen viele Dußend mal erzählt, und wir Alle haben immer unſere herzliche Freude darüber

gehabt. Unſer Alter der verſtand's aber aud), wie man mit den Franzoſen am beſten umgehen mußte , das hab' ich mein Lebtag geſagt. Na , dieſe Deputation die trollte fich denn wie ein begoſſener Pudel von dannen und hatte nichts Gilis 1

geres zu thun , als die Schlüſſel von Paris zur verlangten Stunde herbeizubringen , ſo daß unſere Soldaten ruhig ein ziehen konnten .

Es war dies aber auch ein Glück für die

Stadt , denn unſere fdweren Batterien die waren ſchon zur Beſchießung derſelben in Bereitſchaft geſegt , und unſere Ars tilleriſten die hätten den Herren Pariſern gern einen Tanz aufgeſpielt, daß denſelben Hören und Sehen dabei vergangen

wäre. Ganz anders wie die Muſik in ihrer großen Oper ſollte es geflungen haben , wenn mal ſchwere preußiſche Ges düşe ihnen aufgeſpielt. Auf dieſe Weiſe fam es denn , daß wir Huſaren in der

nahen Umgegend von Paris, wo es beſſere Ställe wie in der Stadt ſelbſt gab , in Kantonirungsquartiere gelegt wurden und unſeren Königs- Geburtstag dort feiern konnten . Dazu malen regierte ja noch Se. Majeſtät unſer hochſeliger König Friedrich Wilhelm lil . - biebei legte der alte Erdmann ebrers der jest bietig ſalutirend ſeine Sand an die Feldmüße auch ſchon hoch oben im himmliſchen Paradieſe thront, unſer Preußenland , und deſſen Geburtstag war ja , wie Ihr alle wißt , am 3. Auguſt. War ja dies viele lange Jahre hin durch der größte Feſttag , den wir preußiſchen Soldaten uur. kannten, auf den wir uns ſchon immer eine ganze Zeit vorher freuten . Nu dieſeu ſchönen Tag , deu jeßt ſo redyt hier bei

Paris nach beſten Kräften zu feiern, hatten wir Huſaren uns alle vorgenommen und wir glaubten uns auch dieſe Feier redlich genug verdient zu haben , denn gar viele Beſchwerden hatten wir in dem lezten Feldzug wieder ertragen und man chen braven Kameraden verloren . Das ſchöne Landhaus mit ſeinen weitläuftigen Stallun

gen und Hofgebäuden, in dem unſere Schwadron einquartiert lag , gehörte einem reichen Grafen in Paris. Der fagte , er ſei fo ein rechter Anhänger von die Pompons , wie man die

Königsfamilie nannte, die jeßt wieder in Paris von uns ein gelegt war , nachdem der Bonaparte fie ein paar Mal vers trieben . “

,, Bourbons - nennt man die, " unterbrach jeßt ein junger Unterofficier den Alten , in etwas belehrendem Tone. ,, Ady was, Bourbons oder Pompons, das fommt ſo uns gefähr auf eins heraus, wie kann man auch von einem preus Biſchen Unterofficier von den Quſaren wohl verlangen , daß er fich die Namen von all den Herrſchaften, die in den legten 50 Jahren ſchon im franzöſiſchen Lande die Gewalt gehabt haben, merfen ſoll. Das geht da ja dort wie in einem Tau: 1

benhaus ein und aus und unſereins hat mehr zu thun , als alle das im Kopfe zu nehmen, " brummte der Alte, über dieſe

Zurechtweiſung verdrießlich geworden.. „Ich glaubte wahrhaf tig, Pompons hießen die, weil ja ſolche auch an den früheren

Chakos bei uns getragen wurden , als wir ſolche noch hatten ,

und die häßliche Mode derſelben ja auch aus Frankreich ge kommen ſein ſoll. Na alſo dieſer Graf ſagte , er ſei immer ein großer Anhänger von den rechtmäßigen Königen, die jest

wieder im Lande herrſchten , geweſen , und darum freue er fich ſehr, daß wir preußiſchen Quſaren jeßt in ſeinem Schloſſe

in Quartier lägen, da wir doch zur Wiedereinſepung derſelben mit geholfen hätten. Ob dies freilich ſo die wahre Meinung

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i von dem Herrn Grafen war , fonnten wir nicht wiſſen. Im Dorfe erzählten uns die Leute , derſelbige ſei bei dem Bona

e parte , als der noch Macht und Anſehen beſeffen und Geld und Ordens auszutheilen gehabt , auch ganz gewaltig herum ſcharwenzelt und habe den Krummbucel gemacht, und erſt ſeit : dem der nichts mehr zu verſchenken , wolle er nichts von ihm wiſſen und es gern mit dem neuen Könige halten. Na bei den Franzoſen darf einen ſo etwas nicht wundern . Die find

oft ein gar wetterwendiſches Volf , und hängen den Mantel gern nach dem Wind , heute ſo und im Handumdrehen wieder ganz anders . Und gar die vornehmen Herrn ſo die Grafen und Barone dort , von denen man wahrhaftig doch

etwas Beſſeres erwarten ſollte, die ſind oft gerade die Allers idylimmſten hierin , und wer ihnen am Meiſten Geld und gut zu eſſen und zu trinken giebt, den hängen ſie für den Augen: blick an , mag er auch ſein wer er ſonſt wolle. Darum will es mit dem Lande auch nicht mehr ſo recht vorwärts gehen , und alle paar Jahre haben ſie ſich eine neue Herrſchaft dort angeſchafft. Doch laß fie nur immer thun was fie wollen ,

geht es uns doch eigentlich nichts an, und haben ſie ſich eine ſchlimme Suppe eingebroďt, können ſie ſoldie nun auch allein ausfreſſen.

Uns Huſaren fonnte es dazumalen ganz egal ſein, ob der * Herr Graf ſo im Innern ſeines Herzens es mit dem Bonn parte oder dem Louis, ſo hieß der neue König, hielt. Einen ganz guten Weinkeller hatte er , und ſein Verwalter befam

die Ordre , nicht damit gegen uns Huſaren an dieſem Ehreits

tage zu knauſern , ſondern uns vom Beſten aufzutragen , ſo viel wir wollten. Da gab es denn einen Wein , fapperment, ſo einen guten Tropfen habe ich weder vorher noch nachher

je wieder gekoſtet, und ſelbſt unſere Herrn Officiere, die ſich doch auf die Sadie verſtehen mußten , ſagten ,! daß ſei ein

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echter, und ſo einen bekomme man ſelbſt in ganz Berlin nicht, und wenn man auch zwei Thaler für die Buddel auf den Tiſch legen wolle. Der Wein , den wir jepunter trinken , iſt

wahrhaftig aud ein ſehr guter , wie ihn unſereiner auch nicht allzu oft zu koſten bekommt, aber dazumalen der auf dem

Schloß des franzöftſmen Grafen bei Paris , der war denn doch noch beſſer, das kann ich nicht anders ſagen , wenn ich wahr ſein will.

Den Mittagstiſd hatten wir damals auch im Freien auf

geſtellt, denn es war ſehr warm und ſchönes Wetter. In dem Garten war ein großes Gewächshaus und da hatte der Gärtner uns denn die ſchönſten Blumentöpfe geben müſſen,

und da' hatten wir ſo eine große Pyramide oder wie man ſo ein Ding nennt, un8 zuſammen gebaut. Und oben auf der Spige davon war das Bild von Sr. Majeſtät unſerem hoch. feligen König Friedrich Wilhelm III . – der Alte ſalutirte wieder fehr chrerbietig angebracht. Von Lorbeeren , die es da im Garten gab , hatten wir eine große Guirlande ges

wunden, und damit, wie es ſich gehörte, das Bild von unſe: rem König umkränzt , was ſich denn ſehr prächtig ausnahm . In dem Schloſſe gab es auch viele Küraſſe und Helme und Schwerter, wie ſie in früheren Zeiten noch weit vor dem gro Ben ſtebenjährigen Kriege ſo die alten Ritter , was gewaltig ſtarke Leute geweſen ſein müſſen , getragen haben . Aus dies fen Rüſtungen hatten einige Huſaren von uns , die ſich auf dergleichen Kunſtſtücke gut verſtanden , zwei ſo Rittergeſtalten , daß es beinahe ganz ſo ausſah, als wenn wirkliche Menſden noch darin wären , zuſammen geſtellt und ſolche an beiden Seiten der Blumenpyramide unter dem Bildniß von unſerm König poſtirt. In der einen Hand trug jeder dieſer Ritter ein großes blankes Sdwert , als wenn er es präſentirte, in

der andern Şand aber eine ſchwarzweiße preußiſche Fahne.

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Als wie ſo ein paar Schildwachen ſtanden dieſe beiden Ritter

da und ſahen ganz prächtig aus , wie die Sonne jo in ihren 1

blanken Helmen und Küraſſen und Schildern fich funfelte, und wir Huſaren alle batten unſere große Freude darüber.

Auf kleineren Geſtellen , die auch ganz mit ſchönen Blumens ſtöcken verziert waren , hatten wir rings um den Plaß , wo wir aßen , die Bilder von unſerem Herrn Feldmarſchall von 1

Blücher Ercellenz und von den Herren Generälen von Gneis

ſenau, York, Bülow, Kleiſt und Ziethen, die Alle ſo viel mit dazu beigetragen , daß die Franzoſen ſo oft von uns Preus ben Schläge bekamen und wir ſo den verdammten Tag von

Jena wieder gut machten , aufgeſtellt. Und auch das Bild von dem Herrn Oberſten von unſerem Regimente , von dem wir Hujaren alle ſo viel hielten , fehlte dabei nicht , und aus

Säbeln und Piſtolen batten wir ein hübſches Fußgeſtell für daſſelbe zuſammen geſtellt. Das Mittagseſſen war eigens von dem Koch des Grafen für uns gekocht worden und der verſtand ſeine Sache ſehr gut, und war mit Sdymalz und anderen delikaten Zuthaten

nicht ſparſam geweſen. Als Braten bekam jeder Huſar ein talbes Huhn ſo recht fett gebraten , und nachher noch ſo viel Kuchen wie er nur eſſen wollte. Der Graf mit fammt der

Frau Gräfin , was eine gewaltig ſchöne Frau mit langen Hängelocken war, die ihre ſchwarzen Augen audy nicht umſonſt im Kopfe hatte und unſeren Herren Lieutenants oft recht ver

liebte Blicke zuwerfen konnte , fam auch noch als wir bei Tiſche ſaßen und eben die gebratenen Hühner unter den Meſs ſern verarbeiteten. Na die Geſundheit auf Se. Majeſtät uns ſern König Friedrich Wilhelm III . ſalutirend - und -

dann audy verſchiedene hohe Herren Generäle und andere

Herren Officiere , war von uns ſchon ausgebracht worden , und der Graf hatte , wie es ſich gehört , tapfer mit gerufen

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und angeſtoßen und auch die Frau Gräfin dabei an ihr Glas genippt. Als denn endlid, zuleßt derſelbige die Geſundheit von ſeinem franzöſiſchen Könige ausbrachte und ſagte, das ſei ſehr ein guter Freund von unſerm Könige, ſo hatten wir denn auch nichts dagegen und tranfen in Gottes -Nainen mit, und ließen den franzöſiſchen König audi hoch leben , obſchon er eigentlich uns gar nichts angeht und wir kaum wußten, ! wer er denn war , und wir ihr unſer Lebtag nicht geſehen hatten. Ein paar Tage darauf ſoll in allen franzöſiſchen Zei tungen geſtanden haben , wie welche von unſeren Freiwilligen, die es geleſen hatten, erzählten, „ daß die preußiſchen Huſaren auf dem Schloſſe des Herrn Grafen So und So , mit nicht endenwollender Begeiſterung und ſtürmiſchem Jubel , die Ge fundheit von Sr. Majeſtät dem Könige von Frankreich ges

trunken hätten. " Die Zeitungsſchreiber die verſtehen freilich das Lügen ſo recht aus dem Grunde , obgleich die anderen Leute es auch oft nicht beſſer machen . Der franzöſiſche Graf,

der ſoll, wie geſagt wurde, ſpäter von ſeinem Könige für dies ſen glänzenden Beweis ſeiner Treue einen Orden geſchenkt bekommen haben. Ja es iſt viel Hokus-Pokus auf der Welt und gar in Frankreich am Meiſten. — Am Abend da hatten 2

wir Huſaren von dieſem Königs-Geburtstag denn auch einen

Ball, wie es ſich gehörte. Da es ſchönes , warmes Wetter war , ſo ward draußen im Garten getanzt und wir hatten den Tanzplaß mit Lampen , vor denen Sdyirme von rothem ; grünem , gelbem und anderem farbigem Papier angebracht waren, illuminirt, was ſich denn gewaltig ſchön ausnahm. Auch

ſo Transparente, wie am heutigen Abend, hatten wir gemacht und da ſtand auch zu leſen : Hoc Se. Majeſtät unſer König

von Preußen , und mit Gott für König und Vaterland man immer vorwärts drauf 108.“

Einige von uns Huſaren , die

fich auf das Malen verſtanden , hatten ein großes Bild ges

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macht, auf dem der Bonaparte mit ſeinen franzöſiſchen Gres

nadieren und Küraſſieren in vollem Davonlaufen dargeſtellt wurde , und wir preußiſche Huſaren ihn mit hochgeſchwunges nen Säbeln verfolgten. Unſer Herr Rittmeiſter aber, der das Bild geſehen hatte , verbot die Aufſtellung deſſelben und bes fahl es zu verbrennen. Er ſagte, „ einen Feind mit den Waf fen in der Band , den müſſe ein preußiſcher Soldat zu be kämpfen ſuchen , wo er es nur fönne , einen beſiegten aber dann ſpäter durch Spott und Hohn irgend einer Art noch fränken zu wollen , ſei etwas Unwürdiges , was fein braver Krieger thun dürfe." Und wir Alle bei der Schwadron fühl 1

ten wohl , daß unſer Herr Rittmeiſter Redyt hierin habe , und

diejenigen, welche das Bild gemalt hatten , ſchämten ſich dar über und waren am Flinfſten mit dabei , es wieder zu ver

brennen. Şübſche Mädchen gab es übrigens auch auf dieſem Ball dicht bei Paris genug , und da ich dazumalen noch ein junger, flinker Kerl gerade ſo in meinen beſten Jahren war, ſo tanzte ich denn auch ordentlich herum. Zwar konnte ichy mid, mit meiner Tänzerin gar nicht verſtändlich machen, denn ſie konnte gar kein Wort Deutſd) und ich hab' von der fran zöftſchen Sprache auch nie mehr als ſo ein paar halbe Res densarten und wie Brod und Fleiſch und Wein und Haber heißt , lernen mögen. Nu, wenn man aber noch jung iſt, da braucht es für einen Soldaten gerade nicht allzuviele Worte, um ſich mit einem hübſchen Mädchen verſtändlich zu machen.

So die Blicke mit den Augen und das Drücken der Hände,

thun dann auch ſchon ihre gute Sadie. Im Anfang thaten übrigens die franzöſiſdien Mädchen an dem Abend gewaltig ſpröde und ſtolz, und ſagten , ſie wollten nicht mit den preu Biſchen Soldaten , was die Feinde von ihren Landsleuten wären , zum Tanze geben . Als aber unſere Trompeter gar

ſo luſtige Muſik zu machen anfingen und der Garten mit all

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den bunten Lampen fo prächtig ausſah, und ein großer Liſd

mit Kuchen und Wein aufgeſtellt ſtand, da famen fie in gro: Ben Haufen immer näher und näher angetrippelt und recten die Hälje , um all die ſchönen Sachen beſſer anſehen zu föns nen. Und wie wir yufaren dann an fie beran famen und

fie zum Tanze abholen wollten , ſo hatten ſie ſid ) zwar au

fänglich alle ſo , als wenn ſie fortlaufen wollten , ließen dies aber für gut bleiben . Sie zierten und ſperrten fich anfäng: lich zwar noch etwas , doch war dies mehr äußerlich ſo zum Schein , als daß es recht von Innen heraus fam , und die Muſik hatte noch keine Stunde lang aufgeſpielt, ſo tanzten fie faſt Alle redyt luſtig mit , und konnten zulezt gar nicyt vom Tanzen genug befommen. Frauenzimmer bleiben immer

Frauenzimmer und ſind ſich ſo ziemlid, in der ganzen Welt gleich und wenn ſie ſchöne Tanzmuſik hören und flinke hübſche

Tänzer ſehen , ſo werden ſie ſelten es ausſchlagen , aud) ein Bischen mit herum zu ſpringen .

Das haben wir jegt auch audy

wieder hier im badiſchen Land geſehen , wo hie und da die Mädchen , denen die Demokraters allerhand ſo dummes Zeug in den Kopf geſegt hatten , anfänglich auch ſo thaten , als wollten ſie nicht gern mit unſeren preußiſchen Soldaten tan

zen. Na und ob ſie es jeßt nicht gern thun , unſere Jungen , die können kaum ſo viel herumſpringen , wie die Mädchen bier zu Lande wohl tanzen möchten. Einen Spaß hatten wir an dem Abend, als wir den Königs - Geburtstag Anno 1515 da bei Paris feierten , den will ich Eudy auch noch gleid) erzäh len. Waren wir ſo eben im beſten Tanzen und alle ſo recht

kreuzfidel, wie preußiſche Soldaten es an dem Tage immer ſein müſſen, fo fommt mit einem Mal ſo ein Steineken, was wohl ein paar Pfund ídywer ſein modte, mitten in den Tanz

kreis geflogen . Irgend ein infamer Kerl, der uns unſer Ver gnügen nicht gönnte , hatte dieſen Stein über die Garten

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mauer herüber geworfen und wahrſcheinlich nach dem Bildniß von unſerem Herrn Feldmarſdall von Blücher Ercellenz , den die Franzoſen am Wenigſten leiden konnten , damit gezielt. Das Bildniß war nun zwar nid )t getroffen, aber einem Huſas ren von uns hatte der Stein die Pfeife ſo aus dem Mund

geriſſen, daß fie in tauſend Stüde zerbrochen auf den Boden . fiel. Es hätte nicht viel gefehlt , ſo wäre dem armen Kerl ſeine Naſe dabei ſo breit wie ein Pfannkuchen gedrüdt wor den. Daß wir denn gleich nady allen Seiten auseinander ſtobten , um den infamen Hallunfen , der den Wurf gethan batte, einzufangen, könnt Ihr Euch denken . Da es ziemlicher Mondſchein war, und die Gegend ſo hell, daß man ſie übers ſeben konnte , lo hatten wir Hoffnung , ihn zu erwiſchen . 1

Lange Zeit wollte uns dies aber nicht glücken , ſo ſehr wir audy die ganze Gegend rings herum abſtreiften und Garten

und Hof und alle Wege auf das Genaueſte durdyſcynucerten , der Kerl war nicht zu finden . Verdrießlich darüber, daß ſolche Hallunkerei nicht die Strafe, die ihr zufam , bekommen könne, wollten wir ſchon wieder zu dem Tanzplaß zurückfehren ,1 als plößlich ein paar Huſaren von uns laut riefen : „ Wir

haben den Kerl gefangen , wir haben ihn, kommt nur hierher, Rameraden ."

Da freuten wir uns denn ſehr und liefen

ſchnell hin zu dem Plage , wo der Attentäter gefangen ſein ſollte. Könnt Ihr Euch wohl denken , Kinder, wo der Seri

fidy verſteckt hatte ? Auf dem Hofe ſtand ein leeres Duhoft, worein der Kod am heutigen Morgen alle die Federn von den Hühnern und Gänſen , die er für uns zum Mittagseſſen geldladytet, gethan hatte, ſo daß es faſt zum vierten Theil mit

Federn angefüllt war. Dort hinein war der nun gekrochen und hatte ſich ganz klein zuſammen geduct, ſo daß ſein Kopf nicht beraus jah. Ob wir da ladyten als wir den Böſewidyt ſo mitten

zwiſchen all dieſen Federn fanden ! Dazu entdecten wir, daß es der

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Schneider aus dem Dorfe war , ein kleines , frummes Kerl den mit einem Höder hinten und vorn , dabei aber voll Boss heit und Gift und Galle, der ſchon mehrmals uns preußiſchen Soldaten allerhand Schabernack zu ſpielen getrachtet und die

Einwohner gegen uns aufgeheßt hatte. Na , jeßt ſollte der denn ſeiner gehörigen Strafe auch nicht entgehen . Schon wollten wir ihn aus dem Faſſe ziehen und ihm ſeinen H. To weich gerben , daß er gewiß nicht in acht Tagen damit auf feinem Schneidertiſch fißen ſollte , als Einer von uns rief: „ Laßt uns den Kerl erſt ein Bischen in dem Faſſe den Berg berunterfollern , das iſt eine beſſere Strafe für ihn, als wenn

wir ihn prügeln !" Der Vorſchlag gefiel uns denn gut, und obſchon der Schneider jeßt bald zu bitten und zu fleben, bald zu ſchimpfen und zu fluchen anfing, er mußte in ſeinem Faſſe zwiſchen all den Federn bleiben , wir machten loſe einen Def. kel drauf und follerten dann daſſelbe zwei oder dreimal den etwas ſteilen Weg , der in das Dorf führte, hinunter. Das

muß eine ganz unangenehme Fahrt für den Kerl geweſen ſein, denn die Federn kamen ihm dabei in das Maul, daß er kaum mehr ſchlucken und giebſen fonnte, und von dem Herumges tründel war er ganz dummerig und ſchwindelig geworden . Wir: holten ihn denn jeßt aus der Tonne heraus und ein paar Huſaren von uns fuhren ihm mit einem Fettquaſte, wie wir ihn uns gemacht hatten, um die Hufe unſerer Pferde da mit mit Fett einzuſdymieren , über das Geſicht und die Haare und dann ward er nochmals mit dem Kopf in all die Federn geſteckt. Wie der Sdneider denn ausſah, als wir ihn wieder

ſo herauszogen, iſt kaum zu ſagen.

Wie eine große Eule fo

über und über war er im ganzen Geſichte mit Federn beſpickt und kaum fonnte man erkennen, daß er noch ein Menſch war. Nun banden wir den ſo Gefederten an einen Baum , daß er unſer vergnügtes Tanzen noch ein Bischen mit anſeben ſollte.

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Aus Mitleid gaben wir ihm aber doch ein paar Gläſer Wein, in denen er die Geſundheit von Sr. Majeſtät unſerm König

ausbringen mußte , zu trinken , damit er den eingeſchluckten Staub von all den Federn wieder herunterſpülen konnte. Als der Kerl wohl ſo ein paar Stunden unſer Tanzen mit an 1

geſehen haben mochte, kam unſer Gerr Rittmeiſter auch nach

dem Plabe, um zu ſehen, ob wir auch recht vergnügt wären . Wie der nun den ſo gefederten budeligen Schneider ſah und wir ihm gemeldet hatten , warum derſelbe dieſe Strafe erdula det habe, da konnte er das Lachen faum verbeißen. Er machte aber doch , ſo gut es gehen wollte,I ein ziemlich böſes Geſicht und ſchalt uns, daß wir den Kerl ſo eigenmächtig auf unſere Hand beſtraft und nicht, wie es fich eigentlich auch gehörte, bei dem Scwadrons-Commando zur weiteren Beſtrafung ans gezeigt bätten. Da der Attentäter , der nun aber ſchon eins mal ſeine tüchtige Strafe weg hatte , die ihm kein Menſch wieder abnehmen konnte, fo befahl der Herr Rittmeiſter, daß

wir ihn losbinden und dann laufen laſſen ſollten. Das ließ fich der Schneider denn auch nicht zweimal ſagen , ſondern

lief fort wie ein Haſe, hinter dem die Hunde find, ſo daß felbſt der Herr Rittmeiſter darüber lachen mußte, daß ihm die Seiten ſchütterten. Der Kerl hatte nachher noch eine gewaltige

Scheu vor uns , und wenn er nur einen Dolman aus der Ferne fab, trollte er fich ſchnell um die Ede. Er wird gewiß

ſein Lebtag nicht wieder es gewagt haben , mit Steinen das

zwiſchen zu werfen , wenn preußiſche Soldaten den Königs Geburtstag ſo recht vergnüglich feierten. Die ganze Nacht tanzten wir übrigens damals in voller Luft und Fröhlichkeit fort, denn die franzöſiſchen Mädchen ſind gar flinke Tänzerin nen , die , wenn fie einmal angefangen haben , ſo leicht gar 1

nicht wieder von dem Tanzen genug kriegen können. Und das Liebeln und Scharmugiren und was denn noch ſo wei III.

3

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ter folgt, verſtehen ſie auch aus dem Grunde. Manche junge hübſche Burſche von uns preußiſden Soldaten haben in den

Jahren, als wir noch in Frankreich lagen, nicht wenig Unters haltung davon gehabt. Das iſt die Geſchichte von dem König8 - Geburtstag“, 2

,

den wir puſaren Anno 15 dicht bei Paris auf einem ſchönen Schloſſe eines franzöſiſchen Grafen feierten ,“ ſchloß der alte

Erdmann ſeine Erzählung. „ So eine vergnügliche Feier wie die erinnere id) mid , nicht, jemals wieder mitgemacht zu haben, obſchon die heutige gewiß ſehr ſchön und aller Ehren werth iſt. Freilich war ich dazumalen noch ein junger friſcher Kerl,

gerade in meinen beſten Jahren , und jeßt bin ich ſchon ſo ein alter ſteifer Krippenſeßer, und das macht auch ſchon einen gewaltigen Unterſchied. Doch das Herz iſt noch friſch und geſund und die Knochen halten es auch noch aus , daß ich

midy auf den Gaul ſchwingen und meinen Säbel noch tüchtig gegen alle Feinde von Sr. Majeſtät unſerem König und uns ſerem Preußenlande zu führen vermag, und das iſt am Ende dodh die Hauptſache für einen alten Fuſaren - Unterofficier," ſegte er noch hinzu . Und nun , Kameraden , laßt uns nodis mals ehe wir auseinandergeben die Geſundheit von Sr. Mas

jeſtät unſerm jebigen Könige, deſſen Geburtstag wir heute ſo froh gefeiert haben, trinken . Hell klangen die Gläſer nun anein ander, und , body lebe der König Friedrich Wilhelm IV. von

Preußen ,“ ertönte es in den ſtillen Abend hinein.

Drittes Kapitel .

O Straßburg, o Straßburg , Du wunderſchöne Stadt, Darinnen liegt begraben Gin mannicher Soldat.

Darinnen liegt begraben Ein mannicher Soldat, Ein mancher und ſchöner,

Aud tapferer Soldat, Der Vater und lieb Mutter

Böslich verlaſſen hat. Der Vater und lieb Mutter

Bislich verlaſſen hat.

Verlaſſen, verlaſſen , Es kann nicht anders ſein ,

Zu Straßburg, ja zu Straßburg Soldaten müſſen ſein . zu Straßburg, ja zu Straßburg

Soldaten müſſen ſein . Die Mutter, die Mutter,

Die ging vor's Hauptmanns Haus, Ach Hauptmann, lieber Hauptmann, Gebt mir den Sohn heraus .

Ach Hauptmann, lieber Hauptmann, Gebt mir den Sohn heraus, 3*

36

C

Und wenn Ihr mir gebet Selbſt noch ſo vieles Geld ,

Muß doch Dein Sohn jeßt ſterben In weiter, breiter Welt.

Muß doch Dein Sohn jeßt ſterben In weiter, breiter Welt.

In weiter und breiter, Advorwärts vor dem Feind,

Wenn gleich ſein ſchwarzbraun Mädchen So bitter um ihn weint. Wenn gleich ſein ſchwarzbraun Mädchen So bitter um ihn weint.

Sie weinet, fie greinet, Sie klaget gar zu ſehr, Gut' Nacht, mein herzig Schäßchen, Ich ſeh Dich nimmermehr. Gut' Nacht, mein herzig Schäßchen, Ich ſeh' Dich nimmermehr.

fangen die Huſaren der Schwadron in lautem Chor durch die friſche Herbſtluft. Dies alte Soldatenlied , befannt und vers

breitet faſt in allen deutſchen Heeren , paßte auch vortrefflich zu der Gegend , in der es jeßt geſungen ward. Ganz deuts

lich konnte man in dem hellen , ſonnigen Morgen die rieſige Spiße des Straßburger Münſters über den Rhein herübers ſchimmern ſehen , und ſchwieg der Geſang der Leute einen Augenblic , ſo hörte man vernehmbar auch den dumpfen Klang der Trommeln aus jener Richtung. Franzöſiſche Troms meln , nach denen die Straßburger Garniſon auf ihrem Egers

1

cierplaß zwiſchen der Citadelle und dem Rhein manövrirte,

waren dies. Es hatte zuerſt bei den preußiſchen Soldaten

ein eigenes Gefühl erregt, wie fte den Klang der Trommeln 1 der Truppen einer Nation vernahmen , die ihnen ſo lange feindlich gegenüber geſtanden , ja mit denen ſie wahrſcheinlich

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über kurz oder lang noch einmal ihre Waffen in blutigem Kampfe meſſen werden , aus ſo großer Nähe hören konnten. Bald aber gewöhnten fte fich fo daran , daß ſte kaum mehr

viel darauf achteten, wenn der Morgens beim Spazierenreiten der Pferde der franzöftſche Trommelflang ganz hell und deut lich herüberſcholl. Nur ein Quſar , nicht mehr ſo ganz jung von Jahren , mit einem hübſchen Geſichte von fühnem , offes 1

nem Ausdruck, dem der lange , wohlgepflegte Schnurrbart gut ftand, verfehlte nie , wenn er dieſe Klänge hörte, einen herzhaften Fluch auszuſtoßen und die Fauſt gegen die Ges gend, woher dieſelben kamen, zu ballen . „Ja dies Straßburg , dieſe Stadt die werde ich mein

ganzes Leben nicht wieder vergeſſen und befomme ordentlich eine Wuth , wenn ich ſte nur ſehe oder die Trommeln von

dorther höre," ſagte derſelbe auch heute wieder zu ſeinen Kas meraden, wie dieſelben eben ihren Geſang geendet hatten. Warum denn das ? Soll ja eine ſchöne Stadt ſein, die

ich gern mir mal beſehen möchte, wenn wir nur die Erlaubniß hätten , die Rheinbrüde bei Kehl zu paſſiren ,“ warf ein jun

ger Huſar, der vor Kurzem erſt zur Schwadron gekommen war, ein.

,,Sag mal , Bruder , iſt es Dir denn drüben bei der

Fremdenlegion gar ſo ſchlecht gegangen, daß Du feit der Zeit : einen ſo gewaltigen Faß gegen die Franzoſen haſt ?“ frug i ein anderer Rebenmann den Fluchenden.

„Wie biſt Du

eigentlich dazu gekommen ? erzähle ung das mal.“ ,,Da iſt gerade nicht viel Freudiges bei zu erzählen,“ I antwortete der , doch da Ihr es wollt, ſo fann ich es ſchon 1 immer thun. Ihr fönnt daraus lernen, daß ein Preuße gros

Bes Unrecht hat , wenn er in einem anderen Heere , als in dem von Sr. Majeſtät unſerem Könige, Dienſte nimmt, und es ſich doch nirgends beffer lebt wie bei uns. Meine Geſchichte

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iſt übrigens ganz einfach und paſſirt leider nur zu vielen Deutſchen. Ich bin ein geborener Berliner , und wenn das Sprichwort auch ſchon ſagt : „Berliner Kind, Spandauer Wind,

Charlottenburger Pferd, Sind dem Teufel nichts werth "

ſo iſt das wohl ein Bischen hart, denn es giebt doch bei uns

auch viele brave Jungen , obſchon manche wohl oft den Kopf zu voll von luſtigen Streichen haben und die Zunge mehr, als ſich gehört und gut iſt, zu gebrauchen wiſſen.

Ich hatte

die Bandlung gelernt und als ich meine Lebrzeit beendet , da ging ich auf Reiſen , mir die Welt ein Bischen zu beſeben und mir anderswo eine Condition zu ſuchen. Da ich mein Geſchäft fannte und im Rechnen und Schreiben nicht ganz 1

ohne Stenntniſſe war, ſo fam ich denn auch in Mannheim als Commis in einem Materialwaarenladen bald in Condition.

Dies Mannheim war früher – denn pon jest an wird wohl auf beſſere Zucht und Ordnung dort allgemein geſehen wer den

auch für einen jungen , leichtſinnigen Menſchen eine

gefährliche Stadt. Gar zu viele Demokraten und Volfsauf

wiegler und andere ſolche Leute , die das Maul recht weit offen nehmen und große Reden halten fonnten , trieben fich

da herum , und Wein wurde bei ſolchen Gelegenheiten auch I

mehr getrunken wie gut war. Jung und unerfahren war ich, die Welt kannte ich auch nidt und nahm all die ſchönen Re: dengarten dieſer Leute für baares Geld an , und ſo wurde ich denn audy ſo eine Art von Demokrat.

Der þeder war

mein Mann, und auf die Fürſten und Fürſtenfnechte, wie wir

alle treuen Soldaten nannten , konnte ich ſchimpfen wie nur Giner, und das Saufen lernte ich bei dieſer Gelegenheit, daß

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mich felbft bald der beſte Mannheimer Schoppenſteder nicht mehr unter den Tiſch werfen konnte.

Wie denn das faſt

immer ſo zu geben pflegt, verluderte und verlotterte ich bei dieſem Leben ſehr , und vernachläſſigte mein Geſchäft. Wenn ich am Abend vorher im Klub und in der freiſinnigen Vers

ſammlung im Wirthshauſe geweſen war , und mit geholfen hatte ſo und ſo viel Dußend Fürſten abzuſeßen , und eine deutſche Republik mit Freiheit und Gleichheit für Alle zu machen, und mir den Kopf bei all dieſen wichtigen Geſchäften voll und dumm getrunken hatte , ſo wollte mir am anderen Morgen die Arbeit in unſerem Laden verflucht ſlecht ſchmecken . Da follte ich Rofinen abwägen und Syrup ausmeſſen , und gegen jeden Bedienteu , der für ſeine Herrſchaft etwas bolte, I

den Freundlichen ſpielen , während ich ihn in meinem Innern einen elenden Livreefnedyt nannte. Und was meine Brüder und guten Freunde aus unſerem demokratiſchen Verein waren , die hatten auch gerade ſelten Geld im Ueberfluß und liebten es gern , auf Pump Waaren zu holen und anſchreiben zu

laſſen . Wenn ich denn am Abend zuvor mit Jemandem ſo und ſo viel mal auf Freiheit und Gleidybeit angeſtoßen hatte,

ſo konnte ich es ihm am anderen Morgen nicht gut abſchla gen , bei mir etwas auf Borg zu nehmen , und ſo kam es denn , daß allmälig ein großer Theil der ärgſten Demokraten von ganz Mannheim in unſerem Schuldbuche ſtanden . Mei

nem Principal , was ein ordentlicher, pünktlicher Kaufmann war , der redlich ſtrebte für ſich und ſeine Kinder etwas zu erwerben , ſo Giner von denen , die wir damals in unſerem 1

Klub „ elende Spießbürger " und verknöcherte Geldbroken "

nannten, war natürlich mit meinem ganzen Treiben, was ihm viel mehr Nachtheil als Vortheil bradyte , ſehr wenig gedient. Er warnte mich einigemal und wollte mir gute Rathſdıläge geben , daß ich midi mehr um unſer Gefdäft, wie um die

zukünftige deutſche Republik bekümmern und das viele Saufen und Sdwärmen ſein laſſen ſolle. Das nahm ich denn gewaltig

übel und feßte mich ſtolz auf das hobe Pferd , und ſo that denn mein Principal endlich , was ich ihm auch nicht verdens fen konnte, er fündigte mir. Zu gleicher Zeit erhielt ich auch von meinem Vormund aus Berlin ein Schreiben , daß ich zurückkommen und mich bei der Militärbehörde zur Erfüllung .

meiner Dienſtpflicht ſtellen müſſe. So etwas hätte mir aber gerade gefehlt, unter die Fürſtenknechte und verthierten Sölds

linge , wie wir dazumals in Mannheim in unſerem Klub ſchon die preußiſchen Soldaten zu nennen anfingen, einzutres ten. Nun gehörte damals auch ein Hauptlump, ein Kerl, der nichts arbeiten und nur auf anderer Leute Koſten gut leben mochte und dabei ein Maulwerk hatte , daß er zehn Andere

überſchreien konnte , zu meiner Bekanntſchaft. Als ich dem klagte , daß ich nach Berlin zurüdmüſſe , ſagte er , das dürfe ich nicht thun , wenn ich ein freier Mann bleiben wolle , fons

dern ich ſolle mit ihm nach Frankreich gehen und dort Dienſte nehmen. In Frankreich ſei das Land der Freiheit und Auf

klärung , und ſo einem fähigen und gebildeten Menſchen wie ich ſei, könne es gar nicht fehlen , daß er in wenigen Mons den ſchon zum Officier avanciren werde. Solches und ähn liches verlogenes Zeug wußte der Scuft mir und noch einis gen guten Freunden von mir vorzuſchwaben , und wir waren

dumm und unerfahren genug, ihm dies zu glauben , ſtatt wie es fidy gehört hätte , mit Dhrfeigen darauf zu antworten . Kurz und gut , wir 5 junge Leute , alle ſo ungefähr wie ich, reiſten in Geſellſchaft unſeres Verführers hier nach dieſem Straßburg hin , dort die gehoffte Glückſeligkeit zu finden. In dieſer Stadt angekommen , fing denn das Saufen und Jubiliren erſt noch mehr an , ſo daß wir al unſer Geld

bald los wurden und gar nicht recht zur Beſinnung kamen,

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und ehe wir es uns noch verſaben , hatten wir uns bei dem : Depot der Fremdenlegion anwerben laſſen. Da gingen uns denn freilich in den erſten paar Tagen ſchon die Augen auf, + und wir fahen ein , was wir für arge Dummköpfe geweſen : waren , und ſo fangen zu laſſen. Doch nun war es zu ſpät, es hieß jeßt : „ Friß Vogel oder ſtirb.“ Wir verſuchten zwar aus der Citadelle in Straßburg wieder zu entwiſchen , aber die Franzoſen, die ſchon darauf eingerichtet waren, daß ihnen

Viele der bei der Fremdenlegion Angeworbenen gleich wieder ſchon in den erſten Tagen entwiſchen wollten , wußten gut : aufzupaſſen, und ſperrten uns zur Strafe für unſern Flucht

verſuch ein paar Tage bei Waſſer und Brod in ein ,, Cachot“ ein , wie ſie ſo ein Loch nennen , wo nidit Luft und Sonne

hinkommen kann und es den ganzen Tag dunkel bleibt. Wenn man an ſo einem Orte ganz allein eingeſperrt ſißt, da kommt Einem leicht die Vernunft und man bereut bitterlich , was

man früher für dumme Streiche gemacht und ſein. Glück mit Füßen getreten hat. . Bald nachher, als wir aus dem Ges fängniß entlaſſen wurden, brachte man uns mit einem Haufen Neuangeworbener , die entweder eben ſolche Dummköpfe wie wir oder ausgemachte Taugenichtſe waren, unter ſtrenger E8. forte , die jedes Entwiſchen unmöglich machte, nach Toulon und von dort nach Algier. Hier waren wir denn ſo recht in das gelobte Land gekommen und hatten Gelegenheit , alle unſere früheren Thorbeiten und Sünden redyt gründlich abzu büßen. Ein wahres Hundeleben mußten wir dort bei der Fremdenlegion führen , und ein Sträfling , der bei uns in

Preußen in einer Straffompagnie auf der Feſtung iſt, kann es nicht ſo ſchlecht haben , wie es uns dort oft erging. Um in einem ſolchen Corps , wie die Fremdenlegion iſt , wo ſo 1. viel arges Geſindel und Kerle , die zu bauſe nur mit Mühe

a dem Galgen entlaufen ſind, dient , nur einigermaßen Zucht

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und Ordnung zu halten , iſt die ſtrengſte Disciplin noth: wendig. Die verſtehen denn auch die franzöſiſchen Officiere tüchtig dort zu handhaben und gefackelt wird wahrhaftig dort nicht lange. Wenn es auch feine Stockſchläge dort giebt , ſo

haben ſie ganz andere Strafen dafür, die oft noch viel härter und grauſamer ſind und dem Menſchen Leben und Geſunds Aud) mit dem Todtſchießen zaudern fie nicht lange, und daß Giner die Kugel vor den Kopf erhält, kommt heit foſten .

da ſo oft vor, daß man kaum nod davon ſpricht. So vergingen mir denn gar bald die Gedanfen von Freiheit und Gleichheit

und gar, daß ich die hätte in Frankreich, wo ſie wahrhaftig am Allerwenigſten zu Hauſe ſind, hätte ſuden ſollen. Dieſe ſtrenge Disciplin bei der Fremdenlegion wäre am Ende noch nicht

ſo ſehr zu tadeln geweſen und man hätte ſich darein , als in etwas Nothwendiges, fügen fönnen , wenn man uns nur ſonſt

nicht ſo ſchlecht behandelt. Wo irgend ein ungeſunder Ort in ganz Algerien war, und es irgend eine beſchwerliche Arbeit zu verrichten gab , da mußte gewiß die Fremdenlegion hin. In der größten Sonnenhiße , die ſo arg iſt, wie man ſie bei uns zu Lande felbſt in den Hundstagen nicht fennt , haben wir oft am Tage 4–6 Stunden mit den Karren und Gri

bern und Schaufeln an den neuen Straßen und Befeſtigungs werfen, die im Lande angelegt wurden , arbeiten müſſen , und

dazu noch unſer Exercieren und den ſtrengen Wachdienſt ge habt. Wenn auch unſere Leute zu Dußenden dabei zu Grunde gingen, fo fümmerte das die Franzoſen wenig, denn ſie dad).

ten , in Deutſchland gebe es immer noch Dummföpfe oder 1

Taugenichtſe genug , die fich wieder anwerben ließen und die 1

Reiben aufs Neute füllten. Leider haben ſie darin fo Unredyt nicht. Wo es aber bei der Gefechten Ehre und Ruhm und

gar Beute zu gewinnen gab , da waren die Franzoſen gewiß die Erſten, und wenn wir uns auch eben ſo brav wie ſie ger

-

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ſchlagen und wo möglich noch größere Strapagen ertragen hatten , ſo bekamen ſie allein doch immer nur die fetten Biſſen davon und wir Anderen konnten uns den Mund abwiſchen ,

ohne etwas genoſſen zu haben. Ganz brave , muthige Sols daten ſind es immerhin, dabei aber von einem Hochmuth und

einem Dünkel beſeſſen, daß gar nicht zuſammen mit ihnen zu leben iſt, und gerade von meiner algeriſchen Dienſtzeit her habe ich noch ſo einen Haß gegen alle Franzoſen , daß ich lieber heute wie morgen darauf losſchlagen möchte. An Avan cement , wie man uns vorgelogen hatte , war bei der Frem denregion für uns Deutſche faum zu denfen .

Es gab Fran

zoſen genug , die bei den franzöftſchen Regimentern keine gu 1

ten Stellen erhalten konnten, die ſich für alle Poſten bei uns

drängten, und wenn ein Fremder Corporal oder gar Sergents Major wurde, ſo wollte das ſchon viel ſagen und gehörte zit den Ausnahmen. Dazu war die Verpflegung, die wir hatten , ſo ſchlecht wie fte nur ſein konnte , und wir mußten oft hun gern, daß wir die Säbelkoppel faum eng genug um den leeren Magen zuſammenſchnüren konnten . Die Regierung die mochte wohl nicht ſo viel ſchuld daran ſein , aber die Intendanten und Commiſſäre und wie dieſe Blutſauger ſonſt noch Alle beißen , die ſtablen wie die Raben und betrogen uns armen

Soldaten noch um das Wenige , was wir erhalten ſollten. Eine wahre Diebsbande von oben bis unten war dies und

von ſolcher Ordnung und Rechtlichkeit, wie bei uns in Preu Ben , wo jeder Mann das was ihm zukommt auch erhält, war da feine Spur. An vier Jahr faſt diente id auf dieſe Weiſe bei der

Fremdenlegion in Algerien und habe viel dort ausgeſtanden, ſo daß ich eine tüchtige Strafe für mein Leben in Mannheim und all den Unſinn , den id dort getrieben , dadurch erhielt. Nun es modyte dies auch wohl fein Gutes für mich haben,

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denn ich wäre ſonſt vielleicht nicht zur Vernunft gekommen und hätte mich am Ende gar bei den leßten unſinnigen des mokratiſchen Schwindeleien hier in Baden betheiligt, und das wäre doch noch ſchlimmer für mich geweſen . So lernte ich denn endlich in der Stadt Algier ſelbſt, wo ich zulegt als Reconvalescent in einem Hospital war , einen pommerſchen

Schiffskapitän kennen , der mit ſeinem Schiffe ſegelfertig nad ! I

Stettin lag. Das war ein braver Mann , der großes Mits leiden mit meinem traurigen Zuſtande hatte. Und wie ich ihm nun flagte, daß meine Capitulation noch faſt an 2 Jahre dauerte , und ich dann auch noch nicht wiſſe , wie ich wieder nad meinem Vaterland zurüdkommen ſolle, und ich duch gerne 1

meinem Könige als ein getreuer Soldat dienen wolle, wie es die Pflicht und Schuldigkeit jedes ehrlichen Preußen iſt, da verſprach er mir , daß er verſuchen wolle mich mit fortzuneh men. Ich mußte ihm aber die Hand darauf geben , daß ich ſogleich bei der Ankunft in Stettin mich melden und wenn man mich haben wolle, wenigſtens eine doppelte Capitulations zeit als Soldat dienen würde. Solch Verſprechen gab ich ihm auch gern , denn wieder Kaufmann zu werden hatte ich ſo keine Luſt, ſondern die Abſicht, Sr. Majeſtät unſerem Kös

nige ſo lange als ein ehrlicher Soldat zu dienen , wie man mich gebrauchen könne. Der Schiffskapitän wandte fto nun

an einen ihm bekannten reichen Kaufmann in Algier, und da es ihm nicht darauf ankam , einige goldene Zwanzigfrankos ſtücke ſpringen zu laſſen und ein Dußend Flaſchen alten Port: wein ' dazu , nun ſo ſah mich der Militärarzt , von dem die Sache abhing, mit ganz anderen Augen wie früher an. Ich 1

erhielt ein Zeugniß , daß ich für den ferneren Felddienſt in Algerien nicht mehr fräftig genug ſei, und ein paar Tage

darauf auch meinen ehrlichen Abſchied. Wer war nun froher wie ich ! Der Schiffskapitän , dem ich nie wieder vergelten

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fann, was er an mir gethan hat, nahm mich nun als Baſſas

gier auf ſeinem Schiffe mit, wofür ich bei allen Arbeiten , ſo gut ich es verſtand, Hand mit anlegen mußte. Wir hatten eine ſehr glüdliche Reiſe und famen in ungefähr 2 Monaten in Stettin an. Wie mir zu Muthe war, als ich bei der Eins fahrt in Swinemünde wieder unſere preußiſden Fahnen zuerſt wehen ſab , und bald darauf meinen Fuß auf vaterländiſchen

Boden ſeben konnte, kann ich gar nicht beſchreiben. Ich reifte nun ſogleich nach Berlin , und bat ein paar Wochen darauf,

ob ich nicht als Freiwilliger in unſer $uſaren-Regiment ein treten könnte , was mir auch gütigſt geſtattet wurde. Bald darauf brach die demofratiſche Schwimelei vom Jahre 48 los,

und ich freute mich ſehr , daß ich nichts mehr damit zu ſchaf fen , ſondern als ordentlicher Soldat , wie es fich gehörte, meine Schuldigkeit für Se. Majeſtät unſern König thun fonnte.

Seht , Kameraden , das iſt der Grund , warum ich noch ſo eine arge Wuth auf dies Straßburg habe und alle Franzoſen nicht leiden mag,“ ſchloß der Huſar ſeine Erzählung, die von ſeinen Kameraden aufmerkſam angehört worden war. Ja das iſt ſchon wahr ," nahm der alte Erdmann , der neben ihm geritten und ſo ſeine Worte mit angehört hatte,

das Geſpräch auf , „ gar arrogante Leute ſind die Franzoſen, wenn man ihnen auch in Wahrheit laſſen muß , daß fie als Soldaten alle Achtung verdienen und man Ehre davon ges winnen kann, wenn man ſich ordentlid) mit ihnen herumrauft.

Na, als wir denn Anno 14 zuerſt unter unſerem Herrn Feld marſchall von Blücher Excellenz in das franzöſiſche Land eins rückten, da wollten ſie gegen uns anfänglich auch noch recht arrogant thun und die großen Herren ſpielen. Da kamen fie aber an die Unrechten. Herr Gott Sacerment, was haben

wir ihnen aufgetrumpft, bis ſie endlich geſchmeidig wurden und thaten, was ihnen befohlen ward."

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,,Sie ſollten uns heute Nachmittag nach dem Appel, wo

wir ja doch nichts zu thun mehr haben, und uns müſſig her: umtreiben , man wieder etwas von den Feldzügen von Anno 1813 - 15 erzählen ,“ bat jeßt ein Huſar den Alten. „ Mei netwegen ," antwortete dieſer , „ wer nach dem Appel auf die Sdheunendiehle , wo mein Pferd daneben ſteht, kommen will, der fann der Erzählerei mit zuhören. "

Solche Kunde, daß der alte Erdmann am heutigen Nach: mittag wieder erzählen wolle, hatte zur beſtimmten Stunde eine große Menge der Huſaren herbeigelodt. Holzbänke was ren von ihnen der Länge lang auf beiden Seiten der Scheus nendiehle , bis dahin wo die Pferde ſtanden , aufgeſtellt wors den, ſo daß ſchon immer einige Dußende darauf Platz finden

konnten . Freilich mußten ſie denn wohl etwas enge zufam

menrüden, doch Guſaren ſind meiſt von dünner und ſchmäch tiger Geſtalt und pflegen nicht an übermäßiger Fettheit zu leiden. Wenn man aber nur den alten Vater „ Brummbart"

erzählen hören konnte , ſo nahm man es nicht ſo genau da mit, ob der Siß auch etwas unbequem war. Für den Alten hatte man aber den hölzernen Lehnſtuhl aus der Bauernſtube herbeigeholt, daß er einen möglichſt guten Siß bekomme, und dieſen in der Mitte der Diehle gefeßt. Auf dieſe Weiſe konn ten Alle die Worte des Erzählenden gut hören. „ Das habt Ihr ja ganz gut hier eingerichtet, ſo etwas muß id loben ," meinte der alte Erdmann, wie er bei ſeinem Eintritt in die Scheune alle dieſe Zurüſtungen anſah. Schade

nur , daß es draußen im Freien ſchon zu windig iſt, um da fißen zu können , und in der Stube wieder zu klein , denn hier müſſen wir uns das Rauchen , der Feuersgefahr wegen, ſchon verkneifen . Na es wird die paar Stunden auch ſchon

ohne dem geben , obſchon freilich bei einer guten Pfeife

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Tabad die Worte einem ſo beſſer aus dem Munde geben .

Alſo hört zu und macht keinen Lärm dabei. Von der großen Sdilacht bei Leipzig , die an verſchiedes nen Orten drei ganze Tage lang dauerte , habe ich, wenn É mir recht iſt , Euch leşthin ſchon erzählt. Wenn die Franzo a ſen ſich dabei auch ganz verflucht wehrten , und der Bonas parte , der ſeine Sache als General aus dem Grunde vers ſtand , and vielerlei Manöver machte , die ſehr flug ausges 1

dacht geweſen ſein ſollen, von denen ich aber als bei den Huſaren nichts verſtehe, und dies auch) habe , ſo bekamen ſie dodj ſo viel Schläge dort , ihres Bleibens von nun an nicht länger mehr in war .

Unterofficier nicht nöthig daß endlich Deutſchland

Was ſo der Obergeneral von den Deſtreichern , der

Feldmarſchall Fürſt Sdwarzenberg war , der hatte den Ober befehl über das ganze vereinigte Heer , und wie ich oft ge hört habe, ſoll er ſeine Sache ſehr gut gemacht haben. Ueber haupt haben uns die Deſtreider an dem Tage wie recht brave Kameraden geholfen , und die Ruſſen aud ), und mehr von den anderen deutſchen Truppen aus den kleinen Länder

kens , die ſid) ſchon von dem Bonaparte freigemacht hatten , auch noch dazu. Wir von der ſogenannten ſchleſiſchen Armee, unter unſerm Herrn General von Blücher Ercellenz, den Se. Majeſtät der König dafür zum Feldmarſchall zu ernennen ges ruhten, waren aber bei Mödern am 10ten , wo wir am Meis

ſten heran mußten , faſt immer allein für uns. Wenn mir recht iſt, Kinderfens , habe id Eudy das aber ſchon legthin Alles erzählt. Bald nach den Tagen bei Leipzig , als die Franzoſen ſchon in voller Retirade waren , erhielt id auch noch eine tüchtige Bleſſur. Knochen waren dabei zwar nicht mit verlegt worden , und ſo konnte ich hoffen , ganz gerade und ohne ein Krüppel zu werden , wieder davon zu kommen ,

aber in's Fleiſch war der Schuß tief genug gegangen , und

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Blut hatte ich eine Menge verloren. Auf ſo etwas muß fich ein Soldat im Kriege aber ſchon gefaßt machen , denn wo viel gehadt wird , da fliegen auch viel Späne davon, das iſt ein alter Sag. So dachte ich denn auch ,, Nimm's , wie es kommt ," was für einen Soldaten immer der beſte Spruch iſt.

Wenn es auch noch ſo viel Schmerzen machte, als die Felds chirurgen mit ihren Meſſern und Zangen und Gott weiß , was 1

noch für allerhand Inſtrumenten , in meinem Leib ſo ruhig herumſchnitten , als wäre es nur eine gebratene Kalbskeule, ſo biß ich die Zähne doch ſo feſt zuſammen , daß ich keinen Laut von mir gab. Mit Schreien und Winſeln hätte ich die Sache doch nicht beſſer gemacht und ich dachte , ſo etwas

ſchide ſich nicht für einen preußiſchen Quſaren , und die andes ren Soldaten , die dabei waren , könnten mich am Ende gar

auslachen , was doch eine große Schande geweſen wäre. In dem Hoſpital, in das man mich jest brachte, ſah es gar

grauslich aus. Das war kein ſo hübſch und bequem einges richtetes Hoſpital, wie Ihr es jeßt habt , wo der Kranke ſos

gar ſeine Morgenpantoffel bekommt und Alles, was ihm man von Nußen und Vergnügen ſein kann , für ihn parat ſteht. So fein und manierlich wie jeßt , ging man dazumalen noch

nicht mit den Soldaten um und ganz andere Sachen mußte man ſchon durchmachen.

Und nun gar nach dieſer großen

Schlacht bei Leipzig , wo ſo viele Tauſende und nochmals Tauſende von Berwundeten an allen Eden und Kanten herum lagen , ſo daß man gar nicht wußte , wo ſie nur Alle halb

wegs untergebracht werden ſollten. In ganzen langen Was genreiben kamen ſte angefahren , und waren ſo dicht wie die Heringe auf einander geſchichtet. Um nur alle die vielen Todten, die an jedem Morgen aus ſo einem Lazareth herauss gebracht wurden, und die vielen abgeſchnittenen Arme und Beine

zu begraben, mußten große, tiefe Gruben gemacht werden ,

in

il

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denen Alles bunt durcheinander hinein geworfen und dann mit Erde zugedeckt wurde. Ja, wild ging es in dieſen erſten Tagen nach der Schlacht zu , und bei dem Leipzig da ſind denn grauſelich viel Menſchen eingepurrt worden. Hab' ich doch ſelbſt gehört, daß ſo ein Feldſcheerer, wie ſie dazumalen genannt wurden , der früher auch nur als Barbiergeſelle mit dem Scheerbeutel unter dem Arm herum gelaufen war, einem Kollegen lachend erzählte, am heutigen Morgen habe er ſchon 1

Il Füße und 8 Arme abgeſdynitten. Daraus fönnt Ihr denn

Et ſchon ſelbſt ſehen, wie es damals zugegangen ſein muß, ganz anders wie nach der Bischen Klopferei hier im Baden'ſchen , die faum der Rede werth iſt.

In ſo ein Hoſpital, dicht bei Leipzig, ward ich denn auch gebracht. An Zimmer und eigene Betten und Bettſtellen für die Verwundeten , war natürlich dort nicht zu denken. 1. Auf den langen Gängen war Stroh hingeſchüttet und darauf wurden wir Verwundeten alle der Reihe nady, wie wir an

kamen, dicht neben einander gelegt. Þier hieß es denn, ſtirb oder werde wieder geſund , viel Federleſen kann hier mit dir nicht gemacht werden . Da ich eine gute Geſundheit noch von f meinem Vater ſeliger her mit auf die Welt bekommen habe,

til und meine Wunde auch nicht ſo ſehr gefährlid ) war , ſo kam

I. ich denn hier mit dem Leben durch. Neben mir da lag ein Unterofficier von den ungariſchen Fuſaren , die zu der kaiſers lich öſtreichiſchen Armee gehörten. Sapperment , das war ein Kerl , vor dem fonnte man noch Reſpekt haben. Recht W ſo ein alter langgedienter Soldat war es , der ſich ſchon von ľ den Neunziger Jahren her mit dem Bonaparte und ſeinen Franzoſen herumgerauft hatte. Schon manche tüchtige Narbe W hatte der auf ſeinem Leib und auch diesmal war er wieder arg zuſammen gehauen worden. Aber nicht gemudſt oder gar 1

geflagt hat er , und wie die Feldſcheerer ihm einen großen III .

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Knochen aus ſeinem Fuß herausſdynitten , da ſagte er nur

ſein „ Teremtete“ , was ſo ein ungariſcher Flud ) iſt, und ſo viel heißen ſoll, wie bei uns „ Kreuzſchocſdwerenoth “, biß dann die Zähne zuſammen und nun ſah er der ganzen Sdin ,

I

derei ſo rubig zu , als wenn die ihn gar nidyts anging, und

gar nicht an ſeinem Fuße wäre. Fa die lingarn das ſind echte Huſaren , warum aud) das Wort Huſar ſo eigentlich aus ihrem Lande berſtammen ſoll. Nu , wir Preußen baben aber auch ſchon über 100 Jahre Huſaren , denn ſchon mein Vater ſeliger, der als Huſar im hodhlöblid) von Belling'ſchen Regiment, was nad her ſo die Blücher'ſdien Huſaren wurden ,

den ganzen ſiebenjährigen Krieg mitgemacht hatte , pflegte zu erzählen , daß audy ſdon ſein Vater ſeliger bei den preußi (dien Huſaren gedient habe. So haben wir denn ſdon Groß vater und Sohn , alle drei bei den Huſaren geſtanden , und hätte ich einen Jungen, er dürfte aud fein Lebtag nidyts an ders werden als ein preußiſder yufar.

Mit dieſem alten , ungariſdien Huſaren - Unterofficier , der neben mir lag , vertrug ich mich ſehr gut. Anfänglid) wollte er wohl ſo ein Bischen bochmüthig thuen , worauf ich ihm

aber gar nichts zu Gute gab , als er aber ſah , daß ich audy nicht ſo ganz von Stroh war , wie man zu ſagen pflegt, da machten wir enge Kameradſdhaft mit einander. Da hieß es denn ,,Kamerad Preuß " und Kamerad Ungar" und als

wir uns einſt für Geld und gute Worte ein Bischen Sdynapps verſchafft hatten , da tranfen wir -ordentlich Brüderſdaft mit einander. Saufen konnte Euch der alte Ungar aber, wie das Donnerwetter und ſo ein ganzes Bierglas voll des ſtärkſten Branntweins mit einem Zug hinter die Binde zu gießen , und dabei nicht mal mit den Augen zu blinzeln , war ihm eine

Kleinigkeit. Als wir denn nu von einander Abſchied im Ho ſpital nahmen, denn ich kam früher heraus wie er, da ſdhenkte

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er mir zum Abſchied einen ungariſchen Tabadsbeutel, der aus einer Schweinsblaſe gemadyt und redyt hübſch mit buntem les der in allerlei Zierrathen ausgenäht war , und ich ihm dafür wieder eine filberne Uhrkette mit Petſchaft, die ich noch in Rußland von einem Franzoſen gekauft hatte. Und wir vers

ſprachen gute Kameradſchaft zu halten , wenn es ſich ſo tref fen ſollte, daß wir im Feld wieder auf einander ſtießen. Uns gefähr ein Fahr darauf Anno 1814 , als wir ſchon in Paris zum Erſtenmal geweſen waren , und wieder nadı Preußen zu 1

Hauſe marſciren ſollten , reite ich als Quartiermacher für unſere Sdwadron durdy ein kleines franzöft (dies Städtchen.

Viel Deſtreicher von allerhand Waffengattungen waren dort einquartiert , ſo daß ich weiter kein Auge auf die Einzelnen hatte und ruhig meines Weges ritt. Plößlich höre ich , daß Einer laut mir nachruft: Kamerad Preuß, halt, Teremtete, fannſt Du denn nidyt um Didy ſchauen ." Ich halte meinen

Braunen denn an , und wie ich mich nach dem Rufer umſehe richtig iſt es mein alter Unterofficier von den ungariſchen

Huſaren. Wir freuten uns denn ſehr, uns geſund und mun ter noch auf den Beinen wieder zu ſehen , nachdem wir wie der ſo viel große Bataillen ſeit dem Tage von Leipzig ge dlagen und den Bonaparte aus Frankreich herausfalaſcht hatten . Da es mir ein Thuen fein fonnte , wo ich die Mit

tagsſtation machte, ſo ließ ich ein paar Stunden Halt maden, um meine Pferde gehörig abzufuttern. Noch mehrere unga riſche Huſaren kamen jetzt zu uns , und holten Wein und Branntwein und Fleiſch und was ſie in der Art nur haben 1

konnten , herbei und traftirten uns auf das Beſte.

Wir was

ren alle denn ſehr vergnügt und luſtig zuſammen und ſtießen auf gute Kameradſchaft mit einander oft an . Hatte dochy Se. Majeſtät unſer hochſelige König Friedrich Wilhelm III . ſalutirend

auch eben erſt mit dem

öſtreichiſchen Kaiſer

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Franz 1. und dem ruſſiſchen Kaiſer Alexander, Brüderſchaft getrunken , was man ſo die heilige „ Allianz" nannte, warum aber , kann ich nicht ſagen , und ſo konnten wir öſtreichiſchen und preußiſchen Soldaten dies ja auch gegenſeitig thuen. Von der Zeit.an ſtammt es auch noch her , daß wir die Res 1

gimenter Kaiſer Franz- Grenadiere" und „Kaiſer Aleranders Grenadiere “ in unſerer Garde haben , und bei den Deſtrei dern heißt ein şuſaren - Regiment audy nody ,, König von Preußen - Huſaren “.

Ein paar Stunden blieben wir damals

noch bei den ungariſchen Huſaren , und der alte Unterofficier und ich tranken noch manchen Tropfen von dem guten Wein , den man in Frankreich hat , mit einander, dann hieß es bei uns wieder aufſigen und weiter reiten. Seit der Zeit habe

ich von dem alten Ungarn nichts wieder geſehen , nod gehört. Wird aud) [dywerlich mehr am Leben ſein, denn er war ſchon dazumals Anno 1814 ziemlich hoch im Alter , und das ſind doch ſchon egliche Jahre her ſeitdem . Na, wenn er geſtorben iſt, wird er wohl ſeine gehörigen Karabinerſalven über ſein Grab bekommen haben , da er lange Zeit vor dem Feind ges dient und ſich auch die goldene Tapferkeits-Medaille erfochten ,

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Die will aber bei den Deſtreidyern viel heißeit und gilt eben ſo viel bei ihnen , wie das eiſerne Kreuz bei uns.

hatte.

Auf dem Marſche aus dem Hoſpital bei Leipzig bis zu unſerem Regimente , was ſchon vor Frankfurt ſtand , den ict) mit einem Refonvalescenten - Transport madyte , konnte man

noch redyt ſehen , was die Franzoſen bei ihrem Rückzug nachy der Sdyladyt bei Leipzig gelitten haben mußten . Ganze Haus

fen von ihren Todten , die aus Hunger und Krankheit ge ſtorben waren , hatte man überall an den Landſtraßen einges .

ſcarrt und die Leute aus den Dörfern wußten uns gar nicht genug von dem Elend , was bei den fliehenden franzöſiſden Truppen geberrſcht habe, zu erzählen . Warum waren ſie aber

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auch zu uns nach Deutſchland gekommen , wo ſie doch nichts zu ſuchen hatten , und doch ſo viele Jahre Unglück über Un glück aller Art genug anrichteten, und das Unterſte zum Ober ften fehren wollten ? Da durften ſie ſich denn auch nicht wun dern , wenn wir fte To Kopf über zum Lande herausjagten,

als die rechte Zeit dazu gekommen war, und ihnen ſtatt Rei ſegeld nod tüchtige Schläge mit auf den Weg gaben . Be: ſonders in den Gebirgen von dem Thüringerwald , durch die man muß , wenn man von Leipzig nach dem Rhein will,

hatten die Franzoſen noch viele Soldaten gelaſſen. Die haben ſich oft vor Hunger und Ermattung nicht mehr fortſchleppen

können und ſind am Wege liegen geblieben und elendiglich geſtor ben. Unſere Truppen die ſollen auch nur von der großen

Anſtrengung der Schlacht bei Leipzig und all den anderen vielen Bataillen zu ermüdet geweſen ſein , als daß ſie die Franzoſen ſo recht hißig haben verfolgen können, wie es ſonſt wohl geſchehen wäre. Zwar ſoll der Alte oft „ vorwärts, vor wärts “ gerufen haben und hölliſch geflucht und gewettert haben , wenn es ihm ſeiner Anſicht nad, nid )t ſchnell genug hinter dem fliehenden Feinde her gegangen iſt. Doch hat es

nicht viel geholfen , Pferde und Menſchen ſind zu müde ge weſen. War aber auch wahrhaftig keine Kleinigkeit, der ganze Feldzug von Anno 1913 bis zur Schlacht bei Leipzig , der

konnte wohl müde machen. Nur die Koſacken ſind wie im mer Kerle geweſen , die keine Müdigkeit gefannt haben , und ibre Pferde, wenn ſie auch ſo klein wie die Saßen ſind, und lo mager , daß man die Nippen im Leibe ihnen zählen kann, zeigen immer Ausdauer, die ſind denn noch hinter den Frait !

zoſen, wie der Teufel hinter einer armen Seele , her geweſen, und haben ſich noch Manche mit ihren langen Lanzen aufges ſpieſt. Waren dies noch von Rußland her ſo gewohnt, und wenn die Franzoſen einmal in Unordnung gekommen und zur.

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Retirade gebracht find , ku fürdyten ſie nichts ſo fehr mehr, wie die Koſaden und laufen gleid) zu Dugenden fort , wenn fie nur ein Paar derſelben ſehen .

Den tüchtigſten Sdlag hátte aber der General Wrede

mit ſeinen Baiern noch dem Bonaparte bei Hanau gegeben . Als wir mit unſerem Kommando da durchfamen , konnte man noch recht ſehen , wie hißig es dort zugegangen ſein mußte.

68 ſoll nicht viel gefehlt haben , ſo hätten die Baiern , was tüchtige Soldaten ſind , die das Raufen ordentlich verſtehen, 1

dem Bonaparte den Paß ſo verlegt , daß er aud; feinen eini

zigen Mann mehr mit über den Rhein gebradyt hätte. Bes deutende Verluſte hat er aber da erlitten , und mancher Parlez

vous mußte zulegt dort noch in's Gras beißen. Ja , der Bonaparte , der hat Soldaten in gar erſchrecklicher Menge in

all ſeinen vielen Kriegen verbraucht, es war nur ein Wunder, daß das franzöſiſche Land ihm immer noch ſo viele liefernt konnte. Und wie viele Gefangene wurden zuleßt noch von den deutſchen Truppen gemacht. Alle Tage begegneten wir großen Haufen franzöſiſcher Gefangener , die zurück, mehr ges .

gen Rußland zu, transportirt werden ſollten.

Die Meiſten waren eben aus den Hoſpitälern in Deutidis

land , in denen ſie ſo lange als Kranke und Verwundete ge legen hatten , entlaſſen , und noch ſo ſchwach und elend auf den Beinen , daß fie ſich kaum fortſd leppen konnten . Sie 1

1

baben uns denn oft gedauert, denn wenn auch die Franzoſen

unſere Feinde waren, und dem preußiſchen Lande viel Unglück zugefügt batten , ſo muß ein Soldat mit einem armen Ges fangenen , und gar wenn derſelbe nod; verwundet iſt, dod) 1

immer Mitleiden fühlen.

Wir hatten ſelbſt zwar nicht allzu:

viel zu eſſen , und von einer ſo guten Verpflegung , wie jeßt hier im Badiſchen, konnte natürlich keine Rede ſein , denn die

ganze Gegend war von all den vielen Truppenmärſdien [dou

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ſehr ausgeſogen, aber wir haben dieſen Gefangenen doch noch manden Biſſen Brod abgegeben.

Als ich denn endlich glücklich wieder bei unſerem Regi mente angekommen war , und mich bei meinem Herrn Ritt

meiſter wieder gemeldet , da hatte ich eine große Freude. Es war mir ordentlich), als wenn ich nun wieder bei der Familie, zu der ich gehörte, wäre, und jedem Huſaren , der unſere Uni

form trug , als Bruder die Hand geben müſſe , ſelbſt wenn idh ihn auch ſonſt gar nicht bei Namen fannte. Mandye mir unbekannte Geſichter traf ich aber bei unſerer Scwadron, denn da wir in dem Feldzug großen Verluſt erlitten hatten, ſo war jest wieder viel neue Erſatzinannſchaft uns nadyges

ſchickt worden. So vergingen denn immer wieder ein paar Wochen, bis ich mich bei unſerm Zuge ſo ausfannte, daß ich ſelbſt in der Dunkelheit jeden einzelnen Mann an Tritt und Gang unterſcheiden konnte. Eine große Freude hatte ich audy , daß ich mein altes Pferd wiederbekommen konnte. Id fürdytete ſdon , daſſelbe ſei vielleicht verloren gegangen , oder an einen anderen Huſaren ſo feſt gegeben worden , daß id es nicht wiederbes kommen könne, allein man hatte es für mid ) aufgehoben . Daß aber jeder ordentliche Huſar, der nur einen Sduß Pul ver werth ſein will, von ſeinem Pferde ebenſoviel wie von

ſich ſelbſt halten muß, wißt Ihr ja ſelbſt, Kinder. Und nun gar im Kriege , wo man mit ſeinem Thiere Tag und Nacht faſt immer zuſammen iſt , und Ehre. und Ruhm mit von deſſen

Tüchtigkeit abhängt, dann gewinnt man es doppelt lieb. Und auch ! mein , Hänſeken“, denn ſo pfleg' ich alle meine Pferde immer ſo für mich zu nennen, wenn ſie auch in den Sdwadronsliſten mit lo vornehmen Namen , wie „ Pomponius “ oder „ Caeſar" ein getragen ſind , erkannte mich wieder , als ich zu ihm in den Stall trat. Er ſpißte die Ohren, da er meine Stimme hörte,

ſcharrte mit den Borderfüßen , drehte deu Bals nach mir um

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und ledte mir die Hände , da ich ihm die Brodfruſte, die ich

nach meiner Gewohnheit für ihn mitgebracht hatte, gab. Ja, ich hab' es immer geſagt, ſo ein Pferd iſt oft viel klüger und dabei anhänglicher als manches Menſchenkind, und das iſt ein wahrer Lumpenkerl, dem ſeine 25 Hiebe auf den H ....

gehören, der es unnöthig quält oder gar mißhandelt.

Im Allgemeinen aber traf ich bei unſerem Regiment, ja auch bei dem ganzen Corps, zu dem es gehörte, nicht allzuviel luſtige Gefichter. Alle waren unzufrieden, daß es nicht raſcher vorwärts

ging, da es ſogar allgemein geſagt wurde, der Krieg folle nun zu Ende ſein, und der Bonaparte franzöftſder Kaiſer bleiben ,

und dazu noch alles Land, was drüben auf der linken Rhein:

ſeite lag , für ſich behalten. So was wollte den Unſrigen gar nicht recht in den Kopf, denn ſie hatten gehofft, jeßt, wo dem Bonaparte ſeine Armee ſo ſehr bei Leipzig geſchlagen ſei, würde man ihm ſchnell nady in das franzöſiſche Land folgen,

und ihm nicht erſt Zeit laſſen , ſich wieder neue Truppen zu ſchaffen . Aber Proft Mahlzeit, daraus wurde nichts , wir blies

ben noch lange Zeit in engen ſchlechten Kantonnirung quartieren am rechten Rheinufer liegen , und Biele , die gehofft hatten ,

ihren Weihnachtsbraten in Paris zu verzehren , die konnten 1

fich man ſo das Maul abwiſchen . „ Es ginge wohl, aber es geht nicht ," pflegt man dabei zu ſagen. Da gab es denn viele böſe Geſichter unter den Soldaten in allen Regimen :

tern, und geflucht ward mehr wie eigentlich recht und billig Der Erzürnſte und Ungeduldigſte von Allen , der war aber unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz ſelbſt. Der hätte ſo gern dem Bonaparte immer auf dem Nacken ges ſeſſen, und ihm bei Tag und Nacht keine Ruhe gelaſſen , und da er dies nun nicht durfte, wetterte er nicht wenig. So ging ich eines Tags ein Bischen vor meinem Quartier ſpas zieren , als ich plößlich unſerm Alten, der auch ſo herumſchlen

war .

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derte und ſeine Pfeife rauchte , begegne. Na , ich ſtelle mich denn natürlich , wie es ſich gehört, in Poſitur , nehme meine

Pfeife, die ich eben friſch angebrannt hatte, aus dem Mund, und halte ſie unten an die Hoſennaht. „, Aha, Friße Erdmann, biſt Du auch noch auf die Beine.

Hab' Dir lange nicht mehr geſehen ," ſagte der Herr Feld i회 marſchall von Blücher Ercellenz jeßt und blieb ſtehen. Ich - hab Euch nämlich ja ſchon geſagt, daß der mich von Anno 1804 ber , wo ich bei ihm in Münſter auf Ordonnanz war,

rund er von meinem Vater , der ihn im großen ſiebenjährigen

Krieg einſt herausgehauen hatte , ſprach, meinen Namen noch 1

| wußte, und mich bisweilen anredete, und dann ſtets bei dem ſelben nannte .

„ Zu Befehl, Ew. Excellenz," antwortete idy. „ Sie haben mir in Leipzig nur ſo einen kleinen Flitſcher gegeben , daß ich auf ein paar Wochen in's Hoſpital mußte. Nu bin ich aber

wieder ganz geſund , und kann alle Tage wieder mit auf die verdammteu Franzoſen loshauen .“ „ Na, det freuet mir , " ſagte der Alte darauf , aberſt ſtelle Dir man kommode , und laß die Pfeife nicht ausgehen , ſie brennt nachyher ſchledyt wieder an – na , ſo thue , was ich Dir geſagt habe , und bleibe nicht ſo ſteif wie ein Holzkloßz ſtehen"

ſchalt er drauf, als ich mich nady ſeiner erſten

gütigen Erlaubniß nicht ſogleich kommode hinſtellte und die Pfeife wieder in den Mund nahm.

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„ Ja , auf die Franzoſen loshauen hat ſich was damit," brummte er nun weiter. „ Wenn alle Kerle auf der Welt nur : To brav wären als Ihr von die Huſaren und von meinert anderen Regimentern von der Infanterie und Kavallerie und

Artillerie , wir hätten den Bonaparte fchon lange wieder bei

den Ohren, aber ſo hol's der Teufel.“

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„ Ja, Ew. Ercellenz, geht es denn nu nicht bald wieder

los ,“ nahm ich mir die Erlaubniß zu fragen. „ Da bei uns im Regimente fagen die Burſchen ganz laut , der Krieg folle ſchon aus ſein , und die Franzoſen all das ſchöne deutſche 1

Land drüben über den Rhein für immer behalten. Das wäre

doch , ſo meiner geringen Anſicht nach), eine große Schande: Wir hatten uns Alle ſchon darauf gefreut, unſer Mittagsbrod auch mal in Paris zu verzehren , nachdem die Franzoſen ſo oft in Berlin gegeſſen haben .“ „Ja, Frige Erdmann ," ſagte nun der Alte. „ Weißt Du, an mir liegt wahrhaftig die Schuld nicht, wenn es nicht ſos gleich vorwärts gegangen iſt, und wir den Bonaparte nicht ordentlich verflopfen . "

, Ew . Ercellenz, das wiſſen wir im Regimente auch Alle recht gut , " ſpracy ich. „ Aber Schade ſei es doch, daß es nicht raſcher ginge, meinen die Huſaren jeden Tag. " ,, Sieh ," entgegnete nun der Alte. „ Da ſind blos die verdammten Diplomaten und all die anderen vornehmen Feder fuchſer d'ran Schuld. Die haben immer das große Maul, 1

wenn ſie weit vom Schuſſe find, und tifteln jeßt wieder ſo viel berum und reden dem Bonaparte das Wort und ſprechen von

Rückfichten nehmen , und was weiß ich noch von all folchem Zeug, ſo daß wir nicht von der Stelle kommen können . Es

iſt um die Schod -Schwerenoth zu kriegen ." ,,Aber Ew . Ercellenz , " ſprach id nun wieder , denn id) batte mir jeßt ein Herz gefaßt und redete friſch von der Leber weg, wie es der Alte am Liebſten mochte. „ Ich meine ſo die Diplomaters, die thuen ja nicht mit beim Einbauen und Feuern 1

helfen, ſo müßten ſie audy nichts mit d’rein zu ſprechen haben, wenn von Krieg und Frieden die Rede wäre. "

,,Recht baſte ſchon, Frige Erdmann ," ladyte der Alte,

aber es iſt nu leider mal anders. Ja, die Diplomaten, die

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und einbauen das Gott erbarm , da fönnte man nid ) t mal

drei franzöftſche Trainknechte mit wegjagen und wenn man ihrer ein Dußend beiſammen hätte. Die Meiſten von den Sterlen , die fönnen nicht mal ordentlid, reiten, und wenn ſie

auf den Gaul herauf müſſen, ſo fißen ſie frumm und wackelig wie ein Sdyneidergeſelle, und man weiß nicht , ob man fid)

drüber ärgern oder ladyen ſoll. So Einige von dieſen Dips lomaten , die mir ſo viel Gift und Galle machen und nidits wie Unheil anrichten , die möchte ich mal auf ſo halsſtarrigen

(polniſchen Remontepferden in der Reitbahn ſeben , und einen guten Wachtmeiſter mit der langen Bahnpeitſche daneben , daß er ihnen das Reiten beibrächte. Weißt Du, das müßte ſo ein

rechtes Vergnügen zum Anſehen geben ," und hiebei wurde der Alte ganz luſtig wieder und hatte ſeinen Aerger vergeſſen . „ Na, guten Tag Erdmann ," ſprach er nod beim Weg gehen, „ grüße die anderen Huſaren in der Schwadron alle von mir , und ſag' ihnen man , ſie möchten nur nidit zu uns geduldig werden , wir kämen doch am Ende noch über den

Nhein und hinter den Franzoſen her, oder der Deubel müßte ſeine Hand dabei im Spiel haben ,

und dabei paffte er ein

paar lange Züge aus ſeiner Thonpfeife , und ging ſeines Beges weiter.

„ Ja, Kinder, ſo war unſer Herr Feldmarſchall von Blü der Ercellenz, oder wie er nadber als Se. Majeſtät unſer Rönig ihn zum Fürſten gemacht hatte, „Durchlaucht" genannt wurde. Im Dienſt ſtreng wie nur Einer, und er trumpfte Dann Jeden und wenn es aud ein ſonſt noch ſo hoher Genes

ral war , ab , daß er für die nächſte Zeit d’ran genug hatte,

außer Dienſt aber leutſelig und freundlich mit jedem braven Soldaten, und wenn es aud) nur ein Gemeiner war. Ein paar Wochen blieben wir denn nun am Rhein liegen , bis denn endlich der Befehl fam , daß wir überſehen ſollten,

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N

worüber wir natürlich Alle die größte Freude hatten. Vorher fab ich aber noch einen Vorfall mit an, den ich Euch heute Abend noch erzählen will, denn Ihr fönnt daraus lernen, daß ein braver Soldat nie und unter feinen Umſtänden den Muth verlieren darf.

Ich war eines Tags bei ſehr ſchledytem Wetter mit einer

Patrouille von 4 oder 6 Huſaren längs des Rheines hinges ſchickt worden. Wie wir denn nu ſo in dem Regen hinreiten und die Mantelfragen ſo hoch wie möglich über die Köpfe gezogen hatten , ſagt ein Huſar zu mir : „ Seht mal Unter officier, da iſt in all dem Sturm und Wetter ein ganz kleiner Kahn, in dem nur zwei Mann zu ſein ſcheinen , auf dem Rhein. Die müſſen auch große Eile haben, daß fie ſich jest herauswagen ." Ich ſehe denn raſd hin, denn ſo etwas konnte verdächtig ſein , da drüben ja nody die Feinde ſtanden, und richtig auf einem ganz kleinen Kahn ſiken zwei Männer, die 11

1

Es ſchienen

mit aller Kraft auf uns zugerudert kommen .

preußiſche Soldaten zu ſein , denn ſo viel man ſehen konnte,

hatten fte Soldatenmüßen von uns auf dem Kopf. In dem ſelben Augenblick kam aber eine franzöſiſche Patrouille , bei

der auch von den franzöſiſchen Grenzjägern zu ſein ſchienen , angelaufen und fing auf den Kahn , der noch ungefähr in der Mitte vom Fluß war, ein heftiges Gewehrfeuer an. An fänglid ließen ſich die beiden Ruderer , die man nun ſchon

beſſer erkennen konnte , gar nicht dadurch ſtören , ſondern ru derten nach Leibeskräften fort ; bald aber wurden ihnen die Ruder aus den Händen geſchoſſen , ſo daß der Kahn ohne Führung dahin trieb. Jest ſah es ſchlimm für die Darin 1

fißenden aus , die fid auch um den Kugeln weniger als

Ziel zu dienen , der Länge nach platt auf den Boden gelegt hatten. So trieb der Kahn eine Zeit lang, ſo ziemlich in der Mitte des Rheins fort, während wir zu Pferde ihm nach:

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ritten , die Franzoſen auf der anderen Seite aber auch nach liefen und dabei fortwährend ſchoſſen. Plößlich mußte der

Rahn aber in einen Waſſerwirbel gerathen, oder auf eine andere Art leck geworden ſein, denn er drehte ſich ein paarmal rund herum und ſchlug dann um, ſo daß die beiden Drinſipenden in’s Waſſer fielen. Der Eine derſelben mußte ein guter Sdwimmer ſein , denn mit friſder Kraft ſchwamm er auf

unſer Ufer zu , und es ſchien ſo, als wenn er es erreichen würde.

Seinem Kameraden aber ging die Sache ſchwerer von

der Hand , und er plemperte ſo , daß man ſehen konnte, er 1

würde nicht an das Land fommen . Nun war unter meinen

Þuſaren ein Schiffersjohn aus Halle , ein braver Kerl, der ſwimmen wie eine Fiſchotter konnte. Wie der das Umſchlas gen des Kahnes ſah, rief er aus : „ Den Kerl muß ich retten, denn es ſcheint ein preußiſcher Gefangener zu ſein , der den

Franzoſen entwiſchen will, und ſollte es mir auch das Leben koſten ,“ damit ſprang er vom Pferde, warf Mantelfragen, Pelz , Säbel , Säbeltaſdie und alles Andere , was ihn am Sdywimmen hindern konnte, voin Leibe, und ſo, ebe ich nod)

kaum ein Wort dazu ſagen konnte, ſtürzte er ſich in den Rhein hinein. Gewaltig arbeitete er gegen den Fluß an, und ſo ges

lang es ihm bis zu dem Sinfenden hinzukommen , und dieſen unter die Arme zu faſſen . Der Rhein ſtrömte aber zu ges waltig, als daß es ihm möglid geweſen wäre, den Mann zu

retten, wenn wir ihm nidyt ein Bischen zu ģülfe gekommen wären. Wir machten nämlid) Alle die Fouragierleinen , die

wir am Sattel aufgerollt hatten, ſchnell los und banden dies jelben an einander, ſo daß ſchon eine ziemliche Länge daraus ward. Ein anderer pujar , der auch gut (dwimmen konnte, ſdhwamm nun auch etwas entgegen , und ſo glückte es dem

Erſten die Leine zuzuwerfen , die er dann dem von ihm Ge · retteten um den Leib band, ſo daß wir ihn vollends an's

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Ufer ziehen konnten. Der Andere von denen , die in's Waſſer geſprungen waren , hatte ſich unterscß ſelbſt glüdlicy an's Land gebrad )t. Glücklicher Weiſe war in der Nähe ein Wirths: baus, und da Alle von dem falten Waſſer im Fluß ganz

verflammt waren , ſo brachten wir ſie dort hinein und gaben ihnen heißen Wein zu trinken, ſo daß ſie wieder zu ſich fanen, Die Beiden, die ſich ſo gerettet hatten , waren übrigens preus Biſche Soldaten, die in franzöſiſche Gefangenſchaft gekommen , und mit vielen Mühen und Gefahren aus derſelben entwiſd ten .

Wie wir denn endlich am erſten Januar 1514 über

den Rhein gingen, erzähle ich Eudy nachher, Kinder, jelzi will ich mal vorher einen Puſt medien und ein Bischen nach meis nem Sdwarzbleß ſehen. Damit ſtand der Alte auf und machte ſich mit ſeinem Pferde zu ſchaffen , und auch die anderen Hus faren folgten ſeinem Beiſpiele.

Viertes Kapitel.

,,So, Kinderfens, Ordnung aufmarſchirt, losgeben," ſdymunzelte Tage die puſaren auf

nun ſeid Ihr ja Alle wieder in beſter und die Erzählerei fann von Friſdiem der alte Erdmann, als er am anderen der Scheunendiehle feiner ſdon harren

fand. „ Ein paar Stunden geben ſchon damit herum , und es iſt beſſer, daß Ihr ſolche Geſchichten mit anhört , als ſonſt aus lieber langer Weile nur allerhand Dummheiten anfangt.

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Was ich aber heute Guch erzählen will , läßt fid für einen

preußiſchen Soldaten gar vergnüglid) anhören und er fann wohl die Ohren dabei ſpißen. Alſo ſeizt Euch jeßt auf die Bänke nieder und habt Ruh, daß Ihr meine Worte alle ver

ſtehen fönnt, ohne daß ich dabei zu dreien nöthig babe, als wenn ich in der Reitbahn ſtände und Eudy das Auf- und

Abfitzen beibrächte. So ein preußiſcher Unterofficier, der alle Jahre, Jahr aus Jahr ein , aus dummen Refruten ordentlide Soldaten , die fid) vor aller Welt Augen mit Ehren ſehen

laſſen können, machen muß, hat wahrhaftig ſeine Lunge ſchon jehr nöthig, das könnt Ihr mir glauben . ,,Was das denit für eine große Freude bei uns war,

als es in den letzten Tagen vom Monat December 1813 all gemein bieß , e8 gebe jet vorwärts und wir würden über

den Rhein ſeßen , kann ich Euch gar nicht ſagen. Der Vers gnügteſte aber mit war unſer Herr Feldmarſchall von Blücher

Ercellenz, denn wie ich Euch ſdyon neulich geſagt habe, konnte er es gar nid)t erwarten , dem Bonaparte von Friſdem auf den Leib zu rücken . So brummig und knurrig der Alte auch bisher geweſen war , ſo ein vergnügtes Geſicht machte er jegt. Ich war mal wieder als Ordonnanz- Unterofficier in ſein Hauptquartier kommandirt, und da hatte ich denn ſo recht Gelegenheit zu ſehen, welche Freude unſerm Herrn Felds marſchall Excellenz es machte, daß Se. Majeſtät unſer König, und die anderen Monarchen und Potentaten, die deſſen Freunde

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waren , und Brüderſchaft mit ihm getrunken hatten , es jeft beſchloſſen , daß der Bonaparte aus dem franzöſiſchen Lande heraus müſſe. Ordentlich um 20 Jahr jünger ſchien unſer Alte geworden zu ſein, und lachte ſo viel und machte ſo ver gnügte Geſichter, als wenn er nur nody Cornet im hodylöblich von Belling’ichen Fuſaren -Regiment und nicht Feldmarſchall von allen königlid, preußiſchen Truppen wäre.

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„ Na, Friße Erdmann , " ſagte er einft zu mir , wie er

mich ſah , „ jegt geht es bald in det franzöſiſche Land hinein, haſte denn auch ſdon Franzöſiſch parliren gelernt ? " „ Zu Befehl, w . Excellenz, nein, das kann ich noch nicht, ſo die fremden Worte , die wollen mir nicht recht in den 1

Kopf," antwortete idy.

„Deš thut auch gar nicht nöthig dag. Sprecht Ihr Huſaren mit den Franzoſen nur recht tüchtig mit Euren Si beln, das ſollen ſie ſdon verſtehen lernen,“ lachte da der Alte. Zu Befehl, Ew. Excellenz, daran wollen wir eð nid t fehlen laſſen , und mit Gottes Hülfe kalaíden wir ſie noch

redyt tüchtig in ihrem eigenen Lande ," war meine Antwort D'rauf.

Unterdeß hatte unſer Alte ſich noch eine Flaſche Cham pagner aufmachen , und ein Glas daraus einſchenken laſſen, was er mit einem „ das iſt guter" hinter die Binde gob.

Darauf befahl er dem Bedienten, der ihm den Champagner gereicht hatte, er ſolle das Uebrige , was noch in der Flaſche war, mir geben. Das iſt ein gutes Getränk, Friße Erd mann," rief er noch im Wegreiten , „ und wenn wir man erſt

im franzöſiſchen Lande ſind, giebt es nichts wie Champagner zu faufen .“ „Ich kann übrigens nicht ſagen ,“ bemerkte der alte Erds mann jeßt , „ daß id dem Champagner , den ich freilich in meinem ganzen Leben nur epliche wenige Mal foſtete , denn für einen Unterofficier iſt ſold) theures Getränk nicht, großen

Geſchmack abgewinnen konnte. So ein gutes Glas Rum, oder eine Flaſche Rheinwein , dann und wann , wenn es die Umſtände erlauben, getrunken , iſt mir lieber wie aller Cham : pagner. Unſer Alter , der hat aber denſelben verteufelt gern gemodyt und mancher Flaſche den Vals abgeſchlagen. Na, warum ſollte er es auch nicht, ſeine Umſtände erlaubten ihm

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dies ja. So habe ich von Leuten, die es wiſſen konnten, oft erzählen hören , er hätte mal bei einer großen Schmauſerei geſagt, nachdem er jo eben ein volles Glas von dem beſten Champagner hinter die Binde gegoſſen : „ Iſt es nicht eigent lich Schade, daß man gegen ein Volk , was ſo guten Wein hat , Krieg führen muß. Man ſollte glauben , das müßten die beſten Kerle von der Welt ſein ,1 da Gott ihnen ein fo

herrliches Getränk gegeben hat, aber im Gegentheil, was find es für ſchlechte Leute. " Ja , die Franzoſen , die konnte unſer Alter nun einmal auf tauſend Schritte weit nicht riechen, das hat er bei jeder Gelegenheit geſagt. Gerade in der Neujahrsnacht übrigens, vom Jahr 1914, gingen die meiſten Truppen von der ſogenannten „ ſchleftichen · Armee ," die unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Ercellenz befehligte, zuerſt über den Rhein. In der Gegend von Bas : Marach und Caub war dieſer Uebergang. Dieſe Nacht, Kin derkens, werd' ich nie vergeſſen , ſo viel Jahre ſeitdem auch icon vergangen ſind. Es war bitter falt damals und der Wind pfiff recht ſchneidend über den Fluß , aber keiner von all unſeren Soldaten dachte daran, oder fror nur im Mindes

ſten, ſo waren alle voll Freude und Jubel. So eine ſchöne Neujahrsnacht hat von al den vielen Tauſenden, die damals < auf den Beinen waren , Keiner wieder jemals weder vorher, noch nachher gefeiert, deſſen bin ich gewiß. War aber auch

keine Kleinigkeit, jeßt den Bonaparte nun zuerſt in ſeinem eigenen Lande anzugreifen und ihn auch dort zu ſchlagen, Lidaß er genug hatte , nachdem er und ſeine Leute ſo lange in

idem unſrigen gehauſt hatte. Uebrigens war das linke: Rhein

ufer, wohin wir jeßt zogen, gar nicht mal franzöſiſch, ſondern 1

gut deutſch geſinnt, wie es ſein mußte. Egliche zwanzig Jahre

hatten die Franzoſen es nur in ihrer ungerechten Gewalt ges babt und waren nun unverſchämt genug , zu behaupten , es Ili,

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gehöre ihnen für immer und der Rheinſtrom müffe die natürs liche Grenze von Frankreich bilden. Aber Proſtemahlzeit, ſo ging es nicht für alle Zeiten und es ward ihnen wieder bes deutet, daß das nicht für immer ſo ginge, und fie ihren Raub mit Güte oder Gewalt wieder herausgeben müßten. Iſt ſo

ſchon Unrecht genug , daß man ihnen drüben da das ſchöne Elſaß mit dem Straßburg , was ſie auch vor langer Zeit wie ein Dieb bei der Nacht ſchändlicher Weiſe geſtohlen haben ſollen , gelaſſen und nicht wieder , wie es fich eigentlich von Gott und Rechtswegen gehörte, abgenommen hat. Hat unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz, als Anno 1814 und ſpäter wieder Anno 1815 der Frieden mit Frankreich ges ſchloſſen ward , genug darüber geflucht und gewettert, daß man den Franzoſen das ſchöne Eljaß gelaſſen.

An dem hat

es wahrhaftig nicht gelegen, daß fie es behalten, und er hätte fte gerne , ſo viel er nur irgendwie konnte , beſchnitten. Na, ich denke mir fo , es iſt noch nicht aller Tage Abend , und

wenn ſte mal wieder keinen Frieden geben wollen und den Krieg anfangen , dann kommen ſie nicht wieder ſo gut weg, wie damals, und müffen mehr Haare laſſen. Waren die Kerle 1843 doch unverſchämt genug und fingen ein großes Geſchrei an und meinten , fte müßten das ganze linke Rheinufer wies der haben , und auch jepunter foll ſo eine Dreiſtigkeit wieder in ihren Köpfen ſpufen und fte das Maul auch mehr aufs thuen, wie gut iſt. Na, laß ſte man kommen, fte ſollen ſchon

ſehen, wie das Ding geben wird. Unſere braven Kameraden vom 9. Huſaren -Regiment und vom 8. Artillerie - Regiment und von den Uhlanen und den 25ern und 28ern und 29ern

und 30ern und den anderen Infanterie - Regimentern vom Rhein her , die ihre Mannſoaft haben , die werden ſchon

tüchtig mithelfen die Franzoſen zu empfangen , wie es ftch gehört. Wenn es auch ſo ein paar nichtsnußige Lumpen und

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t verſoffene Taugenichtsje in den Städten am linken Rheinufer giebt, die ſagen , ſie würden ſich freuen , ſobald ſte wieder zu Frankreich gehören und die rothen Hoſen der franzöſiſchen Soldaten bei fich leben könnten , fo wollen alle anderen bra

e ven, rechtlichen Leute doch nichts davon wiſſen. Schon Anno

* 1814 , als wir zuerſt über den Rhein geſeßt waren , konnte : man recht ſehen , wie ſehr es die Leute freue, daß ſie jeßt * Hoffnung hätten, von der franzöſiſchen Herrſchaft endlich wie: der loszukommen. Faſt allenthalben in den Städten und Dörfern, in denen wir einrüdten , war ein großer Jubel und die Leute wußten oft gar nicht, was fie uns alles Gutes auf

tiſchen ſollten , aus Freude über unſere Ankunft. So entſinne ich mich noch , daß ich gleich den erſten oder zweiten Tag, nachdem wir über den Rhein gegangen waren , bei einem

i alten Schulmeiſter in einem kleinen Fleden einquartiert wurde. Wahrhaftig , wenn ich zu meinem Vater feliger nad Schwedt 1

gekommen wäre , ſo hätte der nicht ein viel vergnügtere $ Ges

ficht machen können , als dieſer brave Mann , daß er jeßt die berſten preußiſchen Huſaren aufnehmen konnte. Schon die

c Stubenthür war mit grünen Tannenzweigen , denn Anderes gab es im Winter nicht, beſtedt, und auf weißem Papier war 1 mit ſchönen, großen, ſchwarzen Buchſtaben geſchrieben : Berz lich willkommen die braven Preußen. “ In der Wohnſtube da il bing das Bild von Sr. Majeſtät unſerm hochſeligen König 1. Friedrich dem Großen hier ſalutirte der Alte wieder ehr

serbietig – mit ſeinem Krüdſtock auf dem großen Schimmel i und neben ihm der alte Ziethen, der Obergeneral von all den

damaligen preußiſchen Huſaren , und der Feldmarſchall von Schwerin , der ja auch ſo ein berühmter General bei der Ins fanterie war. Na , wie uns denn das freute , daß wir hier

gleich ſo freundlich empfangen wurden , könnt Ihr Euch wohl

denken, Kinder. Sieht ein Soldat bei ſeinem Quartierträger 5*

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nur ein freundliche Geſicht und guten Willen , ſo muß ihm das lieber ſein , als der Fetteſte Braten und der beſte Wein , den er vielleicht mit halber Gewalt abgepreßt hat. Aber aud ſonſt ließ es dieſer brave Schulmeiſter an nichts feblen und das Beſte was er noch in Küche und Keller hatte, mußte ſeine

Frau herbeiholen und uns vorſeßen. Allzuviel war es jedoch nicht, denn die Franzoſen hatten noch zuleßt , bevor fie ab

zogen, hier die ganze Gegend recht gründlich ausgeſogen und für uns nachrückenden Preußen nur noch wenig übrig ges laſſen . Nun, wir wurden jedoch ſatt, nahmen den guten Wil len für die That an und verlebten mit dem Sdulmeiſter und

ſeiner Frau ein oder zwei Tage recht einträchtlich und ver gnüglich, bis unſere Schwadron wieder weiter marſchiren mußte. Gar zu viel wußten uns dieſe Leute aber von den großen Leiden und dem harten Drud , den ſie unter der Ferrſchaft von Bonaparte hatten ausſtehen müſſen, zu erzätlen. Steuern

und Abgaben hatte es gegeben , daß man am Ende gar nicht mehr gewußt , wober das Geld nur noch nehmen , um ſie zu

bezahlen . Was ſo die eigentlichen Franzoſen unter den Beam ten geweſen waren , die hatten ordentlich ſtolz und grob alle Leute behandelt und ſo gethan , als wenn ſie viel beſſer wie

die Uebrigen geweſen wären. Auch die beiden einzigen Söhne des Schulmeiſters hatten Soldaten in einem franzöſiſdien Regiment werden müſſen und waren mit demſelben nad Ruß:

land marſcirt, und ſeitdem hatten die Eltern nichts wieder gehört, wo ſte geblieben. Das ganze Regiment , in dem dies ſelben dienten , ſollte dort faſt zu Grunde gegangen ſein und ſo waren wahrſcheinlich die beiden Schulmeiſters -Söhne dabei geblieben . Die Mutter die weinte ihre bitterlichen Thränen, als ſie uns dies erzählte , der Vater war aber viel gefaßter,

obſchon man ſeinem Geſichte auch recht deutlich anſehen konnte, wie ſehr ihn dieſer Verluſt ſeiner Söhne ſchmerze. Ja der

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Bonaparte der hat viele tauſend und abermals tauſend Mens

ſchen in ſeinen Kriegen verbraucht, und manche Mutter ihre blutigen Thränen darüber weinen müſſen: Einige Tage waren wir ſchon auf dem linken Rheinufer, da ward ich mit noch 12 Huſaren auf eine Rekognoscir - Pa trouille ausgeſdhickt. Wir ſollten ausfundſchaften , wie ſtark die Franzoſen , die uns gegenüber ſtänden , denn eigentlich ſeien , und was ſie wohl für Abſichten auf die nädyſten Tage hatten. „ Kommen Sie nicyt eher zurück , bis Sie mir mög lichſt genaue Auskunft geben fönnen , denn es liegt dem Hauptquartier viel daran , dieſelbe zu erhalten ,“ ſagte mir beim Wegreiten noch unſer Herr Major. So eine weit vors geſchobene Refognoscir - Patrouille iſt oft ein ſehr gefährliches Ding , und es heißt wohl die Augen und Ohren im Kopfe offen haben , daß man nicht Ehr und Reputation dabei vers liert. Na , dafür hat man denn auch viel Vergnügen dabei, 3

und jeder ordentliche Huſaren - Unterofficier wird ſid) darüber

freuen und es als eine große Auszeichnung anſehen , wenn gerade ihn ein ſolcher Befehl trifft. So dachte auch id) und freute mid daher über dies Kommando. Die Huſaren , die ich bei mir hatte, waren dazu friſde, tüchtige Kerle, die ihren Säbel gut zu führen verſtanden und auf denen im Nothfall Verlaß war, unſere Pferde hatten ſich gut ausgeruht und bei dem falten Froſtwetter ließ es ſid) ſcharf fortreiten , und ſo war denn Alles zuſammen , was man bei einer ſolchen Pa trouille fich nur wünſchen konnte. Luſtig und munter trabte 1

ich ſo auf der breiten Chauſſee mit meinen Huſaren vorwärts, eine Spiße von zwei Mann , wie es in der Ordnung war,

einige hundert Schritte vor uns voraus. Ungefähr 3/4 Stun den mochten wir ſchon über unſere äußerſten Vorpoſten fort geritten ſein und hatten noch keinen Menſchen geſehen , als

uns ein Bauer des Wegs entgegen kam. Wir bielten ihn.

3

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an , um ihn weiter auszufragen , doch da er ſagte, er habe ſeit 5 Tagen nichts von den Franzoſen mehr gehört noch ges ſeben , nun ſo mußten wir ihn wieder laufen laſſen . Nicht viel beſſer ging es uns in den nächſten zwei Dörfern , in die wir vorſichtig und uns nach allen Seiten recht umſebend, nun einritten. Auch hier wollte man nichts von den franzöftſchen Truppen wiſſen und eben ſo klug, wie vorher, mußte ich wie: 1

der meiner Wege reiten.

So war ich denn allmälig ſchon

ein paar Meilen weit gekommen , und da es zu dunkeln anfing und es auch ſchien , als würde am Ende fich ein

Schneegeſtöber einſtellen, ſo waren alle Felder und Wege ganz von Menſchen leer und ich konnte Niemand auftreiben , der mir nur die mindeſte Auskunft zu geben vermochte. Das war denn eine verfluchte Geſchichte, denn ohne meinen Zweck erreicht zu haben , wollte ich ungern wieder zu unſerm Herrn Major zurüdreiten. Der konnte oft , wenn er zornig wurde, ſehr grob werden und hätte am Ende gar geſagt, „ ich ſei ein Eſel, daß ich ihm feine Nachricht über die Franzoſen gebracht

habe und er würde auf ein Andermal einen klügern Unterofs ficier als Patrouille- Führer ausſchicken .“ So etwas wäre doch aber eine große Schande für mich geweſen. In der Dunfels beit , die an dem kurzen Wintertag bald eintrat, in der ganz unbekannten Gegend weiter reiten wollte ich auch nicht gern, denn wer mochte wiſſen , wohin ich dabei kommen und nicht

am Ende gar noch den Franzoſen in die Hände fallen konnte. Ich ließ daher einen Augenblic halten , um mich mit meinen Huſaren näher darüber zu berathen , was wir eigentlich nun weiter thun ſollten , wobei aber auch nicht viel Kluges heraus fam.

Nachdem wir nun noch wohl eine halbe Stunde jo

weiter fortgeritten ſein mochten ,. ſaben wir ein paar hundert Schritte von der Straße ein großes, hohes Haus liegen, was

ganz unbewohnt zu ſein ſchien , denn man konnte wenigſtens 1

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feinen Lichtſchimmer von dorther ſehen , noch den mindeſten Lärm hören. Einer meiner Fuſaren mußte nun abfißen und fich zu Fuß an das Gebäude beranſchleichen , um es zu res

kognosciren. Der kam denn bald zurück und meldete, daß es eine große, leere Scheune ſei, die man wahrſcheinlich im Soms mer gebrauche, um Ziegelſteine darin aufzuſtellen. Da der Wind ſehr ſcharf zu wehen und der Schnee dicht zu fallen

anfing, ſo hatten wir in dieſer Scheune doch beſſeren Schuß dagegen ,, wie auf dem freien Felde, und beſchloſſen daher, die Nacht daſelbſt zu bleiben. Wir ritten deshalb nun darauf

zu, fanden die eine Seite offen und zogen unſere Pferde, die ſchon ziemlich müde waren, hinein. Hafer hatten wir für dies ſelben in unſeren Futterſäden , und ſo zäumten wir ſie denn ab und gaben ihnen ein tüchtiges Futter. Nicht ſo gut bes famen wir es aber, denn unſer ganzer Proviantvorrath bes ſtand nur noch in trocnem Kommißbrod und ein Bischen Salz. Dazu wagte ich nicht ein großes Feuer anmachen zu laſſen , obwohl trodnes Buſchwerk genug in einer Ede lag , denn ich fürchtete, daß der Schein deſſelben leicht in der Ferne geſehen und uns ſo verrathen würde. Nur ein kleines Soh. lenfeuer machten wir, daß wir uns eine warme Brodjuppe in

unſeren Kochgeſchirren kochen und uns die Hände und Füße etwas daran erwärmen konnten , denn es ward , je mehr die Nacht herauf kam , immer kälter. Ein Poſten ward Nun am Eingang der Scheune aufgeſtellt, daß der ja auf Alles Acht haben ſolle, und wir Anderen legten uns ſo eng wie möglich

zuſammen , um uns auf dieſe Weiſe zu erwärmen , ſo gut es geben wollte und verſuchten dann zu ſchlafen. Eine verflucht ſchlechte Nacht war dies aber , das kann ich Euch verſichern , .

und wir haben gefroren, daß uns die Zähne im Munde flaps

perten. Gegen Morgen, wo ich eben ein Bischen eingeduſſelt i war, kam der Wachtpoſten und wedte mich eiligſt. Eine ganze

Kolonne Infanterie fam des Wege daher marſchirt, obid on man in der Dämmerung noch nicht erkennen konnte, zu wels dem Heere fte gehörte. Wahrſcheinlich mußten es aber Frans zoſen ſein, denn von uns Preußen war, ſo weit wir es wuß ten , noch keine größere Infanterie - Abtheilung ſo weit vors gedrungen . Solches waren es denn auch , denn bald fonnte man die franzöftſchen Worte und Lieder, welche die Soldaten 1

beim Marſchiren fangen , ganz deutlich erkennen. Sapperment, das war denn eine verfluchte Geſchichte , und ich kann nicht

anders ſagen, als daß mir ganz ſchlecht zu Muthe ward, wie ich die Franzoſen deutlich erkannte . Wie leicht fonnte es nicht

ein paar Soldaten einfallen , in die Scheune, die nicht weit vom Weg lag , eintreten zu wollen , und dann ſaßen wir gar

arg in der Patſde. Nun , man muß nur nicht ſogleich den Muth verlieren , und wenn der Kopf auch ſchon halb in der Schlinge ſteckt, durch Dreiſtigkeit bekommt man ihn noch oft am Beſten wieder heraus.

Raſch weckte ich nun alle meine

Leute, und ſo ſtill, dabei aber auch ſo raſch , wie es nur ge ben wollte, ließ ich die Pferde aufzäumen . Ich hatte die Ab ficht, ſtill in der Scheune verborgen mich zu halten , ſo lange dies irgendwie glücken wollte , ſonſt aber , wenn wirklich es franzöſiſchen Soldaten zufällig einfallen ſollte, dieſelbe zu durchſch nüffeln, dann eiligſt davon zu jagen. Die franzöſiſche Infanterie-Kolonne, die wohl an 2000 Mann ſtarf ſein mochte, kam jeßt auf dem Fleck an , wo ein Feldweg von der großen

Straße ab auf unſere Scheune zuführte. Schon hatte ich Hoff nung , daß dieſelbe vorbeimarſciren würde, aber der Teufel 1

mußte ſchier einige Tirailleurs plagen , daß fie abſchwenkten und gerade auf die Scheune zufamen , um ſolche zu durchſuchen. Jeßt war die größte Eile nöthig , wenn wir nicht alle , wie die Maus in der Falle, gefangen werden wollten. „ Raſch zu Pferde und dann was nur über Stock und Stein nachgejagt, 1

1

73 .

Jungen8," befahl ich nun meinen Fuſaren. Wie der Blitz faßen wir in den Sätteln und nun haſte nicht geſehen , aus der Scheune beraus auf das Feld und dann ſo ſchnell wie

die Pferde nur laufen wollten , davon geſprengt. Das muß den Franzoſen gar wunderlich vorgekommen ſein , wie ſo plöfs

- lich ein Dußend preußiſche Huſaren aus einem Gebäude , wo fie ſolche gewiß am Wenigſten vermutheten , hervorgejagt fam. Zwar ſchoffen die Tirailleurs ſogleid) ihre Flinten auf uns

ab, und Viele derſelben liefen uns noch mit großem Geſdirei weit nach , und in der ganzen Kolonne entſtand eine gewal tige Aufregung. Wir waren wahrhaftig aber auch nicht faul, gaben unſeren Pferden die Sporen tüchtig zu foften , und jagten nun , was das Zeug halten wollte, über die Felder , daß wir ſobald als möglich den Franzoſen aus dem Geſidit

:kämen. Wir Dußend Huſaren konnten uns doch unmöglich mit der ganzen Infanterie - Kolonne herumhauen, und ſo war es denn das Beſte, uns ſo fdynell die Säuler nur laufen konnten, aus dem Staub zu machen . Na , daß dieſe Infans terie uns nichts mehr thuen fönne, wußten wir bald, denn es

dauerte nicht allzulange ſo waren wir derſelben aus den Augen. Es war aber leicht möglich , daß von derſelben aus nach allen

Seiten Patrouillen ausgeſchickt werden möchten , um alle fran zöſiſchen Truppen in der ganzen Gegend zu allarmiren, und dann konnten wir leicht in eine verfluchte Patſche kommen . Das Beſte für uns war nun , nady der Richtung, wo unſere preußiſchen Truppen vermuthlich ſtanden , hinzureiten, um ſo zit dieſen zu kommen . Franzoſen hatten wir ja die ſchwere

Menge geſehen , und ſo konnte ich nun bei der Rückfehr die Meldung machen, daß ſolche noch genug in der Gegend herum ftanden . Wir ließen denn nun tüchtig zutraben , denn auch unſer Magen war verdammt hungrig. Die dünne Brodſuppe am geſtrigen Abend hatte auch nid)t zu viel ausgethan und

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in unſeren Brodbeuteln war es ſo leer, daß eine Maus nicht mehr von all den Krümdyen fatt geworden wäre. Ja , ein Huſar auf den Vorpoſten oder bei weiten Patrouillen in

Feindesland muß oft hungern , daß ihm die Schwarten fras den. Freilich hat er es ein andermal dafür auch wieder deſto

beſſer und fann fo fett ſchmaußen , als wenn er der Prior in einem Kloſter wäre.

An zwei Stunden mochten wir in der öden Gegend wohl ſchon fortgeritten ſein , und hatten noch keinen Menſchen ges Tehen , als wir an ein kleines Haus , was ganz allein lag, famen . Zwei Huſaren mußten abfißen und es vorfichtig res fognosciren , ob nicht am Ende Feinde dort verſteďt ſeien , und da fie Alles fidyer fanden , ſo ritten wir auch dann näher,

faßen ab und banden unſere Pferde auf dem Hofe, wo ſte

etwas vor dem kalten Wind in Schuß ftanden, an. In dem Hauſe waren nur zwei alte Leute, die faum mehr ordentlid

geben konnten , und ein großer Burſche, mit dein es nicht redyt richtig im Kopfe zu ſein ſchien. Da war denn ſchwer .

Auskunft über den richtigen Weg und gar ob Franzoſen in der Nähe ftänden, von denſelben zu erhalten . Die Leute die zitterten und jammerten , obſchon wir ihnen nichts zu Leide

gethan hatten , und konnten entweder gar keine Antwort ges ben oder quatſditen ſo dummes Zeug durcheinander, daß man

nicht daraus klug werden konnte. Auch mit der Verpflegung fah es in dieſem abgelegenen Fauſe ſchlecht genug aus , und daß wir uns den Magen hier nicht verderben würden, fonnte

man ſchon im Voraus merken. Nichts wie Kartoffeln und ſchlechtes Brod konnte uns die Frau vorlegen , obſchon wir

ihr eine ehrliche Bezahlung für Alles, was fte und geben würde, verſprachen. Na, der Hunger wurde doch damit ges

ſtillt, und wir hatten im Leben wohl ſchon ſchlechter gegeffen, und ſo ſtopften wir uns denn mit den warmen Kartoffeln

75

.

recht den Leib voll, ſteckten Jeder ein kleines Stück Brod ein, gaben der alten Frau per Mann 2 Groſchen Bezahlung, worüber fte eine große Freude hatte , und legten uns dann wieder auf unſere Pferde. Ein grauſeliges Wetter war es jeßt aber wieder geworden und der Schnee fiel ſo did vom Himmel , daß man nicht zwanzig Schritte weit ſehen konnte. Eine Stunde war es wohl ſchon wieder her , daß wir aus dem Hauſe fortwaren, als wir ein großes Dorf in der Nähe vor uns liegen fahen. Da wären wir freilich wohl gern bineingeritten und hätten genaue Erkundigungen eingezogen, wo wir denn eigentlich uns befänden , doch trauten wir dem

Frieden nicht recht, ob nicht am Ende fich doch Franzoſen

darin befänden. Ein Huſar, ein ſo recht pfiffiger, gewandter Kerl , der gerade zu al ſolchen Sachen am beſten zu gebraus chen war, mußte abſigen und das Dorf vorher zu Fuß refogs nosciren , während wir Anderen mit unſern Pferden in einer Kuhle, die am Wege lag , halten blieben. Wir waren dort etwas beſſer vor Wind und Wetter geborgen und konnten auch nicht ſo leicht entdeckt werden. Nach einer langen Stunde, die uns wie eine Ewigkeit vorkam , langte denn auch endlich der ausgeſchickte Fuſar wieder bei uns an. Verflucht ſchlechte Nachricht brachte der aber wieder mit zurück , und es hieß jeßt wohl aufpaſſen , daß wir am Ende nicht doch noch erwiſcht würden. Das ganze Dorf war nämlich vollgepfropft von Franzoſen, Infanterie und Artillerie, Alles bunt durcheinander. ? Mit eigenen Augen hatte unſer Kundſchafter dieſelben dort einziehen ſehen, da er ſich in einem leeren Badofen dicht vor dem Dorfe verſteckt hielt, und meinte aucy, irgend ein höherer

Stabøofficier müſſe auch mit dabei ſein. Na, daß jeßt unſes reß Bleibens in ſo gefährlicher Nadybarſchaft nicht mehr lange war , könnt Ihr Euch wohl denken , Kinder. Jeßt kam uns

das dichte Schneegeſtöber, worübe wir vorhin ſo viel geflucht

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hatten, gut zu Paß , denn es verſperrte den Franzoſen die weite Ausſicht, ſo daß fie uns nicht leicht entdeden konnten.

In einem großen Umkreis trabten wir nun querfeld um das Dorf berum , ſuchten dabei aber möglichſt die Richtung , wo

unſere Preußen ſtehen mußten, beizubehalten. Ein verflucht ( dylecytes Reiten war es aber , denn der Schnee lag an wel:

den Stellen ſchon ſo haufendick, daß unſere Pferde bis an die Knie hineinverſanken und fich nur langſam fortarbeiten konnten. Die armen Beeſter wurden vor Schweiß ganz naß, obſchon es ſehr falt war, und fingen allmälig an, auch ſchon etwas müde zu werden. In einem kleinen Tannenwald , der nicht weit von der Straße lag , auf die wir endlich wieder gekommen waren, wo der Wind nicht ſo ſcharf blaſen konnte, ließ ich wieder Halt machen und unſere Pferde mit dem leß

ten Hafer , den wir noch in den Futterbeuteln hatten , abfüts .

tern. Dieſelben hatten eben ausgefreſſen und wir wollten langſam wieder aufzäumen und unſeren Weg fortſeßen , als wir auf der Landſtraße durch das Sdyneegeſtöber blanke Helme blinken ſaben , und bald auch das Schnauben der

Pferde und das Klirren der Säbelſcheiden gegen die Sporen zu hören vermochten . Es waren , wie wir bald näher unter ſcheiden konnten, franzöſiſche Dragoner, ungefähr eine Schwas 1

cron ſtarf , die dahermarſcirt famen . Da war es denn ein

Glück, daß wir hinter dem dichten Tannengebüſch hielten , ſo daß fie uns nicht ſehen konnten , und der Wind und das Schneetreiben unſere Spur ſchon ganz wieder verwiſcht hatte. lebrigens ſchienen dieſe Dragoner von einem Depot zu ſein, denn ſie hatten eine Menge Handpferde und Wagen bei fich, und waren nicht ſo recht auf das Fechten eingerichtet, da jeder Mann 2-3 ledige Pferde am Zügel führen mußte. Freilich mit uns wenigen Huſaren wären ſie immer doch noch leicht fertig geworden. Na , wir verhielten uns denn ganz ruhig,

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und ſo marſchicte die Schwadron Dragoner vorbei, ohne was zu merken. Ungefähr an 8–900 Schritte hinterdrein fam noch ein Trupp Nadyzügler , vielleicht 14-16 Mann ſtark, nachgejuđelt. Das wäre eigentlich ſo eine recht ſchöne Ges legenheit, ein paar Gefangene zu machen und doch nicht wies der mit ganz leeren Händen zu unſerem Herrn Rittmeiſter zurückzukehren, dachte ich in meinem Sinn , wie ſo dieſe Dra goner nahe herangeritten famen. Einer meiner Huſaren, von Profeſſion ſo eigentlich ein Wildſchüß aus dem Thüringer lande, ein äußerſt dreiſter Kerl, der ſich ſelbſt vor dem Teufel

ſeiner Großmutter , wie man zu ſagen pflegt, nicht gefürchtet hätte , mußte mir dieſe Gedanken wohl an den Augen anges

ſeben haben. „ Wie wär's , Herr Unterofficier, ſollen wir nicht druf, ein paar von dieſen Franzoſen könnten wir immer

ſchon vom Pferde herunterflitſchen , bis die Anderen ihnen zu Hülfe kämen ,“ ſprach er leiſe zu mir. Ein ordentlicher preu Biſcher Huſar muß ſtets denken „ Friſch gewagt iſt halb ge wonnen “ , und ſo ſagte ich denn jeßt : ,, fig zu Pferde, Jun : gens , und dann in 2 Abtheilungen mit lautem þurrahruf auf dieſe franzöſiſchen Dragoner los, und ſie vorne und hin ten angefaßt, wir wollen uns ein Paar davon zur Geſellſchaft 1

1

mitnehmen. " Schnell jaben wir denn nun in den Sätteln,

und haſte nicht geſehen jagten wir wie der alte Ziethen aus dem Buſch , auf die Dragoner los und griffen ſie von zwei Seiten an. Die wußten gar nicht, wie ihnen geſchah, als ſo plöblich mitten durch das dicke Schneegeſtöber preußiſche þu faren, die ſie meilenweit davon glaubten, auf ſie zugejagt fa men. Eßliche von ihnen die jagten ſogleich mit ihren Pfer den auf die voraufmarſchirte Sdwadron los , um von daher

Hülfe zu holen , Andere hingegen , die größere Courage hat ten oder nicht mehr Gelegenheit zum Ausfragen fanden , ſek ten ſich zur Wehr. So kam es denn zu einer kleinen Klopferei,,

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worüber ich mich ſehr frente, denn ſeit Leipzig her hatte ich mich nicht mehr mit franzöfitſchen Kavalleriſten herumgehauen und der Säbel judte mir ſchon ſo recht in der Fauſt danach. Meine Huſaren , die von dem vielen Halten auch recht aus- | gefroren waren, ſchlugen auch tüchtig drein , um wieder warm

zu werden, und die Franzoſen, die ganz überraſcht waren und dazu ſich ihrer Þandpferde wegen auch nicht recht rühren konn ten , leiſteten nur geringen Widerſtand und ſuchten fich meiſt

nur zu ihren ſchon vorausgerittenen Kameraden durchzuſchlas gen. Zwei Mann derſelben nahmen wir gefangen und 3 Sandpferde erbeuteten wir auch, und von den Uebrigen hatten

Einige gewiß auch noch einige tüchtige Denkzettel mit auf den Weg bekommen. Von uns war nur ein Huſar, gerade ders jenige , welcher mich zuerſt zu dem Angriff aufforderte, am

Arm verwundet worden , und einem Huſaren -Pferde das Dhr abgehauen. Mich hatte eine Piſtolenkugel gerade am oberen Rand des Chakos getroffen , ſo daß es etwas mir im Kopfe gedröhnt. Uns übrigens fange aufzuhalten hatten wir nicht die mindeſte Zeit , denn wahrſcheinlich fehrte die ganze Dras goner-Swadron um und verfolgte uns , und wenn wir von derſelben eingeholt wurden , ſo erging es uns ſchlimm . So 1

wurden denn die Beutepferde am Zügel genommen , die Ges

fangenen darauf geſeßt, und was das Zeug nur halten wollte jagten wir in vollem Galopp auf der Straße fort. Die Dra goner -Schwadron , die uns vor dem dicen Schneegeſtöber nicht ſehen konnte und auch unſeren Spuren nicht folgen, mußte wahrſcheinlich die Verfolgung nicht eifrig betrieben haben, denn nach einer Stunde (darfen Reitens konnten wir ſchon unſere ganz müden Pferde anhalten und ſolche etwas verpuſten laſſen , da nichts mehr von den Feinden zu ſehen noch zu hören war. So war uns denn dieſer kleine Ueber fall gut geglüdt, worüber wir Alle unſere große Freude hatten,

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wie Ihr wohl denken könnt. Gerade ſo etwas iſt für einen Huſaren im Kriege der beſte Spaß. Um nun aber ſicherer auskundſchaften zu können, in wel chem Dorfe wohl noch Franzoſen ſein könnten 1, ließ ich zwei von meinen Fuſaren die Helme der beiden gefangenen frans zöſiſchen Dragoner aufſeßen und ihre langen Reitermäntel

umhängen, ſo daß man ſie für Franzoſen halten konnte. Der Eine derſelben , ein geborener Berliner , war dazu ein ſehr durchtriebener , ſchlauer Kerl, der auch etwas Franzöſiſch par liren konnte. Er hatte den Feldzug von Anno 12 in Ruß

land noch mitgemacht und war dort oft als Ordonnanz im franzöſiſchen Hauptquartier kommandirt geweſen , ſo daß er den Schick bei dem Militärweſen der Franzoſen gut kannte und fich ſo dreiſt für einen Dragoner ausgeben konnte. Dieſe beiden ſo verkleideten Huſaren mußten nun die Spiße bilden und ſtets einige hundert Sdritte vor uns vorausreiten , um Alles vorher genau auszufundſchaften. So mochten wir wies der ſchon eine ganze Weile fortgeritten ſein, und unſere Pferde

I wurden in dem tiefen Schnee ſchon ganz müde wieder , wäh

7

rend es uns im Magen vor punger ſchon gewaltig knurrte, als wir ein großes Dorf in der Nähe liegen ſahen. Meine

beiden Huſaren ritten hinein , um zu ſehen , ob Alles richtig drin ſei, während ich wieder mit meiner übrigen Mannſchaft 1

draußen halten blieb, um das Weitere abzuwarten. Bald fam

jedoch einer der Auskundſchafter zu uns zurüdgetrabt und rief ſchon von Weitem : ,, Kommen Sie man unbeſorgt in's Dorf

geritten , Herr Unterofficier, es ſind keine Franzoſen mehr drin und die Einwohner müſſen auch gut deutſch geſinnt ſein , denn wie fie uns Beiden , die ſie für Franzoſen hielten , erblicten,

hörten wir , daß Alle zu ſchimpfen anfingen und zu einander ſagten , ob denn dies Racerzeug von Franzoſen noch nicht

fort wäre , fie hätten gehofft, nie mehr welche zu ſehen ,

und

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nun kämen doch noch zwei mit ihren großen Pferdeſchwänzen

im Naden angebummelt.“ Na, daß ich auf ſolch gute Nachs richt mich nid )t lange aufhielt und bald machte , daß ich mit meiner Mannſchaft in das Dorf hineinfam , fönnt Ihr wohl denken , Kinder. Die im Dorfe aber machten verwunderte Augen , wie ſie ſo plößlich von der Seite her , wo ſie die Franzoſen erwarteten , eine preußiſche Huſaren -Patrouille eins reiten ſahen. Wir waren die erſten verbündeten Truppen, die in das Dorf famen , und die Einwohnerſchaft freute ſich ſehr, uns zu ſehen. Wäre nicht die Furdt geweſen, daß nach uns noch wieder Franzoſen einrücken könnten, und es dann Strafe dafür geben würde , wenn man uns gar zu freundlich aufge . nommen hätte, id) glaube die Einwohner hätten uns am Ende

mit ſammt unſeren Pferden auf den Händen getragen. Aber auch ſo ſchon konnten wir zufrieden ſein mit unſerer Auf

nahme. Ich ſtellte nun zwei Poſten an den Eingängen des Dorfes aus, um Alles zu beobachten was vorginge, und ließ dieſe ſtets die franzöſiſdien Mäntel und Helme abwecyſelnd. tragen , was ihnen viel Spaß maūte , wir Uebrigen aber rita ten in das Wirthshaus, unſere Pferde und uns dort ordent

lich auszuraſten und zu pflegen. Wir hatten dies auch wohl verdient. In dem Wirthshaus da ging es aber luſtig zu und das Beſte, was nur in Küche und Keller zu haben war, wurde uns vorgeſeßt. Wenn man ſo wie wir einige 40 Stun den bei ſtrenger Kälte herum geritten iſt, ohne viel anderes wie eine magere Brodſuppe zu eſſen , und befommt dann Wein und Fleiſch und anderes Gemüſe in Menge , ſo läßt man es fich wahrhaftig gut ſchmecken . Ich mußte nur auf

paſſen , daß meine Leute nicht am Ende ſich beſoffen , denn von allen Seiten wurden ihnen die vollen Weingläſer zuges

bracht. Glücklicherweiſe waren es alte, zuverläſſige Soldaten , die ſich ſelbſt mit in Acht nahmen , da ſie wohl wußten , daß

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rin Beſoffener bei ſolcher Patrouille gar nicht zu gebrauchen iſt und mehr Schaden wie Nußen anſtiften fann. An fünf Stunden hatten wir uns nun wohl ſchon in dieſem Wirths

Hauſe aufgehalten und auch unſere Pferde, denen Hafer vollauf in die Krippe geſchüttet, waren wieder ganz ausgeruht, ſo daß ich bald an den Aufbruch dachte. Es war zwar ſchon ganz dunkel geworden, doch hatte das Schneegeſtöber fidh ges legt und der Mond ſchien ziemlich hell , und da ich einen

Führer mitnehmen wollte, ſo konnte ich hoffen, gegen Morgen 6

bei unſeren Vorpoſten wieder anzukommen. Wir wollten nun eben auffißen , als Einer der als Dragoner verkleideten Hu ſaren , der draußen als Vedette aufgeſtellt war , plößlich ans gejagt fam und meldete , daß eine Ravallerie-Patrouille von 6 Mann , die , ſo viel er an ihren Mänteln und Helmen in

der Ferne erkennen könne , Franzoſen ſein müßten , langſam 1

auf unſer Dorf zugeritten käme.

,, Die Sterle müſſen wir

fangen, ich reite ihnen entgegen und gebe mich für einen Ka meraden aus , und ſo glüdt es gewiß , ſie in den Hinterhalt zu führen ," ſagte derſelbe, als er mir ſeine Meldung gemacht hatte. Nun, da der Quſar ein dreiſter, gewandter Kerl war, der fich wohl zu helfen wußte, ſo gab ich ihm denn auch die Erlaubniß , ſein Stücklein zu verſuchen , worauf er auf einem der Beutepferde fortritt. Wir ſelbſt eilten nun in den Hof 1

: und ſtellten uns rechts und links hinter Holzſtößen , die dort

- aufgeſchichtet waren, auf. Ungefähr eine halbe Stunde mocha ten wir ſo auf der Lauer geſtanden haben, ſo hörten wir den

Sufſchlag von Pferden und bald darauf kommen die franzö fiſchen Dragoner mir nichts dir nichts in den Hof geritten. An der Spiße derſelben , neben dem Korporal , der die Pa : trouille führte, und ganz gemüthlich mit demſelben ſchwabend, ritt unſer Huſar. Na, wir ließen denn die Franzoſen abfißen, : dann ſprangen wir von allen Seiten aus unſerem Hinterhalte III.

6

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hervor, meine Leute ſchlugen die Karabiner auf ſie an und ich rief ihnen zu , fie ſollten nur fanell ihre Palaſche abthun und fich als Gefangene ergeben , ſonſt würde ich ſchießen laj: fen. Was die denn für verwunderte Geſichter machten , als

ſie ſo ganz unerwartet ſich von preußiſchen Huſaren umringt und gefangen genommen ſahen, läßt ſich gar nicht ſagen. Da half denn freilich kein Maulſpißen , fie mußten ſich wohl zu 1

Gefangenen ergeben , mochten fie nun wollen oder nicht , und

ſo hatten wir denn bei dieſer Gelegenheit wieder eine ganz gute Beute gemacht. Unſer Perr Rittmeiſter der ſollte ſchon

ſchmunzeln und ſich vergnügt die Hände reiben, wenn ich ihm dieſen Vorfall erzählte und die Gefangenen und die erbeute ten Pferde, unter denen noch einige ganz gute Thiere waren ,

zeigte. Auch hatte der franzöſiſche Korporal , den wir gefan gen genommen hatten , Depeſchen für einen General bet fich,

und die konnten in unſerm Hauptquartier auch vielleicht von Nußen ſein . Wir nahmen nun den Pferden unſerer Gefans genen die Gebiſſe aus den Zügeln , ſo daß ſie nicht mehr zu lenken waren , und dann hieß es raſch aufbrechen und tüchtig zureiten , um möglichſt bald bei den Unſrigen wieder anzus I

kommen. Alzu geheuer war es für uns in der Gegend nicht hier , da noch viele Franzoſen in derſelben herumſtreifen foll ten. Der Weg war jeßt ſo ziemlich , der Mond ſchien hell, einen ſicheren Führer hatten wir , unſere Pferde waren friſch

bei Kräften und ordentlich ausgeruht wieder, und ſo trabten wir denn , unſere Gefangenen in der Mitte , luſtig drauf los und legten in der Nacht noch eßliche Meilen zurück, ohne daß uns weiter etwas aufſtieß. Unſer Führer , ein alter Jäger, den wir auf ein Beutepferd geſeßt hatten, wußte in der gan

zen Gegend trefflich Beſcheid und führte uns immer ſolche Wege, wo die Franzoſen ſo leicht nicht hinfamen. Der Mors gen graute ſchon , da ſaben wir auf einem Hügel die erſten

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prcußiſchen Ravallerie - Vedetten halten.

Die wußten nicht

redit, was ſie aus und machen ſollten , da wir die neue Los ſung nicht kannten und auch ſo viel franzöſiſche Dragoner fich unter uns befanden , und jagten daher , nachdem ſte ihre Piſtolen abgeſchoſſen hatten , auf die Feldwache zurück. Ich trabte ihnen nun nach und gab mich der Feldwache, die aus Uhlanen beſtand , gefangen , worauf dann auch meinen Leuten

erlaubt wurde , näher zu fommen . Man führte uns nun in das Dorf, in dem ein Theil unſeres Huſaren-Regiments lag, und da gab es denn vergnügte Geſichter, als wir ſo mit all unſeren Gefangenen und Beutepferden zurücfamen. Verloren hatten ſie uns ſchon gegeben , da wir ſo lange ausgeblieben waren , und unſer Herr Rittmeiſter hatte deshalb nicyt wenig

geflucht und gewettert. Nu , jept ſchmunzelte er denn dafür auch deſto mehr, daß Alles ſo gut abgelaufen war, und lobte mich , worüber ich denn natürlich eine große Freude hatte, denn für einen Unterofficier muß es ſtets eine Freude ſein , wenn er von ſeinen Vorgeſegten gelobt wird. Auch der Herr General, dem ich gleich darauf genauen Rapport über Alles, was ich geſehen und gehört hatte , abſtatten mußte , war mit mir und meinen Leuten zufrieden und machte und die große Ehre, daß er dies öffentlich in dem Tagesbefehl ausſprechen 1

ließ.

,,Seht , Kinder , das iſt denn wieder ſo eine Geſchichte, wie es dazumals Anno 1814 in dem großen Kriege gegen die Franzoſen bei uns zuging , und das Nächſtemal erzähle ich Euch wieder davon ," mit dieſen Worten beendete jegt der alte Erdmann für den heutigen Abend ſeine Erzählung.

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Fünftes Kapitel.

Gin recht vergnügtes Leben und Treiben herrſchte auf dem großen Hofe des Mühlengehöftes , in dem ein Zug Hus ſaren in Einquartierung lag. Die Pferde waren am Morgen eine Stunde auf der Decke ſpazieren geritten , eine Stunde batte man zu Fuß ererciert, eine andere die Säbelhiebe geübt,

und ſo blieb außer der Zeit des Staldienſtes noch ein guter Reſt des Tages der Mannſchaft zur freien Verfügung. Da es noch ſchönes, heiteres Wetter war, und die Sonne für den

November-Monat noch ungewöhnlich warm ſchien , ſo trieben fich die Huſaren am Nachmittag in müßigen Spielen auf 9 dem Hofe 1 umher. So waren denn einige erfinderiſche Köpfe und unter einem Zug Quſaren wird man immer ſoldie finden , auf den Gedanken gekommen , den wohlgemäſteten Müllereſel aus dem Stalle zu ziehen , und Voltigirübungen auf demſelben anzuſtellen . Das Ding fand allgemeinen Beis fall, und einige arge Faulpelze ausgenommen , vergnügte ſich allmälig die ganze Mannſchaft des Zuges, unter lautem Schers zen und Lachen und Nedereien allei Art, auf dem Eſel ihre

Geſchidlichkeit im Voltigiren zu zeigen ; zwar ſchien der Langs ohr dieſe Beluſtigungen, zu denen er ſeinen Rücken herleihen mußte, gar nicht recht nach ſeinem Geſchmace zu finden, denn

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er ſchüttelte oft gleidiſam mißmuthig darüber ſeinen ungeſtal teten Kopf, wedelte mit den langen Ohren , ja ließ fogar, mitunter zum großen Ergößen der Huſaren , ſein gellendes 3-ab, -ab, erſchallen. Es half ihm aber Alles nichts, ein handfeſter Mann hielt ihn am Halfter feft, und die Uebris

gen vergnügten ſich der Kreuz und der Qucre, von Vorn und Hinten ihre Sprünge auf und über ihn zu machen. Bald war den größtentheils gewandten und im Voltigiren geübten Huſaren der Eſel zu niedrig, und ſie erhöhten die Sdwierigs feiten dadurch , daß ſich ein paar Mann auf denſelben ſegen

mußten , über die es dann in raichem Sprunge wegzuſeßen galt. Das gab denn erſt rechten Spaß, denn oft ſprang ein Ungeſchickter oder ein Muthwilliger zu kurz, blieb auf den I

Sdultern der Reiter hängen , und riß ſie dann mitunter mit

zu Boden, ſo daß alle drei fallen mußten. Beſonders ein Huſar, ein gewandtes, ſchnelles Bürſchlein, munter und raſch in allen ſeinen Bewegungen , der erſt ſeit dem Fühling in der Schwadron .

diente , und deshalb noch ſo halb zu den Refruten zählte,

ſprang ſo leicht und ſicher, und wußte ſeine Sprünge nod) durch allerlei künſtliche Wendungen dabei ſchwieriger zu machen, daß er von ſeinen übrigen Kameraden oft laut applaudirt wurde. Selbſt der alte Erdmann, der auf einem Ecſteine fißend, und

ſein Pfeifchen rauchend, dem muntern Treiben vergnüglich zuſah, rief demſelben oft ſein beifälliges „ Das war gut geſprungen ," oder ,, Brav ſo, Sie verſtehen die Sache, und wenn Sie nicht ſonſt

man ſo ein Windbeutel wären , könnten Sie es noch zum Unters officier bringen .“ Freilich war der Gelobte ein echtes Berliner Kind, früher ſchon einige Jahre bei Kunſtreiter-Geſellſchaften

geweſen , und hatte alſo dort das Voltigiren aus dem Grunde

gelernt. Zuleßt bewog man dic beiden Faulſten und Schlaf rigſten unter allen Fuſaren , die bisher ruhig 'auf dem Bofe herumgebodt und an allen Spielen noch gar keinen

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Antheil genommen hatten , fich mit dem Gerichte gegenüber auf den Gſel zu feßen, damit man ſo über ſie hinwegſpringen könne. Wie die Beiden pitch aber nun ſo hingelegt hatten , mit den Geſichtern ſtarr fich anſehend , die Arme gegenſeitig

feſt um den Leib geſchlungen , ließ der Hufar, der vorn den Eſel am Kopfe hielt , dieſen los , während ein Anderer mit

einem Stock tüchtig von Hinten drauflos haute. In wilden Sprüngen und mit beiden Hinterfüßen hoch hinten ausſdlas

gend , rannte das Thier nun feinem Stalle zu. Da ſah es denn gar komiſch aus , wie die beiden Reiter ſich gegenſeitig

an einander halten wollten , bei dieſen Bewegungen mit ihren Sporen den Eſel zu fipeln anfingen , und dieſer, ſolcher Behandluug ungewohnt, wie toll auf dem Hofe herumrannte, bis er dann endlich ſeine doppelte Laſt dicht an dem Rande

einer Pfüße glücklich auf den Sand jepte. Mancher Huſar beſtieg nun noch aus Muthwillen den zügelloſen Eſel, kikelte ihn mit den Sporen zu ungewohnten Sprüngen , und ſuchte

dann ſich möglichſt lange auf dem glatten , fchmalen Rüden deſſelben zu erhalten , bis er denn endlich das Sdical aller

ſeiner. Vorgänger theilte , und kopfüber herabflog , arg von

ſeinen übrigen Kameraden darüber ausgelacht. Selbſt der frühere Kunſtreiter, fo fühn er fich deſſen auch vorher vers meſſen hatte, fonnte fich auf die Länge nicht ohne Zaum und

Sattel auf dem Rücken des Efels balten , und flog endlich mit gewaltigem Purzelbaum auch herab, dabei wo möglich noch ärger wie alle ſeine früheren Vorgänger verlacht und verſpottet. Endlich war man dieſes Verumgetolle mit dem Eſel müde geworden , und ließ das fattſam gequälte Thier

ungeſd )oren in feinen Stall zurüdlaufen . Andere fórperliche Spiele und gymnaſtiſche Uebungen kamer nun an die Reihe. Da ward „ Sieh Dich nidyt um , der Plumpfad gebt berum “

geſpielt , und ſelbſt die Faulſten und Trägſten wurden von

ihren Kameraden gezwungen, fidy mit in den Ring der Uebri gen zu ſtellen. Was wurden gerade dieſe nun um den Kreis gebeßt, was gab man ihnen für Schläge mit dem aus einem langen , ſtarken Schnupftuch möglichſt feſt zuſammengedrehten Plumpíad. Wahrlieh die Hände liefen Manchen ganz roth auf, und auf ſeinem Rücken hätte man gewiß epliche braune und blaue Flede ſehen können. Und dazu durfte Keiner etwas übel nehmen, und mußte ſeine Schläge noch lachend ertragen,

wenn er nicht noch ärger geprügelt, noch unbarmherziger aus Wenn puſaren ſold Plumpfadſpiel anſtellen , dann fallen die Sdläge etwas derber , als wenn ſchäfernde Damen und galante junge Herrn es zur Kurzweil treiben , das möge man glauben. Nun , je ärger geſchlagen , deſto mehr wird auch dabei gelacht, deſto luſtiger ſind die Spiclenden , und ſo gleicht ſich auch dies bald wieder aus ; das ſogenannte „ Fuchsprellen ," was darauf Einige vorſchlugen , fand auch allgemeinen Beifall. Ein großes Linnentudy, wie es der Müller gebrauchte, ſeinen Mehlwagen bei ſdylechtem

gelacht werden wollte.

Better damit zu bedecken , wurde raſc herbeigeholt , und an 10-12 Quſaren faßten daſſelbe von allen Seiten an . Ein

etwas dummer und phlegmatiſcher Mann im Zuge , der fidy beſonders durch ſeinen rieſigen Appetit auszeicinete , und des Gegenſtand ſtändiger Neckereien von Seiten ſeiner Kamerader war, wurde durch das Verſpreden , ihm am heutigen Abend 1

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eine Ertra-Portion Fleiſch zu geben , endlich überredet , ſich

zuerſt auf die Leinewand zu legen ; zuvor zog man ihm dabei ſeine Stiefel aus , damit er mit den Sporen keine Löcher in dieſelbe reißen konnte.

Als man den Freßjack erſt einmal

drauf hatte , da ſorgte man aud) dafür ihn ſo bald nicht wieder herunter zu laſſen. In ſchnellem Takt hoben Alle ſtets gleichmäßig die ſtraff angezogene Leinewand , und viele Fuß

hoc prellte dann der Draufliegende in die Höhe und mußte kaum

wieder niedergekommen, ſeine Luftreiſe ſogleich wieder auf'8 Neue antreten . Wie verzog er dabei ſein Geſicht zu gräulidien Gris maſſen , wie fing er bald an zu fluchen und zu drohen, und dann, als dies nichts helfen wollte, fläglich an zu bitten, man möge ihn doch herunterlaſſen. Vergeblich war Alles , ſeine Worte verhalten ungehört in der Luft oder wurden vor

dem lauten Lachen der Uebrigen übertäubt. Wohl hundertmal mußte der Gefoppte ſeine Luftreiſe antreten , bis man ihn endlid frei ließ , und der frühere Kunſtreiter freiwillig ſeine Stelle einnahm. Dieſem , an ungeſtüme förperliche Bewegun gen mehr gewöhnt, machte es Vergnügen ſich ſo hoch in die Luft emporſdynellen zu laſſen. Mit ſeinem ſchlanken , gewandten Körper machte er dabei noch zum großen Vergnügen der Uebrigen allerlei fünſtliche Wendungen und Verdrehungen , und als ihm das endlich überdrüßig ward , wußte er es lo einzurichten , daß er nicht wieder auf das Laken zurück, fons dern auf die Köpfe der daſſelbe haltenden Huſaren fiel. Ein Halbdußend derſelben riß er durch ſeinen Fall mit zu Boden, und unter Lachen und Sdimpfen wälzte ſich ein ganzer buns ter Knäuel auf der Erde umher , den Einzelne noch zu ver größern ſuchten , indem ſte Andere darauf zu ſtoßen ſich bes mühten.

Das Kriegſpielen beſchloß endlich für den heutigen Nachmits tag die Reihe dieſer ausgelaſſenen förperlichen Beluſtigungen. Auf jeder Seite wurde ein halbes Dußend der größten und

ſtämmigſten Huſaren ausgewählt , die als Pferde dienen und 1

leidyte und gewandte Kameraden als Reiter auf ihre Schultern nehmen mußten. In geſchloſſenen Gliedern rückten nun die beiden feindlichen Parteien zum erbitterten Kampfe gegen einan: der an. Die Reiter hieben mit Plumpfäden auf einander los, oder

ſuchten ſich von ihren Sißen herabzuziehen, während die Pferde mit aller Gewalt mit den Schultern gegen einander rannten, um

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fich ſo umzuwerfen. Daß es bei dieſem wilden Spiele, wo Träger und Reiter oft zuſammen auf den Boden fielen, hie und da ohne einige blaue Flede oder leichte Beulen nicht abging, iſt natürlich. Was machen luſtige Huſaren ſich aber auch aus ſolchen Kleinigkeiten, ſind ſie doch keine verweichlichten Stuben hoder, die, wenn ſie mal einen kleinen Schmerz ertragen müſſen,

gleich außer fich gerathen. So tollte und jubelte die frohe Schaar noch lange auf dein großen Hof, der ſo recht für ſolche gymnaſtiſche Spiele fich eignete, fort und fort, und merkte es

in ihrem Eifer kaum, daß allmälig die Abenddämmerung im : mer ftärker eintrat. Erſt der Ruf des Trompeters , der die Þuſaren in den Stall trieb , die Abendfütterung der Pferde 1

zu beſorgen , machte dieſem Getreibe ein Ende. So ein Abend

: ſtaldienſt, bei dem die Pferde blos gefüttert und getränkt, und ihnen dann die Deden abgenommen und ſie lang anges

balftert werden , wenn dies nicht je nach den Umſtänden ſchon am Tage geſchehen iſt, pflegt ſelten über eine halbe Stunde zu dauern . Es war daher noch lange nicht 8 Uhr , ſo kam die Mannſchaft wieder aus den Ställen heraus , und da es

: den Meiſten noch zu früh war, fich zum Schlafen niederzu legen, denn gar zu viel Schlafen macht nur faul und dumm, ſo hodten fie müßig im Hauſe umher und wußten nicht recht, was mit der Zeit angefangen werden ſollte. Körperliche Spiele und Uebungen ließen ſich auf der zwar ziemlich großen Sausflur nicht anſtellen , und auch die Leute hatten ſich am

† Nachmittag hinlänglich ausgetobt , um noch viel Verlangen danach zu ſpüren. So recht zum Anhören einer Erzählung i waren dieſe noc übrigen Abendſtunden wie geſchaffen, und i lo dauerte es denn nicht lange , und einige Huſaren trugen dem alten Erdmann die Bitte in ſeiner Geſchichte fortzufahren ¿ vor. Der Alte, dem das Zuſchauen der nachmittäglichen Uebun [ gen der $ uſaren viel Vergnügen gemacht hatte, war noch in

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beſonders guter Laune darüber, und ließ fich daher nicht viel bitten . „ Na denn man zu , Kinderkens ," meinte er, „richtet in der großen Küche, wo es warm und Plaß für uns Alle iſt, Siße her , dann will ich gleich kommen . Der Lehnſtuhl des diđen Müllers ward nun aus deſſen Wohnſtube für den

alten Erdmann in die Küche geholt, und auf die beſte Stelle dicht am Herdfeuer, was Licht und Wärme zugleich gab, auf:

geſtellt, die zuhörenden Huſaren fanden auf einigen Bänken, die man quer dem Herde gegenüber geſtellt hatte , Plag , und ſo war denn Alles zur Erzählerei fertig.

„ Alſo ufgepaßt, Jungens,“ ſchmunzelte der Alte, dem es auf ſeinem warmen Siß wobl zu gefallen ſchien, ſo ein Stünds

chen will ich Euch denn nun wieder von dem Kriege von Anno 1814 erzählen. Viel Blut hat derſelbe noch gekoſtet, und nid )t geringen Verluſt haben wir Preußen und die Deſt reicher und Ruſſen und die anderen Deutſchen , die mit uns waren , erlitten , bis es uns gelang in Paris einzuziehen. Der Bonaparte verſtand ſeine Sache als ein tüchtiger Genes 1

ral aus dem Grunde , und gar jeßt zuleßt noch , wo es ihm an Kopf und Kragen gehen und er ganz weggejagt werden ſollte, wehrte er ſich mit der allergrößten Kraft. Und was To ſeine meiſten Soldaten waren , die ſtanden getreulich ihm bei, und liefen jeßt , wo es ſchlecht ihnen zu geben anfing, nicht davon , wie es die Freiſchaaren und Demokraters in

ſolchen Fällen zu thun pflegen , ſondern focyten mit Ehren,

wie es ordentlichen , braven , regulären Truppen zukommt, mögen ſie nun immer was für einer Nation auch angehören. So etwas muß man aber auch am Feinde ehren und adyten. Wenn nun auch die Leute auf dem Lande und in den Städten größ: tentheils ſehr gut für uns geſinnt waren, ſo lange wir nodi in den Gegenden marſchirten , die früher zu Deutſchland ges hört hatten , und nur von den Franzoſen (dhändlider Weiſe

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jeſtohlen waren , ſo änderte fich dies doch ſehr, ſobald wir erſt mehr in das eigentliche Franfreich kamen. Nichts wie Franzöfifdy parlirent that hier alt und Jung bis auf die

fleinſten Kinder, und da von uns preußiſchen Soldaten natürs licy die wenigſten nur dieſe Sprache verſtanden oder gar ſprechen konnten ,1 ſo gab es denn Confuſion über Confuſion . 3d muß noch lachen , wenn ich dran denke, wie ich mit einer Quſaren - Patrouille das Erſtemal in ein Dorf famn , in dem

die Leute nichts mehr wie Franzöſlich ſprechen konnten. War da unter meinen Aufaren ein Kerl, ſo ein ausgemachter Winds beutel, der nichts wie Flauſen und dumme Streiche im Kopfe hatte, obſchon er im Gefechte ſtets ſeinen Mann ſtand , der

Bitte uns lange vorher geſagt, er könne ganz gut das Fran zöſiſche und wir ſollten ihn nur maden laſſen , er wolle uns

fdor das Nöthige verſchaffen .

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Wie wir denn nun an das erſte größte Wirthshaus in

dem Dorfe anfamen , trat ein ganz junges, ſauberes Weibs 1

bild herang, machte uns einen Knig und parlirte eine ganze Weile fort, ohne daß id, aud nur ein Wort davon verſtand. Der

Quſar aber, dem wir das Sprechen für uns übertragen hatten, i that ſo , als ob er dies Ades verſtände, obgleich dies gewiß nidit wahr fein konnte , und nidte vergnüglich immer mit dein Kopfe und ſagte Bon, hen. A18 nun das Mädchen mit ihrem Reden aufgehört hatte , wollte der Fuſar mit ihr zu iprechen anfangen , und nannte fte ,,Belle Mähre."

Raum

hatte das Mädel aber dies gehört , fo machte ſie ein ganz E böſes Geficht, welſchte wieder ein paar Worte , die ich nicht verſtand, die aber gewiß böſe gemeint fein mußten , lief dann in das Haus zurück, und ſchlug uns die Thüre vor der Naſe

zul. Gewiß hatte ſie übel genommen , daß fie eine „Mähre" genannt wurde , was aud cigentlich kein guter Name für ein 1

junges friſches Mädel war. Unſer Hujar aber, der hier gleich

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ſo ſchlechte Probe von ſeinem Franzöſiſch ſprechen abgelegt

hatte, worüber wir ihn gehörig auslachten, kraßte fich verlegen hinter die Ohren und meinte , das Mädel ſei eine dumme Gans und keine Franzöſin, ſonſt hätte ſte ihn gewiß verſtans den. Vor dem Hauſe ſtehen zu bleiben hatten wir natürlich keine Luſt, und da man uns gutwillig nicht mehr offen machte,

ſo bullerten wir mit unſeren Säbelſcheiden ſo gewaltig an die Thür , daß endlich eine alte Frau uns öffnete. Na, da es I

mit dem Franzöſiſchſprechen ja nicht ſo recht gehen wollte, ſo gingen wir ohne Weiteres gleich in die Speiſekammer und Küdie, um uns ſelbſt Lebensmittel zu ſuchen. Allzuviel fan den wir gerade nicht , doch gab es noch ſo viel Fleiſch und

Gemüſe, um ein Mittagseſſen für uns zu kochen.

Auf's

Sprechen ließen wir uns jegt gar nicht mehr ein , ſondern nahmen ſo viel Lebensmittel wie wir gebrauchten , machten auf dem Herde ein Feuer an , und ebliche bujaren thaten das

kochen, während Andere in den Stall gingen, um dort Futter

für unſere Pferde zu holen. Die Frauensleute in dem Haufe, denn Mannsperſonen ließen ſich gar nicht ſehen , ſtanden zu

erſt ganz verduşt da, und ſperrten vor Erſtaunen Mund und Augen auf, als ſie uns ſo mir nichts, dir nichts in der Rüde

herum hantiren ſahen. Endlich fingen ſte von ſelbſt an uns Beiſtand zu leiſten, und ſo ſtand denn bald ein ganz gutes Mits tagsbrod auf dem Tiſch, und unſere Pferde hatten auch ihr gehöriges Futter bekommen , ohne daß wir nur ein Wort Franzöſiſch dabei geſprochen hatten. Man muß ſich nur ſtets .

zu helfen wiſſen , dann geht Alles. Als wir uns ſatt gegeſſen

hatten und ein Glas Wein , der im Franzöſiſchen faſt ebenſo wie bei uns heißt , dazu getrunken, legten wir denn eine Bes

zahlung, wie viel ſo das Ganze nach unſerer Schäßung wohl werth ſein modyte, auf den Tiſch. Da maditen denn die Frauens

zimmer große Augen , daß wir ſie gar noch bezahlten, denn

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ſo etwas hatten ſie kaum erwartet, und wurden ganz freund lich, und dienerten ein über das andere Mal und nannten uns Mouschüs, und jeder Huſar erhielt noch ein Glas „,lodes

wig," wie die Franzoſen ihren Schnapps nennen , warum weiß ich nicht, mit auf den Weg. So ſchieden wir denn als gar gute Freunde von einander, und als ich beim Abſchied dem

hübſchen Mädchen noch einen tüchtigen Schmaß auf ihren Mund gab , da ward ſie wohl ein Bischen roth und that ſo, als wenn ſie ſich zieren und ſträuben müſſe, machte dabei aber gar kein ſo böſes Geſicht, wie anfänglich, als wir in das Haus traten, und ihre ſchwarzen Augen blinzelten ganz vergnüglich. War ich doch damals noch ein friſcher junger Kerl, der ſich

wohl ſehen laſſen konnte, und die franzöſiſchen Frauenzimmer, die mochten ſich verdammt gern fareſſtren laſſen, und waren oft gewaltig hinter der Liebelei her. Unſere jungen Soldaten,

die dazumals in Frankreich waren , wiſſen manche Stückleins davon zu erzählen , und gar nun unſere Officiere! Na , jest find das auch Alles ſchon ſo alte Graubärte , wie ich einer bin, nach denen kein Mädel mehr was nach frägt, und die ſich auch ſelbſt lieber an einer guten Pfeife Taback und einem Glaſe Wein halten , als allen Schürzen nachzulaufen , wie

man es wohl thut, ſo lange man noch jung iſt. Ich głaube aber, Mancher von uns Alten wird, wenn er an jenige Zeiten in Frankreich und an die Mädels daſelbſt zurückdenkt, noch das Schmunzeln nicht laſſen können, und bei ſich ſelbſt ſagen,

„Sapperment es war doch gar luſtig damals, und ſchade, daß eß nicht noch jeßt für unſereins iſt. Ja, Ihr lacht darüber,

Kinderfens, und wenn ich ſo von den Mädels drüben überm Rhein erzähle, ſo gefällt Euch das wohl, und Ihr hättet große Luſt dazu , daß unſere Trompeter gleich zum Satteln blieſen und wir wieder in das franzöſiſche Land hineinritten ." Nu,

ſchaden könnte das auch nicht, und die Franzoſen haben es

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durch ihre Prablerei reichlich ſchon wieder verdient, daß wit mal wieder ihnen einen Beſud machten. Ihr dürft aber nicht glauben 1, daß wir damals, Anno 1914, nichts weiter in Frankreich zu thun hatten , als guten Wein zu trinken und hübſche Mädchens zu küſſen. Wie ich Euch vorhin geſagt babe, der Bonaparte, der wehrte ſich wie ein Schwerenothsferl,

und es gab des Herumgehaues mehr als genug, bis wir uns

ſer Mittagsbrod rubig in Paris verzehren konnten. Und nun gar wir von der ſogenannten ſchleſiſchen Armee unter unſerm Herrn Feldmarſchal von Blücher Excellenz, wir mußten gewiß tüchtig daran. Ich mag nicht gern prahlen und aufſchneiden wie Ihr wißt , aber in Wahrheit kann ich doch ſagen , daß gerade wir von dem Blücher’ſdyen Corps auch in Frankreich wieder am Meiſten gethan, und dem Bonaparte am Heftigſten und Ungeſtümſten auf den Leib gerückt ſind, obſchon alle übrigen Truppen mit einander, was für Namen fte nun haben moc , ten, aud) gewiß ihre Sduldigkeit thaten und als brave Solo daten fochten. Aber umſonſt hatte unſer Alte auch nicht den Namen Marſchal Borwärts " bekommen , das könnt Ihr

glauben. Waren aber auch gar brave Truppen, die der Alte dazumal8 unter ſeinem Oberkommando hatte. Von unſerer

preußiſchen Kavalerie waren da die ſchwarzen II. Huſaren und die brandenburgiſchen, die erſten ſchleſtſchen Buſaren, die einen Sohn von unſerem Alten zu ihrem Herrn Oberſten hatten,

die 2. ſchleſiſchen Huſaren , und dann die medlenburgiſchen Huſaren, unter ihrem braven Herrn Oberſten von Warburg, die wir ganz als Preußen betrachten und als echte Kameraden in Noth und Tod anſeben konnten. Und von den Uhlauen hatten wir bei uns die brandenburgiſchen und die ſchleſiſchen

Uhlanen von der Linie, und dann die vom 3., 5., 7., 8., 10. ſdhleſiſchen , und vom 1. weſtpreußiſchen und l . und 7. furs

märkiſchen Landwehr-Kavalerie-Regiment. Dragoner gab es,

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die weſtpreußiſchen Dragoner , und die litthauiſchen und die neumärkiſchen , und Küraſſiers, die oſtpreußiſchen und bran

cu denburgiſchen und ſchleſiſchen, und dann auch noch Schwadros tunen der ſchleſiſchen und oſtpreußiſchen Nationalkavallerie. Na,

das war denn eine ordentliche Portion Ravallerie , die ſchon na was ausrichten konnte, wenn man ſie mal all zuſammen hatte.

Und ebenſo brav war unſere Infanterie , denn wir hatten I wahrhaftig Regimenter bei uns , die ſo gut und tüchtig ſich rezeigten, wie man es nur von echten Preußen, die mit Gott a für König und Vaterland in den Krieg zogen, erwarten konnte. Id weiß die Namen von all den einzelnen Regimentern nicht

s mehr im Kopfe , aber das weiß ich recht gut, daß finie wie Landwehr, Oſt- und Weſtpreußen , Pommern , Brandenburger oder Schleſier alle mit einander ſich hohen Ruhm erworben 1

haben . Na, und unſere Artilleriſten mit ihren Brummern, die r: waren wahrhaftig auch nicht faul, und ließen es ſich nidyt

zweimal ſagen , wenn es hieß , daß ſie den Franzoſen mal ordentlich zum Tanze aufſpielen ſollten . Dazu hatten wir 1

Generäle und andere Anführer , unter denen es wahrhaftig für den Soldaten eine Luft war zu fechten . Da war bei i unſerem I. Corps der Herr Generallieutenant von Yorck Er

cellenz als Auführer, und was das für ein Mann war, braucie

in ich Euch kaum noch zu ſagen , und dann die einzelnen Herrn Brigadiere bei dieſem Corps , der Prinz Karl von Medlena

burg-Strelik Hoheit , der Bruder von unſerer hochſeligen Köz 1

nigin Louiſe, ein ſo echter Soldat von Stahl und Eiſen, wie man ſich ihn nur denken konnte, der die 2. Brigade, und dann

» unſer Prinz Wilhelm von Preußen Königliche Hoheit, der auch unſer preußiſches Königsblut vollauf in ſeinen Adern

w) hatte, der die 8. Brigade befehligte. Und die Herrn Generals

- majore von Horn , und von Pirch und von Jürgaß, der die Reſerve-Kavallerie unter ſich hatte , und der Oberſt Schmidt

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von der Artillerie, das ſind doch wahrhaftig auch Namen, die mit Recht einen guten Klang in unſerem Heere für alle Zeis ten behalten werden.

Es wäre aber undankbar, wollte man

der ruſſiſchen Truppen vergeſſen , die von ihrem Kaiſer mit unter den Oberbefehl unſeres Herrn Feldmarſchals von Blü: cher Excellenz geſtellt waren. Wie brave Kameraden haben dieſelben oft mit uns gefochten, und uns bei manchen Gelegens heiten nicht geringe Hülfe geleiſtet. Mag man nun auch ſonſt von den Ruſſen ſagen was man will, und ich als Unterofficier bei den Huſaren habe keine Kenntniß davon , ob das Alles wahr oder nur verlogenes Zeug iſt, was man ihnen vorwirft, und kann alſo auch nicht darüber urtheilen , aber das weiß ich, daß ſelbige dazumals unter unſerm Alten ſeinen Befehl ſich oft als ſehr brave Soldaten geſchlagen haben. So ets was , däucht mir, ſollte man doch niemals ganz vergeſſen. Von anderen deutſchen Truppen hatte unſer Armeecorp8 , als es über den Rhein nach Franfreich ging, beſonders noch die Sturs heſſen bekommen . Die hatten lange als Weſtphälinger fich

von einem franzöſiſchen Könige , den ihnen der Bonaparte, deſſen Bruder er geweſen ſein ſoll, eingeſeßt, fich plagen und

içinden laſſen müſſen. Nach der Schlacht dei Leipzig lief aber dieſer unrechtmäßige König zurück über den Rhein nad

Frankreich, woher er auch gekommen war, und der alte Kurs fürſt konnte wieder in ſein Land ,1 was ihm von Gott und Rechtswegen gehörte, zurüdkehren. Was denn die Heſſen für eine Freude darüber hatten 1, daß ſie ihren aufgedeungenen franzöſiſchen König, der dazu noch ein großer Lidrian geweſen ſein ſoll, wieder los wurden, fönnt Ihr Euch denken. Hatten fie als Weſtphälinger ſchon in Rußland fich als ſehr gute Soldaten gezeigt, ſo gaben fte fich jeßt, wo ſie wieder ihren alten Namen tragen durften , doppelte Mühe im Kampfe. Die Franzoſen hatten auch bei ihnen noch gar viele alte Süns

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den auf dem Kerbholze fißen, und es bedurfte mancher Schläge, um die Rechnung ganz wieder auszugleichen. Ferner hatten wir auch noch Naſſauer, Sachſen und Truppen aus dem Ber giſchen Lande , was ja jegt wieder zu unſerem Preußenlande

gekommen iſt, bei uns , ebenfalls größtentheils ſehr brave Kerle, die man mit Ehren Sameraden nennen fonnte. Seine Hoheit der Herzog von Sachſen -Coburg befehligte dieſelben,

und die Prinzen und Fürſten aus dieſem þauſe die ſind ſeit langer Zeit ſtets als tüchtige Soldaten, die immer voran gingen, wenn es Deutſchlands Ehre galt, bekannt geweſen. Hat doch auch jeßt wieder Se. Hoheit der Herzog von Sachſen -Coburg, der ja

auch General in unſerem preußiſchen Beere iſt, den Oberbefehl gehabt, als den Dänefens bei Eckernförde ihre beiden beſten

Kriegsſchiffe zuſammmengeſchoſſen wurden. Im Ganzen ſoll ún: jer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz in dieſem Feldzug einige 130,000 Mann unter ſeinem Oberbefehl gehabt haben wie oft geſagt wurde. Nadhgezählt habe ich ſolche nun gerade nidyt, doch glaube idy, daß ſchon immer eßliche Mann davon noch abgezogen werden können , denn im Felde pflegen die Regimenter ſelten ſo ſtark zu ſein , wie ſie wohl angegeben find. Es iſt oft ein verfludyter unterſdied zwiſchen der Zaht,

die lebendig in Reih und Glied ſteht, wenn es nun wirklich gegen den Feind angehen ſoll, und der, welche auf dem Pa

pier in den langen Liſten aufgeführt wird. Ihr wißt es ja felbſt, wie viele ſich immer bei allen möglichen Gelegenheiten zu verfrümeln pflegen, mag die Ordnung und Strenge dages gen auch noch ſo groß ſein.

Das erſte größere Unternehmen ; was wir nun Anno 1914

im eigentlichen Frankreich ausführen ſollten , war die Grobes rung der großen Feſtungen Meß und Luxemburg. Aber Pros

ſtemahlzeit, wir mußten uns den Mund abwiſchen und mit leerem Magen wieder abziehen , ohne die Feſtungen genom III.

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men zu haben. Die Franzoſen waren nicht ſo dumm geweſen,

daß fie ſolche in dertheidigungsloſem Zuſtande gelaſſen hätten, fondern Alles war von denielben auf das Beſte hergerichtet, daß wir einen recht beißen Empfang bekommen ſollten. Viel fchweres Geſchüß führten wir ohnedem nicht bei uns , und um ſo eine ordentliche regulaire Belagerung anzuſtellen, hatten

wir keine Zeit. Wir mußten ja trachten, ſo bald als möglid nach Paris zu kommen und den Bonaparte wegzujagen , und tonnten alſo nicht erſt wodyenlang vor ſo ein paar Feſtungen herumnutteln. Waren wir nur erſt in Paris felbſt, ſo ſollten fich die Feſtungen ſchon ſo ergeben , das war nun einmal ganz

flar. Uebrigens hätten wir Luxemburg, wobin der Herr Ges neralmajor von Horn geſchickt war, doch faſt befommen , wenn nur nicht das Wetter ſo hundsmäßig ſchlecht geweſen wäre. Es war ſo viel Schnee gefallen und dabei abwechſelnd auch Thauwetter eingetreten , daß alle Flüſſe und Wüſſer ſehr groß und reißend wurden , ſo daß man überall nur mit Mübe und Zeitverluſt drüberlegen fonnte. Beſonders die Mojel, was ſo don ein ſehr re.Bender Strom iſt, machte und viel zu .

ſchaffen. Wir Huſaren waren übrigens nicht ſo recht erboſt, als wir von Luxemburg wieder abzogen , nachdem wir zwei Tage vergeblidy davor gelegen hatten , ohne es genommen zu baben .

So bei der Belagerung einer Feſtung mit verwandt

zu werden , iſt für Huſaren gerade fein ſonderliches Vergnüs gen. Man hat oft viel Scheererei und Plage davon , muß

Tag und Nacht auf dem Pferde herumjudeln, und Vorpoſten:

und Ordonnanzdienſt thun, daß man die Schwerenoth davon kriegen könnte , und wenn es zum Klappen kommt , uird das Beſchießen oder gar das Stürmen geht los , ſo verrichtet die Artillerie und Infanterie doch das beſte Theil und bat allein

Ruhm und Ehre davon. Nu, was für ein Quſaren-Regiment juſt ſo die Ordre trifft, daß es bei einer Belagerung mit

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Dienſte thun foll, das muß doch Folge leiſten und verrichten ,

was ihm gerade befohlen wird , und mag dies den Soldaten nun Vergnügen oder Verdruß maden , das iſt einerlei , ges muckſt darf nicht dabei werden. Eine ſchöne Unordnung würde es bald werden , wenn ſo jedes Regiment ſiity eben nur den Dienſt ausſuchen dürfte, der ihm am Beſten gefiele, und ſolch

eine Armee, bei der dies einriſſe , wäre feinen Sduß Pulver mebr werth.

Herr Gott Sacerment, id) bätte wohl mal das

Geſicht von unſerm Herrn Generallieutenant von Yorck Excel lenz ſehen mögen , wenn ſo ein Herr Oberſt oder Brigades General es gewagt hätte , ihm Vorſtellungen zu machen , daß

er mit ſeinem Regimente lieber den oder jenen Dienſt , ſtatt des befohlenen machen möchte. Die hüteten ſich aber ganz flüglich davor, und wenn ſie auch wohl ſo im Geheimen manchmal ein Bisdyen ruiſonniren und brummen modten , ſo

thaten ſie doch alles , was ihnen befohlen ward , ſo ſchnell und eifrig, wie ſie nur fonnten. Ja, der Herr Generallieutes

nant von Yord Ercellenz , der facelte auch nicht lange, und konnte ſo grob werden und die Säumigen oder gar Ungehors ſamen ſo berunterpugen , daß es eine Art hatte. War dies

meiner geringen Anſicht nach auch ganz recht von ihm , denit Ordnung muß in der Welt ſein, und in der Armee Sr. Mas jeſtät des Königs von Preußen darf ſolche am Wenigſten felis len. Na, mit Gottes gnädiger Hülfe wird dies auch nie ges .

ſcheben , und Ordnung und ſtrenge Subordination auch nad hundert Jahren nody eben ſo bei uns herrſchen , wie dies auch

ſchon ſeit ein paar hundert Jahren der Fall war. Um aber wieder auf den Krieg von Anno 14 zurückzu kominen, ſo marſchirten wir denn , wenn mir redit iſt, am 21 . Januar wieder von Luxemburg ab , ohne daß wir unſeren Willen gehabt und die Feſtung eingenommen hatten . Die berdrießlichſten Geſichter darüber machten unſere Artilleriſten , 7*

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denn die hätten gar zu gern mal ihre Brummer gegen die Feſtung aufſpielen laſſen , woraus ihnen ja jeßt nidyts gewor: den war.

Eigentlich iſt es gut, daß dies nicht geſchah, denn wenn 1

Luxemburg dazumals zuſammen es ja ſpäter für ſchweres Geld es jetzt deutſche Bundesfeſtung preußiſchen Truppen beſegt iſt.

geſchoſſen wäre, fo hätte man wieder aufbauen müſſen , da geworden und von unſeren Wenn jetzt ſo die Franzoſen

es ſich gelüſten laſſen ſollten , dies Luxemburg wieder zu ers obern , ſie ſollten finden , daß dies eine verflucht harte Nuf wäre , welche aufzufnacen ſie ſich vergebens die Zähne auss 1

beißen würden .

Als wir denn nun von Luxemburg fortmarſchirten, hatten wir bald darauf wieder mehrere Gefedyte mit der franzöſtſchen

Reiterei. Das war denn eine rechte Luſt für uns , denn ſo ein Gefedyt das macht warm und bei dem ſchlechten , falten Wetter fonnten wir ſo eine kleine Erwärmung recht wohl ges 1

brauchen . Wenn auch die einzelnen Franzoſen fid oft ganz

brav wehrten, wie es ordentlichen Soldaten zukommt, ſo foun: ten fie fid im Ganzen doch nicht mehr recht halten. Gar jämmerlid) ſah es beſonders häufig mit ihrer Reiterei aus, und die Kerle ritten oft Sdindmähren , die faum ſich nodi fortſchleppen konnten , wenn ſie nicht immer die Sporen in

den Rippen fühlten. Mit den Franzoſen ihrer Reiterei hat es ſein Lebtag nicht viel zu bedeuten gehabt , denn die Leute warten ihre Pferde zu ſchlecht und geben keine Obacht darauf, wie es ſich gehört. Nu muß aber auch ſchon der düminſte Res frut, der faum 8 Tage die Ehre hat, eine Uniform zu tragen,

wiſſen , daß , wenn ein Kavalleriſt nicht für ſein Pferd faſt mehr wie für ſich ſelbſt zu ſorgen trachytet, er unmöglich ein ſo guter Soldat wie es fich gchört , ſein kann. Was hilft

ihm alle Courage, wenn er auf einem Íhiere fißt, was nicht

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mehr aus der Stelle fann und dem Verreden näher wie dem

Laufen iſt. So ging es denn auch jezt wieder den einzelnen Abtheilungen der franzöſiſchen Reiterei, die ſich unſerer Avants garde entgegenſtellen wollten. Troß aller ihrer Courage , die ich ihnen gar nidit abſtreiten will, mußten ſie ſtets zurücf, fie

mochten nun wollen oder nicht , und konnten uns nur ſehr wenig Sdjaden zufügen. Beſonders auch der glatte , hartges frorne Weg machte der franzöſiſden Reiterei großen Schaden. Sie hatten nämlid aus Faulheit oder weil ihnen das Geld dazu fehlte, ihren Pferden nid)t die Eiſen ſchärfen laſſen, wie es ſich gebört , und ſo ſtürzten ihnen ſolde denn zu Duşens den hin, und brachen die Beine, oder wurden ſonſt dod) zuun

Dienſt untauglich . Gar viele auf ſolche Art zu Grunde ges gangene Pferde haben wir bei unſerem Vorrücken auf der

Landſtraße liegen gefunden. – Doch Kinder, nun iſt es ſchon ſpät und ich höre mit dem Erzählen auf , und wer Luſt hat weiter zu hören , der mag fich morgen Abend um dieſe Zeit wieder hier einfinden ." .

Sechstes Kapitel.

,, Als wir dein von Luxemburg abmarſchirt waren , wurde

idy bald darauf wieder als Ordonnanz - Unterofficier in das Hauptquartier des Herrn Feldingrſchall von Blüdyer Grcellenz fommandirt,“ begann der alte Erdmann am folgenden Abend, da der Kreis der Huſaren ſich wieder verſammelt hatte , ſeine

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-

Erzählung. „ Das war denn eine große Ehre für mich , und Ihr könnt denken , Kinderfens, wie ſehr ich mich darüber freute . Wenn man ſo mit im Hauptquartier iſt, wo all die hohen Herren (Seneräle und die anderen Herren Officiere, die das Schreiben thuen, ſich befinden, fo friegt man ſo Mandes mit .

zu hören und zu ſebent, wovon man draußen bei der Sdwas dron nichts erfährt und auch ſonſt iſt es dort oft nicht übel

und die Quartiere pflegen juſt nicht die ſdílechteſten zu ſein .

Gegen Ende Januar famen wir denn nun auch nad Brienne, was eine kleine Stadt iſt, worin ſich ein großes , weitläuftiges Schloß befand. In dieſem Schloſſe roll früher ſo eine Art von Kadettenſdule geweſen ſein , wie wir ſie ja auch bei uns in Potsdam und Berlin und anderen Orten haben, wo Viele von unſeren Herren Lieutenants groß gefüttert werden und

ihre Lectionen lernen müſſen. In dieſem Brienne ſoll demi auch der Bonaparte ein Kadett, oder wie man auch wohl im

Spaß zu ſagen pflegt, ein Saldaunenfreſſer, weil ſo ein Stadett ſtets Hunger im Magen zu haben pflegt, geweſen ſein. Nu , ſeine Sache hat er dort ordentlich gelernt und ſein Sdulgeld nicht umſonſt ausgegeben , dies muß man in Wahrheit ſagen. Als man unſerm Alten in Brienne erzählte , daß der Bona

parte hier zuerſt das Lernen von all den Sachen , die zum Kriege gehören , angefangen habe, hat der gelacht und geſagt: „ Na , das iſt man gut , denn fann man hier gleid) ſo ein Gramen abhalten, um zu ſehen , wer von uns das Meiſte ge lernt hat. Ich hoffe, ganz ſchlecht machen wir unſere Sache auch nicht .“ Ja wahrhaftig, unſer Alte der wußte ſdon Bes ſcheid und gab manchen noch ſo klugen Herrn was zu rathen auf, obſchon er ſein Lebtag nicht in ſo einer gelehrten Schule geweſen war, ſondern von Unten auf, im hochlöblich von Bels ling'ſchen Fuſaren - Regiment, was ießt ſo die Blücher'ſchent

find , gedient hatte. Mein Vater ſeliger hatte ihn noch als 1

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Kornet recht gut gekannt , und pflegte uns manchmal zu ers zählen , was er dazumals für viele tolle Streiche gemacht hätte. - In dem Brienner Schloß ließen wir es uns denn anfängs

lich ganz gut ſein , und es hieß ſo , daß wir vor der Hand uns da etwas ausraſten ſollten.

Nu , wir und mehr noch

unſere Pferde, fonnten die Ruh auf ein paar Tage aud recht

gut gebrauchen I, denn bei dem ſchlechten Wetter und den oft faſt grundloſen Wegen , waren die armen Beeſter arg ſtrapas zirt worden. Wer uns aber in dem Brienne feine Ruhe gab, war der Bonaparte. Als der gehört , daß unſer Herr Felds

marſchall von Blücher Excellenz, auf den er eine beſondere Wuth hatte, ſich in dem Sdloſje dort es gut ſdymeden ließe,

ſoll er mordsmäßig geſafert baben , und geſagt, daß er uns tüdytig einheizen wolle. Gegen Mittag fam er denn mit feis nen Kanonen , die er mit großer Mühe durch einen dichten

Wald angeſchleppt hatte, angefahren und fing das Beſchießen der Stadt an . Wir gaben gerade unſeren Pferden das Mits tagsfutter und unſer Alte hatte ſich mit ſeinem Stabe zu Tiſch niedergeſeßt, als die erſten Granaten auf das Schloßdach nie derpraſſelten. Soldie Dinger machen oft auch mehr Lärm, wie gerade Sdaden, und da man ſo etwas im Kriege zulegt

ſehr gewöhnt wird, ſo ließen wir uns denn auch weiter nicht viel dadurch ſtören.

Gar unſer Alter , der machte ſich nun

aus ſo ein paar Kanonenſchüſſen nicht viel, und wenn er ſich

eben zu Tijd) geſeßt und ein Stück Kalbsbraten und eine gute Flaſche Wein vor ſich hatte, ſo pflegte er nicht gern uns

verrichteter Sache wieder aufzuſtehen. Da ihm denn nu ſeine

Adjutanten gemeldet hatten , daß von den Franzoſen für's Erſte noch nichts zu beſorgen ſei, jo blieb er denn audy rubig, trop des Geſchießes, bei Tiſche fißen , um ſein Glas Wein in Ruh zu trinfen , was ihm auch nicht zu verargen war.

Ein vornehmer Herr aus der Gegend , der die Ehre gehabt

hatte, ſich mit unſerm Herrn Feldmarſchau Excellenz zu Tiſde ſeben zu dürfen , ſoll ganz unruhig geworden ſein , als er das Gepraſſel der über ſeinem Kopfe einſchlagenden Granaten börte, und aus Angſt eine ganz weiße Naſe befommen haben. Das war denn ſo redyt was für unſern Alten , der , glaube id ), ſein Lebtag nidt gewußt hat, was das Wort Angſt denu eigentlich bedeute. Er ſoll hellauf gelacht und zu dein Frem , den geſagt haben : „ Aha , mein Lieber , ich merke nun , daß 1

Ihnen das Schloß hier wohl gehören wird . Na, laſſen Sie fid das nicht jammern , wenn es aud) zuſammengeſchoſſen wird , das bauen wir uns nachher wohl wieder auf , wenn wir uns erſt in Paris dazu vom Bonaparte das Geld ges holt haben . "

Als nu gegen Nachmittag die Franzoſen immer unver ſchämter wurden und immer heftiger zu fanoniren anfingen,

ſo ſagte unſer Alter , als er auf die Schloßterraſſe kam , von !

wo man die ganze Gegend weit und breit überſehen konnte, „ dem Spaß muß ein Ende gemacht werden , die Kerle wers

den ſonſt gar zu dreiſt und tanzen mir zuleßt noch gar auf der Naſe herum , das darf denn nicht länger ſo angeben." Wir hatten viele ruſfiſche Truppen in der Nähe , und denen ſchickte nun unſer Herr Feldmarſdal Excellenz den Befehl, fie ſollten mit ihrer Reiterei mal vorgehen und ihm die Franzoſen verjagen , die ſonſt in der Nacht noch gar den Schlaf ſtören würden. Solch ein Befehl war nun den braven Ruſſen ges rade recht. Sie gingen , als eben die Dämmerung einbreden wollte , mit lautem Hurrah vor , und warfen die Franzoſen

ganz gehörig zurück, nachdem ſie denſelben zur Strafe für ihre Dreiſtigkeit noch mehrere Kanonen abgenommen hatten. Unſer

Herr Feldmarſchall von Blüdyer Excellenz , der ſich das Ge fecht auch eine Weile mit angeſehen hatte , fam denu ani

Abend wieder auf das Schloß zurüdgeritten , um dort ſein

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Nachtquartier in aller Ruhe zu halten . Daß die Franzoſen gar noch einmal wieder zu fommen wagen würden , daran

dachte von uns kein Menſch. Da auf dem Schloſſe ſelbſt keine rechte Stallung für die vielen Pferde des Hauptquartiers war, denn die Kadetten hatten natürlich keine gehabt , ſo bes fahl unſer Alte bei der Rückfunft, daß ſeine Pferde unten in die Stadt , wo es gute Stallungen gab , gebracht werden follten .. „ Was Ew. Ercellenz thuen , das thue ich audy," ſagte

nun auch der Herr General von Gneiſenau, der ja immer bei ihm war und ließ auch ſeine Pferde in die Stadt herunter

bringen. Na, wenn der das that, denn mußte gewiß ſo leicht kein Ueberfall zu befürchten ſein , denn der Gneiſenau der war mit als der vorſichtigſte und beſonnenſte General im ganzen Heere befannt. So zogen denn die Reitpferde in die Stadt herunter , und auch die meiſten Ordonnanzen folgten dieſem Beiſpiele. Es hatte den ganzen Tag viel Hin- und Herges jage gegeben , und ſo waren denn die Pferde der meiſten Ors

donnanzen ſehr ermüdet. Ich ſelbſt hatte übrigens zufällig an dem Tage nicht viel zu reiten gehabt , und da es uns im Fauptquartier ſelten an hinreichender Fourage mangelte , ſo

war mein Hanſeken ziemlid) friſch und munter nod) auf den Beinen. Als nu eben die Pferde von unſerm Alten in die

Stadt geführt werden ſollten und er ſelbſt ſchon wieder in das Schloß zurückgegangen war, kam ſein Adjutant, der Herr Major Graf von Noſtiz , der ja ſtets um ihn war , und mit Recht fein beſonderes Vertrauen hatte , den Reitknechten wies der nachgelaufen und ſagte zu ihnen : „ Beſſer iſt beſſer und es will mir nicht redyt gefallen , daß Se. Excellenz gar keine Pferde hier oben auf dem Schloſſe behalten will. Den Frans

zoſen iſt nie recht zu trauen und die Kerle ſind oft dort, wo si man ſie am Wenigſten vermuthen ſollte. Wißt , Jhr bringt i die Pferde dort auf dem Nebenhofe in den Schuppen , da

ſtehen ſie für eine Nacht auch gut genug und find doch in der Nähe , wenn man ſie gleich brauchen ſollte." Die Reits knechte thaten denn das natürlich und beiin Hinführen rief

Ciner von ihnen, der ſchon noch von Münſter her mein guter Freund war , mir zu : ,, Bleib bei uns , Erdmann , wir haben

noch einen extraguten Wein , den wir dieſe Nacht mal vers koſten wollen .“ Na , ſo etwas läßt ein Hujar im Felde fich

denn auch nicht zweimal ſagen , und da es mir auch ſchon lieber war , ganz in der Nähe von unſerm Alten zu bleiben, ſo dachte icly, wo deſſen Pferde ſtehen müſſen , da ſteht mein Brauner auch lange gut , und zog mit den Reitfnechten in

den Nebenhof . Wir wollten faum unſere Pferde abſatteln und ich batte eben den Uebergurt losgemacht, da fracht mit Einemmal nicht weit von uns ein Flintenſduß. „ Das muß ein großer Eſel von Kerl ſein, dem ein paar Tage bei Waſſer und Brod auch nicht daden fönuten ,“ ſage ich noch eben zu

dem einen Reitfnechte, denn wir glaubten Alle nicht anders, I

als daß einem Poſten von unſerer Stabówache aus Ungeſchid

lichkeit ſein Gewehr losgegangen ſein müſſe , als es plößlich von allen Seiten zu knallen anfing. „ Herr Gott Saferment, das iſt ein Ueberfall, das ſind Schüſſe vou den Schwerenothês Franzoſen ,“ riefen wir jeßt Alle ganz erſdrucken aus. In demſelben Augenblick kam nun auch ein Adjutant angeſtürmt und ſchrie: „ Die Pferde ſchnell, die Pferde, es iſt die höchſte Gefahr, daß unſer Herr Feldmarſchall gefangen werden kann." Das waren Worte, in meinem Leben vergeß id; die nicht wies der , und eisfalt lief es mir dabei über den Rücken. Denkt 1

Eudy, Kinderkens , wenn es dieſen Franzoſen wirklich geglüct wäre, unſern Alten gefangen zu nehmen und im Triumph in

ihr Paris einzuführen. Ein llnglück wäre das dod) geweſen, was ſid) gar nicht mit Worten ſagen läßt , und hätten wir manch ' tauſend Mann in einer Schladit verloren , ſo hätte

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das nicht ſo viel ausgemacht. Wie wir denn ſolche Worte hörten , da nahin Jeder das Pferd , was ihm am Nächſten

war , gleidyviel ob geſattelt oder ungeſattelt , beim Kopfe und jo nun was das Zeug halten wollte, damit in den Hof , vor der großen Schloßtreppe , wo unſer Alter mit ſeinem Genes ralſtabe ſein ſollte. Meinen Braunen ließ ich ſtehen , denn ich dachte in dem Augenblick, was liegt auch viel daran , ob du als ſimpler Huſaren - Unterofficier von den Franzoſen ges 3

fangen wirſt, wenn nur der Herr Feldinarſdal Excellenz und die übrigen hohen Herren Officiere alle ſich noch retten fön nen . Mein Sanſeken, der mir treu wie ein þund folgte, fam mir aber von ſelbſt nachgelaufen , ſo daß ich auch noch mit durchwutſdyte, und nicht das Unglück hatte , ein Gefangener werden zu müſſen. Seht , Kinder , ſo hatte ich ſchon wieder meinen Lohn dafür , daß ich mein Pferd ſtets gut behandelt

und gepflegt und es mir deshalb nachfolgte, und ſo fann es einem Savalleriſten im Felde gar oft ergehen . Auf dem Sdloß hofe mußten nun Alle ſo ſchnell als möglich aufſigen , denn 1

von allen Seiten inauten

dion die Sdüſſe der Feinde und

immer näher rückten dieſe heran.

Die Stabswache , die von

dem braven Herrn Hauptmann von Heyden befehligt wurde,

hatte ſid, aber mit großer Tapferfeit den Franzoſen entgegen geworfen , obſchon dieſe gewiß die mehr als fünffadie Stärke batten. Wußten fie doch, was hier auf dem Spiel ſtand und daß es galt unſerin Alten : Leben oder doch mindeſtens die Freiheit zu retten . Natürlich regte denn jeder der Soldaten

ſein Leben gern ein, und ſo gelang es ihnen auch, die Frans sojen noch eine Weile aufzuhalten. Freilich wurden die meis ſten Leute unſerer Stabswade erſchoſſen oder fielen verwuns

det in die Gefangenſchaft der Franzoſen und auch der Kapitain von Heyden ſelbſt mußte ſein Leben laſſen. Na , einen ſchös meren Tod konnte er auch auf dieſer Welt nicht finden , als

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hier, wo es für die Rettung ſeines Feldmarſchalls , bei dem er die Wache befehligte, Alles zu wagen galt. In all dem Geſchieße und dem wilden Geſchyrei der Frans

zoſen , die , wie es ihre Art bei ſolchen Gelegenheiten iſt, ihr 1

I

,,on avant, en avant von allen Seiten brüllten, beſtieg unſer Alte denn ganz ruhig ſein Pferd. Allzu lange hielt er ſich beim

Auffißen nu freilich nicht auf, daß er aber den Kopf verloren oder gar große Angſt gezeigt hätte, davon fonnte feine Rede

ſein. Die anderen Herren ſeines Stabes (puteten ſich übris gens auch nid ) t wenig , daß ſie in den Sattel famen und

auch id will nicht läugnen , daß ich herzlich froh war , wie ich wieder auf meinem Braunen Faß. Wenn man ſo das zu Pferde- Fechten ſtets gewohnt iſt , glaubt man nur ein halber

Menſch zu ſein , wenn man nicht im Sattel figt, ſobald es gegen den Feind gehen ſoll. Es fommt nun mal Ades dars auf an , wie das der Menſd) einmal in Gewöhnung hat.

Wenn denn nun auch unſer Alte mit den meiſten Herren Ofs ficieren ſeines Gefolges glücklich zu Pferde fam , ehe es den Franzoſen gelang, in den inneren großen Sdyloßhof einzu. dringen , ſo war die Gefahr damit lange noch nicht vorbei. Wir ritten nun zuerſt in ſtarkem Trabe in Brienne hinein, in der Hoffnung , daß es uns da glücken würde , noch einen Ausweg zu finden . Auf dem halben Wege fam uns aber ein Koſad ſchon entgegen gejagt ſo ſchnell ſein Gaul nur laufen wollte , und meldete, daß auf dieſer Seite nicht durchzufoma men ſei, weil Alles ſchon von dem Feinde befekt wäre. Viele 1

Häuſer in der Stadt waren in Brand geſchoſſen und ſtanden fidyterloh in Flammen , und bei dem Schein derſelben konn: ten wir auch bald mit eigenen Augen erkennen , daß französ fiſche Reiterei m8 auf dem Wege entgegen fam. Weiß der Teufel , wo all die verfluchten Franzoſen in dem Augenblick ſo ſchnell herfamen, denn wie die Poggen nach einem Regen,

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fo frimmelte und wimmelte es auf allen Wegen und Stegen von ihnen . Da wir nun auf dieſer Straße nidyt mehr forts kommen fonnten , ſo mußte in aller Gile ein Seitenweg eins

geſchlagen werden , um zu verſuchen , ob der nicht noch vom Feinde unbeſetzt ſein würde. Unſerem

Alten dem

mochte das

Trabreiten nidyt mehr

gefallen , und ſo fing er denn ganz ruhig und gemüthlich an Schritt zu reiten , als wenn die Franzoſen wer weiß wie weit von uns noch ab wären, während wir ſie doch ganz deutlich dicht hinter uns her flabaſtern hören fonnten. Die ſchönſte Ausſicht hatten wir denn , auf die Art recht bald gefangen

zu werden , und doch durfte natürlich Keiner von uns das Maul aufthuen und dem Alten ſagen , daß er fidy doch ein Bischen mehr ſputen möge oder die Sache würde ſchlimm ablaufen. Endlid ), als wirklid) ſdon die Gefahr am Größten war, ſagte der Herr Generallientenant von Gneiſenau Ercel 1

lenz , der fidh auch am Erſten die Dreiſtigfeit nehmen konnte, 1

zu ihm : „ Aber Ew . Ercellenz, wollen Sie denn im Triumph in Paris eingeführt werden ?“ Das wirfte denn, der Alte ſoll den Kopf geſchüttelt und ein paar Worte gebrummt haben, gab darauf ſeinem Pferde die Sporen und jagte in ordent liķiem Galopp davon. Na, daß wir Anderen Alle in ſeinem Gefolge wahrhaftig auch nicht faul waren , ihm nachzujagen,

könnt Ihr wohl denken , Kinder. So gelang es uns denn auch glücklich das Thor zu erreichen und zu den dort ſtehenden ruſſiſchen Truppen zu kommen, ohne daß uns die nachfolgen

den Franzoſen einzuholen vermodhten. Was wir aber Alle für eine Freude hatten , als wir unſern Alten erſt ganz in Sicher

heit wußten , läßt ſich gar nicht ſagen. Ordentlich ein Stein fiel mir vom Herzen, und inbrünſtig dankte ich unſerm Herr Gott, daß durch ſeine gnädige Hülfe unſer Feldmarſchall wies der aus ſo großer Gefahr errettet und das ganze Heer von

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dem Unglück , was ſein Tod oder ſeine Gefangenſchaft anges richtet, bewahrt hatte.

Wenn die Franzoſen aber glaubten, daß unſer Herr Felds marſmall von Blüdyer Excellenz ſie nun auch gleid, rubig im Beſig des Schloſſes , aus dem fie uns ſo unerwartet vertrie ben hatten, laſſen würde , ſo irrten ſie ſich gewaltig. So et was war gar nicht ſeine Gewohnheit, und wo fich ihn die

Gelegenheit zu einer ordentlichen Rauferei zeigte , da ging er ihr denn auch gewiß nicht aus dem Weg. Kaum hatte er denn, bei den Ruſſen angekommen , ein paar Züge aus ſeiner Pfeife gethan , ſo hieß es wieder : „ Na , baben und diesmal

die Franzoſen auch verflucht angeführt, ſo ſollen ſie doch noch die Sdwerenoth dieſe Nacht friegen . Die Säuſer , die fie ſelbſt in Brand geſchoſſen haben , leuchten ja ganz prächtig zu einem Gefecht, alſo man friſch druf los , immer vorwärts wieder Ihr Ruſſen.

Wollen mal verſuchen , ob wir die Kerle

nicht aus dem Neſte wieder herausjagen können . “ Solche Worte ließen fidy die tapfern Ruſſen denn nicht zweimal ſa

gen und ein mordsmäßiges Gefecht fing noch mitten in der Nacht an . Brannten doch die Häuſer von dem Brienne ſo

hell, daß man in der ganzen Stadt reichlich genug zu einem Gefechte ſehen und Feind und Freund recht gut unterſcheiden konnte. Zuerſt verſuchten die Ruſſen nun das Schloß von Brienne, was noch von den Franzoſen beſegt war, wieder zu

erſtürmen , doch wollte dies nicht recht glütfen. Das Schloß iſt nämlich von hohen Mauern umgeben und dahinter gedeckt,

hatten ſich die Franzoſen aufgeſtellt und ſchoſſen nun auf die anſtürmenden Ruſſen , die obne Schuß ſo dem feindlichen Feuer

ausgeſeßt waren , und viele Leute verloren. Nu ſdicten die Franzoſen auch von ihrer Kavallerie in die Stadt binein, und mitten in den Straßen zwiſchen allen den brennenden Hills fern flopfte fich die mit den Ruſſen herum , daß es man ſo

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eine Art hatte. Ich war als Ordonnanz zu dem einen ruſs richen Herrn General geſchickt worden, und da mir die Frans

joſen den Weg abgeſchnitten hatten , ſo machte ich den gans jen Spectafel mit.

Ein Gelärme von all' dem Kommandos

geſchrei und dem Blaſen der Trompeten und Raſſeln der Trommeln , und dazwiſchen Knallen der Schüſſe und Klirren der Säbel gegen einander war es , daß man ganz taub das von bätte werden fönnen . So in der Nacht du macht fich Alles gleich weit ärger und ein recytes nädytliches Reiterges fecht in den Straßen einer brennenden Stadt iſt wahrhaftig feine Spielerei , das fönnt Ihr mir glauben , Kinderfens.

Alles war bunt durcheinander mengelirt, Ruſſen und Franzoſen , ohne daß noch recht ordentliche geſchloſſene Reihen gebildet waren , und Jeder hieb, ſtað und Idhoß auf den ihm nächſten

Feind los , ſo gut es eben gehen wollte. Es war beſonders ein franzöſiſches Dragoner - Regiment, das vor Kurzem erſt qus Spanien , wo der Bonaparte ja auch noch Krieg hatte, gekommen war , was am Heftigſten gegen uns anfämpfte. Tüchtige und verſuchte Soldaten , die ihre Schuldigkeit fanns .

ten, waren darunter , wie man nicht anders fagen fann , und mit ihren langen Pallaſden ftießen file manchen Ruſſen nieder.

Auch ich ſelbſt fam redyt hart in's Handgemenge und fans balgte mich mit einem alten franzöſiſchen Dragoner - Unterofs ficier herzhaft herum . Keiner konnte dem Anderen aber recht viel anbaben, denn ich wußte ſeine Stöße mit dem Stichpals

clafch immer raſch mit meinem Säbel z11 pariren, und er hielt mich mit ſeiner langen , ſpißen Klinge auch immer ſo weit bon fich ab , daß ich mit meinem Sibel ihn auch nicht ſo .

recht erreichen fonnte. A18 wir uns denn ſo eine ganze Weile mit einander herumgeflopft hatten und Jeder gar giftig und grimmig war , daß er dem Gegner nicht recht was anbaben

fonnte, fam eine andere Menge zwiſchen und ſo , daß wir

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wieder getrennt wurden. Bie nad Mitternacht dauerte dies

Hin- und Hergefedyte noch fort und weder die Franzoſen nod) wir gewannen etwas Anderes dabei , als daß wir uns

gegenſeitig viele Lente tödteten . Wir vermochten , trotz aller unſerer Anſtrengungen , die Feinde für jeßt nicht wieder aus .

Brienne berauszuſchlagen , wie wir anfänglich gehofft hatten, 1

dieſe uns aber auch nicht zum Fliehen zu treiben , was fidh der Bonaparte eingebildet haben ſoll.

An die 3000 Mann

hat jede Partei hier verloren , was ich gern glauben will, denn die Todten lagen zulegt haufendick umher. Es modyte wohl ſchon nach Mitternacht ſein , als unſer Alte denn ends .

lid) Befehl gab , daß das ganze Gefedyt abgebrochen werden

und der langſame Rückzug der Ruſſen in guter Ordnung angetreten werden ſolle.

Das geſchah denn auch , und die

Franzoſen wagten nicht im Mindeſten und zu verfolgen , da fie ſelbſt viel zu ermüdet dazu waren und zu großen Verluſt erlitten hatten. Seht, Kinder , ſo war die nädytliche Bataille von Brienne , in der unſer Herr Feldmarſchall von Blücher

Grcellenz in ſo große Gefahr fam, gefangen zu werden. llebris gens wäre es dem Bonaparte ſelbſt faſt auch nicht beſſer ges gangen und es hätte nid)t viel gefehlt , daß ihn die Koſaden bei den Ohren erwiſcht hätten. Die Koſaden, die überall bei ſolchen Gelegenheiten herunzuflanfiren pflegen , ſollen ihm in der nädytliden Dunkelheit ſchon ganz nahe gekommen ſein, ſo daß ſelbſt die Officiere von ſeinem Gefolge ihre Degen baben ziehen müſſen , um ſich zu vertheidigen . Ja es wurde

ſogar in den Tagen bei uns erzählt, obſchon ich für die Wahr heit davon nicht einſtehen kann , denn bei ſolchen Gelegenhei

ten pflegt ſtets viel gelogen zu werden, daß ein Koſac ſchon das Pferd vom Bonaparte am Zaum gefaßt und mit fortge: riſſen habe, bis ein Adjutant denſelben mit ſeiner Piſtole nies derſchoß. Donnerwetter , wäre das eine Luſt für uns Alle

II

geweſen , wenn ſo der Bonaparte in der Nacht gefangen ge nommen worden. So viel Geld wie ihre Gaule nur hätten tragen können, hätten die Koſaden dafür haben müſſen, denn viel Blut wäre durch dieſe Gefangennehmung von dem einzi gen Mann erſpart worden. Na, gingen wir an dem Morgen denn auch etwas wie der hinter Brienne zurück, ſo kamen wir doch bald ſchon wies

der audy dahin.

Unſer Alte übrigens der war ſehr zornig

über dieſe ganze Angelegenheit und es gab manche böſe Worte von ihm.

Am 1. Februar ging bei La Rothiere der Kampf wieder von Friſchem los , und diesmal bekamen die Franzoſen denn

Schläge nad Noten. Es waren noch allerlei andere Trups pentheile unter den Befehl von unſerem Herrn Feldmarſchall

von eine von ſein

Blücher Ercellenz geſtellt worden , ſo daß der ſchon über ordentliche Macht zu kommandiren hatte , obſchon leider unſeren eigenen preußiſchen Soldaten nur wenige dabei konnten. Die ſtanden meiſt noch weiter zurück, und Ihr

fönnt wohl Euch denken , welchen Verdruß und Aerger Alle

darüber hatten , daß dieſe ſchöne Schlacht ſo ohne ihre Hülfe gemadyt wurde. Wird doch jeder ordentliche Preußiſche Sols dat ſo viel Ehre iin Leibe haben , daß er ſich ſtets ärgern muß , wenn ihm eine Gelegenheit vorüber geht , wo er ſich mit den Feinden von Sr. Majeſtät unſerm König und unſerm

Vaterland hätte , raufen können . Na , im Kriege geht das nun nicht einmal anders , und alle können nicht immer dabei ſein, wenn es was zum Schlagen giebt. Die Einen find hier dabei, die Anderen dort wieder , wie ſich nu gerade juſt die Gelegenheit ſo trifft. Recht brave andere Truppen waren es aber, die an dem Tage außer den Kuſſen und wenigen Preus Ben , an die 8000 Mann ſollen es nur geweſen ſein , unter dem Oberbefehl von unſerm Alten ſtanden. Da waren viele Ill.

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Baiern , lauter feſte , ſtämmige Kerle , die einer ordentlichen

Rauferei wahrhaftig auch nid ) t gern aus dem Wege geben, und herzhaft drein zu ſdylagen wiſſen , wenn es gilt, und die Würtemberger unter ihrem beldenmüthigen Stronprinzen , die auch nicht von Stroh find. Schr brave Krieger ſoll es ſtets in

der würtembergiſchen Königsfamilie gegeben haben , von denen Manche ja aud) als hohe Generale in unſerer Armee dienten,

und fid) einen guten Namen dort zu verſdaffen wußten. Jir Se. Majeſtät der jebige König von Würtemberg ſelbſt , der fich dazumals als Kronprinz bei La Rothiere und noch mebe

reren anderen Gelegenheiten einen ſo rühmlichen Namen als Feldherr erwarb, und ſo ſehr auszeichnete, iſt ja ſelbſt in una ferm preußiſchen Lande geboren , da ſein Vater auch als Ges

neral in unſerer Armee diente , bevor er zum Regieren fam. Auch Deſtreicher unter ihrem Feldmarſchall Giulay waren viele an dem Tage bei uns , und hatten ſolche nicht wenig zu dem glücklichen Ausgang deſſelben mit beigetragen. Um in all dieſem bunten Miſchmaſch von Truppen , die die verſchiedenartigſten Uniformen trugen , ſidy doch ein Bis 1

chen zuredit zu finden , hatte unſer Herr Feldmarſdall Excellenz befohlen , daß jeder Soldat eine weiße Binde um den Arm

tragen ſolle. Er hatte die weiße Farbe gewählt , weil man die am Weiteſten ſehen , und jeder einzelne Soldat fidy aud einen bloßen Feßen Fcken Leinewand am Leichteſten verſchaffen fann. Nun ſoll auch die weiße Farbe die Leibfarbe von den Boms pons oder Bourbons,1 wie ſie beißen mögen , die wir nad -

her wieder zu Königen von Frankreich machten , geweſen ſein, und viele Leute wollten behaupten, gerade deshalb habe unſer Alte die weiße Farbe gewählt. Ich weiß aber ganz gewiß, daß dem nicht ſo iſt, denn dieſe Bourbons waren ihm völlig

egal , und er wollte nur den Bonaparte, von dem alles Uns heil zumeiſt ausging, aus dem Lande heraushaben , um das 1

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Undere fümmerte er fich nicht mehr wie um eine Pfeife Tabac. šch hab' ſelbſt mal aus ſeinem eigenen Munde gehört : „Itt, vas gehen mich denn dieſe Bourbons an. Wenn es man ilos gälte, die wieder in Paris einzuſeßen, wäre es für jeden preußiſchen Blutstropfen , der dabei vergoſſen würde , ſehr jmade. Warum ſind dieſe Kerle denn auch nicht bei uns im Felde und fechten mit, wie es ſich für ordentliche Prinzen ges hört , ſtatt daß ſie hinter dem Ofen hocken bleiben und den fen : „ Weit vom Scuſſe iſt auch gut ſein. " Ja, ſo war un

ſer Alte, wer im Kriege nicht als braver Soldat mitfocyt, den äftimirte er verflucht ſchlecht, mochte er auch ſonſt noch ſo ein vornehmer Mann ſein. Mir däucht, das war Recht von ihm , und wir Soldaten können nur dankbar dafür ſein .

Ein grauliches Wetter war es aber , als am 1. Februar die Sdyladyt bei La Rothiere anfing , und der Sdnee fiel ſo

dicht vom Himmel herab , daß man nicht zwanzig Schritte weit um fid feben fonnte.

Und ein falter Wind wehte , daß

Alle, die nicht recht in der Arbeit waren, frieren mußten , als

wenn fie Schneider wären. Na , die Meiſten von unſeren Soldaten famen denn an dem Tage noch genug in das

Feuer, um ſich redyt durchwärmen zu können . Gegen Mittag, als alle Truppen abgefocht hatten , ſo viel fie an Lebensmit teln beſaßen , und allzuviel war dies freilich nicht , ring die Ranonade an . Auch ſehr hohe Zuſchauer hatten ſich an dem Tage bei unſerem Herrn Feldmarſchall von Blücher Excellenz eingefunden . Se. Majeſtät der Kaiſer Alerander von Ruß

land, und Se. Majeſtät unſer hochſelige König Friedrich Wil belm - hier ſalutirte der Alte wieder ſehr ehrerbietig mit ſeinen beiden Söhnen , Sr. Königl. Hoheit dem Kron prinzen, der ja nunmehr Se Majeſtät unſer jebige König ge

worden iſt, und Se. Königl. Hoheit der Prinz Wilhelm, hats

ten ihm die Ehre angethan , in ſeinem Hauptquartier anwes 8*

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ſend zu ſein. Pflegen doch preußiſche Prinzen ſelten da zu fehlen, wenn die Kanonen gegen einen Feind unſeres Landes donnern , und iſt ihnen ſolches die dönſte Muſif, die ihre Fr. Ohren nur hören mögen.

So iſt es, Gottlob, ſtets in unſerem Lande geweſen und wird es auch für alle Zeiten noch bleiben. Auch der Herr Feldmarſchall von Schwarzenberg von den Deſtreidern, der bei Leipzig ja das Oberkommando führte, hatte ſich als Zuſdauer zum eingefunden . „ Lieber Bruder Blücher," ſoll er zu ihm geſagt hoz haben , ,, Du erlaubſt wohl , daß ich ein Bischen zuſebe , wie ,

lire Du das Ding heute machſt. Man kann doch auch etwas fino dabei lernen .“ Und unſer Alte hat ihm geantwortet : „ Gern, Drit Bruder Schwarzenberg , denn Du biſt ein braver Kerl, votafra dem ich auch ſchon Manches gelernt habe , und beſonders ſeitan 1

Du bei Leipzig Deine Sache ſo ſchön machteſt, habe ich die ribe größte Hochachtung vor Dir.“

Und dabei ſollen die beidentia

alten Herrn, die doch dabei noch ſo junge Kraft an Leib und in, Seele batten , ſich recht herzhaft umarmt und geküßt haben. .1 , de So wenigſtens ward unter uns Ordonnanzen im Hauptquare killen tier damals erzählt , und ich habe es wohl glauben können. Catal Waren ſie doch Beide freuzbrave Männer , die gleiche Abſicht an

hatten , und mußten ſich alſo auch gegenſeitig achten und Bilde ehren .

: Was nun Alles an dem Tage bei Rothiere an verſdies Rame denen Stellen des Sdlachtfeldes gefämpft wurde , das kann ich Euch nicht zuſammen wieder erzählen, Kinderfens, weil ich een c$ ſelbſt nicht weiß. So ein fimpler Unterofficier , wie ich einer mein Lebtag geweſen bin , bekommt doch nur das Wes wither nigſte zu ſehen , und wenn er auch als Ordonnanz mit im Rash Hauptquartier fommandirt iſt. Alle Augenblicke gab es einen tu

Ritt zu machen , bald mußte id dort, bald wieder dahin, und Fibe,

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mein Hänſeken ward mir zulegt ſo müde, daß ich ihn faum ben

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noch fortbringen konnte. Ein verflucht ſchlechtes Gefühl bleibt es für einen Kavalleriſten aber , wenn ſein Pferd ihm unter dem Leibe ſo müde geworden iſt , daß er es nur durch die heftigſten Spornſtöße noch forttreiben kann , und doch gebt dies im Kriege nun oft nicht anders und von Sdyonung darf da keine Rede ſein .

Als unſere verſchiedenen Abtheilungen an dem Tage nun

einmal im Gefecht waren , ſo gab es denn von allen Seiten ein gehöriges Gefrache. Viel Zeit war ohnedem nicht zu 1

verlieren , denn fo am 1. Februar wird es gar bald dunkel,

wie Ihr wohl wißt. Auf unſerem linken Flügel ſtanden die braven Deſtreicher und hatten mit den ihnen gegenüberfäms

pfenden Franzoſen einen harten Stand. Ich war mal gerade mit einem Herrn Adjutanten von uns dahin geritten, als die öſtreichiſche Infanterie eine Brüde ſtürmen mußte, und es war wahrhaftig eine Luſt , dies mit anzuſehen. Als wenn die

Franzoſen, die ein mörderiſches Gewehrfeuer aus dem befeſtig ten Ort , der hinter der Brücke lag , unterhielten , nur mit Schneebällen auf ſie würfen , ſo unverzagt ſtürmten die Deſts reicher darauf los. Viele brave Soldaten mußten hier ihr Leben laſſen , aber zuleßt bekamen die Anſtürmenden doch ihren Willen. Sie ſchoſſen , als es ſchon dunkel wurde , den 1

1

Ort mit Granaten in Brand und erſtürmten ibu dann. ,, Nicht

wahr , Kamerad Preuß , wir machen unſere Sadie heut gut,“ rief mir noch ein öſtreichiſder Unterofficier zu , als er bei dem Anſtürmen auf die Brücke bei mir vorbeimarſchirte.

Ja

wahrhaftig , Bruder Kaiſerlicher ," denn ſo pflegten wir die Deſtreider ſtets zu nennen , „ fein Regiment auf der Welt konnte es beffer madyen wie Ihr jeßt ," antwortete ich ihm nod ), „ da haſt Du den legten Schluc Lodewig aus meiner

Feldflaſche,“ und damit reichte id) ihm ſchnell die Buddel vom

Pferde herunter. Der ſprang denn ciligſt aus dem Gliede

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hervor , goß den Branntwein , echter Coguak war es , hinter die Binde , und wupp dich war er ſchon wieder an ſeinem

Plaze , ehe der Herr Hauptmann von ſeiner Kompagnie den Austritt nur geſehen hatte. Hätte mir zwar gern bei dem kalten Wintertage den Schnapps ſelbſt zu Gemüthe geführt, aber ſo dem braven Oeſtreicher gönnte ich denſelben doch gern. In dem Centrum, wie man es ſo nennen thut, von uns

ſerer Sdlachtreihe da hatten die Ruſſen beſonders ihre Haupts arbeit. Es waren ſo hundsmäßig idylechte Wege hier , daß die Geſdyüße mit der gewöhnlichen Beſpannung nicht fortges bracht werden konnten , und ſo hatte man denn die Hälfte der

Kanonen ſtehen laſſen und vor die übrigen die doppelte Zahl

von Pferden geſpannt.

Troßdem mußte man noch unbarm

herzig mit den Kantſchuhen auf die armen Beeſter losſchlagen , um die Geſchüße nur fortſchleppen zu können. Beſonders aud die Kavallerie der Ruſſen ſoll ſich hier mit der franzöſi fden tüchtig herumgebauen haben , und obſchon ich es ſelbſt

nidt ſah , haben mir doch andere Ordonnanz- Uluterofficiere von uns , die dabei waren , geſagt, daß es ordentlich beiß dabei zugegangen ſei. Lange Zeit hat es ſich hier hin und hergezogen , denn auch die Franzoſen haben ſich bis auf das 1

Neußerſte gewehrt, und zulezt iſt noch in ſtocrabenſchwarzer Dunkelheit gefodyten worden , bis es endlid den Ruſſen ges

lang , ſid) in dem La Nothiere für immer feſtzuſeßen , ſo daß die Franzoſen ſie nicht mehr aus demſelben vertreiben konn ten , mochten dieſe aud) in nody ſo wilder Wuth dagegen aus ſtürmen .

Da der Bonaparte dies Dorf nun doch nicht wies

der bekommen konnte , ließ er es durd) ſeine eigene Artillerie

in Brand ſchießen, damit der Rückzug ſeiner Truppen dadurch mehr gedeckt wurde.

An unſerem rechten Flügel fänpften beſonders die Wür temberger und Baiern und machteu den Franzoſen auch nicht

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wenig zu ſchaffen . Auch von den Deſtreichern waren welche hier , die eben ſo gut fidy ſchlugen wie ihre Kameraden auf

unſerer anderen Seite. Beſonders ein öſtreichiſches Bataillon Ungarn , was ſehr tapfere Soldaten ſind, und ein bairiſches,

die haben hier zuſammen mit dem Bajonnet einen ſo gläns

zenden Angriff gemacht , daß Alle , die es init anſahen , ihre helle Freude darüber haben mußten. Auch ein bairiſcher Herr Oberſt, Dieß hieß er , wie ich mich noch ganz gut beſinnen fann , hat mit ſeinen Chevaurlegers , wie die Baiern ihre leichte Kavallerie rennen thuen , warum weiß id) nicht, und

öftreichiſchen Huſaren ſo ſchöne Attaquen ausgeführt, wie es fein Menſd) auf der Welt hätte beſſer machen können . Muß ein äußerſt vraver Mann geweſen ſein dieſer Herr Oberſt von Diep , vor dem auch ein preußiſder Fuſar alle Achtung baben kann .

So gegen Abend um 9 Uhr da famen zu unſerem Herrn

Feldmarſchall von Blüdyer Excellenz von allen Seiten die Adjutanten angejagt , mit der Meldung , daß die Sdyladyt vollſtändig gewonnen ſei und die Franzoſen überall den Rücks jug angetreten hätten. An die 70 franzöſiſche Kanonen bats

ten wir allein erobert , und das war denn doch ſchon eine hübſche Zahl , über deren Verluſt der Bonaparte gewiß recht giftig geweſen iſt. Unſer Alte der ſchmunzelte denn auch nicht wenig, wie ſo von allen Seiten ihm der Sieg gemeldet wurde, und rieb fidy vergnügt die Hände. „ Na, Gneiſenau, hab' ich

das nicht immer geſagt , daß der Bonaparte auch auf französ fiſchem Boden die beſte Sdymiere friegen könnte, wenn auch viele von den überflugen gelehrten Herren behaupten wollen , das ginge nicht an , “ ſprach er zu dem Herrn Generallieutenant 1

von Gneiſenau Ercellenz , wie ich ſelbſt mit anhörte.

Wie ſchön e$ fid nach einer gewonnenen Schlacht aber dılafen läßt, habe icy aud recht wieder in der Nacht bei Ro.

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thiere erfahren . Es war ſo ſchlechtes Wetter , daß man im Frieden feinen Hund aus der Stube bätte jagen mögen , allein trozdem warfen wir uns mitten in den Sdynee und

Dreck der Länge lang auf der bloßen Erde hin und ſchliefen fo feſt und gut, wie der reichſte Mann oft nicht in ſeinem weichen Federbette. Zu eſſen gab es freilich vorher nicht viel, doch hatten wir 4 Unterofficiere zuſammen noch ein großes Kommißbrod aus einer ruſſiſchen Feldbäckerei aufgegabelt, und das theilten wir uns denn brüderlich und verzehrten es auf

der Stelle, daß auch kein Krümchen davon übrig blieb . Wenn man ſo den ganzen Tag als Ordonnanz in einer Schlacht

herumgejuckelt iſt, verſpürt man wahrhaftig þunger im Ma gen , das könnt Ihr glauben. Auch für unſere Pferde, die den ganzen Tag nidyt ſchlecht hatten laufen müſſen , trieben wir nod etwas Hafer auf , den ſie fich gut ſchmecken ließen, und nachher ihre Füße bald eben ſo lang von fich ſtreckten , wie wir es ſelbſt thaten. Als ich am anderen Morgen die Augen aufmachte, lagen wir Unterofficiere und Pferde Alle in einem bunten Klumpen durcheinander und es war ſo viel Schnee auf uns gefallen , daß wir wie von einem Leinentuch bedeďt ausſahen.

Uebrigens müßt Ihr nicht glauben , Kinderfens, daß uns fer Herr Generallieutenant von Yorck Excellenz, wenn er mit ſeinem Corps an der Schlacht bei Rothiere auch keinen An theil nehmen konnte, in der ganzen Zeit müßig geblieben wäre. Ja, da bätte er ja nicht der Herr General von Yorck und ſeine Soldaten keine Preußen Tein müſſen . Gar viel und Gutes wußten mir die Kameraden zu ers

zählen, als ich wieder zu unſerem Regimente fam, was ſie in der Zeit Alles gethan hatten, ſo daß man ſeine wahre Freude daran haben konnte. Beſonders am 3. Februar da hatten

unſere Huſaren denn auch wieder ein Gefecht mit der französ

:)

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fiſchen Reiterei gehabt, was dem Regimente für alle Zeiten zur hohen Ehre gereichen wird. Unter dem Herrn Generals major von Kapler hauten ſie mit den brandenburgiſchen Uhlas

nen zuſammen auf die franzöſiſchen Küraſſtere und Karabi niere ein , daß es man ſo eine Art hatte.

Es pflegt ſonſt

oft ſo zu heißen , es ginge nicht gut , daß man leichte puſas ren gegen ſchwere Küraſſiere führe, denn Leştere wären durch

ihre Küraſſe und Helme zu ſehr gegen die Säbelhiebe gedect und könnten mit den langen Pallaſchen von den hohen Pfer den herab fich gar leicht vertheidigen. Na , an dem Tage haben unſere Leute es aber gezeigt , daß bei gehöriger Cous rage und tüchtiger Anführung es auch Huſaren recht gut mit Süraffteren anfnehmen und ſte ordentlich verflopfen können .

Als unſer Regiment an dem Morgen gegen die franzöſiſche

Reiterlinie anſprengte, iſt Lektere ganz ruhig halten geblieben

7 und hat auf einige . Sdiritte Entfernung dann eine Karabiner:

Salve gegeben, wie es oft die Franzoſen lo zu thuen pflegen. Wenn auch von den Unſrigen manche dabei getroffen wurden und aus den Sätteln purzelten , ſo haben die anderen fich

doch dadurch nicht aufhalten laſſen. „ Hurrab ,“ hat es gehei Ben und nu iſt es auf die Franzoſen lodgegangen und mit den Säbeln auf fie eingehauen worden , daß es eine ordent liche Luſt geweſen iſt damit bei ſein zu fönnen . Beinahe 12

faſt geflappert, als wenn die Kupferſchmiede auf den Keſſeln herumhämmern , ſoll es fich haben anhören laſſen , ſo ſollen 1

unſere Huſaren auf die Kürafftere draufgehauen haben. Man dyer Parlez- vous hat da denn noch recht preußiſche Hiebe zu foſten bekommen und von ſeinem hohen Gaul herunter müf jen, er mochte nun wollen oder nicht. Zwar fam der französ fiſchen Reiterei eine Batterie zur Hülfe, allein das half Alles nichts, unſere Kerle dachten „ das iſt gut ſo und wir fönnen

die auch noch nehmen , " und hieben nur deſto herzhafter drein,

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wie es auch preußiſche Huſaren ftet8 thuen müſſen , wenn es nidyt verdammte Sdufte ſein wollen. So ward die feindliche Linie denn bald durchbrochen und auch von den Kanonen !

wurden mehrere von unſeren Leuten genommen. Zwar ſoll noch friſche franzöſiſche Reiterei gekommen ſein und verſucht haben, die Karvonen wieder zu erobern , allein es hat ihr nicht gelingen wollen , und fie hat mit langer Naſe unverrichteter Sache wieder abziehen müſſen . Unſere Huſaren haben ſtets noch hart nachgedrängt, und auch die anderen Kavalleriſten von uns , und beſonders auch die litthauiſchen Dragoner und

die Landwehr-Reiter vom dritten und fünften Regiment, haus ten noch oft ein und fügten dem Feinde manchen Schaden zu. Auch unſere Infanterie ſoll an dem Tage nicht faul ges weſen ſein und die Artillerie den Franzoſen manches Stücklein

aufgeſpielt haben, was ihnen gerade nicht am Beſten gefallen haben mag. Von unſeren Infanteriſten , beſonders vom erſten und zweiten oſtpreußiſchen Infanterie - Regiment, hatten Viele feit dem geſtrigen Morgen nicht mehr abfochen können , und waren die ganze Nachyt durch in Tohlechten Wegen marſchirt, und dod) thaten fte an dem Gefechtstage noch ihre volle 1

Schuldigkeit. Ja, ich habe immer geſagt, wenn ein Soldat man guten Willen und Ehre im Leibe hat, wie es ſich gehört,

dann verſpürt er von Müdigkeit und Hunger nicht allzuviel, fobald es in das Gefecht geht und das Geſchieße fängt an,

und er kann dann Strapagen aushalten , die man jo im ges wöhnlichen Leben , wenn alles ſo ſeinen ruhigen Gang ftch 1

fortſchleppt, kaum für möglich halten ſollte. Und ſo werdet Ihr es auch machen , Kinderkens , wenn es mal ordentlich erſt wieder losgeht und es drauf ankommt zu zeigen, daß Ihr die alten preußiſchen Huſaren noch feid, das bin ich von Euch überzeugt, obgleich ich mich jeßt , wie Ihr wißt , oft ſchwer

ärgern muß , wenn Manche von Euch gar ſo verweichlicht

4

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thuen wollen und ſchon brummen und klagen , wenn ſte mal ein paar Stunden im Regen halten ſollen oder nicht alle Tage zur rechten Zeit ihr Mittagsbrod befommen fönnen . Aus ſolchen Kleinigkeiten darf ſich auch ein guter Soldat im Frieden nichts machen , und wer darüber klagen will, der iſt wahrhaftig nichts Beſſeres werth, als daß man ihn unter die Bürgerwehr ſteckt. So das merkt Eudy noch, und nun gute 1

.

Nacht. "

Siebentes Kapitel .

,,Gine jute gebratene Fans iſt eine jroße Jabe Jottes," ſagt eine bekannte Berliner Redensart

Die drei Huſaren,

die ſo eben um den zierlid gedeckten Tiſch im ſogenannten

„Herrenſtüblein “ des Wirthshauſes zum „ goldenen Odyſen " ſtanden, auf dem in der Mitte eine große gebratene Gans in voller Glorie prangte , dienen dies auch zu denken.

Wie

behaglich ſaben ihre Geſichter in Erwartung der Tafelfreuden aus, die ihrer bald harren würden, und die Naſenflügel ſogen

ſchon jept begierig den würzigen Dampf ein , der von dem Braten in die Luft ſic) kräuſelte. Muntere Burſchen , die gern

einen fetten Biſſen und noch lieber einen guten Trunk lieben , waren es, und da die beſorgten Eltern in der Heimath ſelten

an die lieben Söhne da draußen weit im Badiſchen zu ſchreis ben pflegten, ohne den Brief durch einige Thaler Kaſſenſcheine noch angenehmer für die Empfänger zu madyen , trugen ſie

.

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auch häufig einen Ertra-Groſchen in der Taſche, fich derartige außergewöhnliche Genüſſe zu verſchaffen. So hatten denn die Drei , die , ſo weit es der Dienſt erlaubte, in allen ihren Vergnügungen faſt unzertrennlich waren , den heurigen Mars tinstag durch einen prächtigen Gänſebraten , nach der alten

Sitte der Heimath , gebührend zu feiern. Hatte daheim im Dorfe , aus dem fie ſtammten , die Mutter oder Sdweſter dodh ſchon mehrere Wochen vorher mit prüfendem Blick und

kundiger Hand ficly die fetteſte Gans aus der ganzen Heerde auserwählt, und ſie zum Martinsbraten für den eigenen häus

lichen Gebrauch an dieſem Tage beſtimmt. Ein nur irgends wie wohlhabender Bürgergs und Bauersmann in Norddeutſch

land wird den Martinstag nicht leicht vorübergehen laſſen , ohne ſeine gebratene Gans auf dem Tiſche zu haben , und Gleiches wollten auch unſere Huſaren hier im äußerſten Süd weſten unſeres Vaterlandes . Die größte und Fetteſte Gans, die das Dorf nur hatte, war daber von ihnen gemeinſam ers handelt worden, und gegen Geld und gute Worte hatte nun

fich auch die „Ochſenwirthin“ dazu verſtanden , in einen recht ſdön braun und knusbrig geſchmorten Braten dieſelbe zu vers

wandeln. Zwar war es ihr gar nicht recht, daß der eine Huſar unter dem Vorwande , bei dein Geſchäft des Beatens

zu helfen und ſeine Erfahrungen hierin mit anzuwenden , gar zu viel an dem Tage in der Küche herumzuſcharwenzeln ſucite. Oft wollte fie denſelben gar durch etwas Brummen

zu verfdeuchen ſuchen , doch gelang ihr dies nicht im Min deſten , denn der Fuſar ſchmeichelte und wißelte dann nur deſto mehr , und blieb nad wie vor am Herde ſtehen . War es doch nicht der Gänſebraten allein , der den dylanken Burs

(dyen dort feſſelte, ſondern vielmehr Babette , die muntere,

idwarzäugige Tochter der Wirthin , die der Mutter in der Sorge für die Küdye half. Die nun brummte auch nicht über

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- die Anweſenheit des Huſaren , ſondern war im Gegentheil ſehr zufrieden damit , und wenn die geſtrenge Mutter mal anderswo beſchäftigt war , dann ſchaute ſie ihn gar freundlicy

mit ihren feurigen Augen an , ia ſuchte einen verſtohlenen Händedruck und ſelbſt ſogar auch ein Kübden möglich zu machen. Luſtige, fecke Huſaren , oder wenn es auch Jäger

oder Artilleriſten oder Infanteriſten ſind, und junge , hübjde Mädchen , die lernen ſich nun einmal ſchnell verſtehen und finden ſich leicht zuſammen , das iſt nun immer ſo in der

Welt geweſen und wird es auch fernerhin bleiben , ſo lange es Soldaten giebt , mögen dieſe nun nocy ſo mannigfaltige Uniformen tragen oder verſchiedenen Herren angehören. Nur i ein grämlicher -alter Philiſter kann auch hierüber zürnen und der Jugend ihr Vergnügen nicht gönnen wollen . Nach einſtimmigem Beſdluß hatten die drei Huſaren, die den Gänſebraten-Sdymaus veranſtalteten, auch den alten Uns

terofficier Erdmann zu ſich eingeladen. Bei allen derartigen Gelegenheiten ſuchten die Huſaren des Zuges , ja ſelbſt der

ganzen Schwadron , immer den Alten in ihre Mitte zu be fommen , und feine kleine Feſtlid )feit hatte die rechte Würze,

[ wenn derſelbe dabei fehlte. Allzuviel einladen und bewirthen

ließ fich der Alte von den Huſaren übrigens nicht, denn mit Recht ſagte er, es tauge nicht viel und die nöthige Subordi nation könne leicht dabei zum Teufel gehen , wenn ein Unter officier es liebe , ſid) von wohlhabenden Gemeinen häufig tractiren zu laſſen. Es mußten (don Huſaren ſein , die be ſonders gut bei ihm angeſchrieben waren , wenn Erdmann 1

ihre Einladungen annehmen follte.

Bei dieſer Gelegenheit

heute war dies aber der Fall, und wie der Alte jeßt eintrat und den ſchönen Gänjebraten mit noch anderen guten Sachen auf dem 'Tiſde ſo appetitlich aufgeſtellt jah , und die vollen nun , da Flaſchen mit echtem Markgräfler" daneben ,

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machte er auch gerade fein unebenes Geſicht. Und wie vers

gnüglich war das Mahl , was die Vier jegt in der kleinen traulichen Herrenſtube mit einander feierten. In dem von der Natur ſo geſegneten Badner Lande wachſen der edlen

Früchte viele , die der Norden nicht mehr hat , und ſo war denn die Gans mit Kaſtanien gefüllt,1 während man ſich das beim mit Pflaumen und geſchnittenen Pepfeln begnügen muß . Das dimeckte denn nicht ſchlecht, und Gänſebraten mit edlen

Kaſtanien und dazu noch Compott von Pfirſichen hatte in Pommern oder Brandenburg noch Keiner der Huſaren je ge geſſen und wird ſo leidyt wieder keine Gelegenheit dazu fin den , wenn er nach vollendeter Campagne wieder auf das

Bauerngehöft ſeiner Eltern zurückgekehrt iſt. Wie flink waren aber heute auch die Meſſer beim Zerſchneiden , wie geſchäftig .

die Zähne beim Zerbeißen des Bratens. Nicht gar lange dauerte es, und zu einem leeren, fleiſd )loſen Gerippe, an dem eine Kaße nicht mehr fich hätte ſättigen fönnen , war der vor Kurzem noch ſo ſchöne , braune Gänſebraten mit ſeinem aro: matiſch duftenden Inhalt berabgeſunken. Auch die übrigen Schüſſeln wurden immer leerer und leerer und in der fetten Mehlſpeiſe , die noch auf dem Tiſde ſtand, zeigte ſich eine Lüde nadi der andern , während die Huſaren ſchon manche 1

Knöpfe ihrer Dolmans, die ſonſt ſo feſt und eng ſich an die Taillen ſchloſſen , gelüftet hatten. Der Mäßigſte von Allen war übrigens der alte Erdmann geweſen , obſchon man ibiu natürlich die beſten Stücke des Bratens und die größten und

ſüßeſten Kaſtanien vorgelegt hatte. Der Appetit eines Man nes , der faſt ſeine ſechszig Jahre ſdon auf dem Rücken hat, pflegt aber auch leichter befriedigt zu werden wie der eines jungen Burſchen im Anfang der Zwanziger. Bei einem Nachtiſd von friſchen Mandeln , Nüſſen, roth bädigen Aepfeln , alle im Garten der Wirthin ſelbſt gewachſen

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und von Babette mit beſonderer Sorgfalt für den heutigen

Tag ausgeſucht, und die Gläſer mit gutem leichten Gebirgs i wein gefüllt, läßt es ſich gar behaglich plaudern . Die Worte kommen dann aus dem Munde man weiß nicht wie, und die : Stunden vergeben im Umſeben. „ Ja das iſt auch ſdon mehrere Jahre her, daß id) Gäns

jebraten mit Kaſtanien vollgepfropft gegeſſen habe, " meinte der alte Erdmann , als man noch einmal über die Vorzüge der heutigen Mahlzeit fid unterhielt. Bei uns da wollen die

Dingerchen nicht recht wad ſen und wenn man ſie kauft , ſo find ſie ſo ſündhaft theuer , daß ein Unterofficier nicht daran denken kann. Na , das thut auch nicht nöthig und wenn er

man ſonſt ſeine geſunde Koſt hat und kann ſich am Martins abend ein Stück Gänſebraten mit Braunkohl oder Rüben das

bei zeugen , ſo hat er wahrhaftig Urſache damit zufrieden zu jein. Dazumalen aber – wir ſtanden noch in Düben , koma mandirte unſere Schwadron der Herr Nittmeiſter v. R. Leis

der iſt er vor mehreren Jahren audy ſdon Todes verblichen, was ſehr Schade iſt, denn er war ein äußerſt braver und

tïchtiger Officier im Dienſt Sr. Majeſtät unſers Königs von Preußen. Na, der ward aud) fo das alleinige Leben allmälig überdrüſſig und er ſchaffte ſich eine Frau an , was ihm am

Ende aud nicht zu verargen war, denn Geld bejaß er genug bazu, und ein ſchöner Mann, der nur ſu das Ausſuchen un

ter vielen tauſend Mädchen hatte , war er aud). Das fanu auch nid)t verwundern , denn ſo eine Frau Rittmeiſterin bei den bujaren möchte gern jedes Mädchen werden , und wenn

unſere Herren Officiere nur alle heirathen wollten , Frauen fönnten ſie in ſdwerer Menge bekommen, ſo viel ſie nur has ben wollten. Es iſt aber man gut, daß nicht alle dies mögen, denn gar ſo viele Frauen , die thuen nach meiner Anſicht bei einem Fuſaren - Regiment nid) t gut. Wenn es denn in den

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Strieg gehen ſoll und der Tag des Ausmarſches iſt da , dann

giebt es nichts wie Geheule und Gejammere, und ſo etwas iſt denn um die Sdyodidwerenvth zu friegen , wenn man es mit anhören muß. Daß unſer Herr Rittmeiſter aber, wenn 1

er ſich erſt eine Frau nahm , ſich audy gleich eine hübſche aus: ſuchen würde, konnte man ſich denken. Ein verflucht ſcharfes Auge hatte der im Kopfe , und auf Pferde und Weibsbilder

verſtand er ſich immer am Beſten im ganzen Regiment , und das will doch wahrhaftig was ſagen. Donnerwetter , als er denn mit ſeiner jungen Gemahlin, wie es bei den Herren Officieren heißt , in unſerer Garniſon ankam , da redten alle

die Hälſe und madyten große Augen , denn was Schöneres von einem Frauenzimmer konnte man auf der ganzen Welt nicht ſehen.

Groß und ſchlank von Figur war ſie und ging ſo adret auf den Beinen wie nur das beſte Paradepferd unſeres Herrn Oberſten und hatte ſo ſchöne, rothe Baden wie hier der Apfel,

und Augen, die waren ſo bligblau , daß die Pelze und Dols mans von unſerem 12. Regiment ganz verblaßt dagegen aus

geſehen hätten. Das Alerſchönſte aber waren ihre langen Bummelloden, die wie ein paar Quaſten bei einem polniſchen Pferdegeſchirr ganz weit zu beiden Seiten vom Kopfe herab: hingen. Die waren von ſo ſchöner, blonder Farbe , wie uur die beſte Semmel , und wenn die Sonne drauf ſcien , jo

glänzten ſie gerade , als wenn ſie aus ſchweren Goldfåden gemacht wären. Dabei war aber unſere neue Frau Rittmeis, ſterin gar nicht ſtolz und eingebildet, obſdon fie von vorneh mer Herkunft und die Tochter eines Generals war. In furs

zer Zeit kannte ſie ſchon alle Unterofficiere der Schwadront, beim Namen , und wenn ſie Cinem begegnete und er ihr ſein Compliment gemacht hatte , wie es ſich ſo ſchickte, dankte fie mmer ſehr freundlich und ſagte auch wohl: „ Guten Morgen ,

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wie geht's , Herr Unterofficier. Was macht die Frau ? " und

I was ſo der Redensarten mehr waren. Und als ich die Ehre hatte, fie zuerſt zu ſehen , da gab ſie mir gleich ihre kleine · Patſchand , die ſo weiß wie ein friſch angeſtridyenes Bande lier war, und ſagte : „Ad), das iſt Papa Erdmann , von dem - mein Mann mir ſchon ſo viel Gutes erzählt hat. Das freut mich, daß ich Sie jeßt fennen lernen thue." Alle Jahre zweis 1

mal wurde der Wachtmeiſter der Schwadron und wir vier äls

teſten Unterofficiere auch von der Frau Rittmeiſterin zu Tiſch eingeladen , und der Wachtmeiſter durfte ihr denn ordentlich, wie es fich gehört , den Arm geben und fie zu Tiſch führen.

Sie war nicht ſo hochnäfig wie die dicke Staufmannsfrau da - in Frankfurt, die , weil ihr Mann ſid, ein Bischen Geld zus jammen gehandelt hatte, bei unſerm legten Durchmarſch ſogar geſagt haben ſoll: „ Ein gewöhnlicher preußiſcher Unterofficier dürfe gar nicht ihr Zimmer betreten ."

Na , die hatte wahrs 1

haftig auch nody Grund , fich aufzublaſen , und wenn ſo die Geldjäde erſt anfangen wollen , ſtolz auf uns Soldaten hers .

1

abzuſehen , da müßte ja Alles in der Welt aufhören . Wenn wir denn nun die Ehre hatten, fo bei der Frau Rittineiſterin

zu Tiſche fißen zu dürfen , ſo pflegte ſie denn allerlei gute Sachen auftragen zu laſſen , die Unſereiner ſonſt nicht zu ko ften bekam , und bei der Gelegenheit hab' ich denn auch einſt Ginſebraten mit Kaſtanien zu ſchmecken befommen. Allerhand

ganz ſpaßige Gerichte , die man faum wußte , wie man es anfangen ſollte ſie zu verzehren, kamen bei ſolchen Mahlzeiten auch noch auf den Tiſch. So erinnere id) mich noch , daß

mal eine ganze Schüſſel voll Krebſe, die recht ſchön roth ges focht ausſahen, bereingebracht wurde. Nu, ordentliche Krebſe : hatte ich denn auch ſchon öfters gegeſſen, und als ich meinen Teller voll hatte, wollte ich mich mit dem Meſſer dran machen , um die Schalen abzupullen , wie es ſich gehört. Aber da III,

9

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war ich arg angeführt, denn das waren gar keine gehörigen Krebſe mehr, ſondern man hatte ihnen das Fleiſch (don wegs genommen und allerlei Gehadſel dafür in die Schalen eins gefüllt , was man denn mit der Gabel mühſam herauspurren

mußte. Mein Guſto wäre das nun gerade nicht und ein gutes Stüc Braten mir lieber , und ich kann nicht begreifen, warum die vornehmen Leute ſich denn oft gar ſo pudelnär. riſche Gerichte kochen laſſen , da fte es doch beſſer haben fönns ten. Bei dieſen Einladungen von unſerm Herrn Rittmeiſter,

wurde denn zuleßt beim Kuchen , von dem unſer Wachtmeis fter ſtets ein großes Stück zum Mitbringen für ſeine Frau in Papier eingewidelt befam , Champagner - Wein getrunken , in dem denn auch die Geſundheit von Sr. Majeſtät unſerm Kös nige ausgebracht wurde. „Ja , ſo ein Champagner-Wein, da möchte ich mich mal ſo nach Herzensluſt volltrinken fönnen ,"

meinte jeßt lüſtern Einer der Fuſaren. „ Das Zeug ſchmedt gar zu prächtig und eine Luſt muß es ſein , davon ſo viel

trinken zu können als nur die Gurgel herunter will.“ ,,Na, da warten Sie, bis wir mal wieder nach Frankreich marſchiren , da giebt es genug Champagner zu trinken ,“ ente gegnete ihm lachend der alte Erdmann. ,,Dazumals Anno 14, entſinne ich mich mal, ein paar Kompagnien von unſerer Ins

fanterie geſehen zu haben, wo die Kerle fich faſt Alle in dem beſten Champagner-Wein einen argen Spiß , wie man zu las gen pflegt, angetrunken hatten ."

„ Ih , das muß luſtig geweſen ſein , ja da möchten wir : wohl mitgehalten haben , " meinten die Huſaren. ,, Davon folls ten Sie uns man ein Bischen mehr erzählen , Vater Erdmann,

da wir hier doch nun mal ſo vergnüglich beiſammen ſißen, und in der Ede noch ein paar Flaſchen ſtehen , die noch mal gar nicht angebrochen zu ſein ſcheinen.

Alſo friſch audges

trunken und wieder eingeſchenkt, und dann zugehört, wie Papa

Erdmann uns eine Champagner-Geſchichte erzählt. Ja , daß ich auch ſo ein paar Jahrzehnte zu ſpät auf die Welt kommen mußte, und ſo die großen Feldzüge von dazumals nicht mehr mitmachen konnte, " rief Einer der Huſaren, der ſo den Wirth hauptſächlich machte. ,, Gieb Did man zufrieden , was noch nicht iſt, fann im

mer noch werden und es iſt noch nicht aller Tage Abend. Wer weiß ob wir nicht auch noch mal den Champagner -Wein in dem eigenen Lande von den Franzoſen verkoſten ,“ tröſtete ihn ein Anderer.

„Alſo hört zu , Kinderfens," begann der alte Erdmann jetzt feine Erzählung , nachdem er zuvor noch einen langen

Zug aus dem ſo eben wieder friſch eingeſchenkten Glaſe ges than hatte. „Ich war kaum wieder bei unſerm Corps einges rüdt , als daſſelbe gegen Chalons marſchirte , was eine alte franzöſiſche Stadt iſt, in der die Leute den beſten Champagners Wein machen ſollen. Wie ſie das anfangen , weiß ich ſelbſt nicht. Die Franzoſen hatten dies Chalons beſegt und da ſie nicht Luft zeigten , es in Güte wieder zu räumen , ſo fam es zu einem heftigen Gefecht daſelbſt. Zuerſt wurde die eine Vorſtadt geſtürmt, die von der eigentlichen Stadt durch einen

Graben getrennt iſt, und unſere oſtpreußiſchen Füſeliere und Jäger, die in der Brigade des Herrn Generalmajors von Kabler mit waren, thaten wahrhaftig hierbei ihre Schuldigkeit. Her aus mußten die Franzoſen aus den Häuſern der Vorſtadt und über die Brücke, die ſie ſtark verſchanzt hatten , herüber, fie mochten nun wollen oder nicht. Unſere braven Jungen. die regten fich denn in den eroberten Häuſern feſt, und wenn

die Franzoſen eß nun auch noch ſo oft verſuchten , ſie daraus

zil vertreiben und nody ſo heftig anſtürmten , es half ihnen Alles nichts , was die Unſrigen einmal in Beſiß genommen hatten , das gaben ſie auch nicht wieder her. In den erſtürm *

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ten Häuſern fand man in den Kellern eine große Menge von vollen Flaſchen , und da ſo ein Sturm uidit geringen Durſt macht, ſo war es denn natürlid ), daß unſere Jäger bald ans fingen , ſolche ein Bischen näher zu verkoſten. Das Getränf

in den Flaſchen , denen nad, guter Soldatenart ohne Weiteres die Hälſe abgeſchlagen wurden , fdmedte ganz gut, und da die Meiſten von den oſtpreußiſchen Jägern , die den Teufel was von Champagner -Wein wußten , es anfänglich für eine Art Weißbier ſo eine füble Blonde," wie die Berliner zu ſagen pflegen , hielten und glaubten , daß ſo etwas nicht ſo 1

2

leicht zu Kopfe fteigen fönne , ſo waren ſie denn im Saufen nicht faul. Saderment, das gab denn bald mehr angeduſelte

Leute, wie eigentlich gut war, obſchon doch nur einzelne Bes nige fich ſo beſoffen , daß ſie zum ferneren Gefechte an dem Abend nicht mehr tauglid) waren . Viele Sachen , worüber man oft ladhen mußte, daß einem die Seiten ſchütterten, fonnte man nu ſehen. In der einen Hand die volle Champagner Flaſche, die fte juchend über den Kopf ſchwenkten, in der ans

deren die Büchſe, kamen oft einzelne Jäger aus den Häuſern herausgelaufen. Sie tranken den Franzoſen , die hinter den Mauern ſtanden , laut zu und madyten allerhand Faren dazu

und riefen ſpöttiſche Redensarten und Sticheleien , die von denen da drüben natürlich nicht verſtanden wurden, und dann

warfen ſie die oft noch haltvollen Flaſchen in die Luft , daß ſie inzwei fielen , legten die Büdiſen an den Kopf und knalls ten gehörig gegen die Feinde los . Freilich ward dabei auch Mancher von den Unſrigen nußlos erſchoſſen , da ſie es oft in ihrem trunkenen Uebermuth zu weit trieben und es unters ließen, ſich die nothwendige Deckung zu ſuchen, wie es bei jo einem Tirailleur-Gefedyt ja dringend erforderlich iſt. So ſebe

ich nocy wie ſo ein oſtpreußiſcher Jäger, ein hübſcher , junger Burſche war es, der faum an die zwanzig Jahre wohl zählen

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mochte, mit lautem Gejuche aus einem Hauſe herausſprang und ſich ganz frei und offen den Franzoſen gegenüber ſtellte. In der einen Hand hatte er eine Champagner- Flaſche, in der andern aber ſeine Büdſe. Kaum hatte er die Buddel aber

an den Mund geſeßt, um einen tüchtigen Zug zu thuen , ſo fnallte es aus dem Graben , in dem die franzöſiſchen Tirail. leurs verſteckt lagen , hervor , und unſer Jäger erhielt einen Sduß in die Bruſt, ſo daß er auf der Stelle todt zuſammens

ſtürzte. So hatte der mitten im Champagner - Trinken ſeinen Tod gefunden . Solche Fälle kamen aber noch mehrere vor. Daß wir Huſaren übrigens bei der Gelegenheit nicht zu furz famen, fönnt Ihr wohl denken , Kinderkens, denn Huja : ren pflegen eben nicht blöde zu ſein , wo es einen guten Trunk

zu erbeuten giebt. Mandie Flaſdie von dem Champagner -Wein bolten wir uns aus den Kellern hervor und brauen ihnen

dann die Hälſe.

So einen Wein hatten die wenigſten von

uns noch je in ihrem Leben zu ſchymeden bekommen , und er gefiel uns ganz gut. Wenn man ſo an einem kalten Winter tage viele lange Stunden auf dem Pferde ſißen und dazu

nod, meiſtentheils damit auf dem Fleck an einem geſchükten Drt ſtill halten muß , und kann dann echten Champagners

Wein ſo viel man nur mag, umſonſt zu trinken bekommen, ſo läßt man ſich das nicht zweimal jagen. Die Herren Officiere

und wir Unterofficiere hatten oft genug aufzupaſſen, daß welche von unſeren Huſaren nur nicht allzu viel ſoffen, denn bei der

Kavallerie , wo der Mann doch ſein Pferd regieren ſoll, geht dies noch viel weniger wie bei der Infanterie und es kann ſonſt leicht großes Unheil dadurch entſtehen. Dies iſt nun die Champagner -Geſchichte von Chalons , Kinder , und ich entſinne mich kaum , daß wir jemals ein ſo luſtiges Gefecht 1

1

gehabt haben wie an dem Nachmittag. Uebrigens war von

unſerem Regimente auch nur ein kleiner Theil dabei, und als

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die Anderen am Abend mit dem übrigen Corps des Herrn Generallieutenants von Yord Excellenz nachyfamen , ſo ärgerten

fie ſich nicht wenig darüber , daß der Champagner - Wein faſt alle ſchon ausgeſoffen und für ſie nicht allzu viel mehr davon übrig geblieben war. Nu, Glück gehört vor Allem dazu, wenn man im Kriege es zu etwas bringen will. So im Großen wie Kleinen .

In der Nacht, als noch mehr Truppen von unſerem Corp8 nachgerückt waren , ließ unſer Herr General die Stadt

Chalons etwas beſchießen , und da dies den Franzoſen nicht ſo recht gefallen mochte, ſo räumten ſie dieſelbe bald und ſic Ben uns einziehen. Lange blieben wir aber nicht darin, denn der Herr Generallieutenant von Yord Ercellenz war nicht der Mann , daß er fich und ſeinen Soldaten auzu viel Ruhe uns

nöthiger Weiſe gönnte, ſo lange es noch Franzoſen zu ſala: gen gab .

Uebrigens müßt Ihr nicht glauben , Kinderfens , daß es uns allzu oft ſo gut ward , uns in Champagner - Wein voll

trinken zu können. Ja , dann wäre es ein leichtes Ding, im Kriege im Sattel zu ſein und die Zahl der Freiwilligen würde fich wohl noch ſehr vermehren. Wir hatten bald wieder recht

ſchlimme Tage auszuſtehen und beſonders für unſere ſoges nannte „ Idleſtiche Armee " fam nun eine Zeit , die Reinem gefallen konnte. Der Bonaparte, der auf unſern Herrn Feld marſchall von Blücher Excellenz die größte Wuth hatte , da er wußte, daß der ihm ſtets am Meiſten auf den Hacen laß,.

hatte ſich mit ſeiner ganzen Macht vorzugsweiſe wieder gegen uns gewandt. Sehr geſchickt ſoll er dabei manövrirt haben, wie ich oft von unſeren Herren Officieren im Generalſtab, die über ſo etwas ja ein Wort mitſprechen können , gehört habe , denn er war ein Mann , der ſeine Sade verſtand und

im Kopſe mehr wie Grüße hatte, wenn er auch ſonſt, was

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das Herz anbetraf, nicht allzu viel taugen ſollte. Ja wir be. kamen ſogar, was man nicht läugnen kann , wenn man wahr ſein will, noch ein paar mal Schläge und wurden etwas zu rück gedrängt. Unſer Alte aber , wenn er in der Zeit auch oft ſehr gnägelid geweſen ſein und viel geflucht und gewettert haben ſoll, ließ ſich durch ſolche Unglüdstage doch nicht irre machen . „ Dat muß man auch mitnehmen , das Brüder geht um und wer zuleft ladyt , lacht am Beſten , alſo man immer vorwärts wieder druf los , " ſoll er immer geantwortet haben, wenn man ihm hat Vorſtellungen machen wollen , daß er nicht

ſo hißig vorgehen möge. Er hatte mal geſagt , zu Oſtern wolle er in Paris ſein , oder der Teufel müſſe ſeine Hand dabei mit im Spiel haben , und richtig hat er auch Wort ges halten. Ein ſchlechter Tag für uns war der 12. Februar bei Chateau - Thierry , ſo heißt glaube ich das Neſt , denn wer 1

fann fich all die fauderwelſden franzöſiſchen Namen immer

ſo richtig im Kopfe merfen. Mit großer Uebermacht griffen die Franzoſen uns an , und es gelang ihnen anfänglicy, uns ſere Truppen zurückzuwerfen . „ So geht das Ding nicht, “ ſagte unſer Herr Brigade-General von Horn, „ die Kerle wers den uns zu dreiſt ,“ und gab nun dem Herrn Oberſten von Sohr Befehl , mal eine Attaque auf die ungeſtüm andringens ,

den Franzoſen zu maden . Na , daß der ſich ſo etwas nicht

zweimal jagen ließ, fönnt Ihr glauben . „ Vorwärts, Huſaren , laßt uns mal dieſe franzöſlichen Dragoner , die ja wie die

Schneider reiten , wieder preußiſche Hiebe geben, " ſagte er zu uns,, als wir anreiten ſollten.

So jagten wir denn gegen die franzöſiſchen Reiter - Kos lonnen an , und obgleid, dieſelben ſo ſtark waren , daß wir ſie nicht zurüdwerfen konnten , ſo hielten wir doch ihr Vors dringen auf , und verſchafften unſerer Infanterie Zeit , daß .

dieſe ganz unbeläftigt in guter Ordnung weiter marſchiren

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fonnte. Wenn ſo eine Armee wieder zurück muß und beſon dere bei einem dledyten Wintermonat, in einem ſchon aus:

geſogenen feindlichen Lande, ſo iſt das ein verflucht ſchlimmes Ding, was gar viele Leute foſtet. So ein Rückzug, der fann

auch einen geſunden Kerl leicht aus dem Sattel bringen, und worüber man beim Avanciren nur gelacht hätte , das fann man beim Retiriren kaum ertragen. So verloren wir denn auch jeßt bei allen Regimentern grauſelig viel Leute und die

Brigaden ſchmolzen ſo zuſammen , daß man aus ihrer zwei ſtets eine machen mußte , damit ſie doch noch nach Gtwas ausſehen möchten. Mit unſeren Pferden ſah es auch gar ſchledyt jeßt aus, viele krepirten vor Hunger und Anſtrengung und die anderen , die es noch alles aushielten, fielen jo vom

Fleiſch , daß ſie wie die Staßen ſo mager wurden . Selbſt mein Hänſeken , ſo ſehr ich ihn audy wartete , und mir oft

das Brod vom Munde abbrac ), obicon ich ſelbſt nicht viel zu beißen hatte , um ihn beſſer füttern zu können , wollte mir

ſchon faſt ganz marode werden . Was den Dienſt auch für uns noch viel ſchwieriger machte und beſonders aud die Vers

pflegung erſchwerte, war die Aufſäßigkeit faſt aller Bewohner Der Bonaparte hatte die ganze Bevölkerung 1

gegen uns .

gegen uns aufzuheben verſucht und wenn ihm dies auch nicht

recht gelingen wollte , ſo lange wir im Glüce waren , ſo ge ſchah es doch viel mehr , als wir einige Zeit in der Patſche ſteckten . Alle Dörfer, in die wir zogen , waren verlaſſen , denn die Einwohner batten ſich in die Wälder und Sümpfe ges

flüchtet , und von Lebensmitteln war oft in einem ganzen ſu

verlaſſenen Dorfe auch nicht ſo viel aufzufinden, daß nur ein Mann , viel weniger denn eine ganze S dwadron fidy auch nur halbwegs davon ſatt eſſen fonnte. Von den Bauern hatten

die Meiſten zu den Waffen gegriffen und lauerten uns überall auf. Wenn wir dieſe Bauerbaufen nun auch gerade nicht zu

137

ud ti fürchten brauchten , ſobald wir in Maſſen ausrückten , denn

dron mit einer einzigen Schwadron oder Compagnie guter regu

itir lairer Truppen , wenn nur die Anführung etwas taugt , wird dette man immer ganze große Schaaren ſolcher bewaffneter Bauern ngen,t auseinander jagen können, ſo thaten ſie uns doch ſonſt man dast den Schaden . Beſonders der Patrouille - Dienſt ward durch mu dieſen feindlichen Sinn der Einwohnerſchaft uns oft ſehr ers

und ſchwert, und man mußte ſich verflucht dabei in Acht nehmen , abrir a wenn man nicht zu Schaden kommen wollte . Ich ſelbſt habe

od

mal and ſo einen Fall gehabt , den ich Euch auch gleich ers

aut qihlen will, Kinderfeng. Ich war wieder mit ſo einem Du

mutacas Bend Huſaren , lauter zuverläſſige Kerle , die Einen nicht in

in f Stich gelaſſen hätten , und wenn es das Leben gefoſtet, auf 11. e eine Rekognoscir -Patrouille ausgeſchickt worden . Es war ein

os fehr mißlicher Auftrag, denn überall ſpufte es von ſo bewaff midis neten Bauernbanden , die uns ſchon mehrere kleine Patrouillen wordt weggefangen hatten , umher , und unſer Herr Rittmeifter ems and pfahl mir daher noch die große Vorſicht, daß ich nicht vers

u finde unglüden möge, denn unſere Schwadron mar ſo ſchon ſchwach Berita genug und fonnte nicht mehr viel Pferde und Leute miſſen.

mit gdy dachte , was ein guter Soldat ſtets denfen muß : „ Je and its mehr Gefahr , deſto mehr Ehr , " und ritt mit meinen Leuten

guten Muths fort. Zwar war das Wetter , ſo halb Regen,

It Hurt halb Schnee, ſo ſchlecht es man ſein konnte, und in den ties men X fen Wegen konnten ſich unſere Pferde nur mit Mühe durch

imwi: arbeiten. Doch an ſoldie Sachen muß ein Huſar im Feld gar Ulm nicht denken , wenn es einen ehrenvollen Auftrag auszufüh 15 MET ren gilt.

ulud

Wie es fich gehört, eine Spiße, die aus zwei gewandten

In A Huſaren beſtand, einige hundert Schritte voraus, ritt ich denn na iba nun ab , und auch wir Auderen hatten die Augen wohl im

le midt

1

Ropfe offen und ſchauten fleißig nach allen Seiten umher,

138

C

So waren wir denn auch ſchon durch zwei balbverbrannte

und zerſtörte Dörfer, in denen wir kaum eine lebendige Kaße, viel weniger denn einen Menſchen fanden, gekommen, und auch noch nicht das Mindeſte hatte fich ereignet. Als wenn die ganze Gegend völlig ausgeſtorben fei, ſo ſah ſie aus , und ich begreife noch nicht , wo ſich alle die Einwohner, und bes ſonders die Frauen und Kinder und alten Leute , die doch

nicht im Felde fedyten fonnten , nur hingeflüchtet haben moch: ten. Ich hatte den Auftrag bekommen , nach einem kleinen 1

Städtchen , in dem wir noch eine ruſſiſche Beſaßung glaubten,

zu reiten , um nähere Erkundigungen über die Stellung ders ſelben einzuziehen , und dann erſt wieder zu unſerem Corps zurückzukehren. Noch eine gute halbe Stunde mochte dieſe Stadt wohl von uns entfernt ſein , um aber dahin zu gelangen , mußten wir erſt einen kleinen Wald durchreiten . Gerade in ſolchen Holzungen aber ſteckten gewöhnlich die Bans den der Bauern, um den Patrouillen aufzulauern . So ſcharf

wie möglich mußten die puſaren der Spige fich jeßt umſchauen, und auch wir ſparten unſere Augen wahrhaftig nicht, konnten aber auch nicht das Alermindeſte entdeden. Den Säbel am Fauſtriemen hängend , die Karabiner und Piſtolen völlig zum Schießen bereit, ritten wir denn nun in den Wald, der meiſt

aus Fichtenbäumen und vielem fleinen Buſdwerk dazwiſchen beſtand, binein. Ein paar hundert Schritte mochten wir wohl ſchon ruhig fortgeritten ſein , als plößlich hinter einer diden Fichte her ein Schuß frachte, und Einer der Huſaren der

Spige ſogleich todt vom Pferde ſtürzte. In demſelben Augen blick war es von allen Seiten jegt im Holze lebendig , und hinter den Bäumen und Büſchen , wo ſie ganz platt auf der Erde gelegen hatten, ſo daß man ſie nicht ſehen konnte, ſpran : gen an 30-40 Bauern , alle in ihre blauen Blouſen ges 1

kleidet, in die Höhe , ſtürmten mit wildem Geſchrei auf uns

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los und feuerten ihre Flinten ab. Glüdliderweiſe waren dieſe Flinten aber fo ( dylechte Dinger oder die Bauern wußten * in ihrer Hiße ſo ungeſchidt damit umzugehen, daß außer dem erſten Schuß auch kein einziger uns mehr recht traf. Gin [ Pferd ward etwas am Falſe geſtreift, weiter hatte dieſe Salve nichts gemacht. Eine verflucht ſchlimme Geſchichte war dies

jedoch immer für uns , und wir mußten uns ſchon hart zus * ſammennehmen , wenn wir uns durchſchlagen wollten. Hier in dem dichten Wald war aber ein fernerer Kampf für uns pujaren nicht recht rathſam , denn die Bauern hätten ſich hins ter den Bäumen und Büſchen , wohin wir ihnen mit unſeren

Pferden nicht gut nachzufolgen vermochten , verſteden und uns ſo allmälig Alle niederſchießen können . Id mußte ſehen, daß es mir gelang , ſie auf das freie Feld , wo wir ihnen ichon beſſer etwas anhaben konnten , hinaus zu loden . So

rief ich denn meinen Huſaren zu, wraſch zurück“ und in Eile wendeten wir unſere Pferde und jagten , was das Zeug halten wollte, wieder aus dem Walde herguß. Wie ich gehofft hatte, ſo geſchah es auch, der Gifer der Bauern uns niederzuſchießen war ſo groß, daß ein ganzer Kaufe derſelben nit wildem Ger

drei uns auch noch aus dem Walde nachlief. Nur Einige, die flüger oder langſamer zu Fuß ſein mochten, waren zurück geblieben.

„ Aha , Ihr Hundsfötter , jeßt habe ich Euch , wo .

: ich will ," dachte ich, da ich die Bauern uns ſo nachyſtürzen ſah, und als wir wohl einige hundert Schritte von dem Walde ſchon wieder entfernt waren , rief ich meinen Huſaren zu :

,, Kehrt, das wäre doch mir zu große Schande, wenn wir auf offenem Felde ſo vor ein paar lumpigen Bauern davon jagen follten . “ Und nun fehrten wir denn um , und wie der Blitz wieder auf die Bauern zugejagt, die gar nicht begreifen konn ten , daß das Ding ſich plöblich ſo gewendet haben ſollte.

Manche von ihnen ſchoſſen zwar ihre Flinten noch auf uns

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ab, und zwei von meinen Huſaren wurden dadurch , wenn auch glücklidyerweiſe nur leidt , verwundet, die Meiſten liefen

aber in wilder Fludyt davon , um ihren Wald , in dem fie ficher waren, wieder zu erreiden. Wie der Teufel hinter einer armen Seele, waren wir nun aber hinter ihnen drein , holten Viele svoch vor dem Walde ein , und wer uns vor die Klinge

fam, der brauchte für tüchtige Hiebe nicht zu ſorgen . Manche von den Bauern warfen vor Angſt auch ihre Flinten obne

Weiteres fort , und ſdymiſſen ſich ganz platt auf den Boden nieder, ſo daß wir ihnen im eiligen Vorbeijagen mit unſeren Säbeln nichts anhaben

fonnten .

So hatten wir denn, als

wir vor dem Walde wieder Halt machten , wohl an 10-14 Bauern , von denen die Hälfte, mehr oder minder ſchwer vers

wundet ſein mochte, gefangen genommen, während 4—5 Stüd todt auf dem Felde umberlagen . Jest bieß es aber wieder durch den Wald fommen , in dem die geflohenen Bauern nod verſteckt waren , denn ich wollte iid durch dieſe Kerle nidt

von dem eigentlichen Zweck meines Patrouille - Rittes abbrin:

gen laſſen . Ich dachyte, daß die gefangenen Bauern uns am Beſten als Schuß gegen die etwaigen Schüſſe ihrer Gefährten dienen konnten . Jd ließ nun allen dieſen Kerlen , und felbft den Verwundeten , die fich noch mit fortſchleppen konnten, die

Hände auf dem Rücken , mit den Fouragierſtricken binden, und ſo mußten fte an der Seite , wober die feindlichen Schüſſe

kommen founten, gehen , während wir didyt neben ihnen blies ben. Hätten die übrigen Bauern , als wir jegt durch den Wald zogen , nun wieder auf uns ſchießen wollen, fo hätten ſie eben

ſo leicht die Gefangenen wie uns treffen können . Sei es nun,, daß ſie dies nicht wagten , oder ohnedem noch in zu großer Furcht vor uns waren , ſie unterließen jeden ferneren Angriff nunmehr, und ſo famen wir denn auch glücklich durch den Wald und in das Städtchen, in dem die ruſſiſche Beſabung

141

1, lag,

an. Die Leiche von dem erſchoſſenen Huſaren , die wir nody im Walde gefunden , hatten wir übrigens mit in dies Städtchen gebracht, damit ſie dort ordentlich begraben werden

INIC

fönne. Wenn es auch im Felde natürlich nicht iminer angeht,

und mander braver Kerl ohne Weiteres wie ein todter Hund

1,

eingepurrt werden muß, ſo ſudit man einem gefallenen Kame raden dod ) ſtets gern die leßte Ehre zu erweiſen, und begräbt ihn

et

ordentlidy, wie es ſich gehört, wenn es nur irgendwie die Ums Bei den Ruſjen nun angekommen ,

ſtände erlauben wollen .

lieferten wir unſere gefangenen Bauern dem Oberanführer ders ſelben ab, und was der mit ihnen gemacht hat, weiß ich Euch nid )t zu ſagen. Es hieß eigentlich, daß alle Bauern, die mit den

i10 men

Waffen in der Hand gefangen genommen wurden, ohne Weiteres erſchoſſen werden ſollten , doch ward dies nicht ausgeführt, und wäre auch wohl nicht immer gegangen. Bei dem Rüd

1677

11

marſch zu unſerem Corps batten wir übrigens aud) noch ruſs fiſche Infanteriſten bei uns , und als wir wieder durch den

Wald mußten , ſudytent die denſelben zuvor gehörig ab , was fie zu Fuß aud viel beſſer fonnten , als wir mit unſeren Pferden . Es war aber von den Franzoſen nid)ts mehr zu

0

hören und zu ſehen , und ohne weiteres Zuſammentreffen mit

I'.

denſelben famen wir wieder bei unſerer Sdwadron an.

Die

beiden verwundeten Huſaren von uns hatten übrigens jo wenig abbekommen , daß ſie ſdon nad, einigen Tagen wieder völlig ihren Dienſt bei der Sdywadron thun fonnten . Nur

den Chako fonnte Einer längere Zeit noch nicht wieder anf ſeben , da er den Streifiduß am Kopfe erhalten hatte. Na, 02

er wußte ſich aber zu helfen , und trug ſtatt des Chakos ſo eine langzipflige bunte geſtrickte Nachtmüße, wie ſie die Bauern in der Gegend zu haben pflegen. Was das denn pupluſtig ausſah , fönnt Ihr wohl denken , und unſere Huſaren haben viel drüber geladyt, und ihren Spaß damit gehabt. Johann

-

142

Nachtmüße " nannten ſie mit Onfelnamen den øuſaren , der fidy dieſe Nachtmüße aufgeſegt hatte , obſchon der wahrhaftig, gar keine Nachtmüße, ſondern ein recht ſchneidiger Kerl war. Der fonnte aber Spaß verſtehen und lachte ſelbſt am Meiſten mit und pflegte zu ſagen : „Iſt es nicht beſſer, daß ich mit einer Nachtmäße meinen Dienſt thue, als gar keinen und nur faul herumlungere,“ und damit hatte er ganz recht. Mit dem propreren und ordentlichen Ausſehen , wie es ſich ſonſt für preußiſche Soldaten gehört , konnten wir es überhaupt jeßt nicht ſo genau mehr nehmen.. Bei dem ſtändigen Herum marſchiren und dem vielen Bivouafiren in Sdnee und Regen und Dreck waren wir ganz erſchrecklich abgeriſſen und zerlumpt 1

geworden, und da es an ordentlichen Uniformen und Mänteln

fehlte, ſo mußte Jeder am Ende anziehen, was ihm gerade in

die Hände fiel. So wurden wir denn zulegt ſehr ſchmierig i und buntidyedig, und glichen in dem äußeren Anſehen faſt mehr einem wüften zuſammengelaufenen Freicorps, wie einem

ordentlichen preußiſchen Huſaren-Regiment, was doch ſonſt, wie i es fich gehört, auf ein propres Ausſehen viel zu halten pflegt. Als die da vom Bülow'ſchen Corps, die in Holland geweſen waren , und dort die Franzoſen herausgejagt hatten , bei Soiſſons zu uns ſtießen, da machten ſie zuerſt gewaltige Augen, wie ſie uns ſo in dieſer Abgeriffenheit und Mitgenommen heit zu ſehen bekamen. Freilich ſaben ſie auch ganz anders aus wie wir, und es war ein großer Unterſchied darin. Das war aber keine Kunſt, denn der Feldzug in Holland war im Gans zen nicht allzubeſchwerlich geweſen , und an guten Quartieren und reichlicher Verpflegung batte es in dem fetten Lande, deſſen Bewohner ſich ſehr freuten, daß unſere Soldaten ihnen die Franzoſen wegiagen halfen, auch nicht gefehlt. Ordentlich maftige Bäuche und dide Baden hatten ſich welche von uns

ſeren Jungen da angefreſſen , und die Pferde ſahen ſo wohls

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gefüttert aus, daß man ſie hätte alle Tage vor eine Staatss

kutſche ſpannen können. Dazu hatte man häufig Magazine von : Tuch und Sduhzeug in Holland erbeutet, und ſo hatte man auch die Montirungen ſtets in ordentlichem Zuſtande erhalten föns nen. Na , als wir dieſe vom Bülow'ſchen Corps , worunter aud ſehr viele brave Regimenter waren , erſt ſo ein paar

Wochen bei uns in dem faſt aufgefreſſenen Frankreich und bei dem beſtändigen Bivouafiren hatten, ſo verídywand dies ſtatts

liche Ausſehen auch bald und ſie wurden ebenſo wie wir. Das ſchadete auch nicht viel, denn das Herz hatten wir doch Ade, ob wir nun Bülow'ſche oder Yorf'ſche waren, auf dem rechten Fled, und darauf fommt in einem Kriege am Ende doch das

Meiſte an, obſchon das Andere auch nicht ganz zu vers

I

achten iſt. A

Daß übrigens bei unſeren vielen Entbehrungen und Stra paßen auch das Land, in dem wir uns befanden , nicht wenig eiden mußte, war nicht zu verhindern. Hatten doch die Frans zoſen ſo viele Jahre hindurd, bei uns in Deutſchland oft arg genug gehauſt und ſo fonnten ſie denn am Ende auch mal

in ihrem eigenen Lande verſpüren , was ein Krieg alles für

Unheil anſtiftete. Zwar war bei uns das Plündern ſehr ftrenge verboten worden , und wenn eigentliche Plünderer und Marodeure ertappt wurden, fonnten ſie auf eine harte Strafe ſicher rechnen. Bei dem beſtändigen Bivouafiren und Requi : , riren von Lebensmitteln , denn an ordentlichen Magazinen

und regelmäßiger Zufuhr mangelte es uns faſt gänzlich, waren aber Unordnungen nicht ganz zu verhüten, und da mag denn von den Soldaten audy wohl manche Sache mitgenommen

worden ſein , die gerade nicht zu den Lebensmitteln gehörte. Unredyt bleibt ſo etwas aber immer, und ein redyt braver Solo dat , der Ehre im Leibe hat, wird ſich mit dem eigentlichen

Plündern nicht abgeben. Daß er Lebensmittel nimmt, wo er

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ſolche finden kann , wenn er ſelbſt nid ) ts zu eſſen und zu trin

fen hat , iſt eine andere Sadie , die man ihm natürlich nicht Was den Franzoſen übrigens auch vielen

verargen kann.

Schaden that , war , daß es uns oft an Holz für unſere Bi.

vouaffeuer fehlte.

So in einer kalten Winternacht ohne ein

gehöriges Feuer, an dem man ſich trocknen und wärmen kann,

ſtets zu bivouafiren, würde aber kein Menſch auf die Länge aushalten fönnen , und ſo muß der Soldat fich denn Holz zu verſchaffen ſuden , wo er ſolches gerade finden kann. Man

des franzöſiſche Haus ward denn auf dieſe Weiſe niederges riſſen und ani Bivouaffeuer verbrannt , und wenn ſo eine

Brigade bei einem Dorfe eine Nacht über bivouafirt hatte, war am anderen Morgen oft verflucht wenig von dem ganzen

Dorfe noch zu ſehen. Na, die Franzoſen haben ſeitdem ſchon Zeit wieder genug gehabt, ſich ihre Dörfer wieder aufzubauen, und ihre eigene Schuld war es, daß ſie jeßt auch einmal ers fahren mußten , was ſo ein tüchtiger Krieg zu bedeuten babe. Bei dieſem Bivouafiren im Freien wäre ſogar einmal

faſt die Scheune, in der unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz ſein Nachtlager genommen hatte, mit aufgebrannt wor den. Von einem ſchleſiſchen Infanterie-Regiment, irre ich nicht, ſo war es das zweite, war an den Tage die Stabswache ges geben worden, und obidon die braven Burſchen in der faften Nacht Gottsjämmerlich frieren mußten, hatte doch seiner von

ihnen es gewagt , die große Scheune , in der unſer Herr Feldmarſchau Excellenz ſich mit ſeinen Adjutanten zum Schla fen niedergelegt, nur im Mindeſten anzurühren. Um ja den Alten nicht in ſeiner Rub zu ſtören, hatten ſie ihr kleines Bi

vouaffeuer ſogar möglid)ſt weit von dieſer Scheune angezündet, obſchon dieſelbe ſonſt ihnen Schuß vor dem falten Wind, der die Nacht wehte, mit abgegeben hätte. Nicht ſo blöde waren aber ſo ein paar Federfudiſer von dem Proviantamte geweſen.

Solche Sterle, obſchon fie nichts wie ſchreiben thuen, denten

immer, daß fie es gerade am Beſten haben müſſen , und wo es was zu nehmen giebt , ſind ſie immer verflucht flink bei

der Hand. So hatten ſie denn auch in dieſer Nacht wieder

ganz dicht an der Scheune ein möglich warmes Pläßchen zu bereiten verſucht, und da es ſolchen Freſſern nie an Lebenss mitteln zu fehlen pflegt, wenn auch das ganze übrige Beer þunger leiden ſollte, ſo machten ſte ſich ein allmächtiges Feuer an, um ſich ihre Sachen zu fochen oder zu braten . Dabei hatten ſie denn nicht gehörig aufgepaßt, oder waren auch vielleicht eingejdilafen, weil ſie zu vielen Wein geſoffen haben mochten , denn am Morgen fing die Scheune , in der unſer Herr Feldmarſchall Excellenz lag , plößlich zu brennen an. Was das denn für ein drecken für die Stabswache, die auch eigentlich hätte beſſer aufpaſſen ſollen , war , fönnt Ihr

wohl denken , Kinderfens. Zwar ſprangen Alle nun raſch hinzu, und ſo glückte es , den Brand bald wieder zu löſchen,

aber von all dem Gelärme dabei war doch unſer Alte aufges wacht, und trat nun in feinen alten grauen Mantel gehüllt, ganz böſe auf den Hof. Unſern Alten aber recht zornig zu ſehen, davor hatten alle Officiere wie Soldaten die größte Furcht, und es war ſo leicht Keiner , der nicht licber in das heftigſte Stardätſden - Feuer hineingegangen wäre, als ſich ihm dann gegenüber zu ſtellen .

„Oho , Jhr verfluchten Sadermenter, was iſt denn das für eine Ordnung hier, mir meine Scheune faſt über dem Kopfe anzuſteden ," ſo fuhr er mit ſeiner tiefen Baßſtimme 11

die Soldaten an.

Excellenz , das haben wir nicht gethan , ſondern Die da , " antworteten aber Einige von den Kerlen, die beſonders dreift waren , und dabei wieſen ſie auf die Proviantſchreiber hin , die wie die armen Sünder in einer Ede ſtanden, und III .

10

148

gar zu gern in die Erde gefrochen wären, wenn fte dies nur gefonnt. Als der Alte dieſe Kerle mun gar ſo fläglich das fteben und die Augen verdrehen und einen Diener nach dem anderen machen ſah , da verging ihm der Zoon ſchnell wieder , wie es immer ſo der Fall bei ihm war , und das Lachen fam ihm näher. „Mas , die infamen Mehlwürmer

( ſo hieß er die beim Proviantamt oft) haben das gethau, das iſt dody zu unverſchämt. Jungens., tacht mir die Kerle mal ordentlich aus," und damit fing er ſelbſt an gehörig zu lachen . Na, daß ſich dies unſere Soldaten nicht zweimal fagen ließen , und die Mehlwürmer nach Leibeskräften auslachten, könnt Ihr I

Euch wohl ſelbſt denken . Die Sterle haben ſich nie wieder gern bei den Soldaten von dieſem ſchleftfchen Infanterie - Res giment ſehen laſſen , denn ſo oft die Schleſter fie nur aus der Ferne ſchon erblicten , hat es immer geheißen : ,, Lacht mir

die Mehlwürmer mal aus ," und in tautes Geládyter find denn Alle ausgebrochen . 3a , unſer Alte, der fonnte oft gar luftig ſein und manches folch Stücklein ließe ſich noch von ihm erzählen. „ Spaß, muß ſein auf der Welt," pflegte er

oft, beſonders in ſeinen jüngern Jahren noch, zu ſagen.

Achtes Kapitel .

Gine ordentliche Schlacht, wo e $ ſehr heiß zuging und viele Leute zuſammengeſchoſſen oder gehauen wurden , hatten wir noch am 9. und 10. März bei Laon," nahm der alte .

Erdmann wieder das Wort. „ Beſonders auch der nun auch

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ſchon hochſelige Prinz Wilhelm fönigliche Hoheit zeichnete ſich hier wieder in ſehr hohem Grade aus und erwarb großen

Kriegsruhm . Ein ſehr ſchlechtes Wetter war es auch an dem Tage wieder , und wer nicht bei der Arbeit im Gefechte ſein mußte , wo man natürlich an fein Frieren denken fann , der .

1

konnte ſchon ſpüren , was ein Froſt zu bedeuten habe. Dabei waren die Wege ſo glatt , daß man kaum mit den Pferden darauf fortfommen konnte, und in der Nacht mußten alle unſere Feldſchmiede noch gehörig arbeiten, um all’ die Pferde nur nothdürftig noch zu ſchärfen. Als es denn endlich Tag wurde , denn von Schlaf war bei uns þuſaren in der Nacht keine Rede, da wir viel mit unſern Pferden zu ſchaffen hatten ,

de um ſie ſo gut es gehen wollte, für die Strapagen der Schlacht

berauszufüttern , war ein ſo dichter Nebel , daß man nicht hundert Sdritte weit ſehen konnte. Viele Confuſion entſtand

dadurch anfänglich , denn die Regimenter rückteu oft auf ein . ander und konnten den ihnen in der Schlachtlinie angewiefer nen Plaß nicht recht finden , und von den Adjutanten , die immer hin- und herjagen mußten , und auch oft den Weg

nicht zu finden vermochten und ſich verbieſterten , fonnte man auch gerade mehr Fludien als alles Andere hören. Na, ends lich kam denn doch Alles ſo in die rechte Ordnung wie es fich gehörte. Wir waren mit dem zweiten Leibhuſaren - Regia , ment zuſammen aufgeſtellt und hatten unſere große Freude darüber, denn beſſere Kameraden hätten wir auf der Welt nicht finden fönnen. Nicht weit von uns ftanden die medlens

burgiſchen Buſaren aufmarſchirt, und daß man fich auf die feſt verlaſſen konnte , wenn Noth an den Mann kam, wußten wir audy con vorher.

An dem erſten Sdlachttage ſelbſt fam auf unſerm Flügel, Me

wo wir aufgeſtellt waren , nicht allzu viel vor , obſchon doch theilweiſe mit Ranonen tüchtig losgedonnert wurde, deſto mehr 10 *

148

aber in der Nacht. Unter des Prinzen Wilhelm fönigliche Hoheit, der immer mitten im heftigſten Feuer war, als ob das Leben eines Prinzen von unſerm föniglichen Hauſe nicht mehr gelten müßte, als das eines gewöhnlichen Soldaten , machten wir da mit unſerer geſammten Reiterei einen Angriff, den die Franzoſen noch lange nicht vergeſſen haben müſſen . Strengs donnerwetter , mas hieben wir da drein , ich habe noch meine Freude darüber , wenn ich daran zurückdenke. Da war auch beſonders der Herr General von Ziethen wieder, der hieb mit

ſeiner Reiterei ein , daß der alte ſelige Ziethen hoch oben im Himmel noch ſeine Freude drüber haben mußte , wenn er ges hört , daß ſich wieder Einer ſeines Namens in dieſem Striege für König und Vaterland ſo ſehr auszeichnete. Wenn auch die Franzoſen mit ihrer Artillerie noch ſo viel zwiſden uns fardätídyten und mancher brave Sterl von uns aus dem Sattel

mußte, es half Alles nichts , vorwärts und immer vorwärts ging es in Nacht und Nebel , und die franzöſiſchen Kanonen

ftelen ſammt ihrer Beſpannung bald in unſere Hände. An die 46 feindliche Kanonen haben wir in dieſer Nadyt allein

erobert , und das iſt doch ſchon eine ordentliche Portion , die 1

ſich ſehen laſſen fann . Lange dauerte es , bis die Franzoſen 1

erſt wieder zum Stehen gebracht werden konnten , und wenn unſere Pferde am Ende nur nicht gar zu müde geworden

wären und wir uns auch nicht zu weit von unſerm Haupts corps entfernen wollten , ſo hätten wir ſie noch viel weiter verfolgen können. Na, für die Nacht war es denn ſdon ge nuz, es mußte für den anderen Tag auch noch was zu thuen übrig bleiben.

Was übrigen8 bei dieſem nädytlichen Gefedite allen Trups pen, die dabei theilnahmen , und audy einige ruſſtiche Reiterei

befand ſich dazwiſchen, große Ehre machte, war die Ordnung, die dabei herrſchte. Sonſt geht bei ſolchen nächtlichen Ueber

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fällen alles oft bunt durcheinander, die Reihen bleiben nicht geſchloſſen und ſelbſt die verſchiedenen Regimenter werden oft ſo durcheinander mengelirt, daß man die einzelnen Soldaten

faum herausfinden kann . Das war aber diesmal gar nicht der Fall, denn regelmäßig, wie es fich gehört, ward nach dem Schall der Trommeln und Trompeten ávancirt und auch die Verbindung zwiſchen den einzelnen Corps blieb in beſter Ords nung. Ia der Prinz Wilhelm fönigliche Hoheit, der verſtand ſeine Sache ſchon aus dem Grunde und gab einen guten Ges neral ab , das hatte er auch wieder bei dieſem nächtliden

Ueberfall ſo recht bewieſen . Uebrigens hatten wir bei dem nädytlichen Gefecht im Verhältniß nur geringen Verluſt ges

habt , wie es gewöhnlich immer dem Sieger bei ſolchen Ges

legenheiten zu ergehen pflegt.

Gerade bei dem Retiriren

geben ſtets die meiſten Leute verloren , das iſt eine alte Er

fahrung und alle guten Truppen ſollten ſich daher doppelt vor dein Retiriren hüten.

Am anderen Morgen ging die Schlacht denn nun von Neuem an , denn ſo ein Mann als der Bonaparte, der gab fich nidyt ſo leicht verloren , wie der verlaufene Pole Myrogs

lawsky, der hier im Badiſchen gegen uns kommandiren wollte, und ſeine Soldaten , die verſtanden das Fechten audy beſſer als die badiſchen Bürgerwehren .

So ward denn noch am

10. März wieder friſch auf einander losgeklopft und beſonders auch die Ruſſen famen noch ordentlich in's Feuer , bis denn endlich die Franzoſen es für rathſam fanden ,1 ſich zurückzuzies hen. Um ſie ſo recht lebhaft zu verfolgen , waren wir von al' der Fechterei größtentheils noch zu ermüdet, und ſo blieb denn der größte Theil von unſerem Corps vorläufig in der Gegend von Laon noch ſtehen.

Es ſollte dies zur

Erholung ſein, wie geſagt wurde , aber weiß der Kuckuck, zu erholen gab es ſich in dem ganz ausgefreſſenen und verwü

-

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ſteten Landſtrich wahrhaftig nicht viel , außer daß Pferde und I

Menſden ein Bischen Rub' wieder befamen , was ſie auch wohl braudien founten . Wir wären im Ganzen gleich lieber

auf Paris log marjdirt , von dem wir nun ja nicht mehr ſo weit ab waren , denn je eher wir dahin kamen und ſo den Krieg ausmachten, deſto beffer dünfte uns dies zu ſein . Wir

!

mußten aber noch ein Bischen Geduld haben und uns nody eglicemal gehörig mit den Franzoſen herumbeißen , bis wir unſeren Einmarſch in Paris halten fonnten.

Eine ganz verfluchte Geſchichte war es auch , daß uns : ſeit Laon unſer Alte ganz frank wurde , ſo daß er nicht mehr zu Pferde ſteigen und ſelbſt fommandiren konnte , wie er es

bisher, wenn es recht was galt, ſtets zu thun pflegte. Wenn man aber bedenft, was unſer Herr Feldmarſchall Grcellenz :

dazumals ſchon für ein ſo hohes Alter hatte , lo fann man fich gar nicht genug verwundern, daß er all' die vielen Strasbo paßen der beiden Jahre ſchon bisher noch ſo rüſtig überſtehen konnte . Was hat ſo ein hoher Obergeneral dazu nicht Alles im Kopfe zu nehmen. Denn bei dem iſt es nicht wie bei uns ſereins, der ſich auf beiden Ohren binlegen und ruhig ſchlas fen kann , wenn er den ihm befohlenen Dienſt nadz beſten Kräften ausgeführt hat , ſondern der muß dann , wenn Alles & .

4

ruhig iſt, erſt in ſeinen Gedanken all die Pläne machen , wie er dem Feind am Meiſten ſchaden fann , und was es nicht

ſonſt Alles noch dabei zu bedenken giebt. Ja , wahrhaftig fo ein General der iſt in der Hinſicht viel idledter dran , wie ein Corporal , das könnt Ihr glauben und eine ganz andere Verantwortlich feit muß er auch tragen . Unſer Alte der harte aber bisher immer noch einen Körper wie vor Stahl und 1

Eiſen gehabt und fein Geift der war fo feurig und ungeſtium

geweſen , daß er ihm zum Kraufwerdenſchlechten gar keine Zeit ließ. bei Laon, wo Hier aber

er ſich in dem

Wetter vohl

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etwas verfältet haben mochte, friegte es ihn endlich auch dran. Beſonders auf ſeine Augen , mit denen er bisher ſo vieles geſeben , hatte fich die Krankheit geworfen und dieſelben was ren ganz roth und entzündet , ſo daß er zur Schonung ders felben ſtets einen grünen Lichtſchirm tragen ſollte. Da nun ſo ein grüner Lichtſchirm nicht gleich zu haben war , ſo hatte unſer Alte , der ſich immer ſtets zu belfen wußte , ſtatt deſſen einen alten grünen Frauenzimmerhut , mit langem Schleier davor , der weiß Gott was für einer alten Madame gehört haben modyte , auf den Kopf gelegt. Das fab nun eigent

lich ganz kurios aus , und bei jedem Anderen wie gerade bei unſerem Alten , hätte man darüber lachen müſſen. Jo weiß

noch , daß ich mal eine Meldung an Ginen der Herren Adju tauten unſeres Herrn Feldmarſchalls von Blücher Excellenz, der in dem Vorzimmer deſſelben am Sdyreibtiſche ſaß , zu ma chen hatte. Der Alte mochte wohl meine Stimme erfannt haben , da nur eine dünne Thür dazwiſchen war , und rief laut : „ Wenn es, wie ich glaube, der Unterofficier Frige Erds 1

mann iſt , ſo ſoll er mal herein zu mir fominen . “ Wie ich denn nu in das Zimmer , was auch nur eine kleine ſchlechte

Stube war , hereinfomme und meine Salutirung mache, wie es fich gehört, fißt unſer Alte eben mit vffenen Hoſen auf einem Nachtſtuhl, und will mit Erlaubniß zu ſagen , ſeine Nothdurft verrichten , was ihm in ſeinen alten Tagen immer viele Mühe madyte. Auf dem Kopfe hatte er den alten grüs nen Frauenzimmerhut auf , ſo daß man von ſeinem Geſichte

faſt gar nichts ſehen konnte, und ſonſt einen langen grauen Oberrod von dickem groben Tuch an. Seine lange weiße Thonpfeife hielt er im Munde und ſchmauchte luſtig drauf los. „ Na, guten Morgen , Friße Erdmann , freue mir , daß id Dir auch mal wieder zu Geſichte bekommen thué,“ redete er mich aut. Du fannſt au bei dieſer Gelegenheit mal ſehen,

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wie ein Feldmarſchall ſch ...... will, aber das nicht gleich fertig zu bringen vermag. Schade, daß man das nicht von Jemand anders für fich verrichten laſſen kann. Wie ſieht es denn bei Euch draußen im Regimente aus , ſind die Kerle noch immer friſch bei Courage und die Pferde gut auf den Knochen ?“ „ Zu Befehl Ew . Excellenz," antwortete ich ihm. „ Mit der Courage geht es noch immer ganz gut , denn die wird ein ordentlicher föniglich preußiſcher Fuſar nicht ſo leicht verlieren , aber unſere Pferde ſind idyon ſehr abgeradert und auch mit der propren Montirung ſieht es ſchon verflucht Idlecht aus. Die Rerle ſagen oft, nachgerade würde es auch bald Zeit, daß ſie nach Paris fämen . " „ Oho, man nicht ſo hißig," ſagte der Alte, „ die werden

auch wohl ſchon warten gelernt haben, bis die Zeit dazu ges kommen iſt. Sag', daß ich ihnen beſonders ſagen ließe, man ja auf die Pferde gut zu paſſen , denn ohne tüchtige Pferde find die Huſaren den Teufel nichts nuß. Nach Paris werden wir auch ſchon fommen , darauf fönnt Ihr einen Fluch thuen, oder es müßte Alles vom Oberſten bis Unterſten umgefehrt

werden , wenn dem nicht ſo ſein ſollte. Der Bonapacte ents wiſcht uns doch nicht, wir faffen ihn noc , daß er am Leben verzagen ſoll. Ja , Friße Erdmann , Du ſiehſt mich auch ſo mit großen Augen an und denkſt, ſo ſollte ein alter puſa:

ren - General auch nicht ausſehen ," ſagte er drauf plößlich, 1

als er wohl gemerkt haben mochte , daß ich ihn ſehr verwuns dert anſah. „ Wenn man alt wird , dann kommen oft vers flucht ſchlimme Tage, das kannſt Du glauben , und ſo wie in

Münſter, wo ich Dir zum Erſtenmal als Ordonnanz hatte, will es jeßt nicht mehr mit mir vorwärts gehen . Aber wenn Du auch ſtehſt, daß ich jeßt einen Weiberhut , von wegen

meiner franken Augen , auf dem Kopfe habe, ſo brauchſt Du

soch deswegen nicht zu glauben , daß ich auch ſonſt ſchon ein

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altes Weib geworden bin. Nun, ſo weit iſt es denn doch mit mir noch nicht gekommen , obſchon es mir ſonſt jeßt ſchlimm genug geht ."

„O das wiſſen wir Alle , daß Ew. Excellenz wahrhaftig fein altes Weib geworden ſind," antwortete ich. „ Ew . Er:

cellenz ſind und bleiben unſer Feldmarſcal Vorwärts , unter deſſen Befehl zu ſtehen jeder preußiſche Soldat ftch zur höch ften Ehre rechnen wird, obſchon Sie jeßt ſo einen alten grünen gut mit Schmudlappen davor auf dem Kopfe haben . Wer den Ew. Excellenz man bald wieder geſund, dann findet ſich alles Uebrige ſchon von ſelbſt wieder und die Franzoſen frie gen noch öfters die beſten Sdmiere von der Welt. “ „ Ja , ihr Huſaren feid brave Rerle , " meinte nun nod der Alte. „ Grüße mir man alle im Regimente vielmals und

ſage ihnen, ſte ſollten nur nicht verdrießlich werden, wir wür den zuſammen doch noch nach Paris kommen und dort recht luſtig ſein. Na, guten Morgen denn, Friße Erdmann. Ich verſpüre ſchon, daß die Sch ...... endlich losgehen wird, und id) will Dir auch ſonſt nicht länger aufhalten. Grüße noch mals alle Huſaren ," und damit war ich entlaſſen .

Was fich denn beim Regimente Alle freuten , wie ich ihnen erzählte , daß ich unſern Alten ſchon wieder ſo ganz

munter angetroffen hätte und er ſte grüßen ließe , brauche ich Euch wohl nicht zu ſagen. Viel hundertmal wohl mußte ich

jedes Wort , was er geſagt hatte , und wie er denn ausſehe, unſern Soldaten und ſelbſt den Herrn Officieren von anderen Regimentern erzählen , denn von unſerm Alten wollte Jeder: mann Alles gern ſo genau wie möglich wiſſen. Mehrere ſehr heftige Gefechte mit der franzöſiſchen Reiterei beſtand um dieſe Zeit herum auch der Herr Generalmajor von Stapler, der die

Avantgarde von unſerem Yorck'ſchen Corps befehligte. Er hatte aber auch brave Truppen unter fich, mit denen er ſchon

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einen tüchtigen Schlag wagen fonnte. So machte derfelbe mal mit unſerem zweiten Leib -Huſaren -Regiment einen Angriff auf 7 Schwadronen franzöſiſcher Dragoner , wie er gar nicht hätte beſſer ſein fönnen. Wie das Donnerwetter fuhren uns ſere Sdwarzen auf die Franzoſen los , und wenn dieſe fich auch mit der größten Standhaftigkeit wehrten , und eigentlich viel beſſer fochten , wie man bätte glauben ſollen, wenn man ſie auf ihren abgejagten Sdindinähren , die faum das liebe

Leben hatten, herumzotteln ſah , ſo mußten ſie am Ende nun doch zurück, ſte mochten wollen oder nicht. An die 150-150 Gefangene, von denen Viele ſchon ſtark verwundet waren, is brachten unſere Huſaren aus dem Gefedyt mit zurüc , hatten aber auch felbft nicht ganz geringen Verluſt dabei erlitten.

Als dieſe Gefangenen ſo bei uns vorbeigeführt wurden, fam mir das Geſicht eines alten Brigadiers , wie die Franzoſen ihre Wachtmeiſter nennen , ſehr befannt vor.. Der Mann fab 2

aus, wie ſo ein recht herzhafter Soldat, und daß er ſich nicht ſo leicht gegeben hatte, zeigte eine große Kopfwunde, aus der das Blut unter dem alten Feßen, den man leicht darüber ges bunden , in diden Tropfen hervordrang. Ich fann und fann

hin und her , wo ich dieſen Dragoner wohl ſchon geſehen haben mochte, bis es mir endlich einfiel, daß es bei einer Ger legenheit in Rußland geweſen ſein müſſe. Wir ſtanden ja

damals, wie ich Euch ſchon früher mal erzählt hatte, mit den Franzoſen zuſammen , und obſchon wir im Ganzen nicht mehr als unumgänglich nöthig war , mit einander verkehrten, ſo gab es doch der Zufall, daß man hie und da mit Eflichen

von ihnen näher befannt wurde. Nun hatten ſich einſt, als eß noch anfänglich in Rußland ſehr heiß wurde , einige Gus faren von uns im Niemen gebadet , und einer von ihnen

war wohl von der Strömung gepadt, und ſo mit fortgeriſſen worden. Von ſeinen Kameraden , die bei ihm waren, konnte

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feiner ſo gut ſchwimmen, um den Ertrinfenden in dem tiefen und reißenden Strom retten zu können, und obſchon Alle ein : heftiges Geſchrei um Hülfe ausſtießen ,1 ſo hatte es doch ge føtenen , als wenn der Fortgeriſſene obne Gnade erſaufen inaſie.

Zufällig iſt aber ein franzöſiſcher Armeegensdarm ,

was lauter gediente, tüchtige Soldaten waren , daber geritten gekommen , und wie der den Ertrinkenden ſieht, ſpringt er ſo gleich vom Gaule berab , und ſo ohne fid) nur weiter Zeit

zu laſſen, ſeine hohen Steifftiefel auszuziehen, in das Waſſer

- hinein und ihm nach. Nur mit äußerſter Anſtrengung und felbft der größten Lebensgefahr gelang es nun dieſem braven Censdarmen unſeren Huſaren zu retten . Gerade fam ich dars

åber zu , wie er ſolchen , der bereits ſeine Beſinnung gänzlich

verloren hatte , an das Ufer ſchleppte, wobei er ſelbſt auch ſo erſchöpft war , daß er ſich kaum auf den Füßen noch halten konnte. Na, daß wir Huſaren deun Alles thaten , um dieſen Retter von unſerem Kameraden auf alle Art zu ehren, iſt natürlich. Er war ein geborener Elſaſſer , da drüben über dem Rhein , wo die Leute ja noch ſo balbwegs von alten Zeiten ber Deutſd verſteben können, und To ſprachen wir denn noch an dem Abend , wo wir ihn zu uns eingeladen hatten , nod längere Zeit recht vergnüglich mit einander. Dieſen Mann glaubte ich nun in dem gefangenen franzöſiſchen Bri gadier wieder zu erkennen, und ridytig er war es auch, und erinnerte ſich der Geſchichte noch ganz gut, als id, ihn darauf anredete. Ich erzählte nun den ganzen Vorfall unſerem Herrn Nittmeiſter, und der ritt ſogleich zu dem Herrn General von Haßler bin , um ihm folchen mitzutheilen. Der Herr General befahl nun , daß der Franzoſe ſogleich in ein preußiſches La zareth gebracht, dort nach beſten Kräften geheilt, und dann ohne Weiteres wieder in Freiheit geſeßt und mit einem Paß berſehen werden ſolle. „So ein Mann , der Fid, uin die Lebens. 1

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rettung eines preußiſchen Soldaten verdient gemacht habe

dürfe nicht als Gefangener in unſeren Händen bleiben , " ba er noch geſagt. Auf dieſe Weiſe erhielt der Franzoſe mun nody ſeinen verdienten Lohn für ſeine damalige edle That,

und wir freuten uns Alle , daß ich zufällig ihn geſehen , und ihm ſo dazu verhelfen konnte. Wie die vielen Drte nun no di 1

alle heißen mögen , bei denen wir fleine Gefechte hatten, bis

wir endlich voc Paris ankamen , habe ich ſchon wieder ver geſſen . Es war ſo häufig Gelegenheit da, fid mit den Feins den berumzubauen, daß man unmöglich alle die Namen bes

halten konnte , wo dies geſchah. Auch geben die Franzoſen ihren Städten und Dörfern nicht ſo vernünftige, regelrechte Namen , wie z. B. Neuſtadt , oder ſo in der Art, wie es bei

uns geſchieht, die Jedermann leicht ausſprechen und auch im Kopfe merken fann, ſondern haben ſolche confuſe Wörter das

für, daß man ſich die Zunge faſt abbrechen müßte, wollte man

ſie ſtets ſo ſagen , wie es ſich eigentlich gehört.

Nu , wir

fümmerten uns dazumals nicht allzuviel darum , ob wir den

Franzoſen die Namen richtig ſagten oder nicht, die Kerle mußten ſchon aufpaſſen , daß ſie uns verſtehen fonnten ; das

war ihre Sache jeßt.

Hatten fie es doch früher bei uns in

Deutſchland auch nicht beſſer gemacht.

Auf einige Tage kam ich nun auch um dieſe Zeit wieder von unſerem Regimente ab , da ich mit zu der Eskorte ges hörte, die unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz einem Officier, den er in das Hauptquartier der großen Armee, unter dem Herrn Fürſten von Schwarzenberg Durchlaucht, ſchickte, mitgegeben hatte. So ohne eine ſtarke Eskorte fonnte man aber dazumals feinen Adjutanten nur auf eine Meile weit allein fortſchicken, denn überall lagen Kerle im Hinterhalt, 1

die auf ihn lauerten .

Manden braven Officier haben ſie

uns auf dieſe Weiſe heimlich todtgeſchoſſen ', ſo daß man oft

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längere Zeit nicht wußte, wo derſelbe denn eigentlich geblieben ſei. Na, unſere Patrouillen, die fingen den Franzoſen dafür aber auch wieder viele Rouriere und Adjutanten weg, ſo daß

der Bonaparte gar nicht wußte, wie er ſeinen einzelnen Genes rälen ſtets die nöthigen Befehle zukommen laſſen ſollte. Bes ſonders die Koſacken zeichneten ſid) gerade bei dieſen Patrouiſ len ſehr aus , und leiſteten ſo dem ganzen Heere nicht gerin gen Nußen , wie man anerkennen muß, wenn man wahr ſein 1

will. Wahre Teufelsferle ſind dies oft hierin , und wenn ſie

man gute Anführung haben, können ſie Sadjen ausführen , die ihnen andere Ravalleriſten nur dywer nachmachen werden . Bei der Eskorte, die unſer Herr Feldmarſchall Excellenz ſeinem

Adjutanten mitgab , waren an 15 - 20 Koſađen. Ich hab ' oft meinen Spaß mit den Kerlen gehabt , und Manches von ihnen gelernt , was für einen Fuſaren -Unterofficier redyt gut iſt, wenn er es weiß. Nur das verfluchte Stehlen und Maus

ſen fonnten ſie nicht laſſen, und wenn ſie Branntwein bekom : men konnten , ſo foffen ſie ſich ſo voll und dumm , daß fie wie die Viecher wurden , und dann gar nicht mehr zu gebrau den waren . Mochten ſie aud) deshalb noch ſo viel Prügel befommen , das half Alles nichts , denn man fann eher einer

Rabe das Mauſen , wie einem Kojaden das Stehlen und Saufen abgewöhnen. Daß es nicht auch mandie Ausnahmen unter ihnen giebt, will id) damit nicht geſagt haben, doch find dieſe, glaube id ), ſehr ſchwer zu finden. So hatten wir einen Rojacen bei uns , der ſchon ein ganz alter Kerl war, mit langem weißen Bart, welcher ihm bis weit auf die Bruſt herab

hing. Troj feines hohen Alters fonnte er aber Strapazen aushalten, daß man es faum hätte glauben ſollen. Was für Wetter war, das fümmerte ihn nidyt im Mindeſten und mitten r ? auf den härteſten in den tiefſten Sdnee und Dreck , oder Steinen ſchmiß er ſich hin , und ſchlief gleich ſo feſt ein, wie

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es Viele nicht in den weichften Betten vermögen. Und ſehen und hören konnte der Kerl , daß man ſein blaues Wunder daran baben mußte, und wenit Reiner von uns allen node

was vom Feinde verſpürte, ſo hatte er ihn doch gewiß fchon ausgeſd)nüffelt. Was das Pferd dieſes alten Koſaden , eins

Gelber war es, anbelangte, ſo hätte man kaum glauben ſollen.is daß es nur 10 Thaler werth ſei , wenn man es rubig ſtehen

ſah . Den Kopf hatte es dann zwiſchen die Füße hängenyan die langen Ohreu fielen ſdylaff berab, die Rippen fonnte man alle ganz bequem zählen , und die Süftknochen ſtanden for heraus , daß man immer glaubte , feinen Chafo daran auf

hängen zu können. Dazu hatte es einen ſo hohen Sattel Roi auf, daß man faum glauben ſollte , das kleine Beeſt fönne die ganze ſchwere Luft mit ſammt ſeinem Reiter, der ein ſehr

großer Kerl war, nicht tragen . Weiß der Teufel, was der Roland Wall Alles unter dieſen Sattel gepact batte , denn was ihm nur ang irgendwie in die Hände fiel, und ſo leicht ließ er nichts lies gen, mußte da ſeinen Blas finden. So hatte er unter Ans etyre

derem einen großen bunten Frauenzimmermantel , den er ſeis wete ner Frau nach Pauſe mitbringen wollte, und ein halb Dugend

geſtickte Kindernüßen , und ſeidene Strümpfe, und wer weiß, was ſonſt noch Alles , dort aufgepadt.

Und an der einen

der

Seite war ein großer Meſfingmörſer , den er irgendwo mito mi gehen heißen, und noch mehr ſo was in der Art ongebunden Wenn nun aber der Gaul auch ſo daſtand, als fönne er feis nen Fuß faſt mehr vor den anderen ſeben , ſo war er dode gar nicht müde zu kriegen , ſobald ſein Herr nur drauf fabu

dan

In einem zu fonnte er alsdann laufen , und wenn er dann

He

und wann einen tüchtigen Hieb mit dem Rantſchuh über die

ME

Rippen befam , ſo ließ er auf ein paar Stunden wieder nidst nach. So wie dieſer alte Koſack mit ſeinem Pferde aber

waren ſie faſt Alle, und ganz merkwürdige Menſchen ſind en

de

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das kann man nicht anders fagen. Obfchon ich nun ſonſt in ganz guter Kameradſchaft mit ihm lebte, und ſchon öfters von meinem Schnapp8 mit abgegeben hatte, ſtahl mir dieſer

alte Kojack doch eines Tags meine ſdyöne Tabackspfeife mit einem filberbeſchlagenen Meerſdjaumkopf: Zum Glück hatten

aber einige Huſaren von uns den Diebſtahl geſehen, und ſo ward der Thäter denn bald entdeckt, und die Pfeife fam wies der in meine Hände. So wie der Koſad denn nu ſab , daß man ihn als Dieb erfannt hatte, legte er ſich auch ſchon von ſelbſt auf die Erde bin und ſtredte den .... aus, um ſeine

Fiebe in Empfang zu nehmen. Der rufftſdhe Herr Lieutenant, der die Koſacken befchligte , ließ ihm denn auch ſogleich mit dem Kantſchuh einige zwanzig Stück Hiebe aufzählen , daß wir Huſaren wahrhaftig Alle glaubten , der H ... , müſſe dem Kerl plaken. Der aber mudite und rührte fich bei all den Schlägen weiter nicht viel, und wie er ſoldie aufgeladen hatte, ſchüttelte er ſich , wie es ein Pudel zu machen pflegt, wenn

er Schläge bekommen hat , füßte dem Herrn Lieutenant die Hand, bettelte bei mir um einen Schnappå, den ich ihm auchy

gab , rieb fidy dann die Stelle , wo die Sdläge hingefallen waren , ein paar Mal mit der Hand, und dann auf ſeinen Gelben berauf und fortgejagt, als wenn ihm gar nichts ge

deben wäre. Sind das Kerle, die beſten leichten Soldaten .

von der Welt wären es , wenn ſie nur mehr Ehre im Leibe

hätten. So was man bei uns Preußen nämlich fo Ehre nennt, denn ich glaube , fie haben bei den Koſaden viel andere Ger danken darüber, und das Stehlen und ſich prügeln laſſen , halten ſie nun einmal für feine Schande: Gott ſei Dank ift eß bei uns preußiſden Soldaten dod, ganz anders hierin ! Während wir nun ſelbſt einem Adjutanten zur Eskorte dienten, batten wir nod) das Glück , einen franzöſtidyen Df ficier, der mit Briefſchaften , die von großer Wichtigkeit ſein 1

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follten , zum Bonaparte geſchickt war , gefangen zu nehmen. Gerade die Schlaubeit der Roſacen half uns mit am Meiſten hierbei , denn ſie hatten dieſen Courier , der einige zwanzig franzöſiſche Reiter zur Eskorte hatte, zuerſt ausgefundſchaftet. Wir ſtellten uns nun hinter einem Hauſe auf , ſo daß die

Franzoſen uns nicht aus der Ferne ſehen konnten. Na , die

dachten gar nicht daran , daß eine feindliche Patrouille ſich hierher gemadyt haben könne , und famen denn ſo ganz un

beſorgt angezudelt, ohne daß ſie eine Spiße von einigen Mann vorausgeſchickt hätten , wie es fidy doch ſonſt gehört. So gute Soldaten auch die Franzoſen find, ſo nehmen fie es mit allen ſolchen Sachen doch verflucht ungenau und dies hat ihnen ſchon ſehr oft großen Schaden gebracht. Wie denn 1

nun der Courier gerade uns gegenüber war , ſo brachen wir

mit lautem Hurrab auf allen Seiten hervor und umzingelten ibn ſammt ſeiner Eskorte. Ein äußerſt braver Soldat war

aber dieſer franzöſiſche Officier, wie man ihm laſſen muß, denn obſchon er ſo umringt war, daß gar kein Durchſchlagen möglich ſein konnte , ſo wollte er doch von Ergeben nichts wiſſen. Ohne Weiteres zog er eine Piſtole heraus und ſchoß

den Koſacken , der ſeinem Pferde ſchon in die Zügel gefallen war, ſo durch den Kopf, daß der gleich todt aus dem Sattel ſtürzte.

Wie die Soldaten von der Eskorte , Dragoner was 1

ren es, faben , daß ihr Officier ſich nicht ergeben wollte, fins gen ſie auch wieder an ſich zu vertheidigen , obſchon eß ans fänglich ſo geſchienen hatte, als wollten ſie die Waffen ſtrecken. Eine tüchtige Klopferei begann nun , in der die Franzoſen bald unterliegen mußten , da wir in der Mehrzahl waren. : Mordsmäßig hieb ſich der franzöſiſche Officier noch herum , 1

und ein Huſar von uns und aud) ein Koſad befamen nod

Wunden von ihm , an denen ſie lange herumdoctern laſſen

konnten , bis ſie wieder ganz geſund wurden. „Iſt eigentlich

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fchade um den braven Kerl , aber er will es ja nicht anders

haben ,“ rief Einer von unſeren Huſaren, der ſehr fig mit dem Säbel umgehen konnte, und gab mit dieſen Worten dem fran

zöſiſchen Officier einen ſo mächtigen Hieb über den rechten Arm , daß der gleich wie abgehauen niederſank und nur noch ſo anbummelte. So mußte ſich denn der Franzoſe, der nun gar nicht mehr zu fedyten im Stande war , wohl gefangen geben. Ich war mit einem franzöſiſchen Dragoner , der das Fechten auch nicht ſchlecht verſtand, zuſammen gekommen , und 1

der machte mir nicht wenig zu ſchaffen .

Er hatte mir ſchon

einen leichten Streifbieb in die Seite gegeben , der gewaltige

Schmerzen verurſachte , wenn er auch ſonſt weiter keine Ges fabr brachte, und noch immer wollte es mir nicht gelingen, ihm wieder einen beizuwiſden. Gar zu ſdılau paßte der Fran zoſe auf, und wenn ich dadite, jeßt könnte ich ihm eins ver ſeßen, gleich hatte er meine Klinge parirt und hieb und ſtach dann ſo ſchnell auf mich ein , daß ich nur ſelbſt genug zu thun hatte, mid zu decken . Hätte id) mein Pferd nicht ſo

feſt zwiſchen Zügel und Schenkel gehabt , was bei einem ſols ; chen Einzelgefedit immer von großem Vortheil iſt, es hätte

mir wahrhaftig ſdsledit genug gehen köunen. Endlich erſah id aber doch meinen Vortheil und bieb dem Franzoſen die H : Zügel dicht vor der Fauſt weg. Was wollte er 'nun machen, L'er konnte ſein Pferd ohne Zügel nicyt mehr regieren und * mußte nun ſchon nothgedrungen um Pardon bitten. Daß ich

ihm ſolchen gab, war natürlich, denn ein braver , preußi der Soldat wird einem beſtegten Feind ſtets Pardon geben,

ſobald dieſer darum bittet , und je muthiger derſelbe früher gegen ihn gefochten hat , mit deſto größerer Achtung wird er ihn ſpäterhin behandeln. So muß man immer eß machen und wer das nid )t thut , iſt ein ſchlechter Kerl und wenn er vielleidyt ſonſt auch noch ſo geſchickt fechten und reiten könnte. III.

11

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Als wir denn nun ſo den franzöfiſchen Courier mit ſammt ſeiner ganzen Bededung gefangen genommen hatten , waren

wir ſehr vergnügt und Jeder gab dem Anderen aus ſeiner Feldflaſche mit zu trinken , wobei ſich beſonders die Koſacken am Beſten ſtanden. Gar der ruſſiſche Officier freute ſich ſehr, als er aus den Briefſchaften , die der zu Tode verwundete

franzöſiſche Adjutant, der auch bald darauf ftarb, bei ſich ges habt, ſab, was für einen wichtigen Fang wir gemacht hatten. Ein Orden war ihm nu gewiß und auf die Orden ſind die

ruſſiſchen Herren Officiere gewaltig verſeſſen. Nu, ein Orden, wenn man ihn ſich ſelbſt inn Felde gehörig verdient hat , iſt auch eine gar ſchöne Sache, auf die jeder Soldat mit Recht ftolz ſein kann ,1 und hier mein eiſernes Kreuz auf der Bruſt, das mißte id) nicht, und wenn man mir auch dafür ſo viel baares Geld geben wollte , wie der Rothſchild in Frankfurt in ſeinem Keller aufgehäuft liegen haben ſoll. Nachdem wir denn mit genauer Noth noch ein paar Mal

größeren franzöſiſchen Streifcorps , die von den bewaffneten Bauern in Allem unterſtüßt wurden, entgangen waren , kamen wir denn auch glüdlich im Hauptquartier der großen Arniee, “ wie ſolche zum Unterſchied von unſerer „ ſchleſiſchen ,“ unter dem Herrn Feldmarſchau von Blücher Excellenz, genannt wurde, an. Da war großer Lärm , denn an dem Tage fand ein ſehr heftiges Gefecht mit den Franzoſen ſtatt, und ſo konnten wir daſſelbe auch noch ſo halb und halb mit anſehen . Beſonders die ruſſiſchen Küraſſiere hauten hier ein paar Mal vor unſeren ſichtlichen Augen ſo ein, daß man ordentlich hätte ungeduldig werden können , nicht dabei mit reiten zu dürfen . Hatten ſie aber doch auch die Ehre , daß Se. Majeſtät ihr Kaiſer Alexander von Rußland theilweiſe dem Gefechte aus großer Nähe beiwohnte, und das mußte natürlid den Ruſſen 1

doppelten Muth geben. Es wird den Soldaten nicht immer

TY

fo gut , daß fie unter den Augen ihres allergnädigſten Lan: desherrn fich auszeichnen können. Bei der Gelegenheit bekam ich auch Se. Majeſtät den Kaiſer Alexander von Rußland aus größter Nähe wieder zu ſehen . Ein ſehr ſchöner , ſtatt

licher Mann , der prächtig zu Pferde ſaß, war es , mit einem 1

Gerichte was ſo ausſah, als fönne er unnöthiger Weiſe feinem

Menſchen nur das Mindeſte zu leide thuen. Bald darauf kam auch Se. Majeſtät unſer hochſelige König angeritteit.

Der

alte Erdmann machte bei Nennung dieſes Namens eine ſalu tirende Bewegung mit der Hand nach dem bloßen Kopf der immer mit dem ruſſiſchen Kaiſer große Freundſchaft hielt, und Ihr könnt denken, Kinderkens , daß wir preußiſden Hu

ſaren uns ſehr über dieſe Gelegenheit Se. Majeſtät unſeren König mal wieder ſehen zu können , freuten. Aber eine noch

größere Ehre , auf die ich gar nicht gehofft hatte und die ich mein Lebtag nicht wieder vergeſſen werde, ſollte mir zu Theil werden .

Se. Majeſtät unſer König , dem unſere preußiſche

Quſaren -Uniform hier unter all den Ruſſen aufgefallen ſein

mochte, ſchidte einen Adjutanten zu mir , um zu fragen , wo : her wir tämen und was wir hier wollten ? Gleict) darauf

kam der Adjutant wieder angejagt , ich ſolle ſogleich mal zu Sr. Majeſtät unſerem Könige kommen , der mich ſelbſt zu ſprechen befohlen habe. Ganz roth vor Freuden ward ich bei dieſem Befehle, und das Herz puderte mir förmlich unter dem Dolman, denn daß mir noch einſt eine ſolche hohe Ehre

zu Theil werden ſolle, darauf hatte ich all meine Zeit noch nie gehofft: „ Müſſen ſich gut gehalten haben, denn ich ſehe das Kreuz auf Ihrer Bruſt. - Iſt auch ein ſehr braves Regiment , bei -

dem Sie ſtehen ,“ redete Se. Majeſtät der König mich an, nachdem er mich von Oben bis Unten mit einem Blicke ſcharf gemuſtert hatte. 11 *

-

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„ Zu Befehl Ew. Majeſtät,“ war meine Antwort. „ Waren auch dabei, als der Courier gefangen genommen wurde. Iſt mir lieb das , denn derſelbe roll wichtige Briefe bei fich haben , " ſprady Se. Majeſtät der König nun wieder.

„ Mal erzählen, wie das zuging ? " Das that ich denn auch und zwar ſo furz , wie ich man konnte, denn ich hatte ſchon früher gehört, daß Se. Majeſtit unſer König es nicht liebte , wenn man gar zu viele unnüße 1

Worte machte. Als ich denn geendet hatte, winkte Se. Mas

jeſtät ganz herablaffend mit dem Kopfe und ſagte: „ Bin zus frieden damit. – Können mir auch Ihr Regiment grüßen und ihm ſagen, daß es meine Zufriedenheit bisher hatte, und nur fortfahren ſollte , ich ſtet8 tüchtig zu halten .“ Damit war ich wieder entlaſjen, denn Se. Majeſtät unſer

König maďyt nicht gern allzu viel Reden. Thut meiner ges ringen Unſicht nad auch gar nicht nöthig für einen Fürſten, daß er viele lange und ſchöne Reden hält , wenn er nur zu bandeln verſteht und daran ließ es Se. Majeſtät unſer hochs

ſelige König doch wahrhaftig nicht fehlen. Ja , das war ein Mann, auf den konnte unſer Preußenland in ſchlimmen , wie 1

guten Tagen ſtolz ſein , und was der Alles für unſer Land gethan hat, davon wird man nod nach vielen hundert Jah

ren zu erzählen wiſſen , wenn von uns auch kein Knochen mehr übrig iſt.

Gerade als wir noch in dem Hauptquartier waren, wurden mehrere franzöſiſche Quarree's gefangen genommen. Neußerſt brav hatten dieſelben ſich bis auf den leßten Augenblick ges wehrt, und ſich erſt tüchtig mit Kardätſchen zuſammen ſchießen

und von der Kavallerie ganz umzingeln laſſen , bis ſie die Gewehre ſtredten. So etwas muß man auch an einem Feinde

achten , und wenn ich auch ſonſt die Franzoſen auf tauſend Schritte weit nicht leiden fann und wollte , daß ſie mit all

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ihrer Narrerei und ihrem franzöſiſchen Weſen , was ſie Allen lernen wollen, uns ſtets vom Halſe blieben, brave Soldaten,

die ſich größtentheils mit vieler Courage ſchlugen , waren es dazumals faſt immer. Ob das noch ſo bei ihnen der Fall iſt,

kann ich nicht ſagen , glaube es aber , denn es wäre doch ſdhlimm , wenn ein ganzes Volf auch nicht einmal eine einzige gute Eigenſdhaft, die man loben könnte , mehr haben ſollte. Se. Majeſtät unſer König , der bei dem Gefechte gegen die franzöſiſdyen Quarree's mit im Feuer geweſen war , ſo daß die Kugeln ihm um den Kopf jauſten , ritt nun mit ſeinem Freunde , dem Kaiſer Alerander von Rußland , mitten unter

die Gefangenen hinein. Von denen weinten Viele aus Wuth, daß fie fich hatten gefangen geben müſſen , und zerbrachen ihre Gewehre und Säbel, und traten mit den Füßen auf ihre

Patrontaſcen . Na, man fonnte ihnen dies auch am Ende nicht verdenken , denn es iſt immer für einen ehrlichen Solo daten ein ſchlimmes Ding, wenn er ſich gefangen geben und die Waffen, die er bis dahin mit Ehren geführt, dem Feinde überliefern muß. Zwar giebt es auch ſolche feige Hallunken, die ſich förmlich freuen , wenn ſie in Gefangenſchaft kommen und denken , ſie brauchten dann nicht mehr zu ſtehen , wo die Kugeln pfeifen , und keine Strapagen zu ertragen , ſondern

könnten nun den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen und ſchlafen , daß ihnen die Augen übergingen . Solche ins

famige Schufte wird aber jeder ordentliche Soldat , weldier Nation er auch nun angehören mag , verachten und ihnen ,

einen Fußtritt vor den .... geben , wie es ſich gehört. Na , daß unter Euch nicht ſolche Kerle darunter find,

das weiß ich, und ſollten wir die Freude haben , bald mar in einen ordentlichen großen Krieg wieder zu kommen , so werdet Ihr unſerem alten Regimente keine Schande, ſondern nur Ehre machen.

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Und damit will ich denn heute Abend nun auch mit meis ner Erzählung aufhören . Iſt auch ſchon eine ganze Dauer, daß ich Euch diesmal was erzähle, ſo daß Ihr mit dem Ans

hören wohl ſchon genug haben werdet , wie ich auch mit dem Spreden. "

Mit dieſen Worten flopfte der alte Erdmann

ſeine Pfeife aus und ſchickte ſich zum Weggehen an, während die meiſten Huſaren noch eine Weile bei ihren Schoppenglä fern ſigen blieben. Hatten die Trompeter doch die Retraite rod nidyt geblaſen und war heute der Martins - Abend , den

man auf eine beſondere Weiſe feiern mußte , ſo weit es der Geldbeutel nur erlaubte.

da

Da ward fich von den Meiſten

denn ein Extra -Schoppen gezeugt, und viele Luſtigkeit herrſchte noch lange in der geräumigen Wirthsſtube.

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Neuntes Kapitel. when

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In den bequemen Winterquartieren im Badiſchen hätten die Fuſaren fid gar leicht zu ſehr verwöhnen können , und darum wurden denn hie und da größere und kleinere Uebungøs

murid

hoste

märſche mit den einzelnen Schwadronen angeſtellt. So ein tüchtiger Reiſemarſd ), beſonders wenn er mit Bivouafiren und Uebung von Vorpoſtendienſt verbunden wird , iſt für Ravals tite leriſten im Frieden fo nothwendig faſt wie das liebe Brod.

Die Pferde kommen doch dabei wieder etwas in Athem , die auf Reiter lernen viele Stunden lang ruhig im Sattel fißen , ges Pleat

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wöhnen fich an ſchlechtes Wetter , furz an alle ſolche Dinge, die der Soldat im Felde oft mehr als zu viel vertragen muß. Bei dem jebigen Uebungsmarſch der Sdwadron , der gleich auf 4–5 Tage im Schwarzwald angeſtellt wurde , hatte man auch zugleich die Abſicht, den Bewohnern mehrerer Landſtriche dort, die ohne Einquartierung waren , wieder einmal preußiſche Soldaten vor die Augen zu führen . Es hatte nämlid, ges heißen , daß demokratiſche Agenten aus der Sdyweiz fich das ſelbſt heimlicher Weiſe berumtreiben ſollten und ſich auch hie

und da bei der Bevölkerung Spuren einer Geſinnung zeigten, die man unmöglich dulden durfte. Da war es denn recht gut , daß man die Säbel der Fuſaren und die Büchſen der .

Jäger mal wieder hier ſehen ließ , um den Unzufriedenen zu zeigen , was ſicherlich ihrer harren würde, wenn ſie den un finnigen Verſuch eines nochmaligen Aufſtandes wirklich wieder zu erneuern wagen ſollten . Man verfehlte auch ſeinen Zweck mit ſolchen größeren Patrouillen nicht , denn die ganze Ges gend blieb vollkommen ruhig und dem Gefeße gehorſam , wie es ſich gehörte , und die unzufriedenen Putſcher und Heßer 1

mußten bald finden , daß ihre ſchlimme Saat hier nicht aufs geben fönne, da die Militärbehörden wachſam und bereit was

ren , alles Uebele ſogleich im Keime ſchon zu erſticken. Das beſte Wetter, was man für einen ſolchen Uebungs

marſch fich nur ausſuchen konnte, hatte man gewählt, nämlid) recht ſchlechtes ; der über und über graubewölfte Himmel wußte nicht redit , ob er es ſchneien oder nur regnen laſſen ſollte , und hielt es daher abwechſelnd mit Beiden.

So ein

naſſer Schnee oder ſchneeiger Regen iſt aber das Allerwider:

lichſte und man kann ſich gerade davor am Schwierigſten ſchüßen . Dazu flies von den Höhen des Schwarzwaldes,

auf denen es im November oft ſchon ziemlich falt zu ſein pflegt, ein pecht durchdringender Wind , der zwar die naſſen

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Kleider auf dem Leibe bald wieder trocknete, dabei aber auch

zugleich die Haut oft recht falt anpuſtete. Recht ſo ein Wets ter war es, wo ein verzärteſtes Mutterſöhnchen lieber im weis chen Schlafrock hinter dem warmen Ofen bei einer Taſſe

Kaffee und einem frivolen Roman zu hocen pflegt, und der Weichling Schnupfen und Huſten und Rheumatismus und Grippe , und Gott weiß was ſonſt noch Alles , zu bekommen fürchtet, ſobald er nur einen Fuß vor die Thüre ſeßen muß . 1

.

Eben ſo ſchlecht wie das Wetter waren auch die Wege. Bergs

auf, bergab ging es beſtändig und wenn man mal eine Ans höhe , die ſo ſteil war , daß man die Pferde gut dabei im

Zügel halten mußte, herabgeklettert war, ſo konnte man ficher fein , gleich darauf eine womöglich noch ſteilere wieder hinauf klimmen zu müſſen. Dies geſchah aber nicht auf gutgebahne ten Chauſſeen, auf denen ſelbſt die bequeme Reiſefutſche eines engliſchen Lords von den Poſtpferden fortgeſchleppt zu wers den vermag, ſondern auf Bergpfaden , auf denen man pals und Beine zerbrechen konnte , wenn man nicht aufpaßte. Steine von allen Größen und Geſtalten lagen in den Wegen nur zu viel umber , ſo daß die Soldaten behaupteten , als 1

der liebe Gott die ganze übrige Welt ſchon fertig gehabt, habe er gewiß noch einen Tag extra gebraucht, um all die Steine hier zu machen , und ſich dabei ſehr ſputen müſſen. Die Huſaren mußten wirklich oft recht aufpaſſen , um ihre Pferde nicht zwiſchen allen dieſen Hinderniſſen ausgleiten zu laſſen, und die 50 Jäger , die hart hinter der Schwadron drein marſcirten , hatten es in dieſer Hinſicht wenigſtens

beſſer. Daß übrigens die Leute bei derartigem Wetter gerade allzuluſtig waren , kann man nicht ſagen , ja es gab Manche, die wohl hie und da einen gerade nicht ſanften Fluch aus: ſtießen , wenn ihnen der Wind den Regen allzuſcharf in das Geficht trieb oder ihr Pferd über einen glatten Stein auss

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rutſchen wollte. Nu , fie fanden ſid aber doch bald in das

Ungemach, wie es fid; auch für ordentliche preußiſche Solda ten nicht anders gehört , und als einige puſaren, die ſo ges

wöhnlich die Vorſänger zu machen pflegten , ein Lied anfin gen , waren es doch Viele , die mit dreinſtimmten. Das alte bekannte „ Mantellied “, als das paſſendſte was man bei ſols : chem Wetter fingen konnte , hatte man gewählt , und laut

durch Sturm und Regen und das Brauſen der arg geſchüt telten Tannen klang es : „ Schier dreißig Jahre biſt du alt, Haſt manchen Sturm erlebt, Haſt mich wie ein Bruder beſchüßet,

Und wenn die Kanonen gebliget, Wir Beide haben niemals gebebt. Wir lagen manche liebe Nacht Durchnäßt bis auf die Haut,

Du allein haſt mich gewärmet, Ilnd was mein Herz hat gehärmet Das hab' ich dir, Mantel, anvertraut . Geplaudert haſt du nimmer mehr, Du warſt mir ſtill und treu ; Du warſt getreu in allen Stücken ,

Drum laß ich dich auch nicht mehr flicken , Du Alter würdeſt mir ſonſt neu. und mögen ſie mich verſpotten, Du bleibſt mir theuer doch ;

Denn wo die Stücken herunterhangen, Da ſind die Kugeln durchgegangen, Jede Kugel macht ein Loch.

Und wenn die leßte Kugel kommt Jn's preußiſche Herz hinein,

Lieber Mantel laß dich mit mir begraben, Weiter will ich von dir nichts haben, In dich hüllen fie mich dann ein .

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Da liegen wir Beide bis zum Appell im Grab, Der Appell macht Alles lebendig, Drum iſt es auch ganz nothwendig , Daß ich meinen Mantel hab',

Daß ich meinen Mantel hab' .“

,,Das iſt noch ſo ein rechtes ordentliches Soldatenlied,

und ich freue mich immer, wenn ich es in unſerer Schwadron ſingen höre ," meinte der alte Erdmann , der nach Kräften mit in den Geſang eingeſtimmt hatte.

,, Wind und Wetter

vergißt man bei einem ſolchen Singfang und die Zeit geht herum man weiß nicht wie. Ja, nach einer guten Pfeife Ta

bad iſt ein ordentlicher Sang das Beſte , was ein Soldat ſich auf dem Marſche nur wünſchen kann. So ſind wir denn auch ießt ſchneller an dem Ort , wo wir zu Nacht bleiben follen, angekommen, als wir dachten, denn wenn ich recht ſebe, ſtehen da zwiſchen den Tannen ſchon die Säuſer des Dors fes. " So war es auch und der praktiſche , vielfad geübte Blic des alten Erdmann hatte ihn nicht betrogen , denn in

den wenigen Häuſern , die auf einer kleinen Hochebene zwis ſchen den rieſigen Tannen , wegen denen der Schwarzwald mit Recht ſo berühmt iſt, zerſtreut lagen, ſollte die Schwadron ihr Nachtquartier halten. Zwar war der Raum für Pferde is und Menſchen hier ſehr beſchränkt, doch mußte man fich To

gut wie möglich zu helfen ſuchen , da man nun einmal keine beſſeren Quartiere bekommen konnte. Die Pferde wurden in

einer großen Scheune, die leer ſtand, untergebracht, und die Mannſchaft lagerte ſich auf Streu, die man auf den Diehlen,

Gängen , Städen , Fußböden der Zimmer , furz überall, wo nur ein Pläbchen zu finden war , hingebreitet hatte. Viel Raum bedarf ein müder Soldat für ein Nachtlager auch ges

rade nicht. Die erſte Sorge der Huſaren war nun natürlich auf ihre Pferde gerichtet, während die Jäger, nachdem fte

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ihre Büchſen etwas gereinigt hatten , ſogleich an ihre eigene Bequemlichkeit denken konnten . Wohl eine gute Stunde vers ging, bis man die Pferde von dem gröbſten Schmuß gerei nigt und tüchtig abgerieben hatte , und ſie behaglich die mit genommene Haferration aus den vorgehängten Futterbeuteln verzehrten. Wie die Pferde beſorgt waren , eilten aber auch alle Reiter gar ſchnell in die Küchen , in denen auf den Feuerherden gar hohe Feuer flammten , oder in die Stuben, wo die großen Kachelöfen auch recht behagliche Wärme vers | breiteten. Fleiſch- und Brodportionen hatte man mitgebracht, Kartoffeln konnte man in den Häuſern befommen , und ſo war von den Köden der einzelnen Menagen denn auch bald eine fräftige Mahlzeit bereitet worden , die fich Alle trefflichy

ſchineden ließen. So ein mehrſtündiger Ritt bei ſchlechtem Wetter der bringt ſchon einen gewaltigen þunger hervor. Auch die Officiere der Schwadron und der Lieutenant, der

die Jäger befehligte, die zu zwei und zwei in den beſten Stu : ben der Häuſer einquartiert waren, hatten es fidh möglid )ft bes haglich einzurichten geſucht. Aus dem mitgebrachten Fleiſch

und den von den Bauerfrauen gekauften Eiern hatten die

V

fochverſtändigen Burſchen gar treffliche Beefſteaks mit Allerlei darauf bereitet, und da man Bunſchextract auch mit heraufa gebracht hatte, und Wein , wenn es freilich auch ſehr ſaurer Kraper war , hier eben bekommen fonnte , ſo dampfte bald

eine große Suppenſchüſſel vol Punſch auf dem Tiſche der Officiere, die wahrhaftig nicht ſchledyt munden ſollte. Gerade ein derartiges Mahl in abgelegenen Quartieren , bei deſſen

Zubereitung man oft ſelbſt ſo mit Hand angelegt hat, (dimect gewöhnlich viel beſſer und wird mit mehr Appetit und grös

Berer Heiterkeit verzehrt , als das beſte Diner bei dem eles ganteſten Reſtaurateur der Hauptſtadt. Jeder Officier,, der

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auch nur einige Zeit im Felde war , wird dieſe Erfahrung mehr wie einmal bei ſich ſelbſt gemacht haben . So war denn alles gut aufgehoben und konnte fidy von

dem unangenehmen Marſd möglichſt erholen. Von den Hus ſaren hatte fich nach eingenommenem Eſſen ein zahlreicher Kreis wieder in der großen Küche um das Herdfeuer geſeßt, und da der alte Unterofficier Erdmann ſich unter ihnen be fand 1, ſo erging denn nad gewohnter Art bald wieder die Bitte, derſelbe möge ein Bischen erzählen. Der Alte, der wie

immer wenn es einen rechten tüchtigen Ritt gegeben hatte, in ſehr vergnüglicher Laune war , ließ ſich denn auch nicht zweimal bitten. „ Heute paßt recht uf , Kinderkens , denn ſo etwas Schönes , wie es diesmal wird , habe ich Euch lange nicht erzählt gehabt," fing er an. „ Ja, ſeht mich nur mit ſo 1

1

großen Augen an und denkt, was wird denn der Alte na

nu loslaſſen , " heute giebt es was ertra , denn ich will Eudy von der erſten Einnahme von Paris erzählen . Das iſt doch wahrhaftig etwas Gutes und jeder preußiſche Soldat wird die Ohren ſpißen , wenn er hören kann, wie ſeine alten Ka 1

meraden zuerſt als Sieger in dem Paris einzogen. Ja der liebe Gott der war geredyt und meinte es gut mit uns , daß er uns Preußen die Freude werden ließ , auch mal als Sies 1

ger in dies ſtolze Paris einmarſchiren zu fönnen , nachdem

die Franzoſen uns ſo oft gedemüthigt und unſer armes Vas terland ſo viele Jahre hindurch ſchändlich behandelt hatten.

Das hätten nach der verfluchten Schlacht bei Jena, wo Alles kopfüber und kopfunter ging, und wer nicht mehr als doppelte Courage hatte, den Kopf ſchon hängen ließ und Alles verlos ren gab , und der Bonaparte und ſeine Franzoſen das Maul allmächtig weit aufmachten und thaten, als wenn ſte nunmehr

für alle Ewigkeit Herren in unſerem Lande ſein würden, auch

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nur Wenige gedacht, daß es noch mal ſo ganz anders wieder fommen würde. Nur unſer Herr Generallieutenant von Blüs cher Ercellenz der hat ſchon damals , wenn Alle den Muth

verlieren wollten, oft geſagt: „ Seid man nicht bange, es wird noch mal das Ding wieder umſchlagen und wenn der Bona parte auch jekt in unſer Berlin einzieht , ſo marſdiren wir dafür auch noch mal wieder in ſein Paris hinein ." Seht, Kinderfens , daraus fönnt auch Ihr die gute Lehre nehmen , nie den Muth zu verlieren, wenn es Euch im ferneren Leben mal ohne Euer Verſchulden fdylecht gehen ſollte , ſondern tin

mer den Kopf oben zu behalten und zu denken , „ es wird auch noch mal wieder beſſer gehen , alſo friſch vorwärts darauf

hingearbeitet.“ Wer einmal die Ehre gehabt hat , als Huſar in einem föniglic, preußiſchen Fuſaren -Regiment gedient zu haben, der muß auch hierin den Huſaren -Sinn für ſein ganz zes Leben nicht wieder ablegen , und mag er auch ſpäter Schuſter oder Schneider werden ..

,, Friſch vorwärts , immer

druf los und gegen an , “ wenn das Unglück ihn mal unter kriegen will, muß ſein Wahlſprudy ſein und bleiben , und dieſe Lehre gebe ich , der alte Unterofficier Frige Erdmann , der 1

ſeinen Dolman nun ſchon an die 46 Jahre trägt , Euch auch heute wieder. Na , um denn aber wieder auf die Einnahme

TI

von Paris zu kommen , ſo ſebzten ſich die Franzoſen zuleßt noch mal tüchtig zur Wehre , und viel Blut foſtete es nody, bis die Stadt in unſere Hände fiel. Am 30. März Anno 1814 war denn dieſer für alle Zeiten denkwürdige Tag , wo

F'die Schlacht von Paris zuerſt anfing. Viele Truppen von den verbündeten Heeren waren dabei thätig , und Deſtreicher,

M

Ruſſen, Preußen und noch von den anderen kleinen deutſchen Länderkens fämpften dabei gemeinſd )aftlid) um die Wette. EIE Hatten doch Alle mit gleichem Rechte heftigen Zorn gegen die

Franzoſen und freuten ſid ), daß es denſelben nun endlich noch

- 174

recht tüchtig an Kopf und Kragen gehen ſolle. Wir vom ,, ſchleſiſchen Heere " unter unſerem Herrn Feldmarſchall von

Blücher Excellenz hatten den rechten Flügel von unſerer Schlachtlinie eingenommen ,, und ſo fann ich denn Euch nur leider erzählen , wie es daſelbſt zuging. Davon habe ich aber das Meiſte mit eigenen Augen angeſehen , da ich wieder in das an iboen la Hauptquartier fommandirt war. Unſer Alte der war an dem

Tage noch immer nicht wieder ſo recht bei Schiď und jederAk DieReal

andere Menſd), der in ſo hohem Alter fich ſo ſchlecht befuns all llbr den , wäre gewiß in das Bett gefrochen und hätte ſich die silientenan Decke weit über die Ohren gezogen. Aber unſer Alter der ter word war ein anderer Kerl , und wenn auch ſein Leib ſchon frant ve Seert und dwad ) war und er viel Wehtage in allen Gliedern va yordi fühlte, ſeinen Geiſt friegte die Krankheit doch nicht unter.• 4 ganze D Zuerſt wollte er ſich an dem Schlachttage von Paris wieder a, batten 1

zu Pferde ſeßen , und wenn auch der Serr Generallieutenant Sai Boid von Gneiſenau Excellenz, auf deſſen Worte er noch am Meiſten so leichte

zu hören pflegte und der ſich die größte Dreiſtigkeit gegen tilet

ihn herausnahm , noch ſo viel davon abrieth , es half Alles auch dre nichts , der Gaul mußte heraus und der Alte in den Sattel. pompe au f,

Aber das war ſich doch zu viel zugemuthet, das Reiten ging hahalo mi nun mal nicht an und der Alte mußte gleich wieder vom Der Pferde herunter , er mochte wollen oder nicht. Was er DA Cherit

fluchte und wetterte , fönnt Ihr Euch denken , aber dadurch wurde er nicht wieder geſund , und ſo mußte er denn in feia

Wate

nen Reiſewagen ſteigen , ſich ſeinen grünen Frauenzimmerhus, altariB

zum Schuß für ſeine Augen, wieder auf den Kopf ſeßen, und dnes Reit auf dieſe Weiſe nun den Oberbefehl führen . Recht gut ging atonnte,

es auch ſo und der Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz

he,ju 1

hat mit ſeinen Preußen wahrhaftig nicht wenig zur Ginnahme

von Paris beigetragen , wie man ohne Ruhmrednerei wohl in der ganzen Welt erzählen darf.

i denn :

Sabaue

n

175

Die Ruſſen, die wir in unſerem ſchleftſdyen Heere hatten,

Als fingen gegen zehn Uhr Morgens zuerſt das Gefecht an. A18

unſer Alte in ſeinem Wagen die erſten ruſſiſchen Salven hörte, da ſou er fich troß ſeiner Schmerzen doch ganz vergnüglich die Hände gerieben und ausgerufen habent : „ Aha , jeßt geht der Tanz ſchon los, na, wir wollen denn den Herrn Parijeru 1

ein Stücklein aufſpielen laſſen , was ſie nie wieder vergeſſen } werden. Die Kerle ſollen bald aus dem lepten Loche pfeifen ."

- Gegen 11 Uhr famen dann die Truppen von unſerm Herrn

Generallieutenant von Yorck Excellenz in's Gefecht. Zuerſt wie immer voran , wenn es Ruhm und Ehre zu gewinnen

gab , der Herr General von Kapler , der die Avantgarde von , unſerem Yorcłſchen Corps befehligte, aber die Franzoſen, die sja die ganze Dertlichkeit in der Umgegend von Paris genau fanuten, hatten eine ſtarke Schanze hier aufgeworfen und ſie ſehr mit Geſchüß beſeßt. Da nun unſere Avantgarde nur * wenige leichte Kanonen bei ſich hatte , ſo ging es ihr hier

ziemlich ſchlecht, und fie verlor viele Leute. Endlich kamen .

aber auch drei Batterien von uns , ſtellten fich gegen dieſe Sđanze auf, und pfefferten nun ſo darein , daß die Frans zoſen bald machen mußten, mit ihren Kanonen weiter zu fom men. Der Herr General von Kapler, zu dem auch noch der Herr Oberſt von Blücher , was der Sohn von unſerm Alten 3 war , ſtieß , rüdte nun immer weiter vor , und kam bald an die Thore von einer der vielen Vorſtädte , die um die große Stadt Paris herumliegen. Nun begann hier auch ein recht ſchönes Reitergefecht, und ich freue mich noch, daß ich dabei

: ſein konnte, da ich gerade in dem Augenblid, wo es losgehen ſollte , zu unſerm Regimente mit einer Meldung geſchickt war. & Zu beſorgen hatte ich in der Zeit gerade nichts und ſo dachte ich denn : „ Wie wäre es , Frige Erdmann , wenn du das Einhauen auf die Franzoſen ein Bischen mitmachteſt, nachher

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fannſt du am Beſten melden , wie es dabei zugegangen iſt.

Wer Teufel kann auch da wohl es bleiben laſſen, mitzureiten , wenn er das Regiment, zu dem er gehört, ſo eben zur Attaque anreiten fieht.“ So ſtellte ich mich denn auf dem linken Flüs gel meiner Schwadron mit auf , und unſere Huſaren riefen 1

mir zu : „ Nur zu , Unterofficier Erdmann , kommen Sie man ein Bischen mit , gleich wird es ein prächtiges Dreinhauen auf die verfluchten Franzoſen geben .“ Auch unſer Herr Ritts meiſter nigte mir freundlich mit dem Kopfe zu und ſagte : „Recht ſo , man immer mit druf los. " Unſer Huſaren -Regi ment ging den franzöſiſchen Dragonern in die linke Flanfe , während die zweiten Leib-puſaren , die immer während des

ganzen Feldzuges als brave Kameraden mit uns zuſammens gehalten hatten , dieſelben in die Front angriffen. Das gab denn ein Dreinhauen, Kinderfens, wie es gar nicht ſchöner gedacht werden kann , und ich wünſche Euch nur , daß Ihr auch mal bald Gelegenheit bekommen mögt, folch eine Attaque mitzumachen. Wahrhaftig etwas Beſſeres iſt für einen braven şuſaren auf dieſer ganzen weiten Welt nicht zu finden. Uns fere Säbel fanden fein ſchlechtes Stück Arbeit , und mancher

franzöſiſche Dragoner mit dem langen Pferdeſchwanz auf ſeis nem blißenden Helm wurde vom Gaule herunterkapitelt, er wußte nicht wie.

Aber für uns war die Sache auch kein

Kinderſpiel, denn die franzöſiſdie Artillerie half ihrer Sta: valerie nicht wenig, und gab uns Kugeln zu koſten, die ganz anders thaten , als wenn ſich die Jungen mit Schneeballen werfen. Manchen braven Fuſaren, der fich ſchon den ganzen Feldzug darauf gefreut hatte, bald an ſeine Mutter oder Braut zu Hauſe ſchreiben zu können, ,, er habe ſein Mittagsbrod nun auch mal in Paris verzehrt," verloren wir noch im lepten

Augenblic. So ward neben mir ein junger Fuſar erſchoſſen, der als Freiwilliger in unſerem Regimente diente, und ſich

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den ganzen Feldzug her immer äußerſt brav gehalten, obſchon man faum hätte glauben ſollen , daß er al die vielen Stra ..

pagen ſo gut ertragen konnte, denn er war noch ein ſchwaches Jüngelchen , an dem vom Bart noch keine Spur zu ſehen. Er hatte aber gutes Blut in den Adern, da ſchon ſein Vater ein hoher Herr Stabsofficier geweſen , und auch aus ihm wäre gewiß ein braver Officier im Dienſt von Sr. Majeſtät unſerm König geworden , wenn Gott es gewollt, daß er länger am 1

Leben geblieben. Als er den tödtlichen Schuß in die Bruſt

erhielt, rief er noch mit legter Kraft mir zu : „ Mit mir iſt es i aus, Unterofficier Erdmann , wenn Sie mal nach Hauſe fom men, ſo ſuchen Sie meine Mutter auf und ſagen Sie ihr, daß ich meine Schuldigkeit gethan habe. Das waren die legten Worte , die ich von ihm hörte, denn wir jagten in der Attaque hinter den fliebenden Dragonern drein, und als ich endlich wieder zurückkam und mich nach dem jungen Fuſaren 1

noch in aller Eile umſehen wollte, war der im ambulanten

Lazareth , wohin man ihn gebracht hatte , ſchon geſtorben. Schade, daß er ( dyon einen ſo frühen Tod ſterben mußte. Als wir denn nun ſo hinter den franzöſiſchen Dragonern herpreſchten und Manche derſelben noch von ihren Pferden +

bieben, ſo dachten wir, daß es auch nicht ſchaden könne, wenn gleich die feindliche Batterie mit erobert würde.

Das war

denn gleich ein Abmachen auf derſelben Stelle. Alſo wir drauf los auf die Kanonen , und auch dieſe noch erobert . Ein Theil der Stanoniere war ſchon mit den Dragonern zuſammen

geflohen , ein anderer Theil ward an den Geſchüßen ſelbſt niedergehauen oder gefangen genommen , und ſo fielen denn an ‫ ܂‬12 oder 14 Kanonen in unſere Hände. Das war denn doch

ſchon eine gute Eroberung , über die man ſich in der That 1

freuen konnte .

Bei einem der Geſchüße ſtand noch ein Ka

nonier , ein ſchon alter Mann mit grauem Baar , der ſo eine Ill.

12

178

Art von Invalide ſchon zu ſein ſchien, denn er hatte ein höl- uby zerne8 Bein, und wollte fich platterdings nicht ergeben. Den sie Kanonenwiſcher hatte er mit beiden Armen gefaßt und haute coute

nun damit gewaltig auf Alles ein , was ſich ihm näherte.Kapite Wir hätten nun den Alten leidyt mit unſeren Piſtolen oder abzira

Karubinern erſchießen können , aber weiß der Teufel, wie es einjeaber fam, Keiner von uns hatte Luſt, den alten, braven Kerl mit , pelle

ſeinen weißen Haaren ſo mir nichts dir nid)ts niederzufnallen.At, dui i „ Das Ding wollen wir bald anders machen, “ rief ein þufar St. Vi von uns , ein ſehr raſcher , fixer Burſche, der auch ſtets viel In queden

Muth gezeigt hatte , aus , war wie der Bliß aus dem Sattele,mida und lief unn ſo zu Fuß gegen den franzöſiſchen Kanonier an. de libre I

Der wollte nun noch mit ſeinem

Wiſcher einen gewaltigent 3: beide

Streich gegen unſern Huſaren ausholen, aber dieſer war raſcher, a Butades büdte ſich, daß der Hieb ihn nicht traf, hatte dabei aber gleich dickt un den Alten unterlaufen und mit einem Pug auf die Erde ges slid zl. ſchmiſſen, daß er die Beine hoc in den Himmel ſtrecken mußte.

So hatten wir dieſen herzhaften, franzöſiſdhen Kanonier doch aihet a mit der

gefangen genommen , ohne daß ihm Weiteres ein Leið dabet

g

geſchehen wäre , .worüber wir uns Alle freuten. Wir lobten anden I

unſeren Gefangenen nun noch, daß er ſo viel Courage ger pantie zeigt hätte, und gaben ihm aus unſeren Feldflaſchen zu trin ABlanul

ken , ſo daß er bald ganz vergnügt wurde und fich in ſeine und hatt

Gefangenſchaft fand.

Hufen

chladit Während wir denn nun die Batterie genommen und die

Dragoner in die Flucht geſchlagen hatten , blieb unſere preus slinjeno Biſche Infanterie wahrhaftig auch nicht faul. Der Herr Ges drappen neral vou Horn griff eine Vorſtadt an , und obſchon die Frans Hacten fit zoſen fich in die Häuſer geworfen hatten und aus den Feue Bauloi

ftern ſchoſſen und ſich Schritt vor Schritt vertheidigten, ſo hall i Borr

ihnen dies doch Alles nichts, fie mußten zurückweichen. Na, une und daß der Prinz Wilhelm Königliche Hoheit nicht fehlte, a ja

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wo es recht heiß zuging , brauche ich Euch kaum zu ſagen. Auch er griff ſo eine Art von Vorſtadt an , la Villette hieß und fie, und einen mörderiſchen Kampf gab es daſelbſt. Aber die

11

Brandenburgiſchen Füſeliere und die vom 14. ſdhleſiſchen Landa wehr- Infanterie-Regiment drangen doch vor.

Große fülfe

erhielten ſie aber dabei von den Ruſſen , und es wäre Unrecht Ik von mir, wollte ich das vergeſſen. Zwei ruſſiſche Jäger-Re mai gimenter , das 13. und 14. waren es , die uns hier ſo ſehr - beiſtanden. Es waren zwei ſehr ſchöne Regimenter , die ges

ti

wiß mit zu den beſten in der kaiſerlich ruſſiſchen Armee ges hörten , und da ſte geglaubt hatten , daß ihnen an dieſem Tage die Ehre würde, von unſerm Herrn Feldmarſchall von

Blücher Excellenz gemuſtert zu werden , ſo waren ſie in ihrer vollen Parade-Montur. Statt zur Parade ging es nun aber

AMIL

zum Gefecit und darüber ſchienen die braven Ruſſen gar nicht verdrießlich zu ſein. Mit Sang und Klang ging es in das feindliche Feuer hinein , und ihr þurrahgeſchrei, mit dem ſte endlich mit gefälltem Bajonnette in den Ort ſtürmten , konnte Ginem ſchon gefallen. Eine tüchtige Hülfe erhielten ſie hier aber von den Sdjarfſchüßen vom 1. Bataillon des 1. Gardes

Regiments Sr. Majeſtät unſeres Königs. Mitten in einen tiefen Kanal hinein waren dieſe tapferen Gardiſten geſpruns

ti

11

gen und hatten denſelben durdwatet und ſo den Feind in dem Rücken gepackt. Ueberhaupt unſere Garde die kann dies ſen Schladittag von Paris ídon immer mit vollem Rechte zu

den glänzendſten Ehrentagen in ihrer Geſchichte zählen. Faſt alle Truppen der Garde kamen in das heftigſte Gefecht und

7m feichneten ſich nicht wenig dabei aus. Na, war das aber auch ile lore. Sduldigkeit, denn umſonſt hat die Garde nicht ſo mans

Merlei Vorrechte vor den übrigen Regimentern, und wenn gar ‫܂‬

here

die in unſerm preußiſdhen Heere nicht äußerſt brav wäre , ſo

WHX müßte ja Alles aufhören. 12 *

180

Bis an die Thore von Paris ſtürmten nun unſere Linie und Landwehr unter dem Herrn General von porn und dem

matie

Prinzen Wilhelm Königliche Hoheit vor, und hier vereinigten Sie nach ſollte

ftdy dieſelben mit unſerer preußiſchen Garde.

Schon

manin pret

auch hier noch weiter geſtürmt werden und es wäre in die 17 meiden

Straßen von Paris hineingegangen, als Adjutanten angejagt esmieste

famen und den Befehl brachten , daß vorläufig nid)t weiter vorwärts gedrungen , ſondern Halt gemacht werden ſolle, da die is mon GO Franzoſen um eine Capitulation bäten.

Na , einem Befehle

muß denn ſchon natürlich gehorcht werden, obſchon es unſern Soldaten viel lieber geweſen wäre , wenn ſie nur noch gleid) weiter hätten drauf losſtürmen können . Ein Sturm fand nun auch von unſerer ſchleſiſchen Armee

ali

xmuche

in die T

Pinot pulati

auf einem hohen Berge dicht vor Paris , den die Franzos a on ſen Montmartre nennen 1, ſtatt. Beſonders die Ruſſen unter ihrem Herrn Generallieutenant von Langeron Ercellenz hatten Piride (hi hier zu thuen. Es koſtete aber nicht viel Mühe, dieſen Berg, flectant der ſonſt gewiß ſehr feſt war , zu erobern , da die Franzoſen ju bomt ihn nur mit ſehr wenigen Truppen belegt und ſo nicht hart nädig gegen die große Ueberzahl der Stürmer vertheidigt hat ten. Viele Kanonen eroberten die Ruſſen bei dieſer Gelegens identlid , heit und machten auch ſonſt gute Beute. Da man von dies Dave t fem Montmartre aus ganz Paris überſehen konnte, ſo hatte es

unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Excellenz auf demſelben aud ſeine Aufſtellung genommen .

an die

Ein ſehr ſchöner Anblid les jollte peront

war es auch, den man von dieſem Berge auf die Stadt hatte .

u

Es find wohl ſchon Viele von Euch bei dem Monument auf

Ten aufri

dem ,Kreuzberge“, nahe an Berlin, geweſen, von wo man die ganze Stadt ihrer vollen Länge nach auch ſo mit einem eins

in die just die

zigen Blick überſehen kann , was ſehr ſchön anzuſehen iſt. Seht,

Hanft

1

ſo fonnte man von dem Montmartre aus auch ſo das ganze

en Raijer

weitläuftige Paris , wag noch um Bieles größer wie Berlin

4 geri

181

iſt, überſehen. Unſer Alte ſaß denn nu hier in ſeinem Was gen und hatte das Fernrohr auf die am Fuße des Berges liegende, ungeheure Stadt gerichtet. Er war gar nicht gut darüber zu ſprechen , daß nun ſchon eine Capitulation einges

gangen werden ſollte und glaubte, die Franzoſen würden auch jeßt noch wieder die Schlauen machen und ſich durchzulügen

und loszuſchwägen verſtehen und nid )t ſolche Strafe erhalten, wie ſie von Gott und Recytswegen um uns verdient hatten. Und als nun unſer Alte das Fernrohr wieder abſeßte, da

ſpracy er ganz laut, daß Alle eß hören konnten :

„ Lieber als

das Fernrohr richtete ich auf das Neſt da meine Sanonen . "

Ja , als die Franzoſen noch wieder Wippchen machen und Capitulation nod) nicht recht Herr Feldmarſchall Excellenz,

ſo nach ihrer gewohnten Art die ihnen gnädigſt bewilligte eingeben wollten , befahl der daß 84 ſchwere ruſſiſche und

preußiſche Geſchüge zuſammengefahren und mit der Mündung

auf die Stadt Paris gerichtet werden ſollten, um dieſelbe ſo gleich zu bombardiren , wenn die Capitulation nicht zu Stande fäme. Herr Gott Sacerment, was hätten dieſe Geſchüße alle

in dem Paris zuſammengeſchoſſen , wenn das Bombardement To ordentlic), wie es fich gehört , angefangen.

Da wären

viele Häuſer eingepurzelt und Straßen zuſammengeriſſen wors den , daß es nur ſo gefracht hätte , und manch langes Jahr hätten die Pariſer an dem Aufbauen wieder zu thuen gehabt. Na, es ſollte nichts daraus werden , was damals nicht allein Viele von uns Soldaten , ſondern auch von den Herren Ofs

ficieren aufrichtig bedauerten , ſo groß war der Şaß bei uns gegen die Franzoſen . Daß übrigens die Pariſer , ja übers haupt die Franzoſen dazumalo ſo gut weggekommen ſind, das verdankten ſie beſonders der großen Gnade von Sr. Majeſtät

dem Kaiſer Alerander von Rußland. Der hatte ein ſe hr gutes Herz , ließ gerne Mitleiden vor Redit ergehen , und

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wußte auch die anderen mit ihm verbündeten Potentaten dazu zu bewegen , und ſo kamen denn die Franzoſen mit einem blauen Auge davon und es ging ihnen eigentlich beſſer, wie fte es um uns verdient hatten. Als nun übrigens die Capi tulation feſt abgeſchloſſen war , ſo ließ der Herr Oberft von

einem ruſſiſchen Regiment , was auf dem Montmartre ſtand , ſeine Regimentsmuſik oben auf der Spiße des Berges einen

luſtigen Marſch aufſpielen. Die anderen Regimenter folgten dieſem Beiſpiele und ſo war allenthalben , wo eben noch Ka 1

nonendonner geweſen , Muſik und Geſang und die Soldaten juchten und ſchrien Hurrah und waren voll Luft und Freude. Na , fte hatten audy wahrhaftig alle Urſache dazu , denn fo dieſer beſchwerliche Winterfeldzug in Frankreich war feine Klei

nigkeit geweſen und denſelben nun ſo glücklich durch die Ein nahme von Paris beendet zu wiſſen, konnte ſchon Jedermann

erfreuen. Die Nacht, die ich mit mehreren Ordonnanz-Unter officieren auf dem Montmartre zubrachte , war mir die vers gnügteſte, die ich noch in Frankreich verlebt hatte. Ein mäch : tiges Wachtfeuer hatten wir uns angezündet, denn die Nächte waren noch ſehr friſch , und an Holz , was wir uns von der Breterwand eines Gartens holten , hatte man auch feinen Mangel. In einem Gartenhaus dicht daneben , hatten wir die ſchönſten Sophag und Lehnſtühle, alle mit dwerem Seis denzeuge überzogen , gefunden , und da wir uns auch einmal was zu Gute thuen und die vornehmen Herren ſpielen woll

ten , fo ſchleppten wir dieſe beraus und ſtellten ſie rings um unſer Bivouaffeuer herum. Recht bequemlich und weich ſaß es ſich auf dieſen Sißen, und uns, die wir immer im Sattel geſeſſen oder auf dünner Streu oder häufig auch nur auf

bloßem Erdboden herum gelegen hatten , fam dies ordentlich wunderlich vor. Aber noch Beſſeres hatten zwei Unterofficiere von den doniſchen Koſaden , die mit im Hauptquartier von

183

unſerm Herrn Feldmarſchall von Blücher Ercellenz waren , auf

zufinden gewußt , nämlich ein ganzes Fäßlein mit rothem Wein und eine große noch ungebratene Kalbsfcule. So ets was konnten wir denn gebrauchen , und wahrhaftig nicht ärs gerlich empfingen wir die beiden Roſaden , als ſie damit ans geſchleppt famen .

Aus der Kalbsfeule ward an unſerm Bis

vouaffeuer bald ein guter Braten, der zu unſerm Brode treff lich ſchmeckte, bereitet und den Wein ließen wir auch nicht in

ſeinem Faſſe, ſondern brachten ihn bald in unſere Kehlen. So ſaßen wir auf unſeren Sophas und Lehnſtühlen , aßen und tranfen nad Herzensluſt und juchten und ſangen , daß man es weit hören konnte . Zuleßt machten wir Alle Brüders

ldhaft auf Du und Du und obſchon wir uns in der Sprache nicht allzugut mit einander verſtändlid, maden konnten , ſo hieß es dod) ,, Bruder Ruß" und ,, Bruder Preuß" und Mande

die fielen fid ſogar um den Hals und fübten ſid , als wenn es Mann und Frau wären , die ſich ſeit vielen Wochen nidyt mehr geſehen hätten. Beſonders die Ruſſen die ſind oft auf 1

das Küſſen gewaltig verſeſſen , obſchon ich gerade nicht ſagen fann, daß es recht mein Guſto iſt, mich gar zu viel mit ihnen abzuſchmaßen. So ein hübſdyes Mädchen mit friſchen rothen Baden und weißen Zähnen , wie man ſie bei uns auf dem Lande oft findet , habe ich in meinen jungen Jahren immer viel lieber gefüßt, als wie ſo einen Ruſſen mit ſeinem langen

ſtruppigen Bart. Na , das iſt nun audy aber ſchon lange vorbei und mit der Küſſerei hat es ſchon mandh' liebes Jahr aufgehört.

Obichon wir eigentlicy Alle von dem ganzen langen Schladıtentag , an dem wir von früh Morgens an auf dem Pferde geſeſſen , ziemlid) ermüdet waren , ſo dadyte doch noch

ſo leicht Reiner an das Einſchlafen , ſo luſtig und vergnügt fühlten wir uns Ade. Und wenn hie und da wirklich Ciner

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mal ein Bischen einduſeln wollte , jo ließen ihm die Anderen dod keine Rub' dazu, er mußte wach bleiben und mit trinken

und ſingen , da half ihm weiter nichts dagegen . Erſt ſo ges gen Morgen wie der Wein allmälig zu Ende ging , ſtredten wir uns der Länge nach mit Stiefel und Sporen auf unſere

Sopha’s hin und machten einen kleinen Schlaf.

So auf

einem weichen , gepolſterten Sopha , ordentlich mit Springfes dern , hatte ich mein Lebtag noch nicht gelegen und ich muß ſagen , das Ding gefiel mir recht gut, obſchon es fich , wenn man nur ſehr müde iſt, auf Stroh, ja ſelbſt auf harten Pflas ſterſteinen doch auch nicht ſchledyt dlafen läßt. Na , am Morgen des 31. März Anno 1814 war denn nun der feierliche Einzug der verbündeten Monarchen in das

eroberte Paris. Etwas Schöneres wie das, fonnte ein preu Biſcher Soldat in ſeinem Leben nidyt ſehen und ich freue mich noch , daß ich das Glück damals hatte, ſo den ganzen Einzug

recht gemüthlich mit anſehen zu dürfen. Es ward nicht vielen von uns ſo gut , denn die meiſten Regimenter von unſerem Armeecorps , famen gar nicht mit in Paris hinein , ſondern mußten gleich um den Ort herum , weiter marſchiren. So

haben die Meiſten die große Stadt mit all' ihrer Pradt nur aus der Ferne geſehen und ſind in Frankreich geweſen , ohne zu wiſſen , wie es in Paris ausſieht. Daß gerade alle die Truppen , die vor der Stadt ſtanden , auch auf lange Zeit mit hinein kommen ſollten , ging wohl nicht gut an , denn es gab noch franzöſiſche Soldaten zu verfolgen und der Bonas

parte wollte ſich immer noch nicht als beſiegt angeſehen wiſſen . Man hatte aber geſagt, viele unſerer preußiſchen Res gimenter und beſonders ſolche von unſerem Yord'ſchen Corp8 hätten ein zu abgeriſſenes , verwildertes Ausſehen , als daß man ſie den eleganten Pariſern vorführen könne, und ſo

müſſe man nur danad) trachten , fie bald von der Hauptſtadt

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fortzubringen. Nun muß man freilich ſagen , daß mit den Meiſten unſeres Regimentes , was das ſdymude und propre äußere Anſehen anbelangt, gerade fein beſonderer Staat mehr zu machen war.

Die Montirungen ſaben ſo ſchmierig und

ſchmußig aus , daß man kaum noch erkennen konnte , welche Farbe ſie denn eigentlich hätten , und Flicken und Flecken aller Art waren nur mehr wie zu viel auf denſelben. Fa manche Soldaten trugen gar nicht ihre vollſtändige Montirung mehr, ſondern hatten Mäntel , Helme, Ghafos , wie ihnen gerade

ſolche in die Hände gefallen waren.

Hatten wir z. B. in

unſerer Schwadron doch einen Huſaren , einen äußerſt braven

Kerl , der beim Einbauen gewiß immer mit der Erſte war, der trug ſtatt des Mantels während des ganzen Feldzuges einen langen , fdwarzen Prieſterrod , wie ihn ſo die katholis ſchen Prieſter haben , über dem Dolman. Das ſah denn ganz pupluſtig aus und die anderen Huſaren hatten oft ihren Spaß darüber und nannten ihn immer den „ Pfaffen . Aber 11

alle dieſe Verrungenirungen der Montirung waren bei der eifrigen Verfolgung des Feindes Tag und Nacht durch ges ſehen , und die Soldaten hatten wahrbaftig feine Schuld

Gerade die Regimenter oder Abtheilungen , die am Angeſtrengteſten auf den Beinen geweſen waren und dem daran.

Feind am Heftigſten zugelegt und auch ſelbſt die meiſten Leute

verloren hatten, ſahen , wie das auch nicht anders ſein konnte, am Schmierigſten und Abgeriſſenften jeßt aus . Na , daß es dieſe braven Kerle denn nidyt wenig verdroß , als ſie hörten , einige vornehme Serren hätten geſagt, fie fühen zu ſchmußig

aus, um ſich vor den Pariſern bliden laſſen zu fönnen , war natürlich. Etwas Gehöriges gefludit und raiſonnirt ward

über dieſe Zurückſeßung und ſelbſt die Herren Officiere ſpra chen ihre Mißſtimmung darüber ganz offen aus. Em Zor nigſten war unſer Herr Feldmarſdall von Blücher Excellenz

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ſelbſt, und da er nicht gewohnt war ein Blatt vor den Mund zu nehmen , ſo fiel denn manches harte Wort von ihm über

die Federfuchſer und die vornehmen Herren mit den goldges ſtickten Krägen , die ſich ,! wenn es was gegolten , immer weit vom Schuſſe gehalten und jeßt ſich ſchon wieder auf's hobe 1

Pferd gelegt und dieſen Befehl mit veranlaßt hätten. ,,Seine

Jungen die ſähen ſo aus , wie es ſich für brave Soldaten, die nicht auf der faulen Bärenhaut gelegen hätten , nach ſol den Feldzügen gehörte , " ſagte der Alte, „ und wenn ſie den

Pariſern auch alle ihre bloßen H ..... zeigten , ſo wäre es : für die auch gut genug ." Er nahm das Ding auch ſo frumm, .

daß er ſelbſt die Einladung an dem Ginzuge theilzunehmen, entſchieden ablehnte und erſt einige Zeit ſpäter , wo er das

Oberkommando über unſer ſchleſiſches Heer ſchon niedergelegt hatte, ganz ſo als einfacher Mann in Civilfleidung in Paris

fich aufhielt. „ Wo ſeine braven Soldaten nicht ſein ſollten , oi da möge er auch als Feldmarſchall nicht ſein, “ ſoll unſer Alte tel geſagt haben . Na , ob denn nu darüber raiſonnirt wurde oder nicht,

das blieb ſich am Ende einerlei, der Befehl war nun einmal da und mußte ausgeführt werden , und ſo zogen denn unſere

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meiſten Regimenter um die Stadt herum , ohne weiter viel

von derſelben geſehen zu haben . Von den Ordonnanz-Unters officieren , die gerade in ſeinem Hauptquartier kommandirt waren , hatte unſer Alte aber den Meiſten , die gerade nicht I

1

im Dienſt fich befanden , die Erlaubniß gegeben , nach Paris

1 di

hineinreiten und fich den großen Einzug ein Bischen mit ans

ſehen zu dürfen. Ein Adjutant mußte Jedem eine Erlaubniß

die

farte ſchreiben , worauf ftand : „ Auf ausdrúdliche Erlaubniß Sr. Ercellenz des Herrn Feldmarſchalls von Blücher nad Paris beurlaubt“ und da mußten uns denn die Wachtpoſten i an den Thoren , die ſonſt allen einzelnen Soldaten den Eins

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de tritt in die Stadt verwehrten , wohl pafſiren laſſen , ſo daß

wir Alles ganz genau mit anſehen konnten. Ein prächtiger Frühlingstag war es und die liebe Sonne

i ſchien ſo hell und klar vom blauen Himmel herab , als wolle

u fie zeigen, daß fie fich auch über den Einzug der verbündeten 1. Potentaten zu freuen vermöge. Gegen 10 Uhr Morgens fing

I denn nu der Einzug an, und mein Lebtag werde ich den nicht mit vergeſſen. Zuerſt mehrere Schwadronen von den doniſchen mi Gardefojađen Sr. Majeſtät des Raiſers von Rußland , die den Zug eröffneten und Platz durch das dichtige Volfsgedränge it madyten .

Gar viele tauſend Perſonen , alt und jung , vors

nehm und gering, Mannsperſonen und Weibsbilder Alles i bunt durd, einander, hatten ſich auf den Straßen und Pläßen

aufgeſtellt,, um den Einzug mit anzuſehen. Alle Fenſter in den Häuſern waren Kopf an Kopf dicht voll und ſelbſt auf i den Dächern ſaßen viele Perſonen . Wie verrückt hatte fich nu theilweiſe dieſe Menſchenmenge und ſchrie und jubelte und

,

wehte mit weißen Tüchern und that , als ob ſie vor Freude .

über dieſen Einzug außer fich wäre , ſo daß die Pferde faſt 1 ſdheu darüber wurden , und man ſein eigenes Wort faum vers Eftehen konnte. Sollen allezeit große Windbeutel und Narren geweſen ſein dieſe Pariſer, auf die nidyt der allergeringſte

mit Verlaß iſt. Wer gerade die Oberhand über ſie hat , dem ju

beln ſie zu , gleichviel wer es auch ſein mag, heute Dem, und il morgen wieder einem Anderen . So hatten ſie vor kurzer Zeit ti noch den Bonaparte hod leben laſſen und gethan , als wenn

UA ,

7

fie

gern die größten Opfer für ihn bringen wollten , und nun wir dieſen ordentlich verklopft und fortgejagt hatten , ließen

fie uns hoch leben. Und gar beſonders die vornehmen Weibss bilder ſo in Sammt und Seide und mit großen Federn auf

den Hüten , wie ein Schlittenpferd herausgepußt , die hatten

Mi fich am Nergſten und ſchmien toller, wie bei uns im Lande

188

die Bauermädchen zu thuen pflegen, wenn fie am Jahrmarfts tag wieder aus der Stadt zurückgehen , und zum geräucherten Spidkaal etwas zu viel, von dem ſüßen Kirſchwein getrunken haben . Da waren mir denn doch die alten Soldaten vom Bonaparte, die, weil der nun einmal ihr Kaiſer und Feldherr war, aud) bis zum leßten Augenblick treu bei ihm ausharrten und muthig für ihn in das Feuter gingen, viel lieber wie all'

dies vornehme Pariſer Gefindel mit ihrem Geſchrei und Tü chergeſchwenke. Um aber wieder auf den. Einzug der verbündeten Poten

taten zu kommen, ſo famen hinter: den Gardekoſacken Se. Ma jeſtät der Kaiſer von Rußland und Se. Majeſtät unſer hoch . auf ſalutirend felige König Friedrich Wilhelm III .

ſtolzen Pferden angeritten. Na, was wir Preußen , die wir uns auf einen Klump zuſammen gedrängt hatten , u18 denn freuten, als wir ſo Se. Majeſtät unſeren König hier in Paris 1

1

einreiten ſaben , brauche ich Euch wohl nicht erſt zu ſagen , Rinderfens .

Aus Leibesfräften riefen wir unſer deutſches

„Hoch lebe Se. Majeſtät unſer König von Preußen " und ſo ein Ruf hatte mehr zu bedeuten , als dies franzöſiſche Ges 1

ſchrei, denn er fam aus der Bruſt treuer preußiſcher Soldas ten , die jeden Augenblick bereit waren , Blut und Leben für 1

ihren angeſtammten König zu geben , wie es auch nur ihre Schuldigkeit iſt. Und Se. Majeſtät unſer König, als er dies ſen deutſchen Ruf hörte , fah nach uns hin , und da er die Uniformen ſeiner preußiſchen Soldaten erfannte , da nidte er 1

uns freundlich mit dem Kopfe zu und winkte mit der rechten Hand ein Bischen.

Das war denn doch für uns Preußen

der ſchönſte Augenblick des ganzen heutigen Feſttages. Mit: ten zwiſchen den beiden hohen Regenter ritt der Fürſt von

Schwarzenberg Durchlaudyt, der Oberanführer vom ganzen Heere, und dies war doch gewiß der größte Ehrentag , den

2

109

· er in ſeinem ganzen Leben noch gehabt. Er hatte ihn anch .. redlich verdient und wir gönnten ihm denſelben von ganzem

Herzen , obſchon wir bei unſerm Yord’ſchen Corps oft nicht wenig über ihn raiſonnirt hatten, wenn er nicht ſo raſdy vors gehen und dem Bonaparte fo . heftig . auf den Leib rücken

wollte , wie wir häufig gewünſcht hätten. Er mochte wohl ſeine beſonderen Urſachen dazu gehabt haben , die wir nidyt : wiſſen fonnten. Hinter dieſen Drei hohen Perſonen fám denn ein ſolch großes Gefolge vornehmer Herren Generäle und

anderer Officiere ángeritten, daß man gewiß zwei vollſtändige Sdwadronen daraus- hätte machen können. Da gab es denn gar verſchiedene Uniformen zu ſehen, rothe, blaue, grüne und weiße und noch von allen anderen nur denkbaren Farben , und Ordensſternen in Brillanten und Gold und Süber ges ſtickte Fragen, und dies funfelte Alles ſo in der hellen Mors

genſonne, daß Einem die Augen ſchier davon übergeben fonn ten. Ja ſo eine Pracht wie dazumals bei dem erſten Einzug in Paris , die fommt gewiß ſo leicht nicht wieder auf dieſer Welt zuſammen. Und Pferde gab es da zu ſehen , Donners

wetter, ich hielt gewiß was auf meinen kleinen Hänſeken, aber wenn ich mir Eins von dieſen ſtolzen Roſſen dafür hätte auss ſuchen dürfen , ich glaube doc faft, id) hätte ihn gern ver-, , tauſcht. Hinter dieſem glänzenden Gefolge , von gewiß ein paar hundert Officieren , famen nun die eigentlichen Truppen,

welche die Beſaßung von Paris ausmachen ſollten. Zuerſt die Huſaren und Uhlanen der faiſerlich ruſſiſchen Garde, eine

ſo ſtattliche Reiterei, wie man ſie nur wünſchen konnte. War fie doch auch während des ganzen Feldzuges ſehr geſchont worden , obſchon ſie ſich ſonſt mehrfach gut geſchlagen hatte, und fo fonnte ſie wohl blank und gepußt ausſehen. Hinter der ruſſiſchen Garde-Reiterei folgten zwei faiſerlich iſtreichiſche Grenadier-Bataillone , ſchöne große Leute 1, denen die boben

190

-

Bärenmügen, die ſie auf dem Stopfe hatten, auch nicht fühlecht

MAI ſtanden, und dann zwei öſtreichiſche Infanterie - Bataillone, 1.the

zwei würtembergiſche Infanterie - Bataillone und dann wieder 3

zwei öſtreichiſche Grenadier - Bataillone. Nun kam die Infans harใน terie der ruſſiſchen Garde und darauf die Infanterie unſerer diese föniglich preußiſchen Garde. Legterer fonnte man es noch som bie und da anmerfen , daß fie erſt am vorigen Tage ein bißi.

ges Gefecht mitEhren beſtanden hatte. Wenn auch das propre tur me Ausſehen ein Bisdien darunter leiden mag , ſo ſieht, nach meinem Geſdymade, doch ein Regiment nie ſchöner und ſtatt den

licher aus, als wenn es ſo eben aus einerſiegreichen Sdilacht, a juía 1

in der es mit Ehren gekämpft hat, zurückkommt.

Den Schluß dieſer großen Truppenmenge , die wohl an

Ali,

35000 Mann betragen mochte, bildete die ſdhwere Kavallerie pana und unſerer und der ruſſiſchen Garde, mit ihren blißenden Küraſ ſen und hoben blanfen Helmen . An die drei Stunden faſt in die dauerte dieſer Einmarſch und die Pariſer konnten ſchon ers gure

kennen , daß Truppen genug da wären , um ſie in Ordnung , dag

wenne. zu halten , wenn ſie etwa nicht kouſchen wollten und thuen ,

was ihnen befohlen wurde. Mit ſo einer großen Hauptſtadt uns 1

da muß man nid)t allzu viele Umſtände machen , ſonſt iſt es weit gefehlt. „ Parirt und thut was Euch befohlen wird, oder Harfen es giebt was drauf ,“ muß es heißen , auf die Weiſe kommt dodh man am Beſten damit weg. 1

Als wir denn nun den Einzug der Truppen und den

101

Vorbeimarſch derſelben vor den hohen Monarchen mit anges wen uit

ſehen hatten , fuhren wir ein Bisden in der Stadt ſpazieren.In

Unſere Pferde hatten wir in einem Wirthshauſe am Thore tenant it eingeſtellt und gut verſorgt, und ſo wollten wir denn heute mal ausnahmsweiſe die großen Herren ſpielen, und uns hera ha jeb umkutſdiren laſſen. Heute an dem Einzuge in Paris konnten jetzt

wir uns dies ſchon erlauben , obſchon ich mid ) ſonſt immer amor

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nicht årgern muß , wenn ich ſehe, daß noch ganz junge Soldaten - Bao chon in einem Wagen ſich in der Stadt berumfahren laſſen,

Danne als wenn ihnen der liebe Gott nicht ihre geſunden Beine

un die zum Gehen gegeben hätte. nterie Bei dieſem Beſehen von Paris hatten wir noch einen

mune Spaß , den id ) Euch auch noch gleich mit erzählen will.

[ age cz: Wir waren ' eben aus dem Wagen geſtiegen und wollten , ich u dobr weiß nicht mehr was , beſehen , als ein ſehr ſchönes Frauen .

jo fiebe zimmer , was etwas Vornehmes ſein mußte, denn ſie hatte

mer uz: einen Bedienten, der eine redyt bunte Livree trug,hinter ſich, when es auf uns zukam und in einem Deutſch, was ſo halbwegs ver ſtändlid) war , und fragte , ob wir nicyt preußiſche Soldaten dieu wären. Na , wir hatten denn keine Urſadye , uns deſſen zu

1.

T'ere Azeri chämen und ſagten ja , das wären wir.

Die Dame' wurde

benden et nun noch viel freundlicher gegen uns und ſagte , wir ſollten

Sunda nur in die nächſte Reſtauration mit fommen , da wollte fie uns ein gutes Frühſtück vorſeßen laſſen , Alles aus purer

inten jar

ie inDu Freude , daß ſie jeßt endlich preußiſdie Soldaten in Paris

en and a lehen fönne. Wir dachten zuerſt einen Augenblic nad) , ob ben gul man uns nid )t vielleicht in einen Hinterhalt locken. wolle,

II, joni allein wir waren unſerer ſechs Unterofficiere, die wir Alle una

len min fere ſcharfen Säbel an der Seite trugen , 2 Behinid denn doch zu flüglid geweſen , wenn wir

Furcht zeigen ſollen. 20 ERC von einem

ſchönen

und ſo wäre es irgendwie hätten Zu einem guten Frühſtück läßt man Frauenzimmer aber nidyt vergebens

edien mit einladen und ſo folgten wir denn derſelben Etudt in nehm ausſehende Reſtauration. Hier ward

in eine ſehr vors

denn ein Frühs

wuje ani tück für uns aufgetragen , was wahrhaftig für unſere Herren wirdemi' Lieutenants nicht zu ſchlecht geweſen wäre , und am beſten

, unda

Wein fehlte es aud) nicht. Unſere Frau Wirthin , die , wie

i Paria wir jept erfuhren , eine vornehme Gräfin ſein ſollte, that y Jonsi dabei nod immer gar freundlid) und ließ mit Nöthigen und 1

-

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Einſchenken gar nicht nach , ſo daß wir uns die Sache nicht recht erklären konnten und wahrhaftig faſt auf den Gedanken gekommen wären, ſie habe ſich in uns 6 alte Huſaren zuſam men verliebt und wolle uns nun zu gleicher Zeit zu Liebhabern

haben. Na, endlich fam aber des Pudels Kern zum Vorſchein . Wie die Frau glaubte, daß uns der Wein wohl ſchon ein Bischen zu Kopf geſtiegen ſein möchte, ſo holte ſie ein großes Padet mit weißen Kofarden heraus und wollte jedem von

uns ein ganz Theil davon geben . Sie bat uns dabei , wir ſollten ſolche an unſere Chakos befeſtigen und gar auc an :: unſere Soldaten vertheilen , daß ſie dieſelben tragen thäten, und dann ſollten wir häufig rufen „ Vive les Bourbons

und allen Leuten in Frankreich ſagen , daß wir nur in den Krieg gezogen wären , damit die Bourbons , wie ſie ſolche nennen , wieder auf den franzöſiſchen Thron kommen möchten . Das war denn doch eine kurioſe Zumuthung von der Frau Gräfin an uns,. und wir hätten ihr faſt geradezu darüber in'or Geficht gelacht. „Nee , ſo etwas geht nicht, Frau Gräfin ," ſagte ihr aber ein Unterofficier von uns, der ein fixes Mauls : 1

werf batte und im

1

Sprechen nicht blöde war.

„Wir ſind

preußiſche Huſaren und tragen keine andere Kofarde, als uns * ſere ſchwarzweiße, wenn es uns nicht ausdrücklich befohlen wird . Rufen thuen wir auch nur „ Es lebe Se. Majeſtät unſer König von Preußen “" und nicht >„ Vive les Bourbons", “ denn dieſe ſind uns ganz gleichgültig , und ob nun ſie oder Andere hier auf dem franzöſiſchen Thron ſißen , darum füms mern wir uns nicht ſo viel wie um eine Pfeife Tabad. Den Napoleon Bonaparte haben wir zuſammenflopfen wollen , und da das geſchehen iſt, mag unſertwegen hier geſchehen was da

will.“ Solde Antwort erhielt das vornehme Frauenzimmer, die uns ſo heimlicher Weiſe für ihre Sache hatte anwerben wollen, und ſie machte ein verflucht ſaures Geſicht dabei und

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dagte gewiß, „ ſchade um das gute Frühſtück, was ich ſolchen groben Kerlen ſpendirt habe.“ War aber ihre eigene Schuld, denn Niemand von uns hatte ſie ja dazu aufgefordert. Bis gegen Nachmittag blieben wir nun noch in dem Paris, wo es viele ganz ſehenswerthe Dinge giebt , wie man in Wahrheit ſagen muß , und dann ritten wir ganz vergnüg. lich wieder in unſer Quartier zurück.

Unſer Regiment blieb

übrigens nicht lange in der Nähe dieſer Stadt ſtehen , ſons dern marſcirte mehr nordwärts gegen das Meer zu , wohin

068 ganze Yorck'ſche Corps verlegt ward .

A18 wir denn

nun Paris erobert hatten, ſo war dieſer Strieg auch eigentlich

zu Ende , denn die paar kleinen Vorpoſtengerechte , die noch vorfielen, waren kaum der Rede werth. Der Bonaparte ſoll gewaltig getobt und gefoutert haben 1, als er hörte , daß ſeine gänzliche Abſegung feſt beſchloſſen ſei und er aus dem Lande beraus müſſe. Das half ihm nun aber alles nichts , fort

mußte er, er mochte nun wollen oder nicht, und das war ein großes Glück , denn dieſer einzige Mann hatte mehr wie zu viel Unheil in der Welt angeſtiftet. Na , er ſollte ja noch

mal wiederkommen und das alte Spiel nochmals verſuchen , bis wir ihn denn zum zweitenmal ſo verklopften , daß er für alle Zeiten daran genug hatte. Einen großen Schmerz hatte aber noch unſer ſogenann. tes ,,Sdleftiches Heer", als unſer Herr Feldmarſchall von

Blücher Excellenz den Oberbefehl darüber niederlegte und in einem öffentlichen Tagesbefehl, der Alen tief zu Herzen ging, Abſchied von uns nahm. Ich glaube wahrhaftig es war fein Soldat unter uns Allen , dem das nicht gewaltig leid that, denn nodymals und immer wieder muß ich es ſagen , unſer Vater Blücher das war ſo der wahre Feldmarſchall für uns

preußiſche Soldaten. III,

13

194

lange blieben wir nun auch nicht mehr in Frankreich, uud marſchirten denumit Sang und Klang und frohen Muths wieder in unſer Preußenland zurüd: Manchen braven

Kameraden hatte unſer Regiment zwar in den beiden Feld zügen von Anno 1813 und lt verloren , aber einen guten Namen fich erworben und Ehre geholt, das fonnte ſchon über ihren Verluſt tröſten .“

3ebntes Kapitel.

Es iſt ein gar trauliches Gefühl, an einem falten Wins

terabend., wenn der Sturm mit Madyt durch die hohen Tans nen heult, als wolle er ſie fammt den Wurzeln ausreißen, und der Schnee in dichten Flocken gegen die Fenſter wirbelt, in wohlgeheizter Stube und munterer Geſellſchaft zu ſißen. Man macht es ſich dann gern ſo behaglich wie möglich, plaus dert über Dies und Jenes und freut: fich innerlich recht ſehr,

daß man durch die ſtrenge Pflicht nicht genöthigt wird, ſold' unwirthliche Nacht im Freien zu verleben . Solch Gefühl hats ten quch die 12-15 preußiſchen Soldaten, die in der großen Wohnſtube eines Sdwarzwälder Bauernhofes auf Holzbänken um den mächtigen Kachelofeu , der eine wohlthätige Wärme ſpendete, herumſaßen .

Es waren meiſt unſere befannten Bus

faren, doch befanden ſich 3-4 Jäger eines Jäger-Bataillons, die ebenfalls auf dem Hofe einquartiert lagen , mit darunter.

1935

Gin ſo bequemes Negligee wie möglich trugen alle Leute, IRO und

von der großen Nettigkeit im Anzuge, die man mit Recht

den preußiſchen Soldaten nachrühmt, war an dem heutigen Abend nicht viel zu ſehen. Kurze Leinwandröde, hie und da Home auch die bloßen wollenen Unterziehjacken von grüner oder blauer Farbe, die fich die meiſten Soldaten angeſchafft hatten , vertraten die Stelle der Dolmans oder Waffenröcke, die Füße

fitecten in Schlarpen oder Holzpantoffeln , die man ſich im þauſe gelieben , und außer dem alten Unterofficier Erdmann batte Reiner die Halsbinde noch umgeſchnallt. Eben ſo frieds

lich wie das äußere Ausſehen war auch die Beſchäftigung, welche die meiſten Soldaten trieben, um die Länge des Abends etwas verkürzen zu helfen. Mehrere ſchnigten Lichtſpäne aus Tannenbolz , die in den Schwarzwälder Bauerhäuſern häufig an den langen Winterabenden ſtatt des Lichtes gebrannt werden , Andere flichten und fleckten an ihren zerriſſenen Kleidern berum , ja Einer ſtopfte ſogar eifrig die gros Ben Löcher ſeines arg zerriſſenen Strumpfes , während ein jelne für die Bäuerin Garn auf der Spuhle abwidelten . Selbſt der Unterofficier Erdmann war nicht müßig , ſondern

ſanikelte eifrig an einer kleinen Holzpfeife, die er dem jüng jten Buben des Hauſes, der ſein beſonderer Liebling war, zu verfertigen verſprodjen hatte. Es war ein hübſches Bild, wie der kleine rothbäckige Bube mit ſeinen frauſen , volden Loden

zu den Füßen des alten , ſilberhaarigen Unterofficiers, deſſen bageres Geſicht mit dem langmächtigen weißgrauen

ID !

ſcharfes, DO

MY

Sdnurrbart grell von dem Feuerſchein aus der Ofenthür bes

leuchtet wurde , daſaß , mit eifrigen Blicken die baldige Polls endung der Pfeife verfolgend, Jeft Sept war der Alte endlich

mit der Schnikerei fertig geworden , und dieſelbe dem freudig danach greifenden Buben mit den Worten „ da, Seppele, haft BIKEDu eine Flöte, auf der Du blaſen fannſt, wie der beſte Quer . 13 *

196

pfeifer unſerer Garde, " übergebend, ſtand er auf, um ſich die vielen fleinen Holzſpäne von ſeinen Hoſen abzuſchütteln.

Was aber denn nu anfangen ," meinte er, nachdem er fid ſeine Stummelpfeife friſch wieder geſtopft hatte. Zum Schlafengehen iſt es denn doch noch zu früh , und in die Hand zu nehmen habe ich auch gar nichts mehr."

„ Ih, da erzählen Sie wieder ein Bisfen, Herr Unteroffi cier , " ſagte der ihm zunächſt fißende Huſar. „ Die Zeit geht damit berum man weiß nicht wie , und wir haben hier den

grünen Jägern auch ſchon geſagt, was Sie uns immer für döne Geſchichten aus den Kriegsjahren von Anno 14 und 15 zu erzählen wiſſen ."

„ Ja, Herr Unterofficier Erdmann , wenn wir Sie bitten dürften , ſo möchten Sie nur die Güte haben , und etwas zu erzählen ,“ fiel jeßt Einer der Jäger ein. ,,Gut alſo, es ſoll erzählt werden , weil Ihr es denn fal haben wollt ," ſagte Erdmann. „ Wenn mir recht iſt, ſo habe

ich das Leptemal damit geendigt , wie wir mit dem Kriege Anno 14 fertig geworden waren , und ſo will ich denn jest etwas von dem von Anno 1815 , wo der Bonaparte zum

Leßtenmal von uns Preußen und den Engländern ſo gewala tige Schläge befam, ſprechen. So ein Bischen Ordnung muß doch in meiner ganzen Erzählerei herrſchen , und wollte ich

Alles ſo wie Kraut und Rüben durcheinander mengeliren, jo

würde Euch das auf die Länge ſchlecht gefallen . Ein ruhme würdiges Jahr für unſere preußiſche Waffenehre iſt aber dies 的 , von Anno 1815 , und mit gerechtem Stolze fann unſer Heerfun darauf zurückblicken. Es wäre wahrhaftig dem Wellington und feinen Engländern, ſo ſehr brav fte auch gefochten haben, bei Belle Alliance ſchlecht gegangen , wenn wir Preußen nichthill zuleßt noch anfamen und ſte aus der Patſche zogen . 3d de habe mir vor einigen Jahren mal erzählen laſſen , der Wela

197

lington habe dies läugnen und ſogar öffentlich behaupten wollen, die preußiſche Hülfe habe ihm an dem Tage nicht all. zuviel genügt und er ſei auch wohl ohne dieſelbe mit dem

Bonaparte fertig geworden. Offenherzig muß ich aber ges ſtehen , ich habe ſo etwas anfänglich gar nicht recht glauben wollen , wenn ich es nicht ſelbſt von unſeren Herren Officieren

wiederholt gehört bätte. Thut mir dies leid um den Wels lington , für den ich ſonſt einen großen Reſpekt habe , da er ein tüchtiger Obergeneral war. Wenn auch die Engländer häufig oft ſehr großſchnäuzig ſind und die Verdienſte von anderen Leuten nicht gern anerkennen mögen, für ſo gewaltig undankbar, daß fie unſere Hülfe, die wir ihnen dazumals bei Belle -Alliance brachten , herabſegen wollen , kann ich ſie uns möglid) halten .

Na, um aber auf dieſen Krieg von Anno 1915 ſelbſt zu

kommen , ſo fam uns der gewaltig unerwartet übern Hals . Wir waren noch gar nicht ſo ſehr lange wieder in unſer Preu

Ben zurückgekehrt, und es gab viel in Ordnung zu bringeri und umzuändern daſelbſt. Se. Majeſtät unſer König hatte nämlich als gerechten Lohn noch viele andere Ländertheile, To beſonders in Sachſen und am Rhein zubekommen , und

bis das Militair davon mit uns alten Regimentern ganz auf gleichen Fuß gebracht wurde, war feine ſo ganz leichte Sadie. Es wurden viele neue Truppentheile errichtet, und wir alten Regimenter gaben von unſeren Leuten dahin ab , um einen

Stamm , wie man es ſo nennen thut , derſelben zu bilden . So fam z . B. von dem Blücher'ſchen Huſaren - Regiment eine I

ganze Schwadron zu dem 9. Huſaren - Regiment , was dazu 1

nals am Rhein neu errichtet ward , und ſo war es überall Der Fall. Mitten in dieſe Ummenglerei ' fiel denn die Nady idyt , daß der Bonaparte wieder von ſeiner Inſel entwiſdyt

ind in Frankreich angekommen ſei und der Krieg nu wieder

198

von Neuem anfangen würde, wie eine Bombe vom Himinel. Das hätte kein Menſch und wenn es auch noch ſo ein fluger, der den ganzen Tag die Naſe in den Büchern und Zeitungen ftecfen hat, geweſen wäre, geahndet, daß es ſo kommen würde.

Wir bei unſerer Schwadron waren gerade in der Reits bahn beſdhäftigt, um neue Remonten in Empfang zu nehmen, als ein Herr Lieutenant plößlich im Geſchwindſchritt anfam , und unſerem Herrn Rittmeiſter ſchon von Weitem zurief: „ Wiſſen Eie die Neuigkeit ſchon , der Napoleon iſt wieder in :

Franfreich gelandet und ſchon auf dem Marſche nach Paris. Alle franzöſiſchen Regimenter haben ſich ihm mit Jubel anges ſchloſſen .“ „ Ih , ſo laſſen Sie doch den ſchlechten Witz undik. erzählen hier feine folche Kindermährchen ,“ ſagte unſer Herr : Rittmeiſter etwas brummig und ging an ein Remontepferd: heran , um daſſelbe näher zu beſehen. „ Nein auf Ehre, eso iſt wahr und fein Biß , die Staffette iſt ſchon beim Regis I

mentsſtabe angekommen, daß wir uns eiligſt in marſchfertigen i Zuſtand feßen ſollen ,“ antwortete der aber wieder. Na , wa$ dies denn in dem Augenblid für einen Eindruck bei uns machte , fönnt Ihr Euch denfen , Kinderfens. Es hätte wahrs

haftig nicht viel gefehlt, ſo hätten Manche von unſeren Hus , faren ihre Remonten laufen laſſen , ſo verſtummt waren fie

darüber. Das gab denn beſonders unter den jungen Kerls von uns und gar unter unſeren jüngeren Herren Officieren, die gern raſches Avancement haben wollten , eine gewaltige Freude, als der Befehl auf der Parade befannt gemacht wurde, daß unſer Regiment in den nächſten Tagen ſchon abmarſduiren 1

ſollte.. Von den älteren Männern und beſonders ſolchen, die

fchon Frau und Kinder batten , fragten ſich wohl Mandie et →

was bedenklich hinter die Ohren , denn fte wußten aus fra

fahrung, daß die Krtege mit dem Bonaparte kein Kinderſpiel : ſeien und Mancher bort uns noch aus dem Sattel müſſe, bis

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wir wieder zum Zweitenmal in Paris einziehen könnten. Na, das war am Ende auch Einerlei , ob ſie lieber in den Krieg gezogen oder zu Hauſe geblieben wären . Hatten Alle doch die Ehre , Soldaten Sr. Majeſtät des Königs von Preußen zu ſein , und ſo verſtand es fid, denn von ſelber, daß ſte nad 1

beſten Kräften ihre Schuldigkeit thaten und freudigen Muths Blut und Leben daran ſepten , als der Krieg erſt wieder ges hörig losgegangen war.

So marſchirten wir denn einige Tage nach dieſer erſten Nachricht wirklich aus , und ohne ein Bischen Weinerei , ben

ſonders von dem Weibsvolt , ging es bei dieſer Gelegenheit nicht ab . Ihr habt es ja ſelbſt geſehen , als wir im vorigen Jahre nach Schleswig - Holſtein gegen die Dänefens , und in dieſem Frühling nach Baden gegen die Inſurgenters und Hes bellers ausmarſcirten , was die Weiber bei ſolchen Gelegens

heiten zu weinen und zu jammern wiſſen. Eben ſo, und noch eher aber ren 1, liche

ein Bischen toller, ging es auch dazumals zu. Was ſo die ganz ledigen Burſchen in unſerer Sdwadron was die weder Frau noch Kinder , ja nicht mal eine ordents Jungfer Liebſte zurückließen , die waren guten Muths

und ladyten , juchten und fangen : ,,Nu Adjö Lowiſe, Lowiſe wiſch ab Dein Geſicht, Eine jede Kugel die trifft ja nicht,

Denn träfe jede Kugel apart ihren Mann, Wo kriegten die Könige Soldaten dann . “ und Andere fangen wieder : „ Geh ' Du nur hin , ich hab ' mein Theil,

Ich lieb' Didy nur aus langer Weil , Ohne Dich kann ich ſchon leben, ohne Dich kann ich ſchon ſein."

und was denn noch mehrere ſoldier luſtigen Lieder waren , wie

fie die Soldaten bei derartigen Gelegenheiten wohl zu ſingen pflegen.

200

Was aber bei allen Regimentern , die nun immer mehr und mehr zuſammen rückten , eine gewaltige Freude erregte, war die Nachricht, daß Se. Majeſtät unſer König allergnäs digſt geruht hatten , unſern Herrn Feldmarſchall von Blücher

Ercellenz zum Oberbefehlshaber des ganzen Heeres zu ernen nen. Eigentlich hieß aber der Alte ießt „ Fürſt Blücher von Wahlſtadt Durchlaucht,“ denn Se. Majeſtät unſer König hatte ihn ja bald nach der Einnahme von Paris zum Fürſten ers

nannt. Er hat gewiß dieſem hohen Rang nur große Ehre gemacht, und es hat wahrhaftig ſchon manchen Fürſten geges ben , der viel ſchlechter war. Unſern Alten , den ſollte aber,

wie man uns beim Regimente erzählte, die Ruh' und gute Pflege, die er ſich im Frieden angedeihen laſſen konnte, ganz wieder auf die Beine gebracht haben. Geſund und munter iſt er in Berlin ſtets umher ſpazieren gegangen , hat ſeine Pfeife geſchmaucht, fein Spielchen gemacht und tüchtig ges

flucht und raiſonnirt, daß die Franzoſen bei dem leßten Frie den ſo gut weggekommen ſeien , und all die ſchönen Länder, wie *. B. da drüben den Eljaß , die fte in früheren Jahren den Deutſchen ſo ſchändlich geſtohlen , ruhig im Beſip behalten

batten. Na darüber fonnte er, meiner geringen Anſicht nad), auch wohl einen gewaltigen Zorn haben . Als er denn nu in Berlin die Nachricht erhielt, daß der Bonaparte den Eng

ländern , die ihn auf ſeiner Inſel in Gefangenſchaft halten ſollten , ausgefniffen und glüdlich in Frankreich gelandet fei, da iſt er in gewaltigen Zorn gerathen. Er iſt ſogleich in das Palais in Berlin, in dem der engliſche Geſandte wohnte, gegangen, und obſchon der Kammerdiener deſſelben ſagte, ſein 1

Bert ſchlafe noch, hat er ſich doch dadurch nicht abhalten lass

ſen , in deſſen Schlafftube zu treten. So hat er den ſchlafens den Geſandten am Arm gefaßt und munter gerüttelt und ihu

in die Ohren geſchrien : „Warum habt Ihr Engländer denn

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-

Eure Kriegsſchiffe im mitteſländiſchen Meere, wenn Ihr dert : Sadermenter , den Bonaparte wieder entwiſchen laßt , das iſt : ja eine Kreuz-Schod - Schwerenoths-Geſchichte. “ Da ſoll der Herr Engländer denn erſt gar nicht gewußt haben , wie ihm geſchehen und verflucht große Augen gemacht, als er von uns ferm Alten auf ſolche Art aus ſeinem beſten Morgenſchlaf aufs geweckt wurde. Dieſe Geſchichte iſt uns oft erzählt worden und wir haben ſie Alle gern geglaubt , denn ſte ſah unſerm Alten ganz gleich. Auch in ſeiner vollen Parade-Uniform als föniglich preußiſcher Feldmarſchall, iſt er am anderen Mittag durch die Lindenſtraße in Berlin ſpazieren gegangen , und mit

lautem Hurrahgeſchrei und Jubel haben ihn Ade , die ihn dort geſehen , begrüßt. „ Iebt geht der Krieg gegen die Frans

zoſen wieder . log , und wenn es Sr. Majeſtät unſerm Könige gefällt, mich dazu zu ernennen , führe ich als Feldmarſchall wieder den Oberbefehl über unſer preußiſches Heer,“ hat un ſer Alte dadurch ſagen wollen, daß er jo ſeine Feldmarſchalls Uniform mit allen Orden wieder anlegte. Für gewöhnlich war er nämlich gar kein großer Freund von glänzender Uni form , und pflegte am liebſten in ſeinem alten Ueberrod mit einfachem rothen Kragen und der kleinen Feldmüße auf dem Kopfe, herumzugeben . Es waren aber manche vornehme Hers 1

ren geweſen , die unſern Alten nicht recht leiden konnten , weil

er ihnen zu geradezu und grob war und jedem Menſchen frei beraus die Wahrheit ſagte , wie er en verdiente , die hatten gemeint, derſelbe ſei ſchon zu alt und fränklich, um nochmals wieder den Oberbefehl zu führen , oder er ſei nicht gelehrt ges nug dazu und hätte nicht genug in den Büchern geleſen,

wie man es machen müſſe , um den Feind zu ſchlagen , und was dergleichen Redensarten denn mehr waren. Se. Majeſtät

unſer König der aber wußte ſelbſt recht gut , was für einen Mann er in dem alten Blücher hatte, kehrte ſich nicht an all?

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den Kifelkakel und geruhte wieder , demſelben den Oberbefehl über alle die preutiſchen Truppen , die zuerſt gegen die Frans

zoſen marſchiren ſollten , zu verleihen. Welche große Freude dies bei allen Regimentern machte , habe ich Euch aber ſchon vorhin geſagt. Es war mehr werth , daß wir unſern Feld marſchall Vorwärts " wieder an unſerer Spiße wußten , ais

wenn wir noch an 20-- 30,000 Mann ſtärker geweſen wären. Ia dies iſt ganz gewiß und Ihr könnt es mir auf's Wort glauben , Rinderfens , wenn auch vielleicht Manche von den

gelehrten Herrn Bücherſchreibern es anders behaupten wollen. Ein ſchönes Heer war es aber, was ſich von uns Preu: Ben denn nu im Frühling von Anno 1815 in aller Eile am

Niederrhein zuſammenzog. Der oberſte Anführer war alſo der Herr „ Feldmarſchall Fürſt Blücher von Wahlſtadt Durch laucht " und daß er der war, auch der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Grcellenz, den er ja ſeinen beſten Freund und Bruder nannte, nicht fehlen durfte, darauf fonnte man Gift nehmen . Das 1. Armeecorps, das befehligte der Herr Genes

rallieutenant von Ziethen Excellenz, und von der Kavallerie ſtand bei derſelben das brandenburgiſche und das weſtpreits Biſche Dragoner-Regiment , und das brandenburgiſche und 6. Uhlanen - Regiment und die 4ten ſchleſiſchen Huſaren und an 8 Schwadronen furmärkiſcher Landwehr-Savallerie. Von In

fanterie war da, ſo viel ich mich noch erinnere, das 12. , 24., 29., 6. , 7. , 29. und 19. Linten -Regiment und 4 Regimenter weſtphäliſche Landwehr und 4 Compagnien ſchleſiſche Schüßen . Daß es an Artillerie auch nicht fehlte, läßt fich denken , und die 3. , 7. , 8. und 5. Fußbatterie, 3 reitende Batterien , 3 1

zwölfpfündige Batterien und eine Haubigbatterie konnten ſchon was zuſammenknallen . Im Ganzen ſoll dico Armeecorps des

Herrn Generallieutenants von Ziethen Excellenz an die 30,000 Mann ſtark geweſen ſein, darunter an 2000 Mann Kavallerié.

203

Das II. Armeecorps hatte den Herrn General von Pirch 11 ,

zum Anführer, und die Reſerve-Kavallerie deſſelben , unter dem Herrn Generalmajor von Jürgaß, zu der auch unſer Huſarens Regiment gehörte, beſtand außerdem noch aus den ſchlefiſchen Uhlanen , dem neumarkiſchen und dem 1. Dragoner-Regiment, was jeßt wieder „ Königin Küraſſiere “ geworden iſt, den pom merſchen oder wie fie fich lieber nennen ließen , Blücher'ſchen

Huſaren , uns brandenburgiſchen Huſaren und den 4. und 5. furmärkiſchen Landwehr -Ravallerie-Regimentern. An Infanterie hatten wir bei uns das 2. , 25. , 9. , 26. , 21. , 22. , 23. , 14. Rinien - Regiment und dann weſtphäliſche und mehrere foges 1

1

nannte damalige ,, Elblandwehr-Regimenter, an Artillerie aber 2 zwölfpfündige Batterien , 5 ſechspfündige und 3 reitende 1

Batterien . Auch dies Armeecorps ſoll an 31,000 Mann und darunter faft an 4000 Mann Ravallerie ſtark geweſen ſein. Das III. Armeecorps befehligte der Herr Generallieutes

nant von Thielemann Excellenz, der früher in ſächſiſden Dien ften geftanden haben ſoll. Daſſelbe hatte an Ravallerie das 5. , 7. und 6. Uhlanen - Regiment , die aber meiſt noch nicht

ganz vollſtändig formirt waren , das 4. Dragoner -Regiment, 3 Schwadronen von dem 9. Huſaren - und das 3. und 6. furmärkiſche Landwehr-Kavallerie-Regiment, an Infanterie das 8. , 27., 30. und 31. Linien - Regiment und dann viele kurs märkiſche Landwehr- Infanterie, an Artillerie aber 1 zwölfpfün dige , 2 fech& pfündige und 3 reitende Batterien . Dies 10 . Armeecorps ſoll nur an 23,000 Mann ſtarf geweſen ſein. Das IV. Armeecorps kommandirte der Herr General der Infanterie Graf Bülow von Dennewiß Grcellenz , der fid ja

ſchon in den früherent Striegen einen ſo berühmten Namen ge macht hatte. Die Kavallerie deſſelben hatte den Prinzen Wil helm von Preußen königliche Hoheit , von dem ich Euch ja (don früher fo viel fchöne Thaten erzählen konnte , zum All

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führer und beſonders aus dem weſtpreußiſchen Uhlanens, dem

2. ſchleſiſchen und dem 8. und 10. Huſaren - Regiment , und dann noch aus Pommerſcher , ſchleſiſcher und neumärkiſcher Landwehr-Reiterei. Von Infanterie waren das 10. , 11. , 15. und 18. linien - Regiment und neumärkiſche, pommerſche und beſonders auch viele ſchleſiſche Landwehr-Regimenter in dieſem

Corps. An Artillerie 3 zwölfpfündige , 5 fechspfündige und .

3 reitende Batterien , daſſelbe roll auch ungefähr an 30,000

Mann betragen haben . Im Ganzen ſoll beim Anfang des Feldzuges die Stärke des ſogenannten „niederrheiniſchen Hees res " an 116,000 Mann und darunter faſt 12,000 Mann Ras

vallerie geweſen ſein. Kanonen ſollen wir an 300 Stück ges habt haben. Ich habe mir dazumals dieſe Liſte von einem

guten Freund , der bei der Schreiberei im Hauptquartier ans

geſtellt war , mittheilen laſſen und ſie mir gut im Kopfe ges merkt , denn mir däucht, es fann nichts ſchaden , wenn ein preußiſcher Unterofficier recht genau weiß , ' was für Truppens theile von unſerm Heer , dazumals einen beſonders thätigen Antheil an den großen Kämpfen genommen haben. Freilich iſt ſeitdem ſchon Vieles wieder umgeändert worden und manche Regimenter haben ganz andere Namen und Nummern erhals ten . Uebrigens müßt Ihr nicht glauben , Kinderfens, daß wir

Preußen dazumals nidyt mehr Truppen auf den Beinen hats ten , als die , welche ich Euch eben nannte.

Ja , da wäre es

weit gefehlt geweſen, und alle, die uns ſo unſern Ruhm und unſer Glück beneideten, hätten das Maul noch viel mehr aufs

gethan , wie ſte es ſo ſchon thaten. So hatten wir noch in Reſerve das Corps , was der Herr General der Infanterie Graf Yorck von Wartenburg Excellenz, denn dieſen ehrenvol. len Namen hatte Se. Majeſtät unſer Rönig ihm gegeben , bes

fehligte. Das waren auch noch an 36,000 Mann tüchtiger Truppen. Auch der Herr Generallieutenant Graf Tauenzien

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von Wittenberg befehligte noch ein Corps von 37,000 Mann, und auch das geſammte Gardecorps unter dem Befehl des Prinzen Karl von Mecklenburg Hoheit blieb als Reſerve zu rück.

In unſeren Feſtungen hatten wir auch noch eine gute

Portion Soldaten mit Geſchüßen ſtehen , ſo daß immer friſche Mannſchaft nachrücken konnte , wenn auch bei dem erſten Zu ſammenſtoß noch ſo viel verloren gehen ſollte. In Lüttich , was eine reiche, große Stadt iſt, die jept, glaube ich , zu Belgien gehört , ſollte das Hauptquartier von 1

unſerem Herrn Feldmarſchal Durchlaucht ſein und ſo weit es die Verpflegung erlaubte , ſammelten fich alle unſere einzelnen

Corps möglichſt nahe 'darum herum. Was das denn für eine Freude bei allen unſeren einzelnen Truppentheilen war, als ſie unſeren Alten zuerſt wieder zu Geſicht bekamen , kann ich Euch kaum mit Worten ſagen , Kinderkens. Gin Furrahs und Lebehochrufen war es , das gar nidyt enden wollte, und

jeder einzelne Soldat faſt ſchien noch an Courage gewonnen zu haben , da er wußte, daß er jeßt wieder unter des Herrn Feldmarſchalls - von Blüdyer Durchlaudyt Befehle ftebe. Aber auch der Alte ſah ſo friſch und rüſtig aus, wie ich ihn lange

nicht geſehen , und war ſeit dem vergangenen Jahre förmlich wieder, dem Anſehen nac ), um ein paar Jährchen jünger gewor den. Zufällig begegnete ich ihm mal in Lüttich, gleich in den erſten Tagen nach ſeiner Ankunft dort, als er mit einem gros Ben Gefolge von vornehmen Herren Officieren in den Stra Ben umherging. Ich ſtellte mid, denn natürlich , wie es fidy

gehört, in Front hin und machte meine Salutirung. ,, Sdwes renoth, Frige Erdmann, Du biſt das. Sieh, das freut mich ſehr, daß Du mir ſogleid unter die Augen kommſt. Iſt im mer gut, wenn ein paar alte Bekannte ſich wieder mal bes

gegnen , " redete der Alte mich in ſeiner herablaſſenden Weiſe „ Ja ,“ ſagte er zu Einigen der ihn begleitenden Herren

an .

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-

Stabsofficiere, ,, der Unterofficier und id find ſchon alte Bes faunte von Anno 1803 ber und haben ſchon Manches mit einander durchgemacht, und fein Vater der bat mir im Fiebens

jährigen Kriege auch ſchon mal aus die Feinde herausgebauen . Na, wie iſt es Dir denn gegangen , ſeit wir zulegt vor Paris uns ſaben , " fragte er mich nun wieder. „ Zu Befehl , Ew. Durchlaucht , " antwortete ich. „Ganz gut iſt es mir ſeitdem ergangen, aber jeßt geht es uns Allen dod, beſſer, da wir wieder die bobe Ehre haben , unter Ew. Durchlaucht Befehle zu ſtehen .“

, Dat freut mir, daß Ihr gern unter meinem Kommando ſteht. Haltet Euch man wieder ſo brav wie das Leştemal, und der Bonaparte mit allen ſeinen Franzoſen ſoll wieder die beſten Schmiere von der Welt bekommen . Diesmal ſoul aber der Kerl, wenn wir ihn bei den Ohren faſſen , ſo einges ſperrt werden , daß er nicht wieder herauskommen und auf'8 Neue Unheil anſtiften kann, das verſprede ich Euch ,“ ſpracy der Herr Feldmarſchau Durchlaucht, und ſagte dann noch : „ Na, guten Morgen , Frige Erdmann , ich hoffe, id) friege Dir manchmal noch wieder als Ordonnanz - Unterofficier in meinem Hauptquartier zu ſehen , und ſeßte dann feinen Weg weiter fort. Was aber der Bonaparte doch für ein tüchtiger Soldat war und welche Macht er über ſeine Franzoſen beſaß, das konnte man jeßt im Frühling von Anno 1815 ſo recht wies: 11

der erfeunen. Man bätte faum glauben ſollen, daß es mögs lich wäre , ſo raſch wußte er ein ſtarkes Beer auf die Beine

zu bringen und gegen uns anrücken zu laſſen .

Wie das

Donnerwetter muß er hinter ſeinen Generälen und anderen

Officieren drein geweſen ſein und ſie Tag und Nacht zu Ars beiten angetrieben haben , ſonſt hätte in ſo kurzer Zeit nicht 1

Alles beſchafft werden können.

War da in unſerm Regiment

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3. fo ein naſeweißes junges Herrchen , der noch keine Spur von : Bart im Geſicht batte , und wie man zu ſagen pflegt, „ noch

Ćuicht ganz trođew hinter den Dhren war ,“ als Freiwilliger eingetreten. Der meinte in feinem Uebermuth deun , ne 108s würde wohl kaum nöthig ſein , die Säbel zu ziehen , und wir würden ſo ohne Weiteres ruhig in Paris einziehen können . " „Was ſind Sie auf dem Holzwege, " antwortete ihm unſer

Wachtmeiſter, ein alter verſuchter Soldat, der ſchon was mit E gemacht hatte. „,, Da fennen Sie den Napoleon und ſeine Franzoſen nicht. Denken Sie an mich , es wird noch eine

mordsmäßige Seilerei geben und mander Tropfen preußiſches

+

Blut fließen , bis wir wieder zum Zweitenmal iu Baris ein

marſchiren fönnen." Und richtig ſo kam es aud), und dieſer junge Freiwillige, der übrigens ſonſt ein ganz herzhafter

· Burſche war, erhielt bei Ligny von einem franzöſiſchen Küraſ fter noch einen ſo gewaltigen Säbelhieb über's Maul, daß

er ſein Lebtag die Spuren davon tragen, wird. Eine Schande ift es , wenn man ſich vor einem Feinde gerade viel fürchtet, E aber wenn man ihn gleich anfäuglich allzuſehr verachtet, fu taugt das auch nidyt viel.

Es war am 14. Juni , wie ich mich noch ganz gut erin nern fann, als unſer Herr Feldmarſchall. Durchlaucht die erſte Nachricht erhielt, daß ſich franzöſiſche Truppen unſeren äußer ſten Vorpoſten genähert hätten . Von dem Herrn Generals lieutenant von Ziethen Grcellenz ſeinem: Corp.8. kam dieſe Botſchaft, und noch in ſpäter Nacht erhielten unſere verſchies

denen Truppentheile ihre Befehle. Unſer Alte wußte recht gut, daß der Bonaparte raſch und gewaltig in ſeinen Angrif fen war , und war deshalb eben ſo raſdy und thätig , demſel ben zuvorzukommen . „ Un8. Preußen ſoll er nicht anführen , und wenn er ſidy auch noch ſo viel dreht und wendet , wiv

wollen ihm ſchon auf die Fährte paſſen ," bat der Herr Felds

-

208

marſchall von Blücher Durchlaucit geſagt , als ihm die Mels dung gemacht wurde , daß franzöſiſche Truppen im Anmarſch i gegen uns ſeien. Am 15. Juni, des Morgens noch in aller Dunkelheit , fielen die erſten Schüſſe der Franzoſen in dieſem Feldzuge von Anno 1915 auf uns preußiſche Truppen. Das zweite Bataillon von unſerem zweiten weſtphäliſchen Landwehr Regiment fam zuerſt in das Feuer und wurde von den Feins den ungemein heftig angegriffen , ſo daß es ſehr viele Leute i verlor.

von unſerer Kavallerie famen zwei Schwadronen ?

vom 1. weſtpreußiſchen Dragoner -Regiment den braven Weſts phälingern zur Hülfe , allein die franzöſtiche Kavallerie rückte in überlegener Menge vor , warf unſere Dragoner , nachdem fich dieſelben noch tüchtig gewehrt hatten , zurück und umzins

gelte dann eine Compagnie von unſerem 28. Linien -Regiment, ſo daß ſich dieſelbe endlich gefangen geben mußte. Das erſte weſtpreußiſche Infanterie - Regiment kam · nun allmälig auch i tüchtig in das Gefecht, und die 6. Uhlanen, die aus der Reis terei von dem Lüpow'ſchen Freicorp8 von 1813 und 14 er: richtet waren , fanden auch Arbeit. Tüchtig ſchlugen ſich auch i

2 Bataillone von unſerem 12. Infanterie-Regiment, und die Franzoſen vermochten nicht ein Dorf, was von denſelben bes feßt war, einzunehmen, obſchon ſie wiederholt darauf losſtürm ten. Den ganzen Tag bis Abends nach Sonnenuntergang ging das Geknalle übrigens fort , und das 28. und I. weſt preußiſche Linien- und das 2. weſtphäliſche Landwehr-Regis ment mußten noch wiederholt in's Feuer hinein . Auch die

1. weſtpreußiſchen Dragoner ſollen noch mehrmals auf fran : zöſiſche Dragoner eingebauen haben, und wenn ſie ſolche auch

nicht zu werfen vermochten, ſo hielten fie dod, das alzuhißige Vordringen derſelben auf und verſchafften ſo unſerer Infans terie Zeit , daß fie ſich in guter Ordnung zurückziehen konnte.

Gegen Abend kamen auch die brandenburgiſchen Dragoner,

die unſern angegriffenen Truppen zur Hülfe geſchickt waren, nody ein Paarmal zum Anreiten , und machten ihre Sache jo

gut, wie man es von dieſem Regimente ſchon erwarten konnte. Als denn endlich auch der Herr Generalmajor von Röder, der die Reſerves tavallerie von unſerem I. Armeecorps befehs

ligte , mit den brandenburgiſchen Uhlanen und mit kurmärki ther Landwehr-Ravallerie anrücfte und gegen die Franzoſen

ein paar mitgebrachte reitende Batterien ſpielen ließ , da meinten dieſe dody wohl , daß weiteres Vorrüden nun doch

nicht mehr recht rathſam ſein würde , machten Halt , und ſo endigte das Gefecht dieſes Tages. Daß daſſelbe ein für uns glückliches war, kann man in Wahrheit nicht ſagen , und wir ſollen ungefähr an 1200 Mann verloren haben , ohne daß dadurch viel erreicht wurde. Beſonders die Füſelier-Bataillone

vom 28. Linien- und 2. weſtphäliſchen Landwehr - Regiment hatten ſo viel Leute verloren, daß ſie zu ſchwach wurden , um noch eigene Bataillone ausmachen zu können. Aus den bei den Bataillonen wurde daher ein einziges gemacht, was auch

recht gut anging. Ich war gerade als Ordonnanz-Unterofficier wieder in dem Hauptquartier von unſerem Alten , als ihm der legte

Bericht über dies Treffen gemacht wurde. Er hat zwar an

fangs ein Bischen gebrummt und geſagt : „ Das iſt ja eine Schwerenothsgeſchichte, und der Bonaparte der wird daraus ſo nach ſeiner Art einen recht lügenhaften Beridyt herausdrecis ſeln, als wenn er Wunder was für Vortheile gewonnen hätte. Ja, der Kerl wird fidi vergnügt die Hände reiben und lachen . Aber lady' Du und der Teufel nur , die Reihe des Lachens

kommt auch noch mal an uns wieder , und wer zuleşt lacht, lacht am Beſten." Ja , ſo ſoll unſer Alte geſagt und ſich dann ſeine Pfeife, die ihm im erſten Augenblick ausgegangen war, wieder friſch angebrannt haben. III .

Der ließ fid ſo leidyt 14

210

.

nicht einſchüchtern , und wenn es auch noch ſo ſchlimm gegan gen wäre.

Was nun die Verpflegung anbelangt , ſo war die zu jener Zeit in unſerem Beere recht gut, und Hunger und Durſt, wie beſonders Anno 14 und nun gar Anno 12 in Rußland

2 5

der Fall, brauchten wir nicht zu leiden. Dies war aber ein großer Vortheil für die Soldaten, denn Ihr wißt es ja ſelbſt, i Kinderkens , wie viel beſſer es ſich ſchlägt, wenn man erſt ſeine gehörige Mahlzeit eingenommen hat, als wenn man den ganzen Tag mit leerem Magen herumzotteln muß und am Abend im Bivouaf dann erſt recht nichts findet, was man

verzehren fönnte. Und nun gar erſt die Pferde , die können noch mal ſo viel aushalten , wenn ſie ihren gehörigen Hafer bekommen, als wenn ſie hungern oder nur Stroh und Gras freſſen müſſen. Dieſe Landſtridhe, in denen wir jeßt den Krieg führten , waren aber ſehr wohlhabend und auch noch nicht 1

von allzuvielen Truppen ausgeſogen , und ſo fonnte man

denn häufig auf gute Verpflegung rechnen. Auch aus dem nahen Holland und unſeren Rheinlanden her fonnte viel

Fourage und auch anderer Proviant angeldleppt werden. Da wir ja jeßt mitten im Sommer uns befanden , ſo war das Wetter auch nicht immer ſo ſchlecht , und man brauchte wes nigſtens nicht ſo viel zu frieren , wie dies bei einem Winters feldzuge oft der Fall iſt. In den lebten Tagen hatte es aber oft vom Himmel als wie mit Mollen heruntergeſchüttet, geregnet , und es ſchien oft, als wenn unſer liebe Herrgott da oben alle ſeine Schleuſen geöffnet, um uns lieber erſaufen zu laſſen , als daß wir uns gegenſeitig todtſchießen ſollten . Auch fein trockener Faden blieb uns oft am ganzen Leibe,

und was das Schlimmſte war, die Wege wurden in dem tiefen Lehmboden ſo patſchig , daß man oft faum mit äußerſter

Mühe, und Schritt vor Schritt, fich durcharbeiten konnte

1

51

+

!

Dies war namentlich auch für uns Kavalleriſten und beſona

ders ſolche, die als Ordonnanzen gebraucht wurden und das her viel zu reiten hatten , ſehr unangenehm. Na , man kann im Kriege ſich das Wetter juſt eben nicht ſo ausſuchen, wie man es wohl haben möchte , und muß ſchon mit dem zufrieden 1

ſein, was eben vom Himmel fommt. Da wir nun einmal wußten , daß der Bonaparte mit ſeiner ganzen Macht uns gegenüber ſtände , ſo fonnten wir

auf eine große Hauptſchlacht mit Sidherheit ſchon rechnen.

Wenn zwei ſolche Männer wie unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht und der Bonaparte mit ihren Beeren fico ſo nahe gegenüberſtanden , daß die Vorpoſten gegenſeitig faſt das Weiße im Auge erkennen konnten , ſo pflegten die nicht lange die Hände müßig in den Scooß zu legen oder ſich nur einen freundſchaftlichen „ Guten Morgen " zuzurufen. „Du oder ich, bieg' Dich oder brid),“ heißt es, und die Kas nonen frachten dann bald , daß Einem Hören und Sehen dabei vergehen konnte. Das war die Sprache, die ſo dieſe beiden Herren am Liebſten miteinander zu führen pflegten und worauf fie ſich auch am Beſten verſtanden . Es hilft dies auch am Meiſten ,1 und ſo ein tüchtiger Schlachtenlärm bringt oft an einem einzigen Tage mehr zuſammen wie noch ſo vieles Schwäßen in vielen Jahren . Wenn man auch noch ſo mandhe blutige Schlachten ſchon mit durchgemadyt bat , ſo kommt Einem am Abend vorber, wenn man weiß, daß es am andern Morgen gewaltig wieder

losgeben ſoll, doch oft ein ganz eigenes Gefühl, wie man es jonſt nicht zu haben pflegt. Es iſt das feine Furcht, denn man freut ſich oft recht ſehr auf die morgende Entſcheidung,

ſondern man geht noch gern mit ſich zu Rathe und läßt den inneren Menſchen noch mal die Revue paſfiren. Bei ſo einer

ſtrengen Muſterung entdeđt man dann oft noch gar "manchen 14*

Schaden, auf den man ſonſt weiter nicht viel achtet, und man nimmt ſich feſt vor , wenn der liebe Herrgott Einem am ans deren Tage das Leben erhalten wolle , in ſich zu gehen und ſich zu beſſern. Na , bei ſehr Vielen geben ſolche gute Vors fäße denn auch leicht wieder vorüber , ſo wie der Schlachttag ſelbſt wieder vorbei iſt und es bleibt nicht allzuviel davon häns gen. Bei Manchen aber iſt dies nicht der Fall, fte febren oft wirflich auf dem früher betretenen ſchlechten Wege um und werden viel beſſere Kerle als fte zuvor waren . So habe ich

denn ſchon manchen Kameraden gekannt , der innerlich beſſer : aus dem Kriege herauskam wie er hineinging, und dem ſo die Gedanken am Abend vor der Schlacht einen heilſamen Anſtoß

für ſein ganzes übriges Leben gegeben haben , den er ſonſt wohl faum bekommen . Darum iſt es auch nicht wahr, wenn manche Leute , die vom Kriege nichts wiſſen und denſelben nur von Hörenſagen kennen, jept ſo in die Welt hineinſdreis i ben , der Krieg habe gar nichts Gutes und bringe nur Uns glück und Elend in Menge hervor. Ja viel Unglück und Glend wird freilich auf der einen Seite durch den Krieg bers 1

vorgebracht, das kann man nicht abſtreiten , aber auf der ans :: dern Seite dafür auch wieder viel Gutes.

So lange die

Menſchen nun einmal ſo ſind, wie ſie jegt ſind und keine Ens gel , müſſen mitunter Kriege ſein und werden auch ſein , das iſt nun meine geringe Anſicht und ich glaube , ich habe nicht o

ganz Unrecht damit.

Am Abend vor dieſer Schlacht bei Ligny , die wir mit

Sicherheit erwarten konnten und die wahrſcheinlich ſehr blutig wurde, ſaßen wir wohl ungefähr ein Dußend gute Bekannte, meiſt Unterofficiere und alte Huſaren, die alle ſchon was mits gemacht und viel Pulver in ihrem Leben gerochen hatten , um

ein kleines Wachtfeuer.

Wir hatten eine gute Mahlzeit im

Leibe, und da Einige von uns, ich weiß nicht mehr wo, ein

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halb Dußend Flaſchen Rum erhalten hatten , ſo brauten wir uns in unſeren Feldfeſſeln einen heißen Grog zuſammen, der bei dem Regenwetter und den naſſen Kleidern , die wir auf dem Leibe trugen , nicht dilect that. Wenn ſo ein Dußend guter Kameraden ſonſt um ein Wachtfeuer zuſammen fißen und die Feldfeſſel voll heißen Grog vor fid baben, ſo pflegt es gewaltig luſtig zuzugehen , allerhand muntere Lieder geſungen und viel gelacht und Narrerei aller Art getrieben zu werden . An dem heutigen Abend wollte ſolche Luſtigkeit aber nid )t recht geben, wir waren nicht dazu zu bringen, und wenn auch Einige unter uns mal einen Wiß machten oder eine Schnurre ers

zählten , die Anderen lachten nicht aus vollem Halſe dazu, wie ſie es ſonſt immer ſo zu thuen pflegten. Meiſt ſprachen wir von unſeren früheren Gefechten und von all den guten

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Freunden und braven Kameraden, die wir ſchon in denſelben verloren hatten. Wie ſo mancher friſche Huſar, der, als un ſer Regiment Anno 1813 zuerſt in das Feld marſchirte, ſo ſtolz und muthig im Sattel faß, hatte ſeitdem ſeinen Tod

TO

durch feindliche Hand ſchon gefunden , und ſeine Gebeine ruhs ten nunmehr in der fühlen Erde. Wenn nu das auch des

Soldaten Schickſal im Kriege iſt, und es immer ehrenvoll bleibt, mit Gott für König und Vaterland im beißen Stampfe

gefallen zu ſein, ſo pflegen doch ſolche Rückerinnerungen immer jeden Menſchen , der nicht ganz ſo roh wie ein Stück Vieh iſt, ernſthaft zu ſtiminen.

Und wie wir uns denn noch ſo

über all unſere ſchon gefallenen Kameraden unterhielten, und der Eine dies , der Andere jenes Gute von dem oder dein nody zu erzählen wußte, fing plößlich ein ſehr ſchöner Geſang ganz in unſerer Nähe an. Vom 6. Uhlanen-Regiment waren die Sänger, die ein Lied ſangen, was ein früherer Herr Lieutes nant von den Lübow'iden Jägern , die jeßt die 6. Uhlanen

geworden waren, gemadit hatte. Theodor Körner hat derſelbe

214

geheißen und iſt nicht blos ein Dichter, der weit bom Seuſe in der warmen Stube ſeine Verſe von Muth und Blut zus ſammen ſchreibt, ſondern auch ein Iußerſt braver Soldat, der

ehrenvoll vor dem Feinde geblieben iſt, geweſen, und deſſen Ans denken man daher doppelt hod halten muß. Jrre ich nicht, habe ich aber früher ſchon mal mit Euch von ſelbigen ges ſprochen. Das Gedicht, was dieſe Uhlanen jeßt an dem Abend fangen , gefiel und Allen aber ſo gut , daß ich es mir ſpäter

mal aufgeſchrieben , und dann auswendig gelernt habe.

Da

ich es noch gut im Kopfe habe , will ich es Euch gleich mal

vorſagen , denn mir däuchyt, es iſt ſo ſchön , daß fein Sol : dat es oft genug hören kann. Alſo paßt auf, es heißt : „Vater, ich rufe dich ,

Brüllend umwölft mich der Dampf der Geſchüße, Sprühend umzucken mich raſſelnde Bliße, Lenker der Schlachten ich rufe dich , Vater, du führe mich . Vater, du führe mich,

Führe mich zum Siege, führe mich zum Tode, Herr, ich erkenne deine Gebote .

Herr, wie du willſt, fo führe mich, Gott, ich erkenne dich . Gott, ich erkenne dich, So im herbſtlichen Rauſchen der Blätter

Als im Schlachten - Donnerwetter, Urquell der Gnade, erfenn' ich dich ,

Vater, du ſegne mich.

Vater, du regne mich, Ju deine Hände befehl ich mein Leben, Du kannſt es nehmen , du haſt es gegeben .

Zum Leben, zum Sterben fegne midy, Bater, ich preife dich .

215

Vater, ich preiſe dich, 68 iſt ja tein Kampf um die Güter der Erbe,

Das Seiligſte ſchüßen wir mit dem Schwerte, D'rum fallend und ſiegend preiſe ich dich, Gott, dir ergebe ich mich . Gott, dir ergebe ich mich , Wenn mich die Donner des Todes begrüßen ,

Wenn meine Adern geöffnet fließen, Dir, mein Gott, ergeb ' ich midy, Vater, ich rufe dich .“

„Nicht wahr , Rinderfens , Jhr findet dies Gedicht auch ſchön ? " fragte der alte Erdmann , als er geendet, ſeine Zu börer. Ja, ſo etwas geht nicht verloren und trägt oft ſeine guten Folgen. So ſaß denn aud) an dem Abend vor der Schlacht bei Ligny ein Unterofficier , Namens Schmidt, von unſerem Huſaren -Regiment mit an unſerem Bivouaffeuer. Ein recht muthiger, verwegener Soldat, der gar nidt die Furcht fannte, und ſich am Ende ſelbſt mit dem Teufel in eigener Perſon herumgerauft hätte , war dies , und deshalb mußte man ihn

achten , wenn ich ihn auch ſonſt gerade nicht allzugern leiden mochte. Fluchen that er auch mehr wie Beten , und faß im Wirthshauſe hinterm Glaſe und bei den Karten lieber wie

in der Kirche, wo er ſein Lebtag nicht hinging, außer es mußte denn bei einer Kirchenparade ſein, da er ja nicht umbin fonnte. Beſonders ſtarf war er aud hinter den Mäddiens ber, und wo er mit einer ſolchen nur irgendwie eine Liebſdraft anfangen fonnte, da ruhte und raſtete er gewiß nicht, bis ihm dies ges

lungen war. Ob es eine verheirathete Frau oder noch ein junges Mädchen war, und was dann weiter für Fulgen daraus entſtanden , das war ihm ganz gleich, wenn er nur ſeinen Zweck zu erreichen hoffen konnte. Patte ſchon viel Unbeil dadurch angeſtiftet, und war von unſerm Herrn Rittmeiſter

216

ſchon oft in Arreſt geſchickt worden , gerade weil durch ſeine

Liebſchaften ſchon oft blutige Streitigkeiten entſtanden, und arge Klagen deshalb vorgekommen waren. Mein Schmidt, der ließ

ſid deshalb aber fein graues Haar wachſen , und trieb ſein Spiel nach wie vor gleich unverſchämt fort. Wäre der ferl nur nicht im Gefedyt ſo äußerſt brav geweſen, ſo daß er ſelbſt

das eiſerne Kreuz ſchon trug , und auch ſonſt im Dienſt fix und gut zu gebrauchen, ich glaube faſt, unſer Herr Rittmeiſter hätte ihn gar nicht länger als Unterofficier in unſerer Schwa dron behalten.

So freilich wurde ihm denn wohl oft Man

ches durch die Finger geſehen, was einem Anderen nicht hin gegangen wäre. Als nun an dem Abend der ſchöne Geſang des Sängerchors der Ublanen erſcholl, der ſich wirklich ſo ans hörte , als wenn man in der Stirde wäre, ward der Unters

officier Schmidt mit Einemmal ganz ſtill und ernſthaft. Er ſprach kein Wort mehr , ſtüßte den Kopf auf die Hand und ſdien in ein tiefes Nachdenken zu verfallen , gab auch auf die Frage Mehrerer , was ihm denn eigentlich fehle , gar keine Antwort , ſo daß wir ihn denn ungeſtört fißen ließen. Ends

lich ſtand er von ſelbſt auf und ſagte zu mir : „ Bruder Erds mann, thue mir den Gefallen und komm' ein paar Schritt mit mir, ich habe was auf dem Herzen , was ich Dir allein gern ſagen möchte .“ Na , ich that dies denn natürlich aud), und war gewaltig neugierig , was denn der Schmidt gerade mir allein beſonders zu ſagen haben würde, und auch die anderen Kameraden ſaben uns mit langen Hälſen nac ), als

wir in die Nacht hineingingen. Ungefähr an 50 Schritte von dem Wachtfeuer lag ein umgehauener Baumſtamm , auf dem man gut fişen fonnte, und als wir an demſelben anges kommen waren , ſagte id) zit dem Schmidt: ,, pier laß uns 1

hinſegen , und dann rück heraus mit Deiner Geſchichte, es fann hier niemand hören , was Du mir ſagen willſt.“ Wir

1

217

-

ſepten uns denn hin und der Schmidt fing an : „Hör mal, Bruder Erdmann , ich bin erſt ein großer Taugenichts und ſchlechter Kerl ſchon geweſen , wenn ich auch als Huſaren -Un terofficier wie ich hoffte, immer meine Schuldigkeit gethan babe. “ „ Ja , " antwortete ich, „ das weiß ich ſchon lange, wenn Du mir weiter nichts zu ſagen hätteſt , fonnteſt Du mich auch ruhig bei den Uebrigen figen laſſen .“ „ Werd' nur nicht ungeduldig, lieber Bruder, “ ſagte er 11

1

darauf wieder.

Sieb, früber hab' ich mich um all ſo etwas

nicht viel bekümmert, und ebenſo in den Tag hineingelebt, 1

wie es ſo Manche von uns thuen . Gerade zu ehrloſe Streiche, die gegen unſere Soldaten - Ehre ſind, habe ich Gott ſei Dank niemals gethan , und ſo ließ ich denn auch Fünfe gerade ſein. Eben aber, wie ich ſo dies Lied fingen höre, und daran denke, daß wir Morgen wahrſcheinlich eine blutige Schlacht haben werden , und unſer Herr Gott da oben mich dann leicht zu fich rufen und Gericht über mich halten fönnte , da iſt mir

denn doch ſo Manches , was ich ſchon gethan habe, ſchwer auf das Gewiſſen gefallen. Alles kann ich nu freilich leider nicht wieder gut machen, aber ſo viel noch in meinen Kräften ſteht, möchte ich dies gern thuen. Da wollte ich denn Deine Gefälligkeit gern für eine Sache, die mich gerade am Schwers ften drückt, erbitten. Als wir während des Waffenſtilſtandes von Anno 1813, wie Du weißt, längere Zeit in Schleften in Kantonnirungen ſagen, da war ich auch bei dem Sdulmeiſter

in dem Dorfe N. einquartiert. Der hatte eine einzige Tochter, ein hübſches junges Ding von faum 18 Jahren , die mir ge waltig in die Augen fiel. Na, wie denn das meine Gewohn . heit ſtets ſo war, fo machte ich mich denn auch an dies Mäd. den , und da ich ein glatte Maulwerf hatte, und ihr hoch und heilig die Ehe verſprach), ſo glückte es mir denn nach

barter Mühe, ſie endlid) eines Abends herumzukriegen und zu

verführen. Als wir denn abmarſchirten , da wollte fich das arme Mädchen faſt die Augen aus dem Kopfe weinen , ich aber ſtellte mich man ſo , als wenn id betrübt ſei, und war im Gegentheil froh , daß wir fortfamen, und die Liebelei, die

ich ſchon fatt hatte , dadurch zu Ende fam . Das Mädchen hatte ſpäter wohl wieder an mich geſchrieben , die Briefe mocha ten aber wahrſcheinlich auf der Feldpoft verloren gegangen ſein ; wie wir denn nach dem Kriege von Anno 14 wieder nad

Preußen zurüdkamen , erhielt ich ein gar klägliches Schreiben von ihr. Darin ſtand , daß fie einen Sohn von mir bekoms men hätte , ihr Vater fie aber aus Zorn verſtoßen , ſo daß fie jegt mit ihrem Kinde ganz fiimmerlid in Breslau leben 1

müſſe. Ich war aber ein idylechter Kerl genug , auf dieſen Brief gar nicht zu antworten, und ebenſo auch auf einen an: 1

deren, der noch fläglicher geſchrieben war, auch nicht, und mir

überhaupt die ganze Sadie aus dem Sinn zu ſchlagen . Wer Teufel kann auch all die Mädchen ſpäter noch achten , mit denen man einſt eine Liebſchaft gehabt hat , dadyte ich. Jeßt aber iſt mir dieſe Sache ganz plötzlich ſchwer auf's Herz ges fallen und ich hab mir feſt vorgenommen , an dem armen , durch mich unglücklich gewordenen Mädchen ſo viel wieder gut zu machen , wie nur irgendwie in meinen Kräften ſteht.

Läßt unſer Herr Gott mich in dieſem Feldzuge glüdlich am Leben, ſo will ich ſogleich nach Beendigung deſſelben das Mäds dhen zu meiner Frau nehmen und ſo wieder zu Ehren bringen, und ſollte ich auch deshalb meinen Abſchied von unſerm Res

gimente fordern müſſen. Sollte ich aber fallen , was noch leicht möglich ſein kann, ſo ſoll fie und mein Kind das haben, was ich noch an Vermögen beſize, wenn dies auch nicht viel iſt. - An 400 Thaler Kapital habe ich noch vor Paterswegen auf Zinſen ausſtehen, und eine filberne Uhr und einen Meerſc; aum pfeifenkopf mit Silber beſchlagen auch noch dazu. Nun, lieber

219

Bruder Erdmann, wollte ich Dich bitten , daß Du mir helfen

follteft, das gleich in Richtigkeit zu bringen , denn ich habe feinen ruhigen Augenblick mehr, bis ich dies in Ordnung ges bracht, " ſagte er. „ Das freut mich, Kamerad Schmidt, daß Du ſolchen Ges Bal danken haft ," antwortete ich ihm jeßt, und ich will von nun an

11

eine viel beſſere Bruderſchaft für Didy baben als früher. An dem Mädchen mußt Du ehrlich handeln, und wir wollen das

in gleich in Richtigkeit bringen . Nun rief ich einen jungen Un terofficier von uns, der fig im Schreiben war, herbei, und der

5 mußte dieſe Beſtimmungen von dem Sdymidt auf ein paar Blätter Papier, die er aus der Brieftaſche riß, aufſeßen, und 1 ich und noch zwei Andere von uns ſchrieben dann unſere

Namen als Zeugen darunter. So war die Sache bald abs gemacht, und mein lieber Schmidt, bei dem es ordentlich ſchien , als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefallen wäre , fonnte mit leichterem Gewiſſen in die Schlacht reiten. Richtig am anderen Tage befam er einen Schuß in die Hüfte, daß er

i gleich vom Pferde ſtürzte, und wir Alle ſchon glaubten , es würde mit ihm Matthäi am Regten ſein.

Er fand aber in

dem Hoſpital gute Pflege und einen geſchicten Doctor, und da er zähe Knochen hatte , ſo fam er wieder auf die Beine, wenn er auch Zeitlebens etwas hinkend bleiben mußte. Na, ſo erhielt er denn ſeinen ehrenvollen Abſchied als Invalide vom Regiment mit monatlich 3 Thaler 15 Silbergroſchen

Gnadengehalt , und das Erſte, was er that, war, nach Bres # 1 lau zu gehen , und dort das Mädchen, was ein Kind von ihm hatte , zu heirathen . Kurze Zeit darauf ſoll er Todten i griber in ſeinem Geburtsort geworden ſein , was auch eine gute Anſtellung iſt, die ihren Mann nährt. Er hat mich noch gelegentlich ein Paarmal grüßen, wenn wir Refruten beta

men , die aus ſeiner Gegend waren , und dabei ſagen laſſen,

220

es ginge ihm und ſeiner Frau ſehr gut und ſie hätten ſchon eine ganze Stube voll Kinder. Jezt habe ich ſchon eßliche Jahre nichts mehr von dem Schmidt gehört , doch wenn er noch nicht geſtorben iſt, wird er wohl noch am Leben ſein.

.

Sebt, Kinderkens, dies iſt auch wieder ſo eine Geſchichte, wo Einer furz vor der Schladt in ſich gegangen und ein

beſſerer Menſch geworden iſt, und dergleichen Beiſpiele weiß ich noch mehrere. Doch Schwerenoth , bei aller meiner Ers zählerei iſt es ja, wie ich eben ſehe, ſchon ſehr ſpät geworden und wir müſſen uns ſputen , daß wir aufs Lager kommen . Morgen Abend werde ich wieder weiter erzählen und wer dann zuhören mag , fann ſich wieder hier einfinden. geld, wie im Theater , wird hier nicht bezahlt.

Entrees

Elftes Kapitel.

„n Am 16. Juni war denn der denkwürdige Tag der Schlacht bei Ligny,“ nahm am anderen Abend der alte Grunnnn das

Wort , da ſich der ganze Kreis ſeiner Zuhörer , Huſaren und Jäger Alles bunt durch einander, wieder an dem beſtimmten Plaß eingefunden hatte . „Nicht zeitig am Morgen, wie dies bei ſo großen Schladten ſonſt oft zu geben pflegt, fing es

an dieſem Tage an , ſondern erſt nach Mittag , ſo daß die Meiſten von unſeren Truppen erſt gehörig abfochen und auch den Pferden ihr Futter geben konnten. Wenn er aber eine

kl

gute Mahlzeit im Magen hat , pflegt der Soldat fich noch mal ſo herzhaft zu ſchlagen , das iſt eine alte Geſchidyte. Von Ruhm und Ehre, ſo ſchöne Sachen dies auch ſonſt ſind und ſo ſehr ein preußiſcher Soldat darauf halten muß, wenn er nicht ein infamigter Sduft ſein will, fann der Menſd ) als

lein nicht leben , etwas Brod und Fleiſch gehören aud) dazu. Uebrigens blieb vielen von unſeren Truppen an dem Morgen auch nicht allzu lange Zeit zum Ausruhen übrig, und ſie mußs ten marſchiren was das Zeug halten wollte, um die ihnen angewieſenen Pläße auf der Schlachtlinie zur vorgeſchriebenen Stunde einnehmen zu können . Auch wir Ordonnanzen mußten oft hins und herjagen , was das Zeug nur halten wollte, daß

wir die Befehle immer gehörig überbrad)ten . Aus Müſſiggang und Faulheit ließ unſer Alte ſeine Soldaten wahrhaftig nicht alzufett werden und ihre Pferde fich dicke Bäuche anfreſſen , deſſen konnte man ſchon im Voraus ſicher ſein. Um 1 Uhr Mittags an dieſem Tage fam auch unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaudt zuerſt mit dem Feldmarſdall von den Engländern , Lord Wellington , wie er ſich am liebſten nennen ließ, objdon er ſonſt noch einen langen Schwanz all mächtiger Namen und Titel dahinter herbummeln hatte , zus ſammen. Wie der Ort hieß, wo dies geſchah , hab' ich dhon wieder vergeſſen , nur ſo viel weiß ich , daß es eine Anhöhe war, auf der eine große Windmühle ſtand und man von dort

aus eine weite Ueberſicht über die ganze Gegend hatte. Wer die beiden hohen Herren ſo in ihrem Anzuge geſehen hätte, ohne ſte zu kennen , der hätte wahrhaftig auch nicht glauben

follen , daß dies die beiden Feldmarſdälle wären , die alle 1

dieſe großen Herren kommandirten und die den Bonaparte für immer jegt aus ſeinem Lande herausjagten. Unſer Alte der es ſich gern im Anzuge bequem machte , wenn er es fo. haben durfte, trug ſeinen alten dunklen Uniformsoberrock mit

222

niedrigem rothen Kragen , der ſchon alle die vorigjährigen Feldzüge mitgemacht hatte , was man ihm ſchon ſehr anſehen konnte , und auf dem Kopfe ſeine alte blaue Soldatenmüße mit rothem Rand. An der Seite hatte er ſeinen Huſarens

ſäbel, den er ſchon getragen haben ſollte, da er noch die Ehre hatte , ein Herr Lieutenant im hochlöblich von Belling' ſchen Huſaren -Regimente, unter unſerm hochſeligen König Friße Majeſtät, hierbei ſalutirte der alte Erdmann ſehr ehrerbietig zu ſein . Der Herr Feldmarſchall Wellington, der ſah, aber aus , daß man ihn bätte faum für einen Sols daten , ſondern vielmehr für einen Kriegskommiſſair oder ſo eine Art halben Giviliſten , bätte halten können. Weiße enge

‫ܪܬ‬

-

.

Kaſimirhoſen mit Stulpenſtiefel und einen langen blauen Ci: 表

vilüberrock von feinem neuen blauen Tuch , woran aber nidyt

die mindeſte Stickerei,/ oder ſonſt irgend ein militäriſches Abs

zeichen war , und dazu eine weiße Halsbinde, aus der die Hemdzipfel bis an die Ohren herausſtachen , was id doch ſonſt mein Lebtag noch nicht an einem Soldaten geſehen habe. Sollen aber immer ſo ihre aparten Moden haben, dieſe Herren

Engländer. Auf dem Kopfe hatte er einen kleinen dreiſpißis ge# Hut , woran eine allmächtige bunte Stofarde, ſonſt aber nichts von Federbuſch oder goldnem Klunker an den Enden zu ſehen war und dazu einen ganz feinen Infanterie - Degen an der Seite , mit dem er faum einen alten Kater , viel wes niger gar aber einen Franzoſen bätte todt friegen können. Ein recht langes, ſteifes Geſicht hatte dieſer Lord Wellington , und ſo hochmüthig und vornehm ſah er aus , wie ich nocy wenige Menſchen geſehen habe. Daß uns da unſer Alte, der 1

mit den Soldaten doch oft ein freundlich Wort ſprach , dody

hunderttauſend Millionen mal lieber ſei , wie dieſer engliſde Feldmarſcall , ſagten wir Drdonnanzen an dem Tage nody

ſehr oft zu uns. Auch gegen unſern Alten , der ihm treuber

RE

zig die Hand gab , wie ſo ſeine Art war , that er ſehr falt und zurückhaltend , obſchon er natürlid ), wie es auch ſeine 1

verdammte Schuldigkeit war, ſid ſehr höflid) und artig zeigte. Ein tüchtiger Mann , der ſeine Sache verſtand und vor dem

man als Feldherr alle Achtung haben mußte, war dieſer Feld marſchall Wellington doch bei alledem , dies hat er nachher in der Schladt bei Belle Alliance wahrhaftig bewieſen , aber leiden mochten wir ihn ganz und gar nicht. Sehr dymude 1

Kerle, die in ihren feinen rothen Röden erſdrecklich vornehm

ausſehen , waren die engliſden Dragoner , die der Herr- Feld marſchall Wellingtou bei ſich hatte. Und Pferde ritten die, Sapperment etwas Schöneres hatte ich bei einer Kavallerie

noch nie geſehen. Lauter Stupídyweife , die man ja aud) bei uns ,,Engländer " nennt, waren es, obſdou dieſe dumme Mode, wodurch ja nur ſo ein armes Pferd unnöthiger Weiſe arg gequält wird , auch dort nidyt abgekommen ſein ſoll , und das

bei ſo rund und glatt gefüttert , als wenn ſie alle Tage ihre doppelten Feldportionen vom ſchönſten Hafer hätten .

Recht

verſtändlich konnten wir uns mit dieſen engliſchen Dragonern aber nicht madjen , denn ſie ſprachen eine Sprache , die man nicht viel beſſer wie das Franzöſtiche verſtehen konnte, und

ebenſo wenig vermochten ſie von uns auch nur ein Wort zu verſtehen und ſchüttelten immer mit dem Stopfe , wenn wir

ihnen etwas ſagten. Einem der Dragoner , einem hübſchen , großen Kerl, trank ich aus meiner Feldflaſche zu, und gab ſie ihm dann mit einem „Proſt , Kamerad Engliſhuien ,“ denn ſo ſollten die Engländer heißen , hin. Der goß denn einen tüchtigen Schluck hinter die Binde, denn das Saufen verſtes

hen die Engländer noch beſſer als wie die Deutſden , und darauf zog er aud ſeine Feldflaſdie heraus und tranfmir auch zu .

Ein ertra feiner Rum war darin , das mußte man

ſagen , und wenn die Engländer immer ſo gut zu eſſen und

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zu trinken bekommen , iſt es kein Wunder , daß ſte herzhafte Soldaten ſein müſſen. Weiteren Umgang hab' ich mein Lebtag nicht mehr redyt viel mit den Engländern gehabt, obſchon wir ſpäter nad der Sdlacht bei Belle Alliance noch öfters mit

denſelben zuſammen kamen. Wir Preußen hielten uns am Liebſten unter uns und die Engländer auch , und dies war am Ende aud, das Beſte , da wir uns auf die Länge doch .

wohl nicht recht gut miteinander vertragen hätten. Wenn man

nicht ſo redit gegenſeitig miteinander ſprechen kann , will es mit der Kameradſchaft nie viel heißen .

Etwas nad Mittag fing denn am 16. Juni das Gefecht allgemein in ſeiner vollen Stärke an und ein ordentliches Ge

fradie der Kanonen durchdröhnte die Luft. Wenn zwei ſolche Feinde , wie die Preußen und Franzoſen , die ſich ſchon von alten Zeiten her jo haſſen und niemals gute Freunde geweſen find, auf einander ſtoßen , da fann man ſchon immer ſicher 1

ſein , daß mit großer gegenſeitiger Erbitterung losgeſdılagen wird. So war es denn an dieſem Tage bei Ligny auch wies der der Fall und es ward gefochten als wenn man ſich unters

einander ſämmtlich umbringen wollte. So ' wüthend war ein Theil unſerer Infanterie, die zuerſt in das Gefecht fam , daß fie fid faum Zeit ließ , zu ſchießen , ſondern gleich mit dem Bajonnett darauf losſtürmte. Ein Dorf, St. Amand, war es beſonders, um das anfänglich der Kampf ſich drehte, und da ich Augenzeuge davon war , ſo kann icy erzählen , wie wild

es dort gegenſeitig zuging. Der Herr General von Steinmetz mit dem 12. und 24. Infanterie- und dem 2. weſtphäliſchen Landwehr- Regiment machte hier den erſten Sturm . Aber die

Franzoſen , die auf dem mit ſteinernen Mauern umgebenen Kirchhof und in den einzelnen Bauerhöfen , die auch alle in

dortiger Gegend hohe Steinmauern haben, fich feſtgeſeßt hats ten , ließen ſich nicht leicht vertreiben . Ein mörderiſches Feuer

unterhielten fie auf unſere Soldaten und zu vielen Dutzenden

ſtürzten dieſelben zuſammen. Jeßt fam aber der Herr General von Pirc II. mit dem 28. und 6. Infanterie- und dem 1 . weſtphäliſchen Landwehr - Regimente daran und half den ans deren Truppen, So wie unſer Alte nun aber fab , daß es s

hier beſonders hißig zuging und da viel von dem Beſiß die fes Dorfes abhing, da mußte er nach ſeiner Art ja dabei ſein. Þodh zu Pferde jagte er mitten zwiſchen die Stürmenden hins ein , und wie damals Anno 1813 bei der Kapbach , erſcholl .

ſein Vorwärts Jungens , vorwärts Jungens , immer man friſch drauf los , gebt es dieſen verfluchten Franzoſen nur tüchtig zu foſten ." Und wo der Herr Feldmarſchall von Blücher

Durchlaucht in hoch eigener Perſon ſich an der Spiße bes fand, da müßte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn preu Biſche Truppen nicht vorwärts dringen ſollten. So tapfer fich nun auch die Franzoſen in den einzelnen Gehöften vertheidig ten , heraus mußten fie, ſie mochten nun wollen oder nicht, da balf weiter fein Maulípißen. Donnerwetter, was tobte nun der Kampf hier noch eine gute Weile fort, bis es ends 1

lich nad wiederholtem Anſtürmen den Unſrigen gelang , die

Feinde auch aus dem legten Gehöfte zu verjagen. So wü thend waren unſere Leute geworden, daß die Herren Officiere fie nur mit Mühe zurückhalten fonnten , damit ſie nidyt allzu weit vorwärts ſtürmten, und ſo am Ende in einen Hinterhalt fielen. Beſonders das 28. und 6. Linien - Regiment haben ſich

bei dieſem Dorfgefechte Ruhm erworben und können den 16. Juni immer als hohen Ehrentag in ihrer Regimentsgeſdyichte

auführen. Leider waren nur an dieſem Tage alle Truppen gerade niớt ſo gut und beſonders einige Regimenter , deren Namen ich hier nicht mehr nennen will, um alte dymußige

Geſchichten nicht noch mal wieder aufzurühren , thaten ihre III .

15

226

Schuldigkeit nicht in dem Grade wie man billiger Weiſe hätte von ihnen erwarten ſollen . A18 denn unſer Alte hier bei St. Amand ſeinen Millen

durchgelegt batte, obſchon dies nicht geringen Verluſt foſtete, 1

denn von der 1. Brigade ſollen allein an 46 Herren Officiere

und an dritthalbtauſend Mann gefallen oder verwundet worden ſein , jagte er nach einer anderen Stelle des Schlachtfeldes, wo ſeine Gegenwart auch ſehr erforderlich war. Sehr ruhm würdig war es auch , wie fich hier bei dieſer Gelegenheit un ſere 6. zwölfpfündige Batterie gegen die Franzoſen zu vertheis digen wußte. Dieſelbe ſtand ohne Bedeckung da, und plößlich

fam ein Trupp franzöſiſcher Reiterei ſeitwärts in vollem Ges jage auf Fie 108. los Da glaubten die Parlez - vous denn einen

ſehr leichten Fang zu thun, und hatten gewiß ſchon ihre Freude über die ſchönen , blanken Kanonen , die ſie als Beute mit fortſchleppen wollten . Aber ſie hatten diesmal die Reduung ohne den Wirth gemacht. „ So raſch geht das Ding nicht, da müſſen wir vorerſt doch auch noch ein Wort mitſprechen ," ,

ſagten unſere braven Schwarzkrägigen .“ Und nun griffen fie zu ihren Wiſchern und Hebebäumen und allen derartigen In ſtrumenten , die ihnen gerade zunächſt zur Hand lagen , und damit auf die Franzoſen losgehauen. So bei einer Zwölfs pfünder - Batterie da pflegen meiſt lauter ftämmige Kerle, die Mart in den Knochen haben , zu ſtehen und ſo hauten ſie 5

denn nicht allzu ſanft auf die franzöſiſchen Schädel los , und wo ſo ein Sieb hinfiel, da hatte der Getroffene meiſt genug daran und verlangte nach keinem zweiten mehr. Auch der franzöſiſche Anführer bekam einen ſolchen Schlag über ſeinen Schädel, daß er gleich vom Pferde ſant.

Wie nun die übris

gen franzöitſchen Kavalleriſten ſaben , daß ihr Anführer gefal len war , und es hier bei der Batterie tüchtige Hiebe gebe,

machten ſie auch wieder rechtsumlehrt, und trabten da hin, wos

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ber ſie gekommen. So ward denn dieſe Batterie durch die muthige Vertheidigung ihrer Artilleriſten , die den Kopf nicht

In , verloren und das Herz auf der rechten Stelle hatten, gerettet, was für die geſammte Mannſchaft eine große Ehre war. Idy habe mir oft ſagen laſſen , brave Artilleriſten dürften ihre Ges

ſchüße lebend gar nicht verlaſſen und müßten lieber an den: ſelben ſterben. Na , von unſeren „ Schwarzkrägigen “ glaube 1

ich auch , daß fie ſo etwas thuen , wenn es die Umſtände ſo 134 mit fich bringen , und ſtets dem Namen der königlich preußi Ichen Artillerie alle Ehre machen werden . Daß ich Euch nun Allce ganz genau erzähle , wie es 1 auf den verſchiedenen Stellen des Schlachtfeldes bei Ligny mi zuging, müßt Ihr nicht von mir verlangen, Kinderkens. SO

etwas kann man wohl in den großen gelehrten Büchern , die Yüber den Krieg handeln , nachleſen , wenn man Verſtand ges nug im Kopfe hat , um es zu begreifen , was auch nicht Jes dermann ſeine Sache iſt , aber fich nicht von einem bloßen

Unterofficier erzählen laſſen. Was der ſo zu ſehen und zu i hören bekommt, iſt nicht der zehnte Theil von dem Allen, 13 was geſchieht. In Ligny ſelbſt, was ſo in der Mitte von uns ſerer Schlachtlinie lag , ging es den ganzen Nadmittag auch ſehr hißig zu.

Die vom 19. Regiment und vom 2. weſtpreus

biſchen Infanterie - Regiment , was jeßt das 7. geworden iſt, die ſchleſiſchen Schüßen und das 4. weſtphäliſche Landwehr Regiment hatten hier ein hartes Stück Arbeit , was ihnen

großen Verluſt koſtete. Auch das brandenburgiſche Dragoner Regiment, was zur Deckung einer Batterie aufgeſtellt war, verlor durch das feindliche Feuer viele Leute und Pferde. Einen verfluchteren Auftrag fann es für ein Kavallerie - Regis ment aber gar nicht geben , als wenn es ſo rubig auf dem Plaße halten bleiben und ſich rechts und links von Ranonen beſchießen laſſen muß , ohne ſelbſt nur das Geringſte dagegen *

15 *

228

thuen zu können. Solche Befehle dazu können in einer großen Schlacht aber leicht vorkommen , und wenn eine Truppe einen

ſolchen erhält , ſo muß fie ihn audy ausführen , wie es fich gehört.

Das iſt nun einmal nidt anders.

Furchtbar ging

es nun aber wieder in dem Ligny zu , und da es zu eng .

war , um recht ſchießen zu können , ſo ſtürmte man mit den Bajonnette oder dem Kolben , was beſſer fluſhte, auf einander 1

108. „ So eine Kugel findet ihren Mann nicht immer und geht oft vorbei, mein Kolben aber der trifft ſtets ," rief ein 2 Soldat von den Neunzehnern , und dabei ſchlug er vor meis nen fichtlichen Augen einen franzöftſchen Boltigeur ſo über den Kopf , daß der gleich wie todt zu ſeinen Füßen ſtürzte. An Pardongeben und nehmen ward nicht allzuviel gedacht, ſo wüthend waren alle gegeneinander. ,,Sdlagt die ſchuftigen Franzoſen wie die tollen Hunde auf die Köpfe, " riefen unſere Soldaten, und die Franzoſen welſchten auch in ihrer Sprache

etwas zuſammen, was ſo viel heißen ſollte, „ daß den Hunden

von Preußen kein Quartier gegeben werden ſollte .” Mit grus Ber Mühe nur gelang es mir , einen jungen franzöſiſchen Ofs ficier, der einen Squß im Fuß erhalten hatte, fo daß er am

Wege lag , das Leben zu retten , ſo wüthend waren unſere Kerle geworden . Dabei ſtand faſt das ganze Dorf in Flams men, man konnte vor Qualm und Rauch kaum um ſich ſehen , und manche Verwundete, die ſich in die Häuſer geflüchtet hats ten, mußten elendiglich verbrennen . In der Mitte Juni bleibt e8 , wie Ihr ſelbſt wißt , ſehr lange am Abend nod bell, und ſo fonnte denn noch manche

Stunde hin und hergekämpft werden , ohne daß lange Zeit etwas Entſcheidendes dabei herauskam. Keiner wollte weichen und wanken, und hatten die Einen mal einen kleinen Vortheil erfochten , ſo ward er ihnen von den Gegnern gewiß wieder bald abgewonnen . Daß unſere Soldaten , unter denen ſehr

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en viele junge Refruten , die am heutigen Tage zuerſt in das a Feuer kamen, ſich befanden, dies viele Stunden dauernde fort währende Kämpfen aushalten fonnten , war nur durch die

grenzenloſe Erbitterung , die ſie gegen die Franzoſen hatten, und den eifrigen Wunſch, heute, wenn nur irgend thunlich, den Sieg zu erfechten , möglich.) Zuleßt aber gegen Abend ftelen doch ganze Dußende vor Müdigkeit wie die Mücken um und hatten nicht mehr Kraft genug , das Gefecit fortzuſeßen, cine ſo gern ſie dies auch ſonſt gethan hätten . Aber immer vor. wärts trieb nody unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durch .

blaucht, immer noch nicht gab er die Hoffnung verloren , doch

am Ende am heutigen Tage ſich den Sieg noch erfecyten zu fönnen . „Schwerenoth, nur drauf, Jungens, nur drauf, was würde man bei uns in Preußen ſagen, wenn wir nicht gleich 108 das Erſtemal in dieſem Feldzuge die Franzoſen tüchtig auss

geſchmiert hätten,“ jo trieb er die Soldaten . Beſonders das 14. , 21. und 23. Linien - Regiment und das 1. Bataillon vom

1. furmärkiſchen Landwehr-Regiment madyten nod cinige ſehr herzhafte Angriffe und thaten den Franzoſen vielen Schaden. o Zuleßt wurde unſer Alte zu ungeduldig , daß es doch mit unſerer Linie nicht mehr ſo recht vorwärts gehen wollte , wie er es wohl wünſdyte.

Beſonders unſere Reiterei hatte nach

ſeiner Anſicht an dem heutigen Tage noch nicht genug gethan, und da zulezt mehrere Attaquen derſelben von den Franzoſen abgeſchlagen wurden , lo fagte er , daß er fich ſelbſt an die 1

Spige derſelben ſegen wolle. Das war ſo recht ein Entſchluß,

wie er unſerm alten Feldmarſchau Vorwärts gleich ſah. Sich it in ſeinem hohen Alter noch , wo die meiſten Leute kaum noch auf das Pferd ſteigen können, an die Spiße der anjagenden Kavallerie zu leben und ſelbſt mit einzubauen , Schwerenoth, 4 das war keine Kleinigkeit und wenige andere hätten das in

*

ſeiner Stelle gethan. Ja, war der Alte doch der wahre $u.

230

jaren -General, das hat er an dem Abend bei Ligny noch wie der ſo recht bewieſen. Alſo der Herr Feldmarſchall Durdy laucht mit ſeinem Adjutanten, dem Herrn Major Grafen von Noſtiß zur Seite, ſegte fid, vorn an die Spige der Reiterei, und was von uns Ordonnanzen gerade zur Hand war , das ſchloß fich ihm natürlich mit an. Es war nur leider ſchon fo (daurig geworden, daß man nur auf wenige Schritte noch Jes manden erfennen fonnte, und ſo wußten von den Kavalleriſten die wenigſten nur, daß ſie die Ehre hatten, von unſerm Herrn

Feldmarſchall in hödiſt eigener Perſon angeführt zu werden . Wäre dies der Fall geweſen, meinen Kopf laß ich darauf, daß die Attaque hätte gelingen müſſen und wenn auch der Teufel ſelbſt den Franzoſen beigeſtanden. Die 6. Uhlanen waren an der Spiße und dann die I. weſtpreußiſchen Dragoner und das 2. furmärkiſche Landwehr-Ravallerie- Regiment. In vols lem Galopp ging es nun gegen die Linie der feindlichen Reis

terei, die man in der Dämmerung kaum noch erkennen konnte, ar. Die franzöſiſchen Küraſſiere warteten aber geſchloſſen den Angriff ab und gaben uns , wie das oft ſo ihre Art iſt , in

geringer Entfernung eine Salve aus ihren langen Karabinern. 體 So feſt und geregelt, wie es wohl hätte eigentlich ſein ſollen, na war in der Dämmerung unſere Attaque nicht geſchehen , zu mal auch ſchon manche Pferde unſerer Stavalleriſten ſo ermü det waren , daß man fte faum noc vorwärts treiben konnte.

So machten denn nach der bekommenen Salve unſere meiſten Pferde kehrt, Unordnung fam iu die Reiben und wenn ich wahr ſein will , ſo kann id; nicht anders ſagen , als daß wir

eben ſo ſchnell wieder zurückjagten, als wie wir hergekommen waren . Bei dieſer Gelegenheit hat denn das Pferd von uns ſerm Herrn Feldinarſchall Durchlaudyt, ein ſehr ſchönes Thier war es , was er erſt im vergangenen Jahre in England ge fchenkt bekommen, einen Schuß in die Bruſt erhalten, iſt dann

NES

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noch ein paar Schritte weiter mit ihm gelaufen und ſodann todt zu Boden geſtürzt. Unſer Alte iſt von dem harten Fau etwas betäubt im Kopfe geworden und bat eine Zeitlang uns

ter dem todten Pferde gelegen , ohne recht zu wiſſen , wie ihm denn eigentlich zu Sinnen war. So wie aber ſein Adjutant, der Herr Major Graf von Noſtiß, der didyt neben dem Herrn Feldmarſchall Durchlaudyt ritt, dieſen Sturz fah, iſt er ſogleich

vom Pferde geſprungen, bat daſſelbe fortgejagt und ſich dann mit dem Degen in der Hand neben unſern liegenden Alten

hingeſtellt. War er im Leben ſtets ſein treuer Begleiter ges weſen , ſo wollte er auch im Tode bei demſelben ausharren, wie es die Pflicht eines echten Ritters und Reitersmanns ohne

Furcht und Tadel , und das war der Herr Graf von Noſtig gewiß , auch iſt. In der immer zunehmenden Dunkelheit und all der Verwirrung und Unordnung, welche durch die ausges

haltene Salve der Franzoſen und dann durch den Rückzang, wo Alles durcheinander fam , entſtand, hatte von uns Soldas ten Niemand bemerft , daß das Pferd unſeres Herrn Felds marſchall Durdlaucht den Sduß befommen und mit demſelben

niedergefallen war. Hätten wir davon nur die geringſte Kunde gebabt, wir wären wahrhaftig nicht ſo ſchnell zurückgegangen, dies kann ich Euch auf mein Wort verſichern , Kinder Wir hätten uns ja ſchämen müſſen, daß wir keinem ehrlichen Sols daten jemals wieder gerade in das Geſicht feben durften , wenn es geheißen , daß wir preußiſchen Kavalleriſten uns un fern perrn Feldmarſdall von Flücher Durdlaucht hätten von

den Franzoſen gefangen nehmen laſſen , whne den legten Mann daran zu ſeßen , um ihn wieder herauszuhauen. Pfui Teus fel , was wäre das für eine arge Sdande für uns geweſen ! 1

Aber wie geſagt , von den Uhlanen und den andern Reitern wußten faum die Hälfte , daß der Herr Feldmarſchall Durch

laucht in höchft eigener Perſon an ihrer Spiße ritt, und von

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uns Ordonnanzen hatten die wenigſten mit ihren ſchon den ganzen Tag abgejagten Pferden nody ſo raſch reiten können , um ſtets dicht hinter ihm zu bleiben. Gottes gnädige Barm herzigkeit wollte es aber nicht , daß wir die Schande erleben follten , unſern Alten in der Gefangenſchaft der Franzoſen zu

wiſſen , und mein ganzes ferneres Leben bin ich dafür dant bar geblieben . Die franzöftſchen Küraſftere waren viel zu heftig und hißig in der Verfolgung hinter uns her , als daß 1

fte ſich viel hätten umſehen ſollen , und ſo bemerkten fie in der Dämmerung den liegenden Herrn Feldmarſchal Durch laudt in ſeiner einfachen Uniform und den neben ihm ſtehens

den Adjutanten denn gar nicht und jagten ohne Weiteres vors

über. Ja wenn die ſo gewußt hätten, wer da läge, Sapper ment, was wären die Kerle gewiß geſchwind von den Gaulen berabgeſprungen, um ihn gefangen zu nehmen. Das wäre nody ſo ein Gefangener geweſen, der ſich der Mühe verlohnte,

und ich glaube, der Bonaparte der hätte ſchier vor Freuden gar nicht gewußt, was er thuen ſollte, wenn man ihm die Ges fangennehmung des Herrn Feldmarſchals von Blücher Durchs laucht gemeldet.

Na, als wir denn eine Weile ſo in der Flucht fortgejagt waren, glüdte es endlich den Herren Officieren wieder Ord

nung in die Kerle zu bringen , ſo daß ſie wieder Kehrt mach ten und gegen die Franzoſen vorwärts drangen . Das Spiel drehte fich nun um, wie es überhaupt an dieſem Tage oft der

Fall war , die feindlichen Küraſſiere flohen und wir wieder hinter ihnen her. So famen wir denn auch bei dem Plage

wieder an, wo unſer Alter , der unterdeß wieder zur Beſins nung gekommen war , noch lag. So wie der Herr Major Graf von Noſtig die erſten preußiſchen Kavalleriſten bei fich 1

ankomm en ſah, rief er ihnen Halt zu und ſagte, wer da läge. Na, die wußten denn gar nicht , wie ihnen geſchah , als ſie

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dies hörten, denn wie geſagt, fie hatten gar feinen Gedanken

davon gehabt , weld koſtbarer Schaß von ihnen in der Ges

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walt der Franzoſen zurückgelaſſen war. Sogleich ſprangen denn, wie fich dies von ſelbſt verſteht, Einige aus dem Sats tel und zogen mit Mühe den Alten unter dem noch immer

o auf ihm liegenden todten Pferde hervor. Ein Huſar, Namens | Schneider, ein ſehr braver Mann , hatte darauf die Ehre, dem

* Herrn Feldmarſchall Durchlaucht ſein Pferd anbieten und dem in ſelben in den Sattel helfen zu können . Kaum war dies aber

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geſchehen, ſo hatten die Franzoſer. ſich wieder geſammelt, ihre Reſerven an fid, gezogen und warfen nun die Unfrigen , die fich gegen die Uebermacht nicht behaupten konnten, zum zwei ten Mal wieder zurück. Die Stelle, auf weldier unſer Alte gelegen, blieb von nun an in dem Beſiß der Franzoſen und der

mi ſelbe wäre ohne Zweifel von ihnen gefangen genommen worden , wenn es nicht glücklicherweiſe gelungen, ihn noch zuvor zu ret ET ten. Die Meiſten von uns erfuhren übrigens dieſen ganzen

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1

Vorfall erſt, als er ſchon lange vorbei war und was für eine Freude wir hatten , daß alles doch noch durd) Gottes Barms

herzigkeit ſo glücklich abgelaufen war , brauche ich Euch wohl nicht erſt zu ſagen , Kinderkens. Hatten wir unſern Vater Blücher doch noch an unſerer Spiße und ſo machte es denn

auch weiter nicht gar den Rüdzug antreten man zu ſagen pflegt, nächſten Tagen wohl zulegt lacht, lacht am

ſo viel aus, wenn wir dieſe Nacht auch mußten und das Gefecht bei Ligny wie verſpielt hatten. Wir holten das in den ſchon wieder ein, und wie geſagt , wer Beſten. Geſchlagen kann auch wohl das

beſte Heer mal werden , und nur wenn es dann den Muth für immer verliert und nicht mit allen Kräften dahin trachtet,

dies bei der erſten beſten Gelegenheit wieder gut zu machen , iſt es ein ſchlechtes.

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Gegen halb neun Uhr Abends, als eben ein ſtarkes Ge witter vom Himmel herab in all das Gefrad der Kanonen hineindonnerte, hatte der Bonaparte acht Bataillone von ſeis ner Garde gegen unſer Gentrum ausgeſchickt, um daſſelbe mit

Gewalt zu durdybrechen.

Unſere 6. Infanterie-Brigade aus

dem 9. und 26. Linien- und dem 7. Elblandwehr- Regiment

beſtehend, die ſchon an vier Stunden unaufhörlich im heftigs ften Gefecht geſtanden, vermochte dieſen gewaltigen Stoß von lauter friſchen Truppen nicht auszuhalten und fo ward das

Dorf Ligny denn vom Feinde endlich erobert. A18 dies ges ſchehen war , mußte , wie unſere Herren Generalſtabsofficiere, die fo das Ganze leiteten , ſagten , der Rüdzug angetreten werden . Es war aber ein regulärer Rückzug, in aller Ord nung , wie es ſich gehört , keine wilde Flucht wie dazumals Anno 1806 bei Jena . Seit der ſchlimmen Zeit war viel ges ſchehen und unſer preußiſches Heer wahrhaftig ein ganz an deres geworden , ſo daß ſo etwas nicht wieder vorkommen 1

konnte . Beſonders unſere und die pommerſchen Huſaren bil deten die äußerſte Arriere -Garde und hatten den Befehl , den

Rüdzug der Armee in aller Ordnung zu decken .

Das tha

ten wir denn auch , wie es unſere Sduldigkeit war , und ſo machte ich mit meiner Sdwadron noch ein paar Angriffe auf

die Franzoſen mit , die ſich wahrhaftig ſehen laſſen konnten . Ein wildes Reitergefecht entſtand mun nod , bei dem auch der

Herr Generalmajor von Jurgaß , der die Reſerve -Ravallerie vom 2. Armeecorps befehligte , durch einen Schuß in die Schul ter ſchwer verwundet ward . Mir wäre es bei dieſem Gefechte , in dein wir meiſtens Mann gegen Mann uns herumbauten ,

faſt ſehr ſdílecht gegangen , und wahrhaftig, es fehlte faſt nur ein Strohhalm , jo hätte man mich), ale todt oder doch wenigs 1

ſtens zum Krüppel gehauen , aus der Schwadrons -Liſte aus.

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ſtreichen können.

Mit einem franzöſiſchen Küraſſier, einem

i großen , mächtigen Kerl, auf einem hohen , ſtarfen Gaul, hatte i ich mich idon eine kleine Weile herumgehauen und ihm auch ſchon einen Fieb, der ſo wie man in der ſtarfen Dämmerung

leben konnte , getroffen haben mußte , ausgewiſcht. Wie ich nun eben zu einem zweiten Hiebe ausholen will, ſtolpert mein Pferd , was fdon ſo müde war , daß man es nur noch mit Noth vorwärts bringen fonnte, und fällt mit mir vorne auf al die Knie. In demſelben Augenblicke holt nun aber der Fran

MAY

zoſe zu einem mächtigen Streiche mit ſeinem ſchweren Pallach von oben berab aus und hätte mir ficherlich den Schädel ges * fpalten , wenn er ordentlich getroffen. So wie ich die blanke Klinge in der Dunkelheit über meinem Kopfe blißen ſah , warf 11

ich mich ſchnell noch weiter vornüber und fo fuhr dieſelbe nur ity

an meinem Rücken berunter , ohne mir weiteren Schaden zu

i

thuen . Das dicke Lederbandelier mit ſammt meiner Kartuſce

1

11

war aber ſo glatt abgehauen , als wenn es mit einem

Rafir

meſſer abgeſchnitten worden wäre, und ſo gewaltig hatte der Franzoſe drauf los gehauen , daß ſeine Klinge noch tief in

meinen Sattelbod hineindrang. Rajdy ich nun aus den Bü geln heraus und ſo über den Hals meines Pferdes , was nod immer vorne mit dem Kopf auf der Erde lag, hinweg, und ehe noch der Küraſſier ſeinen Pallaſd , den er feſtgehauen

hatte , wieder herausziehen konnte , ihm ſo mit meiner flachen

Klinge über die Hand gehauen, daß er denſelben für gut fal len laſſen mußte. So war ich denn nid)t allein gut wegge kommen, ſondern hatte den Kerl audy noch dazu gefangen ges nommen, und alles das blos, weil ich recht geſchwind war und

auf den rechten Augenblic paßte. Ja, auf Geſchwindigkeit fommt im Gefedyte gar viel an, und beſonders ſo ein leichter Huſar

fann gar nicht raſch und behende genug ſein , wenn er in einer tüchtigen Rauferei ſich befindet , das merkt Euch nur

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recht, Ihr Fuſaren hier und ſchreibt es Euch hinter die Ohren, denn wer weiß, wie ſehr es Euc) noch im Leben nüßen wird .

Und auch Ihr Jäger mögt auch davon profitiren und denken, daß Ihr nie raſch genug werden könnt , denn ſo ein lange ſamer Jäger iſt ein ganz unnüßes Stüđ Möbel , und nicht viel mehr werth wie ein Kameel auf dem Pflaumenbaume.

Dieſe Gefangennehmung von dem franzöſiſchen Küraſſter brachte mir aber noch einen anderen Vortheil. Er hatte ein tüchtiges, ſtarkes Pferd ſo von der flamändiſchen Raſſe, was gut aus gefüttert war , und den Tag nod nicht allzuviel gethan zu haben ſchien , denn es war noch nicht ſehr marode. Mein Hänſeken, ſo ein tüchtiger Gaul er auch ſonſt war, zeigte fich 1

aber übermüde, und wie ich ihn wieder auf die Füße gebracht hatte, ſtand er ganz zitterig da, und mochte faum im Schritt vorwärts geben . Nun war id denn raſch entſchloſſen , legte

mich auf das erbeutete Küraſſier- Pferd, was ein Rappe mit großem weißen Bleß und einem weißen Hinterfuß war , und nahm mein Hänſefen 1o8 am Zügel. Ich band ihn dann

ſpäter an einen Marketenderwagen , wo ich den Marketender gut fannte, an, und ſo brauchte er die Nacht und den andes ren Tag nicht allzuviel zu thuen , und konnte ſich wieder etwas ausruhen. So hatte ich denn am 18. , als es bei Belle -Allis ance recht was galt , ein fo halbwege friſches Pferd wieder unterm Leibe, und was das bei einem Gefechte für ein Vortheil

für einen Reitersmann iſt, weiß Jeder, der auch nur ein Biss den in den Krieg hineingeguckt hat. Mein eroberter Rap pen 1, der war mir aber doch zu plump und zu ſchwer, als daß ich ihn immer hätte reiten mögen . Wenn man von Jugend auf an unſere leichten , flinken Huſarenpferde, die fich auf einem

Fleck ſo rechts und linfs herumſchmeißen laſſen,

gewöhnt iſt, will Einem ein anderer Gaul nicht mehr recht gefallen .

Nach der Schladt bei Belles Alliance gab ich ihn

1

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denn als Zugpferd an Eine unſerer Zwölfpfünder-Batterien ab, und erhielt ſpäter auch meine gehörige Bezahlung dafür. Bei dieſer Batterie hat er denn als Stangenſattelpferd nod) manche Jahre lang gedient, und ich hab' immer meine Freude darüber gehabt, wenn ich ihn bei den großen Manövern wies

der zu Geſichte befam. Die Fahrfanoniere nannten ihn nur den Brabanter, und ſagten, daß er mit das beſte Zugpferd in der ganzen Batterie wäre. Noch mehrmals mußten wir übrigens an dem Abend ges il gen die Franzoſen Front machen und ihnen die Zähne zeigen , bis ſie uns endlich ganz in Ruhe ließen. Auf meinem großen

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Kürafſterpferd ragte ich dabei hoch über die anderen Huſaren

in unſerem Zuge hinweg , was den Kerlen vielen Spaß machte. Auch unſer Herr Rittmeiſter meinte , ,,Was Teufel, Unterofficier Erdmann , haben Sie fich denn für einen Eles phanten zum Reiten angejdhafft, der taugt denn dod wahrs haftig nicht für einen Huſarenſattel ." Als ich ihm aber rap portirte, wie dies zugegangen ſei, lobte er mich und ſagte, dies wäre vernünftig von mir gehandelt. Wie viel Leute übrigend unſere Armee an dieſem blutigen Tage von Ligny verloren hat , kann ich Euch nidyt genau angeben, ein ganzes Theil war es aber, ſo viel weiß ich. Ich habe mal von einem

Herrn, der ſo immer in den Sdylachtenbüchern die Naſe ſteden hatte , mir ſpäter erzählen laſſen , daß es an Todten und 1

folden Verwundeten , die den Franzoſen als Gefangene in die Hände fielen, über 11,000 Mann geweſen ſein ſollen. Dies iſt doch ſchon eine ſtarke Zahl und kann zeigen, wie mit großer Erbitterung von beiden Seitent gekämpft wurde , denn auch die Franzoſen werden nicht weniger Leute wie wir verloren haben. Da id) Eudy aber wahre Geſchichten erzählen will, Kinderfene, und von den Lügen und Aufſchneiden und uns

nüßen Prahlereien kein Freund bin, ſo kann ich nicht anders

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ſagen , als daß an dem Tage leider ein Theil unſerer Regis 1

menter nicht ſeine volle Schuldigkeit gethan hat. Wollen doch

Alle, die uns Preußen ſo nicht recht leiden können und oft neidiſch auf uns ſind , behaupten , daß wir gern manchmal

ein Bischen prahlten und das große Wort führten, und darum glaube ich , iſt es am Beſten 1, wenn man gerade herausſagt, wu8 nun einmal die Wahrheit iſt, und ſich zum Verſchweigen und Verdrehen gar nicht hergiebt. Laß dies Andere thuen, die es vielleicht nöthig haben und verantworten fönnen , meine Meinung iſt, daß unſer preußiſches Heer ſo viel Ruhm

würdiges ſdon geleiſtet hat , und hoffentlich für alle ſpäteren Zeiten, wenn die Gelegenheit darnach iſt, auch wieder leiſten wird, daß wir auch alles, was nicht ſo geſchah, wie es wohl bätte ſein ſollen, gerade herausſagen können. So hatten wir denn in dieſer Schlacht bei Ligny einzelne Truppentheile, die

ſich hätten viel beſſer ſchlagen ſollen, wie ſie es gethan haben. Dieſelben waren aus unſeren rheiniſchen und weſtphäliſchen Landestheilen , die lange unter der franzöſiſchen Herrſchaft ges

ſtanden hatten , und erſt kurz vor Beginn des Krieges neu gebildet worden , ſo daß weder die Soldaten ihre Herrn Ofs

ficiere, noch dieſe ihre Leute genugſam fannten, was immer eine üble Sache bleibt.

Auch waren manche Soldaten darun

ter , die früher oft viele Jahre mit den Franzoſen zuſammen gefochten hatten , und nun nicht mit dem gehörigen Eifer auf dieſe losgehen wollten. So ſoll denn unſer Heer faſt an die 8000 Feldflüchtige gehabt haben , und welche von dieſen Ser: len hatten ſo wenig Ehre im Leibe, und ſchändeten ihre preus Biſche Uniform ſo ſehr, daß ſie gleich) bis nach Aadjen oder

Lüttich liefen. Dieſe ſduftigen Kanaillen dachten denn audy, je weiter vom Schuſſe, deſto ſicherer iſt es ." Na, jeßt wird ſo etwas bei unſeren Kameraden von den rheiniſchen und weſtphäliſchen Regimentern auch nicht wieder vorfommen, und

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in Schleswig -Holſtein und jeßt auch hier wieder in Baden haben dieſelben wahrhaftig bewieſen, daß fie eben ſo viel Ebre im Leibe haben und eben ſo ſtolz darauf ſind, die preußiſche 1

| Uniform tragen zu dürfen, wie wir anderen Alle aus unſeren 1 alten preußiſchen Provinzen. Hatten doch die Demofraters und

Rebellers hier im Badiſchen ſogar die infame Frechheit, bes I haupten zu wollen , unſere rheinländiſchen Truppen würden

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1

fidh nicht gegen ſie ſchlagen wollen , und lieber ſogar zu ihnen , übergeben. Die Find denn ordentlich zu einem anderen Glauben befehrt worden , gerade durch die vielen Schläge , die ſie von den Truppen von unſerem 7. und 8. Armeecorps befamen.

Haben doch beſonders z. B. das Iſerlohner Landwehr-Bas taillon und unſere 9. Quſaren Gelegenheit gehabt, recht tüdhs tig die Rebellers zuſammen zu flopfen. Um aber auf dieſe von uns verſpielte Schlacht bei Ligny zu fommen , ſo war unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht mordømäßig falid), als er erfuhr, daß nicht alle

Truppentheile ihre Schuldigkeit ſo gethan hätten, wie es fidy gehörte . Blöde war er gerade nicht, und das Blatt nahm er auch nicht vor's Maul, ſondern ſprady frei von der Leber

weg, und ſo erließ er denn einen Tagesbefchl, der wahrhaftig nicht ſchmeichelte, und den Schuldigen derb die Wahrheit ſagte, und das war gut und hatte die beſten Folgen. So dies ſtändige verdammte Loben, wenn es auch ſdyledyt gegangen iſt, taugt wahrhaftig den Teufel nichts. Manche von unſerer Kavalerie erhielten den Vorwurf, nicht überall mit der ges hörigen Kühnheit ausgehalten zu haben , und die Mahnung dieſen Fehler baldigſt vor dem Feind wieder gut zu machen. Der Artillerie wurde die Ordre ertheilt, mit mehr Entſchloſſen

heit an den Feind heranzufahren und ihm ausdauernder ents gegenzuwirken. Recht ungetheiltes Lob empfingen übrigens nur die meiſten alten Infanterie-Regimenter aus unſeren alta

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preußiſchen Provinzen , und wenn man wahr ſein will, muß man auch ſagen , daß gerade dieſe das Beſte an dem ganzen Tage gethan hatten. Am Schluſſe von dieſem Tagesbefehl hieß es noch : „Ich werde Euch wieder vorwärts gegen den Feind führen und wir werden ihn ſchlagen , denn wir müſſen . "

Ja , dieſer Tagesbefehl der machte wahrhaftig ſeine Wirkung. Was ſo Diejenigen waren , die fich davon getroffen fühlten , .

die ſchämten fich und nahmen fidy vor , es das Nächſtemal

beſſer zu machen , und die gelobt wurden, waren vergnügt darüs ber und fochten ſchon deshalb bei der nächſten Gelegenheit

mit noch größerem Eifer. Unſer Alte der verſtand es, ſeinen Truppen Vertrauen einzuflößen , und kein Anderer hätte es

To leidyt fertig gekriegt , mit einem Heere , was am 16. ge ſchlagen war, don am 18. in der Schlacht bei BellesAlliance

die Entſcheidung zu geben. Der Bonaparte ſoll fich ſchon ganz vergnügt die Hände gerieben und geſagt haben : „ Oh, die Preußen die brauch' ich nicht zu fürchten, die hab' ich für die nächſte Zeit vernichtet." Ja , hat ſich was mit dem Ver

nichten , ſchon am zweiten Tage konnte er an den Schlägen, die er von uns erhielt , verſpüren , wie ſehr er uns vernichtet

hatte. Für ſich ſelbſt war unſer Alte übrigens ganz munter und ließ es ſich nicht viel bekümmern , daß es am heutigen Tage nicht recht mit uns hatte vorwärts geben wollen . Als noch in der Nadt der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Ers

cellenz zu ihm in die Bauernſtube , in der er mit fammt ſeis nen Adjutanten lag, hereintrat, ſoll er demſelben lachend z11 gerufen haben : ,,Na, Gneiſenau, diesmal haben wir Sdíläge gekriegt , wir müſſen es bald wieder ausbeſſern .“ Dabei war 1

aber ſein eigener Zuſtand ſchlecht genug und der Sturz mit

dem Pferde hatte ihm großen Schaden gethan.

Die eine

Seite war ganz zerſchlagen und zerſchunden und dabei ſo ans

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geſchwollen , daß er ich nur mit äußerſter Mühe bewegen und auf das Pferd heraufgehoben werden mußte. Aber all ſo etwas , wo tauſend Andere in das Bett gefrochen wären , ließ fich unſer alte Herr Feldmarſchal Durchlaucht troß ſeiner

70 Jahre nicht anfechten . Als ihm der Wundarzt die Seite einreiben wollte, fragte er, was denn das wäre , und als der ſagte: „Spiritus, Ew. Durchlaucht, “ meinte er lachend: „ Aus wendig hilft das nicht viel, ich will dem Dinge beſſer beikom men 1 , " und ſo ließ er ſich Champagnerwein geben und gob .

einen tüchtigen Schlud hinter die Binde. Da ſtand nun ge rade der Courier dabei , den er mit der Depeſche über die

verlorene Schlacht an Se. Majeſtät unſeren König abſchicken wollte. Dem trank er denn noch eins mit auf den Weg zu und rief ihm noch nady: „ Sagen Sie Sr. Majeſtät nur, ich hätte falt nachgetrunken , es würde ſchon beſſer gehen , und nu glüdliche Reiſe, und bald ſchick' ich Ihnen einen Courier nach , der eine gewonnene Schlacht melden fann ." So war uuſer Alte , Kinderfens , und gerade damit hat er uns Preu:

Ben immer wieder aus dem Dred geriſſen , wenn uns das Unglück mal da hineingebracht. Ja, ich ſag' es ſtets, wenn nur der Oberfeldherr noch nicht die Courage verloren hat und noch Vertrauen auf ſich und ſeine Truppen beſißt, iſt eine verlorene Schlacht noch immer fein ſo großes Unglück, daß man es nicht wieder ausgleichen könnte ."

1

III .

16

8wölftes Kapitel .

,,Heute kommen wir an die Schlacht von BellesAlliance, und dies ift gar ein ſchöner Name, alſo paßt recht auf, Kins derkens," nahm der alte Erdmann am anderen Abend wieder

das Wort. „Wie ich Euch geſtern erzählte , hatte die þu 1

faren - Brigade des perrn Oberſtlieutenants von Sobr , der

ſonſt eigentlich das brandenburgiſche Huſaren -Regiment befehs ligte , die Ehre , den Rüdzug unſerer Armee zu decken . Na, alſo zu heftig war die Verfolgung der Franzoſen gerade nicht, denn auch dieſe hatten bei Ligny ſo ſtarke Verluſte erlitten und ſo lange fämpfen müſſen, daß fie eben ſo müde faſt wie wir waren . In ziemlich guter Ruhe marſdirten unſere Gos lonnen denn am 17. Juni ihren Weg fort , und die Serren

Befehlshaber hatten hinreichende Zeit , Alles wieder in Ords

nung zu bringen , was bei der Schlacht ſelbſt, wo es nun einmal nicht anders zu gehen pflegt, in Verwirrung gekoms : men war. Wenn ſich aber einzelne franzöſiſche Kavalleries Abtheilungen gar zu mauſig machen wollten und zu higig vordrangen , ſo warfen wir şuſaren ſie mit ganz leichtert Mühe wieder zurüd.

Ich flabaſterte dabei auf meinem frans

zöſiſchen Rappen luſtig mit herum , und wenn mir auch mein Hänſeken ſonſt viel lieber war , als dieſer ſchwere Gaul , ſo

freute ich mich doch, daß der ſich heute mal einen guten Tag machen und etwas ausruhen konnte. Was uns übrigens dies

ſen 17. Juni ſehr unangenehm machte, war der ſtändige Re gen , der vom Himmel ſtürzte. Beſonders die Wege wurden grundſchlecht, ſo daß man nur im Schritte ſich durcharbeiten konnte, und das Bivouafiren und berumliegen in dem naſſen Korn und Gras , wobei man vor lauter Regen nicht mal

Feuer anbrennen konnte , war auch kein Vergnügen. Wer ſchnupperiger Natur war, der konnte ſich leicht den Schnupfen holen , doch daran dadyte dazumals wahrhaftig Reiner von uns . Wir bei unſerer Schwadron batten übrigens das Glück, daß wir bei einer größeren Patrouille, die wir machen muß

ten , an ein einzeln ſtehendes großes Haus kamen , wo noch gar kein Feind geweſen war. Wir durchſuchten es denn nadı Lebensmitteln , was im Kriege , wenn man ſonſt nichts zu eſſen und zu trinken bekommt , doch am Ende dem Soldaten erlaubt ſein muß , und ein Quſar, der in ſo etwas eine vers flucht feine Naſe batte , ſtöberte denn ein Fäßlein mit edytem

franzöſiſdem Branntwein aus, was man vorſichtig unter dem Bette der Hausfrau verſteckt hatte. Das war denn ein gus ter Fund, einen beſſeren hätten wir wahrhaftig an dem Tage

gar nicht machen können. „ Ordnung muß ſein ,“ ſagte aber unſer Herr Rittmeiſter, „ und laß ich den Kerlen den Brannts

wein ſo ohne Weiteres , dann beſaufen ſich am Ende welche, und die Anderen bekommen gar nichts .“ . So mußte ich mich 1

denn neben dem Faß hinſtellen und jedem Huſaren 1 Wein glas voll ſogleid) zum Austrinken , und dann 2 Weingläſer in ſeine Feldflaſche einfüllen . Brod fanden wir in dem Hauſe

auch, und ſo waren wir denn mit unſerem Funde ſehr zufries den , und für unſere Herren Officiere war auch noch etwas Fleiſch oder Wurſt oder ſo was zum Schnabeliren aufzutreis

ben. Als wir wieder fortritten, ſah ich, daß unſer Herr Ritt 16 *

meiſter, der eine gute Zulage außer ſeiner Gage noch zu vers zehren hatte und mit dem Gelde gar nicht geizig that , der Frau 2 Goldfüdiſe in die Hand gab und ſagte : „ Das iſt für das Frühſtück meiner Huſaren ." Na , die machte denn große Augen und knigte und dienerte gewaltig und ſagte vielmals „;merci“ , was im Franzöſiſchen ſo viel als „Schön Dank" beißen ſoll, daß fte für ihren Branntwein nun noch Geld bes kam, worauf fte wohl nicht mehr gerechnet hatte. Waren aber

wahrhaftig auch nicht alle Herren Officiere iinmer ſo freigebig,

wie unſer damalige Herr Rittmeiſter, der es freilich auch gut laſten konnte. Gegen Mittag des 17. Juni hatten wir übris gens nod ) wieder ein ziemlich lebhaftes Gefecht mit den Frans zoſen , die ein Bischen gar zu hißig nachdrängen wollten. Als unſerem Alten damals gemeldet wurde, daß die Franzos ſen dicht in ſeinem Rüden wären , hat er ſich ganz ruhig auf ſeinein Pferde umgedreht und geſagt: „ So, das iſt mir lieb, da fönnen die Sterle mid um deſto beſſer im A .... leden. "

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Solde Rede von unſerem Alten iſt wie ein Lauffeuer gleich durch alle unſere Truppen gegangen , und unſere Soldaten haben darüber gelacht und es nachgeſprochen , daß Vater Blücher geſagt habe , die Franzoſen ſollten ihn im A .... leden. So etwas hat unſeren Jungens gefallen und auf's Neue haben fte friſche Courage gekriegt, wenn ſie ſolche noch nicht hatten. Ja , ein gutes Wort , zur rechten Zeit geſpros chen , findet immer ſeinen gehörigen Plaß. Bei dieſem Gefechte, was wir mit den Franzoſen bei einem kleinen Fluſſe, ich glaube ,, Dyle heißt er, hatten, zeich nete fid beſonder8 das dritte Bataillon des erſten Pommers on

i (den Landwehr - Regiments ſehr aus.

Wir ſind dee Poms „

mern , wir loopt nich wie dee Haſen davon, " antworteten die braven Jungen , als ihnen geſagt wurde, die Franzoſen könns ten ſie bei dieſem langſamen Rückzug doch am Ende einholen.

ܽ‫ܕ‬

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„laat ſee man faamen , ſee fönnt wedder pommeriſche Rol. benſchläge to foſten friegen .“ So ging es denn in der beſten Ordnung, wie ſie auf dem Paradeplaß gar nicht größer hätte ſein können , ruhig fort, und dies madyte die Franzoſen ſo ſtubig, daß ſie nicht weiter heranzudrängen wagten. Ich ward nach dieſem Gefechte als Ordonnanz mit einer .

Meldung in das Hauptquartier des Herrn Feldmarſchalls von Blücher Durchlaucht abgeſchidt, und da ich doch nicht unſere

Eskadron hätte gut auffinden können , ſo erhielt ich Befehl, bis auf Weiteres wieder im Hauptquartier zu bleiben . „ Was baſte denn da für einen hohen Gaul, Frige Erd

mann , der iſt doch auch nicht für den Huſarenſattel gemacht 1

worden , " ſagte der Herr Feldmarſchall Durchlaucht zu mir,

wie er mich zufällig auf dem großen Schwarzen reiten ſah. Id meldete ihm denn nun , wie ich dazu gekommen war, und da ſagte er : „ So iſt es recht von Dir , Du biſt ein braver Rerl , " und damit ritt er weiter. Na , was midy denn das

Lob von unſerem Alten freute, kann ich Euch gar nicht ſagen, Rinderfeng. Gerade den 18. des Morgens in aller Frühe war es , wie ich in dem Hauptquartier mit meiner Meldung ankam. Unſer Alte , der den ganzen vorigen Tag noch an ſeinem Sturze große Schmerzen gehabt hatte, war eben vors her erſt auf ſein Pferd gehoben worden .

Sein Feldchirurgus

der wollte ihn noch zuvor mal die Glieder mit einer Salbe einreiben , daß ſie weniger beim Reiten ſchmerzen ſollten , der Alte hatte aber geſagt : „ Ady was , noch erſt ſchmieren , laßt das man ſein. Ob ich heute balſamirt oder unbalſamirt in die andere Welt gehe , das wird wohl auf Eins herauskom I

men , " und ſo hatte er ſich denn in den Sattel heben laſſen,

als wenn ihm nichts geſchehen wäre. Es hatte die ganze Nacht wieder fortgeregnet, ſo daß alle Soldaten ſehr beſdmußt

und ſchmierig ausſahen. „Kerls , Ihr ſeht ja ſo dredig aus

246

wie die wilden Schweine ," ſagte unſer Alte , wie gerade wie

der eine Abtheilung Pommern vorbeifam , die ihr Bivouaf auf einer moraſtigen Wieſe gehabt hatten und an deren Mäns teln deshalb ordentlich eine Dredfruſte ſaß. „ Ja , Ew. Durchs

laudyt , dat mag wohl woahr ſinn , wir könnt daför äber oak um ung bauen , wie dee wilden Eber," antwortete ihm der Flügelmann der erſten Compagnie , ein derber , handfeſter Kerl. ,,Na , wenn das man iſt, Kinder , dann iſt es don gut, “ meinte darauf lachend unſer Alte. Ueber den fortwährenden Regen , ſo ſehr er auch die

Wege verſchlechterte, war er gar nicht ſehr verdrießlich. „ Aha , " hat er mal geſagt , „ das iſt ja unſer Adiirter von der Kag bacı, da ſchonen wir Sr. Majeſtät unſerem Könige wieder viel Pulver." Das war freilich wohl wahr , aber ſonſt hins derte dieſer beſtändige Regen unſeren ſchnellen Weitermarſch doch in hohem Grade und bei beſſerem Wetter hätten wir gewiß um einige Stunden früher auf dem Schlachtfelde an langen können. Aller Boden war ſo durchweicht, daß die Leute bis über die Füße , und unſere Pferde bis an die Feſ

feln hineinſanfen , und beſonders die Geſchüße konnten nur Schritt vor Schritt fortgebracht werden. Es war wirklich oft jämmerlich mit anzuſehen, wie unbarmherzig die Fahrfanoniere auf ihre müden Pferde losbauen mußten , und doch konnte dies nicht anders ſein , wenn wir wirklich nod) zur rechten

Zeit ankommen wollten , um den Engländern aus der Verles genheit zu helfen. Dazu waren die Wege ſo ſchmal und gingen ſo häufig durch Wald und Gebüſch, daß die Glieder oft abgebrochen werden mußten 1, wodurch natürlich immer neuer Aufenthalt entſtand. Auch in dem Dorfe Wavre , wo wir durdymarſdiren mußten , brannten ein paar Fäuſer in der

engen Straße, ſo daß dieſe ganz geſperrt war und der Brand erſt gelöſcht werden mußte , was auch eine Zeit wieder fort 1

37

16

TM

247

nahm. Gewaltig ungeduldig ward nun unfer Alte , und als gar erſt ein paar Adjutanten von dem Wellington in vollem Gejage angekommen waren und gemeldet hatten, daß der fich nur noch mit äußerſter Mühe gegen die heftigen Angriffe von dem Bonaparte halten könne und ſehr auf unſere Ankunft

hoffe, trieb er immer heftiger an . „ Vorwärts , Kinder , vor. wärts , nehmt die Beine in die Hände und dann nur immer

munter druf los geſtiefelt ,“ ſchrie er den Soldaten in einem. fort zu. Wo fidman irgend eine Stockung zeigte , da gas loppirte er gewiß hin , und trieb und trieb und fdalt und fluchte ſo lange , bis der Marſch in größter Gile wieder forts ging. Als ein Infanterie - Bataillon , was ſo recht in dem Drecke herumpatíden mußte, ſo daß manche Soldaten bis faſt

an die Knie hineinfamen und ihre Schuhe und Kamaſchen drin ſtecken laſſen mußten , wieder von unſerem Alten ſo ans getrieben wurde, riefen die Soldaten : „ Es geht nicht , Ew. Durchlaucht, es geht nicht raſcher, wir fallen ja ſo ſchon vor Müdigkeit faſt um, " und auch : „ Dies iſt ja auch über Mens ſchenkräfte.“ Wie aber der Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht ſolche Worte hörte , da richtete er fid body im Sattel auf und rief den Truppen mit ſeiner vollen Babſtimme

zu : „ Kinder , wir müſſen vorwärts. Es heißt wohl , es geht richt, aber es muß gehen , ich hab es ja meinem Bruder Wellington verſprochen. Ich hab' es verſprochen , hört Ihr 1

wohl, Ihr wollt doch nicht, daß Guer alter Blücher am Ende noch wortbrüdyig werden ſoll. " Und wie die Soldaten folde Worte von unſerem Vater Blücher hörten, da rief Giner von ihnen : „ Ja, Ew. Durchlaucht, wenn es ſo gemeint iſt, dann

muß es wohl gehen ,“ und durch Dick und Dünn ging es nun fort, als wenn der Dampf dahinter wäre. Das war

aber der Dank für all dieſe Aufopferung, daß der Wellington ein paar Jalir ſpäter geſagt haben ſoll, „ die Preußen wären

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bei Belle - Alliance außer Rand und Band geweſen .“ Ich hätte ihn mal mit ſeinen Engländern ſehen mögen , wenn die erſt ſo einen Marſch hätten machen ſollen , wie unſere Juns

gen es an dem Tage thuen mußten, bis ſie in°8 Feuer famen. Sdlagen thuen fich dieſe Engländer zwar mit vieler Courage und ſobald ſie einmal im Feuer find , dann ſtehen ſie auch feſt darin , aber wenn die Kerle nicht erft ihre richtigen paar

Pfund Rindfleiſch im Magen haben , iſt verflucht wenig mit ihnen anzufangen. Dies iſt die Wahrheit. Es war das Gorps des Herrn Generals der Infanterie,

Grafen von Bülow-Dennewiß Excellenz, welches zuerſt den Engländern und Hannoveranern , die ſich ſchon den lieben langen Tag mit den Franzoſen herumgerauft hatten, zur Hülfe

kam . Die zweiten ſchleſiſchen Huſaren , was jeßt die 6. ſind, waren die erſten preußiſchen Truppen , die hier den Feind zu Geſicht befamen .. Von der Infanterie famen hier zuerſt in das Gefecht das :15. und 18. Liniens und das 1., 2. , 3. und

4. ſchleſiſche Landwehr-Regiment, weldie 6 Regimenter zuſams men die 15. und 16. Brigade ausmachten.

Außer dem 2.

ſchleſiſchen Huſaren -Regiment war an Kavallerie zuerſt da das neumärkiſche Dragoner- Regiment und dann noch viel poms

merſche, ſchleſiſche und neumärkiſche Landwehr-Kavallerie, und von der Artillerie die 2. und 14. Fußbatterie.

68 modyte

wohl gegen 5 Uhr Nachmittags ſein , als unſere erſten preus Biſchen Truppen ſo recht in das Feuer famen. So etwas hatte der Bonaparte aber nicht erwartet , daß die Preußen,

die er völlig geſchlagen und Gott weiß wo auf der unordent lichſten Flucht glaubte , jeßt ſchon wieder mit friſcher Courage

in die Schlachtlinie rücken und den Engländern hier zur Hülfe fommen würden. Gewaltig ſoll er gefoutert und ſich

die Lippen vor Wuth ganz blutig gebiſſen haben , da ihm unſere Ankunft gemeldet ward , und ich will dies wohl glaus

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ben , denn einen gar argen Strich machten wir ihm durd die Rechnung. Wahrhaftig ganz anders ausgeſchaut hätte es, wenn unſer Alte es durch ſein Antreiben nicht möglich ges

* macht, daß wir doch noch gerade zur rechten Stunde anges 2 kommen wären . Na, wie denn erſt unſere erſten preußiſchen Truppen mit M

den Franzoſen angebunden hatten , ſo folgten die anderen bald nach. Von langem Beſinnen und Zögern und Zaudern | konnte hier weiter keine Rede ſein , und wie die einzelnen

Il

I

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Brigaden nach und nach auf dem Shlachtfelde anlangten, raſch mußten ſie auch gleich gegen den Feind , da half weiter kein Maulſpißen. War dies den braven Jungen auch das Liebſte , denn umſonſt wollten ſie ſich wahrhaftig nicht ſo ab .

geradert haben.

1

Immer mehr von unſeren Truppen kamen nun in's

!

Feuer und immer ärger fingen die Kanonen zu frachen an. Das war wahrhaftig ein Geſchieße von beiden Seiten , daß die Erde nur ſo unter unſeren Füßen zitterte , man hätte faft

3

taub davon werden können und ſelbſt bei Leipzig habe ich es nicht ärger gehört. Und dabei hat unſer Alte immer ſein Vorwärts , vorwärts Kinder , heute gilt'8 , " mit ſo lauter Stimme gerufen , daß man es zwiſchen all dem Gefrache heraushören konnte. Wahrhaftig hier an dieſem Schlachttage

II

von Belle - Alliance hat unſer Herr Feldmarſchall von Blücher

Durchlaucht wieder ſo recht gezeigt , daß die Ruſſen ihm gar feinen beſſeren Beinamen wie den ,, Marſchall Vorwärt8 " hät ten geben können. Die Franzoſen die wußten aber auch , daß eß ihrem Bonaparte heute an Kopf und Kragen ging , wenn fte die Sdylacht verſpielten , und da es meiſt tapfere Kerle find, wie man ihnen laſſen muß, ſo wehrten fte ſich denn mit der äußerſten Standhaftigkeit. Da war beſonders ein Dorf,,

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Planchenois " nannten es unſere Herren Officiere vom Ges neralſtab , die die ganze Gegend ſo auf ihren Karten haben , daß fie ſich auch ohne Führer gut darin auskennen , das woll ten die Franzoſen nicht miſſen und unſere Soldaten es aber gern haben , und ſo fam es denn zu einer mordsmäßigen Keilerei in demſelben. Zuerſt ließ der tapfere Herr Oberſt Hiller von Gärtringen , der ſich ſchon in den Feldzügen von Anno 13 und 14 einen fo berühmten Namen gemacht hatte,

eß durch ſeine Brigade erſtürmen. Zwei Bataillone vom 15. Linien - Regiment in der Mitte und 4 Bataillone vom ) . und 2. ſchleſiſchen Landwehr-Regiment rechts und links , dazu 1 Bataillon vom 11. Linien- und vom 1. pommerſchen Lands wehr-Regiment in der Reſerve 1, ſo ging der Sturm auf das Dorf (os . Im erſten Ruckſtürmten auch unſere braven Kerle das große Dorf und eroberten ſelbſt den von einer ſteinernen Mauer umgebenen Kirchhof. Als der Bonaparte, der ſeine Augen aber überall hatte , dies fah , ſchickte & von feiner jungen Garde mehrere Bataillone hin, daß fie ihm das Dorf , auf deſſen Befig für ihn viel anfam , wieder erobern

follten. Die Franzoſen von der Linie , die ſidy noch in ein zelnen Gärten und Höfen des Dorfes behauptet hatten , ver einigten fid nun mit dieſen jungen Gardiſten und ſtürmten

ſo gewaltig auf die Unſrigen ein , daß dieſe wieder aus dem Dorfe berausmußten. „ So geht es nicht , das Dorf müſſen wir wieder haben ," ſagte unſer Alte aber , und zum Zweiten mal mußten unſere Soldaten ' es jeßt erſtürmen. Zwei Ba taillone vom 11. Linien -Regiment, was dazumals noch das 2. ſchleſiſche Linien - Regiment genannt wurde , und 2 vom 1 . pommerſchen Landwehr-Regiment mußten mit den Fünfzehnern zuſammen die Sturmfolonne bilden , die denn auch richtig wieder das Dorf eroberten . Jeßt ließ aber der Bonaparte

eine Batterie von 24 ſchweren Kanonen dagegen auffahren ,

251

und was die denn für ein Gefrache machten, könnt Ihr Euch wohl denken , Kinderfens. Und in all dieſem Getobe und

'

Gelärme, wo ganze Rotten von unſeren braven Soldaten

1

zuſammengeſchoſſen wurden , ließ er 4 Bataillone von ſeiner

1 1 1

1

alten Garde beranmarſchiren.

Das waren ſo ſeine beſten

Soldaten, lauter ausgeſuchte, langgediente Kerle , und wenn die heranmußten, brannte ihm das Feuer denn ſchon auf den Nägeln und er mußte die höchſten Trumpfe ausſpielen. Ein furchtbares Kämpfen entſtand nun in dem Dorfe ſelbſt, und zu ganzen þaufen ſollen die Leichen in den Straßen und

1

Gärten und Höfen herumgelegen haben , bis die Unſrigen es endlich wieder zum Zweitenmal räumen mußten . Eine recht ſtöne Attaque machte bei dieſem Rückzug unſerer Infanterie aus dem Dorfe Planchenois auch noch unſer 8. Fuſarens

Regiment. Die franzöſiſche Kavallerie wollte nämlich unſere zurücgehende Infanterie verfolgen , aber unſere achten Huſa ren warfen ftchy derſelben entgegen und trieben ein feindliches Lancier-Regiment bis auf ſeine eigene Infanterie zurück. Es heißt wohl ſo öfters, daß puſaren gegen Uhlanen , oder wie die Franzoſen in ihrer Sprache fie nennen thuen , Lanciers . nicht viel ausrichten könnten , da ihre langen Lanzen Lesteren zu großen Vortheil brächten. Das iſt aber nur Narrerei und ein þufar , der das glaubt und ſich deshalb fürchtet, auch

auf Uhlanen zu attaquiren , iſt ein Sd .... ferl , dem man ſeinen Dolman mit Schimpf und Schande ausziehen und

einen alten Weiberroc dafür anziehen ſollte. Eine Lanze iſt gewiß eine nicht zu verachytende Waffe und kann in gewandter Hand dem Feind vielen Sdaden thun , aber pariren läßt ſie fich dody aud ), und ein ordentlicher , gut geführter Huſaren fäbel iſt auch nicht von Stroh und wo der hin fährt und

trifft, da Toll es der Getroffene wohl ſchon verſpüren. Das merkt Euch, Ihr Huſaren, nur für alle Zeiten.

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Sehr auszeidynen that ftdh nun auch wieder an dieſem

Tage der Prinz Wilhelm von Preußen Königliche Hoheit, von dem ich Euch ſchon manchmal ſo ſchöne Sachen, auf die jedes preußiſche Herz ſtolz ſein kann, erzählte. Er fommandirte die ſogenannte „ ReſervesKavallerie" von dem Bülow'ſchen Armees corps, die aus dem jebigen 6., dann dem 8. und 10. Huſarens, dem jebigen 1. Uhlanens, dem 1. und 2. neumärkiſchen , dem 1. und 2. pommerſchen und dem 1., 2. und 3. ſchlefiſchen

Landwehrkavallerie - Regiment beſtand.

Im heftigſten feinds

lichen Kanonenfeuer mußte dieſe Kavallerie lange Zeit ganz ruhig auf dem Flede halten bleiben , ja ſogar auf Flinten ſchußweite die Stelle der Infanterie einnehmen ,I und daß ſo etwas für Reiterei ein verfluchtes Stüd Arbeit iſt, was mehr Schaden bringen kann , wie die ungeſtümſte Attaque, weiß

Jeder , der nur einen ordentlichen Feldzug mitgemacht hat. Dieſe braven Regimenter hatten auch vielen Berluſt hier, und

fogar zwei Brigade- Befehlshaber derſelben , der øerr Oberſt Graf von Schwerin und der Herr Oberſtlieutenant von Wass dorf blieben dabei auf dem Bette der Ehre, " wie es in den

Büchern genannt wird, wenn Jemand im Gefecht bleibt. Jekt kam auch allmälig unſer 11. Armeecorps I, zu dem ja auch die Huſaren-Brigade des Herrn Oberſtlieutenants von Sohr gehörte, auf dem Schlachtfelde an . Einen weiten Marſch hatten Alle gehabt, und Pferde wie Menſchen waren theilweiſe ſo müde , daß ſte faum noch ſchnaufen konnten , wie ſie auf

dem Schlachtfelde anlangten , und doch hieß es , nur immer gleich raſch vorwärts in’s Feuer hinein , und von Verpuſten und Ausruhen war gar keine Rede. „ Das Dorf Plandhenois müſſen wir wieder haben und koſte es, was es wolle , " rief unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht aus , und

auf'8 Neue mußten unſere Truppen zum leßten, entſceidens den Sturm gegen daſſelbe vorrüden . Nun kam ein furdit

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barer Kampf , wie er gewiß noch nie ärger geführt wurde, ſeitdem es Kriege auf dieſer Welt gegeben hat. Von unſeren Truppen bildeten jest die Füſeliere und das J. Bataillon vom 1. pommerſchen Linien - Regimente die Mitte der Sturm

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다. 11

kolonne, die gerade auf den Kirchhof zuſtürmen ſollte, während

2 Bataillone vom 5. weſtphäliſchen Landwehr-Regiment auf die rechte Seite zumarſcirten, und das 1. Bataillon vom I. pommerſchen Regiment die Reſerve machte.

Die Fiſeliere

1

11

vom 25. Linien-Regiment , dann die Funfzehner und Elfer

3

von der Linie , und die vom 2. Pommerſchen und I. clefi (dyen Landwehr-Regiment waren hier bei dieſem Dorfgefechte

0

aud noch thätig. Donnerwetter, da ſoll es aber dabei zuges gangen ſein, mir haben alte Unterofficiere von dieſen Regi

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mentern , die ſchon alle große Schladyten von Anno 1806 an mit gefochten hatten, geſagt, ein ſolch mörderiſches Gefecht

wie hier, hätten ſie in ihrem Leben noch nicht geſehen. Wie die Mauern To feſt , ohne zu weichen und zu wanken haben die alten Garden von dem Bonaparte geſtanden , und ihre

Salven jo ruhig und ſicher abgefeuert, als ftänden ſie auf dem Erercierplaß. Ja, Soldaten von der alten, echten Zucht, die don ihren Mann ſtanden , und nicht wie die Bürgers

wehren und Freiſchaaren davon liefen , wenn es recht was gilt, waren dieſe alten Napoleoniſchen Gardiſten , das muß man ihnen nach ihrem Tode noch laſſen. Aber auch unſere braven Jungen , die haben ſich geſchlagen , daß es wirklicy eine wahre Freude geweſen ſein ſoll, es mit anzuſehen. Noch immer war für uns Preußen die Rechnung mit den Franzos ſen nicht ganz ausgeglichen, und heute der lebte Zahltag, und da galt es denn , die alte Sduld noch mal redit ordentlich auszuzahlen. Von Pardon geben und nehmen iſt in dieſem Dorfgefechte bei Planchenois keine Rede mehr geweſen, dazu waren Alle viel zu erbittert und erboſt gegen einander. „ Vive

l'empereur“ haben die Gardiſten noch immer gerufen , je kleiner und kleiner auch ihr Häuflein ward, und , immer man

drauf, drauf Jungens, gebt dieſen Franzoſen das Leste," die Unſeren. Da hat es denn Pommerſche Kolbenhiebe gegeben , und gar Viele von dieſen ſtolzen Bärenmüßen, die da glaub ten , die ganze Welt müſſe ihnen und ihrem Kaiſer gehören, fielen hier unter den Kolbenſchlägen und Bajonnetſtichen uns ſerer Pommern und Weſtphalen. Ihre goldenen Adler, die ihnen als Fahnen dienten , hatten die Franzoſen zuleft mit Trauerflor zum Zeichen der Trauer umwunden , und das war

Recht von ihnen , denn hoffentlich iſt der Glanz von ſoldien Napoleoniſchen Adlern für immer vorbei, und wenigſtens bei uns in Deutſchland ſollten ſie nicht wieder glänzen , dafür wollen wir Preußen und all die anderen mit uns verbündeten

deutſchen Truppen ſchon aufpaſſen. In unſerem Zeughauſe in Berlin ſind noch viele von ſolchen von uns eroberten fran zöſiſchen Regiments-Adlern , und wenn Ihr mal nach Berlin fommen ſolltet, Kinderfens, lo verſäumt ja nicht, Euch dieſe

Adler und all die anderen Kriegstrophäen, die wir Preußen uns ſchon erobert haben , anzuſehen. So ein Anblick muß eine wahre Freude für jeden ehrlichen, preußiſchen Soldaten ſein , an dem er ſich erbauen und in dem Entſchluß ſtärken fann, ebenſo ſeine Schuldigkeit zu thuen , wenn es Gottes Wille ſein ſollte, daß er in einen Krieg für König und Vas terland zieht, wie es damals unſere Soldaten , als dieſe Ehrens zeichen erobert wurden , gethan haben. So etwas iſt beſſer

für Euch, als wenn Ihr Euer ſchweres Geld ausgebt, um in den Polka -Kellern, oder wie das Zeug ſonſt noch heißen mag, wo all die liederlichen Mamſells in Sammt und Seide, die oft dabei fein heiles Hemd auf dem Leibe haben ſollen , fiben , berumzuſtrolden , oder Euch in der Oper alle die Quickeleien, von denen Ihr doch nidyt8 verſteht, und dies auch nicht nöthig

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i habt, vorplärren laßt. Um aber wieder auf dieſen Schlach tentag oder wie es für uns Preußen wohl eigentlich richtiger beißen muß , Schlachtenabend bei Belle-Alliance zu fommen ,

ſo ward endlich ſo ungefähr gegen 9 Uhr Abends das Dorf Planchenois ganz vollſtändig von unſeren Truppen ers obert. Von den franzöſiſchen Gardiſten, die daſſelbe vertheis digten , hatten ſich nur Wenige geflüchtet, die Meiſten haben todt oder verwundet an den Plägen gelegen , die ihnen zur .

Vertheidigung anvertraut waren .

Eine ehrenvollere Grabs

er ſtelle kann aber ein braver Soldat ſich im Kriege gar nid) t wünſchen. Daß aber auch von den Unſrigen bei jo harts näckigem Kampfe viele muthige Jungens gefallen waren , und it manche Mutter in unſerm Preußenland ihre blutigen Thränen 11 über dieſen Tag weinen mußte, könnt Ihr Euch wohl denken. So umſonſt läßt ſich ein Dorf, was mit mehrere ! Bataillonen

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der alten Garde beſegt war , nicht erſtürmen , und die Vers theidigungsmannſchaft deſſelben zuſammenhauen. Ich habe ſpäter von Leuten , die Kenntniß davon haben fonnten , mal ſagen hören, daß wir Preußen in den wenigen Stunden faſt an 7000 Todte oder dochy ſo Schwerverwundete, daß fie aus

1

den Gliedern treten mußten , verloren haben.

Am Meiſten

1 hat das 4. oder Bülow’jdhe Armeecorps verloren , was einen Abgang von 173 Herrn Officieren , 420 Unterofficieren und 5686 Gemeinen gehabt hat, wie ich mir in meiner Brieftaſde aufgeſchrieben habe. Allein das 15. Linien - Infanterie -Regiment

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bat 20 Herrn Officiere, 46 Unterofficiere und 593 Gemeine an dieſem Tage verloren.. Von unſerer Ravallerie büßten die

Regimenter unter dem Prinzen Wilhelm von Preußen Königs liche Hoheit am Meiſten ein , denn der Verluſt der Regimen ter von den anderen Armeecorps will nidt viel beißen. Nody größeren Verluſt faſt wie wir Preußen batten aber bei Belles Alliance die Engländer, Holländer , Hannoveraner , Braun

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ſchweiger und Naſſauer , die ja auch den ganzen langen Tag im Feuer geweſen waren.

Wenn mir recht iſt , haben die

Engländer allein an 10,000 Mann verloren. Auch die Braun fchweiger und Hannoveraner ſollen zuſammen an die 2000

Mann verloren haben, da ſie faſt den ganzen Tag heftig im Gefechte geweſen ſind.

Mit großer Tapferkeit haben ſich

dieſe Braunſchweiger und Hannoveraner geſchlagen und ein gutes Theil von įdem Ruhm mit erworben , den fich jeßt die Engländer allein zuſchreiben wollen . Sind überhaupt ſehr brave Soldaten , mit denen gute Kameradſchaft zu halten eine Freude für uns Preußen iſt. Und Pferde reiten dieſe han: növerſchen Huſaren und Dragoner, Schwerenoth , es iſt ordent lich ein Vergnügen, die nur anzuſehen. Na , will es Gott, 1

fechten wir noch öfters mal mit denſelben zuſammen , wie dies

ja auch ſchon im vergangenen Jahr in dem Sdleswig-Hols ſtein der Fall geweſen iſt. Während nun bei Planchenois die franzöſiſchen Garden noch dies Dorf mit größter Hartnäckigkeit vertheidigten , das mit die übrige Armee einen guten Rückzug haben ſolle , da

ging es überall ſonſt auf dem Schlachtfeld ſehr durcheinander zu. In großen und kleinen Abtheilungen fochten die einzelnen franzöſiſchen Corps noch , während ſchon immer mehr und mehr Soldaten von ihnen , Infanteriſten , Savalleriſten , Artilles

riſten Alles bunt durcheinander mengelirt, ſo raſch wie ſte nur ihre Beine tragen wollten , die Flucht ergriffen . Unſere Ka vallerie, von den reitenden Batterien unterſtüßt, jagte überall

umher, und wenn ſich noch wirklich eine größere Abtheilung von den Franzoſen wieder ſammeln oder gar noch Widerſtand leiſten wollte, dann ging es wie das Donnerwetter auf ſte 1o8, und im Augenblick waren Alle zerſtreut.

Nur was nody

ſo einige Bataillone von der alten Garde waren, die hielten

geſchloſſen in dieſer großen Verwirrung nody Stand, und

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machten uns und den Engländern noch viel zu ſchaffen. Bes

ſonders die engliſche Leibgarde zu Pferde , die jo prachtvoll anzuſehen war , wie mir noch nie eine Ravallerie vor die

Augen gekommen iſt, und die engliſchen Dragoner, und die ỹuſaren von der ſogenannten engliſch -deutſchen Legion , was meiſt Hannoveraner.waren , hieben hier noch manche Franzos ſen zuſammen. Was ſo von der alten Garde war, das wollte ſich nicht recht ergeben, und es ward ſpäter erzählt, zwei Bas taidone derſelben hätten in ihrer franzöſiſchen Sprache ges

rufen : „Die alte Garde ſtirbt, aber ſie ergiebt ſich nicht,“ als die engliſchen Gardes Dragoner von der einen , und ein paar Schwadronen von unſerer preußiſchen Landwehr-Kavals lerie auf der anderen Seite fie umzingelt, und zum Pardons nehmen aufgefordert hätten. Ob das nun wahr iſt, kann ich nicht ſagen , da ich es ſelbſt nicht gehört habe , ſo viel weiß ich aber und hab' es mit meinen eigenen Augen angeſehen, daß dieſe alten Gardiſten oft mit der alleräußerſten parts 1

näckigkeit fochten , und fich lieber zuſammenhauen ließen, als - daß fie die Gewehre fortwarfen und ſich gefangen ergaben. So ſah ich , daß zwei Grenadiere von der alten Garde , die Beide das Kreuz von der Ehrenlegion auf der Bruſt trugen, fich mit den Rüden gegen einen Baum geſtellt hatten, und obſchon an 5—6 engliſche Garde-Dragoner um ſie herum hiels ten, doch keinen Pardon nehmen wollten. Schon alte Kerle mit ſo grauen Schnurrbärten, wie ich jeßt ſelbſt einen hab', waren dieſe Gardiſten, und man konnte ihnen von Weitem anſehen, 1

daß fie in ihrem Leben ſchon vieles durchgemacht hatten, und

heute gewiß nicht zum Erſtenmal die Kugeln pfeifen hörten. Als nun Einer der Grenadiere auf die Aufforderung der Engländer ſich zu ergeben, mit ſeiner Flinte ſchoß, und einen engliſchen Dragoner im Arm verwundete , riefen die Andes

ren ihr „ Goddam " was auf Engliſch ſo viel heißen ſoll wie III.

17 .

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Schodſchwerenoth " oder ſo in der Art, und hauten auf die beiden Franzoſen ein. Eine ganze Zeit Wertheidigten dieſe fich noch mit ihren Bajonnetten, und brachten den Dragonern noch mehrere Stide bei , und obidon fte ſelbſt ſchon manche Sä

belhiebe über Kopf und Bruſt befommen hatten , fochten fie doch ſo lange fort, bis ſie zulegt den Gnadenhieb erhieltent, ſo daß fie todt zu Boden fielen. Mein Lebtag habe ich nidyt geſehen , daß fich zwei Infanteriſten ſo lange und mit ſolder Geſchicklichkeit gegen mehrere Kavalleriſten herumbauten wie dieſe , und obſchon es Franzoſen , und alſo unſere Feinde waren , mußten wir doch wie von ſelbſt aufrufen : „ Scade

um die braven Kerle ! " Tapferkeit muß man auch an jedem Feinde, wie er auch heißen mag, ehren. Mitten auf dem großen Schlachtfelde ſtand ein hohes Haus mit rothem Ziegeldach, ſo daß man es von allen Sets ten aus der Ferne ſehen konnte. Hierher war unſer Herr Felds i marſchall von Blücher Durchlaucht geritten, und traf da una vermuthet mit dem Herrn Feldmarſchall von Wellington, und wa$ für lange Titel der noch ſonſt haben mag, zuſammen . Das war eine große Freude für die beiden hohen Herren ,

die an dem heutigen Tage ſchon ſo viel gethan hatten. „Siehſt Du, Bruder Wellington , daß ich doch mein Wort gehalten, und mit meinen braven Jungen Dir noch zur rechten Zeit

zur Hülfe gekommen bin , wie es ſich gehört," ſagte Älte, und ſprang vom Pferde und gab dem engliſchen marſchall einen lauten Ruß , daß es man ſo ſchmaßte. dieſer, der ſo ſteif war, als hätte er einen Ladeſtod zum

unſere Felds a Und Früh

ftück verzehrt , ſchüttelte unferm Alten auch recht herzhaft die Hand, und machte ordentlid) ein freundliches Geſicht, obſchon

das ſonſt gar nicht in in ſeiner Natur zu liegen ſchien. Na, er hatte auch wahrhaftig álle Urſuché dazu , denn wenn unfer Alte nicht Wort gehalten , und unſere Soldaten nicht troß

69

der ſchlechten Wege und aller ſonſtigen Mühſeligkeiten zu einem ſo ſchnellen Marſch angetrieben hätte, wäre der Bona parte doch am Ende Meiſter über ihn geworden , und hätte

ihn trotz der hartnäckigſten Gegenwehr unterbekommen. Unſer Alte, der nun ſehr vergnügt war, und ſchmunzelte, hat darauf Einen der vielen Generalſtabsofficiere gefragt, wie denn dies

Gehöft, bei dem er mit ſeinem Bruder Wellington zuſammen gekommen wäre , eigentlich genannt würde. „ Belle-Alliance, Gw. Durchlaucht,“ hat der geſagt. Da ſoll denn unſer Alte ausgerufen haben : „ Wenn mir recht iſt, denn allzuviel Fran zöſiſch habe ich nie lernen mögen , heißt das bei uns auf

Deutſch : „ Schöne Eintracht.“

Das iſt ja ein ganz guter

Name gerade für den Ort, wo id) mit meinem lieben Bruder

Wellington nach der gewonnen Schladit zuſammengekommen bin. Wie wär's , wenn wir die ganze Schlacht auch ſo die von Belle-Aliance nennen thäten ? " Da ſoll denn zwar der

Herr Wellington anfänglich dazu genickkopft haben und geſagt, dieſer Name gefiele auch ihm ganz gut , und wo er ſchon neidiſch darüber ward , daß er die Schlacht nicht allein ges winnen konnte, hat er dies aber nicht gethan, und fie in ſei

nen Berichten die von „Waterloo " genaunt, und daher kommt es auch, daß ſie dieſe beiden Namen zugleich hat. Die Fran

zoſen, die überhaupt nicht recht was von dieſer Schlacht wiſ ſen mögen , haben ihr noch einen dritten Namen , ich glaube den von Johann oder Jean, oder ſo etwas gegeben. Na, wenn Ihr das auch nicht wißt , ſo ſchadet dies nicht, denn

wozu braucht ein preußiſcher Soldat zu wiſſen , was ſo die Franzoſen ſolchen Saden für Namen geben. Gegen neun Uhr Abends da bekam denn unſer Herr Felds marſdall von Blücher Durchlaucht die Meldung, daß es un ſern Soldaten endlich geglückt ſei, das Dorf Planchenois zu evſtürmen und die Franzoſeu gänzlich daraus zu vertreiben. 17 *

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Der bis dahin noch ſo halbwegs geordnete Rückzug der Feinde ſollte jeßt in die wildeſte Flucht ausarten , wo Alles drüber und drunter ging und kein Menſch mehr auf Ordnung hielt. Haben dies ſo an ſich die Franzoſen , daß wenn ſie erſt eins mal zum Laufen gebracht ſind, die Unordnung dann gar leicht in hobem Grade bei ihnen einreißt und alle Subordination

zum Teufel geht, ſo ſtrenge ſie ſonſt auch als tüchtige Suldas ten auf ſolche zu halten pflegen. Als unſer Alte nun dieſe Meldung erhielt, da ſoll er gewaltig geſchmunzelt haben und geſagt: ,,Aha, haben wir nunmehr die Kerle, wo wir fie ha. ben wollen , jeßt nur noc ordentlich drauf los und ihnen den

leßten Treffer gegeben, daß ſie gar nicht wieder zur Ordnung kommen können .“ Und zu dem Wellington fod er geſagt has ben : „ Lieber Bruder Wellington, weißt Du, Deine Soldaten ſeben mir verflucht ermüdet aus , was auch kein Wunder iſt,

da ſie den ganzen Tag im Gefechte geweſen ſind, und ich glaube, ein gutes Abendbrod iſt ihnen auch lieber, als ſo die ganze Nacht hinter den Franzoſen drein zu laufen und denen feine Ruhe zu laſſen . So bleib Du denn hier mit Deinen Soldaten nur auf dem Schlachtfelde, was Du ſo tapfer ver .

theidigt haft und lieg Dich erſt ordentlich aus. Meine Preus Ben die haben flinkere Füße, und an das viele Freſſen find fte auch nicht ſo gewöhnt, und ſo überlaß denen nur die Vers folgung , ich ſteh' Dir dafür, daß fie ihre Sache gut machen und weder dem Bonaparte noch feinen Soldaten ſo viel Ruhe

laſſen , daß fie ihr Fleiſch verzehren, viel weniger es gar fochen fönnen . " Und als unſer Alte ſo geſprochen , da hat der Wels

lington genickfopft und geſagt: „ Yes, yes, wery good !!" was auf Deutſch ſo viel heißen roll: via , ja , das gefällt mir

ſdhon gut!" Ja das glaube ich auch, daß er damit zufrieden ſein konnte , wenn wir Preußen ihm und ſeinen Leuten die

Verfolgung abnahmen , was wahrhaftig feine Kleinigkeit für

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unſere Burſchen war, die ſchon den ganzen lieben langen tag

bei den ſchlechten Wegen auf dem Marſd) und hernach im hef. tigen Gefechte geweſen waren. Und als er denn nun mit dem Wellington das ſo abgemacht, da hat unſer Alte zu dem Herrn Generallieutenant von Gneiſenau Grcellenz , was ſo ſein bes

fter Freund und Rathgeber war, geſagt : „Tüchtig ausgeſchmiert haben wir denn mit Gottes gnädiger Hülfe den Bonaparte, ſo daß er wohl für alle Zeiten daran genug haben wird. Jeßt gilt es, die Verfolgung ſo eifrig fortzuſeßen, daß er ſein Heer gar nicht wieder ſammeln und in Ordnung bringen fann, denn ſonſt iſt er im Stande und wirft ſich und nodmals entgegen ,

was mandem braven Menſchenfind nur unnüß Blut und Leben

koſten würde. Ich dächte ſo dieſe Verfolgung thäten Sie überneb. men , denn nachgerade bin ich bei meinem hohen Alter doch ſchon müde und möchte mich bald, da die Hauptſache doch nun abgethan iſt, ein Bischen aufs Ohr zum Schlafen legen. Vors her will ich aber noch ein Bischen mitreiten und dann die

Depeſde an Se. Majeſtät den König über die gewonnene Sdlacht ſchreiben und abſenden. Na, unſer gnädigſter Herr der wird ſeine helle Freude haben, wenn er das lieſt. Möchte mal dabei ſein und das mit anſehen dürfen ."

Und der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Excellenz der ſoll darauf geantwortet haben : ,,Verlaſſen ſich Ew. Durchlaucht man ganz auf mich, dazu bin ich ſchon der Mann , dem Bos naparte jeßt noch den legten Stoß, von dem er jo bald nicht

wieder aufſtehen ſoll, zu geben . Der legte Hauch von Pfers den und Menſchen ſoll an dieſe Verfolgung geſeßt werden, darauf gebe ich Ihnen mein Wort. “ Was aber der Herr Generallieutenant von Gneiſenau

Excellenz, den ja unſer Alte ſelbſt ſeinen Kopf genannt hatte, verſprachy, das hielt er aud ), darauf konnte man ſich verlaſſen.

Eine Verfolgung ging nun noch die ganze Nacht hindurdy an,

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wie ſie wohl nicht ſo leidyt ihres Gleidyen hat und den Trups pen , die ſie ausführten , zum ewigen Ruhme gereichen wird. Maß man doch bedenken , daß alle Leute , welche bei dieſer

Verfolgung verwandt wurden, ſchon über 20 Stunden undus: geſeßt bei dem ſchlechteſten Wetter auf den Beinen geweſen waren und dabei nicht ſo viel Zeit gehabt hatten , um nur eine warme Waſſerſuppe kochen und verzehren zu können.

Da ich mein Hänſeken, der den ganzen Tag ruhig hinter einem Bagagewagen angebunden geweſen war , ziemlich auss geruht wiederfand, ſo fonnte ich an dieſer Verfolgung ſo recht Theil nehmen und das war eine große Freude für mich. Mas ren übrigens nicht ſehr viele Truppen gleich bei der Hand, um die Verfolgung unter dem Oberfommando des Herrn Ger

nerallieutenant von Gneiſenau Excellenz unternehmen zu kön nen.. An der Spiße derſelben befanden ſich drei Schwadro nen Uhlanen , ich weiß nicht mehr ſo recht im Kopfe, ob fie vom brandenburgiſchen oder vom 6. Uhlanen -Regiment was ren , unter dem Herrn General von Röder, dann die Füſelier Bataillone vom 15. und 25. Regiment, zwei Bataillone vom

1. und 2. ſchleſiſchen Landwehr- Infanterie -Regiment und dann das 1. ſchleſiſche Landwehr-Kavallerie -Regiment. Hinter dies ſen Truppen , die ſo zu ſagen die Avantgarde bildeten , folge ten nun noch viele andere allmälig nach. So von der In fanterie, ſo viel mir noch erinnerlich iſt, die übrigen Bataillone 1

vom 15. Regiment, dann welde vom 12. und 24. Liniens

Regiment und ſchleſiſche Schüßen und von der Reiterei die brandenburgiſchen, weſtpreußiſchen und neumärkiſchen Dragos ner, die ſchleſiſchen und weſtpreußiſchen Uhlanen und noch mehs rere Huſaren -Schwadronen, ſo daß ſchon eine ganz anſehnliche Heeresmacht zuſammen fam . Hätten wirklich die Franzoſen fich noch wieder fammeln und fich uns widerſeßen wollen , es

wäre ihnen gar chlecht ergangen und Rie hätten nochmals

.

} I 1

1

die ſchönſten Schmiere von der Welt befommen . Aber daran dachten fie gar nicht, denn als wenn der Wolf hinter einer

Schafáheerde daher iſt, ſo lief die ganze franzöſiſche Armee, ſo viel noch davon übrig geblieben , in wildeſter Flucht vor uns her. Einen geordneten Rückzug, wie doch z. B. nach der Schlacht von Leipzig von den Franzoſen geſchah, konnte man dies Durcheinandergelaufe aller Waffengattungen gar nicht nennen, es war das ſchnellſte Ausgekraße, was id) mein Leba tag nur geſehen habe. Wahrhaftig, man hätte glauben fol.

len , die ganze franzöſiſche Armee müſſe plößlich ausgetauſcht ſein und dieſe Davonlaufer könnten unmöglich dieſelben Sul daten ſein , die ich vor wenigen Stunden nod; mit ſo großer

Tapferkeit geſchlagen hatten. 1

1

Aber ſo find dieſe Franzoſen

nun einmal, äußerſt brave Kerle ſo lange es ihnen gut geht

und ſie im Avanciren begriffen ſind, aber wenn ſie einmal erſt ordentlic; auf den Pelz geflopft wurden , die ſchnellſten Davonlaufer , die man auf der Welt nur

eben fann.

So

ſollen ſie es auch ſchon bei Roßbac ), als unſer hochſelige Kö: nig Friße Majeſtät

hier ſalutirte der alte Erdmann wie der ſehr ehrerbietig fie ſo gewaltig ausſdımierte , gemacht baben , wovon mir mein Vater feliger mand luſtiges Stücklein 1

erzählte.

Gegen Mitternacht langten wir am ſelbigen Abend bei Genappe, wo ein großer Engpaß iſt, auf dieſer Verfolgung an . Wir glaubten , die Franzoſen würden hier, wo der, ganze Plaß ich ſo ſehr dazu eignete , und ein paar Bataillone mit

einigen Kanonen alle unſere verfolgenden Truppen mehrere

Stunden hätten aufhalten können , es wenigſtens verſudien , ſich noch einmal zur Wehre zu leben, aber es war auch keine Spur davon. So ein paar einzelne Schüſſe, die welche Sols daten noch zuleft abfeuern mochten , bevor ſie ihre Gewehre

wegwarfen, fielen wohl noc hie und da, ſonſt war von einer

Vertheidigung nichts zu hören noch zu ſehen. Bis Genappe ! ſelbſt war unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht auch noch mit geritten, hier blieb er aber die Nacht, um ſeine Depeſchen , wie man es nennen thut , zu dictiren und ein Bischen auszuſchlafen , was ihm wahrhaftig wohl zu gönnen : war. Da es überall auf Schritt und Tritt in den Wegen, Gräben , Häuſern diď vol fchon von todten oder verwundeten Franzoſen lag , die ſich bis ſo weit noch mit fortgeſchleppt hatten, ſo hat auch in dem Hauſe, in dem unſer Alte abſtieg, um ſein Nachtlager zu nehmen, ein hoher franzöſiſcher General noch gelegen. Bei demſelben ſind ſeine beiden Adjutanten ges blieben , die ihren General auch in ſeiner legten Todesſtunde nicht hatten verlaſſen wollen , und darin ganz als brave Ofs ficiere handelten. Nun habe ich mir ſpäter erzählen laſſen , 1

der Bonaparte habe in einem Buche, was er nachher auf der Inſel Helena , wo er doch nichts Anderes thuen konnte , ges

ſdyrieben , behauptet , braunſchweig'ſche Huſaren hätten dieſen verwundeten General in der Gefangenſchaft ohne Weiteres ermordet und wären ganz ohne Strafe dafür geblieben.

So

etwas iſt denn nun die infamigſte Lügnerei , die nur auf der Welt erfunden werden konnte, und all' die anderen Kerle, die

dies dem Bonaparte ſo ohne Weiteres nadidructen , ſollten fich in ihrer .Seele darüber ſchämen , daß fie folch verlogenes

Zeug in ihren Büchern aufgenommen haben. Unſer Alte, der follte leiden, daß unter ſeinen eigenen Augen ein franzöſiſcher verwundeter General völlig von Huſaren ermordet würde ? Ja wahrhaftig, da hätte er ja unſer Vater Blücher nicht ſein müſſen. So wüthend er draufeinbauen ließ, fobald die Frans zoſen mit Gewehr und Waffen in der Hand uns gegenüber ſtanden , fo ſehr wachte er wieder darauf , daß auch die Ges fangenen nach Umſtänden möglichſt gut und menſchlich behan 1

delt wurden , wie es auch von ordentlichen , brapen Soldaten

265

ſtets geſchehen wird. Habe ich doch Anno 1813 mit meinen eigenen Augen geſehen , daß er ein paar weſtpreußiſdie Land wehrmänner, die franzöſiſche Gefangene auf dem Transport

mit den Fäuſten nur ein Bischen in die Rippen pufften, daß fie ſchneller gehen ſollten , auf der Stelle in Arreſt ſchickte, und den Herrn Lieutenant, der den Transport befehligte, ſo dafür herunterpuşte, daß wahrhaftig auch kein Hund nur noch ein Stüc Brod von ihm genommen hätte, wie man zu ſagen pflegt. Ja, unſer Alte der hatte wahrhaftig ein menſchliches Herz in ſeiner Bruſt , Kinderkens , das könnt Ihr mir glaus ben , und darum war er ja auch unſer Vater Blücher, für den jeder brave preußiſche Soldat keine Gefahr ſcheute. Ges rade hier in Genappe hat er dies bei dem verwundeten frans zöſiſchen General ſo recht wieder bewieſen , wie mir ein Ors donnanz- Unterofficier, der mit dabei war , ſpäter wohl mehr als hundertmal erzählt hat. Obſchon unſer Alte ſelbſt ſehr ermüdet war , wie ſich wohl denken läßt , iſt er doch ſogleich .

1

;

1

1

1

ſelbſt zu dem franzöſiſchen General hingegangen , als er von 1

demſelben gehört und hat dieſen , der ſchon auf dem Tode lag, mit ein paar freundlichen Worten zu tröſten geſucht. In das beſte Zimmer vom ganzen Hauſe iſt der Verwundete getragen worden , und unſer Alte hat ihn ſelbſt ſeinem eigenen Genes ralſtabschirurgus zur Behandlung übergeben , und die beiden mitgefangenen Adjutanten haben Wein und Abendbrod vom Tiſche des Herrn Feldmarſchalls Durchlaucht erhalten . Als der franzöſiſche General am anderen Tage geſtorben , iſt er auf dem Kirchhofe ordentlich, mit allen militäriſchen Ehrenbes .

1

1 ?

zeugungen begraben worden. r

1

Was denn aber vor dieſem langen Engpaſſe bei Genappe eine Menge franzöſiſcher Wagen , Karren und Kanonen aller Art aufgefahren ſtanden , die nicht weiter hatten fortkommen können , iſt kaum zu ſagen , Kinderfen8. Schwerenoth , da

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ward denn ein reicher Fang , der ſchon der Mühe werth war und mander Soldat , dem gerade das Glüd wohl wollte, machte da eine Beute , daß er leicht ein paar hundert blanke

Thaler mit hätte nach Preußen zurücknehmen können , wenn er verſtanden, ſein Geld zuſammen zu ſparen. Das war aber wohl nur bei den Wenigſten der Fall und wie es im Felde ſo zu gehen pflegt, wurde das Meiſte ſpäter in Frankreich bald wieder verjubelt , verſpielt, oder in gutem Wein durch

die Kehle gejagt. Ein Soldat im Felde denft ſelten viel an Sparen, denn weiß er ja fo nicht, ob nicht ſchon in der näch . ſten Stunde ihn der Tod von allen ſeinen Schäßen , wenn er wirklich ſolche bat, trennt.

Ich ſelbſt erbeutete bei dieſer Gelegenheit nur eine ſehr ſchöne goldene Repetiruhr, die ein franzöſiſcher höherer Officier,

den ich gefangen nahm , aus der Taſche zog und mir hins reichte. Hätte derſelbe mir ſie nicht von ſelbſt gegeben , ſo

hätte ich fie ihm auch nicht abgefordert , ſo aber ſtedte ich fie denn aud ganz vergnügt zu mir. Eine ſehr ſchöne Uhr war es , und ich hab' ſie manche Jahre getragen und mochte

fte nicht verfaufen , obſchon ein Jude mir einſt hundert blanke Thaler dafür auf den Tiſch legen wollte. Später traf ich

mal einen alten Kriegskameraden und guten Freund von mir, dem es mit ſeiner Familie ſehr ſchlecht ging , da Frau und Kinder lange Jahre frank geweſen waren. Nun viel Geld hatte ich nicht, denn von der Löhnung , wenn ſie auch ſonſt wohl ausreichen mag , laſſen ſich, wie Ihr ſelbſt wohl wißt, gerade keine großen Sümmchen zurücklegen ,1 und ſo faßte ich .

mid) denn kurz , und verflopfte die Uhr , um meinem alten

Kameraden in ſeiner Bedrängniß zu helfen , was nicht mehr wie redyt und billig war. Da frenten mir uns denn Beide, daß ein franzöſiſches Beuteſtück mir die Mittel gegeben , ihn wieder auf die Strümpfe zu bringen.

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1

267

In dem Genappe hätte ich ſonſt wohl am Ende nody

mehr Beute machen können , und auch wohl ſpäter fand ſich noch mehrfach Gelegenheit dazu , aber ich wollte mich nie da ! , mit aufhalten und ſtrebte nur immer darnach , möglichſt an der Seite des Herrn Generallieutenants von Gneiſenau Ers | cellenz zu bleiben . Da, wie ich Euch ſchon ſagte, mein Hän ſefen noch ziemlich ausgeruht, und auch ſonſt ein tüchtiges, ausdauerndes Pferd war , dem man ſchon etwas zumuthen 1 fonnte , ſo gelang mir dies auch vollfommen und ich bin bis zum legten Augenblick der Verfolgung immer mit vorne au der Spiße geblieben .

Unter den vielen Karoſſen und Pulverfarren und Maga zinswagen und was weiß id) nod) weiter, die alle bei Genappe

in unſere Hände fielen , und die man gar nicht mal zählen | konnte, ſo groß war die Menge, befand ſich auch ein Wagen, il der ſchon als Rarität gelten fonnte. Das war der Reiſewa gen von dem Bonaparte ſelbſt, in dem er noch vor einigen

it Augenblicken geſeſſen und der den Füſelieren von unſerm 15 .

1 Linien - Regiment und ſchleſiſchen Huſaren in die Hände fiel. # Es war dies doch wahrhaftig eine Beute , wie ſte Soldaten nicht oft machen , und diejenigen, welche dies thaten , konnten fich ſchon darüber freuen. Viel Geld und Silberzeug und. andere Sachen von großem Werth , find bei der Gelegenheit | von den Soldaten erbeutet worden , und Manchereiner hätte ſein Glück für ſeine ganze übrige Lebensgeit dabei finden kön 4 nen , wenn er es beſſer zu benußen verſtanden. So glaube ich aber, haben die Marketender den beſten Profit davon gehabt, denn ſie verſtanden es , die Soldaten zu beſchwaben und ihnen manche Koſtbarkeiten für ein Spottgeld abzuhandeln . Auch Juden , die nie zu fehlen pflegen , wo es einen Rabbes zu machen gilt , fanden ſich bald bei den Truppentheilen , die 1

ſo die beſte Beute gemacht haben ſollen , in fchwerer Menge

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ein und beludſten und betrogen unſere Soldaten , daß es man ſo eine Art hatte.

So nahe waren unſere Kerle aber dem Bonaparte ſchon auf den Haden geweſen und ſolche Furcht hatte vor denſelben bei den ſonſt ſo muthigen Franzoſen geherrſcht, daß man in dem kaiſerlichen Wagen noch den Hut und den Degen von demſelben fand. Mit bloßem Kopfe und ohne den Degen an der Seite war der Bonaparte aus der Wagenthür hers

ausgeſprungen und holter die polter auf das erſte beſte Pferd herauf und nun fortgejagt, was das Zeug halten wollte , als es hieß, die Preußen ſeien da. Ja, Kinderkens, in der Stunde ward der Tag von Jena und all das Schimpfliche, was unſer armes Preußenland ſeitdem von dieſem Mann hatte erdulden

müſſen , erſt ſo recht wieder ausgeglichen. Wenn ich ein reicher, vornehmer Herr wäre, der ſo das Geld dazu hätte, ſo ließ ich mir von einem Schladtenmaler ein ſchönes, großes Bild mas len, darauf müßte zu leben ſein , wie ſo der Bonaparte bei hellem Mondenſchein ohne den øut auf dem Kopfe und den

Degen an der Seite auf ſeinem Schimmel in vollem Galopp vor den heranrückenden preußiſchen Huſaren und Füſelieren davonjagt. Solch Bild, was fich ſehr gut ausnehmen müßte, hängte ich denn an dem beſten Plaße in meinem Hauſe hin, fo: daß es Jedermann ſehen könnte , und wenn dann ein Franzoſe mit ſeinem Renommiren und Prahlen anfinge, was ſo dies Volk noch immer nicht lafſen fann , obſchon es doch wahrhaftig nicht mehr die mindeſte Urſache dazu hat , dann führte ich ihn davor hin und ließ es ihn recht beſehen. Ja wahrhaftig, Kinderfens, das thäte ich, und mich wundert nur, daß noch nicht Einer von all' unſeren vornehmen und reichen Herrn, die doch das Geld dazu im Beutel haben , dies ſchon lange gethan hat. Den in dieſer Nacht bei Genappe ehrlich erbeuteten Wa 1

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gen vom Bonaparte , mit ſammt dem Fernglas und dem Mantel deſſelben , behielt unſer Herr Feldmarſdal von Blü der Durchlaucht, dem dieſe Ehrenzeichen auch am Meiſten gebührten , da ohne ihn dieſelben ſchwerlich in unſere Hände ges

kommen wären . Den gut und Degen und die Ordensſterne deſſelben ſandte unſer Alte aber mit einem eigenen Kourier an Se. Majeſtät unſeren König , dem oberſten Kriegsherrn des Heeres und der mag denn ſeine wahre und gerechte Freude

gehabt haben,, wie dieſe Sachen zuerſt in ſeine Hände kamen. Ju Berlin werden ſolche, wie es ſich auch gehört, unter Glas und Rahmen zum ewigen Angedenken aufbewahrt, und mir däucht, von den vielen Kriegstrophäen , die wir Preußen uns nun ſchon erobert haben , ſind dies gerade nicht die ſlech teſten .

Jeder andere General hätte nun ſehr wahrſcheinlich die

Verfolgung bei Genappe eingeſtellt und ſich mit der ſchon ſo großen Beute an gefangenen Pferden , Kanonen und Wagen aller Art zufrieden gegeben , aber der Herr Generallieutenant pon Gneiſenau Excellenz war nicht der Mann dazu. „ Man muß eine gute Sache nie halb thuen, ſondern auch ganz, deſto beſſeren lohn hat man dann davon , " hörte ich ihn zu einem Adjutanten ſagen , der fragte , objekt nicht der Befehl zur

Einſtellung der Verfolgung gegeben werden ſolle. Als der nun aber meinte , die Leute wären ſchon alle ſo ermüdet,

daß fie faum mehr fortkönnten und ihre Haufen immermelyr zuſammenſchmölzen ,I antwortete er : „ Und wenn ich auch nur mit 100 Soldaten noch die Verfolgung anſtelle , ſo iſt dies beſſer, als wie mit gar keinen . Alſo nur vorwärts , wie ich befohlen , bis auf den legten Bauch von Pferden und Men ſchen .“ Das war denn doch noch ſo recht geſprochen, wie ein preußiſcher Herr General ſprechen muß , und ich hatte meine ,

aufrichtige Freude daran , als ich ſo ſchöne Worte hörte und

dachte in meinem Sinn : „Iſt doch mal recht von unſerm alten Vater Blücher, daß er dem Herrn Generallieutenant von Gnei ſenau Ercellenz ſo großes Vertrauen ſchenkt. Ja , der Alte fennt ſchon ſeine Leute und weiß , wen er für ſich hinſtellen

kann , da er doch ſchon zu alt iſt, um Alles ſelber zu thuen , wie er es ſonſt wohl möchte. " Und mit den legten Kräften ging es nun auch noch nad Genappe hinter den fliehenden Franzoſen her , obſchon der Hohlweg ſo mit den Wagen vers fahren war , daß wir kaum durdyfommen konnten. Die In fanterie mußte auf der Strafe ſelbſt marſchiren, die Savallerie

aber zu beiden Seiten derſelben . Verflucht ſchwach ward aber

hinter Genappe unſere Mannſdhaft, die noch zum Verfolgen 1

übrig blieb , und von Stunde zu Stunde wurden die Rotten

kleiner und die Reihen lichter. War aber auch kein Wunder, daß endlich unſere Soldaten ſo müde wurden , daß fie zu ganzen Dußenden an der Straße hinfielen und nicht mehr weiter fortkonnten, wenn fie audy noch ſo gerne wollten.

Was hatten ſie an dem Tage nicht auch ſchon Alles ges than ! Aud von der Kavallerie konnten Viele ihre Pferde nicht mehr von der Stelle bringen , wenn ſie audy noch ſo ſehr dars auf losſpornten , obſchon ein Pferd das Laufen doch ſonſt viel länger wie ein Menſdy auszuhalten vermag. Ja in dieſer Nacht hat manches gute Pferd einen Knacke für alle übrige Zeit mit abgefriegt, ſo daß es ſteif ward und bald ausrangirt werden mußte. Das ging denn diesmal mit auf die große Rechnung , die der Bonaparte und ſeine Franzoſen ſchon bes zahlen mußten, was auch nicht mehr wie recht und billig war. Wenn wir übrigens zulegt auch immer weniger und wes

niger Soldaten wurden, ſo reichten wir doch noch hinlänglich aus , den Franzoſen keine Ruh' noch Raſt zu laſſen. Dieſe Kerle waren jeßt ſo in Angſt, daß glaube ich, eine einzige

271

Schwadron preußiſcher Huſaren ausgereicht hätte , den Bonas parte mit dem Reſt ſeiner ganzen Armee vor ſtdy herzutreiben. Mo fich nur eine Sdaar Franzoſen, und mocyte fie auch nocy

ſo groß ſein , im Korn oder in einer Holzung gelagert hatte, um ſich ein Bischen auszuraſten, gleich ſprangen Alle auf und liefen fort, ſo Idynell ſie nur ihre Füße tragen wollten , wenn fie nur den Klang unſerer preußiſchen Trompeten oder Troms meln hörten . Zum Gefechte kam es nirgends mehr und an Widerſtand dachte kein Franzose , und oft ein Dugend Mann

von uns nahmen ganze Haufen derſelben gefangen. Dazu war es ſchönes , warmes Wetter geworden , der Regen hatte ganz aufgehört und der liebe Mond ſdien ſo tlır vom Hima mel herab , daß man faſt wie am bellen , lichten Tage ſehen fonnte. Und pie die wilde Jagd, wir immer unter Trommel &

ſchall und Trompetentlang und lautem þurrabgerufe hinter den fliebenden Franzoſen ohne Ruh' und Raſt her , und ſie vor uns gejagt, daß fie nirgends mehr zum Stehen kommen fonnten. Ja, Kinderfens, das war eine ſchöne Nacht für uns

preußiſchen Soldaten und ich möchte Euch wohl gönnen, daß Ihr in Eurem Leben auch noch mal ſo eine mitmachen könntet. Wer nicht gar ſo müde und abgeradert war und ſich auf den Knochen halten und die volle Verfolgung ſo mit durdys

machen konnte, der wird ſein ganzes Lebtag mit Vergnügen daran zurückdenken und gewiß noch viele luſtige Geſchichten davon zu erzählen wiſſen . Zulegt waren faſt alle Tamboure von uns vor Müdigkeit mit ſammt ihren Trommeln an der Straße liegen geblieben , ſo daß man nur noch ſelten Trom melflang hören konnte. Nur die Füſeliere vom 15. Regiment, die immer mit voran waren , obgleid, ihrer ſtets weniger und

weniger wurden, die hatten ſich zu helfen gewußt. Das Sat telpferd von dem Bonaparte ſeinem Wagen , der ja in ihre Gewalt gefallen war , hatten fte ausgeſpannt und darauf

einen von ihren Tambouren , einen derben , handfeſten Juna gen mit ſammt ſeiner Trommel gelebt, ſo daß er jeßt zu Pferde ihnen was vortrommeln mußte. Nicht wahr, das ges

fällt Euch und Ihr hättet auch mit dabei ſein mögen. Ja,

es iſt und bleibt auch für alle Zeiten eine luſtige Geſchichte, daß auf den Bonaparte ſein eigenes Pferd ein preußiſcher Trommelſchläger geſeßt wird , um ſo die legte Armee, die der franzöſiſche Kaiſer jemals kommandirt hat , in die Flucht zu trommeln. Wer ſo ein paar Jahr früher geſagt hätte , daß es noch einmal ſo kommen würde , den hätte man auch als

einen Verrüdten in das Tollhaus eingeſperrt. Ja , es geht oft wunderbar in der Welt zu , und wenn man wie ich ſo einige ſechszig Jahre ſchon auf dem Budel bat , fonnte man

Dinge erleben , die man früher auch nicht für möglich gehals ten bätte. 418 denn die Sonne am Morgen des 19. Juni

aufging, machte der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Excellenz an einem einſamen Wirthshauſe, was an der Straße lag , Salt, und die Verfolgung hörte vorerſt auf. Nur ein paar ſchwache Schwadronen und eine Abtheilung von den Füſelieren des 15. Linien -Regiments befand ſich noch bei uns ſerem Feldherrn , alle anderen Truppen waren nach und nach

zurückgeblieben oder bewachten die vielen Tauſende von Ges fangenen , die wir gemacht hatten. Von den Franzoſen war kaum noch was zu ſehen und nur in weiter Entfernung konnte man einige kleine Kaufen derſelben , die aber in großer Eile immer weiter und weiter fortzulaufen ſchienen, erkennen. Das war denn das ganze Geer, was der Bonaparte für den Augens blid beiſammen hatte.

In dem Graben unfern von dem Plaße , wo wir ans

hielten, lag eine arme franzöſtſche Marketenderin, die auf der Flucht wohl zu frühe in Wochen gekommen war. 68 war noch ein junges Weibsbild , was ganz ſauber ausſehen mochte,

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obſchon fte für den Augenblick freilid) ſehr blaß und eiend da lag und kaum noch das Leben zu haben ſchien. Auf Befehl des Herrn Generallieutenants von Gneiſenau Ercellenz , der

immer ein mitleidiges Herz hatte , mußten Einige von uns Quſaren nun abſißen und die arme Frau in das Haus tragen und dort auf ein Lager legen, ſo gut € 3 zu haben war , und dies war das erſte Geſdift, wus wir nach der ſo glänzend gewonnenen Schlacht zu verrichten hatten. Später , als auch noch von unſeren Chirurgen welche nadygejuckelt kamen, muß ten die ſich dieſer franken franzöſiden Marfetenderin anneha men und der Herr General befahl , daß ſie eine gute Pflege

erhalten und auf alle Weiſe für ſie geſorgt werden ſolle. So iſt dieſe Frau mit ſammt ihrein Jungen denn am Leben ges blieben und hat ſpäter , da ihr Mann , ein franzöſtſcher Cor poral, in der Solacht geblieben war , einen Unterofficier von

unſeren Preußiſdien uhlanen geheirathet.

Auch ihr Sohn,

den wir damals als ein Ding, was faum noch jappen konnte, mit aus dem Graben aufnahmen , foll ſpäter mehrere Jahre

als Trompeter in unſerer Armee gedient haben. Das konnte man denn doch gewiß einen kurioſen Zufall

nennen, daß gerade das Lezte , was wir in dieſer Nacht von der franzöſiſchen Armee erbeuteten , ein eben in die Wochen gekommenes Frauenzimmer mit ihrem Buben war. Welch' an dere große Beute wir aber gemacht und was die Franzoſen in dieſer Schladyt bei Belle - Alliance Alles verloren hatten, fonnte man in den nächſten Tagen , wo Alles wieder mehr ein Bischen

in Ordnung fam, erſt recht überſehen . Allein an 300 Kanonen von jedem Kaliber und ſonſt faſt all ihr Feldgeräth , und ſo viel Wagen und Karren aller Art , daß man ſie kaum zählen konnte , hatten die Franzoſen an dem einzigen Saladottage verloren. An franzöſiſchen Soldaten ſollen an 14 - 15000 ges fallen oder dywer verwundet worden ſein und zwiſchen 9 Ill .

18

10,000 Gefangene machten wir Preußen allein.

Das war

denn doch ſchon eine hübſche Zahl , die ſich nennen ließ , und

den Franzoſen iſt das Vergnügen, deu Bonaparte wieder auf ein paar Monate zum Kaiſer gehabt zu haben , verflucht theuer zu ſtehen gekommen. Geſchah ihnen ſchon redyt, denn warum konnte dies Volf auch nicht zur Ruh' kommen und endlich Drdnung halten und Frieden geben, nachdem man ſie im Jahr

1814 nur zu gut behandelt hatte. Ja wahrhaftig, unſer Herr Feldmarſchall von Blüder Durchlaucht ſollte allein nur was zu ſagen gehabt haben , es wäre ihnen Anno 1814 nicht ſo gut gegangen und auch 1815 hätten ſie noch viel mehr Strafe zahlen müſſen, obſchon man ſie damals doch etwas mehr auf den Schwanz klopfte, wie auch nur recht und billig war. Seht , Kinder , dies iſt ſo nun die große Schlacht von BellesAlliance, oder Waterloo, wie die Engländer fle nennen , und ich glaube, die Erzählung derſelben hat Euch Vergnügen

gemacht. Muß fich doch jedes ehrliche preußiſche Soldatenherz darüber freuen , was unſere braven Truppen an dem Tage wieder alles geleiſtet haben und unſer Vater Blücher das alte

deutſche Sprichwort: ,, Ein Mann, ein Wort " nicht zu Scans den werden ließ.

Aber, Schodíchwerenoth , wie ich eben ſebe, iſt es bei meiner langen Erzählerei ja ſchon ganz ſpät am Abend ges worden , das hättet Ihr mir denn doch auch ſagen fönnen . Was werden die Leute hier denfen, wenn ihre preußiſche Ein .

quartierung bis in die halbe Nacht hinein zuſammen fißen bleibt, ſtatt wie es ſich gehört , zur rechten Zeit fich hinzu legen.

Dh, wir ſind ja Huſaren und Jäger, die müſſen ſich ſchon daran gewöhnen, auch noch ſpät Abends munter zu bleiben , “

meinte lachend der junge ſchwarzbärtige Huſar .

Da bei der

Authe short hana bajri .

Berfolgung nach der Schlacht bei Belle - Alliance ward auch nicht darnach gefragt, ob es ſchon Zeit zum Schlafen ſei.“ „ Ja das war ja aber im Kriege und da iſt es was An deres , doch gut, daß Du immer eine Ausrede weißt, denn die

iſt oft gar viel werth, " antwortete ihm der alte Erdmann. ,,Doch nu , Kinderfens , macht , daß Ihr fortkommt in Eure

Quartiere und geht ruhig und ohne Lärm zu machen Eurer Wege, ſonſt möchte der Herr Rittmeiſter morgen ein böſes Geſicht über unſer ſpätes Beieinanderſipen ziehen, und das müſſen wir denn doch zu verhüten ſuchen. Alſo gute Nacht alle mit einander. "

Dreizehntes Kapitel.

Der Weihnachtsabend , dieſer frohe, feſtliche Abend , ſo weit die deutſche Zunge reicht, war es , den unſere Huſaren heute in dem großen , wohlhabenden Bauernhauſe des badi ſchen Schwarzwaldes, in dem ein Theil von ihnen einquartiert lag , möglichſt zu feiern ſudyten. An Zeit zur Vorbereitung für die Feſtlichkeit des Abends fehlte es nicht, denn in den

Wintertagen war der Dienſt hier in den zerſtreut liegenden Quartieren nur gering , und da es hülfreiche Hände genug gab , ſo fonnte man in der Ausſchmückung des Hauſes ſchon

was leiſten. So hatte man die große Wohnſtube, in der alle nur den Raum beengenden Geräthſchaften für den heutigen

Abend entfernt waren, faſt in eine einzige große, grüne Laube 18 *

CE

60

umgewandelt. Tannenbäume mit friſchen grünen Nadeln was ren überall dicht an den Wänden aufgeſtellt, während in der

Mitte ein größerer Baum , ganz mit fleinen Wachslichterden beſtedt und mit vergoldeten Hepfeln , Nüſſen und fünſtlich ausgeſchnittenen Guirlanden von Goldpapier verziert, prangte. 1

Das ſah denn gar hübſch aus , wie alle

dies zwiſchen den

grünen Zweigen durchglißerte und blißerte, und die Bewohner des Hauſes und der umliegenden Gehöfte hatten ihre belle Freude daran , was die preußiſchen Huſaren gar für einen ſtattlichen Weihnachtsbaum aufzupußen verſtänden. Zwei wohls habendere Huſaren im Zuge , denen es an reichlichen Mutters pfennigen nicht fehlte , hatten die paar Gulden , die das Ganze koſtete, gern hergegeben , die übrigen Stameraden ihre

Kräfte oder Geſchicklichkeit, und ſo war das Ganze denn leicht ausgeführt worden. Und wie man ſich nun an dem bellſtrah,

lenden blinkenden Chriſtbaum genugſam erfreut hatte, da ward derſelbe mit allen ſeinen Pepfeln, Nüſſen, vergoldeten Pfeffers fuchen - Männern , bunten Papierſchnißereien, kurz allen ſeinen mannigfachen Schäßen , den Kindern des Hauſes als Beute überlaſſen. Das gab denn einen allgemeinen Jubel unter den kleinen blondhaarigen, blauäugigen ſchwarzwäldiſchen Buben und Mäddien, und noch mal ſo gerne mochten ſie von der Stund'

an ihre preußiſche Einquartierung leiden , die ihnen einen ſo ſchönen Chriſtabend bereitet. Iſt doch die echt norddeutſche Sitte , den Kindern am Chriſtabend einen Tannenbaum mit

Lichtern aufzupußen , noch nicht allgemein im Süden Deutſch lands, beſonders in den mehr katholiſchen Gegenden deſſelben verbreitet. Statt des Tannenbaumes , um den nun noch auf der Hausflur die Kinder jubelten und herumtanzten und ſans gen , hatten die Huſaren jeßt einen Tiſch mit einem ſoliden Abendeſſen in die Stube gebradyt. Aus gemeinſchaftlichen

Beiträgen Ader war daſſelbe , nebſt gutem Wein dazu , ange.

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ſchafft worden, doch hatten auch hierbei die Zuſchüſſe der wohl

habenderen Kameraden viel geholfen . Braunen Kohl mit ges fochten Schinken, und dann fette Ruden , ſo recht in Schmalz

gebraten , gab es am heutigen Abend , und ſo einen Chriſt abendſchmaus konnten die Huſaren fidy ſchon gefallen laſſen .

Wie vergnügt ſaßen ſie aber , dem heutigen Abend zu Ehren, Alle in guter Uniform und nicht, wie gewöhnlich ſonſt, in dem bequemen Haus- und Stallanzug um den reinlich ges deckten Tiſch. Nicht viel geſprochen ward anfänglic ), denn Alle waren viel zu ſehr mit dem Inhalte ihrer Teller bes ſchäftigt, um lange Zeit mit unnügen Worten zu verlieren , und nur das Klappern der Meſſer auf den blanfen Zinntellern,

die von der Bauerfrau für den heutigen Feſtabend bereitwillig bergeliehen waren , hie und da aud) wohl einen lauten Aus: ruf der Zufriedenheit, oder ein einzelnes Scherzwort fonnte man hören. Als aber die großen Schüſſeln, die ſo aufgehäuft voll hereingetragen waren , daß man es kaum hätte für mög lich halten ſollen , daß fie in ſo kurzer Friſt geleert werden konnten – wenn man nicht den ſehr geſunden Appetit rüſtiger, junger Huſaren, ſobald es einen guten Extrabiſſen giebt, aus eigener Erfahrung kannte - völlig leer wieder abgetragen waren , machte ſich die allgemeine Sprechyluſt bald hörbar. Große Teller mit rothbädigen Aepfeln , To redit zum Hinein beißen und Haſel - und Wallnüſſen zum Knuspern und Knacken ſtanden jeßt auf dem Tiſche und ſein Schoppenglas war je dem Fuſaren von dem Unterofficier, der den Mundſchenk machte, 1

1

auch wieder auf'8 Neue gefüllt worden . Und die Tannens bäume an den Wänden dufteten dabei fo würzig , und die

vielen Lichter, die noch brannten , verbreiteten einen ſo hellen Schein , daß das ganze Zimmer wirklich einen recht feſtlichen und dabei doch behaglichen Eindruck auf Alle machen mußte.

Da ging es denn luſtig zu , und eine rechte Weihnachtsabend

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Feier in ungezwungener Fröhlichkeit und dabei doch voller

Anſtand, war es. Iſt doch gerade in dieſer Hinſicht ein treff lidher Geiſt in den meiſten preußiſchen Regimentern, und trägt das nicht genug zu lobende Syſtem der allgemeinen Dienſts pflicht, wodurch auch alle gebildeten und geſitteten jungen Männer zu dem ehrenvollen Dienſt bei der Fahne herangezos gen werden, auch hierin wieder ſeine guten Folgen. Und als man nun genug gelacht und Wiße gemacht und auch hie und da ein luſtiges Soldaten -Liedlein geſungen hatte, und Alle ſo redyt freuzfidel in ihrem Innern waren , und ſidy gar keinen vergnüglicheren Weihnachtsabend wünſchen konnteu, da hieß es wieder : , Vater Erdmann , erzählen Sie ein Biss 11

chen, wie das immer ſo bei derartigen Gelegenheiten zu ges ſchehen pflegte. Der Alte zierte ſich denn auch nicht lange, ſondern fing, nachdem er noch einen guten Schlud Wein zum Anfeuchten der Kehle genommen hatte , an. „ Und weil wir

denn heute Abend hier Ade wieder ſo vergnüglich zuſammens fißen und gar einen ſo ſchönen Weihnachtsabend feiern thuen, ſo will ich Euch zulegt auch noch eine Geſchichte erzählen , die Ihr gewiß gern hören werdet , nämlich die von unſerm zwei ten Einmarſch in Paris. Das wird euch ſchon gefallen , denn ſo jeder gute Preuße wird es gern hören , daß zweimal dies Paris , was fich ſo einbildet , die erſte Stadt in der Welt zu fein und immer einen ſo großen Lärm zu madjen pflegt, völ

lig in unſerer Gewalt geweſen iſt.. Gar dies Zweitemal da mußte es ſich auf Gnade und Ungnade ung ergeben , denn

es war kein Heer zur Vertheidigung deſſelben mehr vorhanden. Unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht hätte es

ohne Gnade und Barmherzigkeit völlig in Grund und Boden ſchießen laſſen können, wenn er anders gewollt, vhne daß die

Franzoſen ihn daran zu verhindern vermocht hätten. Id babe wohl ſchon manchmal ſagen hören, es wäre Schade, daß

er dies dazumals nicht gethan hätte, denn viel Unheil wäre ſeit der Zeit (don wieder von dieſem Paris für die ganze

Welt ausgebrütet worden . Dies ſcheint mir denn doch wohl ein Bischen zu bißig zu ſein , und die ſo etwas ausſprachen, wußten wohl eigentlich nicht recht, was die Zuſammenſchießung einer ſo großen Stadt mit vielen bun derttauſend Menſchen

zu bedeuten habe, und fohlten dies, ohne ſich dabei recht was zu denken, ſo in die Welt hinein, wie es wohl oft zu geſches hen pflegt. Daß aber die Pariſer und beſonders auch die Franzoſen insgeſammt auch Anno 1815 wieder viel zu gut fortgekommen find, und man ſie hätte weit mehr zahlen und ihr Land viel fleiner machen ſollen , haben ſeitdem noch manche

fluge Leute geſagt, und ſo weit meine geringe Anſicht reicht, bin auch ich dieſer Meinung. Na , wer weiß , was geſchieht,

weun eß Gottes Wille wäre , daß wir es noch zum Dritten mal wieder erobern ſollten. Doch nun zu meiner eigentlichen Geſchichte.

Wenn mir recht iſt, erzählte ich Euch am leßten Tage, wie der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Grcellenz am

19. Juni, als gerade die Sonne aufging, mit der Verfolgung vorläufig Salt machen ließ. Wie uns denn da das Frühſtück gut idymedte , als wir endlich von unſeren müden Pferden abſißen konnten , uns ein Bischen Ruhe zu gönnen , fönnt

Ihr wohl denken. Und dazu war es ein gar delikates Frühs ſtück , denn wir hatten zuleßt noch den Küchenwagen von einem vornehmen franzöſiſchen Marſchall erbeutet und da gab es denn Braten und Würſte und allerlei feine Weine und

was noch mehr ſo gute Saden waren, wie fie Unſereins ſonſt ſelten nur zu riechen , viel weniger gar zu foſten bekommt. Den Mein tranfen wir aus den ſilbernen , inwendig ganz

vergoldeten Feldbechern des franzöſiſchen Generals , der es ſich auch wohl nicht hatte träumen laſſen , daß preußiſche

Soldaten ſolche zu ihrem Gebrauche einſt benußen würden. llebrigens hätte uns an dem Morgen Kommisbrod und Waſſer

gewiß auch ſehr gut geſchmeckt, ſo hungrig und durſtig waren wir Alle. Auch unſere Pferde ließen ſich den ſchieren Hafer, den wir auf dem franzöſiſchen Wagen gefunden hatten , gut ſchmecen , und dies war ihnen auch wohl zu gönnen , denn die armen Beeſter hatten in der legten Zeit ſcharf heran ges mußt und trieften nur ſo vom Sdaume, ſo waren wir in der

legten Nadit bei der Verfolgung drauf losgeritten. Als wir denn ſatt geworden waren , da warfen wir uns Alle, Pferde und Menſchen , bunt durcheinander auf den Erdboden bin, um mal endlich wieder nady ſo langer Zeit einen kleinen Puff Sd )laf thuen zu können . Ich glaube, man hätte einen Bier undzwanzigpfünder uns über die Köpfe losſchießen fönnen, ohne daß wir davon erwacht wären , ſo müde waren wir alle

miteinander, Vieh und Menſdien. Nach dem , was wir in den legten Tagen Alles gethan hatten , war dies auch wahrs haftig kein Wunder.

Am Abend von dem 19. Juni, nachdem mein Hanſeken und idy, uns Beide wieder ſo ziemlid ausgeraſtet hatten, mußte ich als Ordonnanz mit einem Herrn Adjutanten zu der Avantgarde des Herrn Generals von Pirch reiten , der auf

einer anderen Straße die Franzoſeu verfolgte. Hier traf id) denn mein Regiment auch wieder und konnte mich demſelben anſchließen .

Ein heftiges Gefedyt hatten wir nod) am 20. Juni bei Namur, was die Franzoſen hartnäckig vertheidigten.

Es was

ren dies aber nicht von den franzöſiſchen Truppen , die mit bei Belle-Alliance gefocyten, denn die dachten vorerſt gar nicht

mehr an Widerſtand , ſondern Andere , die ein . franzöſiſcher Marſchall Groudy befehligte.

Es foſtete hier noch viel Blut

und die Franzoſen vertheidigten fid) mit der größten Hart

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näckigkeit, ſo daß unſere erſten Stürme auf Namur abgeſchlas gen wurden . Unſere Soldaten vom 9. und 22. Linien -Regis ment bekamen aber doch zuleßt ihren Willen , und mit Hülfe

mehrerer Füſelier-Compagnien vom 9., 14. und 23. Regiment, die unſerer Huſaren -Brigade mit beigegeben waren, erſtürmten fie endlich die Stadt. An die 1400 Mann Todte und Vers wundete roll uns dies Gefecht aber gekoſtet haben , und das war freilich zu bedauern. Am 21. Juni betraten wir denn zuerſt die franzöſiſche Grenze wieder, und ein allgemeines

Şurrab und „ Boch lebe Se. Majeſtät unſer König von Preus Ben “ ward von unſeren Huſaren ausgerufen , als wir an den Grenzpfählen vorüberritten. Unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht war aber nicht allein damit zufrieden, daß wir jeßt ſchon wieder in das eigentliche franzöſiſche Land eingerüdt waren , ſondern wollte geraden Weges nach Paris zu marſchiren , was ja auch Anno 1914 ſo gleich ſeine Abs ficht war. „ Das Paris müſſen wir haben, und je früher das geſchieht, deſto beſſer iſt es ," pflegte er ſtets zu ſagen . So

machte er denn mit dem Herzog Wellington aus, daß er ſelbſt gleich vorwärts gegen Paris zu marſchiren und der ung mit

ſeinen Engländern ſo raſch er könne, nachfolgen ſolle. Von allzuſchnellem Marſchiren ſind aber die Engländer keine gros ßen Freunde , und ehe fie des Morgens ihr gutes Frühſtüđ im Magen haben , mögen ſte nid)t gern aufbrechen , und des Abends auch wieder ſo zeitig ankommen , daß ſie ſich ihr Beefſteak in aller Bequemlichkeit braten können. Auf ſolche Weiſe kann man denn freilich ſeine Armee viel leichter in

ſchöner Ordnung halten , wie es bei uns der Fall war , die wir bei Tag und Nacht immer hinter den Franzoſen herjudeln mußten, ſo daß von einer regelmäßigen Verpflegung gar feine Rede ſein fonnte. Wir mußten immer ſelbſt ſehen , woher wir für unſere Pferde und uns Lebensmittel befamen. Daß

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bei ſolcher Gelegenheit denn auch in der beſtdisciplinirten Armee einzelne Unordnungen vorkommen und von den Sol.

daten bei der Selbſtverpflegung oft etwas muthwilliger ges hauſt wird , wie es wohl eigentlich geſchehen ſollte , iſt nie ganz zu verhindern. In allen Corps, und wenn der Geiſt

auch noch ſo gut iſt, giebt es ſtets einzelne Kerle , die ihre

Luſt an Unordnung und Unfug haben und gerne über die Stränge ſchlagen', zumal wenn fie fich in einem feindlichen Lande befinden, wie dies ießt bei uns in Frankreich der Fall war , deſſen Soldaten wahrhaftig viele Jahre lang genug in unſerem preußiſchen Lande gebauſt batten. So viel wie nur irgend möglich ward aber von allen Vorgeſepten und auch 1

den vernünftigeren Soldaten ſelbſt jeglicher Unordnung ges ſteuert und die Schuldigen , die es verdient hatten , gehörig beſtraft. So befahl unſer Herr Feldmarſchau Durchlaucht, 1

daß alle Soldaten , die ohne bleſſirt zu ſein oder ſonſt einen

gehörigen Grund zu haben, als Nachzügler betroffen würden, ſogleich in die zweite Klaſſe verſekt werden ſollten. Na, was das für eine arge Strafe iſt für jeden preußiſchen Soldaten,

der nur etwas auf ſeine Ehre hält, und Gott ſei Dank giebt es doch nur immer einzelne wenige Hundsfötter in unſerer Armee , die dies nicht thuen , wißt Ihr ja ſelbſt, Kinderfens. Auch ſonſt beſtraften wir die Unordnung ſo gut wir konnten, und id) erinnere mich noch recht gut , daß einſt unſer Herr Rittmeiſter zwei puſaren von uns , die er dabei antraf, daß ſie in einem franzöſiſchen Hauſe unnöthiger Weiſe die Fens ſterſcheiben einſchlagen wollten ,1 ſogleich bei Waſſer und Brod für die ganze Nacht in einen dunkeln Keller einſperren ließ, 1

da er fein anderes Arreſtlokal hatte. Leider war aber nidyt entdeckt worden , daß in dieſem Keller noch mehrere Weins

Waſchen im Winkel gelegen hatten. Die Arreſtanten hatten die denn aufgefunden und ſich in der Langenweile dann einen

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WE

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gehörigen Rauſch angetrunken , ſo daß fie am anderen Mors gen , als ſie ihre Pferde zum Weitermarſch ſatteln ſollten , noch ziemlich befnüllt waren. „ Aufgeſchoben iſt nicht aufges hoben , " ſagte aber unſer Herr Rittmeiſter , und ſo mußten denn die Beiden , als fich ſpäter mal eine paßliche Gelegens

heit dazu fand, für gut ihre 48 Stunden bei Waſſer und Brod brummen , und zwar in einem Arreſt, wo fie gewiß feinen Wein finden konnten. Unſer Herr Rittmeiſter , ſo ſehr

er auch für ſeine Schwadron ſorgte, hielt doch ſtrenge darauf, daß die einmal von ihm dictirte Strafe nun auch richtig volls zogen wurde, und war vom Nachlaſſen derſelben und ſo obne

Weiteres vergeben , fein Freund. Das war auch gut von ihm, denn bei allzuviel Nachſichtigkeit kommt wahrhaftig nicht viel beraus , und wenn ein Vorgeſepter den Untergebenen die ihnen zugeſprochene Strafe wieder ſchenkt, fann gar leicht dabei auch der Reſpekt zum Teufel geben. Ja , ſo iſt es, Kinderkens , das glaubt mir nur , und was ſo die Vernünfs tigeren und Längergedienten von Euch find, werden dies wohl Icon ſelbſt eingeſehen haben.

Was uns jeßt bei unſerem Einmarſch in Frankreich ſehr freute, war , daß unſer Regiment mit den andern Truppen, die zu der Brigade des Herrn Oberſtlieutenants von Sohr I

gehörten , fortan zur unmittelbaren Verfügung des Herrn Feldmarſchals Durchlaucht ſtehen ſollte.

So unter Vater

Blücher's eigenen Augen zu fechten war für jeden Fuſaren eine doppelte Luft, und ordentlich ſtolz fühlte fich Jeder, wenn er nur glaubte , daß der Alte ihn bemerkt hätte. 418

unſer Herr Rittmeiſter der Schwadron dieſe Nachricht mits

theilte, da entſtand ein allgemeiner Jubel unter den Huſaren, ſo daß die franzöſiſchen Bauern, die in dem Dorfe in dichten þaufen uns umſtanden und mit neugierigen Augen angloß, ten, gar nicht wußten, was das zu bedeuten habe.

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So raſch es nur gehen wollte, fepten wir nun unſeren Weitermarſch) fort , denn unſer Alte war ſtets der Anſicht, je

eher nach Paris, deſto beſſer. Ungemein vergnüglichen Sinnes war derſelbe jeßt und gar nicht ſo brummig , wie es wohl bisweilen der Fall war , als wir Anno 14 das Erſtemal in .

Frankreich einmarſchirten. Das machte, er war jeßt allein und konnte nur ſeinen eigenen Gedanken und dem 1, was ihm der Herr Generallieutenant von Gneiſenau Excellenz rieth, folgen , während er dazumals alle möglichen Rücfidhiten auf al die anderen hohen Herren nehmen mußte. Freilich immer " that unſer Alte das nun auch dazumals ſchon nicht, und das war gut , denn ſonſt glaube ich faſt, wären wir aus lauter Rücks

fichten unſer ganzes Lebtag nicht bis Paris gekommen. Um unſeren Marſch nun nicht zu verzögern , mußte Al

les, was wir an überflüſſigen Wagen, gedrückten oder zu arg ſtrapazirten Pferden und maroden Menſchen hatten , ſtets zus

rückgelaſſen und dann in beſtimmte Depots vereinigt werden. Nur was vollkommen marſchtüchtig und für das Gefecht jeden Augenblick zu gebrauchen war, durfte mit, alles Andere blieb zurück. So mußte mander brave Kerl , der ſich ſchon die ganze Zeit darauf gefreut hatte , jeßt mal in dies Paris ein: rücken zu können , auch diesmal wieder zurückbleiben und 1

konnte ſich nur das Maul dazu abwiſchen , wenn ſeine Kame:

raden ſchon im Voraus erzählten , was ſie ſich daſelbſt Alles für vergnügte Tage machen wollten. Nun im Kriege geht es einmal, nicht anders und auf den Einzelnen darf da feine Rüdficht genommen werden. Während wir nun ſo in einem Zug auf Paris lo8mar ſchirten, hatte der Bonaparte ſchon wieder von ſeinem Thron

herunter müſſen und ſollte , wie uns geſagt wurde , auf der Reiſe nach Amerika oder Afrika ſein . Seine Armee, die allein treu zu ihm hielt , wurde ja bei Belle - Alliance ſo von uns

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12

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aufgerieben , daß fie nicht mehr ſtark genug war , ihn zu

ſhügen , und auf all das übrige franzöſiſche Volk iſt ja nies mals mehr Verlaß als wie auf Aprilwetter geweſen. Þeute

ſo und im Þandumdrehen wieder ganz anders iſt es , und eben denſelbigen Bonaparte , den ſie vor ein paar Monaten mit großem Jubel empfangen hatten, konnten ſie jeßt, wo es ihm ſchlecht ging , gar nicht ſchnell genug wieder aus dem Lande herausfriegen. Und ſeit jenen großen Kriegen haben ſie wohl ſchon audy wieder ein halbes Dußend von Königen und Präſidenten und was ſonſt noch Alles gehabt. Einen ordentlichen , feſten Kerl müßten fte man zu ihrem Könige mal wieder haben , der ihnen , wie es ſich gehört , den Dans nen auf's Auge drückt und ſagt, „nidyt gemuckſt, oder das heilige Kreuzdonnerwetter ſoll Euch auf die Köpfe fahren ." 1

Das iſt ſo meine geringe Anſtdyt.

Na, unſer Alte der ging dazumals, wie ich Euch ja auch ſchon erzählte, jo redyt nach Verdienſt mit den Franzoſen um. Die Kerle wollten wieder ihre Unterhandlungen verſuchen,

und ihm mit glatten Worten um den Bart geben und allers band Ränke und Schliche anfangen. Da famen ſie aber ges

rade an den Rechten und er trumpfte fte gehörig ab. 11„ Von

Unterhandlungen fönne diesinal keine Rede ſein , ſondern es hieße fich auf Gnade und Ungnade ergeben und dann in Beſcheidenheit das Weitere abwarten, was über ſie beſdiloſſent würde," ward allen ſolchen Unterhändlern furz und bündig geſagt. Die haben denn manchmal verflucht krauſe Geſichter darüber geſdynitten , und wir unſeren rechten Spaß darüber gehabt. So war unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchs laucht denn ſchon am 30. Juni vor Paris angelangt , und wenn man bedenft , was das für eine weite Strecke von Belle-Alliance bis dorthin iſt, ſo hat gewiß nocy niemals eine

große Armee einen ſchnelleren Marſch gemacht. Dazu hatten unſere Truppen ja noch mehrere Feſtungen einnehmen und die fich zur Wehre ſeßenden einzelnen größeren oder kleineren Abtheilungen franzöſiſcher Soldaten vertreiben müſſen . Bei al folchen kleinen Gefechten geht aber doch immer viel Zeit verloren und die Soldaten werden ſo ermüdet dabei, daß fie fich nachher immer wieder ein Bischen verpuſten müſſen , bis



der Marſch weiter fortgeſegt werden kann ..

Unſere Brigade erhielt den Befehl, um Paris herum zu marſchiren und die Verbindung mit Orleans , ſo hieß glaube ich dieſe Stadt , zu verhindern. So hatten wir denn am 1. Juli bei Verſailles, was eine Art Ort wie bei uns Pots dam in Preußen iſt, wo die früheren franzöſiſchen Könige fich ein großes Schloß mit einem prächtigen Garten daneben an legen ließen , noch ein ſehr heftiges Gefecht mit den Franzos ſen , was zu guterlegt noch manchem braven Jungen von uns das Leben foſtete. Es war dies eine ganz verfluchte Ges

ſchichte für uns, obſchon unſere beiden Regimenter wahrhaftig auch an dem Tage wieder dem bewährten Ruhm der Ziethens

ſchen und Blücher'ſchen Huſaren keine Schande machten. Am Morgen vom 1. Juli kamen wir vor Verſailles an , wo die Thore anfänglich verſchloſſen waren , ſo daß es ſchien , als wolle man ſich zum Widerſtand rüſten . Nachdem aber eplice Quſaren von uns abgeſeſſen waren und ein paar Karabiners ſchüſſe abfeuerten, wurden die Thore geöffnet und wir hielteu ruhig und ungeſtört unſeren Einmarſch. In dem Verſailles, war ein ſchöner Ort war , der und dem Anſehen nach gut

gefiel, erbeuteten wir auch ein großes franzöſiſches Kavalleries Depot, und das konnten wir recht gebrauchen . Bei dem bes ſtändigen ſchnellen Marſche waren uns natürlich viele Sachen an Sattel- und Zaumzeug und auch an unſerer Montirung verrungenirt worden, und die ließen ſich denn aus dieſem

1

erbeuteten franzöſiſchen Vorrath ſehr gut wieder austauſchen . Ein paar Stunden gingen ſchon immer damit hin , denn der Eine brauchte dies , der Andere wieder jenes , wie das denn

immer bei derartigen Gelegenheiten ſo zu gehen pflegt. Man freut fich immer ſehr , wenn man dieſe Sachen ſo umſonſt, ohne den Geldbeutel dafür aufzumachen, bekommen kann, und

auch die Herren Nittmeiſter pflegen immer ganz zufrieden das mit zu ſein , wenn ſie ihre Schwadron auf Feiudes Unfoſten .

ſo wieder ein Bischen herauspußen können. Diesmal ſollte uns dies aber verflucht theuer zu ſtehen kommen. Die fran

zöſiſchen Bauern und Bürger , wenn ſie auch uns gegenüber immer ihre Kaßenbuckel machten und ihre vielen Complimente, die fein Menſch recht verſtehen konnte, herplapperten , hielten es heimlicher Weiſe doch mehr mit ihren eigenen Truppen, was ihnen im Grunde auch nicht recht zu verargen war. So hatten ſie denn einem franzöſiſchen General , der mit ziemlich großer Beeresmacht in der Nähe lag , verrathen , daß zwei

preußiſche Huſaren -Regimenter hier eingerückt ſeien, und dieſer faßte den Entſchluß, uns mit ſeiner Uebermacht zu überfallen . Sechs Reginuenter Kavallerie und Infanterie mußten gegen uns ausrüden und dieſe Uebermacht war denn doch für uns

zu groß, als daß wir ſie, ſelbſt bei der größten Courage, hätten beſiegen können. Am Nachmittag , als wir unſere Pferde eben gut abges futtert hatten , erfuhr der Herr Oberſtlieutenant von Sobr, daß eine bedeutende Menge franzöſiſcher Reiterei gegen uns in Anmarſch ſei. ' Er dachte, was für einen Fuſaren -Unführer immer ein guter Gedanke iſt, daß es beſſer ſei, wenn wir den Feind zuerſt angriffen , als daß wir von ihm angegriffen würden ," und ſo faßen wir denn in aller Gile auf und trab: ten den Franzoſen entgegen. Wie das Donnerwetter jagten wir auf zwei feindliche Chaſſeur-Regimenter, die uus zuerſt

entgegen famen , los , und es entſtand ein tüchtiges Berums gehaue. Ich ſelbſt war mit einem franzöſiſchen Officier arg .

zuſammengerathen und gab ihm dabei mit meiner Klinge einen Denfzettel, den er fo feicht für fein ganzes Leben nicht

wieder vergeſſen wird. Kriegte bei der Gelegenheit aber auch hier den Rißer in die Bade, der zwar ſonſt nidyt viel zu bes deuten hatte, da das Sturmband vom Chafo das Meiſte vom Bieb abhieli , wovon aber doch die große Narbe übrig blieb . Nun ein Huſaren - Unterofficier iſt ja keine Jungfer , bei der auf ſo ein glattes, feines Geſicht verflucht viel ankommt, und ſo ſchadet es ihm ja auch nichts, wenn er ſo ein paar Schmars

ren aufzuweiſen hat. Die beiden feindlichen Regimenter hats ten wir denn ſo eben geworfen , als zwei andere franzöſiſde Kavallerie -Regimenter mit lautem Geſchrei angejagt kamen und uns in die Flanfe faßten. Wir machten nun Kehrt und

gingen in guter Ordnung nady Verſailles zurück, um uns hier beſſer vertheidigen zu können. Viele von unſeren Huſas ren ſaßen ießt ab und vertheidigten das Thor, welches in die Stadt führte, mit ihren Karabinern ſo tapfer, daß die Frans zoſen nicht einzudringen vermochten . Ich hatte mir in aller Eile ein Falstuch über meine kleine Wunde binden laſſen, und feuerte dann ſelbſt tüchtig auf die Franzoſen mit los,

da ein Fuſar neben mir ſeinen Karabiner wegen einer Ver: wundung an der Hand nicht mehr gebraudjen konnte. Gegen 7 Uhr Abend8,1 nad,dem wir den Franzoſen nun doch gezeigt

hatten , daß es mit ihrem allzubißigen Vordringen nichts ſei, faßte unſer Herr Oberſtlieutenant den Entſchluß , daß wir verſuchen ſollten , auf der anderen Seite von Verſailles uns durchzuſchlagen. Kaum waren wir aus dem Orte heraus , ſo 1

jagte ein franzöſiſches Chaſſeur-Regiment in vollem Galopp auf uns los. Na , wir waren denn wahrhaftig auch nicht

faul, gaben unſeren Pferden die Sporen und gingen wieder in

volfem Galopp den Franzofen entgegen . Daß es man ſo

eine Art hatte, warfen wir ſie zurück und hieben ſelbſt den franzöſiſchen Oberſten von ſeinem Gaule berunter. Unſere Kerle waren jeßt erſt recht wüthend geworden und hieben

auf die Franzoſen drein , daß der alte Ziethen ſelbſt ſeine Freude darüber gehabt hätte, wenn er es mit angeſehen. Auch ich zog noch einem franzöſiſchen Chaſſeur einen tüchtigen Hieb über das Maul, und das war auch der legte Säbelhieb, den ich meines Wiſſens noch einem Franzoſen gegeben habe. A18

wir nun die feindliche Kavallerie recht herzhaft verfolgten, erhielten wir plößlich aus großer Nähe eine Flintenſalve von * zwei franzöſiſchen Infanterie-Compagnien , die am Wege hins ter hohen Heden aufgeſtellt waren . Die brachte denn eine ſchlimme Wirkung auf uns hervor und maucher brave Ka: merad purzelte todt oder verwundet aus dem Sattel, ohne daß wir ihm weiter helfen konnten.

Die beiden Regimenter theilten ſich nun in verſchiedene Abtheilungen , um überall auf Feldwegen ſo gut als möglich durchzukommen, was aber leider nicht Allen gelang. Alle Dör fer und Brüden, welche wir paffiren mußten, waren mit feinds

licher Infanterie dicht beſeßt, die dann immer aus größter

Nähe auf uns feuerte und uns viele Leute und Pferde töne tete. Auch mein kleiner Schede, der mich bisher alle drei Feldzüge hindurch ſo getreulich getragen und ſo vieles mit mir durchgemacht hatte, that an dieſem Tage ſeinen legten Dienſt. Er befam einen Flintenſchuß im Halſe, mit dem er

zwar noch ein paar Stunden hätte fortleben können, zum Rei ten aber ſchon untauglid) wurde. Ich ſprang raſch auf das Pferd eines Huſaren, der in demſelben Augenblicke neben mir erſchoſſen wurde und jagte meinem „ Hänſeken “ dann ſelbſt in aller Eile eine Piſtolenkugel durch den Kopf, daß er gleich umſtürzte und ſich nicht nublos noch länger zu quälen brauchte. III,

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Es fuhr mir ordentlich ſo durch das Herz , wie ich ſo das arme Thier zuſammenſchoß, denn ſo ein Pferd, was er durch drei Feldzüge in aller Noth und Gefahr geritten hat, wird ein

ME

ordentlicher Reitersmann ſtets lieb gewinnen . Na, es gab an dem Unglüdstage wahrhaftig aber noch ganz andere Verluſte zu betrauern .

Unſer Herr Oberſtlieutenant von Sohr, von ungefähr 150 Huſaren gefolgt, war in ein Dorf geritten , um ſich dort wo möglich durchzuſchlagen. Der Weg, den er eingeſchlagen , hatte aber in ein Bauerngehöft geführt, aus dem fein Ausweg führte, ſo daß er ganz in die Gewalt der Feinde gerathen war. Lebendig ergeben wollte er ſich nicht und verwarf allen Pardon, den die Franzoſen ihm anboten , bis er denn endlich von einem Piſtolenſchuß getroffen zu Boden ſtürzte. Von den Huſaren , die bei ihm waren , ftel faſt feiner ohne verwuns

det zu ſein in feindliche Gefangenſchaft, und wüthend noch haben ſie ſich eine ganze Zeit mit den Franzoſen herumges hauen . Ich felbft kam zu einer Abtheilung, der es unter dem Herrn Rittmeiſter von Sohr doch am Ende noch glüdte , fich durch die feindliche Reiterei, die uns ſchon umzingelt hatte,

durchzuhauen, wobei freilich auch Mancher von uns noch vers loren ging. Nach vielen Gefahren und Mühſeligkeiten aller Art glückte es uns auch endlich am ſpäten Abend die Vors poften unſeres dritten Armeecorps zu erreichen . Aud unter dem Herrn Major Wins ſchlug fich eine andere Abtheilung

der Fuſaren glücklich bis nady St. Germain, wo ſte von preus Biſchen Truppen aufgenommen wurde , durch. An 500 Uns terofficiere und Fuſaren und 10 Herren Officiere von den beis den Regimentern waren aber bei dieſem Ueberfall entweder geblieben oder meiſtentheils verwundet in die Gefangenſchaft der Franzoſen gerathen . Das war denn eine gar traurige Sache ſo zuleßt noch , wo wir eigentlich gehofft hatten , bald

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lo

als Sieger in Paris einziehen zu dürfen. Na, im Kriege geht es nun einmal nicht ohne Verluſte ab und unſere Ehre hatten wir wenigſtens gerettet und uns als brave Huſaren gegen eine mehr wie dreifache Ueberinacht bis auf das Aeußerſte

vertheidigt ; dies war denn doch ein Troſt, der für uns übrig blieb .

Manchen braven Kameraden und treuen Freund , mit

dem id nun ſchon ſo lange Jahre zuſammen gedient und Glück und Elend, Noth und Freude, wie es der Himmel bes

ſcheerte, brüderlich durchgemacht hatte, verlor ich aber an dem Tage auf Nimmerwiederſehen bis in jener Welt , wenn unſer himmliſcher Heerführer uns alle zur legten Muſterung aufruft . Ja ſo etwas thut ſelbſt in der Erinnerung nath ſo langen Jahren nocy weh, das fönnt Ihr glauben, Kinderfens." Eine längere Pauſe machte jeßt der alte Erdmann und ſien ſchweiz gend in der Erinnerung an jenen für ſein Regiment ſo ver= derblidhen 1. Juli des Jahres 1815 verſunken zu ſein . „ Am 7. Juli ," fuhr er nach einer kleinen Weile wieder fort, nachdem er fich mit der flachen Hand über das Geſicht

gefahren war, als wolle er damit gleichſam alle trüben Erinne rungen abwiſchen , „ war denn der ſchöne Tag, da wir Preu Ben zuerſt wieder in Paris einmarſdirten. Mehrere kleine Gefecte hatten nod in den legten Tagen wieder ſtattgefun den , denn die große Wuth, welche die franzöſiſchen Soldaten

beſonders gegen uns Preußen hegten , trieb fte zu heftigeu Angriffen , obſchon ihnen dies im Ganzen doch nichts mehr

nüben konnte. Diesmal famen aber die Herren Pariſer nicht ſo gut weg wie das Erſtemal, und unſer Herr Feldmarſchau von Blücher Excellenz hatte ihren Abgeordneten ordentlich aufgetrumpft, als ſie mit ihrer gewöhnlichen Unverſchämtheit wieder allerhand folche Forderungen machen wollten . So hatten die Kerle verlangt, Paris ſolle auch diesmal wieder

von aller Einquartierung frei bleiben, wie es im vorigen Jahre 19*

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geſchehen war. „Was da dummes Zeug , " hatte da der Alte geſagt. „ Die Franzoſen haben Jahre lang es fich recht gut in Berlin ( chmecken laſſen , es ſoll diesmal kein Preuße , der

mir hieher gefolgt iſt, zurückkehren, ohne ſagen zu können, daß die Pariſer ihn gut bewirthet haben .“ Und als die Ab geordneten noch haben gar es wagen wollen, viele Einwens

dungen dagegen zu machen, hat er ihnen geſagt: „Sie ſollten nur ihr Maul halten , er habe mehr zu thuen , als ihren 1

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Schnidſchnad mit anzuhören ; was er einmal geſagt hätte, dabei bliebe es , " und damit iſt er fortgegangen. Was uns Allen im ganzen Heere es freute, daß unſer Vater Blüdjer den Franzoſen ſo aufgetrumpft hatte, könnt Ihr Euch denken, Kinderkens . Endlich erhielten ſie doch eine Behandlung wic ſie ſolche ſchon lange um ung Deutſche verdient hatten , und 1

ihre Unverſchämtheit fonnte nicht , wie es ſonſt ſchon ſo oft

geſchehen war , durchdringen. Dem Herrn Generalmajor von Müffling gab unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchs laucht nun den Befehl, die Capitulation wegen der Uebergabe von Paris abzuſchließen. Als es uns im Jahr 1506 nach

der Schlacht bei Jena vor Lübec ſo ſchlecht erging , wie ich Eudy im vergangenen Sommer , wo wir in Jütland ſtanden, ſchon erzählte, da hatte der Verr von Müffling auch die Cas pitulation abſchließen müſſen. Unſer Alte foll daher diesmal zu ihm geſagt haben : „ Es ſind beinahe 9 Jahre her , daß wir ein ſchlechtes Geſchäft bei Lübeck machten , und Sie hatten

damals den ſchwierigen Auftrag die Convention zu ſchließen, beſorgen Sie heute das Geſchäft wieder, es wird Ihnen ſchon leichter werden.“

Und ſo geſchah es denn auch, und derſelbe Officier, der damals für unſern Vater Blücher an einem ſo verfluct_idlechs

ten Tag ſeines Lebens die Geſchäfte beſorgen mußte , hatte

jest den Triumph und die Ehre, es auch an einem ſo glän

zenden thuen zu dürfen. Das war doch ordentlich, als wenn unſer Herrgott im Himmel es recht ſichtbar zeigen wollte, daß er uns Preußen nie verlaſſen würde , ſobald wir uns nur ſelbſt nicht verließen. Nach Regen folgt Sonnenſchein, " das bat der dort droben im Himmel in ſeiner Alweisheit, die man die Menſchen nicht immer recht verſtehen wollen , fdon ſo 1

am Beſten eingerichtet. So mußten für uns Preußen nach den ſchlimmen Jahren von 1806 und 7 und 12 auch die guten von 1813 und 14 und 15 folgen. Das 1. Armeecorps des Herrn Generallieutenants von Zietben Ercellenz batte die Ehre, am 7. Juli zuerſt von allen

preußiſchen Truppen in Paris einzumarſchiren . Da war in dieſer Stadt eine große prächtige Brüde , die der Bonaparte gebaut, und ihr den Namen der „ Brüde von Jena “ gegebent hatte. Na , daß wir Ade im Heere uns über dieſe Brüde ärgerten , war natürlich. Unſer Alte gab daber den Befehl, daß dieſelbe mit Pulver in die Luft geſprengt werden ſollte, was am Ende auch nicht geſchadet hätte. Soll da auch in Frankreich ſo ein vornehmer Diplomater, der ſein Lebtag nichts wie lug und Trug gemacht, und es mit allen gehalten, und hinter dem Rüden fie dann immer angeführt hatte , geweſen fein, Namens Talleyrand , wenn mir recht iſt. Solche Kerle

waren unſerm Alten nun wie Gift und Galle, was auch nicht zu verwundern, denn jeder ehrliche Soldat muß ſeinen gerech. ten Aerger über derartige Menſchen haben. Nun wollte gar dieſer Talleyrand , der aller Scham ſchon längſt den Kopf abgebiſſen hatte , wie man zu ſagen pflegt, bei unſerm Herrn Feldmarſchall Durchlaucht eine Fürbitte für die Erhaltung

der Brüde einlegen. Schwerenoth , da kam er gerade am Rechten.

Unſer Alte ließ darauf antworten : ,, Die Brüde

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folle in die Luft geſprengt werden, und wenn er der Talleyrand ſich dabei mit auf ſolche ſegen wolle, würde ihm dies auch recht lieb ſein. "

Was wir Soldaten alle denn darüber lachten ,

als wir dieſe Antwort von unſerm Alten hörten , fönnt Ihr

Eudy wohl denken . Als nun ſpäter Se. Majeſtät unſer hochs ehrerbietig falus ſelige König Friedrich Wilhelm der III. tirend --- nad Paris fam, ließ der fich in ſeiner großen Hers

zensgüte , die er auch gegen die Franzoſen zeigte , ſo wenig dieſe auch ſolche verdienten , erbitten , daß die Brücke doch

ſtehen bleiben dürfe. - Da unſer Herr Feldmarſchall von Blücher Durchlaucht den Befehl gegeben hatte , daß wo mögs lich alle Truppen ſich ein paar Tage in Paris aufhalten follten, um fich dieſe große Stadt recht nach Herzensluft bes ſehen zu können 1, ſo famen nun faſt alle Tage andere Trup. pentheile von uns dahin . Alle wurden bei den Einwohnern

einquartiert, und obſchon unſer Alte den ſtrengen Befehl ges geben hatte, daß die beſte Mannszucht gehalten und fein Ois

viliſt von den Soldaten ungebührlich beläſtigt werden dürfe, ſo mußte doch für eine gute Verpflegung geſorgt werden . Da führten denn unſere Soldaten , die gerade beſonders wohls

babende . Quartiere erwiſcht hatten , ein wahres Herrenleben, was ſte fich wohl konnten gefallen laſſen . Unſerem Alten ſelbſt dem war dies Paris zu lärmend, und er wohnte in St. Cloud, was ſo eine Art Schloß wie unſer Charlottenburg bei. Bers lin ift, fam aber bisweilen in die Stadt geritten. So faßen wir, unſere 6-8 puſaren und Uhlanen - Unterofficiere auch mal vor einem Kaffeehauſe und ließen uns ein Glas Punſch

gut ſchmecken, als der Herr Feldmarſchall von Blücher Durch laucht, von einem großen Stabe umgeben , angeritten fam. Natürlich , daß wir Alle gleich aufſprangen und wie es ſich 1

gehört , in Front hinſtellten. Unſer Alte , der erkannte mich

ſogleich, hielt ſein Pferd an und ſagte: !„ Aha, Friße Erds

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Na , ſtehſt Du , daß ich Wort gehalten mann, auch hier. hab', als ich Euch immer verſprad , daß Ihr noch mal in dem Paris vergnügte Tage haben ſolltet ." Und zu den ans deren Unterofficieren ſagte er : „ Laßt es Euch man gut ſchmet fen , Kinder , und macht Euch vergnügt , ſchlagt mir dabei

aber mit Euren Leuten nicht allzuſehr über die Stränge. Na, guten Morgen auch ,“ und damit ritt er weiter. Ja, ſo war unſer Vater Blücher, der Feldmarſchall des preußiſchen Heeres.

Mit der Einnahme von Paris , wo nun die Franzoſen auch al die ſchönen Sachen wieder herausgeben mußten , die fie aus ganz Europa zuſammengeraubt und geſtohlen hatten, hörte für uns Preußen der Kampf auch auf. Wenn wir nun auch noch ein paar Jahre in Frankreich ſtehen blieben und ich auch noch mandies Glas franzöftſchen Wein austrant und

auch mandjes hübſche franzöſiſche Mädchen füßte, denn ich war dazumals noch ein friſcher, junger Kerl in meinen beſten Jahs

ren , ſo kann ich Euch doch keine Kriegsgeſchichten weiter ers zählen . So höre ich denn jeßt auf, da ein altes Sprüchwort

ſagt: „ Ende gut, Alles gut!" und ein beſſeres Ende, wie die Erzählung von der zweiten Eroberung von Paris, kann ein königlich preußiſcher Huſaren -Unterofficier für ſeine Geſchichten wohl nicht leicht finden ." Und mit einem allgemeinen Jubel der Huſaren endete der alte Erdmann mit dieſen Worten ſeine Erzählung. Lange noch ſaß der frohe Kreis in der feſtlich geſchmückten Stube beiſammen, denn am heutigen Weihnachts abend ward es mit der gewöhnlichen Zeit des Zubettegehens

nicht ſo genau genommen. Gar manches luſtige Wort ward da nody geſprochen , mand, kräftiges Lied geſungen , und als endlich die Gläſer mit den leßten Reſten der Flaſchen gefüllt waren , erſcholl das podh lebe Se. Majeſtät der König von

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Preußen und mit ihm der Prinz von Preußen, der Prinz des preußiſchen Beeres " noch einmal aus voller Bruft der Sufas

ren . Und ſo muß es ſtets ſein und wird es auch ſein in Freud wie Leid , auf blutiger Wahlſtatt oder beim fröhlichen Trinkgelage werden preußiſche Soldaten ihr „ soch lebe der König“ niemals vergeſſen .

Drud vos friebxidy Undr å in Leipzig.