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German Pages 278 Year 1853
Preußiſche
Huſaren - Geſchichten pon
Julius von Wickede .
163 Leipzig , Friedrich Ludwig Serbig. 1853 .
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er falte Nordoſtwind pfiff ſchneidend über die öden Þaiden Jütlands und trieb das qualmende Bivouaffeuer, tros
des ſchüßenden Grabenrandes , hinter dem man daſſelbe Flüge lich angelegt hatte, oft weit auseinander. Hübſch ſah es aus, wenn ein beſonders heftiger Stoßwind in die Gluth fuhr und die helle Flamme hoch in die dunkle Nacht hinein züngelte,
oder tauſend Feuerfunken gleich kleinen Sternſdynuppen ſprühs ten. Zwar der Mannſchaft , die dicht um das Feuer fich ges lagert hatte , war mit ſolchem Funkenſpiel wenig gedient. Mancher fräftige Fluch in ädyt märfiſcher oder weſtphäliſcher Mundart verwünſchte dann Wind , Wetter, Vorpoſten , Jüts land und die ganze Welt.
Es war eine preußiſche Feldwacht, beſtehend aus Huſa 1
ren und Füſelieren. Mit praktiſchem Geſchick , das der Sol dat im Felde in wenigen Wochen- fich erwirbt, hatte man Ades
angewendet, um die lange Nacht auf den Vorpoſten, ſo erträg lich als möglich zu verbringen. An einem möglichſt trockenen Plaße ſchon ſeit zwei Tagen hatte es faſt unaufhörlich geregnet der durch zwei im rechten Winkel zuſammenlau -
fende Grabenwälle einigermaßen geſchüßt war, hatte man das Feuer angezündet. Große Haufen Buſchholz und ausgerauf tes Haidekraut, von den Soldaten vorſorglich zuſammen ges
tragen , lagen daneben , um die Flamme die ganze Nacht un terhalten zu können. Dieſes Haidekraut diente aud; zum La 1
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ger, und die kleinen zarten, rothen Kelche dufteten aromatiſch, wenn ſich die müden Glieder der Krieger darauf reckten und
ſtreckten. Für den jungen Infanterie -Lieutenant, der die Feld wacht befehligte, war ein dickerer Haufen Kraut an der beſten Seite des Feuers aufgeſchüttet ; dies war der einzige Vor: zug , deſſen er genoß. Hinter den Fuſaren ſtanden ihre Pferde, zur Hälfte vol
ſtändig gepackt und gezäumt, zur Hälfte mit Futterbeuteln um den Hals und behaglich die Haferkörner mit lautem Kauen
zermalmend. Oft drängte fich neugierig ein oder das andere Thier in den Kreis der liegenden Soldaten, ſtrecte den Hals über ſeinen Herrn aus und ſchnupperte an ihm herum , oder ſchaute auch wie ſinnend mit den dunkeln, glänzenden Augen in die Flamme. Der Scwarzbleß des Unteroffiziers, der die
Huſaren befehligte, hatte ſich ſo niedergelegt, daß er mit dem Rüden ſeinem Herrn als weiche Lehne diente und dieſer fich ſo behaglich am treuen Thier ausſtrecken konnte. Mehrere hundert. Schritte vors und ſeitwärts vom Feuer ſtanden die Vedetten der Feldwacht, und das faute Werda, womit ſte die
Streifpatrouillen ſtellten, tönte häufig durch die Nacht. Das kalte, naſſe Wetter hatte die Mannſchaft, etwa drei Big Musketiere und zwölf Huſaren , ſichtbar verſtimmt. Kein frober Geſang , kein munteres Wort , wie man ſie ſonſt am Bivouaffeuer hört, wurde laut. So dicht als möglich in die
Mäntel gehüllt, lagen die Soldaten gedrängt neben einander, den Kopf auf den Torniſter gelehnt , theils ſchlafend, theils
in dumpfes Hinbrüten verſunken , oder ſich fluchend auf die
andere Seite drehend, wenn gerade ein ungewöhnlicher Wind ftoß in die Flamme fuhr und ihnen Rauch oder Funken ins Geficht trieb. Nur die , welche die Reihe traf, das Feuer zu überpadyen, waren thätig, trugen neuen Brennſtoff berbei, oder
ſchürten die Flamme mit ihren Säbeln und Ladeſtöcken .
An ſein Roß gelehnt, faß der Unteroffizier der Huſaren in halb aufredyter Stellung , einen kleinen ſchwarzgerauchten
Pfeifenſtummel zwiſchen den Zähnen und ſinnend den eben nicht beſonders duftenden Rauds von fich blaſend , oft auch
einen langen, ſpähenden Blick in die Ferne werfend, als wolle er die Dunkelheit der Nacht mit ſeinen blißenden Augen durchbohren. - Er war ganz das Bild eines alten, ergrauten
Soldaten , wie er fo da ſaß , ſcharf vom grellen Schein des Feuers beleuchtet.
Ein mächtiger , weißgrauer Schnurrbart
bing bis über das Kinn herab und Augenbrauen von gleicher
Farbe erhoben fich borſtig über den vor Alter etwas tief lies genden , aber immer noch feurigen Augen.
Wenn er auf
Augenblicke den Kolpak vom Kopfe nahm , jab man , daß er
faſt fahl war und nur an beiden Seiten einige weiße , ſpärs liche Loden hatte. Manche Runzel und Falte hatte das ſchon
hagere Geſicht mit dem gutherzigen Ausdruc , und doch lag noch Kraft und Entſchiedenheit in demſelben .
So war der alte Unteroffizier Erdmann , einer der ältes ſten Veteranen der preußiſchen Armee, der ſchon an 46 Jahre
im Dienſt war, und noch ſo rüſtig und kräftig wie der Jüngſte, und in Ertragung von Strapazen aller Art oft alle beſchämte. Dem Alten ſchien der Verdruß der Soldaten über das ſchlechte
Wetter gar nicht zu gefallen. Brummend drehte er den lan gen Schnurrbart zwiſchen den Fingern, oder ſpie durch die
Zähne in die Flamme, daß es ziſchte. Der laute Fluch eines jungen Fuſaren , der noch etwas zart ausſah, über das Huns dewetter und das elende Leben hier auf den Feldwachen in Jütland , ließ den inneren Unmuth des Alten endlich zum offenen Ausbruch kommen.
„ Gottes Donnerwetter, Du Milchſuppenjeſicht! geh doch zu Hauſe und laß Dir in Flanell wideln un hintern Dfen legen , daß Du troden wirſt!" ſo ſchnaubte er im acht brans 1*
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denburgiſchen Dialekt das Opfer ſeines Zornes an. ,, Aber Gott ſtraf mir," fuhr er in anderem Tone fort , , da hab ich ſchon wieder vergeſſen , daß Sr. Majeſtät der König " — bei dieſem Worte legte er ſalutirend die Hand an den Kolpaf -,, zu befehlen jeruht haben , alle Soldaten ſollen jeßt per Sie
titulirt werden. Na alſo, Sie verdammtes Milchſuppenjeſicht, wollen hier über Wind und Wetter raiſonniren , als ob des
eenen braven Huſaren nicht ganz egal ſein müßte !" Das laute Fluchen hatte viele der Schläfer und Träumer aufgeweckt und lachend hörten fie dem Alten zu, während der fo Seſcholtene blutroth wurde.
Auch der junge Lieutenant
ſchien ſich im Innern von der Strafpredigt getroffen zu füh len ; denn wiederholt hatte er ſich ſchon auf dem Gedanken ertappt, wie ſehr er die falte, naſſe Feldwacht verwünſche und fich in das warme Bett der Garniſon zurücſehne. Aber der alte Unteroffizier , der große Autorität genoß und unter dem Beinamen ,, Vater Brummbart“ weit und breit auch außer
feinem Regimente bekannt war, ſchien jegt in Zug zu kommen und dieſe Gelegenheit benußen zu wollen , um ſpeciell ſeinen Huſaren – die Infanteriſten konnten aud davon profitiren den Text zu leſen. „ Ja , Zuckerpuppen ſeid Ihr, aber feene achte Fuſaren
mehr ," fuhr er fort. „ Wenn es een bisken trüppelt oder der Wind pfeift, ſo glauben die Sterle gleich, das wäre Pun A18 ob ſich een Hujar aus dem Wetter etwas
der was .
machen dürfte! Zu meiner Zeit, als ich jung war , Gotts Donnerwetter, da hätte es 25 Tüchtige auf den H ... geſeßt, und das hätte warm gegeben , wenn gar Giner ſich hätte einfallen laſſen wollen , über das Wetter zu raiſonniren .“ - „ Ja, zur Zeit, da Sie Soldat wurden , da war's freilich anders , " meinte ein Huſar , ein munterer, ſchwarzbärtiger Burſche. ,, Das kannſt Du ſchwören ,“ war die Antwort; 1
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„ wir waren andere Kerle dazumal , und zu meiner Zeit gab es noch Fiebe, daß es frachte."
Erzählen Sie een bischen , wie es ſonſt war , Vater Erdmann ,“ riefen einige Huſaren , und : „ Ja, erzählen Sie, Herr Erdmann , erzählen Sie ! " erſcholl es von allen Seiten. Dem Alten ſchien dieſes allgemeine Verlangen zu ſchmeicheln und ſein ernſtes Geftcht verzog ſich zu einem heiteren Lächeln. „ Ja, erzählen und immer wieder erzählen ſoll ich , damit Ihr gut dabei liegen könnt; das mögt Ihr wohl leiden, aber 1
wißt Ihr ood ), ob der Herr Lieutenant es erlauben ?"
und
damit wandte er ſich wie fragend gegen den Offizier. ,,Sehr gerne, Papa Erdmann, " erwiederte dieſer ; ,mit vielem Vergnügen höre ich Ihnen zu. Da , feuchten Sie ſtd; erſt die Kehle mit einem guten Schlud Rum an und geben Sie dann die Flaſche weiter an die Leute , ſo weit es reicht.“ Dabei bot er dem Alten eine große, volle Feldflaſche. 1
„ Danfe ganz gehorſamſt, Herr Lieutenant," ſprady der Unters
offizier ſchmunzelnd, nachdem er einen tüchtigen Zug gethan hatte und jeßt die Flaſche zur Runde dem Nächſten übergab. ,, Das is echter und hält Leib und Seele zuſammen . Na, wenn Sie es denn gütigſt erlooben , will if den Kerlen er zählen , wie es zuging, daß ich die Ehre hatte preußiſcher Soldat zu werden. Dod), Kinder, ſeht mal erſt nach Euren Pferden und laßt ſie mit Freſſen umwechſeln ; die armen
Beeſter haben ſich ſo don das Maul uf dem Gebiſſe müde gekaut." Die Huſaren ſprangen raſch auf , dem Gebot Folge zu leiſten, und wechſelten die geſattelten mit den freſſenden und abgezäumten Pferden um. Auch der Unteroffizier machte ſich
mit ſeinem Roſſe zu thun , nachdem er daſſelbe durch einen leichten Schlag mit der Hand und den vertraulichen Worten : „ Steh uf , Hans, und laß ſehen , wie es mit deiner Sattelei
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fteht," zum Aufſpringen ermuntert hatte. Die Pferde waren bald beſorgt, das Feuer ward geſchürt, manche Pfeife friſch geſtopft, ſelbſt die Schläfer ermunterten fich , denn des alten Vater Brummbarts Geſchichten wollte jeder gern anhören, und auch dieſer ſegte ſic), nadidem er ſeinen Stummel neu
geſtopft und in Brand geſegt hatte, behaglich wieder in das Þaidekraut nieder. — ,, So, Jungens, nun kann es losgehen, nu ſperrt Maul und Ohren uf , daß Ihr keen Wort verliert, denn was Ihr jeptunter hört , des is gut für Euch . “ Er räuſperte ſich nach Erzählerſtte noch einmal und finig dann -
mit ſeiner tiefen Babſtimme an .
,,Mein Vater ſeliger war unter des hochſeligen Königs dabei legte der Alte ehrerbietig die band an den Kolpaf – ,„ Huſar geweſen und hatte im hochlöblich von Belling'ſchen Regiment faſt den ganzen ſiebenjährigen Krieg mitgemacht, wo wir Preußen die Ruſſen und Franzoſen und Deſtreicher und Schweden und die ganze Welt geklopft haben. Er hatte aber im Kartoffelkriege, von dem Ihr auch er wohl gehört habt, als 'unſer König Friße Majeſtät“ falutirte „den Bayern wieder auf die Beine half , einen Schuß in die Hüfte gekriegt, ſo daß er lahmte und nicht mehr aut's Pferd fommen konnte. Da hatte des Königs Frige Majeſtät Gnade ihn zum Thorſchreiber in Schwedt gemacht, wo früher ſo ein kleiner Markgraf wohnte, und er bekam monatlich fünf Thaler ſieben gute Groſchen Gehalt, und was ſonſt ſo abſtel. Dazumal waren noch die ſogenannten guten Zeiten , und da ftel mancher Groſchen ſo nebenher in meines Vaters feliger Hand, die immer offen war. So zum Exempel Frige Majeſtät“
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war an Sonn- und Feſttagen während der Kirche das Thor
geſchloſſen, und wenn mein Vater ſeliger es für die Paſſa giere aufmachte, da gab es immer einen Sechſer, und von manchem Gutsbefißer, der früher Offizier geweſen, auch einen
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Groſchen , oder gar zwei. So nährte mein Vater feliger fich und uns ſechs Buben , von denen id) der jüngſte war , ganz redlich und zog uns mit Kartoffeln , Brod , dann und wann einem Stückchen Fleiſch und vielen Prügeln groß. -- Schläge
gab es viel, denn mein Vater ſeliger pflegte zu fagen : „ Jun gen müſſen Schläge haben , dann werden es tüchtige Rerle. " Nu, er hatte ſo Unrecht nicht .“ „Als ich funfzehn Jahre geworden und bei dem Herrn Paſtor Hochwürden das Chriſtenthum und alles Andere ge lernt hatte und eingeſegnet war, da ſagte mein Vater ſeliger: ,, Friş, verdammter Schlingel"
denn nach des hochſeligen
Königs Majeſtät hatte ich die Ehre dieſen Namen zu führen - „ Du mußt nun was lernen und Dir Dein Brod ſelbſt
verdienen. Willſt ein Schmied werden ? Das iſt eine gute Profeſſion und nährt ihren Mann.“ Das war ixir ganz recht, ich ſagte ja, und kam in die Lehre bei einem Hufſchmied, der ein paar Stunden von uns wohnte und meines Vaters ſeliger Bruders Tocyter zur Frau genommen hatte. So ein Schmiedejunge hat es eben nicht zu gut ; es gab viel Arbeit und nicht zu viel zu eſſen, und Kniffe und Püffe genug vom Meiſter und der Frau Meiſterin und von den Geſellen. Doch das ſchadete nicht, ich ward groß und ſtart dabei, und lernte auch ordentlich mit Pferden umgehen und ſte beſchlagen. So war id) ſchon zwei Jahre in der Lehr , da ſagte der 1
Meiſter eines Sonntag Abends zu mir : „ Friße,“ ſagte er, geh hin und bring das Pflugeiſen auf den Edelhof des Herrn Barons dort überm Walde."
Ich machte mir auf die
Sođen , trug mein Eiſen hin , kriegte einen ganzen Groſchen Trinkgeld , und war luſtig und froh über das Geſchenk. Es .
war ſchon dunkel, als icy wieder nac) þauſe ging , und wie
ich durch das große Dorf fam , leucyteten im Wirthshauſe die Fenſter ſo hell und es war : lo ſchöne Muſik darin , daß 4
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ich davor ſtehen blieb. „Gehſt Du hinein, Friß ? " dachte ich bei mir ; „ Geld haſt Du in der Taſche, “ und dabei klimperte ich ganz ſtolz mit meinem Groſchen im Sack. Ich ging hinein und des war mein Schickſal. "
„ In der großen Stube ſaßen mehrere Huſaren und trans
ken und ſangen. Sapperment, das waren Kerle ! denen ſaß es wie angegoſſen auf dem Leibe, die engen, weißen Lederhoſen
und die ſchönen Dolmans mit den vielen Schnüren, und dazu an jeder Seite des Kopfes drei große Flechten , das war eine Pracht! Sie hatten den ganzen Tiſch voll Weins und Rums flaſden ſtehen und mitten drin eine große gebratene Gans, und der dicke Wirth lief immer hin und her. Ich traute mir
gar nicht in die Stube zu treten und blieb, die Müße in der Hand , an der Thüre ſtehen. Da ſah ein alter Mann von den Huſaren Herr Wachtmeiſter nannten ihn die Anderen
mich ſcharf an, winkte einem Andern herbei und ſagte ihm lachend was ins Ohr. Nicht lange , lo fam dieſer zu mir, ein Glas mit Rum in der Hand und ſagte : „ Na , Junge,
was ſtehſt Du denn da an der Thür und haſt Maulaffen feil ? Stomm her und trinf ein Glas mit mir. "
,,Eine ſolche Ehre war mir noch nicht widerfahren , ich
machte daher meinen Kraßfuß, trank ein bischen und ſagte: „Schön Dank , Herr Huſar.“ Der lachte aber und ſagte: „ Seß Dir her und laß 'uns mehr trinken .“ Das that ich denn auch und faß bald ganz ſtolz mit am Tiſche. Da fragte mich der alte Herr Wachtmeiſter ganz leutſelig, wo ich her wäre und wie es mir ginge und ob ich mir als ein ſo großer Menſch nicht ſchäme, ſo den ganzen Tag hinterm Blasbalg zu ſtehen und ſo eine ſchmußige Kledage zu tragen. Ich ſolle nur Huſar werden , dann hätte ich es für mein ganzes Leben gut und auch ſo eine ſchöne mit Schnüren befekte Jacke wie er und ſo einen blanken Säbel. Solche Reden geftelen mir gar nicht
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übel und dabei ſtieg mir der Rum in den Kopf; denn fte tranken mir immer zu , und wenn mein Gläschen leer war, that es der Wachtmeiſter immer wieder füllen und ſagte: „Noch eenen ! uf drei Beenen ſteht es fic nid gut," oder
„auf alle viere geht ja nur der Hund, nich aber een Menſch ", und was dergleichen Nöthigungsreden mehr waren. Endlich Teßte er mir ſeine Huſarenmüße auf den Kopf, um zu ſehen, wie die mir ſtände und ſagte: „ Nu wollen wir auf des Königs Majeſtät einmal die Geſundheit trinken . "
Natürlichy ſtieß
id tüchtig mit an , und da gab er mir einen harten Thaler und ſagte: „ Das iſt dafür, mein Junge." „ Wie es nun weiter an dem Abend gekommen, das weiß ich nicht, denn ich ſchlief bald am Tiſche ein. Am andern
Morgen , als ich aufwachte, lag ich in einer Kammer auf Stroh und neben mir ein anderer Burſche und der heulte und flennte in einem fort. Ich rieb mir die Augen, denn mir war noch ganz wunderlich im Kopf und fragte den andern, Da heulte er : „ Weil ſie mir geſtern Abend beſoffen gemacht und ich auf den König mit angeſtoßen
warum er ſo weine.
und Geld genommen habe und nun als Soldat angeworben . bin . " Das fuhr mir gewaltig durch den Kopf ; war dem for ſo war ich ja auch Soldat ; accurat ſo hatte man es ja auch mit mir gemacht.. Als ich noch ſo lag und mir die Sache klar zu machen ſuchte, ging die Thüre auf und ein alter Unteroffizier fam herein. " „Na , Ihr Tauchenidytle , ſteht auf und macht Euch raſch
fertig ; es geht gleich fort !" Und wie ich ihn darüber ver wundert anſehe, wird ler ganz böſe und ſagt: ,, Du Schaf&s kopf, was gloßft mir ſo an ? Mein Haſelſtock muß Dir wohl
Beene machen?“ Jeßt fam auch der Wachtmeiſter von geſtern Abend und ein paar Huſaren und ſtellten ſich lachend um uns herum und machten allerlei Schnurren. Ich fragte den
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Herrn Wachtmeister, ob ich nicht zu Hauſe gehen dürfe; der Meiſter würde wohl böſe ſein und mir den Buckel gerben, daß ich ſo lange fortgeblieben. Da lachte der Alte, daß ihm ordentlich ſein dicker Bauch zitterte und ſagte: „ Mit dem Meiſter, mein Junge, iſt es nun aus, Du biſt Huſar geworden, Du haſt Dir geſtern anwerben laſſen und das Handgeld ges nommen.
Gib Dir alſo nur in Dein Schickſal ; das andere
hilft Dir nun doch nichts mehr , und je beſſer Du Dir gibſt, je weniger Schläge friegſt Du. "
„Das war klar und deutlich geſprochen , und ich ſollte bald einſehen, daß es auch wahr war. Mein Kamerad wollte nicht aufſtehen und fam in die Rage , fluchte und ſchimpfte fürchterlich und ſagte, er ſcheere fich den Teufel um alle Sols daten, er wolle nicht Soldat werden , geſtern Abend habe man ihn betrogen und was er in ſeiner Beſoffenheit geſagt, das fei nicht gültig. Und als er jo noch im beſten Toben war, henfte der Korporal ganz ruhig einen Stoď vom Säbel ab und hieb dem Schimpfer ſo ein halb Dugend Fanghiebe über den Rücken, daß die Striemen acht Tage lang zu ſehen waren 1
und das half gleich ."
„So war ich denn, ohne daß ich recht wußte wie, Soldat
geworden und mit der Schmiederei war's vorbei. Da es nun geſchehen war , dachte ich , es ſei am Beſten, ſich nicht allzu fehr zu grämen , ſondern luſtig und guter Dinge zu fein . Wenn ich brummte , oder gar flennte , ich machte die Dinge dod nidyt beſſer damit, ſondern nur ſchlimmer. Das iſt immer ſo mein Wahlſpruch geweſen : , nimm's wie's fommt, " und das bei hab' ich mir ſtets gut befunden.
Mit dieſen Worten wendete ſich der alte Erdmann zu nätiſt an ſeine Quſaren, die gleich der ganzen Feldwacht ſeine Erzählung aufmerkſam angehört hatten. „ So ſolltet Ihr es
auch machen. Thätet Ihr das, ſo würdet Ihr heute nicht kla
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gen , daß es ſo een bischen trüppelt und der Wind fo een bischen bläſt.“ Der Regen war übrigens iegt ſo ſtark gewors den , daß die Soldaten Mühe hatten das Bivouaffeuer im 1
Brand zu erhalten , und der Wind heulte ärger als je über die Maide. Aber der Vortrag des Alten ließ die Lagernden
die Ungemächlichkeiten der rauhen Nacht leichter ertragen, als es ſonſt der Fall geweſen wäre, und ſie nahmen ſich die Lehre, die er ihnen eben gegeben , fo zu Herzen , daß Flüche und Klagen über das ſchlechte Wetter gar nicht mehr vernommen wurden.
Nach dieſer kleinen Nuşanwendung fuhr der Alte fort: „Bald brachen wir nun aus dem Dorfe auf 1, wobei mir der
Wirth ganz verwundert nachfah, als ich ihm Grüße an mei nen Meiſter auftrug und dieſem ſagen ließ, ich ſei Huſar ges worden und könne nicht wieder kommen. Die Huſaren ritten
ſtolz auf ihren ſchönen Pferden , die ſo blank gepußt und prächtig aufgeſchirrt waren ; aber mein neuer Kamerad , der jeßt ganz manierlich einberging und ich mußten zu Fuß zwiſchen den Pferden durch dick und dünn laufen. Wenn Ihr Euch
gut ſchickt, kriegt Ihr auch bald ein Pferd zwiſchen die Beine und ſeid dann erſt rechte puſaren, " rief uns der Wachtmeiſter
zu und dieſe Ausſicht war mir ein großer Troſt." „ So ging es ein paar Stunden fort , bis wir in ein großes Wirthshaus einkehrten , um hier die anderen Refruten
abzuwarten , die aus der Umgegend kommen ſollten. Am Nachmittag fam dann auch ein Transport von ſo zwanzig Mann an. Da waren wilde Kerle darunter , die zu Hauſe nicht hatten pariren wollen und die man gern ziehen ließ , und dabei Gott dankte , daß man ihrer los wurde. Einer war ein Wilddieb , der hatte ſo getobt , daß man ihm eine Handkette hatte anlegen müſſen , womit er daun gewaltig raſſelte. Als er ſtd; erſt beim Regiment etwas eingefernt
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hatte, wozu es freilich viele Prügel brauchte, ward er ein ganz braver Huſar, der bei Saalfeld ehrenvoll vor dem Feinde geblieben iſt. Ueberhaupt war das Regiment die beſte Schule für ſolche Kerle und wenn unſere Unteroffiziere fte tüchtig in’s Gebet nahmen, wurden meiſt ganz brave Soldaten daraus. Manche freilich, die gar nicht gut thun wollten, gingen elendig lid) zu Grunde . "
„Aber an jene erſte Nacht mit den zwanzig Refruten im Wirthshauſe werde ich noch denken , und wenn ich hundert Jahre, alt werde. Saferment , was war das für ein Toben und Lärmen ! Man hatte uns Alle in einen großen Saal geſteckt, wo eine Streu aufgemacht war, und die Fenſterladen geſchloſſen und vor die Thüren Poſten geſtellt, daß Steiner
echappiren konnte , wozu wohl Mancher Luft gehabt hätte.
Branntwein hatte man uns aber genug gegeben , und ſo waren die Meiſten beſoffen und tobten und ſchrieen und ſangen , daß ich glaubte die Wände müßten einfallen ; andere fluchten und heulten und riefen nach ihrer Mutter und ihrem Schak,
und wurden darob von den Uebrigen ausgelacht und verhöhnt. So ging es die ganze Nacht fort und man konnte vor dem Heidenlärm fein Auge zumachen . Mitunter, wenn der Spefs
takel gar zu toll wurde, fam wohl ein Korporal oder gar der Herr Wachtmeiſter ſelbſt herein und fluchten uns tüchtig zu
ſammen , oder hieben mit dem Haſelſtod ſo ohne Weiteres in den dicken Haufen , wo ſte glaubten , daß der Lärm am größten ſei. Am anderen Morgen marſchirte der ganze Trans port unter Eskort der Huſaren , die wohl aufpaßten , daß feiner davonlief , in das Weſtphälinger Land , wo das Regis ment in Garniſon ſtand."
,, A18 wir durch Sdwedt famen, ſtand mein Vater feliger
vor dem Thor , wie er zu thuy pflegte, und rauchte ſeine Pfeife. Der machte Augen , wie er midy ſo auf einmal als
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Refrut bei den Huſaren fah. „ Friße, Friße, Junge, haben fie Dir ooch gefangen !" ſcrie er mir zu. „ Na, laß es man jut ſein , es dadet nichts. Halte Dir nur brav , jo fannſt
Du Korporal werden .“ Und da fand es ſich denn audy, daß unſer Herr Wachtmeiſter meines Vaters ſeliger guter Freund war und beide lange in einer Eskadron zuſammen gedient batten. Der Herr Wadytmeiſter hielt deshalb in Schwedt ein paar Stunden Ruhe und ging zu meinem Vater ſeliger, der ihn auf ein gutes Frühſtück eingeladen hatte. Da erzählte der Herr Wachtmeiſter, wie er mich angeführt, und mein Vater feliger lachte dazu und erzählte wieder andere luſtige
Stüdlein , wie er früher auch die dummen Kerle gefangen und angeführt , ſo daß ſie Soldaten geworden , fie wußten nicht wie. "
„ Dazumalen nämlich, müßt Ihr wiſſen, war es noch nicht ſo , wie jeft zu Tage , wo jeder Preuße die Ehre hat ſeinem König als Soldat zu dienen. Da gab es noch freie Wers bung , und die Werber mußten ſuchen ihrem Regimente ſo viel gute Burſche als möglich redyt wohl zu verſchaffen. Wer das am Beſten konnte, der befam eine Gratifikation vom
Herrn Oberſten oder Herrn Rittmeiſter, und ſo könnt Ihr denken, wie viel Mühe fich die Leute gaben. Oft unter allers lei Verkleidungen ſtriden die Werber im Lande herum und
ſuchten mit allen möglichen Liſten jeden tauglichen Kerl anzu führen , daß er Handgeld nahm und die Soldatenmüße aufs ſepte. War dies einmal geſchehen, ſo mußte er ſeine acht bis zehn Jahre Soldat bleiben , und da half kein_Pfeifen und
Brummen. So ward mandier Soldat, der am Abend vorher gar nicht daran gedacht hatte. Na, wie es ießt iſt, iſt es doch beſſer, obgleich es dazumalen auch viele tüchtige Kerle gab, mit denen man, wenn man fie nur ordentlich unter dem Stoc hielt, den Teufel aus der pölle jagen konnte. - Doch
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ießt iſt es Zeit, daß ich mit Erzählen aufhöre und einen kleis nen Patrouillenritt madje .“ Mit diefen Worten flopfte der alte Unteroffizier ſeine
Pfeife aus, ſteckte fie langſam in ſeine Säbeltaſche, ſtand auf,
ging zum Lieutenant und ſagte , die Hand an Sen Kolpak gelegt, in dienſtlichem Tone : „Erlauben der Herr Lieutenant, daß ich die Vorpoſten jeßt ablöſe und dann eine kleine Recogs „ Ja noscirungspatrouille reite ? Es iſt bald zwei Uhr.“ wohl, Unteroffizier Erdmann, thun Sie dieſe," erwiederte der Offizier, indem er ſich auch von ſeinem Haidekraut erhob, um die Ablöſungen der Infanterie anzuordnen. – Jeßt fam reges
Leben unter die Mannſchaft der Feldwacht. Manchen nidyt eben ſehnſuchtsvollen Blid in die dunkle Regennacht werfend,
rüſtete ſich die Ablöſung, das wärmende Feuer mit dem kalten Poſten zu vertauſchen , wo fte ſchußlos dem vollen Ungeſtüm der Witterung preisgegeben waren.
„ Das wird ein faltes Vergnügen werden ; eine Ballnacht bei Kroll wäre mir lieber ," brummte, jest ſchon fchaudernd, ,,Ah watt! von Zucker ſind wir ein Berliner Freiwilliger. od nich , dat wir ſchmölten deeht," meinte ein plattdeutſcher Pommer und ſtopfte ſich vorſichtig die Beinkleider in die
Stiefeln. Die Huſaren gürteten die loſer gewordenen Sättel noch, fetteten die Kinnketten feſt und hingen die Karabiner in die Hafen . - ,, Fir! fix ! Das iſt ja , als ob Ihr von der reitenden Bürgergarde und keine Huſaren nicht wärt ! " rief der alte Erdmann , der bereits fertig war und gerade und feſt wie der jüngſte Reiter auf ſeinem ungeduldig mit dem Fuße ſcharrenden Rappen faß. - „ Na , Ihnen muß man
wohl eine Leiter anſeßen !“ ſchnob er einen etwas ungeſchickten fuſaren an , der ſich nicht raſch genug in den hoch gepacten Sattel ſchwingen konnte. Herr Gott ! ſteht das nicht eher aus, als ob ein Stameel uf den Pflaumenbaum , als ob een
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puſar in den Sattel wollte ! Nun vorwärts , marſch ! " foms mandirte er , als endlich alle fertig waren ,1 und ritt an die Spige der Patrouille, die bald in der tiefen Nacht verſchwand. Aber nod hörte man ihn ſeinen Leuten zuſprechen : Seht Euch gut vor, ſperrt die Augen auf im Kopfe, ſo weit Ihr könnt, und haltet das Pferd feſt in Zügel und Schenkel, ſonſt kommt Ihr auf die Naſe zu liegen ." Auch die Ablöſungen des Fußvolks zogen unter Lachen, Scherzen und Fluchen über das ſchlechte Wetter endlich ab und es ward ſtill am Bivouaffeuer. Die Mannſchaft war auf
ein Drittheil zuſammengeſchmolzen und die Leute ſtreckten fich ſo behaglich als möglich an’s Feuer , oder legten ihr Haides kraut zurecht, ſo daß das untere , das trođen geblieben war, jekt oben auf das naſſe zu liegen kam. - ,,Alles in der Welt geht um ," meinte ein Füſelier und warf einen naſſen Haufen hinunter und einen trockenen oben darauf. „ So, ihr Blüme: fens, ihr müßt es aud) verſuchen , wie der Regen thut; glaubt ihr, ihr könnt alleene dieſe Nacht trođen bleiben?" Nach einer halben Stunde famen die abgelöſten Soldaten der Vorpoſten wieder zurück. Triefend drängten ſie ſich an das Bivouaffeuer, das man jeßt recht groß gemacht hatte, um die ganz durchnäßten Kleider wieder etwas zu trocknen . „ Na, das war een Wetter da ufn Vorpoſten ! " rief Giner und rang fich den Regen aus dem Mantelzipfel. „Ich glaube die Flöhe , die ich im leßten Nachtquartier ufgeleſen, müſſen Ach Gott mir am Leibe erſoffen ſein , ſo naß bin ich ." — „Ad ja , ich wollte nur meine Tante fähe midy hier ," ſagte ein junger Freiwilliger, ein Bürſchchen , faum dem Knabenalter entwachſen , aber munter und rüſtig bei allen Strapazen . „Wollen Sie einen Schluck Rum ?“ fragte ihn der Lieutenant gutmüthig .. - ,,Danke gehorſamſt, Þerr Lieutenant, aber hier wift Shnen ſchlechte dem Füſelier würde es gut thun ." -
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Weber ? " fragte der Offizier den bezeichneten Mann , der bleich, in ſeinen Mantel gehüllt, ſo nahe als möglich am Feuer lag und troßdem mit den Zähnen klapperte , daß man es mehrere Sdritte weit hören konnte.. „Da nehmen Sie „ Ja , Herr etwas Rum , das wird Ihnen gut thun ." .
Lieutenant , ich habe das falte Fieber und mich friert, als
wenn ich im Eis wäre ; doch es wird wohl vorüber gehen ; der Rum thut gut , danke vielmals ," und damit gab er die Flaſche wieder zurüd.
„Da kommen unſre Huſaren wieder ! " rief nach einer kleinen Stunde ein Soldat und man hörte auch ſchon den
buftritt der Roſſe, und bald erſchienen die hohen Geſtalten der Reiter in der Dunkelheit. — „ Melde mich, daß ich zurüdges fommen bin, " raportirte Unteroffizier Erdmann den Lieutenant, nachdem er abgeſeſſen war.
,,Von den Dänekens habe ich
nichts geſehen und gehört ; die denken auch, weit vom Schuß iſt gut ſein . Wir haben in einem Hauſe, das ganz allein auf dem Felde ſtand, die Leute herausgeklopft und ſie gefragt, wo die Dänen wären, allein das verdammte jütiſche Bauern volf that , als könnt es meine Sprache gar nicht verſtehen, und als ich böſe ward und mit dem Säbel ihnen vor die
Augen herumfadelte, da ſchrieen fie, als wollte ich ſie auf freſſen und ein alter Kerl rief: „ Nir Danske ſehn, niş Danske ! " Die Huſaren beſorgten vor allen Dingen ihre Pferde,
föſten die Gurten, zäumten ab, hingen ihnen die vollen Futter beutel um und rieben ihnen mit Faidefraut die Füße ab.
Erſt als Alles beſorgt war, durften die Reiter an ſich denken ; aber kaum hatten ſie ihre Pläße am Feuer eingenommen, ſo ſagte einer : ,,Nun haben Sie die Güte, Herr Unteroffizier
Erdmann und erzählen weiter. Es hört ſich ſo gut an und man vergißt Wind und Regen dabei.“ Die ganze Geſellſchaft
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unterſtüßte dieſe Bitte. Der Alte nickte beifällig, während er die Näſſe ſorgſam von ſeiner Säbelklinge abwiſchte, nahm einen Schluck aus der Feldflaſche, die ihm der Lieutenant wieder freundlich bot, ftopfte ſeine Pfeife aus dem Seehundss beutel, der neben der Säbeltaſche hing, und ſprac ): „ Nun ja, die Geſchichte, wie ich Huſar wurde, könnt Ihr wohl aushören,
aber wo ich bin ſtehen geblieben ? " ,,Noch in Sdywedt als Rekrut bei Ihrem Vater ſeliger,“ rief der Freiwillige in mun terem Ton. „ Richtig,“ ſagte der Alte und fuhr nun fort : „Wir marſchirten ab von Schwedt. Da gab mir mein Vater feliger einen ganzen Thaler und ſagte : ,, Friße, da haſt Du ein Stück Geld, daß Du Dir ordentlich einrichten thuſt," !
und die Frau Mutter gab mir zwei neue Hemden und eine große Wurſt, die mir meine Kameraden aber ſchon im erſten Nachtlager wegſtibizten und auffraßen, und der Wachtmeiſter verſprach , er wolle mir unter ſeinen Augen behalten, daß ich bald ein ordentlicher pujar werde und ſo war Alles gut
und wir machten uns auf den Marſch. Kreuzſchwernoth, das war Anfangs ein Marſcy, an den ich mein Lebelang denken werde. So dieſe wilde Bande in Ordnung zu halten , war nicht ſo leicht, und Ýiebe mußte es tüchtig geben , bis Alles
nur ein Bischen ins Reglement fam. Ja, wenn jegt die Re fruten ankommen , dann machen ſie ooch wohl oft ſo dumme Geſichter, als wenn ſie nicht fünf zählen könnten und Ihr wißt ſelbſt, was es oft für Arbeit iſt, bis man ordentliche
Menſchenfinder, die ſich ſehen laſſen können, aus Euch gemacht hat, aber gegen dazumalen is ſo een Rekrutentransport doch jeßt eine ganz andere Sache. Na , aber da es des Königs
Majeſtät Befehl dazumalen war, daß gerade ſolche freie Wer bung geſchehen ſolle, ſo mußte es auch gehen und ging aud ), -
gerade wie jeßt Se. Majeſtät der König zu befehlen geruht haben , daß alle Fuſaren nur drei Jahre zu dienen brauchen 2
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und per Sie titulirt werden ſollen , was dazumalen auch kein Menſch geglaubt hätte, daß ſo etwas geben könne. So kamen wir denn endlich in das Weſtphälinger Land an und unterwegs waren die wildeſten Kerle ſchon um Vieles zahmer geworden und lernten Ordre pariren , das könnt Ihr mir glauben. Schon ein gut Stück vor der Garniſonsſtadt kam uns eine Ordonnanz entgegen und ſagte, der Herr Genes ral wolle uns bejeben, wir ſollten nur auf dem Reitplaß auf: marſchiren. Das fuhr uns in die Glieder, und Viele, die ges ſungen und gelärmt hatten, wurden jeßt ganz ſtill.
So mars
ſchirten wir auf und friegten jest gleich den erſten Vorges ſchmack vom Grercitium . „Ihr Eſel! wollt Ihr eine gerade Linie formiren ! " rief der Herr Wachtmeiſter und ließ ſeinen Rohrſtock tüchtig tanzen , bald auf den Budel , bald auf den Schultern , wie er es gerade nöthig fand. So ging es eine gute Weile fort, bis wir endlich ſo eine halbwegs gerade Linie zuſammengeſtoppelt hatten. „ Wir hatten noch nicht lange geſtanden , da kam der Herr General, dem das Regiment gehörte , mit ſeinem Adjutanten und anderen Offizieren angeritten . Das war eine Geſtalt! da fonnte man gleich Reſpekt davor kriegen . Donnerwetter, wie ſaß der zu Pferd, ſo ſtolz und feſt! man hätte glauben
ſollen , es wäre des Königs Majeſtät ſelber in höchſt eigener Perſon .
Ginen mächtigen Schnurrbart batte er und ſchon
graue Haare , dabei aber ein paar Augen, die funkelten und blißten wie glühende Kohlen . - ,,Guten Morgen , Kinder," -
redete er uns mit ſeiner Baßſtimme an, als er beim Flügel angekommen war und der Herr Wachtmeiſter ihm die Meldung gemacht hatte. „ Na, Ihr ſollt nun Huſaren werden und das
iſt eine ſehr große Ehre für Euch, denn ein ordentlicher, königlich preußiſder Huſar iſt der erſte Kerl in der Welt. Führt Ihr Euch gut auf und macht mir Freude und lernt ordentlich reiten ,
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ſo ſollt Ihr es gut haben ; ſeid Ihr aber Schweinigel, dann
giebt es Hiebe, das Eud, die Seele zum H. hinausfährt. So, dað merkt Euch ! "
,, Damit war die Rede aus, die uns allen ſehr in's Ges
müth gegangen war. Der Herr General ging nun die Reihe durch , ſah ſich alle an und ſprach mit Jedem ſo ein paar Worte. Als er bei mir ankam, ſah er midy von oben bis unten an, daß id, glaubte, ich müſſe in die Erde finken und ſagte : ,, Dein Geſicht, mein Sohn , fommt mich befannt vor ; wie
heißt Du und wo biſt Du her ?" Aber vor Reſpekt fonnte idh gar nicht antworten. - ,,Na, ſo mad das Maul auf
und gib mir Rede ! " rief der Herr General ein klein wenig ungeduldig. - ,, Ich heiße Erdmann und bin aus Sdywedt, wo mein Vater Thorſchreiber iſt ," ſtotterte ich heraus. -
„ Ei, Dein Vater war früher auch Korporal bei die ſchwarzen Huſaren ; ein braver Sterl, der mir einmal aus die Franzoſen
herausgehauen hat. Werd' nur auch ſo ein Huſar, wie der war, dann ſoll es Dir gut gehen, und ich will Dir unter die Augen behalten. " Dabei klopfte er mir auf die Achſel und gab mir einen blanfen Friged'or in die Hand. Beim Weggehen aber ſagte er zum Wachtmeiſter : Der Burſd fommt zu meiner eigenen Leibſchwadron , hört ér , Wachtmeiſter ?" „ Wie heißt der Herr General, der meinen Vater kennt ? " fragte ich den Herrn Wadytmeiſter neugierig. ,, Dummkopf, fennſt Du den nicht einmal ? Das iſt ja der Herr General
von Blücher Excellenz, ein ächter Huſarengeneral, an dem Vater Ziethen ſelbſt ſeine Freude hätte, wenn er noch lebte . " Und ſo hatte ich gleich am erſten Tage die Ehre, von dem Herrn General von Blücher Excellenz angeredet zu werden, der nachs her Feldmarſchall Vorwärts von all die preußiſchen Huſaren wurde und bei dem jedem ehrlichen preußiſchen Soldaten das Herz im Leibe vor. Freude lachen muß, wenn er nur ſeinen 2*
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Namen hört. — Und nun, Fungens, laßt uns einmal zur
Abwechſelung unſer Huſarenlted ſingen .“
Mit dem kräftigſten Baß ſtimmte der Alte troß ſeiner
Jahre das Lied an und faſt alle Müderen ſtimmten ein : Was ſchmettern die Trompeten ? Huſaren heraus ! Es reitet der Feldmarſchaft im fliegenden Braus. Er reitet fo feurig ſein muthiges Pferd,
(ør ſchwinget ſo ſchneidig ſein blißendes Schwert, Juchheiraſiaſſah, Jucheiraſjaſſah, Und die Preußen ſind da,
Die Preußen find luſtig, fie rufen Burrah. O ſchauet, wie ihm leuchten die Augen ſo klar ; O ſchauet, wie ihm wallet ſein ſchneeweißes Haar ! So friſch blüht ſein Alter wie greifender Wein, Drum kann er auch Verwalter des Schlachtfeldes ſein . Juchheiraſſajjah, Juchheiraſjaſſab, Und die Preußen ſind da,
Die Preußen find luſtig, fie rufen Hurrah.
Er iſt der Mann geweſen, als alles verſank, Der muthig zum Himmel den Degen noch ſchwang; Da ſchwur er beim Eiſen gar zornig und hart : Dem Franzmann zu weiſen die deutſche Art. Juchheiraſjaſſah, Juchheiraſſaſjah, Uud die Preußen ſind da,
Die Preußen find luſtig, fie rufen Qurrah. Den Schwur hat er gehalten, als Kriegsruf erklang , Hei wie der weiße Jüngling im Sattel fich ſchwang! Da iſt er's geweſen, der Kehraus gemacht, Mit eiſernen Beſen das Land rein gemacht. Juch heiraſſaſjah, Juch heiraſſajjah, Und die Preußen ſind da, Die Preußen find luſtig, fie rufen Surrah.
Bei Lüßen auf der Aue da hielt er ſolchen Strauß, Daß manchem Franzoſen der Athem ging aus ! Daß Tauſende liefen gar haſtigem Lauf, Zehntauſend entſchliefen, die nimmer wachen auf.
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Juchheiraſſaffah, Juchheiraffaſſah Und die Preußen ſind das Die Preußen ſind luſtig, fie rufen Hurrah.
Bei Kaßbach, an dem Waſſer, da hat er es auch bewährt, Da hat er den Franzoſen das. Schwimmen gelehrt, 1
Fahrt wohl ihr Franzoſen zur Oſtſee hinab Und nehmt ihr -Kerle den Walfiſch zum Grab. Juchheiraſſafſah, Juchheiraſſafſah, : Und die Preußen ſind da,
Die Preußen find luſtig, fie rufen Hurrah. Bei Wartenburg an der Elbe wie fuhr er da hindurch , Da ſchirmte die Franzoſen nicht Schanze, nicht Burg,
.
Sie mußten wieder ſpringen wie Haſen über's Feld
Und hinterdrein ließ klingen ſein Huſſah der Held. Juchheiraſſaffah, Juchheiraſſaſjah, und die Preußen ſind da,
Die Preußen find luſtig, fie rufen Hurrah .
Bei Leipzig auf dem Plane, o ſchöne Ehrenſchlacht, Da brach er in Trümmern der Franzoſen Glück und Macht, Ta liegen ſie ſicher nach leßtem harten Fall,
Da ward der alte Blücher ein Feldmarſchall. Juchheiraſjaffah, Juchheiraffaſſah , Ilnd die Preußen ſind da, Die Preußen ſind luſtig, ſie rufen Hurrah . Drum blaſet ihr Trompeten, Huſaren heraus !
Du reite, Herr Feldmarſchall, wie Sturmwind im Saus Dem Siege entgegen, zum Rhein und übern Rhein, Du tapferer, älter Degen und Gott ſoll mit Dir ſein , Juchheiraſſafiah. Juchbeiraſjaffah, ! Und die Preußen ſind da,
Die Preußen ſind luſtig, fie rufen Hurrah.
Laut und freudig klang der volle Soldatenchor in die dunkle Nacht hinaus über die öde jütländiſche Faide und
Wind und Regen wurden darüber von den munteren Sängern ganz vergeſſen. Noch einige andere Soldatenlieder, naments
lich das Leiblied der Soldaten : „ Schier dreißig Jahre biſt
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du alt, " folgten und Unteroffizier Erdmann war ſtets einer
der rüſtigſten Sänger. Nadidem man ſo wohl eine halbe Stunde geſungen, nahm der Alte wieder das Wort : ,,Nun will ich Eudy meine Geſchichte auserzählen. Am 7. October 1803 dwur id
den Fahneneid ; das iſt alſo nun ſchon etliche und vierzig Jahre her, und ſo lange bin ich denn immer bei den Huſaren geblieben. Ich kam gleich zu der Leibſchwadron des Herrn Generals, was eine große Ehre war, denn die Rekruten kamen
nie dabin. Ein alter Soldat , auch ſo einer aus der ächten Schule , nahm mich zu fich in's Quartier, um einen ordent
lichen Menſchen aus mir zu machen und mir das Pußen beis
zubringen und was ſonſt dazu gehört. Na , dabei gab es
denn manchen tüchtigen Rippenſtoß und Ohrengezauſe, denn To manierlich wie jest , wo man Eudy nicht mit dem kleinen
Finger anrühren darf, ward damals nicht mit uns umgegan gen, das könnt Ihr glauben. Sonſt ging es mir indeß ziemlich gut und ich lernte fig auf der Reitbahn und dem Erercierplay und ſperrte Augen und Ohren weit auf, daß ich Alles behielt und ſo kam ich denn auch immer chne Prügel davon. So ein Þieb mit der Bahnpeitſche beim Reiten fam wohl mal vor , aber das gehört ja dazu, und ohne das lernt man nie
ordentlid reiten , das wißt Ihr ja ſelber, obgleich jegt in der königlich preußiſchen Armee jede körperliche Beſtrafung eines Soldaten ſtreng unterſagt iſt. Doch wer fann fo genau ſehen, ob er das Pferd oder den Reiter trifft? Und ſo ein Peitſchen 1
hieb brennt tüchtig auf den Sdyenfel oder Buckel und es find doch keine Schläge nicht."
, Uebrigens hatte der Herr General von Blücher Excellenz mich nicht vergeſſen ,“ .fuhr der Alte nach dieſer kleinen Abs ſchweifung fort, „ſondern ſprach ſo hie und da ein Wort mit mir. Das war ein Huſarengeneral !. Sapperment, wenn der a
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ſo auf ſeinem polniſchen Fuch
ſaß und an der Front hers
unterjagte, das war eine Luft ; der ſteiffte Trompeterſchimmel wurde dabei munter. Und wenn er das Regiment exercieren ließ, da gings ! Wir wußten gar nicht, wie wir ſo ſchnell über die Haide famen . Und wenn dann ſo das „, marſch, marſch “ recht toll gegangen war , ſo fommandirte- er „ halt, " daß es wie der Donner durch das ganze Regiment fuhr, ſchmiß ſein Pferd auf die Hinterbeine herum, richtete ſich hoch im Sattel auf und rief: „ Das iſt gut gegangen , Kerle , ichy bin mit Euch zufrieden ; und wenn es auf die verdammten Franzoſen geht , ſo macht, daß ich keine Schande von Euch hab'.“ Wir alle aber ſchrieen : „ Ja, Herr General, ja, das wollen wir ! "
Dann lachte er, drehte ſich den Schnauzbart, brummte
vergnüglich ein ,,Schwerenothsferle " und ließ uns dann oft beim Einrücken ein Tönnchen Branntwein auf ſeine Koſten geben.
,, Den Tag, da ich zuerſt beim Herrn General von Blücher Excellenz auf Ordonnanz kommandirt war , will ich nie ver geſſen . Ich hatte mich dazu ſo proper als nur möglich her
ausgepußt. Die Stiefeletten waren ſo blank gewichſt, daß fie heller glänzten als die Sonne, die weißen Lederhoſen faßen
fo ſtramm , daß auch keine Runzel daran zu ſehen war, denn ich hatte fie am Abend vorher im Keller aufgehängt, daß fie feucht wurden und nun ſo feſt anſaßen , als wären ſie mir an die Haut gewachſen , der Dolman fleidete mir auch gut genug , der Zopf war ſo feſt gebunden, daß keine Laus durchs
friechen konnte und tüchtig gepudert , und ſo war id denn ſo fig, daß Korporal, Wachtmeiſter, Lieutenant und Rittuneiſter, die mir alle nady einander muſterten, aud nicht das Geringſte
auszuſeßen fanden , und das wollte dazumal viel ſagen." „ Als ich mich beim Herrn General zur Ordonnanz mel dete, faß er gerade am Frühſtüdetiſd ), auf dem ein ordentlicher Schinken , ein Pumpernikel und eine Flaſche Hum ſtanden . -
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„ Na , Kerl, Du biſt ein firer Huſar geworden , das mag ich leiden , “ ſagte der Herr General , nachdem ich mir gemeldet. ,,Da trink einmal ! " Und damit gab er mir ſo ein ganzes Glas mit Rum. - Als ich blöde nur ſo daran nippte, ſchrie
er : „ Sauf aus , Kerl , ſauf aus ! Thuſt ja ſo zimperlich, als wenn Du eine alte Jungfer wärſt. “Und ſo trank ich denu herzhaft aus , und der Herr General ſchenkte ſich dann ſelbſt das Glas voll und goß es mit einem Zuge hinter die Binde .“ 1
„ Na, fannſt Du aud) ordentlich reiten und haſt Du ein flinkes Pferd ? " fragte er weiter. . Zu Befehl, perr Genes
ral Excellenz, reiten kann ich chon, und mein brauner Ukrai ner läuft mit dem Teufel um die Wette.". - „,,Na , jo halte
Dir bereit, “ ſagte er darauf, „ Du ſollſt mit mir als Ordons nanz reiten, aber paß gut auf, es geht raſch ." Donner, war das ein Reiten ! In meinem Leben bin ich nicht wieder fo gejagt. Im ſauſenden Galopp ging es über Felder und Gräben und Heden und was dazwiſchen fam. Voran der
Alte auf ſeinem Fuchſen und hinterher ich auf meinem Brait nen. Der Rum war mir zu Gemüthe geſtiegen und mein Brauner wollte den Fucyfen des Herrn General immer übers
holen , und ſo ging es fort wie die wilde Jagd. Manchmal drehte ſich der Alte nach mir um , ob ich auch nachkomme, und wie er dann ſah, daß ich wie der leibhaftige Böſe hinter 1
einer armen Seele immer dicht hinter ihm her war , ladyte er und rief : „ Recht ſo, Kerl, Du reiteſt wie ein Fuſar." A18
wir wieder zu Hauſe waren und unſere Pferde tüchtig dampf ten , klopfte er mir auf die Schulter und ſagte : „ Du haft Deine Sache gut gemacht, mein Sohn ; da baſt Du einen Thaler, den verſaufe auf meine Geſundheit."
„ So ging's im Dienſte fort, bis wir endlich Anno fecho den Befehl bekamen auszumarſchiren , worüber ſich denn Alles freute, am meiſten aber der Herr General von Blücher Excel
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lenz , der darob wieder ſo luſtig und flink wurde, wie ein Fähndrich , und dem ganzen Regiment ſo viel Wein und Branntwein Preis gab , als die Kerle nur trinken wollten , und allen die Strafen pardonnirte , die noch für ſie auf notirt waren .
„Ich denke mein Lebtag daran , wie der Befehl zum
Ausmarſch kam. Das war eine Freude ! juſtement wie dieſes Jahr, da es hieß, es gehe nach Schleswig gegen die Dänen. Wir waren eben im Stall , da fam
angelaufen
ſo ein kleiner Cornet
die Franzoſen haben ihn nachher bei Lübeck
todtgeſchoſſen und rief ſchon von Weitem : purrab ! es geht los ! es geht los ! Der General hat ſoeben die Stafette 01
bekommen ; heute Nachmittag idyon marſchiren wir .“ Und als wir das hörten, da warfen wir Striegel und Futterbeutel weg und ſprangen und tanzten und ſangen. Die Meiſten, die da ſo luſtig waren , lagen über's Jahr unter dem Boden , oder bettelten als Krüppel im Lande umher. Was thut’s ? wenn ein preußiſches Regiment Befehl bekommt, gegen einen Feind von unſerem König zu marſchiren, ſo wird es immer luſtig ſein, und wäre es dieß nicht, ſo müßte man gleich Kanonen herum fahren und es zuſammenſchießen ; das iſt ſo meine Anſicht. ,,An jenem Tage Mittags bei der Parade madyte der Herr Rittmeiſter midy noch zum Unteroffizier, von wegen meiner guten Conduite, wie er ſagte , obgleich ich unter den jüngſten Huſaren in der Schwadron war. Und was ich damals wurde, das bin ich denn auch an die zweiundvierzig Jahre lang geblieben und hoffe es zu bleiben , bis man mich vom Pferde
herunter haut oder mit den Karabinern über das Grab ſchießt; zum Wachtmeiſter bab' idy nie fir genug ſchreiben fönnen
,,Mir zogen nun ins Thüringerland , wo die Armee ſidy ſammelte, um gegen die Franzoſen zu rücken. Das waren prächtige Regimenter , Grenadiere ' und Musketiere und Füſe
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fiere , Jäger , Kürafftere, Dragoner , Huſaren. Ja , und wir Huſaren glaubten gar nicht anders , als über ein Kleines
müßten die Franzoſen von uns zuſammengehauen ſein , und dann gehe es in’s Franzenland. Unſere Herren Offiziere lernten auch ſchon fleißig das Franzöſiſche. Es fam anders. Aber das muß wahr ſein , ſchöne Kavallerie gab es dazumal, und auch die Infanterie und Artillerie waren nicht zu ver
achten. Die Regimenter ritten lauter Polaken und Ukrainer ; das Herz mußte Einem vor Luft im Leibe lachen, wenn man fie fo anſah.
„ Und als wir zuerſt jegt von dem Prinzen Louis Ferdi nand fönigliche Hoheit , gemuſtert wurden , ſo war das eine
Luſt. Donnerwetter , war das ein Prinz, fo ein ächter von des alten Friße ſeinem Blute. Was Schöneres fonnte man gar nicht auf der Welt ſehen , als wenn der Prinz ſo auf 1
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ſeinem Schimmelhengſt daber geſprengt fam. Ade Frauen zimmer mußten ftch in ihn verlieben , fie mochten wollen oder
nicht, und viele Dußend, und darunter Gräfinnen und andere vornehme Weibsleute, ſollen ihm in Berlin nachgeweint haben, als er ausmarſchirte. Das will ich aber wohl glauben, denn die Weibsleute, vornehm wie gering, die haben die Soldaten ſtets gern, und als ich noch ſo ein friſcher, junger Kerl war, da hat manches hübſches Mädchen mich gar nicht ungern angeſchen, das könnt Ihr mir glauben .. Freilich, die Zeit iſt fchon manch liebes, langes Jahr,vorbei, und jezt bin ich ein alter, grauer Stümper, nach dem kein Weibsbild auch nur mit einem Auge mehr hinſchielt.
„ Ja, aber um auf den Prinzen Louis Ferdinand könig liche Hoheit, wieder zurückzukommen , ſo ward der , wie Ihr
wohl wißt, bei Saalfeld von ſo einem verfluchten franzöſiſchen Huſaren erſchoſſen . Ich bin nicht dabei geweſen, aber erzählen
habe ich mir oft laſſen , daß er ſich erſt herumgehauen hätte,
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wie es der alte Ziethen ſelbſt nicht beſſer hätte machen können, und platterdings keinen Pardon von dem Franzoſen gewollt. War er doch auch ein preußiſcher Prinz und ſo Einem ſtect
die Courage ſchon in den Adern , das kann gar nicht an ders ſein.
„ Auf dieſen ſchlechten Tag von Saalfeld folgte aber bald der noch ſchlechtere von Jena , und da fonnte manche preußiſdie Mutter wohl mit Recht weinen .
Von dem Tag
mag ich heute nicht mehr ſprechen , denn der Morgen graut ſchon , und ſo foll es denn für dießmal mit dem Erzählen aus ſein . ,,Wenn wir wieder einmal beiſammen find, will ich Euchy 1
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erzählen , wie ſich unſer Regiment unter Vater Blüder durch drei franzöſiſche Corps durdyſcylug, wie wir , überall vom Feind umgeben , uns ins Mecklenburger Land zogen und bei
Lübeck noch tüchtig einbieben , ehe wir die Kapitulation eins gingen ; wie ich dabei von den Franzoſen gefangen wurde, 1
mich aber bald ſelbſt ranzionirte und mich nad Rolberg durch
ſchlich und zu des von Schil ſeinen Huſaren ging , wo ich geblieben bin , bis der Herr Major in Stralſund von den Dänen und Holländern todtgeſchoſſen wurde, weshalb ich auch noch ſo eine Wuth gegen die Rothjaden von Dänen habe. Das hier iſt nun freilich kein Krieg , wie fich's gehörtamob gleich es ganz gut iſt für Euch Jungen, daß Ihr lernt, wie's im Feld hergeht.
Geht's aber einmal wieder recht los , und
Jeder thut ſeine Schuldigkeit, ſo müßte doch das Wetter drein ſchlagen , wenn Preußen nicht oben uf fäme. “
Unter dem lauten Jubelruf der Feldmacht klopfte der alte Huſar ſeine Pfeife aus und machte ſich mit ſeinem Schwarzen zu ſchaffen. Die graue Dämmerung des Morgens fing an fich über die öde paide auszubreiten. Trübe und ernſt war der Anblic ; durd, die dide Luft, halb Nebel, balb
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feiner Sprühregen, erſchien Alles grau in grau gemalt. Selbſt die blanken Beſchläge der Pickelhauben, die Läufe der Gewehre ſchimmerten nur matt ; die Gegend , ſoweit das Auge durch den Nebel dringen konnte , war nichts als öde , unbebaute Haide, ohne Baum oder ſonſtige Abwechſelung. Nur ein paar
Feldſtüde ſchienen mit Buchweizen angebaut und zeigten ſo wenigſtens, daß Menſchen in dieſer Wildniß hauſten . – Die Soldaten ſuchten den unbehaglichen Eindruck des grauen
Regenmorgens dadurch zu mildern, daß ſie immer neue Haufen
Haidekraut in das jekt bleich ſchimmernde Feuer warfen , ſo 1
daß hohe Flammen emporzüngelten. „ Nur immer mehr hin ein, daß die Dänen ſehen können , wo die Preußen bivouakiren!" rief ein junger Füſelier und ſchleppte fo viel Kraut ins Feuer, als er mit beiden Armen umfaſſen konnte. „ Was ließe fich
hier für ſchöner Kaffee fodien !“ meinte ein anderer , den der Froſt ſchüttelte. – „Watt Kaffee, een Schluck Branntwein , das iſt ächter Soldatenkaffee !" rief ein Kamerad , mit ſicht lichem Wohlgefallen ſeine grüne runde Schnapsflaſche an den Mund ſeßend. Die Huſaren machten ſich eifrig mit ihren Roſſen zu ſchaffen und pugten die treuen Thiere ſo gut es ging. Der Gewandteſte und Eifrigſte dabei war der alte Unteroffizier, der ſeinen kleinen Rappen wie ein liebender Vater ſein einziges Kind wartete und pflegte. Da auf einmal ſab man in der grauen Dämmerung einen Reiter in vollem Roſſeslauf auf
die Feldwacht zu ſprengen. „Herr Lieutenant, ein Fuſar von unſeren Vedetten !" rief der Alte, der ihn zuerſt bemerkt hatte und kaum war dies geſprochen, ſo ſtürmte ein Huſar in vollem Galopp auf ſeinem kleinen bebenden Litthauer herein .
Die ganze Feldwacht war neugierig aufgeſprungen. „Herr Lieutenant , ich habe gehorſamſt zu melden , daß eine ſtarke
däniſche Kavalleriepatrouille auf unſern erſten Vorpoſten zu
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geritten iſt," meldete der puſar, nadidem er ſein ſchaumbedeck
tes Pferd vor dem Offizier kurz parirt hatte.
Bei dieſer
willkommenen Kunde brachen die Soldaten in lauten Jubel aus.
„ Unteroffizier Erdmann , " befahl der Lieutenant, „ machen Sie eine Recognoscirpatrouille den Dänen entgegen , laſſen
Sie aber einen Huſaren hier zurück, damit ich ihn nöthigen falls als Ordonnanz zum Haupttrupp ſenden fann .“ – „Zu Befehl ," antwortete der Korporal, der, dieſe Ordre erwartend, ſich mit ſeinen Leuten gleich bei der Ankunft des Reiters da zu gerüſtet hatte. „ Raſch ! raſch !" drängte der Alte, fid mit der Leichtigkeit eines Jünglings in den Sattel ſchwingend und wie der Blig ſprengte der Trupp in den Rebel hinein , ſo
daß er bald aus dem Geſidyt verſchwunden war. Das Fußs volf machte ſid) unterdeß auch kampf- und marſchfertig, fah ſorgſam nach, ob die Gewehre ganz ſdießfertig ſeien und ſtellte ſich dann auf, begierig nach einem kleinen Strauß mit den Dänen. Doch dieſe Hoffnung ſollte für heute zu nichte werden . Eine halbe Stunde verging in geſpannter Erwartung, die durch einen Sohuß, den man vernahm, noch erhöht ward, da ſah man langſamen Schrittes die Huſarenpatrouille wieder zurrüdfommen . ,, Þabe mich wieder hier zu melden, Herr Lieutenant,"
rapportirte der Unteroffizier,
nachdem er abgeſeſſen war.
„ Mit den Dänen iſt es heute Morgen nichts. Wir ſahen
einen Zug von ihren Dragonern , der wohl zum Recognoscirettisin ausgeritten war ; aber zum Klopfen hatten ſie keine Luft, fie kehrten langſam um, als ſie uns gewahr wurden. Wir ritten ihnen noch eine Weile nady , da ſte aber nicht umkehrten und wir dody nicht zu weit vorgehen konnten , kamen wir nicht zus ſammen und das war ſchade."
Die geſammte Mannſchaft der Feldwacht bedauerte, daß es nicht zum Treffen gekommen war ; bevor aber dieſer neue
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Verdruß den alten über das böſe Wetter wieder Plaß machen konnte , fam die erſehnte Ablöſung. Munter, ein kräftiges Soldatenlied fingend , marſchirte man nun in Regen und Sturm in das ſchmußige jütländiſche Dorf zurück , das als Quartier diente. - Mit einem kameradſchaftlichen : ,,Adjes, ihr Infanteriſten , auf baldiges Wiederſehen ! " das ebenſo er wiedert wurde , trennten ſich am Eingang des Dorfes die Þuſaren vom Fußvolf, um ihre abgeſonderten Quartiere auf zuſuchen.
Auf dem zwar großen , aber nach gewohnter Art ſehr
ſchmußigen jütiſchen Bauernhofe herrſchte ein reges, militairi ſches Leben. An zwölf bis funfzehn preußiſche Huſaren und faſt die doppelte Zahl Füſeliere war hier einquartiert und in jeglichem Winkel aller Gebäude faſt, batten daher Soldaten
fich eingeniſtet. Beſonders die geräumige Diehle und wenn es gutes Wetter war , auch der Hofplaß vor dem Hauſe waren von denſelben für ihre verſchiedenen Verrichtungen und Vergnügungen außerleben worden. Die enge Bauernſtube ſelbſt hatte natürlich der Herr Lieutenant , der die Füſeliere fommandirte, zum Quartier befommen , war aber nicht ſonders
lich erfreut über dieſe Ehre. Eng und dumpf und ſchmußig war die ganze niedere Stube und obgleich man mehrfach etwas Pulver in derſelben zum großen Schreck des Bauern , der glaubte man wolle ſein Haus in die Luft ſprengen , hatte auf
blißen und dann den Rauch zur Thüre hinaus ziehen laſſen, ſo die Luft etwas zu reinigen , wollte doch audy ſelbſt dies
energiſche Mittel nicht helfen. Und Flöhe und anderes Uns geziefer gab es in der Bettſtelle, die nach der Landesſitte wie ein Wandſchrank in die Wand eingelaſſen, daß es gar nicht zum Aushalten war. Schon in der erſten Nacht hatte der
arme, junge Lieutenant von dieſer Million von ſchwarzen und braunen und Gott weiß für was noch farbigen Plagegeiſtern ,
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die feinen Leib mit dem friſchen, füßen Blut als willfommene
Beute betrachteten, die Flucht ergriffen und ſich dann verzweifs lungsvoll in den Mantel hüllend, bei den Pferden auf der
Streu niedergeworfen. Und nun gar noch die Nachbarſchaft dieſer Stube, die fonnte Ginen faſt noch leichter wie die Flöhe
zur Verzweiflung bringen. Nur durch eine dünne Bretterwand voller Rißen und Aſtlöcher getrennt, lag in der Kammer das neben die ganze Familie des Bauern, eng in Betten auf dem
Boden zuſammengedrängt. Die Frau war erſt kurz vorher in die Wochen gekommen und ihr Säugling ſchrie, als wenn er am Spieße ſtecke, ein anderer, faum ein Jahr älterer Bruder
begleitete ihn ſtets auf getreuliche Weiſe dabei und zeigte, um wie viel ſtärker ſeine Lunge ſdon geworden ſei. Die alte Groß mutter hatte den Reuchuſten und feuchte und ächzte, daß es
einen Stein erbarmen konnte und der Vater nebſt den ſechs oder acht anderen Bälgern ſdynarchten dabei zuſammen in den verſchiedenſten Tonarten um die Wette, daß die Wand förms lich erbeben wollte. War das ein Concert zum aus der Haut
fahren und jeder Menſch, der nur irgend etwas andere Nerven wie ſo ein jütländiſcher Bauer hatte, mußte demſelben , ſelbſt auf die Gefahr ein Nachtlager auf bloßem Steinboden zu finden , um jeden Preis zu entfliehen ſuchen .
„ welche Luſt Soldat zu ſein !" ſang leiſe voller Jronie der junge Lieutenant vor fidh hin und dachte mit Schreden an die wieder ihm bevorſtehende Nacht und ihre Plagen, und wünſchte doch auch wieder ſehnlichſt ſich dieſelbe herbei, damit fie die bleiernen , dabinſchleichenden Stunden des Tages abfürzen helfe. Langweilig , verzweifelnd langweilig war es hier auf dieſem öden , abgelegenen Banernhof , ohne viele dienſtlichen
Verrichtungen, ohne kameradſchaftlichen Umgang, ja ſelbſt ohue
ein einziges Buch, in das man, um nur die Zeit todtzuſchlagen, die Naſe ſteden konnte. Der Lieutenant war gerne Soldat
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und mit Freuden in den Krieg gezogen, denn er hatte ja die Ehre ein preußiſcher Offizier zu ſein, aber hier oben auf dem
langweiligen , ſchmußigen, jütiſchen Bauernhofe wollte doch in einzelnen ſchwachen Augenblicken der Gedanke über ihn kom men , es ſei doch um das in den Krieg ziehen eine gar ſchlechte Sadie, und wer nichts damit zu thun hätte, brauche auch eben
nidyt unglücklid darüber zu ſein. Bilder von einer bequemen Stube mit weichem Sopha, gutem reinlichem Bett, dann eine reichlich beſepte table d'hote und ſpäter ein vergnügliches Spielchen mit den Kameraden , wobei er im Glück war, oder ein Tänzchen mit hübſchen Damen, wobei ein gewiſſes blau äugiges, blondlockiges Fräulein (der Vater ſollte ja der Tochter 30,000 Thaler mitgeben ), welche die artigen Worte des Lieutes nants gar nicht ungern zu hören ſchien, kurz alle ſolche ähn liche verführeriſche Sachen wollten ihm gar nicht aus dem
Kopfe. „Iſt doch zum Verzweifeln , das man ſtets hier in dieſem verfluchten Orte noch an ſolche Sachen denken muß,"
brummte er zwar im Innern und doch, je mehr er dagegen anarbeitete,1 deſto weniger wollten derartige Gedanken ihm fern bleiben. „ Und dabei auf der Welt nichts zu thun, ſchon ſeit acht Tagen feinen Knopf von einem Dänen mehr geſehen und auch nicht einmal erercieren fann ich hier laſſen.
Gott
verzeih mir die Sünde, ich möchte mich faſt auf unſeren Gyer cierplaß zurückwünſchen und ein paar Dußend Rekruten vor mir ſehen , denen ich die erſten Handgriffe beibringen müßte, um doch etwas zu thun zu haben. " Und wie der Lieutenant ſo fluchte und brummte und
aus lieber langer Weile die Fliegen an der Wand todtzu ſchlagen ſuchte , da ftel ſein Blick auf den alten Unteroffizier Erdmann. In der kurzen Stalljacke, die ſchirmloſe Müße etwas ſchief auf das weiße Hanz gefeßt, ſo daß die hohe kahle Stirn weit hervorſtad), hatte ſich der Alte einen umgeſtürzten 1
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je
Miſtfarren auf dem Hofe zum Siße gewählt. Luſtig dampfte ſein kleines Pfeifchen mit dem Blücherbild auf dem Kopfe, 11 in die Luft, während er ſelbſt eifrig bemüht war, die Kinns fette von ſeinem Pferdezaumzeug ſo eifrig zwiſchen den Hän den zu fummeln , daß fie bald als wie aus ſchierem Silber 1 I geſchlagen , erglänzte. Und dabei ſah er ſo zufrieden und
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I ſeelenvergnügt aus und pfiff ſo heiter ſein „ So leben wir, fo leben wir alle Tage, " vor ſich hin, daß es eine Freude 3 ľ
war, ihn nur anzuſehen . Oft hielt er wohl einen Augenblic bei ſeiner geſchäftigen Arbeit inne und ſah ſich das Treiben der Soldaten an, die in verſchiedenen Gruppen auf dem Hofe
beſchäftigt waren. Beſonders ſeinen Huſaren ſchenkte er die vollſte Aufmerkſamkeit und hie und da wetterte er auch wohl %
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mit einem tüdytigen Fluch dazwiſchen, wenn ein oder der An dere derſelben gerade es nicht ſo madyte, wie ihm recht ſchien. Die meiſten der Huſaren hatten ſich ihre Roſſe aus den engen, dunkeln Ställen hervorgeholt und hantierten unter Gottes freiem Sonnenſchein an denſelben herum . Der Eine pußte ſeinem Braunen die Hufe aus , ein Anderer flocht ſeinem Fuchs die langen Mähnen ein , daß ſie hübſch glatt wieder darnieder wallten , während noch andere ſtriegelten, wuſchen,
die Haare in den Ohren ausſchnitten , kurz das thaten, was jede ordentliche Reitertruppe thun muß , wenn fte nach mehr:
; ' tägigem Vorpoſtendienſt wieder etwas Ruhe und Zeit hat. Das gab dann mancherlei hübſche Gruppen , denn hie und da wollte ein figliches Pferd nicht recht ſtille ſtehen , bäumte ſich wohl hoch auf , keilte tüchtig mit den Hinterfüßen in die Luft, oder tanzte an der Hand ſeines Wärters im Kreiſe herum , den Schweif hoch in der Luft, die Nüſtern aufgeblaſen und laut dabei ſchnaubend und pruſtend.
Von alle dem ents
ging dem ſcharfen Blick des alten Erdmann aber nicht das Mindeſte, und wenn ein Huſar ſich ſeiner Anſicht nach etwas 3
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ungeſchickt oder gar nachläſſig bei der Pflege ſeine 8 Roſſes benahm , fonnte er ſicher ſein , daß ein tüchtiger Fluch , ein ſpöttiſcher Verweis des Unteroffiziers ihn traf. „Na ſeht mir mal das Unglückskind an, geht er mit der Scheere um , als wenn eine alte Jungfer ihren Kater aus.
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.
ſcheeren will.
Gotts Donnerwetter, is das een Kerl ! " fluchte
er einen Huſaren an, der auf etwas ungeſchickte Weiſe ver ſuchte, ſeinem unruhig hin und her trippelnden Braunen die
langen Haare aus den Feſſeln der Hinterfüße auszuſdheeren. „ Das is ja gar nicht anzuſehen ,“ brummte er weiter, „ich will es man lieber ſelbſt machen , ſonſt ärgere ich mir noch die Gale in den Leib hinein . So eenen Berliner bei einem Beritt zu haben ; gehen Sie hin, Sie müffen zu der Bürgers garde." Und mit dieſen Worten ſprang der Alte ſelbſt auf
und ſchob den ungeſchickten Huſaren , den ſeine Kameraden noch dazu tüchtig auslachten , ziemlich unſanft auf die Seite. „ So, ießt geben Sie Acht und ſperren nicht das Maul, fons dern die Augen auf,“ wandte er ſich zu ihm , zugleich aber auch das Pferd mit Streicheln und ſanften Worten : „ ſo ſtehe
man rubig mein Hänſeken, wir wollen dir nur propre machen , daß der Herr Rittmeiſter ſeine Freude haben wird und Du
nicht ausſiehſt, als wenn Du bei die verfluchten Franzoſen wärſt; ſo recht, ſtehe man ſtill ," beruhigend.
Und das eben
noch ſo ungeduldige Thiec war plößlich jept ruhig geworden und in kurzer Zeit hatte der Alte ſeine Arbeit verrichtet. „So,
haben Sie jeßt geſehen, daß es man an Ihnen lag und nicht an dem Braunen, und jeßt machen Sie es een andermal beſſer,“ belehrte er noch den Zuſchauenden und ſeßte ſich dann wieder hin, Feine Kinnkette weiter zu pußen . Andere Soldaten , Füſeliere und Soldaten bunt durdy einander, die gerade weiter nichts zu thun hatten, trieben auf dem Hofe allerlei kurzweilige Spiele. Mit gebücktem Rüden
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hatten fte in langer Reihe ſich hinter einander aufgeſtellt und der Hinterſte mußte ſtets nun über die Schultern aller Vors derleute hinwegvoltigiren und dann vorne fich wieder aufſtellen, ſo daß die Kette niemals aufhörte. Das gab dann vielen Spaß , denn oft waren welche zu ungeſchickt, konnten den Sprung nicht leicht genug machen und riſſen im Fallen dann auch das unglüdliche Opfer, über welches ſte eben ſchwingen wollten , unter lautem Gelächter und vielen Spötteleien der Uebrigen , mit zu Boden. Ein feſter Pommer bei den Füſelieren , der alle folche Spiele , wobei er ſeinen dicken Körper viel rühren mußte,
nicht ſonderlich liebte , hatte ſich in eine Ede des Hofes bes quem auf eine Strohhütte gelegt , ein fanftes Nachmittags ſchläfchen zu halten. Das liebt ſo ein Pommer häufig gern, nach einem tüchtigen Mittagseſſen, dem bald ein gutes Abends brod folgen muß, iſt ein ordentlicher Schlaf für ihn eine an genehme Sache. Freilich können die braven Jungen auch dafür wieder recht munter ſein , wenn es darauf ankommt, haben tüchtiges Marf in den Knochen, und was die Stolbens ” ſchläge der Pommerſchen Landwehr bedeuten , mußten unſere Nachbarn , die Franzoſen , mehr als einmal empfinden . Ein ordentlicher Soldat muß vorher im Vorrath eſſen, aber auch
ſchlafen können , daß er nachber, wenn es gilt, auch etwas auszugeben hat. Dieß wiſſen die Pommern und richten ſich auch darnad) und das iſt redyt von ihnen.
Heute aber wollte man dem armen Pommer ſein Mittags
ſchläfchen gar nicht ungeſtört machen laſſen. Da waren ſo zwei Freiwillige, wahre Springinsfelde, die den ganzen Tag, wenn ſte nicht im Gliede ſtehen mußten , keinen Augenblick ruhig ſein konnten ,I und nichts wie Flauſen und Schelmen ſtreiche im Kopfe hatten. Von denen ftellte fidy nun Einer hinter den Schläfer und fißelte denſelben mit einem Strohs 3*
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halm auf die Naſe. Der glaubte denn, eine Fliege ſteche ihn dort und ſchlug halb im Sdilafe dann ſtets mit der Hand nad dieſer Stelle, um das vermeintliche Thier zu verſcheuchen.
Das freute denn die Quälgeiſter und ſie wollten ſid, vor Lachen ausſchütten, was der ſo Geſtörte ſtets für unmuthige Geſichter ſchnitt und die Naſe kraus zog und mit der ſdyweren Hand darauf patſdte , ohne das Thier treffen zu können. Endlich mußte der Pommer doch wohl gemerkt haben , wer denn dieſe Fliegen ſeien , die ſich gar nicht vertreiben laſſen wollten , war aber ſchlau genug , die Rolle eines Schlafenden
noch fernerhin ſehr getreulich fortzuſpielen. Aber ſiehe da, wie Einer der Necker recht dicht hinter ihn trat und ſein Spiel mit dem Strohbalm wieder begann, pacte er ihn nnverſehens mit den ausgeſtreckten Armen an den Beinen , und ſchwabs ! lag er der Länge nad im Miſt, bevor er ſelbſt nur recht
wußte, wie es eigentlich zugegangen war. Das gab denn ein helles Gelächter Aller, und der ſelbſt ſo angeführte Necker brauchte für die Spottreden der Uebrigen nicht zu ſorgen .
,, So fangt man bie uns to Land dee Fleegen ," meinte rubig der Pommer und ſtand langſam auf, um ſich ein anderes
mehr vețborgenes Pläßden zu ſuchen, wo er ungeſtört ſeinen Schlaf beendigen konnte.
Solde und noch viele andere Scenen, wie die Soldaten es trieben und dabei luſtig und guter Dinge waren , und ſangen und pfiffen und lachten, daß es eine Freude war , ihr Treiben zu betrachten, gab es auf dem Hofe zu ſchauen . Und wie der Lieutenant alles das ſah, da ſchwand auch bald ſein
anfänglid)er Mißmuth wieder , und er fühlte ſo recht, daß es troß ſchledyter Quartiere und aller anderen damit verbun denen Unannehmlichkeiten, für den preußiſchen Offizier dody keinen beſſeren Ort geben könne , wie in der Mitte ſeiner Soldaten ſid) zu befinden . 9
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Wie ſchmeđt das Pfeifchen , Papa Erdmann ? Wollen Sie nicht eine von meinen Cigarren zur Abwechſelung ver 11
ſuchen ? " ſo redete er freundlich den alten Unteroffizier an,
der bei ſeinem Kommen aufgeſtanden und ſich, wie es ſein muß , in dienſtmäßiger Stellung gerade hingeſtellt hatte , die
Pfeife in der linken Hand, unten an der Hoſennaht haltend. „ Laſſen Sie nicht ausgehen und ſepten Sie ſich wieder." „ Wenn der Herr Lieutenant es gütigſt erlauben , ſo will ich meine Pfeife ausrauchen , für die Cigarren muß ich aber gehorſamſt danken . Kann mit den neumodiſchen Dingern nicht fertig werden und iſt mir immer , als wenn ich mir den
Schnauzbart an ſo einem Glimmſtengel verbrennen müßte. Zu meiner Zeit, als ich das Rauchen anfing, fannte man ſo etwas noch nicht, und jeßt bin ich ſchon zu alt , noch ſo eine friſche Mode zu lernen , da bleibe ich bei meiner Pfeife mit meinem Feldmarſchall darauf.“ Und mit dieſen Worten ſepte der Alte ſich wieder auf ſeinen Karren nieder und brachte die Pfeife auch bald wieder friſch in Brand .
Auch der Lieutenant , der an der gemüthlichen Unters haltung des alten Veteranen viel Wohlgefallen hatte , fand, daß es hier auf dem Hofe beſſer ſei, wie in der engen,
dumpfen Stube , ließ ſich einen hölzernen Stuhl aus ders felben von ſeinem Burſchen bringen und ſegte ſich neben dem Alten hin, eine Weile mit demſelben zu verplaudern. Allmählig hatten jeßt auch die Huſaren mit dem Pußen ihrer Pferde beendet und dieſe in ihre Ställe gebracht, die Anderen waren der lärmenden und anſtrengenden Spiele auch überdrüffig geworden, und ſo war denn eine Stille und Dede auf dem kurz vorher nody ſo belebten Hofe eingetreten. In einzelnen Parthieen ſtanden, hodten und lagen die Soldaten auf demſelben umher , und man ſah es ihnen an , daß fie offenbar nicht recht wußten , was ſie mit ihrer Zeit anfangen
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follten. „Das wäre wieder ſo recht eene ſchöne Zeit für das Erzählen , " meinte der früher ſchon erwähnte, ſchwarzbärtige junge puſar, und überall ſtimmten ihm die anderen Kameraden hierin bei. „ Na, ich werde den Alten bitten, daß er es thun
thut," meinte der Schwarze im wohlbewußten Gefühl, fich der beſonderen Gunſt deſſelben zu erfreuen, „ dann ſchlägt er es nicht ab. “ Geſagt, gethan ; und wie der puſar im Namen aller
Uebrigen bat , der Herr Unteroffizier möge doch die ſchöne Erzählung , wie es früher unter dem Feldmarſchall Blücher geweſen wäre, wieder fortſeßen , da ſie Alle gar ſo gern dies
anhörten, und auch der Lieutenant ſeine gewichtige Fürſprache dabei einlegte , da lachte der Alte vergnüglich vor fich hin, ſtrich den langen weißen Schnauzbart einigemal durch die Finger und ſchmunzelte: „Na , denn man meinetwegen , jo
kommt her und hört zu und merket Euch das darin, was gut für Euch iſt.“
So etwas ließen ſich die Soldaten nicht zweimal ſagen , raſch holten ſie ein paar Eimer und Holzblöcke herbei, legten Wagenbretter darüber und die Bänke waren fertig. Bunt
durch einander Füſeliere und Huſaren , wie es eben kam, nahmen auf den etwas ſchwankenden und harten Sißen Plag. Der Unteroffizier, der jeßt auch mit dem Pußen ſeines Zaum zeuges fertig geworden war, ſtopfte ſich eine friſche Pfeife und das Erzählen fing an.
„ Wenn mir recht iſt, Kinderkens , ſo hörte ich neulich
mit der Feldwache auf , wie wir bei Jena waren. Das iſt eigentlich ein verfluchtiger Name für uns , den ein guter Preuße gar nicht gern nennen thut. Aber das geht nun 1
einmal nicht anders , und was wahr iſt, muß auch wahr bleiben , daß wir dazumalen von den Franzoſen unter dem
Bonaparte, verdammte Kloppe gekriegt haben , das iſt
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aber auch nicht ſo eine große Schande für uns und konnte aud, dem Beſten einmal paſſiren. Bei uns Huſaren heißt es : „ Der lernt nie gut retten , der nicht ood tüchtig mal vom Gaul heruntergeſdhmiſſen iſt, aber ein ſchlechter Kerl, wer nicht von Friſchem gleich wieder hinaufſpringt und denkt : bange machen gilt nicht , und meinen Willen frieg id) am Ende doch ."
Seht , ſo denk ich mir iſt es im Striege auch , und
wenn man audy einmal Sdläge friegt , da muß man nicht gleich den Kopf verlieren, ſondern wie ich denken : ein ander: mal wird es ſchon beſſer kommen. So iſt es auch bei uns Preußen geweſen, und wenn die Franzoſen uns auch bei Jena flopften , na ſo haben wir ihnen das an der Kaybach und
bei Leipzig und noch bei vielen anderen Gelegenheiten , tüchtig wieder mit Zinſen zurückgegeben. Ich weiß wohl , daß die Demokraters und all' die Anderen , die uns Preußen nicht
redyt leiden können , weil ſie Furcht vor uns haben , immer wieder mit ihrem . Jena " ſticheln und putſden und uns damit
ärgern wollen . Das iſt dann man ſo eene Wiſchiwaſchi, und ſo den Kerlen mußt man immer eins auf ihr ungewaſchenes Maul geben , daß fie es halten thäten ; die hätten es auch nicht beſſer gemacht, ſondern noch viel ſchlechter als wir das mals , und darum laßt Euch das weiter aud nicht ſo viel
anfechten, und wenn einer „ Jena “ ſagt, dann ſagt Ihr ihm man wieder Leipzig und all die anderen ſchönen Schlachten für uns, dann muß er ſchon den Schwanz einziehen und ſich
trollen wie ein begoſſener Pudel. „Wie es denn aber gekommen iſt, daß wir bei Jena und Auerſtädt retiriren mußten , das weiß id nicht. Von der
Tiftaf oder Taktik, wie das Ding heißt, da verſteh ich nichts ab, und hab' mir auch immer gedacht, von dem gelehrten
Kriegskram braucht idy als Unteroffizier bei den Huſaren nichts zu wiſſen , und das ſei nur gut für die Herren Generalſtabs
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Offiziere und die anderen hohen Herren , die das Komman:
diren haben. Bei dem Alles wiſſen wollen, glaube ich, kommt auch nicht viel heraus , und am Beſten , halte ich dafür, iſt, wenn Jeder weiß, was er gerade wiſſen muß und nicht mehr. „ Daß es aber an dieſem verfluchtigen Tage bei Jena nicht alles ſo war , wie es ſein ſollte , das konnte ich ſelbſt in meinem vierten, Zug , wo ich als Flügelunteroffizier ritt,
merken. Bald fam ein Adjutant, der brachte uns die Ordre, daß wir rechts hin marſchiren ſollten, dann wieder ein anderer, daß es links hingehen ſollte , und ſo ging es hin und her. Dazu war unſere Schwadron und noch eine andere gar nicht
beim Regiment , ſondern ſchon ein paar Tage von demſelben abkommandirt geweſen, und ſo mußten wir denn an Huſaren von die anderen Regimenter uns anſchließen . Das iſt aber auch nie eine gute Sache, denn wenn es ooch eigentlich egal iſt, ob Jemand einen ſchwarzen oder rothen oder grünen Dolman trägt , und jeder preußiſche Soldat, mag er nun Füſelier oder Artilleriſt, Huſar oder Uhlan ſein , ſtets mit
Gott für König und Vaterland gern ſein Blut hingeben muß, wenn er nicht ein ausgemachter Hallunke ſein will, ſo iſt es doch immer am Beſten , wenn gleid) und gleich zuſammenbleibt. Na, et fonnte vielleicht da nicht anders ſein.
Einen Morda
fanonendonner gab es aber an dem Tage, und ſo einen habt ihr noch nicht gehört, denn ſelbſt bei Sdileswig , wo wir die rothen Jacken der Dänen aus dem Dannewerke hinauspatſch ten, war es nichts gegen jenen Tag. Ich war noch nie ſo
recht in das Kanonenfeuer gekommen, denn bisher hatten wir nur ſo een Bisfen mit den franzöſiſchen Huſaren berums ſdharmupirt, und da war viel Vergnügen dabei , denn Gott
ſtraf mir, die Kerle ritten herzlich ſchlecht und wir hieben 1
manchen vom Gaul herunter , daß es nur ſo purzelte. An
dem Tage kam das Ding aber anders und ich müßte lügen,
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wenn ich nicht ſagen wollte, daß mir zuerſt , wie ich all' dies Gefrache hörte und bei mir dachte : „ Frige, da ſollſt Du
ooch bald hinein , nicht etwas wabbelid) zu Gemüthe ward. Das iſt ſchon manchem braven Soldaten ſo gegangen und iſt auch weiter keine Schande. Aber ein Hundsfott iſt der Kerl, der den Bangemacher in ſeinem Leibe nid)t unterkriegt, daß er ſich nicht mehr maufig machen kann , und wer das nicht thut, verdient nicht die Ehre , die preußiſche Kofarde zu tragen. Wie nun ſo die erſten Kanonenkugeln von den Fran zoſen dicht über die Köpfe uns wegſauſten, da duckte ich mich auch und gar viele von den Huſaren in unſerer Schwadron thaten das auch. Aber als das unſer Herr Rittmeiſter ſah, der nod) von der alten Sorte war , und noch unter des großen Köriigs Frige Majeſtät" hier legte der Alte ſalus tirend die Hand an die Stallmüße , ale Cornet ges dient hatte , Herr Gott Sacerment, machte der ein Geſicht. 1
„ Verfluchtigen Kerls ," ſagte der , ſteht das im Reglement, daß ihr vor die Franzoſen ein Compliment machen ſollt ? „ Kreuzhimmeldonnerwetter! wenn ich noch ſo einen Rader ſeh, der nicht ſo grad und feſt, als hätte er eine Eiſenſtange im Genick auf ſeinem Gaul ſißen bleibt , mögen die hunds föttiſchen Franzoſen auch noch ſo viel ſchießen , den fuchtle
ich ſelbſt ſo durdy, daß er am Leben verzweifeln ſoll. “ Und dabei machte er ein ſo grimmiges Geſicht, als wenn er die ganze Schwadron auffreſſen wollte. Wir alle fannten aber den Herrn Rittmeiſter und wußten , daß er Wort halten würde , und ſo hatten wir denn mehr Reſpekt vor ihm wie vor den feindlichen Kugeln , und Keiner wagte ſich mehr zu 1
ducen, wenn dieſe auch nod ſo dicht über unſere Röpfe bins
wegſauſten . So verging mir denn auch báld das Bangeſein , und ſo viel weiß ich , daß es ſeitdem fich niemals wieder bei mir eingeſtellt hat.
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„Sonſt ging es uns an dem Tage ebenſo ſchlecht wie all den Anderen. Als wir noch ſo zuerſt mit den franzöſiſchen Dragonern herumplänkern konnten , da war es eine Freude
und manchen „ Parlez-vous “ Þaben wir von ſeinem hohen Pferd herunterkapitelt. Da war ein hober, großer Kerl auf einem mächtigen Schimmel, und er ſah gar grimmig aus ; dabei hatte er ſeinen langen Pallad zum Stich ausgelegt,
was die Franzoſen gut verſtehen , wie man mit Recht ſagen muß. Ich konnte ihm lange nicht beikommen 1, und er hatte mir ſchon einen Stich durch den Pelz gegeben , daß es ſelbſt an der Bruſt ein Bisfen wiſchte. Aha ! dachte ich, das Ding muß anders werden, ſo geht es nich, und warf meinen kleinen Ukrainer Braunen , der ſo flink und gewandt wie eine Kaße
war, auf den Hinterfüßen herum . Und ebe nun der Franzoſe ſeinen ſchwerfälligen , ungeſchickten Gaul auch herumgeworfen hatte , war ich auf ſeiner linken Seite , hieb ihm mit einem
tüchtigen bieb zuerſt die Zügel durch , und raſch kriegte er nun noch einen zweiten Hieb über das Maul , daß er gleich zu Boden purzelte. Was aus dem Kerl weiter geworden iſt, weiß ich nicht, denn in dem Augenblick ward das Signal, daß wir Flanfeurs zurück ſollten , geblaſen. Wenn er aber mit dem Leben davon fam, wird er Zeitlebens an die preu Biſchen Huſarenhiebe denken , das iſt gewiß. Wenn wir aber auch die franzöſiſchen Flankeurs von den Dragonern und Huſaren zurückwarfen, ſo machte das allein den Kohl an dem Tage doch nicht fett. Den Franzoſen ihr Fußvolt , kleine
fire Kerle, die zwar oft ſo ſchmierig und unordentlich aus ſehen, wie die Freicorps hier oben, ſonſt aber, wie man ihnen 1
lafſen muß, ihr Handwerk gut verſtanden , hatten unſere Linie immer mehr zurückgedrängt. Da ward denn immer größere Confuſchon und Confuſchon, und Gott ſtraf mir , man hätte
zulest kaum glauben können , daß es eine königlich preußiſche
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Armee war , die ſo berum marſchirte, To unordentlich fah Alles aus. Wir waren mit unſern beiden Schwadronen , die auch ſchon viel Leute verloren hatten , zuleßt von all den
Anderen abgeſchnitten , hatten gar keine Befehle mehr und fochten auf eigene Hand herum. Und der Kavallerie ging es oft ſo , und gar manches Regiment mußte fich herumziehen und wußte nicht wohin und woher. Endlich , wie die Frans zoſen ſchon von allen Seiten auf uns eindrangen , und eine Batterie uns heftig zu beſchießen anfing, fam ein Adjutant
eines hohen Generals zu uns geritten und ſagte , wir ſollten machen, daß wir aud zurück kämen , die ganze Armee ſei ſchon beim Retiriren. Und wie das unſer Herr Rittmeiſter, der als älteſter Offizier die beiden Sdwadronen , die kaum noch an 150 Mann ſtark waren, kommandiren that , hören mußte , da ward er firſchbraun vor Wuth und Zorn im Geſicht: pol der Teufel ſo einen Befehl !" rief er ſo laut aus , daß wir
Alle es hören konnten ; „ das iſt feine Drdre für preußiſche Huſaren , daß ſie vor dieſen hundsföttiſden Franzoſen reti riren ſollen. So eine Schande überlebe ich nidyt, und dann
ſollen die Kerle, die ich zu befehlen habe , aud lieber alle zu Grunde gehen, als daß ſte vor Franzoſen retiriren. “ Dabei ſpornte er ſeinen Hengſt, daß er hoch auf fich bäumte und mit den Vorderfüßen wild in die Luft hieb. Und zu den Trompetern rief er : „ Blaſt, blaſt, Kerle, bis Euch die Lunge zum H. herausfährt, das Signal vorwärts im Galopp ; und ein feiger Scuft iſt, wer nicht nachfolgt, und ſo wollen
wir Huſaren denn wenigſtens mit Ehren untergehen .“ Und wie der Herr Rittmeiſter ſo ſprach und mit dem Säbel herum
hieb, und wir uns ſchon Alle feſter in die Sättel ſepten , die Zähne zuſammenbiſſen , und bereit waren dem Herrn Ritt meiſter zu folgen, wohin er uns führen wolle , und ſollte
auch kein Mann wieder lebendig zurückommen , da ſchlug 1
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plößlich eine franzöſiſche Kanonenkugel den Herrn Rittmeiſter fammt ſeinem Pferd zuſammen, ſo daß Beide auf der Stelle todt waren und kaum mehr zudten. Der zweite Rittmeiſter übernahm nun das Commando , und da der Adjutant dem
ſelben ſagte, es ſei ein Unſinn , wenn er allein mit ſeinen zwei ſchwachen Schwadronen gegen all die Franzoſen anſtürs men wolle und er müſſe dann auch die Verantwortung allein : dafür tragen, und die franzöſiſchen Kugeln ſchon immer mehr
bei uns einzuſchlagen anfingen , ſo ließ er „ Kehrt “ macien und wir trabten raſch zurück.
,, Seht, Kinder, das iſt die Schlacht bei Jena, fo viel ich davon weiß und das iſt freilich nicht viel. Aber was fann
ſo ein Unteroffizier, der in Reih' und Glied halten muß, auch weiter viel wiſſen, wie es ſonſt in der Schlacht zugehen thut. Das wiſſen nur ſo die Herren Generale und die Adjutanten und ſo die anderen vornehmen Herren , die das immer mit
der Feder ſo machen, und die find es auch , welche all' die vielen Bücher darüber ſchreiben, von denen Ihr auch wohl ſo welche ſchon geleſeu habt. Wir Quſaren, thun nur das Sdreis ben mit dem Säbel, was auch ſeinen Nußen hat und pflegen I
uns mit den anderen nicht viel abzugeben .
So , nun will
ich mir eine friſche Pfeife ſtopfen , denn bei dem verfluchtigen Jena geht ſo immer die alte aus, wenn ich nur daran denke,
und da wir noch Zeit haben, ſo will icy anch denn weiter erzäh len, wie wir wieder zu unſerem General Blücher Ercellenz famen. „ Ja , ja , Herr Unteroffizier , erzählen Sie man immer weiter , ſo lange Sie nur Luſt dazu haben , es hört ſich gar
zu gut an und die Zeit geht herum , man weiß nicht wie, “ rief es einſtimmig von der Banf der Soldaten aus.
„ Wollen der Herr Erdmann nicht meinen Tabak probiren, es iſt guter Kanaſter darin ," ſagte bereitwillig ein junger
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Freiwilliger, dem Alten ſeinen eleganten Tabaksbeutel aus grünem Saffian und Perlenſtickerei hinreidiend. „Danke, danke ſchönſtens, nehme es gerne an ,” antwortete der alte Erdmann , ,, in meinem Beutel is ſo nur nod) ſdhledyter
Lauſewenzel und eine gute Pfeife Tabak , das geht damit, Aber Sackerlot, was iſt das für ein ſchöner Beutel, der wäre
ja für einen Prinzen nicht zu ſchlecht. Den hat Ihnen gewiß Ihre Jungfer Liebſte mit ins Feld gegeben. Ju was ſich die Zeiten doch ſo geändert haben ; früher, dazus malen da hatte ein Herr Rittmeiſter nicht ſo einen ſchönen
Beutel und ſo einen feinen Tabak darin und wir gemeinen Huſaren und Unteroffiziere waren in der Seele vergnügt, wenn wir uns man immer eine geräucherte Schweinsblaſe anſchaffen konnten und darin Tabac , dreimal um den Leib für einen guten Groſchen. Und wem das noch zu theuer war, der machte Heublumen oder Schlehdornblätter dazwiſchen, was aud (dmeckte, wenn es nur rauchte," plauderte der Alte
fort , ſich ſeinen Blücherkopf friſch mit dem guten Kanaſter ftopfend und dabei den Tabaksbeutel des Freiwilligen von
allen Seiten beſehend. „ So da, danke ſchönſtens, die Pfeife ſoll mir gut ſchmecken , wenn ſie man erſte brennen wollte ." Und dabei pickte er lange auf den Feuerſtein los , da der feucht gewordene Schwamm nicht redit fangen wollte. Der Reibzündhölzer pflegte ſich aber der alte Erdmann nie zu bes dienen und meinte , ſo ein neumodiſches Zeug täuge nicht für
einen alten buſaren , für den ſei Schwamm und Feuerſtein auch gut genug .
„ Ieft brennt die Pfeife wieder, daß man ganz Dänes mark damit anzünden könnte ,“ meinte er endlich, wohlgefällig einige tüchtige Züge thuend, „ und nu fann das Erzählen alſo auch wieder losgehen ; alſo paßt auf.
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„Die Nacht, die darauf fam , als wir von dem Schlacht feld retiriren mußten , das war eine ganz verfluchtige, wie ich
fie ſo ſchlecht in meinem langen Leben weder vorher noch nadyher je wieder gehabt habe. Den ganzen Tag von früh Morgens an hatten wir auf den Pferden geſeffen und weder die armen Beeſter noch wir das Mindeſte zu freſſen und zu faufen bekommen und doch mußten wir die ganze lange Nacht auch noch wieder ſo herumjufeln. Das war zwar bei Belles Alliance , wo wir den Bonaparte ſo kalaſchten , daß er das Wiederkommen vergaß , auch ſo , denn dazumalen ſind wir auch über volle vierundzwanzig Stunden nicht aus dem Sat tel gekommen , aber das war eine ganz andere Sache. Da ging es an das Verfolgen und die Bataille war gewonnen und dann ſpürt man weder Hunger noch Durſt, noch Müdig keit, und die Freude hält Alles zuſammen. Selbſt die Pferde, die oft flüger wie ſo ein Menſchenfind ſind , merken es ſchon , wenn es an's Avanciren geht, und der Fuchsbleß, den ich bei 1
Belle-Alliance ritt, lief die ganze Nacht immer zu, ohne daß ich ihn zu ſpornen brauchte. Aber jeßt bei dieſem verfluchtigen Retiriren , da war es, als wenn einem all die Knochen auss
einander fallen wollten und auch mein kleiner Ukrainer Braus ner war ſo müd und faul, daß ich ihm alle Augenblicke die Sporen einſtoßen mußte , um ihn nur vorwärts zu treiben . Es war, Gott ftraf mir, ordentlich ſo, als wenn er gewußt
hätte, daß das Retiriren ſich ſo eigentlich gar nicht für ein fös niglich preußiſche Huſarenpferd ſchicken thät. Und welche Un ordnung war bei all den Regimentern . Herr Gott im Him
mel , faum hätte man glauben können , daß das eine Armee
Sr. Majeſtät des Königs von Preußen wäre, ſo unordentlich
fah Ales aus. Wirklich der Böſe mußte ſein Spiel getrieben und all dies Unheil angerichtet haben , ſonſt begreife ich noch heute nicht, wie ſo an einem Tage Alles ſo ganz auf den
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Kopf geſtellt werden konnte.
Am Morgen noch Alles ſo
propre , ſo in Schritt und Tritt , daß es eine Freude war,
und jegt lief Alles oft bunt durcheinander, als wenn es ſos gar Bürgerwehr wäre. Und gar keine Subordination war mehr zu finden, und Kerle, die früher mit den Augen faum zu blinzeln gewagt hätten , wenn ihnen der Herr Hauptmann
vorbeigegangen wäre , ſchmiſſen jeßt, im Angeſicht aller Offis ziere die Gewehre in den Graben und liefen zum Teufel. Da waren wohl dazumalen viele ſchlechte Kerle in den Regis mentern , beſonders beim Fußvolk
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na, Ihr Füſeliere hier
braucht mich nicht ſo grimmig darüber anzuſehen , das ſoll feine Stichelei auf Euch ſein , dennt jeßunter, wo alle Preußen die Ehre haben , des Königs Rod zu tragen , iſt es anders geworden
- die nur durch den Stock in Zucht und Ordnung
gehalten werden konnten , und als die merkten , daß es jeft bei der Retirade nicht mehr ſo recht damit ging, ſo machten
fle nichts wie Unheil in den Gliedern, oder liefen ganz weg und verführten noch die Beſſeren mit. Dabei war oft Alles bunt durcheinander, Musketiere und puſaren , Kanoniere und
Küraſſiere, Feldprediger und Fuhrknedyte. Und die vielen Wagen von der Bagage , denn dazumalen war es noch nicht ſo wie jeßt , wo jeder Herr Lieutenant nur ſo ein kleines
Felleiſen mitnehmen darf, die machten den ganzen Plunder nod viel bunter. Auch von den Herren Offizieren wußten manche nicht recht, was ſie fommandiren ſollten und egliche
waren dazwiſchen , die hatten ſogar alle Courage verloren,
obgleich man eigentlich gar nicht denken ſollte , daß ſo etwas bei Einem möglich ſein könnte, der die Ehre hat, Sr. Majes ſtät des Königs von Preußen filbernes Portepée zu tragen. Aber wie ich euch ſdon ſagte, es war faſt, als wenn dazus
malen der Gott ſei bei uns ſein böſes Spiel getrieben und Manden verbert hätte , von dem man es vorher nicht hätte
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glauben ſollen. Na , aber das iſt jeßt ſchon Alles lange her und mit vielem , guten preußiſchen Blute iſt es wieder aus gewaſchen , und wenn Gott will, darf ſo eine böſe Zeit für Preußen nicht wieder kommen .
„ So zogen wir denn auch ein paar Tage mit in dem großen Mutſchmatſch umher , und während der ganzen Zeit hat kein Huſar auch nur gelacht oder ein Lied geſungen . Als 1
wenn die Kehl uns Allen mit einem Strick zugeſchnürt wäre, jo ſtill waren wir Alle, und ſelbſt ein Berliner Schuſter , der
mit bei unſerer Schwadron diente , ein Kerl , der ſonſt ſein loſes Maul auch keinen Augenblick ftillhalten konnte, wenn er auch noch ſo manden Lungenbieb ſchon für ſein Geſchwaße
in Empfang genommen hatte , der konnte jeßt auch nicht ein Mort ſprechen , ſo ſchwer war es ihm um das Herz.
„ Endlich nach ſo ein paar Tagen , die uns Allen wie die lange Ewigkeit vorkamen , da ſtießen wir wieder zu des Herrn General von Blücher Ercellenz ſeinem Corps , bei dem die
anderen Schwadronen von unſerem Regiment auch ſchon Saferment ! Kinder, Shr könnt mir glauben , da war waren . uns Allen zu Muthe , als wenn man an einem Tage , wo man im Regen auf der Feldwache liegt , ſo mit einem Mal die liebe Sonne aufgeben ſieht. Ordentlich warm und friſch ward uns wieder zu Muthe und neue Courage kam bei uns Allen , wie ſo unſer Alter , denn ſo pflegten wir zuſammen ſchon dazumalen den Herrn General von Blücher Excellenz zu nennen , an unſere Schwadron heranjagte. „ Guten Mor gen, Kinder,“ redete er uns mit ſeinem Baß an, der ſo ſchön klang , als wenn es Paufen und Trompeten zuſammen gewes ſen wären, ,,id freue mir, daß ich euch wieder bei mir hab. Ra , diesmal haben die verfluchten Franzoſen uns angeführt, aber det ſchadet nicht, wir machen das wieder gut und klopfen fte dafür ein andertmal wieder deſto mehr. Und ein Hunds
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fott iſt der Kerl , der die Courage jept verliert und ſeinen König verläßt. So Einen habe ich aber nicht unter meinen Huſaren , das weiß ich ſchon .“ Und dabei ſtrich er ſich ſeinen langen Schnauzbart und ſchaute uns mit ſeinen hellen, blauen Augen ſo an , daß man ordentlich warm dabei im Leib wers den mußte. „ Unſer Herr General von Blücher ſoll leben , hurrah, hurrah hoch ! und wir wollen mit ihm fechten, ſo lange
er es haben will !“ riefen wir Alle ganz laut und ſchwenkten die Säbel. Da lachte der Alte ganz vergnüglich und ſagte: „Ja , Ihr ſeid. brave Jungen , die mir nich im Stich laſſen, das weiß ich, und nu ſoll der Teufel auch die verfluchtigen Franzoſen holen , und wenn fte uns erſt man wieder vor die
Klingen kommen, dann ſollen ſte ſchon noch merken , daß die preußiſchen Fuſaren noch gut einhauen können .“ „Und weiß der Teufel wie es fam , bei dem Corps des Herrn General von Blücher Ercellenz, da war gleich wieder eine ganz andere Ordnung. Aber der Alte paßte auch auf und hielt ſtrenge auf Zucht, wie es nöthig war. Ueber ein paar Canaillen , die mit den Waffen in der Hand deſertiren woll ten und wieder aufgefangen wurden, ließ er gleich Standrecht abhalten , und eine Stunde darauf wurden fte ſchon todtge ſchoffen . Das war aber recht, denn wir übrigen braven Sols
daten freuten uns darüber und die anderen wenigen, die nicht viel taugten , die hatten Furcht, daß es ihnen ebenſo geben werde, und wagten nicht ſich jeßt zu mudſen. Wenn aber ein preußiſcher Soldat ſo eine Canaille ſein kann , daß er von ſeiner Fahne deſertiren will,1 wenn es vor den Feind geht , ſo gehört ihm von Gott und Rechtswegen eine Kugel vor den Kopf , und je eher das geſchieht, deſto beſſer iſt es
für die Welt und ihn.. So dachte unſer Alter auch , und obs ſchonft er ſonſt ſo gut für ſeine Soldaten war und wie ein Vater für ſie ſorgen that, in allen ſolchen Dingen und auch 4
wenn es gegen die Subordination ging , verſtand er keinen Spaß. „ Subordination muß (d)on ſein und nach der Gourage iſt es gleid das Beſte, was ein Soldat nur haben kann ," hab'
idy ihn ſagen hören und mir das wohl gemerkt , denn ſolche Worte mochte ich leiden. Sonſt ging er gut mit all den Soldaten um und konnte das viele Schimpfen und Prügeln, was dazumalen von den Herren Offiziers noch oft geſchah, nicht leiden. Ja , ſo war unſer General von Blücher Excels lenz , und wenn ich alter Kerl noch an den denke , ſo wird mir es wieder ganz jung im Herzen. ,, Als denn nun der Herr General v.on Blücher Ercellenz
ſo an 40,000 Mann beiſammen hatte , da ward dem Bonas parte, gewaltig , bange vor ihm . An die 120,000 von ſeinen .
Soldaten mit drei von ſeinen beſten Generälen ſchickte er aus, daß fie ihm denſelben fangen ſollten. Aber wer ſich noch nicht
ſo leicht gab , obgleich von allen Seiten die Franzoſen uns umörängten, das war unſer Alter. „ So lange ich noch einen Schuß Pulver und ein Stück Brod für meine Soldaten habe, gebe ich mir nich ," hat er oft geſagt, und was der Alte ſagte, das hielt er auch , denn ſo ein bloßer Wortmacher, der das
Maul zuerſt recht voll nimmt und zulegt dann ganz fleir bei giebt, war er weiß Gott nidyt, das könnt Ihr glauben. Es war dazumalen ,1 wie Ihr wißt , eine gar ſchlimme Zeit für S. Majeſtät unſern König Friedrich Wilhelm “ bier ſalutirte der alte Unteroffizier wieder – „ und viele vors nehme Herren , von denen man ſo etwas nicht hätte glauben ſollen , übergaben ſo ohne Weiteres Land und Leute und die
ſtärkſten Feſtungen an die Franzoſen. Alle Tage faſt fam wieder ſo eine neue Kufukspoſt an , und Feſtungen, wie Magdeburg und andere, von denen man hätte glauben ſollen, daß es gar
nicht möglich wäre, ſie mit Gewalt einzunehmen , wurden den Franzoſen übergeben, als wenn ihre Mauern blos von Papp
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bogen zuſammengefleiſtert wären. Und wenn der Alte ſo etwas hörte, da fluchte er ganz gewaltig und ſoll von Hundsföttern und Canaillen, die man nur ſo ohne Weiteres an die höchſten Bäume aufknüpfen ſollte, geſprochen und oft ſo mit der Fauſt auf den Tiſch gehaut haben , daß die Gläſer und Flaſchen flirrten. Er hatte auch wohl Urſache dazu , denn mit uns
ging es jest immer dilediter, und wie die da bei Prenzlau den Kopf verloren und capitulirt hatten, da war gar erſt der Teufel redyt los. Von allen Seiten kamen jezt die hundsföt tiſden Franzoſen uns immer näher und immer mehr mußten wir retiriren , wir mochten wollen oder nidyt. Ja , war das aber auch eine Retirade , ſo konnten dody alle braven Solda /
ten , die ſolche mitmachten , das als eine Ehre anſehen , denn wir zeigten doch , daß föniglich preußiſche Soldaten ſo leicht nicht die Courage verlieren , wenn ſie man gute Generäle ha ben. Zulebt kamen wir denn auch in das Medlenburger Land , und immer von allen drei Seiten die Franzoſen, um uns herum. Den Bernadotte , der nachher König von den Schweden ward , und den Murat, was ſein eigener Scwager war , und noch ſo einen dritten hohen General , deſſen Nas
men id) wieder vergeſſen hab, hatte der Bonaparte gegen uns geſchickt, ſo viel Reſpect hatte er doch ſchon dazumalen vor dem alten Blücher. Schlecht genug ging es uns in dem Mecklenburger Land , und nur daß wir einen ſo guten Gene ral hatten, hielt uns noch zuſammen. Die von der Infanterie hatten kaum noch Schuhe an den Füßen und die armen Kerle fielen oft ſo vor Hunger und Müdigkeit wie die Fliegen todt um, ſo mußten ſie den ganzen Tag und die Nacht dazu noch auf den Beinen ſein und hatten faum ſo viel Zeit , ſich eine Suppe zu foden , ſelbſt wenn ſie das Fleiſch dazu gehabt. Und uns bei den Huſaren ging es auch nicht viel beſſer, ja 4*
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felbft oft nod) ſchlechter. Was nidyt ganz gute Pferde waren ,
die fielen vor Hunger und Müdigkeit um , und die anderen wurden zulegt noch viel magerer wie die Windhunde , und die Knochen ſtanden ihnen an allen Ecken und Kanten heraus.
Alle Tage faſt mußte ich neue Löcher in die Sattelgurt bohs ren , um ſie enger anziehen zu können , ſo mager und dürre ward mein kleiner Brauner. War das aber auch kein Wun der , denn faſt immerzu mußten wir in dem Sattel ſein und 1
hin und herjufeln , bald vorwärts , bald aber auch wieder rückwärts den Franzoſen die Zähne zu zeigen. So wie die Haſen liefen wir nicht vor ihnen , das könnt Ihr glauben, ſondern drehten uns oft wieder herum und biſſen ganz ges waltig um uns , wenn ſie gar ſo dreiſt wurden. Und wenn
wir ganz matt und müde waren und es kaum noch gehen wollte, und die puſaren ſich die Säbelkuppeln noch ſo feſt
zuſchnüren mußten, damit ſie den Hunger nicht ſo fühlten , da braudyte nur des Generals von Blücher Grcellenz zu uns
heranzureiten und zu ſagen : „Guten Morgen, Kinder, na wir müſſen wohl man wieder mal umdrehen und den Franzoſen
zeigen , daß unſere uns wieder gar zu und munter , und glauben und vom
Säbel noch ſcharf ſind, die Kerle werden unverſchämt, " da waren wir wieder friſch mancher Parlez - vous mußte noch daran Gaul herunterpurzeln. Was die franzöft
ſchen Marſchälle waren , die ichidten oft ſchon Parlamentaire an unſern Alten , er folle fich geben und eine Rapitulation annehmen . Der ſagte aber , fie fouten ihm den H. lecken ja lacht nur darüber, ſo hat er oft gewiß und wahrhaftig ges -
1
ſagt, und ſeine Adjutanten mußten das den Parlamentairen ins Franzöſiſche überſeßen, wo es denn anders klingen ſoll er hätte noch Pulver und Blei und Brot genug, und ſo lange das anhielte , wolle er ſich nicht geben. Und wir Huſaren,
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wir freuten uns , daß unſer Alter ſo ſprach und daß er in
dieſer verdammten Zeit , wo Alles drüber und drunter ging, doch noch dem preußiſchen Namen Reſpekt verſchaffte.
Bei einer ſo kleinen medlenburgiſchen Stadt , Criwiß, glaube icy, heißt das Neſt , da famen wir denn wieder recht 1
ſcharf mit den Franzoſen zuſammen. Die waren in den legten Tagen wieder gar ſo unverſchämt geworden , und hatten
!
uns weder Tag noch Nadt aud) nur einen Augenblick Ruhe
1
gegeben , und da mußten wir ihnen denn zeigen , daß wir noch Courage hatten. Sakerment! was hieben wir Huſaren uns den ganzen Tag mit den franzöſtſchen Dragonern und Chaſſeurs herum, ich glaube, der alte Ziethen ſelbſt mußte hoch oben im Himmel noch ſein Plaiſir darüber haben , daß ſeine Huſaren das Einbauen noch nicht vergeſſen hatten. Da in der Gegend is es nicht ſo wie in Schleswig-Holſtein , wo all die verdammten Knifs überall ſind, ſo daß man ſich mit den Pferden gar nicht recht rühren fann, ſondern nid)ts wie Sand
;
und ſo ganz eben wie ein Tiſch, recht eine ſchöne Gegend für die Cavallerie. Das ging denn oft klipp , klapp , haſte nich geſehen , ſo klirrten die Säbel und knallten die Piſtolen da zwiſchen . Mit den Franzoſen ihrer Reiterei hat es alle Zeit nicht allzuviel zu bedeuten gehabt, ſo ſehr ſie auch die Kerle 1
aufgepußt haben, und ſo wild ihnen auch die Pferdeſchwänze von den blanken hohen Helmen um das Maul herumhängen ,
und ſo warfen wir ſie denn an dem Tage, troß unſerer müden Pferde, anfänglich tüchtig zurück, und wie ſie endlich mit zu großer Uebermacht ankamen und wir wieder zurück mußten, da ging dies nur Schritt vor Schritt und ſie wagten nicht, uns zu verfolgen. Uebrigens manchen braven Kerl verloren wir doch an dem Tage , denn es ging hißig zu. Ich aber hatte Glüd dazumalen , denn ich nahm einen franzöfiſchen
Majoren von den Dragonern gefangen. Das ging nämlich
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ſo zu. Wir hatten mit den franzöſiſdien Dragonern ſchon tüchtig uns herumgehauen , und da wollte es das Ungefähr, daß ich gerade dem Major gegenüber fam . Ein hübſcher, ſtattlicher Herr war es , und ich dachte mir gleich , wenn ich
den ſo gefangen nehmen könnte, ſo würde es was an gu ter Beute abſeßen. Der hatte aber nidyt recht Luſt, ſich ge fangen zu geben und ſtach teufelsmäßig mit ſeinem langen Pallaſdy um fidy, ſo daß ich gar nicht an ihn heran kommen konnte, und mein Brauner ſo ſchon einen kleinen Stich am
Halſe bekommen hatte und ganz wild und ſcheu geworden war.
So geht das Ding nicht , dachte icy, du mußt dem
Franzmann anders kommen . Da that ich denn, als ob ich retiriren wollt , und der Franzoſe in voller viße hinter mir
her, mir den Knicfang noch zu geben. Aber proſte Mahl zeit ; ich ſchmiß meinen Braunen plößlich wieder herum , und der Franzoſe war ſo in Sdyuß gefommen , daß er ſeinen Gaul
nicht gleid) wieder pariren konnt. Und wie er nun ſo daher geſauſt fam, denn es war ein mädytig großes Pferd , was er ritt, da jag ich nach der linken Seite von ihm zu , und haſt 1
Du nich geſehen , lag der Franzmann mit ſammt ſeinem Pferd in dem Sand.
Wie er fich nun ſo aufrappeln wollt,
denn ſein Gaul war ſo geſtürzt, daß er auf der Stelle todt blieb , da hielt id ihm mein Piſtol vor die Naſe und rief ihm zu 1, er ſolle Pardon ſagen und ſeinen Pallach fort
ſchmeißen, ſonſt ſchöſſe id) ihn todt. Da rief der Franzmann : Pardon ! Pardon ! und fauderwelſcyte auch noch ſonſt viele Worte, die ich nicht verſtand .
Seinen Pallaſdy nahm ich nun
zu mir, und der Mouſchu, wie ſie dort die vornehmen Herren nennen, mußte vor mir berlaufen. Es mochte ibin dies wohl mit ſeinen hohen Reitſtiefeln in dem tiefen Sand etwas ſchwer fallen, denn er fdynitt ein verfludyt verdrießliches Geſidit und
da er ſah , daß andere franzöſiſche Drogoner uns zurück
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1
* 3
1
drängten, da that er mit einem Mal ſo , als wenn er nicht mehr laufen könnte. Aber als ich dies jah ſah , rief ichy: „ lauf zu, lauf zu ! und ließ den Hahn von meiner Piſtole knacken , und dieſe Sprache mußte er verſtehen , denn er trabte dann wieder tüdytig darauf los . So famen wir denn Beide an
dem Plaße an , wo der Herr General von Blüdjer Srcellenz mit ſeinen Adjutanten hielt , und der ladyte ſehr , als er ſah, wie ich den Franzmann bradyte, und rief aus : „ Das is brav von Dir , mein Sohn, da haſt Du einen Sdnaps dafür. “ Und dabei gab er mir eine kleine grüne Bouddell, wo eciter Kümmel drin war, und ich mußte einen guten Sdluck daraus hinter die Binde gießen . Der franzöſiſdie Major hatte einen Beutel mit 40 Louisd'or bei fidy, die mir als gute Soldaten
beute zufielen , obſchon ich ihm 10 Stück wieder davon gab, daß er doch auch nicht ſo ganz ohne Geld ſein ſollte ; aber Kinder, Ihr könnt es mir wahrhaftig glauben , die Ehre, daß
mid der Herr General von Blücher Excellenz ſo aus ſeiner Bouteille trinken ließ , die freute mich mehr, als wie all dies blanke Geld , obidyonſt es für einen armen Korporal, der I
nichts wie ſeine Löhnung hatte, feine Kleinigkeit war. „ So kamen wir denn endlich, nachdem wir in der Arrieres
garde uns nody ein paar mal mit den Franzoſen geklopft hatten, in Lübeck an , was , wie Jhr wißt , hier auch in dem Schleswig-Holſtein liegt. Viel Leute hatten all die Regimenter auf dieſem Marſch ſchon verloren , denn zulegt waren Alle oft ſo müde und marode geworden , daß ſie in die Gräben liegen blieben und nicht mehr fortkommen konnten , ſie mochten wollen oder nicht. Wenn nicht unſer Herr General uns nody ſo zuſammengehalten hätte , kaum ein Mann wäre noch nach
Lübeck gekommen, und ſo waren es doch noch an die 25,000 Mann. Freilich wenig genug gegen all die Franzoſen , die gegen uns anmarſdirt. Aber ausſehen tbaten wir , als wir
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in lübed ankamen , Þerr meines Lebens , faum hätte man
glauben ſollen, daß wir königlich preußiſche Regimenter waren, die doch ſonſt ihrer Propreté wegen einen ſo großen Ruf in der ganzen Welt hatten. „ Wie es uns nun in Lübeck ging, und wie ich da gefans gen genommen ward , mich aber ſelbſt wieder ranzionirte und nach Colberg fam, das erzähle ich Euch morgen mehr , wenn wir hier noch liegen bleiben.
Jeßt iſt mir die Kehle von
all der Erzählerei ſchon ganz trocken geworden und es iſt auch Zeit , daß wir Huſaren unſeren Pferden das leßte Futter einſchütten ."
Mit dieſen Worten ſtand der alte Erdmann auf, flopfte ſeine Pfeife aus und ging in den ſchlechten niederen Stall, nach ſeinem Schwarzbleß zu ſehen. Sein Aufſtehen gab das Signal , daß der ganze Kreis ſich löſte, denn die Huſaren
beeilten ſich, ihrem Unteroffizier zu folgen , bevor ein derber Fludy deſſelben die Säumigen zu größerer Schnelligkeit ans trieb. Bequemer hatten es die Füſeliere , die für Niemand
wie für ſich ſelbſt zu ſorgen brauchten , und daher noch einige Zeit ſich müßig auf dem Hofe umhertrieben , als die Huſaren ſchon eifrig in dem Stall arbeiteten , und hie und da Einer derſelben mit dem ſchweren Waſſereimer ſich ſchleppen mußte,
ſeinem Pferde zu trinken zu bringen. „ Id freue mir doch, dat ſee mir nich to dee Huſaren genom men habt, die häben doch in den Quartieren man ftete Plag mit ihren Pferden . Da iſt es für unſereens beſſer, der Tor
niſter abgehängt, den Kuhfuß in die Ede gelegt und fertig ſind wir und können äten und ſchlafen ,“ meinte ein Füſelier mit etwas faulem , ſchläfrigem Geſicht zu einem Kameraden, wie eben ein pujar mit dem ſchweren Eimer, den er auf dem tiefen Mift faum fortſchleppen konnte, an ihnen vorbeifeuchte.
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„Ja, das is wohl wahr,“ entgegnete Dieſer, ein ächtes
Berliner Kind, „ aber dafür haben ſie es auch auf dem Marſch wieder beſſer wie wir und traben hoch auf ſtolzen Roſſen an uns vorüber , wenn wir bis an die Knie in dem Dreck pat
fchen müſſen. Und dann der ſchöne Dolman und Pelz mit den vielen Schnüren und der Rolpaf , das läßt doch auch
viel ſchöner wie unſer bloße Waffenrod . Mir mögen jeßt die Mädchens ſchon alle gern und laufen mir nach, wenn ich aber jar ein Huſar geworden wäre, da würde ich an jedem
Finger Gräfinnen und Baroninnen haben können. Auf Ehre, das iſt wahr,“ meinte er, indem er vergeblich verſuchte, ſeinen kleinen kaum ſichtbaren Schnurrbart in die Höhe zu wirbeln. Ach See häbt man ümmer dee Dierns in den Kopf,
Gräfinnen und Baroninnen friegen See doch nid ), da nehmt fich andere Liebhaber, als ſo eenen Berliner Schneider, wenn See od teinmal Huſar worden wir, " anwortete demſelben ein anderer Pommer. „ Ich freue mich , dat ic bie dee Füſeliere bin , denn ſo ein Zündnadelgewehr , dat reicht anders, wie den Huſaren ihre Piſtol," fuhr er weiter fort. ,, Aber wir zu Pferde fönnen auch viel beſſer angreifen, wir Ihr zu Fuß. Und wenn es heißt, die preußiſchen Huſaren kommen , da haben die Dänen und Franzoſen gleich ganz an dere Furcht davor,“ entgegnete gereizt ein eben aus dem Stall gekommener Huſar, der es nicht leiden konnte, daß man ſeine Waffe, die in ſeinen Augen natürlich die erſte auf der Welt war, herunterſeßen wollte. „Oh ho, was das anbelangt , man nicht zu ſtolz, ſo viel wie Ihr haben wir Infanteriſten auch alle Zeit gethan , " warf wieder jeßt ein anderer Füſelier ein. Und da allmählig nochy
mehr Huſaren aus dem Stall dazu gekommen waren, ſo be
gann der alte , ſchon tauſendfach angefangene und doch nie beendete Streit , ob die Infanterie oder Kavallerie im Kriege
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von größerem Nußen ſei, bald mit ziemlicher Heftigkeit, die fich immer mehr und mehr noch im Verlauf deſſelben ſteigerte. „ Na, was is denn dies für ein Geſtreite,“ ſprach endlich der alte Huſaren - Unteroffizier dazwiſchen, der unbemerkt näher getreten war , das iſt ja dod) nidts wie Dummheiten ? Db
Infanteriſt oder Artilleriſt , Küraſſier oder Huſar, von allen
muß es welche im Dienſt Sr. Majeſtät unſeres Königs“ hier falutirte er wieder – „geben, und wer die Ehre hat, deſſen Rock zu tragen und ſeine Schnldigkeit man immer thut, der fann ſtolz ſein , gleidyviel zu was er gehört. Das iſt meine, des alten Unteroffiziers Erdmann Meinung, der allein ſchon mehr Dienſt geſehen hat, wie all' Ihr Gelbſchnäbel zu: ſammen . So, jeßt wißt Ihr das und nu laßt uns die Streu für die Nacht machen .“
Der Alte mag wohl Recht haben , aber ich ſage doch, 1
ein Huſar iſt mehr wie all' die Anderen ," murmelte leiſe beim Abgehen noch ein Huſar ſeinem Nebenmann zu. „Ift ooch wahr, Bruder,“ antwortete dieſer ebenſo leiſe, „ der Alte glaubt das auch ſelbſt und hat bei uns auf Stall
wache, wenn wir allein unter uns waren , oft genug geſagt, daß wir alle es hören konnten , ſo die preußiſchen Fuſaren, das wären doch die erſten von allen anderen Soldaten und
Jeder könne ſtolz ſein , der dazu gehörte. Jeßt iſt er nur zu klug und will es mit den Infanteriſten hier nicht verderben und darunt ſagt er, ſie ſeien ebenſo viel wie wir, aber wahr iſt es doch nicht, ſo iſt meine Meinung ." Nach den Pferden kamen, wie der Brauch die Menſchen ,
und ſo waren denn alle die Soldaten bald eifrig beſchäftigt, fich eine Streu für das Nachtlager zu machen. Stroh mußte der Bauer ihnen genug geben, unter Dach und Fach und im Trocknen konnten ſie audy liegen und ſo hatten ſie es denn beſſer, wie der Soldat im Felde es eigentlich erwarten kann.
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Die Huſaren legten fid im Stall nicht weit von ihren Pfer den hin , die Füſeliere auf der großen Diehle des Hauſes und außer einem Nadytpoſten , der wad, bleiben mußte, dnarchyte bald Alles um die Wette. Was ein guter Soldat iſt , der muß auch einen tüchtigen Sdilaf machen können , daß er bei
Kräften bleibt und munter ſein kann , wenn es gilt und gar wenn er ein gutes Strohlager hat , da muß er ſchlafen kön nen , beſſer wie der reidye Spießbürger in ſeinem Eiderdits nenbett.
Aud) der Lieutenant war jest gewißigt worden und zog
das Lager auf der Streu dem alten , dumpfen Schlafſdyrank in der Stube mit all den Flöben und ſchreienden Bälgern mit Recht vor. Einen etwas abgeſonderten Winkel hinter
einem großen Faß hatte er ſich aufgeſucht, ſein Burſde mußte ihm ein friſches Bund Stroh und Mantel und eine Decke dahin tragen, und ſo hatte er dann ein ſo prächtiges Lager, wie er es nur wünſchen konnte.
„ Pfui Deubel ! was iſt das für ein Wetter , ſchledyt für die Menſchen , aber gut für die Enten , " brummte am andes ren Morgen der erſte Huſar , der die Naſe aus dem Stall herausſteckte. Wahrhaftig, er hatte Recht, denn der Regen
goß nur ſo herab , als wenn unſer Herrgott mit Mollen ausſchütten thät, und ein falter Nordoſtwind pfiff über den 1
Hof. Und wie ſchmuzig und ſchmierig ſah jeßt Alles auf demſelben aus , nichts wie Dreck und quatſchenden Miſt, der auseinander trieb , fonnte man ſehen . Das ſegte wohl mans dyes Gefluche unter den Soldaten , die alleweg munter ges worden waren und von denen einer nach dem andern heraus
eilte , fidy draußen am Brunnentrog Geſicht und Hände zu waſchen ; aber das half nichts, damit wurde das Wetter dody nicht beſſer. Nun, ſie waren dod im Trockenen und fonntent
es ſo ſchon beſſer aushalten wie ihre Kameraden, die draußen
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auf Vorpoſten ſein mußten ; dazu war heute auch ein Wetter ganz wie zum Erzählen gemacht, und der alte Erdmann ließ fich nicht lange bitten , feine Geſchichte wieder fortzuſeßen . Nachdem das Frühſtück verzehrt war und die Fuſaren ihre Pferde beſorgt hatten, fepten ſich Alle wieder auf der Bauer diehle hin , der Alte ſtopfte ſein Pfeifchen und begann dann wieder :
, A18 wir denn endlich in Lübeck anlangten , da machten
die Bürger von der Stadt gar keine luſtigen Geſichter darüber,
und wenn ſie nur gekonnt, ſo hätten ſie uns gewiß gerne die Thore vor der Naſe zugeſchlagen. Sie hatten Angſt, daß es in ihrer Stadt zur Bataille mit den Franzoſen kommen werde, und man konnte ihnen dies auch eigentlich nid)t recht verden fen . In Lübeck war es ſo feſt, daß wir uns noch immer ein paar Tage gegen die Franzoſen halten fonnten , und wer den
General von Blücher Grcellenz auch nur einmal geſehen hatte, der wußte, daß er ſich ſo leicht nicht gefangen gab , ſo lange ſeine Soldaten nur noch ein paar Patronen zu verſchießen
hatten . Das war aber Redyt von ihm , und wenn ich auch nachher ſchon gehört habe , ſo die Büchermacher und die an deren Herren , die mit der Feder hinterm Ohr, ſo immer das große Maul haben , wenn ſie weit vom Schuſſe ſind , hätten gewaltig darüber ſchwadronirt, daß der General von Blücher 1
1
dem armen Lübeck ſo viel Noth gebracht und gemacht hätte, daß die Franzoſen es geplündert, und er hätte wiſſen müſſen ,
daß er fich doch nur noch ein paar Tage dort halten konnte, und ſo hätte er ſich nur gleich ergeben ſollen, ſo iſt das lauter Kikel Katet, über das ich ſtets Aerger habe, wenn ich es nur böre. Ein preußiſcher Soldat darf ſolde Worte nicht ſpres chen , ſondern der muß ſtolz darauf ſein , daß der General von Blücher Ercellenz auch dazumalen und unter ſo ſchlechten Um
ſtänden die Courage nicht verlor und ſich immer noch mit
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den Franzoſen herumſchlug, obſchon die Zahl derſelben wohl
an viermal ſo ſtark wie die unſrige war. Daß die Franzoſen nachher bei den Lübeckern ſchlecht hausten und viel Plünder ten , das iſt nicht unſere Sdyuld. Das Bisdien Silberzeug, was
dabei verloren ging, und der Wein, der ausgeſoffen ward, iſt auch von den Lübeckern ſchon lange wieder vergeſſen worden, aber wenn der alte Blücher fich nidyt ſtets bis auf den lebten
Augenblick herumgeſchlagen hätte , ſo wäre das nie vergeſſen worden ſo lange die Welt ſteht. So muß meiner Anſicht
nady Jeder denken , der die Ehre hat , Sr. Majeſtät des Kö nigs von Preußen Uniform zu tragen , und wenn dann audy ein paar Häuſer oder auch ſelbſt ein Dorf oder eine Stadt mit draufgeht, ſo iſt das zwar ein großes Unglück, was aber nicht zu ändern war. Abgebrannte Häuſer laſſen ſich zur
Noth wohl wieder aufbauen ; wo aber die Ehre eines Soldaten einen Knads befommen hat , da iſt dwer wieder etwas auf
zurichten . Das ſchreibt Euch hinter die Ohren , Kinder , un wenn es bei Euch ſo fommen ſollte, ſo denkt daran, daß der
alte Unteroffizier Erdmann Guch dies geſagt hat. Auch ein preußiſcher Korporal muß eben ſo viel auf Ehre halten und ebenſo aufpaſſen , daß er ſie nicht beſchmußt, wie ein Gene ral, oder er wird gar leicht zum Hundsfott. „Na, als wir nun in Lübeck einmarſdyirten, da fragten wir nicht allzuviel danach , ob die Bürger uns freundliche oder böſe Geſichter machten.
Wir waren alle ſo müde , daß wir
uns faum noch in den Sätteln halten konnten 1, und unſere Pferde die ſchwankten nur nody ſo hin und her. Hatten ge rade wir Huſaren doch in den leßten 36 Stunden keinen Augenblick mehr Ruhe gehabt. Ich erinnere mid noch recht gut, obſchon es ſchon ſo viele Jahre her iſt, daß wir auf dem
Marktplaß Halt machten, um da zu bivouakiren. Raſch nahm
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ich meinem kleinen Ukrainer Braunen , der ſchon ganz elendig
ausſah, Sattel und Zaumzeug ab, holte mir aus einem Bäckers laden ein großes Brod , denn die blanken Goldſtücke, die ichy von dem franzöſiſdien Major bei Criwiß erbeutet hatte, thaten jeßt gute Dienſte , und ließ ihm das auffreſſen. Ich ſelbſt aß Wurſt und Brod und legte einen tüchtigen Schnapps darauf, und dann ſchmiſſen wir uns Beide der Länge lang auf dem harten Steinpflaſter hin und waren auch im Augenblick eingeſchlafen.
Und am anderen hellen Morgen als wir aufwachten, da lagen wir noch Beide ganz an demſelben Plaß und weder mein kleiner Brauner noch id) hatten nur ein Glied gerührt, ſo
müde waren wir geweſen , objdon es in der Nacht ordentlich geregnet haben ſoll.
Ja, wenn einer nur ſo recht übermüde
iſt, das geht durch die Knochen. Der Schlaf hatte uns Beis den gutgethan und wie id auffigen mußte , da war mein Brauner wieder friſch und ich war auch wieder ein ganz ans derer Kerl geworden. Nu wir konnten auch Beide cs brau
chen, denn der Tanz fing an dem Tage bald wieder an. Ein verfluchter Tag war dies aber und den 6. November anno 1806 werde ich nie wieder vergeſſen, das fönnt Ihr glauben. Gegen 9 Uhr Morgens fing das Gedonner an den Thoren an, die Franzoſen wollten dieſelben mit Gewalt ſtürmen , aber wir hatten Batterien da aufgefahren , die fardätſchten gewaltig dazwiſchen und mancher „ Parlezvous“ mußte mit dem Leben daran glauben . Endlid, aber waren fie durch die Gräben an
den Thoren, die fein Waſſer hatten, denn Lübeck war ſo keine
reguläre Feſtung mehr , eingedrungen und hatten unſere Ka noniere an ihren Geſchüßen niedergehauen. Das iſt auch der redyte Plaß , wo ein preußiſcher Artilleriſt ſterben muß , ſein Geſchüß darf er nicht verlaſſen , wenn er nicht ein infamer bundsfott fein will, und lieber muß er fid) an demſelben
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todthauen laſſen. Das iſt auch ſchon oft geſchehen, denn un ſere „ Schwarzkrägigen " ſind gar tüchtige Kerle , die ſo viel Ehre wie nur irgend welche Soldaten im Leibe haben . ,, Wie denn nun die Franzoſen erſt einmal in der Stadt
waren , da kamen von allen Seiten immer mehr und mehr von den Sterlen herein , Infanterie und Kavallerie, alles in
ſchwerer Menge. Jegt ging das Gefloppe in den Straßen von Lübeck ſelbſt an , die , ſo alt ſie auch ſchon ſein mochten,
ſo einen Tag dody nod nie geſehen haben kannten . So in den engen Straßen mit glattem Steinpflaſter fich herum zu hauen , iſt für die Kavallerie eine ſchlechte Sache , denn man fann ſich nirgends ſo recht mit den Pferden rühren ; aber wenn es gerade ſo ſein muß, ſo geht es aud) doch an. Wie
die leibhaftigen Teufel ſo hauten wir ein , denn jeßt wußten wir Ade, daß doch Mathai am legten ſei, und da galt denn ſo ein Leben nicht viel. ,,Drauf , Kerle, drauf , ein þundsfott, wer fid) lebendig
gefangen giebt , ſo lange ſein Pferd ihn noch tragen kann. Wir wollen den franzöſiſchen Hunden zuleßt auch noc) zeigen, daß wir preußiſche Hujaren find," rief der Herr Lieutenant,
der jeßt unſere Schwadron kommandirte, und ſu preſchten wir denn mitten zwiſden die Franzoſen hinein. Das gab eine Kalaſche! Als wenn wir alle in der Schmiedewerkſtatt
wären , ſo hieben wir auf einander zu. Und dabei ſchoffen fie von der Infanterie aus den Häuſern Heraus, ja von die Jägers waren welche auf die Dächer geklettert, und knallten von da dazwiſchen. Siegen konnten wir nicht mehr, das wußten wir alle, denn auf einen Preußen famen gewiß an fünf Franzoſen , aber ſo wollten wir unſerem Namen denn doch noch Ehre machen , und auch zulegt noch zeigen , daß wir zu des Herrn General von Blücher Excellenz, ſeinem
Corps gehörten. Unſere Sdwadron die batte es meiſt mit
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franzöſiſchen Chaſſeurs , wie ſie ſich nennen , zu thun , und wir hieben uns tüdytig noch mit ihnen herum. Eben hatte ich den Säbel aufgehoben , um einem Korporal noch einen tüchtigen Denkzettel zu geben , da trifft eine Kugel meinen Braunen in die Bruſt, daß er hoch auf ſich bäumt , und in demſelben Augenblick fühle ich auch , daß ſo etwas Kaltes mir an den linken Oberarm ſchlägt, worauf der ganz matt
wird, ſo daß ich den Zügel aus der Hand fahren laſſen muß. Ein paar Säße macht nun noch mein Brauner, der ſich um gedreht hatte, und dann ſchlägt er mit mir todt auf dem Pflaſter zuſammen , ſo daß mir von dem Fall Fören und Sehen verging. Wie mir recht war , davon wußte ich nicht viel , nur ſo viel weiß ich noch , daß ich dicht unter mein todtes Pferd hinfroc ), indem ich dachte, daß ich ſo von all 1
den Pferden und Menſchen, die wohl über mir herübertrabſen würden , nicht ſo leicht getreten werden könnte. Bald aber
ward es mir ganz düſter im Kopfe und ich wußte lange nicht wie's geſchah. Ein heftiger Sdhmerz in meinem linken Arm brachte mich endlich wieder zur Beſinnung und ich ſchlug die Augen auf. Zwei franzöſiſche Chaſſeurs , Kerle mit braunen Geſichtern und langen zottigen Bärten , die wie die Räuber 1
ausſahen , hatten mich am Arme gepadt und zogen mir eben den Dolman aus , und das machte mir den Schmerz in
meinem linken verwundeten Arm . Wie die Kerle ſahen , daß ich noch lebte, da fingen ſie viel zu kauderwelſchen an, wovon ich kein Wort verſtand, und Einer derſelben ſpannte ſchon feinen Karabiner, als wenn er mich todtſchießen wollte. In demſelben Augenblick kam aber ein hoher Offizier angeritten, der fouterte die Kerle in ihrer Sprache tüchtig aus , ſo daß
fie bald fich wegſchlichen, meinen Dolman und Pelz aber doch noch mitnahmen. Der Offizier rief dann zwei Arbeitsleute
aus Lübec herbei, denen er befehlen ließ, mich in ein Hospital
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zu tragen . - Glücklicherweiſe hatten die Chaſſeurs mir meine Stiefeln nicht ausgezogen , da ſie ihnen wohl zu ſchlecht und
zerfeßt ſchienen . In dem einen Stiefel hatte ich aber acht Goldſtücke noch verborgen und war ſo nicht ganz ohne Geld, und dies gewährte mir ſpäter viel Nugen. Geld iſt immer gut auf der Welt , am Beſten aber für einen Gefangenen , das iſt gewiß . Wie mich denn nun die beiden Lübecer Arbeitsleute ſo hintrugen , da ſagte Einer zu dem Andern : ,,Schaad um den jungen Burſch , dat hee in dat grod poss pital mööt, da fommt od nich wähl wedder lebendig heruut. 8 hee doch ock een Preuß und feen Franzmann . " Und wie ich das hörte , da dachte ich gleich , ob ich es nicht vielleicht
noch ſo machen könnte, daß ich in kein Hospital ,1 ſondern in ein Privathaus gebracht würde. Ich ſagte alſo zu den Leuten, ob mich nicht Einer von ihnen bei ſich aufnehmen könnte, denn meine Wunde ſei nicht ſo gefährlich), und wenn ich nur gute Pflege hätte, würde das kleine Lody bald wieder zuheilen. Da meinte denn Einer von ihnen , das ginge nicht, er ſelbſt habe für Frau und Kinder kaum genug zu eſſen , und der Verdienſt ſei ſchlecht und die Zeiten taugten nicht viel. A18
ich ihm aber ſagte , ich habe noch ſo viel Geld, um das zu bezahlen, und auf zwei Thaler in der Woche folle es mir nicht ankommen , da ward er anderen Sinnes und ſagte, daß er midy bei fid aufnehmen wollte. Der Andere zwar war anfänglich ängſtlicher und wollte midy in das Hospital tragen, wie der Franzoſe es befohlen hatte, und meinte, fie würden
in ſchwere Strafe kommen und am Ende gar mauſetodt geſchoſſen werden, wenn man erführe , daß ſie ſolchen Befehl 1
nicht befolgt hätten .
Wir redeten ihm aber ſolche Graupen
aus dem Kopf und ſagten ihm, was auch die Wahrheit war, die Franzoſen hätten jeßt andere Dinge zu thun, als ſich um jeden einzelnen verwundeten Preußen viel zu bekümmern . 5
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Auch verſprach ich ihm zwei Thaler Trinkgeld , wenn er ein willigte, und das half denn audy. ,,So brachten die beiden Leute mich denn in das Haus
des Aelteſten von ihnen, das ganz abgelegen in einer kleinen Straße lag. Zuerſt wollte die Frau deſſelben wohl ein Bis chen ſchimpfen und ſagte, ſie könne jegt keinen unnüßen Freſſer
mehr brauchen , da ſie ſelbſt kaum wiſſe, wie ſie Brod und Kartoffeln für ihre hungrigen Kinder anſchaffen folle. Als ihr Mann aber ſagte, ich wolle auch Alles , was ich verzehrte, bezahlen , da ward fie freundlicher , wie ſie denn überhaupt eine gute, brave Frau war, die, als ſie gar erfuhr, daß ich ein Preuße ſei , mich nach beſten Kräften pflegte, und audy nicht mehr Geld von mir nahm , wie ihr die Sachen , die ich ver zehrte, ſelbſt koſteten . Das war aber mein Glück , daß ich nicht in das franzöftſche Hospital fam , denn alsdann wäre ich wohl drauf gegangen, da die Behandlung gegen die vers wundeten Gefangenen dort ſehr ſdiledit geweſen ſein ſoll. So etwas iſt aber auch faſt überall im Kriege der Fall, ein Ges fangener, der noch dazu verwundet iſt, hat es oft ſehr ſchlecht, und mancher gute Kerl muß dann abmarſchiren, der ſonſt nody hätte gerettet werden können. ,, Meine Mirthsleute machten mir nun in einer kleinen
Kammer ein Lager zurecht; die Frau kochte mir eine gute Suppe, damit ich etwas zu Kräften kam und der Mann ging aus, einen Doctor zu holen, bei dem er das Holz klein machte und daber mit ihm befannt war. Bis der aber kam , dauerte es viele Stunden , denn die verfluchten Franzoſen hauſten gar
arg in der Stadt herum und plünderten manche Häuſer, und ſo ging wohl Reiner gern von ſeiner Familie fort. Unſer Haus ſah ihnen nur zu klein und ärmlich aus und ſo kam Keiner herein, hier zu plündern ; auf der Straße konnte ich ſie aber genug berumtoben ſehen und oft aus Uebermuth ihre Ges
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wehre abſchießen hören. Endlich in der Nacht fam denn auch der
Doctor , der ein lieber , braver Mann ſein mußte, denn ſonſt wäre er in ſo unruhiger Zeit gar nicht zu einem armen vers wundeten Soldaten gegangen. Der ſchnitt mir denn die Kugel, die noch immer in meinem linken Arm ſaß, heraus, was wohl ein Bisfen weh that, ſo daß ich die Zähne zuſam
menbeißen mußte, um nicht aufzuſchreien. Das hätte ſich aber für einen preußiſchen Huſaren nicht geſchickt, daß er ſchrie, wenn
ihm eine Kugel herausgeſchnitten wird, und ſo ſchwieg ich
denn ganz ſtill und ließ den Doctor ruhig ſo viel in meinem Fleiſche herumfitſchen, wie er nur wollte. Was mich aber freute , war, daß der Doctor fagte wenn ich ruhig blieb und gute Pflege hätte, könne mein Arm in einigen Wochen wieder hergeſtellt ſein. „ Am anderen Tage erfuhr ich denn auch, daß der Herr General
von Blücher Grcellenz mit ſeinem ganzen Korps dicht hinter Lübeck hätte eine Kapitulation annehmen und ſich gefangen geben müſſen . Kinder, Ihr könnt es mir glauben, das that weher, als wie geſtern der Doctor in meinem Arm herumſchnitt. Alſo auch
dies ſchöne Korps war für Se. Majeſtät unſerm König ver loren gegangen, und es war gleichſam , als ſolle in dieſer ſchlimmen Zeit Alles zuſammenfallen. Ja, das waren gar ſchlechte Tage 1806 und 1807 für ein trenes Preußenherz
und mit Gottes gnädigem Willen braucht Ihr ſolche nicht mehr durch zumachen. Aber gut war es dody, daß dies Korps doch die Ehre nicht verloren hatte. Auf der Kapitulation hatte
der „Olle “ noch mit hingeſchrieben , daß er nur kapituliren thät, weil er kein Pulver und Brod und Pferdefutter mehr hätte, und als die Franzoſen dies erſt nicht zugeben wollten, da hatte er, wie er wohl zu thun pflegte, auf den Tiſd ges bauen und ausgerufen : ,, Sdwerenoth, anders geb ich mir nicht gefangen und ſonſt laß ich noch friſch wieder einhauen .“ 5*
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Das aber hatten die Franzoſen denn doch nicht gerne mehr gewollt, und ſo war denn dies mit aufgeſdyrieben worden. So ſollte es immer ſein und anders ſollte ein königlich preußiſcher
General niemals eine Kapitulation eingehen. „ An die drei Wochen blieb ich denn nu ruhig bei dem braven Holzhacker, der mich aufgenommen hatte, und ſeine Frau, die wartete mich , als wenn id ihr leibhaftiger Sohn ſei.
Mein Arm war ſchon ſo ziemlich wieder hergeſtellt, wenn ich auch noch eine Binde tragen mußte, und da ich auch ſonſt wieder ganz geſund war, ſo dachte ich ſchon daran, mich bald auf die Socken zu machen und abzurutſchen. Ich wollte näm
lich Civilkleidung anziehen , denn Pelz und Dolman hatte ich ſo nicht mehr, und dann verſuchen, ob ich mich nicht nad) Pom mern, wo noc preußiſche Truppen ſein ſollten, durchſchleichen
konnte. Da wollte ich denn wieder in irgend ein Huſaren-Regi ment eintreten und dachte nody mandmal auf die verfluchten Franzoſen mit einzuhauen. Irgend ein infamiger Hundsfott der mußte aber den Franzoſen, die noch in Lübec waren, ver: rathen haben, daß ein preußiſcher Huſar bei dem Holzhacer verſteckt ſei. Eines Morgens nu , wo ich an nichts Arges dadyte und der Frau beim Garnabwickeln half , höre ich mit einem Mal auf der Hausdiehle in der welſdien Sprache foutren,
und ehe ich michs verſah, ſpringen zwei franzöſiſche Soldaten mit Bajonnetten an den Gewehren, in die Stube und ſchreien, ich ſei ihr „ prisonniers und müſſe gleich mit zum Komman danten kommen. Das war denn freilich eine ganz ärgerliche Geſchichte, aber was follte man dagegen machen. „ Nimms wie es kommt“, hatte mir mein Vater ſeliger ja geſagt, und ſo dachte ich denn auch jest. Kaum ließen die Franzoſen mir noch Zeit, meine alten Stiefeln, in denen noch 5 Goldfüchſe
verſtedt waren , denn die anderen drei hatte ich hier ausge geben und einen alten Commismantel von den Lübeder
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Stadtſoldaten, den ich mir gekauft hatte, anzuziehen und ſchlepp ten mich dann zum Kommandanten . Der hatte ſich anfäng lich ganz gewaltig böſe und ſchimpfte und fluchte viel herunt, wovon ich aber fein Wort verſtand und es mir daher egal ſein konnte, und als er hiermit aufgehört hatte, ward ich in
eine große Stube gebracht, wo ſchon an 50-60 preußiſche Gefangene beiſammen waren. Von allen möglichen Regimen tern ſab man darunter, doch hatten die Meiſten nur noch einige Feben von ihrer Uniform an und meiſt nur alte Commiss
mäntel oder lumpige wollene Pferdedecken , welche man ihnen gegeben hatte , daß fie doch nicht ganz erfrieren ſollten. Faſt alle dieſe Gefangenen waren verwundet geweſen und famen jekt aus dem Hospital, und ſo ſaben ſie denn nod Gottes
jämmerlich elend aus, und Manche hatten Kopf oder Arm noch verbunden , oder mußten an dem Krüdſtock gehen , und dabei war es in dem großen Saal, wo wir eingeſperrt wur den, ſehr kalt, da nicht eingeheizt werden konnte, und ſo dräng ten wir uns denn immer ganz eng an einander, um uns ſo ein Bisken mehr zu wärmen . Zu eſſen gab es in dem Loch auch nicht viel, des Morgens ein Stück trodnes Commisbrod, des Mittags eine dicke Suppe und Abends wieder Brod und dazu ſo viel klares Waſſer, wie Einer laufen mochte, das war Alles. Da fühlte id) denn ſelbſt, was es für ein ſchlechtes
Ding mit der Gefangenſchaft ſei, und ich nahm mir feſt vor, nur ſo kurze Zeit, wie es irgend ging, in derſelben zu bleiben,
und mich ſelbſt zu ranzioniren und ſollte es auch das Leben foſten .
„, An die 5 oder 6 Tage blieben wir denn noch in Lübec eingeſperrt, dann mußten wir eines Morgens früh antreten .
Ein franzöftſcher Offizier, der deutſchſprach , las uns einen Befehl vor , wonach Jeder , der ſich ſelbſt ranzioniren wolle
und dabei abgefaßt würde, auf der Stelle todt geſchoſſen
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werden ſollte, und unter Kommando eines franzöſiſchen Lieutes nants und 35 Soldaten, marſcirten wir wohl an die huns dert preußiſche Gefangene zum Thor hinaus . Wir ſollten
nach Frankreich gebracht werden und dort auf den Feſtungen bleiben, hatte man uns geſagt, nachdem noch vor unſeren Augen die franzöſiſchen Soldaten hatten ſcharf laden müſſen. Ladet ihr nur, dachte ich bei mir ſelbſt, ich laufe euch doch davon, fowahr ich Friße Erdmann heiße und nach des hochſeligen
Königs Friße Majeſtät – „hier ſalutirte der Alte wieder" - jo getauft worden bin. In eine franzöſiſche Feſtung ſollte mich nu fein Teufel bringen, das ſtand einmal feſt bei mir. Und was der Menſch in der Art einmal will, das fann er audy fertig machen. -
,,Die erſten paar Tage , wo wir bei ſehr ſchlechtem Wets
ter , ſo daß wir ſtark frieren mußten, marſcirten , wollte ſich nun gar keine Gelegenheit zum Weglaufen finden. Ich mochte mir die Augen danach ausſehen ſo viel ich wollte, nirgends fand ſich etwas , denn unſere Eskorte paßte verflucht ſchlimm auf. Der Lieutenant , der dieſelbe kommandirte , war ſo ein
alter Schnurrbart, dem man es anſah, daß er ſchon viel Puls ver gerochen hatte , und ſo Einer iſt verteufelt ſchwer anzu führen. Auch des Nachts kamen wir immer in ſo ein feſtes þaus, daß auch da nicht an das Entwutſchen gedacht werden konnte. Von Lüneburg an , als ſie uns erſt über die Elbe gebracht hatten , bekamen wir eine neue Eskorte mit einem
andern Lieutenant. Das waren keine Franzoſen , ſondern,
glaube ich, von den Rheinbündlern , und die ſahen juſt auch .
nicht ſo aus , als wenn ſie das Pulver erfunden hätten ; die mußte ich anführen , denn ſonſt konnte der Teufel ſein Spiel treiben und wir wieder eine ſchärfere Eskorte bekommen , wo
es denn wieder ſchwerer ward.. Aud) wollte ich nicht gern alzuweit von der preußiſchen Grenze abkommen , damit ich
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auf dem Wege dahin nicht ſo leicht wieder von den Gends
darmert aufgegriffen werden könnte.
Endlich), nachdem wir
wohl an drei Tage ' hinter Lüneburg marſchirt waren , da fand
ſich denn ſo konnte. Wir Schneetreiben Esforte, als
eine Gelegenheit , wo ich vielleicht echappiren hatten einen ſtarken Marſch gehabt, und da viel war , ſo hatten ſowohl die Soldaten von der auch wir Gefangenen große Müdigkeit in den
Knochen. Am Abend, als wir in unſerm Nachtquartier anfa
men, was ein großes Dorf war, da ſperrte man uns Alle in die Dorffirche ein, da fein anderes Gelaß für uns fid finden wollte. Bei dem Schein der Laterne , die man in der Kirche
aufhing , ſah ich, daß der Strick , mit dem man die Gloce läutete , mitten in das Schiff herabbummelte. Das fuhr mir denn wie der Bliß durch den Kopf und ich dachte, hier müßte 1
ich verſuchen zu entwiſchen , koſte es was es wolle. Da wir . Alle ſehr müde waren , ſo ſchliefen denn auch all die Gefan genen bald ein , nachdem wir die Brodſuppe, die wir erhiel
ten, aufgegeſſen hatten. Als nun Alle feſt ſchliefen, denn ich ſelbſt fonnte vor Erwartung kein Auge zuthun , da faßte ich
an den Strick, um zu ſehen , ob er wohl feſt war und gut halten konnte. Richtig es ging , und nu fing ich das Klet tern an. Ich war dazumalen noch ein junger, friſcher Burſch mit geſchmeidigen Gliedern und nidit ſo ein alter , ſteifer Kerl, der über Sechszig auf dem Rücken hat , wie jeßt , und ſo glückte es mir denn auch, an dem Strick hinaufzuflettern. Zwar that mir mein linker Arm, an dem die Bleſſur war, verteufelt
weh dabei, aber darauf konnte ich freilich nicht achten, es war doch immer beſſer , als wie als Gefangener in eine franzö fiſche Feſtung zu kommen. Als ich nun oben auf dem Boden des Thurms angekommen war, wo eine Lude herausführt, da hatte ich zuerſt den Gedanken, mich an dem Strid aus derſels ben wieder herauszulaffen und dann das Weite zu ſuchen.
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Zwar ging ein Soldat als Poſten immer um die Kirche herum, aber da die Nacht ſehr dunkel und ſtürmiſch war , ſo hoffte ich gerade einen Augenblick abzupaſſen , wo er mich nicht ſehen ſollte. Da dies aber doch ſehr ungewiß war , ſo fam mir jekt plößlich ein beſſerer Gedanke in den Kopf. Ich warf den Strick aus der Lude, daß er mit der einen Seite auf die
Erde fiel, und meine Müße dazu, als wenn mir dieſelbe beim Herunterflettern abgefallen wäre. Ich ſelbſt aber troch in der Holzverkleidung des Thurmes ſo weit berauf wie ich nur fonnte und verbarg mich da hinter einem dicen Balken , ſo daß Einer mir ſchon nachklettern mußte , um mich zu finden .
Es war dies zwar eine verfluchte Kletterage in der Dunkel heit und leicht hätte ich als und Bein dabei brechen fönnen ,
,,doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt", ſo muß ein Huſar immer denken . Als Junge war ich audy viel herumgeklettert,
was mir damals zwar nur manchen tüchtigen Budel vol Prügel von meinem Vater ſeliger eintrug, mir aber jegt gut zu ſtatten fam.
„ Kaum ſaß ich aber in meinem Thurmknopf, da hörte ich, wie der Poſten unten Lärm machte, da er meinen herun
tergelaſſenen Strick geſehen hatte. Bald fam auch der Lieutes nant in die Kirche, wedte alle Gefangenen mit ſeinem Ges fluche auf und ſchimpfte nicht wenig , als er beim Verleſen fah, daß Einer ihm fehlte. Noch in der Nacht ließ er Pa trouillen in der Gegend umhergeben , und ſchwur hoc und theuer, er wolle mich ſchon wieder fangen. Daß ich oben im Thurm noch ſaß , daran dachte der dumme Klas gar nicht, 1
und ſeine Leute auch nicht, ſondern, da der Strick noch aus der Lucke hing, ſo mußte ich nach ihrem Glauben auch daran heruntergewuſcht ſein. Na , am anderen Morgen mußten ſie .
denn auc), ohne mid ) wieder gefangen zu haben , abziehen ,
und Ihr fönnt es mir glauben, Kinder, ich war verflucht froh,
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wie ich dieſen Abmarſch hörte. Von meinem Thurme herun ter traute ich mich am helligen Tage doch noch nicht, denn der Teufel konnte doch ſein Spiel haben und es noch Sols daten , oder auch Leute im Dorfe geben, die mich wieder ein fangen thäten . Wenn mich daher auch noch ſo fror und hun
gerte und mir die Zähne im Leibe klapperten , und ich zuleßt meine Knochen faum rühren konnte , fo blieb ich doch den ganzen Tag wie eine Eule dort ſigen. Schwerenoth , da fann Einem ſchon die Zeit lang werden , und wenn Ihr hier 1
(dyon über Langeweile und ſchlechte Koſt Eudy zu beklagen un
terſteht, ſo follt Ihr nur ſo im December Tag und Nacht oben in einem Kirchthurm figen , wo der Wind in alle Löcher pfeift, und dabei feine Müße auf dem Kopf und nichts Warmes
im Magen haben. Als es nu wieder dunfel geworden war, frod, id) aus meinem Thurm herunter, und hätte bei der Ges legenheit bald einen tüchtigen Fall gethan , da meine Glieder vor Kälte ganz ſteif geworden waren. Na, Gottes gnädige Barmherzigkeit bewahrte mich aber davor , und ich kam glücks lich auf den Boden der Kirche berunter. Aber was nun weis 1
ter thun. Zuerſt mußte idy aus der Kirche, die verſchloſs ſen war , herauszukommen , mir dann aber etwas zu eſſen
und andere Kleidungsſtücke zu verſchaffen ſuchen. So mit meinen preußiſchen Huſarenhoſen und dem Lübecker Stadtſol
datenmantel, wäre ich nicht 5 Meilen weit gekommen , ohne arretirt zu werden.
Aus der Kirche zu fommen war nicht
ſchwer, denn das alte Schloß ließ ſich von innen zu ganz gut aufmachen , und als Schmied verſtand ich mich ein Biss chen auf die Schlöſſerei. Als ich nun auf dem Kirchhof war,
da ſah id, in dem Haus , wo wohl der Küfter oder Schul meiſter wohnen mußte, noch Licht in dem Fenſter ſchimmern, obſdon es fdon über 10 ilhr und in dem ganzen Dorfe
ſonſt ſchon Alles todt und ſtill war. Leiſe froch ich nun an
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das Fenſter, was nicht ſehr hoch war , und ſah in der Stube
einen alten Mann allein am Tiſche fiben und in der Bibel
leſen. Jeßt ſuchte ich mir denn einen tüchtigen Knüppel aus und flopfte an die Hausthür damit , die ſchon verſchloſſen war. Mit Zittern und Schreden , wie ich hören konnte, fragte der Mann, wer ich ſei und was ich in ſo ſpäter Stunde noch
wolle. Id rief ihm zu , er folle nur ſchnell aufmachen , dann würde ihm fein Leids geſchehen , ſonſt aber würde ich die Hausthür mit Gewalt aufſchlagen. Endlich machte der alte Küſter denn nun auch die Thüre auf , wäre aber faſt vor Schreden wieder zurückgeprallt, wie er mich, der ich wohl ets was verwildert ausſah , ſo mit einem Pfahl in der Hand er :
blickte. Id drängte mich aber raſch in das Haus hinein, und ſagte ihm , ich ſei ein preußiſcher Kriegsgefangener, der ſich ſelbſt ranzionirt habe, und würde ihm fein Leids anthun, wenn er mir zur ferneren Flucht behülflich ſein wolle, hinges gen ihm ſeine Bemühungen mit Geld vergüten. Der Küſter,
der ein guter, alter Mann zu ſein ſchien , ward nun ganz freundlich und ſagte , er wolle mir gern helfen , wennſchon eine ſchwere Strafe darauf geſeßt ſei, wenn man den preußi .
Tchen Kriegsgefangenen bei ihrer Flucht helfen thät. Auch ſolle ich mich ja in Acht nehmen, da auf dem Amtshofe neben dem Dorfe, noch an 20 Mann franzöſiſcher Kavallerie einquar tirt wären, und es Aufſehen gemacht hätte, daß in legter Nacht
ein Sriegsgefangener aus der Kirche entwiſcht ſei , erzählte mir noch der Mann. Nun , hatte der liebe Herrgott mich ſo weit geſchüßt, ſo hoffte ich , würde er es auch noch weiter thun, und machen , daß ich wieder frei würde, und Sr. Majes ſtät meinem Könige wieder als ein braver Huſar dienen könne. Der alte Küſter kochte mir nun zuerſt ein tüchtiges Abendbrot, und Ihr könnt denken, Kinder , daß ich demſelben ordentlich zuſprach , und auch das Warmbier, was er mir
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machte , nicht auf dem Tiſch ſtehen ließ. Seine Frau und
Tochter waren, wie er mir ſagte, zur Hochzeit verreiſt, und ſo mußte er denn das Kochen ſelbſt thun. Mir war das ganz lieb , denn ſo bekamen die Weibsleut nichts von mir zu wiſſen , und die können nun doch einmal die Mäuler nicht halten, ſondern müſſen immer was auszuplauſchen haben.
Als ich mich ordentlich ſatt gegeſſen hatte , da ſchnitt ich mir meinen Schnauzbart herunter, und raſirte mich ganz glatt im Geſicht. Das that mir freilich web , denn meinen Schnauz bart, der noch nicht ſehr lange gewachſen war , hatte ich auf alle Art gebegt und meine Freude darüber gehabt. Doch was ſollte ich machen , es war dod beſſer den Sdnanzbart zu
miſſen , der wohl wieder wachſen konnte , wie am Ende gar den ganzen Kopf. Wenn der einmal ab iſt, der wächſt nid)t
wieder. Nun faufte ich mir von dem alten Küſter für ſieben Thaler und meinen alten Mantel , den ich drauf gab , einen abgelegten Küſteranzug von ihm . Schuhe mit breiten Zinn 1
ſdhnallen , lange Strümpfe von ſchwarzer Wolle, enge, kurze, ſchwarze Kniehoſen, einen alten, langen Rock von groben, ſchwarzen Tuch, einen Dreiſpitz wie ihn dazumalen noch die
Schullehrer trugen, und einen alten, zerzauſten Haarbeutel. So war ich denn ganz als Sculmeiſter fertig - ja, Kinder, Ihr lacht darüber und könnt Euch gar nicht denken, wie der alte Unteroffizier Erdmann , den Ihr nur zeitlebens in der Huſaren -Uniform Sr. Majeſtät des Königs geſehen habt, als Schulmeiſter ausgeſehen haben muß. Obgleich mir gar nicht läderlich ſonſt im Sinn war , ſo mußte ich doch ſelbſt über
meine eigene Figur lachen , denn gar zu pupluſtig ſah ich aus. Na, als ich denn nu als Sculmeiſter fertig war , da faufte ich mir von dem Alten noch ein Geſangbuc), ein halbes Brot, eine gute Wurſt und ließ mir eine Buddel voll Kümmelſchnaps in die Taſche ſteden , wofür ich ihm zuſammen 16 gute
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Groſchen gab , nahm mir einen tüchtigen Knurrenſtock von Fagebuchen aus der Ecke, und ſo trabte ich denn fort. Zuvor
hatte der Alte mir noch den beſten Weg beſchreiben müſſen, wie icy nad Salzwedel und ſo in die Priegniß kommen konnte, denn ich wollte ſo mich nach Pommern durchſchleichen . Es war zwar verflucht falt in der Nacht und der Wind trieb mir oft große Schneeflocken in das Geſicht, und doch lief ich tüchtig fort und war ſo luſtig , wie in langen Tagen nicht mehr. War ich dod jeßt wieder ein freier Menſch und konnte
mit Gottes gnädiger Hülfe hoffen, den verdammten Franzoſen zu entwiſchen und in meines Königs Dienſte, der dazumalen jeden tüchtigen Soldaten wohl gebrauchen konnte, wieder ein zutreten. So fühlte ich denn weder Kälte noch Müdigkeit, und hätte oft gern laut den alten Deſſauer Marſch gepfiffen , wenn ich nur nicht gefürchtet hätte , mich dadurch zu vers rathen.
,,Die ganze Nadit lief ich ſo durch, und wie der Morgen 1
graute , war ich ſo müde geworden , daß ich nicht mehr gut weiter konnte. Nicht weit von mir ſah ich auf einer Wieſe im Holze eine Heumiethe ſtehen , da kletterte ich hinauf und
wühlte mich tief in das Heu hinein , daß ich nicht fror. Gegen Hunger und Durſt hatte ich ja Brod und Wurſt und 1
Sdnaps, und ſo ſchlief ich hernach ſo prächtig , wie ich ſeit vielen Wochen nicht mehr geſchlafen hatte. Als ich wieder aufwachte, war es ſchon dunfel, und ſo hatte ich denn den
ganzen Tag verſchlafen , ſo müde war ich geweſen. Na, ich machte mich denn wieder auf die Beine, und lief die Nacht
wieder durch. Dabei kam ich denn auch durch ein Dorf, und da mußte der Nachtwädyter mich wohl für einen Dieb gehals ten haben, denn er hegte ſeinen Hund auf mich, machte Lärm und lief mir nach. Id Ich fürchtete, man möchte mich als Vagas bond arretiren und nach meinen Papieren fragen , und ſo
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legte ich mich denn auf das Auskraßen und rannte ſo ſchnell fort, daß der alte Nachtwächter mich nicht einholen konnte 1
und bald das Nachlaufen aufgab. Eigentlid, ärgerte es mich ſehr, daß ich ſo davon laufen mußte , denn es war dod, eine
Schande, daß ein königlich preußiſcher Huſar , ſelbſt wenn er als Schulmeiſter verkleidet war , vor ſo einem elendiglichen Nachtwädyter davon laufen mußte. Das fam aber alles von dieſer verfluchten Gefangenſchaft her , an der ich freilich keine 1
.
Schuld hatte.
Gegen Morgen fam ich nun audy an die Elbe, die ſtark im Treibeis ging, ſo daß das Herüberkommen ſehr ſchwer Wohl an zwei Stunden lief ich den Fluß herauf , bis ich endlich ein Fährhaus ſah. Id ging herein, um den Fähr leuten zu ſagen, daß ſie midy mich überlegen ſollten — da , denkt
war.
Euch meinen Schrecken , fömmt plößlich ein Unteroffizier und 10 Mann von den Rheinbündlern, die in franzöſiſchen Dien ſten waren, auf mich zu. Sdywerenoth, das war eine Patiche, in der ich ſteckte , nu dachte ich , daß es ſchon wieder mit
meiner Freiheit pfutſch war. „ Jeßt, Frize, verlier den Kopp
nich ," ſagte ich zu mir ſelber, denn mit die Beine hilft es jeßt nicht allein .
So ging ich denn ganz getroſt auf die
Soldaten zu, und grüßte den Unteroffizier und ſagte zu ihm,
daß es ein falter Morgen ſei. Der grüßte mich wieder, und ſchimpfte auf dies ſchlechte Land und ſagte, bei ihm zu Hauſe,
im Badiſchen , da wäre es viel beſſer und wärmer, und es ſei ein Luderleben, das ſie hier führen müßten , immer Tag und Nacht herumzupatrouilliren und den verſprengten preußiſchen Soldaten nachzuſpüren. Das ſprach er aber alles in ſo einem Deutſch, daß ich faum die Hälfte von all ſeinen Wors
fan verſtehen konnte, wie er denn auch mich nicht ordentlich verſtand. Gewiß fam aber dies daher, daß er bei den rhein bündleriſchen und ich bei den preußiſchen Soldaten war, und .
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die fonnten ftd) freilich nicht gut verſtehen . So ſpracy ich denn noch etwas mit dem Unteroffizier, und ſeine Soldaten die hatten ihren Spaß mit dem Sdulmeiſterlein , fragten, ob
ich den Stock auch gut regieren könne, und die Jungens auf dem hölzernen Eſel reiten laſſe. Was ſollte ich machen , ich mußte mich wohl hänſeln laſſen ; dachte aber in meiner Seel, „ na, wenn ich den Säbel nur wieder an der Seite hab, dann Tollt ihr Rheinbündler noch fühlen , wie ich den handhaben fann.“ Endlich mußte ich den Soldaten auch was aus dem Geſangbuch vorſingen , und das that ich denn ſo durch die Naſe, wie ich noch als kleiner Bube von unſerm Schulmeiſter ſeliger in Schwedt gehört hatte. Da lachten denn die Kerle nicht wenig, und auch mir ſelbſt kam dies ſo publuſtig vor, daß ich auch faſt zu lachen angefangen hätte. „Na endlich marſchirte die Patrouille denn wieder ab, ohne daß fie den mindeſten Verdacht hatten , daß ich ein
preußiſcher Fuſar ſein könne und ich war herzlich froh, als fte fidh padten. Jeßt famen auch die Fährleute, die ausges gangen waren, bald wieder zurück, und mit einem Vichhändler,
der Ochſen nach Magdeburg treiben wollte, fepten ſie mich
zuſammen über die Elbe , was des vielen Treibeiſes wegen ſchlecht ging. ,,Als ich erſt über der Elbe nicht weit von Angers münde war, fo befand ich mich wieder auf Sr. Majeſtät, meis
nes Königs preußiſchem Grund und Boden, und Kinder, da fönnt Ihr Euch wohl denken, wie mir da das Herz im Leibe
lachte. Aufpaſſen mußte ich hier übrigens noch ſehr, denn das ganze Land das kribbelte und krabbelte noch ſo von den verdammten Franzoſen herum , aber es war hier ſonſt doch ſchon anders, und ich konnte glauben, daß jeder brave Preuſ mir helfen würde, damit id bald wieder in meines Könige Rod fäme.
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„ In Angermünde, wohin ich am Mittag kam, war meines Bleibens nicht lange, denn der ganze Ort war voll von
franzöſiſchen Soldaten. Id kehrte man bloß in einein Wirths haus ein, ließ mir was zu eſſen geben und trollte mich dann weiter meines Weges. Als id) denn nu in dem tiefen Dreck
auf der Landſtraße mühſam weiter zog , da holte mich ein leichtes Mäglein ein, vor dem zwei tüchtige Braune waren . In dem Wagen aber ſaß ein alter Herr, der eben einen ſolchen
weißen Schnauzbart hatte, wie ich jezt ſchon ſelbſt trage, und dem man es gleich anſehen mußte, daß er früher Offizier geweſen ſei. Als ich nun, wie es in der Ordnung war, meinen Hut abzog , den Herrn zu grüßen , ſo ſagte der ganz freundlich : „ Will er ein Stüdlein mitfahren, Sdyulmeiſter, wenn wir eines Weges haben , dann ſeße er ſich zu dem Kutſcher auf dem Bock ." Das ließe ich mir nicht zweimal
jagen und im Augenblick war ich auf dem Bock. Da fragte mich denn nun der Herr, woher ich ſei und wohin ich wolle. Id bat ihn aber, er möge mir zuerſt ſagen, wer er ſelbſt ſei, dann wolle er ihm weiter Red und Antwort ſtehen.
Da
fluchte denn der alte perr „ Pop Mohren und Kanonen ,
er iſt ja ein verflucht neugieriger Sdylingel, fragt mich auf meinem eigenen Wagen aus, wer ich ſei. Gehört er etwa audy ſo zu den franzöſiſchen Sdynüfflern , die allent: halben jeßt bei uns herumſpioniren , dann thut es mir leid, daß ich ihn auf meinen Wagen mit aufgenommen habe.
Uebrigens kann ich meinen ehrlidhen Namen Jedermann ſagen, ich heiße Gotthelf Friedrich Wilhelm von Quißow und bin Major im Dienſt Sr. Majeſtät des hochſeligen Könige Fried rich II . von Preußen geweſen , jeßt aber Rittergutsbeſißer. So, nun weiß er es , wer und was ich bin , und dazu noch
ein guter Preuße , der es mit ſeines Königs Majeſtät treu meint.“
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,, Und wie der alte Herr ſo ſprach, da freute id ) mich ges waltig , und nahm raſch den şut vom Kopf und ſagte :
Halten zu Gnaden , Herr Oberſtwachtmeiſter, und wollen es nicht ungut nehmen , daß ich mich unterſtanden habe , Sie zu fragen. Aber ich bin ein preußiſcher pujar von dem hochlöb lidhen Regiment des Herrn Generals von Blücher Excellenz, und habe mich jeßt ſelbſt ranzionirt, um wieder unter meines Königs Majeſtät Fahnen gegen die verdammten Franzoſen zu fedyten , und da wollte ich denn doch ja recht vorſichtig ſein, daß ich nicht wieder eingefangen würde." „ Ja des ift eene andere Sache," meinte da der alte Ferr Oberſtwachytmeiſter, „da haſt Du brav gethan, aber wo Teufel fommſt Du denn in die Kleedage ? " Und nun erzählte ich
ihm meine ganze Verwundung und Gefangennehmung und wie ich den Franzoſen wieder Pfutſch gegangen wäre, und da lachte der alte Herr gewaltig und klopfte mich auf die Schul tern und ſagte : „ Da haſt Du brav gethan , mein Sohn, ſolche Kerle - ſollte unſer guter König , den Gott beſchüßen wolle , nur noch ſo ein hunderttauſend haben , dann wollten 1
wir das Racerzeug von die Franzoſen bald wieder zum Lande heraushauen. Na , Du kommſt jeßt mit auf mein Gut , da frißt Du Dich ordentlich heraus , denn wenn auch die Frans
zoſen da ſchon verflucht gehauſt haben , ſo viel iſt doch noch da, um einen Soldaten meines Königs ſatt zu machen , und
dann ſputeſt Du Dich, daß Du bald wieder zu meinem Regiment fommſt. Habe mir doch gleich gedacht, als ich Dich ſab , ſchade , daß der junge Sterl nicht Soldat iſt , ſondern Schulmeiſter, dazu find die alten, zerſchoſſenen Invaliden auch
noch gut genug.
Aber wer Teufel hätte auch in ſo einem
langen, ſchwarzen Rock einen Huſaren erkennen können . Ja, der alte Blücher , der würde auch lachen , wenn er Dich ſo ſähe.. Ha! ha ! ha ! War ſonſt eine luſtige Haut , find noch
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zuſammen Lieutenants geweſen und haben mancher Flaſche den vals gebrochen. Wer hätte aber dazumalen wohl denken
können , daß die windbeuteligen Franzoſen , die bei Roßbach ſo in das Auskraßen kamen , daß gar kein Stehen wieder in fie zu kriegen war , noch gar Magdeburg einnehmen würden. Es iſt um die Kreuzſchodſchwerenoth zu kriegen, wenn man !
nur daran denkt , und doch geben einem ſolche Gedanken
weder bei Tag noch Nacht aus dem Kopf."
So fluchte
und lachte aber auch wieder dabei der Herr Oberſtwachtmeiſter in einem fort, bis wir auf ſeinem Rittergut, was 1 Meile davon ablag, angekommen waren. Hier bekam der Verwalter nu ſcharfe Ordre , er ſolle mich mit in ſeine Stube nehmen und mir nichts abgehen laſſen, und mir ſo viel zu freſſen und zu faufen geben , wie ich man möchte. Da könnt Ihr denn denken , Kinder , daß ich es gut hatte und ein Herrenleben führte , wie es mir noch nie geworden. Oft mußte ich denn auch zu den Herrn Oberſtwachtmeiſter in ſeine Stube kommen, und demſelben viel von unſeren Gefechten und von des Herrn Generals von Blüdyer Excellenz erzählen. Da fluchte er denn 1
oft auf und hieb mit der Fauft auf den Tiſch , daß die Flaſchen und Gläſer nur ſo klirrten , wenn ich ihm erzählte,
wie Manches ſo ſchlecht gegangen ſei, weil nicht Alle ihre
Pflicht gethan und ihrem Könige ſo gedient hätten, wie nöthig geweſen wäre , und rief aus : „Aufhängen ſollte man die
Kanaillen , die den preußiſchen Namen ſo ſchänden ," oder ,, wie kann ein guter Edelmann wohl ſo ein feiger Schuft ſein ! " Wenn ich ihm aber erzählte , daß wir uns unter dem
Herrn General von Blüdyer Excellenz, doch noch immer gegen die Franzoſen gewehrt und ſie manchmal geklopft hätten, und was für luſtige Stücklein dabei vorgekommen wären, da lachte er hell vor lauter Vergnügen auf und rief : „ So is recht, das war doch noch wie preußiſche Soldaten es machen müſſen, 6
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Schwerenoth, da hätte ich dabei ſein mögen , ja, wenn mich alten Mann die Knochen nur noch tragen wollten , ich liebe mir gleich heut mein Pferd wieder ſatteln , um für meines Königs Majeſtät den leßten Blutstropfen zu vergießen , aber das verdammte Podagra und all die vielen Bleſſuren aus dem ſiebenjährigen Kriege, die machen mich ſchon zum Inva liden, " ſo ſprach er.
„ Na, an die ſechs Tage blieb ich denn bei dem gnädigen Herrn Oberſtwachtmeiſter. Da war ich denn ſo friſch und
munter wieder , daß es mich nicht länger dort litt, und ich keine Ruh mehr hatte, um gegen die verdammten Franzoſen wieder zu fechten. Der Herr Oberſtwachtmeiſter, der hatte mir einen guten, neuen Anzug, als wenn ich ein Jäger bei ihm wäre, machen laſſen und gab mir auch einen Gutspaß mit, daß id) in ſeinem Auftrag nad Pommern gehen ſollte.
Geld
wollte ich nicht von ihm haben , da ich ja noch an 2 Gold füchſe hatte, ſonſt hätte er mir auch ſolches gegeben. Und wie ich nun noch zuleßt zu ihm ging, um mich gehorſamſt für ſeine vielen Wohlthaten für mid) zu bedanken und abzumelden, da ſagte er noch : „ Erdmann, Du biſt ein braver Kerl , und sy wenn es Dir wohl wieder ſchlecht gehen ſollte, ſo komm man dreiſt wieder zu mir. So lange Du aber noch einen Säbel
rühren kannſt, ſo fechte für unſers Königs Majeſtät, dem es jeßt von allen Seiten ſo ſchlecht geht , denn das iſt Deine
verfluchte Schuldigkeit.“ Und damit ging er noch zu einem Gewehrſdırank, nahm zwei gute Piſtolen heraus , gab ſie mir und ſagte noch : „ Da hafte noch zwei Piſtolen , die ihre Schuldigkeit thun, und bei dem erſten Schuß, den Du damit gegen die Franzoſen abfeuerſt, da denfe an den alten Major von Quigow, " und damit gab er mir noch die Hand.
„ Seht, Kinder , das war noch ſo een ächter preußiſcher Edelmann, und ſo hätten ſie Ade ſein ſollen , dann wäre es
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uns 1806 nicht ſo ſchledyt gegangen. Die gemeinen Kerle, die hätten dann wohl ſchon alle ihre Schuldigkeit gethan, aber von oben her, da ſtockte es man . Na , das iſt ſchon lange her und wird wohl nicht zum zweiten Mal mit Gottes Hülfe ſo wieder kommen . Nu machte ich mich denn wieder
auf die Beine und ging auf Colberg zu. Dort ſollte ein ehemaliger Lieutenant von dem Regiment „ Königin Dragoner, " Herr von Schill, ein kleines Korps von lauter Soldaten, die
fich ſelbſt ranzionirt hatten , zuſammengebracht, und damit den Franzoſen ſchon manchen Schaden gethan haben. Gar viele luſtige Streiche, bei denen ich gern mit dabei geweſen wäre , hörte ich ſchon überall auf dem Wege nach Kolberg von dem Herrn von Schil erzählen , und ſo (putete ich mich denn tüchtig, daß ich bald zu ihm fam. „ Was wir denn Alles in Colberg machten, und wie die Franzoſen zulegt großen Reſpekt vor dem Schill'ſchen Korp8,
ſo klein daſſelbe auch war , bekamen , das erzähle ich Euch
wohl auf ein ander Mal. Für heute iſt es mit dem Erzählen aus, denn es hat auch lange genug gedauert , und mir iſt die Kehle ganz trocken dabei geworden. Damit ſtand der
Alte auf , klopfte ſeine Pfeife aus und ging dann in den Stall zu ſeinem Schwarzbleß , bei dem er überhaupt viele Stunden zubrachte. Allmählig war jeßt auch die Stunde zum Mittagseſſen
herangekommen , und hungrige Magen harrten ſchon lange ungeduldig deſſelben. Ein Soldat iſt im Felde immer hungrig, und wenn er es auch nur aus Langeweile ſein ſollte, und weil er denkt , es iſt immer gut im Vorrath zu eſſen , denn man kann nicht wiſſen , wenn es wieder was für die Zähne
giebt. Als daher die Köche ihre Mahlzeit angerichtet hatten , da brauchten ſie nicht allzulange auf ihre hungrigen Gäſte zu warten. D, wie lief das von allen Seiten zuſammen , 6*
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wie der erſehnte Ruf „ das Eſſen iſt fertig, heran , heran, wer eſſen kann“ von den luſtigen Köchen erſcholl. Aus allen Winkeln des Bauernhofes, aus Ställen und Strohböden kamen
ſte auf die Diehle herzugelaufen , da dieſe als Speiſeſaal dienen mußte , Füſeliere und Huſaren , Alles bunt durchein
ander. Selbſt der Pommerſche Füſelier, der gewiß nicht ges laufen wäre, wenn auch drei Dänen ihm auf dem Nađen geſeſſen hätten , bewegte fid) jeßt in einem kurzen Trab , damit er nicht der Lebte beim Austheilen der Speiſe wäre. „ Mad drieſt to, dee Statt löppt fünſt mit Dien Fleeſch weg Jochen ,"
riefen ihm ſpottend noch einige Kameraden zu. Es war aber auch ein gutes Eſſen , wie es der Soldat im Felde nicht alle Tage bekommt. Läßt ſich auch ſonſt über Jütland Manches ſagen, und können die Feldzüge daſelbſt von 43 und 49 bei
den Soldaten in vieler Hinſicht auch keine allzu freudigen Rückerinnerungen hinterlaſſen haben, Hunger durften ſie wahr lich daſelbſt nicht leiden. Solch gutes Rindfleiſch , wie ſie da bekamen , haben vielleicht Manche derſelben weder früher nody ſpäter nur jemals wieder zu ſehen , viel weniger gar zu eſſen bekommen .
Heute bei dem Regenwetter aber, wo ſie ihre Zeit doch
ſo nicht gut anders hinzubringen wußten, hatten die Köche aber ihr Möglichſtes gethan, eine gute Mahlzeit zu liefern. Auch hatten die Soldaten am Morgen nach gemeinſamer Bes rathung, Jeder ſechs Pfennige etwa in die Menage gezahlt, damit von der Bauerfrau Milch und Butter gekauft werden follte, um eine beſonders gute Mahlzeit zu bereiten. Zuerſt erhielt Jeder ſeinen kleinen Feldfeſſel vol trefflicher Rindfleiſch brühe, ſo kräftig und ſo ſtark, wie man ſie in einem Gaſthauſe, und führt daſſelbe auch noch ſo einen vornehmen franzöſiſchen Namen , und laufen die Kelner gleid aufgepupten Affen noch ſu elegant umher, nie bekommen wird. Die wärmte bei dem
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kalten Regenwetter recht gut, und es war ein Vergnügen zu zuſehen , wie behaglich ſchmaßend und die Zunge danach ledend, die Soldaten dieſelbe mit ihren fleinen Blechlöffeln auss
löffelten .
Auch der Lieutenant, dem ſein Theil vorab auf
einer großen , irdenen Schüſſel geſchöpft worden war, mußte fich geſtehen , daß er ſolch eine Suppe noch nie in Berlin, geſchweige denn an dem nicht gerade ſehr ſukulliſch ausge 1
ſtatteten Offizierstiſch feiner gewöhnlichen Garniſon gegeſſen
hatte. Nach der Suppe ging es an die Vertheilung des Rindfleiſches, von dem jeder Soldat ' %. Pfund bekam. Das ging denn nicht ohne Spaß und vieles Gelächter ab. Das große Stück , welches jede Menagenſchaft erhielt, ward nämlich mit ſtrenger Unpartheilichkeit in ſo viel gleiche Stücke geſchnitten , wie dieſelbe Mitglieder zählte. Da aber doch nicht alle Stücke gleich gut ſein konnten , ſo mußte ein Soldat den Rücken drehen und einen Kameraden ſo beſtimmen, welchen das und jenes Stück, worauf derſelbe mit dem Meſſer hindeutete, haben ſollte. So kann kein Zanf entſtehen , mit völliger Unparthei
lichkeit geſchieht die Vertheilung, und einen Spaß, der viel zu lachen macyt, giebt es auch oft noch dabei. Wer übrigens von ſparſamer Natur iſt, der verzehrt ſein Fleiſchſtück nicht gleich ganz beim Mittagseſſen , ſondern hebt ſich ein Stück .
davon für den Abend auf, daß er alsdann etwas zu ſeinem Brod zu eſſen hat. Nach dem Fleiſch gab és heute eine Mehlſpeiſe und die ſchmeckte den Soldaten gar föſtlich. Mehl dazu hatte man geliefert bekommen, und Mildy, Eier und Butter von der Bauerfrau gekauft. Zwar war man in Fein desland und die jütiſchen Bauern betrugen ſich nichts weniger wie freundlich gegen die deutſchen Soldaten , aber preußiſche
Truppen ſind keine Freikorps, die das Bezahlen ſtets zu um gehen ſuchen. Ganz den vollen Marktpreis mochte die Frau hier auch wohl nicht bekommen haben, doch erhielt ſie baarės
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Gilbergeld und war der weiteren Mühe des Verkaufens ja überhoben, und ſo konnte ſie, in Betracht der Umſtände, denn ſchon vollauf zufrieden ſein.
Die fette Mehlſpeiſe ſchmecte den Soldaten ganz vor: trefflich und war auch ein ſo gutes Eſſen , wie man es wahrs lich nicht alle Tage ſo bekommt. Unter den Füſelieren diente
Einer, der von Profeſſion ein gelernter Koch war, und der hatte denn die Oberaufficht bei der Bereitung derſelben ges führt und darauf geſehen , daß fie recht weich und ſchmalzig wurde. Und auf tüchtigen Appetit hatte man ſich auch dabei
vorgeſehen . Es gab nicht ſo kleine Portionen wie in einer Berliner Reſtauration, daß man ſie gleich ſo mit einem Schlud in den Mund nehmen konnte, ſondern tüchtige Schüſſeln voll, die ſchon einem herzhaften Andringen vieler hungriger Magen Stand halten konnten.
Doch auch ſie wurden leerer und
leerer, und immer ſchärfer ſchrabbten die Löffel auf dem Rand,
noch ſo ein Bischen von der daran geklebten, braunen Kruſte abzulöſen.
„Dat wier een Mittagsbrod , da fünn man damit to fräden finn ,“ meinte endlich der Pommer, und ſtrich ſich bes baglich über den wohlgefülten Bauch und machte einen Knopf
nach dem andern von ſeiner Leinewandsjacke dabei auf. „ Des ſlaube ich, dat des Dir jut jeſchmeckt hat, “ ſpöttelte der Berliner Schneider, , bei Euch in Hinterpommern da jicht es auch nicht anders, wie Kartoffeln in der Pulle."
„Na Du halb verhungerter Berliner Schneider, ſchwieg man ja ſtidl, wat bie uns dee Katt in een Mahltiedt vertehrdt, daran mööt jie in Berlin dree Tage läben ," entgegnete der gereizte Pommer wieder, der ſtets unwillig ward, ſobald man ſein Geburtsland nur im Mindeſten anzugreifen wagte. So nedte und necte man ſich gegenſeitig fort und fort, und die Späße waren oft gerade nicht die zarteſten und die Wiße die
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íchärfſten , obgleich fie ſtets ein lautes Gelächter hervorriefen . - Soldaten, die bei Regenwetter in einem jütländiſchen Bauerns hauſe einquartiert ſind , nehmen 'es mit ſolchen Dingen nicht ſo genau und ſind in geiſtiger Unterhaltung gar leicht zu be friedigen. Nach und nach hatte fich übrigens die größere 1
Mehrheit aller Soldaten wieder behaglich auf die Streu hin
geſtreckt, ein Nachmittagsſchläfchen zur beſſeren Verdauung zu madyen . Sdílafen und Effen, Eifen und wieder Schlafen, was ſoll man auch in ſolchem einſamen Bauernhauſe bei Regens
wetter viel anders machen, wenn der Dienſt nicht in Anſpruch nimmt und alſo überflüſſige Zeit vollauf vorhanden iſt. Der plößliche Hufſchlag eines Pferdes ſchreckte Viele der Schläfer ſogleid) auf. Ein Huſar, der als Ordonnanz ges ſchict war , laß ab und fragte nach dem Lieutenant, dieſem
auf dienſtmäßige Weiſe einen verſiegelten Dienſtbrief zu über geben. Der Mantel des Fuſaren triefte nur ſo von Regen,
während ſeine Hoſen und Stiefeln wie mit Lehm überzogen waren, ſo arg hatte der Dreck der faſt grundloſen Wege ihn angeſprigt.
Und nun gar fein Pferd , das ſah aus , man 1
konnte wirklich kaum erkennen, ob es ein Fuchs oder Brauner war , ſo naß und ſdymußig war Ales. Da gab es wieder tüchtiges Pußen , bis es ſo rein wieder wurde , daß der viſitirende Unteroffizier fich den weißen Waſchhandſchuh auch nicht im Mindeſten ſchmußig machte, wenn er mit den geboges nen Knöcheln der Hand aufwärts gegen das Haar fuhr. Zwei Meilen hatte der Huſar zu reiten gehabt, und in den
ſchlechten, jütiſchen Wegen bei ſo abſcheulichem Regenwetter, können Roß und Reiter dann freilich nicht mehr in parades mäßigem Zuſtand ſein . Neugierig drängten ſich alle Soldaten um den angekommenen Huſaren, von ihm etwas Beſonderes zu erfahren , und gar manche Schnappsbouteille wurde ihm zugereicht, damit ſie die Zunge löſen helfe. Den Schnapps
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tranf er nun freilicy, beſonderes erzählen, oder nur den Grund angeben , weshalb er den Brief gebracht, that er aber den: ungeachtet nicht, und zwar -- weil er ſelbſt nichts davon wußte. Ein gar wichtiges Geficht machte aber der Herr Lieutes
nant, und ein Strahl der Freude zuckte darüber , wie er den Inhalt des Dienſtbriefes geleſen hatte. Weiter aber ſprad er
kein Wort über den Inhalt, und ſelbſt ſein neugieriger Burſche, der ihn durch allerlei Fragen zu entloden ſuchte, was in dem
ſelben geſtanden hatte, wurde ſehr kurz abgewieſen. Auf Bes fehl des Lieutenants mußte übrigens ein anderer Huſar von der Station ſein Pferd ſatteln, um den aufs Neue verſiegelten Dienſtbrief an den nächſten Poſten wieder zu bringen.
Daß
fich gerade Freiwillige zu ſolchem beſchwerlichen Ritte, bei dem feine beſondere Ehre zu gewinnen war, gemeldet hätten , müßte nan läugnen. Selbſt derjenige, dem die Tour dazu traf, konnte einen leiſen Seufzer und halblauten Fluch darüber, nicht unterdrücken, als er ſein Pferd aus dem Stall zog. ,,Weeß aber auch der Teufel , was jeßt in die Sterle ges fahren iſt ," donnerte der alte Unteroffizier Erdmann ihn an,
der dies gehört hatte , „will der noch gar brummen , weil er im Regen reiten ſoll, wenn Sie nicht machen , daß Sie im
Augenbliď im Sattel ſind , dann ſollſte mal ſehen , wie ich 1
Dir hinaufhelfe.“ Und wie der Bliß faß der Huſar jeßt im Sattel und trabte ſchnell von dannen , den gefürchteten , wei teren Vorwürfen des Alten zu entgehen. Gegen 6 Uhr Abends rief der Lieutenant den Huſaren Unteroffizier zu fich und gab ihm im Geheimen einige weitere Befehle, die dieſer mit vor Freude ſchmunzelndem Geſicht ans hörte. Sein Befehl, daß die Pferde ſogleich abgefüttert werden ſollten, erregte viel Neugierde, und einige gar zu vors laute Fuſaren wagten fogar , nach dem Grund davon zu fragen. „ Was geht das Euch an , Donnerwetter, wie kann
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ein Soldat nur nach dem Grund fragen , warum er etwas thun foll, es is eenmal ſo befohlen und damit is et gut,“
war die Antwort, die ſie vom alten Erdmann erhielten. Endlich gegen 8 Uhr Abends , wie die Sonne ſchon untergegangen war und mander Soldat ſich don die beſte Stelle in der Streu für die Nacht ausgeſucht hatte , erſcholl der Ruf des Lieutenants : ,,Unterofficiere, laſſen Sie die Leute
ſchnell antreten , wir marſchiren ſogleich fort.“ Das fiel wie eine Bombe unter die Soldaten und änderte ſogleich das
ganze Treiben derſelben. Weld Lében kam jeßt unter Alle, wie tummelten fie fid ), um ja recht bald mit Sack und Pack
in Reih und Glied treten zu können. Und gar die puſaren,
die mußten ſich in ihren engen Ställen , in denen die alten ſdymußigen Hornlaternen nur ein trübes Halbdunkel verbreites ten, ſehr eilen, mit der Sattelung und Zäumung ihrer Pferde fertig zu werden. Der Erſte, wie immer hierin , war wieder
der alte Unteroffizier ſelbſt, der dann noch fluchend und ſcheltend die Anderen zur größeren Eile antrieb , oft auch ſelbſt mit band anlegte, einen etwas ungeſchickten oder langſamen pu
ſaren noch zu helfen. Es dauerte auch nur kurze Zeit , ſo faßen die Huſaren alle auf, und die Füſeliere traten in Reih
und Glied an. Die Mantelfragen wurden hodi heraufgezogen, die Hoſen in die Stiefeln geſteckt, und ſo konnte man es denn ſchon mit dem Wetter aufnehmen . Aber ein Wetter war es audy, wie man es fich kaum ſchlechter denken fonnte ; der
Regen, der goß nur ſo herunter, und der Wind fuhr heulend mit ſcharfen Stößen dazwiſchen. Solch ein Wetter war aber günſtig für den kleinen Ueberfall, den man vorhatte. Man wollte nämlich verſuchen , die Mannſchaft von den däniſchen Kriegsſchiffen, die, wie man wußte ,1 in der Nacht oft an das Land ging, fich mit Lebensmitteln zu verſorgen, abzuſchneiden .
und ſo gefangen zu nehmen. Schon am Nachmittag batte
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der Lieutenant den Befehl dazu bekommen , aber denſelben bis auf den leßten Augenblick verborgen gehalten , damit die jütiſchen Bewohner des Bauernhofes nichts davon verſpürten. Faſt alle Jüten dienten nämlich den Dänen als Spione, und auf die verſchiedenartigſte und oft ſehr ſchlaue Weiſe wußten fie den däniſchen Truppert ade Nachrichten , die ihnen von Nußen ſein konnten, mitzutheilen. Auch jeßt noch ward der Marſch in einer ganz anderen Richtung, als welche man beabſichtigte, angetreten , und auch den Soldaten nichts von dem eigentlichen Zwecke deſſelben geſagt. Daß dieſelben ſich alle in einer beſonders luſtigen Stimmung befanden, läßt fich gerade nicht ſagen. Das Wetter war auch gar zu ſchlecht und der Weg zu abſcheulich für ſo
einen Nachtmarſcy, von dem man weder Zweck noch Ziel nicht einmal weiß. Bis über die Knöchel patſchten Alle in dem
Dred umher, und derſelbe war oft ſo zähe , daß man die Füße nur mit Mühe herausziehen konnte. „ Ja , des nenne ich mir ein Vergnügen , dies iſt jrade ſo , als wie au einem ſchönen Sonntag Nachmittag mit ſeiner Geliebten am Arm ,
in den Thierjarten ſpazieren zu jehen , dort eine fühle Blonde zu trinken," meinte der Berliner und patſchte eben dabei in ein großes Waſſerloch , daß es nur ſo um ſeine Nebenleute
herumſprißte. „ So lat dod dien od Berlien ut dem Kopp und füh hen, wo Du geibſt “ brummte verdrießlich ſein Nebens
mann , der Pommer , der eine ganze Ladung flüſſigen Dreď dabei in das Geficht bekommen hatte. „ D , welche Luft Sol dat zu ſein , " trällerte in grimmiger Jronie ein junger Frei williger jegt vor fich hin. „ So fangt doch das Singen an, Leute," ermahnte der Lieutenant , es hilft Euch den Weg vers fürzen. Ja, Herr Lieutenant , wir wollen es mal verſuchen, ich fürcht aber, es wird faum gehen , der Wind treibt uns die Worte ins Maul hinein , und die Zähue vielleicht dazu
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noch . Nu , wir wollen aber mal anfangen , eine wäßrige Melodie wird es aber jedenfalls werden , rief der Soldat, der gewöhnlich den Vorſänger machte. Alſo hört zu , Kames raden ., und fallt mit ein , und in einer Art von zornigem
Humor begann er mit mächtigem Baß , und bald ſtimmten , ſo gut es gehen wollte, die Anderen mit ein : „Ein Schifflein ſah ich fahren,
Kapitain, Lieutenant, Kapitain, Lieutenant, Darinnen waren geladen ,
Drei tapfere Kompagnien Soldaten. Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel, nimm das Mädel bei der Hand . Suldaten, Kameraden, Soldaten, Kameraden .
Was ſollen die Soldaten eſſen ? Kapitain, Lieutenant, Rapitain, Lieutenant,
Gebratene Fiſch mit Kreſlen, Die ſollen die Soldaten eſſen .
Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel , nimm das Mädel bei der Hand. Soldaten, Kameraden, Soldaten , Kameraden . Was ſollen die Soldaten trinken ? Rapitain, Lieutenant, Kapitain, Lieuteuant,
Den beſten Wein, der zu finden, Den ſollen die Soldaten trinten .
Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel , nimm das Mädel bei der Hand. Soldaten, Kameraden, Soldaten , Kameraden .
Wo ſollen die Soldaten ſchlafen ? Kapitain, Lieutenant, Kapitain Lieutenant,
Bei ihren Gewehr und Waffen, Da ſollen die Soldaten ſchlafen.
Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, imm das Mädel, nimm das Mädel, nimm das Mädel bei der @and . Soldaten, Kameraden, Soldaten , Kameraden .
92 Wo ſollen die Soldaten tanzen ?
Kapitain, Lieutenant, Kapitain, Lieutenant, Bei Magdeburg auf den Schanzen, Da ſollen die Soldaten tanzen. Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel , nimm das Mädel bei der Hand . Soldaten, Kameraden, Soldaten, Kameraden . Wie kommen die Soldaten in den Himmel ? Kapitain, Lieutenant, Kapitain, Lieutenant, Auf einem weißen Schimmel, Da reiten die Soldaten in den Himmel.
Kapitain, Lieutenant, Fähnrich, Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel , nimm das Mädel bei der Hand . Soldaten, Kameraden , Soldaten , Kameraden.
Wie kommen die Offiziers in die Höllen ? Kapitain, Lieutenant, Kapitain , Lieutenant,
Auf einem ſchwarzen Fohlen, ; Da kommen die Offiziers in die Höllen . Rapitain, Lieutenant, Fähnrich. Sergeant, Nimm das Mädel, nimm das Mädel , nimm das Mädel bei der Hand . Soldaten, Kameraden , Soldaten, Kameraden .
So fangen die Soldaten , ſo gut es gehen wollte , in Nacht und Regen und Sturm hinein. Und der Weg ward ihnen nicht mehr ſo beſchwerlich und das Wetter dünfte nicht mehr ſo ſchlecht, denn bei dem luſtigen Geſang ertrugen ſich alle beſchwerlichen Strapagen mit leichter Mühe. Endlich war man bei einem Kreuzweg angekommen, und hier ließ der Lieutenant balt machen, da eine andere Abtheis
lung hier erwartet werden ſollte. Jeft theilte er denn auch der Mannſchaft den Grund des nächtlichen Ausrückens mit, und mit Freude ward derſelbe angehört. War es doch eine kleine Unternehmung, hatte man doc) Hoffnung mit den Feins den zuſammen zu kommen , und wenn ſolche Ausſicht ihm
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offen iſt, wird ein preußiſcher Soldat ſtets munter und luſtig ſein. Was darf ihn dann audy Regen und Sturm und Kälte wohl fümmern, er wird an ſolche Kleinigkeiten faum denken ,
denn die Hoffnung, ja recht bald fechten zu können, wird alle ſeine Gedanken ausfüllen.
Wie waren auch jeßt , als ſie dies gehört hatten, die Füſeliere und Huſaren plößlich ſo munter und luſtig geworden, daß ſie bei all dem Regen und Wind, und in dem dreckigen Boden hätten tanzen und ſpringen mögen. „Ja , wenn dat nu oď nah vähl arger regnet , nu ſag ich od feen Wort miehr daröber, da dat gegen den Dänen
geiht,“ meinte ein Füſelier und alle ſeine Kameraden ſtimmten ihm bei. Eine arge Geduldsprobe ſtand ihnen aber noch bevor, denn ſie mußten vielleicht noch einige Stunden hier warten, und dabei durfte fein Wachtfeuer angemacht und nicht geſun
gen, ja nicht einmal geraucht oder allzulaut geſprochen werden, um den Feinden, oder deren Kundſchaftern , nicht den Plaß zu
verrathen. Eng hinter einer Hede, die doch einigen Scu
gewährte, fauerten ſich die Füſeliere zuſammen , während auch die Huſaren abſaßen , und ſich und ihre Pferde hinter einem
Grabenufer zurückzogen, nachdem zuvor die nöthigen Vorpoſten ausgeſtellt waren. Dies iſt jeßt wieder ſo recht ein Pläßchen
zum Erzählen , Papa Erdmann, meinte der junge Freiwillige bei den puſaren, der ſich neben dem Unteroffizier hingefauert hatte, dieſem die Rumflaſche reichend, res wird ſonſt gar zu lang hier mit dem Warten . "
,,Na, wenn Ihr es denn wollt, dann will id) Euch noch ſo
ein Stündchen erzählen ; es iſt wahr, die Zeit geht beſſer dabei hin ,“ ſchmunzelte der Alte, der jeßt in beſonders guter Laune war, da er hoffte noch ſo, wenn das Glück gut ging, ein kleines Gefecht mit den Dänen zu bekommen. Da könnt Ihr
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denn auch gleich lernen, daß Huſaren es im Kriege oft noch viel ſchlimmer haben , wie wir hier jeßt, obgleid, der Regen oft ein Bischen ſtark iſt. Alſo hört ſcharf zu, denn allzulaut darf ich nicht ſprechen , da der Herr Lieutenant dies verboten
hat. Wo war ich denn noch heute Morgen ſtehen geblieben ? Ja, ſo iſt es recht, wie ich ſo nach Colberg wollte.
„ Ohne daß die Franzoſen mir was anhaben konnten, ging ich denn nu über Perleberg und Wittſtoc in das Pommeriche hinein.
In was für Orte und Dörfer ich auch
fam , überall ſah ich franzöftſche Soldaten, die da wirthſchaftes ten, als wenn fie die Herren wären, und das preußiſche Land
ihnen man ſo zu eigen gehörte, und ſie darin thun konnten, was ſie wollten. Das könnt Ihr denn wohl denken Kinder, wie das mich giftete , als ich ſo in meines gnädigen Königs Land all dies fremde Geſindel fand. Oft hätte ich gerne mit meinem Stod dazwiſchen geſchlagen und mußte mich ordent lich zuſammen pariren , daß ich dies nicht that. Aber wartet man Ihr Kerle dachte ich, aufgeſchoben iſt nicht aufgehoben" und es kommt noch mal wieder die Zeit, wo Ihr von den
Preußen die beſten Schmiere friegt. Ueber meine Papiere ward ich oft gefragt, da ich aber einen ordentlichen Gutspaß von dem Herrn Oberſtwachtmeiſter hatte, ſo mußten ſie mich wohl in Ruh und Frieden laſſen . So kam ich denn glücklich
auch in die Stettiner Gegend, und je näher ich nach Colberg fam, deſto mehr hörte ich ſchon von dem Herrn Rittmeiſter
von Schill, denn dazu hatte unſeres Königs Majeſtät deus
ſelben ſchon gemacht, ſprechen. Nur wenige Leute, meiſt ſo Selbſtranzionirte, wie ich Einer war, ſollte der bei fich haben, aber doch hatte er den Franzoſen ſchon vielen Schaden ge than, und manchen Offizier von ihnen ſchon gefangen ges
nommen . Wenn fich das ſo die Leute erzählten, ſo freuten fie fich ſehr, denn in Pommern da gab es auch dazumalen
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kein Menſchenfind faſt, was nicht gut preußiſdi geſinnt war, wie es auch die verdammte Schuldigkeit iſt. Wenn ich das aber ſo von dem Schill hörte, da fönnt Ihr denken, wie ich
mich freute und wie id) troß der furzen Tage und ſchlechten Wege zutrabte, daß ich bald zu ihm kommen könne. Id war nur ſo das Marſd,iren nicht recht gewöhnt, da wir Huſaren ja ſtets auf unſeren Pferden fißen , und ſo konnte ich doch nicht ſo raſch vorwärts kommen, wie ich wohl gemocht hatte.
Dazu mußte ich mich jeßt ſehr vor den Franzoſen in Acht nehmen , die überall haufendick herumlagen , und oft weite Umwege machen, daß ich nicht mit ihnen zuſammen traf. Da jekt viele Gefangene, die ſich ſelbſt wieder ranzionirt hatten, nach Colberg gingen , ſo hatten die Franzoſen auch alle, welche dabin wollten , große Aufmerkſamkeit, und ließen Steinen dahin durch). Mand braven Kerl, der ſich mühſelig bis das
hin durchgequält hatte, und jeßt hoffte ſeinem König bald wieder in Ehren dienen zu föunen , nahmen ſie aufs Neue
wieder beim Kragen , ſchickten ihn nach Frankreich, oder ſtedten ihn audy in Regimenter, die weit weg in ihren Ländern , die
über der See lagen, gegen die Schwarzen fechten mußten.
Das
mit mir aber nun dies auch nicht paſſiren ſollte, war die großte
Vorſicht nöthig und es hieß ſtets Augen und Ohren wohl offen halten.
„Eines Abends aber , gerade zwiſchen Weihnachten und Neujahr war es, hatte id Nachtlager in einem Dorfe genom men, was nicht weit von Greifenberg lag. Ein Bauer , auch noch ſo ein braver Kerl , der die Franzoſen wie die Teufel haßte , hatte mich bei ſich aufgenommen, und mich auf dem Heuboden tief unter Heu verſteckt, da am Nachmittag eine ganze Kompagnie von den Rheinbündlern , die es auch dazu: malen leider mit dem franzöſiſchen Kaiſer hielten , im Dorfe geweſen war. Vor dieſe Rheinbündleriſchen , die meiſt aus
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dem badiſchen und bairiſchen Lande waren , mußte man ſich
aber oft noch mehr in Acht nehmen , wie vor den Franzoſen felbſt, da fie größere Aufmerkſamkeit auf den Dienſt hatten , und auch die deutſche Sprache beſſer verſtehen konnten . Na
die Zeit wird hoffentlich auch nidyt wieder kommen , wo die
Baiern und Badner und Württemberger und Sachſen, und wie die anderen kleinen Länderfens noch alle heißen mögen,
ſich mit den Franzoſen gegen uns Preußen verbünden. Freilich die Soldaten derſelben konnten nichts dafür, und deren Schuls
digkeit war es, Ordre zu pariren , aber eine Schande bleibt
es doch , daß ihnen nur ſo etwas befohlen werden konnte. Um aber wieder auf den Abend zu kommen , wo ich bei dem Bauer nicht weit von Greifenberg mich verſteckt hatte, ſo war
es ein bitterböſes Wetter, an dem man keinen pund unnütz herausjagen mochte. Ein Schneegetreibe, daß es man ſo eine Art hatte, und dazu ein kalter Wind , der ganz anders pfiff, wie der jeßt hier an dieſem Abend. Wir wollten uns eben
zur Ruh legen, und der Bauer hatte mir ein Lager aus alten Säcken oben auf dem großen Kachelofen, der noch warm war,
gemacht, da trappelte es mit einem mal ſo auf dem Hofe, wie von Soldaten. Herr Gottſaferment, dachte ich, das ſind
gewiß wieder die verfluchten Franzoſen, die herumſpionieren, und huſchte flink vom Ofen herunter, um mich wieder zu ver ſteden. Da bullert es plößlich an die Hausthür , als wolle man ſie einſchlagen, und laute Stimmen riefen : „ Aufgemacht, aufgemacht, Donnerwetter, Schwerenoth macht bald auf ! " Daß dies keine Franzoſen oder Rheinbündler waren , konnte man gleich an der Sprache hören , und der Bauer lief daber raſch heraus um aufzumachen . An die 18-20 Mann kamen darauf gleich in die Stube, und forderten den Bauer auf, er folle ihnen was zu eſſen geben , da ſie es vor Hunger nicht mehr aushalten könnten. Ehrliche Bezahlung ſolle ihm 1
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werden, aber ſputen müſſe er ſich, denn ſie wären gute Preua Ben, die für ihren König fechten und heute nodi einen Fang thun wollten. Kinder , als ich dies hörte , da hatte ich eine Freude, wie noch nie im Leben, ſelbſt dazumal nicht, wie mich der Herr Rittmeiſter zum Korporal gemacht hatte. Wie eine
Kaße ſo flink war ich wieder vom Boden herunter und in die Stube, um mich bei dem Herrn Offizier, der dies Kom mando führte, zu melden. Ich hatte gat feine Hoſen mal an , denn da dieſe naß geworden waren , hatte ich fte zum
Trođnen an den Ofen gehängt ; abet in meiner Freude dachte ich jeßt gar nicht daran, und lief ſo , bloß mit Waſſerſtiefeln, 1
Hemd und grüner Jacke auf dem Leib , in die Stube. Da könnt Ihr denn denken , daß all die Kerle, die darin waren, laut zu lachen anfingen und ausriefen : „Was iſt das für Einer, der ohne Hoſen kommt," oder das iſt gewiß ein Frans zoſe , der Pardon haben will, die Kerle ſollen ja oft auch keine Hoſen tragen ," und was ſo ähnliche ſpiße Redensarten waren.. Es leuchtete mir dann Giner ſo recht ſcharf mit dem
Kienſpahn in das Geſicht, und ruft ſogleid aus : ,,Soll mich der Teufel holen, wenn das nicht der Unteroffizier Erdmann von unſeren Blücherſchen Huſaren iſt ? " Und richtig, ich er fannte auch in ihm einen Huſaren von unſerer Schwadron,
einen Kerl, den ich idjon oft manchen Hieb aufgezählt hatte, denn er war in der Garniſon ein Ausbund voll Streiche,
obgleich er ſich bei Fena ſo brav geſchlagen hatte, wie man
es nur von einem preußiſchen Huſaren verlangen konnte. Aber al die Hiebe waren jegt vergeſſen , und ich freute mich, den Kerl wieder zu ſehen , als wenn er mein beſter Bruder geweſen wäre. Der ſagte mir nun , daß ihr Offizier, ein Lieutenant von Gruben , auch bald bereinkommen werde, bei dem ſolle ich mich dann nur melden , der würde mich gern bet fidy aufnehmen. Sie wären von der Sdaar , die Herr 1
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Lieutenant von Shill, den des Königs Majeſtät Gnade jest außer der Tour zum Rittmeiſter avancirt hätte , in Colberg
geſammelt , und wollten dieſe Nacht noch einen Fang thun, Na, das war denn ſo rechtes Waſſer auf meine Mühle , und ich ſuchte ſchnell, daß ich meine Hoſen wieder fand , um mich bei dem Herrn Lieutenant melden zu können . Eben hatte ich erſt ein Bein in der Hoje, da kam derſelbe in die Stube. Noch mit offenen Hoſen ging icy nu auf ihn zu und meldete 1
gehorſamſt, daß ich der Unteroffizier Frige Erdmann von der Leibſchwadron des hochlöblich von Blücherſchen Huſaren -Regi ments ſei, der bei Lübeck verwundet und gefangen genommen worden, jeßt ſich aber ſelbſt ranzionirt habe und nach Colberg
wolle, um dort wieder Dienſte zu nehmen. Und wie ich das geſagt hatte, da ſpringt der Huſar von unſerer Schwadron, der immer ſchon mit dem Maul vorweg geweſen war , hinzu, und ſagt ganz ungefragt: Ja, Þerr Lieutenant, das iſt ſchon wahr, ich kenne den Unteroffizier Erdmann und will für ihn bürgen , daß er ein braver Mann iſt.“
War das ein Kerl,
ſo mir nichts dir nichts mit einem Herrn Offizier zu reden ,
ohrie von demſelben gefragt zu werden. Beim Regiment hätte er von Rechtswegen einige Hiebe für ſolche Frechheit bekommen , hier freilich nahm man es nicht ſo genau damit. Während deß hatte ich auch meine Hoſen nun ganz ange:
zogen, wobei der Herr Lieutenant viel gelacht hatte 1, und ſo klopfte er mir denn auf die Schulter und ſagte: „ Das iſt recht von ihm, daß er ſich ſelbſt ranzionirt hat, um ſeinem .
König treu und ehrlich, wie ein preußiſdier Huſar zu dienen . Komm Er nur mit uns nach Colberg, brave Kerle können wir nicht genug dort bekommen, und heute Nacht kann Er gleich noch ein Probeſtück mit ablegen .“ „ Na, Kinder , da fönnt Ihr Euch denn wohl denken, wie ich vergnügt war , daß ich wieder unter dem Kommando .
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eines Offiziers von meinem gnädigen König gegen die Fran zoſen fechten konnte. Seßt hatte auch der Bauer einen gros Ben Topf voll Eierbier gemacht, den tranfen die Soldaten aus und aßen ihr Stücklein Brod dazu. Schwerenoth , wie ſaben aber die Kerle aus , kaum hätte man ihrem Ausſehen
nach glauben können, daß ſie die Ehre hatten, Soldaten Sr. Majeſtät des Königs von Preußen zu ſein. Der Eine trug
eine Uniform von den Füſelieren , der Andere von den Gres nadieren oder Küraſſieren , ja Manche hatte ſogar Mäntel an , die früher den Franzoſen oder Rheinbündlern gehört 1
haben mußten. Selbſt Hoſen und Müßen vom Civil trugen
Einzelne , während Andere wieder blanke Helme auf dem Kopf, und große Kanonen- oder lange Waſſerſtiefeln an den Füßen hatten.. Ordentliche Bandeliere und Patrontaſchen
hatten die Wenigſten mehr , ſondern trugen ihre Patronen in einem Leinenbeutel, der mit einem Strick um den Leib
gebunden war , wie auch welche ihre alten , roſtigen Säbel 1
und Seitengewehre, die noch aus der Schwedenzeit, oder doch aus dem ſiebenjährigen Krieg herſtammen mußten , mit einem Strick umgebunden hatten. Von Gewehren konnte man audy allerlei Art hier ſehen , Musketen und Dragoner-Karabiner,
Piſtolen und feine Jagdbüchſen , wie ſie vornehmen Civiliſten gehört hatten. Und von dem Zopf, auf den dazumalen doch noch ſo viel bei den Soldaten gehalten ward , konnte man bei Allen auch nicht das Mindeſte ſehen, und ſelbſt der Offi Ich fann mir denken , was wohl die
zier hatte keinen.
Berliner für Augen gemacht hätten , wenn man ihnen nur ſo ein halb Jahr vorher uns gezeigt, und dabei geſagt hätte,
daß wir königlich preußiſche Soldaten wären. Ja, ſo eine verlorene Bataille, wie die bei Jena , und all das andere Unglück dazu, was bald nachher fam, das kann freilich vieles
umändern, und manch guter Zopf mußte dabei verloren gehen. 7*
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„Na , ſaben wir denn auch von Außen her nicht wie königlich preußiſche Soldaten ausſehen ſollten, nämlich propre und adret aus , ſo ging das unter dieſen Umſtänden freilich nicht anders. Meiſt waren es ſelbſtranzionirte oder ſonſt vers ſprengte Soldaten, die ſich hier ſo wieder zuſammen gefunden hatten, und die fonnten freilich keine ordentlichen Uniformen und Waffen mitbringen und in Colberg ſollte es auch ſehr daran fehlen. Das war man ſo eine kleine Feſtung ohne
Zeughäuſer und andere große Vorräthe, und doch haben die Franzoſen dieſelbe mit aller Gewalt nicht einnehmen können, obſchon fie ſpäter viel Pulver davor verknallten. „Brave Kerle waren es übrigens, zu denen ich jest ges kommen war, und ein gutes preußiſches Soldatenherz , wie es fich gehört, hatten Ade unter ihren abgeriſſenen Uniformen,
das konnte man ihnen gleich anmerken. Was die feigen Hunde oder ſonſt nichtsnüßigen Schufte waren , die hatten ſich jest hinterm Ofen verkrochen und waren froh, daß ſie auf dieſe
Art vom Soldatenſtand abgekommen waren , und nicht mehr da zu ſtehen brauchten , wo die Kugeln pfiffen. Alle aber, die zu dem Herrn Rittmeiſter von Schil gekommen waren, hatten das Herz auf dem rechten Fleck, obſchonſt auch vielleicht mancher luſtige Bruder darunter fein mochte. „Als die Soldaten ſich denn nun wieder etwas in der warmen Stube und bei dem Eierbier durchgewärmt hatten, und
der Herr Lieutenant die nöthigen Erkundigungen, wie viel Fran zoſen am leßten Tag hier im Dorfe geweſen wären, eingezogen, ward der Aufbruch wieder befohlen . Zuvor ſollte dem Bauer aber ſein Gierbier bezahlt werden ; der aber ſagte: „ Wenn ich
auch man ein Bauer bin, und die Franzoſen mich jeßt genug plagen, und wenn es noch lange ſo fortgeht, zum armen Mann machen , ſo will ich doch von preußiſchen Soldaten, die für ihren König gegen die Franzoſen noch fechten wollen ,
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feinen Groſchen annehmen, ſo lange ich ſelbſt noch ein Stück. lein Brod habe."
Kerl war. Und unſer Herr Lieutenant, der gab ihm die Band und ſagte, das ſei recht von ihm geſprochen und gethan, und wir Soldaten bedankten uns denn noch recht vielmals bei ihm . So zogen wir denn ab in die Nacht hinein, und lud ich noch
mals aufs Neue wieder meine Piſtolen , die mir der Herr
Oberſtwachtmeiſter gegeben hatte, daß ſte ja gut in Ordnung waren, wenn ich den verfluchten Franzoſen eins damit auf den Pelz brennen wollte. Da ich noch keinen Säbel hatte, ſo gab mir der Bauer noch einen tüchtigen eichenen Knüppel mit, und damit konnte ich es denn gegen einen ſolchen winds
beuteligen Franzoſen wohl aufnehmen, obgleich mir freilich ein
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Seht, Kinder, ſo ſprach dazumalen der
pommerſche Bauer, und zeigte dadurch, daß er ein guter
tüchtiger Huſarenſäbel lieber geweſen wäre. Ein Mordwetter war es, wie wir auszogen, ganz anders wie jeßt hier, wo es freilich auch nicht allzuſchön iſt. Es war eine Kälte von 8-10 Grad, und dazu pfiff der Wind ſo, als wenn er einen mit Meſſern ſchneiden wollte. Alzu viel warme Kleidung hatte auch keiner von uns Burſchen auf dem Leibe, und da war es denn fein Wunder, daß uns oft die Zähne
vor Froſt ſo klapperten , daß wir einen Marſch damit hätten ſchlagen können. Nachdem wir wohl an zwei Stunden marſchirt waren, kamen wir in ein Holz und da konnte uns wenigſtens der Wind nicht mehr ſo anblaſen. Jeßt ſagte uns aber der Herr Lieutenant, er habe durch Rundſchafter erfahren, daß die
Franzoſen hier am frühen Morgen mit einem Wagentransport von Lebensmitteln durdykommen würden, und er wolle hier
ung in Hinterhalt legen , daß wir ſie abfangen könnten. Dies war uns Allen denn ſehr lieb und wir freuten uns des balb. Jeßt ſo recht meine Schuldigkeit zu thun, nahm ich mir feft vor , denn ich mußte mich gleich in Anſehen bei den
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Uebrigen bringen, und dem Herrn Lieutenant doch auch zeigen, daß ich ein tüchtiger Kerl war. Was wir aber in dieſer Nacht
noch zuſammen froren, Kinder, das könnt Ihr kaum glauben. Feuer durften wir nicht anmachen und allzu viel Lärm auch nicht verurſachen, und ſo blieb uns denn nichts anderes übrig, als immer um die Bäume herumzulaufen und uns ſo ein Bischen zu erwärmen . Endlich in der Morgendämmerung, als es gerade am Kälteſten wurde, hörten wir aus der Ferne das Knarren der Räder der Transportwagen , welche in einem
Dorfe, eine halbe Stunde von uns weg, übernachtet hatten. Sacerment, das klang gut , mein Lebtag hätte ich nicht ges glaubt, daß mir Rädergefnarre ſolch Vergnügen machen würde. Jeßt befahl der Herr Lieutenant, daß wir uns in zwei Ab
theilungen trennen ſollten. Acht Mann und ein Korporal follten zurückbleiben und die Wagen erſt vorbeilaſſen , wir übrigen 10 unter dem Befehl des Herrn Lieutenant ſelbſt, wollten ſie von vorne angreifen und dann ſollten die anderen uns zur Hülfe kommen . ,,Wie denn nu eben die Sonne aufgeben wollte und man
ſo ziemlich ſchon aus den Augen ſehen konnte, kam der Trans port langſam angefahren. Es waren 7 Wagen , die von Bauern gefahren wurden und mit Hafer oder anderen Getreide beladen waren . Zur Eskorte waren 30 franzöſiſche Infanteriſten unter Befehl eines Offiziers, und dann ritt auch ein Korporal vom franzöftſchen Fuhrweſen daneben , der wahrſcheinlich die Aufſidyt auf die Bauerknechte beim Fahren haben ſollte. Die
Franzoſen verſtehen das Soldatenhandwerk nicht ſchlecht, das muß man ihnen laſſen, und ſo hatten ſte denn auch jegt eine Spiße von 3 Mann vorausgeſchickt. Wir hatten uns aber
ganz glatt auf die Erde hinter dichtes Tannenbuſchwerk ge legt , und ſo marſchirte dieſe Spige denn an uns vorüber
ohne uns zu ſehen, zumal gerade jegt ein Schneegeſtöber eins
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getreten war. Nun kamen die übrigen Soldaten der Eskorte, welde fich die Mäntelfragen bis an die Ohren beraufgezogen hatten und die Musketent unter den Armen trugen , ftdy To
beſſer vor Kälte zu ſchügen . So wie dieſelbe uns gerade gegenüber auf dem Wege waren, befahl der Herr Lieutenant, Feuer zu geben , und wir alle 10 Mann ſchuſſen 108. Daß dich das Donnerwetter, wie die Franzoſen mit einem Mal verwunderte Geſichter machten , als ſie ſo, wie aus dem Boden kommend , Feinde vor fid faben , an die fte hier gar nicht ges
dacht hatten. Drei Mann von ihnen waren ſogleich todt oder verwundet zu Boden gefallen, und daß nicht mehr aKugeln von uns getroffen hatten , daran war die Kälte ſchuld , die
uns ſo verklamt gemacht, daß wir mit unſeren ſteif gefrorenen Fingern faum die Gewehre abdrücken konnten. So wie wir geſchoſſen hatten, feuerten nun auch die 8 Mann , bei denen die Franzoſen ſchon vorbeigezogen waren, von hinten auf fte, und trafen audy noch 1 oder 2 Feinde. Der franzöſiſche Lieutenant war aber fein feiger Sterl, wie ich ihm nachrühmen
muß, wenn ich wahr ſein will, und verlor nicht den Kopf. Er befahl ſogleich ſeinen Leuten ſich zu ſammeln, die dies auch raſch thaten , wie der erſte Sdred vorüber war, und wir bes famen eine tüdytige Salve von ihnen. Nun die Franzoſen, 1
die den Froſt noch weniger gewohnt waren wie wir, hatten nod ſchlechter geſdoſſen und ſo waren denn nur 2 oder 3
von uns verwundet worden . Jeßt rief aber unſer Herr Lieutes nant ; „Drauf, Kinder , drauf, hoch lebe Sr. Majeſtät unſer König Friedrich Wilhelm der III." ( hierbei ſalutirte der Alte wieder) und dabei ſtürzten wir auf die Franzoſen los, und das Kloppen mit Kolben und das Stechen mit Bajonnetten
begann jeßt. Ich hatte mir gleich Anfangs den Korpvral von dem Fuhrweſen aufs Korn genommen , denn ich wollte gern ſeinen Gaul haben , da die anderen mir geſagt hatten ,
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daß Herr Rittmeiſter von Schil audh puſaren errichten thäte, aber an Pferden großer Mangel wäre. Wenn man aber einmal erſt das Glück gehabt hat, bei den Huſaren geweſen zu ſein , ſo gefällt einem das Andere nicht und man trachtet immer wieder danacy, daß man wieder dazu kommt. Alſo ich auf den Korporal vom Fuhrweſenlos , der einen allmächtigen Pallaſch gezogen hatte, und wild damit um ſich hieb. Meine Piſtolen hatte ich erſt ſchon abgeſchoſſen und dieſelben noch nicht wieder laden können, und ſo mußte ich denn mit meinem Knüppel verſuchen , ihm entgegen zu treten . Zuerſt brannte der Korporal nun ſeine Piſtole auf mich los, traf mich aber
zum Glück nur ganz leicht am Fuß , wo der Schuß gerade nicht viel Schaden that, und hieb dann mit dem Säbel nach mir.. Ich parirte aber den Streich mit meinem Knüppel, und da ich merkte, daß der Kerl nicht gut reiten und ſein Pferd nicht gehörig herumſchmeißen konnte , lo ſprang ich ſchnell auf die linke Seite und hieb dem Gaul tüchtig mit meinem Knüppel über die Nüftern. Hochauf bäumte fich ders
felbe nun, da dieſer Schlag ihm nicht gefallen mochte, der
Franzoſe griff dabei wohl zu fcharf in die Zügel und ſo . überſchlug ſich das Pferd nun mit ihm. Da hatte ich denn meinen Zweck erreicht, der Fuhrweſen -Korporal lag wie todt
unter dem Pferde, weldem nicht viel fehlte und was bald wies der munter aufſprang. Während deß hatten ſich die Anderen auch nicht ſchlecht mit der franzöftſdien Infanterie herumges ſchlagen, und nachdem der Offizier derſelben erſt einen Kolbens ſchlag auf den Kopf bekommen, ſo daß er wie todt darnieder fiel, ergaben ſich ſeine Leute auch bald. Beſonders auch das Schießen der 8 Mann, die hinten im Rücken aufgeſtellt waren, hatte die Franzoſen ſehr erſdredt, da ſte glaubten , daß dies
eine viel größere Zahl von Feinden ſei. So war uns denn
der Streich (ſehr gut geglüdt, und das Bischen Frieren in
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der Nacht hatte ſich reichlich bezahlt gemacht. Die Franzoſen hatten 3 Todte und 5 Verwundete, von denen aber keiner
lebensgefährliche Bleſſuren zeigte. Da wir fürchteten , daß das viele Schießen noch mehr Franzoſen herbeilochen würde,
ſo durften wir uns nicht lange mehr aufhalten. Ein paar Haferfäcke wurden von den Wagen abgeworfen , ſtatt deſſen die Todten und Verwundeten darauf geladen, und dann ging es raſch wieder fort. Ein vergnügtes Geſicht machten auch die Bauern , denn unſer Herr Lieutenant hatte ihnen vers
ſprochen, daß, wenn ſie erſt die Wagen in Colberg hineinges fahren hätten ,1 ſie dann wieder frei nach Hauſe zurückkehren dürften. Der aller Fidelſte war ich aber, und wenn mir audy mein Fuß, wo die Piſtolenkugel geſchrammt hatte, etwas weh that, ſo achtete ich gar nicht darauf. Ich hatte natürlich, wie es fich gehört , dem Herrn Lieutenant mein erbeutetes Pferd anbieten wollen, der ſagte aber, es gehöre mir von Gott und Rechtswegen , denn ich hätte es ehrlich erobert und ſo folle
ich es denn auch nur behalten , und im Dienft unſeres all gnädigſten Königs reiten . Es war ein Schwarzſchimmel, von poladiſcher Raſſe, ein ſehr gutes Pferd, was früher auch bei den preußiſchen Huſaren geweſen war , wovon es noch den Brand trug und was die Franzoſen irgendwo erbeutet hatten. Da war es denn nicht mehr wie recht und billig, daß ich es
ihnen wieder abnahm , denn ſo ein verfluchter Franzoſe darf 1
nie ein preußiſches Huſarenpferd reiten. Der kleine Schimmel
ſchien fich auch ſelbſt darüber zu freuen , daß wieder ein ordent licher Reiter auf ihm ſaß, denn er war ganz luſtig und hatte den böſen Hieb mit dem Stock, den ich ihm über die Naſe
geben mußte, ſchon ganz wieder vergeſſen. Ja, ſo ein Pferd iſt oft viel flüger wie ein Menſch, das hab ich ſchon häufig erfahren.
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„ In einem Dorfe, was noch 1'/. Meilen von Greifenberg lag , machten wir Mittag , und konnten dies in Sicherheit tbun , da bis foweit die Franzoſen noch nicht gekommen waren .
Ein vergnügteres Mittagsbrod entfinne ich mich nicht, in meinem ganzen Leben gegeſſen zu haben. Wir hatten auf dem einen Wagen einige Dußend Flaſchen Wein und Rum gefunden , und da wir arg durchfroren waren , ſo erlaubte denn der Herr Lieutenant, daß wir uns einen tüdytigen Bunſch machen durften. Der ſchmeckte denn ganz prächtig, wie Ihr 1
Euch wohl denfen könnt, und manches Glas goſſen wir hinter die Binde, und tranfen dabei auf die Geſundheit unſeres
gnädigen Königs und auch darauf, daß wir bald den Bona parte mit jammt allen ſeinen Franzoſen und Rheinbündlern aus
unſeren preußiſchen Landen 'herausfalaſchen fönnten.
Dazu hatte die Bauerfrau Pfannkuchen gemacht und ein Paar Mettwürſte aus dem Raud, geholt, die wir ihr ehrlich bezahl: ten, und ſo fehlte es uns denn an nichts. Auch die Gefan : genen bekamen ein gutes Theil Eſſen und Trinken , denn wenn es auch freilich Franzoſen waren, ſo waren es doch auch Menſchen, und ein braver preußiſcher Soldat muß gegen die
Gefangenen ſtets mitleidig ſein. ,, Am Abend zogen wir denn mit allen unſeren Magen in
Greifenberg ein, und ich erhielt gleich ein gutes Quartier bei einem Bürger. Wie ich dann unter des Herrn Rittmeiſter
von Schil ſeine Huſaren trat , und was wir dann für viele 1
Ueberfälle machten, und manchen „ Parlez-vous “ zuſammen : و
hauten, oder in Gefangenſchaft ſchleppten , davon erzähle ich Euch auf ein andermal mehr ;
auch wie die kleine Feſtung
Colberg fich nicht ergab, und immer Sr. Majeſtät dem Könige treu blieb, obſchon die Franzoſen und Rheinbündler mit vielen Soldaten davor lagen und die Stadt oft ſo bombardirten,
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daß wir Alle glaubten , kein Stein würde mehr auf dem an deren bleiben. Ja, Kinder, das war eine harte Zeit für uns, aber ehrenvoll war ſie auch , und mit Bergnügen kann jeder,
der dabei ſeine Schuldigkeit that , daran zurück denken. Und wenn es wieder erſt einen tüchtigen Krieg gegen die Fran zoſen giebt, die doch keine Ruhe eher laſſen werden , dann
thut jeder preußiſche Soldat auch wteder ſeine Schuldigkeit, das weiß ich gewiß. Wenn nur der gimmel ein Einſehen
hätte, daß wir hier mal bald recht tüchtig mit den Dänefens zuſammen kommen, und die recht verklopfen könnten . Aber ſeit Schleswig trauen die der Sache nicht mehr und denken ,,weit vom Schuſſe iſt ficher “, und ſiben immer auf ihren verdammten Inſeln , und da fönnen wir mit unſeren Pferden nicht hinkommen. Na , wir faffen fie doch noch mal recht, 1
und dann ſoll es aber auch ein Einhauen geben, daß es eine Luft iſt, denn ſo ein Dän iſt auch nicht viel beſſer, wie ein Franzoſe, und die Beiden haben ſchon Anno 1809, und dann wieder Anno 1813 immer wie die Kletten zuſammengehalten ... So brummte der , Alte noch eine Weile fort , und ein auf merkſames Ohr fanden ſeine Worte bei ſeinen Huſaren.
Eine ganze Weile mußten dieſelben aber noch in ihrem Graben liegen bleiben , bis die andere Abtheilung , mit der
fie zuſammentreffen ſollten, ankam. Und dabei fiel der Regen immer ſtärker und ſtärker , und auch der Graben ſelbft füllte
ſich allmählig ſo mit Waſſer, daß die Quſaren denſelben ver laſſen , und ſich eine anderweitige Zuflucht ausſuchen mußten.
In einer langen Regennacht, die ohne Feuer zugebracht wer den muß , und bei der auch nicht einmal ein lauter , friſcher Geſang die Herzen erheitern und die Stunden verkürzen darf, da ſtößt ſelbſt der Sanftmüthigſte oft eine Verwünſdung aus. Dann zeigt fid) erſt ſo redyt der gute Geiſt , der unter der
Truppe herrſcht, und ob Ehrgefühl und ſtrenge Disciplin
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unter den Leuten befeſtigt iſt. Unter preußiſchen Soldaten
darf man freilich ſolch einen guten Geiſt, der dem Heere ſeine Hauptkraft giebt , immer mit großer Sicherheit erwarten , und dies zeigte ſich denn auch jept wieder unter den Huſaren und Füſelieren. Sie fluchten wohl etwas ſo untereinander, waren ungeduldig, machten ſchlechte Wiße, oder klagten und murrten,
daß ſie nicht in ihren Betten , ſondern hier in falter Regen nacht oben auf der jütländiſchen Haide liegen müßten , aber alle folche Unzufriedenheit war nur oberflächlich , hatte keinen Sig im Innern der Bruſt ſelbſt. Da war ein Jeder ver
gnügt darüber , daß er jegt hier oben auf dem Poften ſein , und ein klein Scharmüßel mit dem Feind vielleicht erwarten dürfe, und yon all den Spöttern und Raiſonnirern hätte doch Keiner ſeinen iepigen kalten und nafſen Plaß mit dem beſten und wärmſten Bette vertauſcht. Verzweifelt lange mußten in dieſer Nacht aber die Füſes
lier- und Fuſaren -Abtheilung hier auf dem Kreuzweg noch warten . Selbſt der Lieutenant, der ſonſt natürlich ſeine innere Ungeduld bekämpfte , um ſeinen Leuten kein übeles Beiſpiel
zu geben, konnte doch oft einen leiſen Fluch nicht unterdrüden, wenn eine Stunde nach der anderen verſtrich , ohne daß die erwartete andere Abtheilung fich zeigen wollte. Und wie horchte und horchte man eifrig, ob ſich noch nicht die Fußtritte vernehmen ließen , wie legte bald der Eine , bald der Andere
das Ohr auf die Erde, um ſo beſſer lauſchen zu können. Ver
geblich war Alles , und der heftige Wind pfiff heulend über 1
die Haide. Endlicy, endlich nach langen Stunden , die ſo ſchwer
dahin ſchlichen, als wären ſie vom beſten Blei gegoſſen, hörte man laute Fußtritte. Leiſe mußte ſich ein Füſelier im Graben
hinſchleichen, um ſchon aus der Ferne zu erſpähen , ob es die 1
erwartete Abtheilung ſei. Richtig fte war es , und ein frohes
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Endlich,“ oder „ das hat auch lange genug gedauert,“ ließ fich von vielen Soldaten hören , wie die Ankommenden ihnen näher getreten waren . Ein Kommando von 30 Musketieren unter dem Befehl eines Lieutenants war es.
Haben audy
D
etwas lange auf ſich warten laſſen , Herr Kamerad , fürchte in der That jegt , daß wir die Dänen kaum fangen werden , “ begrüßte der Lieutenant, welcher hatte warten müſſen, den an fommenden Kameraden.
„ Ja , iſt nicht meine Schuld , denken Sie nur , der ver fluchte jütiſche Bauer, den wir als Führer mitgenommen hatten,
iſt uns in der Dunkelheit weggelaufen. Schießen wollte ich nach den Kerl nicht laſſen, um durch die Schüſſe feinen Lärm zu machen, und ſo fonnten wir ihn nicht wieder einholen. Da find wir denn in der Dunkelheit der Kreuz und der Quere
herumgelaufen und dabei auch in ein Torfmoor gerathen , ſo daß wir nur mit Mühe und Noth uns wieder heraus gefun den haben. Solche Herumirrerei in ſtocfinſterer Nacht bei Regenwetter in dieſem Jütland , iſt auch eine Schwerenoths: ſache, die ich meinem ärgſten Feinde audy lieber wie mir gönne,“ antwortete dieſer mit ärgerlichem Tone. „ Ja, was aber nun anfangen, da Sie ſo geſdheut waren, ſich den Führer entwiſchen zu laſſen. Ohne einen ſolchen finden wir ſchwerlich den Plaß, wo die Dänen vorbei kommen ſollen . Und dazu iſt die Nacht ſchon faſt vorüber , die Mors
gendämmerung bricht ſchon an und die Kerle werden ſchon wieder in ihre verdammten Nußichaalen gefrochen ſein , wo wir eben das leere Nachſehen haben,“ entgegnete der Erſte,
auch nicht gerade ſonderlich über die ihm gewordene Nachricht erfreut.
„ Laſſen Sie es uns doch wenigſtens verſuchen. Einigers maßen weiß ich jeßt Beſcheid , und es könnte doch das Glück
wollen , daß wir die Dänen noch einholten ,“ meinte Erſterer
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wieder , der auch die wohlverdiente Naſe zu fürdyten ſchien , die ihm darüber , daß er den Führer aus Unaufmerkſamkeit
hatte entwiſchen laſſen, zu Theil werden konnte. So ward denn wieder aufgebrochen , und nicht gering war die Freude aller Soldaten , wie ſie ſich denn endlich in Maríchy ſeßen durften. Die Morgendämmerung, die allmählig ( dhon trübe durch den didyten Regen brady, erleidyterte es jest,
die Gegend einigermaßen zu erkennen. ,,Na, wenn ich des mal eerſt in Berlin erzähle , daß ich eene janze Nacht wie ein Quadfroſch im Waſſer geſeſſen habe,
ſo werden ſie des oody nicht glauben und mir ſagen : Lude, Lude, du lügſt ja faſt ſo toll wie een Zeitungsſchreiber, und doch iſt es nur eene wahre , jrauſige Gewißheit,“ ſpöttelte beim Abmarſch noch der Berliner, einen traurigen Blick auf den Graben werfend, in welchem ſie anfänglich Schuß geſucht hatten , da allmählig fich viel Waſſer in demſelben geſammelt hatte. Nach dem gemeinſchaftlich verabredeten Plan der beiden Offiziere, den hier mitzutheilen nußlos ſein würde , theilten 1
ſich ihre Kommandos jest bald in verſchiedene kleinere und größere Abtheilungen , den däniſchen Matroſen , wenn dieſe noch am Lande ſein ſollten , den Weg an die See abzuſdynei 1
den, aber es war leider diesmal vergeblich. Die Dänen mußten den Plan gemerkt haben, oder wahrſcheinlich war er ihnen auch von dem entflohenen Bauer verrathen worden , und ſo hatten ſie ſich denn ſehr geſputet, wieder auf ihre Schiffe zu rückzukommen. Faſt hätte der alte Unteroffizier Erdmann mit ſeinen Hu ſaren die legte kleine Abtheilung der däniſchen Matroſen doch
noch eingeholt.
Schon war er am Strande und brummte
und fluchte nicht wenig in ſeinen weißen Bart hinein , daß
fich noch immer feine Dänen auf dem Lande gezeigt hatten,
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da ſah ſein Auge, was ſcharf gleich dem eines Falfen in den
grauen Regenmorgen binein blickte, noch in weiter Entfernung am Lande einen Trupp von 12—15 Menſchen , die mit Säcken
auf dem Rücken in möglichſter Eile dem Meere zuliefen. Hol mid der Teufel , Kinder , das ſind die Dänekens, nu druf los , wir faſſen ſie am Eude dody nody," rief bei !
dieſem Anblic hoch erfreut der Alte ſeinen puſaren zu. Jest
bekamen die Pferde die Sporen zu fühlen , und im geſtreckten
Galopp jagten die Huſaren dahin , wo möglid) die Dänen noch einzuholen. Aber was machten aus dieſe für lange Beine, als ſie ſaben , daß die Preußen ihnen dicht auf den
Ferſen waren. Ein Paar der Hinterſten warfen aus Angſt ſchon die Säcke fort , um dadurch erleichtert, beſſer laufen zu können.
Druf Kinder, raſch, raſch, wir holen die Kerle noch ein , " rief immer der Huſaren -Unteroffizier aus , und gab ſeinem kleinen Schwarzbleß ſo heftige Spornſtöße, wie er es ſelten noch gethan hatte. Faſt ſchien eß noch möglich, daß die Hus jaren die Dänen einholen könnten , und nur auf faum einige hundert Schritte kam es noch an , aber das Glück begünſtigte wieder die Lepteren. Eine kleine Strecke mit tiefem Dünens jand hemmte zulegt noch etwas den raſchen Lauf der Hujas
renpferde, die däniſchen Matroſen gewannen einigen Vorſprung und erreichten glücklich im legten Augenblick noch ihr Boot, welches dann ſo ſchnell wie möglid) vom Lande abſtieß. Kaum hundert Schritte war das Boot erſt in See , da langte auch der alte Erdmann mit ſeinen Huſaren auf ihren däumenden
Roſſen auf der Stelle an, wo daſſelbe am Land gelegen hatte. Wie wüthend der alte Unteroffizier, wie wüthend ſeine Leute waren , daß ihnen die Dänen gerade ſo noch im lekten Aus genblick wieder entwiſchen mußten, kann man ſich denken. Gar mander fräftige Fluch mußte noch aus der Bruſt aller bus
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ſaren heraus , bevor ihr geredyter Unmuth fich einigermaßen gelegt hatte. Dody was half das, alle die vielen Flüche icha deten den Dänen nicht im Mindeſten , im Gegentheil , auf
einige hundert Schritt Entfernung legten dieſe die Ruder ein und vergnügten fich , die Huſaren zu verhöhnen und ihnen allerlei Spottlieder vorzufingen. Ergrimmt ſprangen einige der Huſaren von den Pferden , halten die Karabiner , ab und begannen mit denſelben auf die Mannſchaft im Boote zu
feuern. Allein vergeblich war ſolch Bemühen , die kurzen Ras rabiner reichten nicht ſo weit , und die Kugeln klatſchten noch
ziemlich entfernt vom Boote auf dem Waſſer nieder. Auch die Matroſen im Boot holten jeßt einige Musketen unter den Bänken deſſelben hervor und feuerten mit gleich geringem Er
folg auf die ģuſaren. Das gegenſeitige Schießen hatte übri gens auch Abtheilungen von den Füſelieren herbeigeloďt. So raſch ſte nur vermochten, den Lieutenant an der Spiße, liefen dieſelben herbei, um womöglich noch an dem Gefechte Theil
zu nehmen. Allein auch ihr Bemühen war leider vergeblich;
doch belehrten ihre weiterreichenden Zündnadelgewehre die Dänen, daß es nicht gerathen für fte wäre, ſo nabe wie biss her am Lande zu bleiben . Ein Ruderblatt ward noch von einer Kugel zerſplittert und ein däniſcher Matroſe im Arm getroffen, wie der Lieutenant durch ſein Handfernglas erkennen konnte , bis das offene Boot eiligſt aus der Schußweite weg
gerudert ward. Zwei däniſche Kanonenböte, die an der Küſte kreuzten und zu denen die Mannſchaft, welche die preußiſche Patrouille hatte aufheben wollen , gehörte, waren jeßt dem Strande ſo nahe gekommen, daß fie denſelben mit ihrem Ges ſchüß erreichen konnten. Die Dänen liebten es ſehr ,, viele Munition unnüß zu verſchießen , und ſo begannen denn dieſe Kanonenböte eine ziemlich heftige Kanonade gegen die wenigen Huſaren und Füſeliere, welche dort noch verweilten. Bon
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einem ſchwankenden Kanonenboot in ziemlich großer Entfernung einzelne Reiter und Fußgänger treffen zu wollen , iſt ſtets eine ungemein mißliche Sache, und ſo war denn dieſe Kanonade lauter, wie gerade gefährlich, denn auch kein einziger Preuße
oard bei derſelben getroffen . Dies vergebliche Schießen der Dänen machte den meiſten Soldaten' vielen Spaß und verſcheuchte ſo doch etwas die übele Laune, in der fte ſich noch immer über das Mißglücken ihrer Unternehmung befanden. Auf allerlei Weiſe fuchten jeßt auch ſowohl Füſeliere wie Hus faren durch ſpöttiſche Pantomimen den Zorn der Dänen noch mehr anzuſtacheln und lautes Gelächter empfing alle Kugeln, die oft an 40—50 Schritt weit davon fielen, oder auch hoch über
die Köpfe hinwegſauſten. Selbſt der alte Erdmann , ſo teu felsmäßig wild er auch vordem geweſen war , als er gerade ſo einige Minuten zu ſpät am Strande ankam , ſchmunzelte ießt über die vergebliche Kanonade. ,,Bei die Dänefens muß das Pulver auch nich hod im
Preiſe ſtehen , daß fie es ſo auf uns Paar einzelne Huſaren und Füſeliere verpuffen. Donnerwetter , da müßten wir groß ſein , wenn die uns treffen ſollte," lachte er noch, als ſo eben eine däniſche Kugel hoch über ihre Köpfe hinwegſauſte. ,,Kriegs ſchiffe gegen Huſaren in Bataille, das kommt auch nich oft vor. "
Eine noch beſſere Genugthuung hatten die Soldaten auch , als ſie die Säde ſuchten und mitbrachten , welche die däniſchen Matroſen vorhin bei ihrer eiligen Flucht weggeworfen hatten . Eine große fette Kalbskeule, einige todte Hühner und Brod und Butter in Töpfen war der Inhalt derſelben , den die Huſaren jubelnd hervorzogen.
„ Das hätt den Dänen wohl jut jeſchmeđt und nu können
fie fich den Mund abwiſchen und haben das leere Zuſehen, während wir es mit Dank verzehren wollen,“ meinte mit wohlgefälligem Geſicht der Berliner, indem er prüfend die fette 8
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Ralbefeule befühlte.
,, Ein verdammt fetter Braten , hätte
faum jejlaubt, daß auch außer Berlin ſo ein jutes Fleiſch zu haben wäre," ſegte er noch mit dem Selbſtgefühl eines editen Sohnes der Spreeſtadt hinzu , der es für ſeine Pflicht hielt, .
bei jeglicher Gelegenheit dieſelbe hervorzuheben, was denn wie ſehr häufig ſo auch diesmal wieder das Gelächter und die
Spöttereien ſeiner Kameraden erregte.
Da der Regen aufgehört hatte , auch zudem ein Huſar als Ordonnanz abgeſdhickt war , weitere Befehle zu holen , ſo 1
ließ der Lieutenant die Mannſchaft nod) am Strande eine
Weile raſten , um ſich durd, ein kräftiges Frühſtück für die Strapazen der ſchlafloſen Nacht zu entſchädigen . Die dänis ſchen Kanonenböte hatten überdies 'jeßt ihre nugloſe Kanos nade endlid aufgegeben , was von den Preußen nicht wenig bedauert ward. Brod und Butter zum Frühſtück hatte man zwar von den Dänen erbeutet, aber die rohe Halbsfeule hätte man auch gern dazu gebraten , auch ſich die naſſen Mäntel an einem Feuer womöglich getrocknet. Ein Feuer anzumachen wollte aber bei dem naſſen Buſchwerk, was man nur ringsum bekommen konnte , ſehr ſchwer gelingen. Viel Puſten und
Blaſen und Hin- und Herſchwenken in der Luft ward anges wandt, allein ſtets vergeblidy, die Flamme ging immer wieder aus. Einige Patronen, die man opferte, und mit deren Pulver möglichſt trockene Grasbündel tüdytig beſtreut wurden , machten denn endlich , daß man eine belles Feuer in Gang brachte. Und wie daſſelbe erſt einmal brannte , da forgte man audy
dafür , daß es nicht ſo leicht wieder ausging, und geſchäftige Hände ſchleppten Buſchwerk in Menge herbei, ſo daß bald eine große Flamme hod, in den Fimmel hineinzüngelte. Recht behaglich war es für die Soldaten ſtd) an derſelben zu märmen , denn ihre Kleider waren alle noch völlig durchnäßt und von der See blies ein falter Nordoſtwind daher, Hatte
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man nun übrigens erſt Feuer, ſo war das Braten der Kalbs feule feine ſo ſchwere Sache.
Ein abgeſondertes Feuer von
Kohlen und kleinem Holzwerf , ſo daß die Flamme nidyt gar zu hoch heraufſchlagen konnte , ward zum Braten angemacht. Vier Fuſaren ſteckten nun die Ladeſtöcke ihrer Karabiner auf
beiden Seiten deſſelben ſchräg ſo neben einander, daß fie oben ein Andreaskreuz bildeten , ein anderer Ladeſtock ward durch die Kalbskeule . als. Spieß geſteckt und mit ſeinen beiden En den dann auf die Kreuze gelegt , und ſo war der beſte Brat (pieß bald fertig. An Butter , womit man den Braten , den man mit einem Säbel fleißig umdrehte, ſtets von allen Seiten
beſtrich , fehlte es auch nicht , ſo daß er ſo recht eine ſchöne, braune Kruſte bekam. So war denn kaum eine Stunde vor
bei , während welcher die Huſaren ihre Pferde mit den mitge nommenen Haferrationen gefüttert hatten, als jeder ein großes Stüd ſaftigen Kalbsbraten dampfend auf ſeinem Taſchenmeſſer hielt.
Dies war denn ein gar vortreffliches Frühſtück nach
der durchwachten Nacht, und die eifrig fauenden Füſeliere und Fuſaren meinten , es ſei dod nicht ſo übel, daß ſie dieſen fleinen Streifzug gemacht und den Dänen ſolche fette Biffen
abgejagt hätten. Den bloßen Knochen der Kalbskeule banden einige Huſaren auf eine lange Stange, die ſie gefunden hatten und ſtecten dieſelbe dann den Dänen zum Spott dicht am Strande auf. Da die däniſchen Kanonenböte noch immer in der Nähe freuzten , ſo mußte man mit den Fernröhren vom
Bord derſelben dieſen großen Kalbsknochen recht gut ſehen fönnen und gewiß bitteren Aerger darüber empfinden , daß
man ſich ſo einen guten Biſſen hatte abjagen laſſen . Noch viele ähnliche derartige Späße trieben die Soldaten jeßt und auch die übele Laune des Unteroffiziers Erdmann war gänzlich dabei verſchwunden. 8*
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Die Bitte , wieder in ſeiner Erzählung fortzufahren , da man vorausſichtlich auch noch mehrere Stunden hier blieb, fand ſo ein geneigtes Ohr und bald begann der Alte wieder : ,, In Greifenberg , wo ich denn gerade am 1. Januar
1807 einritt, – denn ich habe vergeſſen, Euch zu ſagen , daß wir den Fang noch in der Sylveſter - Nacht gemacht hats ten , lag es ſchon ganz voll von Soldaten. Das Erſte, -
was ich denn am andern Morgen that , war , daß ich mich bei dem Herrn Rittmeiſter von Schill meldete , und ihn bat,
ob er die Güte haben wollte, mich unter das Korps , was er jegt errichtete , aufzunehmen . Der Herr Rittmeiſter von Schill hatte bereits davon gehört, daß ich früher ſchon Unters offizier bei den Huſaren geweſen ſei, und auch in der geſtrigen Nacht tüchtig mit auf die Franzoſen geklopft hatte , und ſo gab er mir denn ganz freundlich die Hand und ſagte: „Das iſt Recht, Unteroffizier, daß Sie zu mir gekommen ſind , um unſerem allergnädigſten König treu und ehrlich dienen zu helfen , und gern will ich Sie auch wieder bei den Huſaren , .
die ich jeßt neu errichten werde , als Unteroffizier anſtellen.
Thuen Sie auch jeßt nur immer wieder Ihre Sculdigkeit." Ihr könnt faum glauben , Kinder , wie mir das zuerſt vorfam , daß der Herr Rittmeiſter mich per Sie titulirt hatte. Dazu malen war es noch nicht ſo wie jeßt , wo jeder Packknecht „ Sie “ genannt werden muß , ſondern der Unteroffizier bekam ſein „ Er“ und der Gemeine ſein „ Ihr.“ Der Herr Rittmeiſter von Schill aber, der nannte ſeine Unteroffiziere Sie, und ſeine Gemeinen Du , und ich muß ſagen , daß mir dies ganz gut 1
gefiel. War überhaupt ein gar braver Mann , der Herr von
Schill, an dem ich auch jeßt in meinen alten Tagen noch Strara enfey mag.. Ich weiß wohl, daß , als es 1809 in
Stralſund ein ſo ſchlechtes Ende mit ihm nahm, wo ich auch
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dabei war und Euch ſpäter mal davon erzähle, viel über ihn
raiſonnirt ward , und das nicht allein von des Bonaparte Leuten, ſondern auch ſelbſt von Preußen. Na , es mag ſein ,
daß er dazumalen wohl etwas zu hißig handelte , und hätte warten können , bis unſeres Königs Majeſtät zu ihm ſagte: „Mein lieber Major von Schill, jeßt greifen Sie die vers
dammten Franzoſen an und klopfen mir das Racerzeug aus dem Lande heraus," obſchon ich mich auf ſo etwas, was die Leute die Politik“ nennen , nicht verſtehe, und auch glaube, daß dies für einen Huſaren - Unteroffizier, nicht nöthig iſt.
So viel weiß ich aber, ein braverer Offizier, der das Herz mehr auf dem rechten Fleck gehabt hätte
und mit mehr
Freude ſein Leben für unſeres Königs Majeſtät und für die
preußiſche Ehre hingegeben , trug nie unſeres Königs Rock, und darum balte id auch ſein Andenken hoc in Ehren , und
jeder brave Preuße muß dies mit mir thun.
„ Nu, in Greifenberg, wo der Herr Rittmeiſter von Schill dazumalen auf unſeres Königs Majeſtät Befehl ein neues Korps von Infanterie und Kavallerie formirte, gab es gleich alle Hände voll für mich zu thun. Den ganzen Tag mußte man im Stall und auf der Reitbahn ſein , und hatte faum
ſo viel Zeit , daß man ſein Häppchen Mittagsbrod verzehren konnte. Doch das ſchadete nichts , ſo etwas that jeder brave
Kerl gern, denn es war ja für unſeres Königs Majeſtät. „ Die Soldaten , welche der Herr Rittmeiſter von Schill,
zu dem noch mehrere andere brave Offiziere gekommen waren, für ſein Korp8 anwarb , beſtanden meiſt Alle aus Selbſt ranzionirten oder Verſprengten von all den verſchiedenſten Regimentern , die fich freiwillig geftellt hatten , denn von Zwang konnte dazumalen keine Rede ſein. Audy andere junge Burſchen, zumeiſt aus Pommern und Brandenburg , die ſonſt .
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noch nicht Soldaten geweſen waren , jeßt aber gern für ihren König gegen die Franzoſen fechten wollten , famen zu uns. 1
Daß es feine Kleinigkeit war , in ſo ganz kurzer Zeit au
dieſe verſchiedenen Menſchen zu einem ordentlichen Korp8 zu vereinigen , könnt Ihr Euch denken. Alles Fluchen und Schimpfen und Schlagen , wie es ſonſt noch in jener Zeit bei den Regimentern der Brauch war , hatte der Herr Rittmeiſter von Schill ſeinen Offizieren und Unteroffizieren ſtrengſtens
verboten, und vom Stoď durfte nun einmal gar keine Rede mehr ſein. Da fönnt Ihr Euch nu denken, Kinder, daß uns Allen dies zuerſt gar wunderlich vorkam, und wir uns ſchwer daran gewöhnen konnten. Alles ward ſo gemacht, daß wir 1
die Kerle bei der Ehre anfaßten und ihnen ſagten , wenn das
Korps bald tüchtig werden und gegen die Franzoſen logs ſchlagen rolle, ſo müßte Jeder ſich für fein Theil bei Allem
die größte Mühe geben, ſonſt würde das Ganze ſchief gehen. Da es nun alle tüchtige Kerle waren , die Ehre im Leibe
hatten und für ihr Leben gern gegen die Franzoſen fechten wollten , ſo ging denn auch das Ganze recht gut und jeder that ſeine Schuldigkeit , und die war dazumalen nicht gering.
Fand ſich denn auch hie und da ſo ein einzelner Taugenichts, der nicht gut thun wollte , und dies war nur ſelten , ſo ward
kurzer Prozeß mit ihm gemacht. Wir zogen ihm die Uniform aus , die er nicht werth war zu tragen , gaben ihm einen Fußtritt vor den ... und ließen ihn laufen , ſich ſelbſt ſeinen Galgen zu ſuchen. Dies war denn das Beſte , was
man thun konnte, und ſo fam es auch , daß wir lauter tüchtige Kerle , auf die man ſich verlaſſen konnte , bei dem Korps hatten. Jeder, der bei uns eintrat, mußte einen Eid ſchwören, der ſo hieß : Ich will mich beſtreben gut, brav und meinem König getreu zu ſein ." Seht, Kinder, das iſt aucy, ſo meiner Anſicht nady, genug , und wenn man jeder preußiſche Soldat 1
1
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ftets ſo denft und danach handelt, dann fann fein Feind,
wer es auch ſei, uns Preußen was anhaben .
„ Ein großer Mangel war aber in Greifenberg an Waffen, Uniformen und gar an Pferden für die Kavallerie. Zwar brachten viele brave Leute in der Umgegend , was ſie nur an
Flinten , Piſtolen, Säbeln, Zaum- und Sattelzeug auftreiben ! 1
konnten, und manche ſchenkten auch Pferde dazu , doch wollte dies Alles nicht recyt ausreichen . So ſdymuď wie jeßt ſo ein
Garderegiment in Berlin , ſahen wir wahrhaftig nicht aus, Kinder, das könnt Ihr glauben , und Jeder mußte anfänglich tragen und in die Hand nehmen , was er gerade bekommen konnte. Viele von unſeren Huſaren hatten nur Bauernſättel
und ſtatt der Steigbügel Stricke, ja Manche hatten die nicht einmal, ſondern mußten nur eine alte Decke oder einen leeren Sack aufgürten und ſo reiten. Und auch an guten Pferden fehlte es ſehr, denn viele Thiere, die wir hatten , waren elende, abgetriebene Mähren, die man ſonſt gewiß nicht mehr für die
Kavallerie genommen hätte. „ Es muß damit gehen , Leute,, wir haben vor der Hand keine anderen , ſeht zu , daß Ihr bald welche den Franzoſen abnehmt ,“ pflegte der Herr Ritt meiſter von Schill zu ſagen , wenn ihm ein oder der andere Huſar flagte , daß ſein Pferd gar jo ſdylecht ſei, oder er zu wenig Waffen habe. Und da der Wille bei Allen gut war, ſo ging es auch, bis ſidy ſo allmählig Alle beſſere Waffen und Pferde angeſdjafft hatten. Auf den Willen , da kommt das Meiſte im Kriege mit an, iſt der nur gut , ſo thut ſich das Andere auch ſchon finden. Daß ich mich aber jest doppelt freute, mir gleich am erſten Tage ein gutes Pferd mit Sattel und Zeug und Waffen, und dazu einen warmen Soldaten mantel erbeutet zu haben, könnt Ihr Euch denken. „Den erſten größeren Angriff machten wir am 1. Februar auf die Rheinbündler, die bei dem Städtlein Maſſow , was
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nicht weit von Greifenberg liegt, geſammelt hatten. Das war ein prächtiges Gefecht, Kinder, und wir zeigten dabei, daß wir
„ Schil'ſchen ,“ wie wir immer genannt wurden, doch tüchtige Kerle waren. Es waren gewiß an fünfmal ſo viel von den Feindlichen , wie von uns, und doch hielten wir fle to in Furcht, daß fie uns nicht zu verfolgen wagten , wie wir zus legt langſam zurücmarſchieten. Seinen Zweck hatte der Herr Rittmeiſter von Schill erreicht, denn er wollte nur ſehen, wie ſich denn ſein Korps ſo im feindlichen Feuer machen thät und das war ganz gut geweſen, und beim Zurüdmarſch lobte er uns Ade und ſagte, wir ſollten nur ſo fortfahren, dann würden wir den Franzoſen und ihren Verbündeten noch oft
zeigen , daß der König von Preußen noch Soldaten habe, die für ihn zu fechten verſtünden . In den erſten Tagen vom Februar, da gab der Herr Rittmeiſter von Schill mir auch den Auftrag mit 10 Huſaren
einen Streifzug bis in das Weſtpreußiſche hinein zu machen. Das freute mich denn ungemein, da es mir zeigte, daß der Herr Rittmeiſter ſchon Vertrauen zu mir habe und mich für einen tüchtigen Kerl hielt. Die zehn Mann, die ich mit bekam , waren lauter alte, zuverläſſige Leute, die feine Bange hatten und mit denen man ſo ſchon ein feckes Stüdlein ausführen konnte. Dazu hatten wir Ade recht gute, ausgeruhte Pferde, und ſo nahmen wir uns denn vor, den Franzoſen und ihren Freunden ſo viel wir nur vermöchten, zuzuſeßen. ,, Die erſten Feinde, auf die wir ſtießen, das waren polniſche
Inſurgenters. Die Polacen ſind ſelten gute Freunde mit den Preußen geweſen und ſo hatten fich auch damals ſchon, da der Bonaparte ſte gegen uns aufhepte, eine Menge von Inſur
genters zuſammengerottet. In ganzen Banden zogen die Kerle umher und fielen ſelbſt in das Pommerſche ein, dort unſeren König ſeiner Sache ſo viel Sdaden wie möglich zu thun.
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i Königliche Kaſſen plünderten fie, nahmen Fourage weg, die fte den Franzoſen zubrachten , raubten Vieh und Pferde und machten allerhand ſolch Unheil mehr. Den Kerl8 mal ordent:
lich den Budel voll zu bauen , wie ſie es verdienten, war nun unſere Abſicht.
„ Gute Preußen , die es mit ihrem König und Vaterland treu meinten, und ſolche gab es in dem Pommerſchen Land genug, die meldeten uns, daß in einem großen Dorfe nicht weit von Neu -Stettin , ſo eine ganze Bande von dieſen polni ſchen Inſurgenters fich einquartiert habe. An die 80-90 Mann ſollten es ſein , lauter Kerle mit großen Bärten und langen Spießen, die von einem verſoffenen Edelmann foma mandirt wurden. So an die 80-90 Mann Polađen gegen
uns 10 Mann þuſaren , das war freilich ein gar ungleiches Spiel und die Sache ging mir erſt ein Bischen im Kopf herum, ob ich denn wohl wagen dürfe, fie anzugreifen. Doch meine Huſaren hatten Kourage genug und ſagten mir, ſte folgten mir gern überall hin, und ich ſolle fie nur gegen die Poladen führen , und ſo dadyte ich denn, was ein Huſar ſtets denken fol: „ Friſch gewagt iſt halb gewonnen “ und unter:
nahm den Ueberfall. Wenn derſelbe auch mißlang , dachte ich, ſo hätte ich feine Schande davon, da die Uebermacht zu groß war, glüdte er aber, deſto mehr Ehre. So konnte ich alſo nichts, wie das Bischen Leben dabei verlieren , und auf
ſo etwas muß ein preußiſcher Soldat gar nicht achten, wenn er fich im Dienſt Sr. Majeſtät ſeines Königs befindet. Alſo
man immer „ tüchtig druf los, “ wie unſer jebiger General von Wrangel Excellenz, zu ſagen geruhen. Gegen Nachmit tag kam ich nun nicht weit von dem Dorfe an. Ich wollte warten bis es dunkel wurde, um dann es beſſer verbergen
zu können, daß ich nur ſo wenige Huſaren bei mir hatte und ſo die Inſurgenter $ leichter zu überfallen. Dicht vor dem
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Dorfe lag ein großes Bauerngehöft, wo der Beſiber ſo ein echter Preuße war , der Haus und Hof fidh hätte anzünden laſſen , wenn er ſeinen König damit einen Dienſt erzeigen konnte. Bei dem ſtellte ich nu ganz im Geheimen meine Leute und Pferde unter, um ſo den Abend abzuwarten . Id felbſt lieh mir nun Bauernfleider und verkleidete mich ſo, was ich um ſo beſſer thun fonnte, da ich ja, wie ich Eudy ſchon
erzählt habe , meinen Schnauzbart batte abſdyneiden müſſen , um als Schulmeiſter den Franzoſen zu entwiſchen. So hatte .
das, worüber ich dazumalen ſo ärgerlich war, dody aud) wies
der ſein Gutes gehabt, und ſo pflegt es immer in der Welt zu ſein.
„ So als Bauerknecht ſchlich ich mich denn nu in das Dorf, um die beſte Gelegenheit zum Angriff auszukundſchaf ten, und mir alle Wege und Stege gehörig zu merken . Auf dem Dorfplaße da hatten die poladiſchen Inſurgenters ihr
Hauptquartier aufgeſchlagen. Ein großes Feuer hatten ſie da angemacht, und verbrannten all die Schilder mit unſeren königlichem Adler und die Pfoſten, die ſchwarz und weiß mit unſeren preußiſchen Farben angemalt waren . Das fönnt
Ihr denn Euch wohl denken Kinder , wie mich das giftete, und ich mußte ordentlich die Zähne zuſammenbeißen , daß ich nicht ſogleich dazwiſchen ſchlug. Dabei hatten die Kerle fich denn auch ein großes Fab Brandwein , den die Polacen für I
ihr Leben gern ſaufen , an das Feuer bringen laſſen und ſoffen, daß es nur ſo eine Art hatte. Viele waren ſchon wie die Sdyweine ſo voll beſoffen, und die noch halbwegs nüchtern waren, zeigten auch große Luſt fich noch ganz voll zu ſaufen .
Audy der Edelmann , der den Offizier ſpielte und ſich im Schulzenhaus einquartiert batte, ſchien ſchon viel Wein, oder was weiß id), geſoffen zu haben, denn wie er ein paar Mal auf den Plaß ging, um nach ſeinen Leuten zu ſehen, konnte
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man ihm anmerfen , daß ſein Geſicht ſchon hochroth und ſein Gang ' ſtark wadlich war. Viel Ordnung und Kommando
ſchien überdies bei dieſen Inſurgenters nicht zu ſein. Die Wachtpoſten , die ſie ausgeſtellt hatten, dachten auch mehr an die Schnappsflaſchen, als an ihre Schuldigkeit, und von ordentlicher Aufmerkſamkeit, wie es ſich gehörte , war feine
Rede. Solche Unordnung iſt immer bei den Rebellers und Inſurgenters der Fall, denn das Beſte, die Zucht und der Gehorſam vor dem Kommando, das fehlt ihnen. Wo aber
ſo etwas fehlt und feine Subordination iſt, und jeder ſo für ſich denkt, er kann thun, was er wolle, da kann nichts
dabei herauskommen , und wenn die einzelnen Kerle auch noch ſo brav ſein mögen, aus dem Ganzen wird doch nichts
und an einen ordentlichen Widerſtand gegen reguläres Militair ift gar nicht zu denken.
Das mögt Ihr Euch nur gleich
merken, Kinder, und wenn es mal ſo kommen ſollte, daß Ihr gegen Rebellers und Inſurgenters zu Feld ziehen müßt, dann denft nur rein preußiſcher Soldat, der glaubt, daß 5 von ſolchen Kerlen für ihn allein zu viel ſein können , iſt ein wahrer Sd .... ferl. “ „ Nun aber wieder auf meine Geſchichte, die id) Euch er
zählen wollte, zu kommen. Als ich denn ſah, daß die Polak ken ſo eine ſchlechte Ordnung hielten und ſo viel Brandwein foffen, da freute ich mich nicht wenig darüber, denn jeßt wußte id ), daß mir mein Ueberfall gewiß glücken würde, Icy ,bejah mir nun die Straßen noch ordentlich , daß ich nicht irren
konnte, und ſchlich mich dann wieder zu meinen Huſaren zurück Wir aßen noch ein gutes Abendbrod , was der Bauer uns vorſeßte und das gab denn neue Kräfte. Wenn man es lo
haben fann, iſt es immer gut vorher ordentlich zu eſſen, ehe man in die Bataille geht, denn das hält Leib und Seele zu: fammen, wie man zu ſagen pflegt, und ein leerer Magen iſt
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des Teufels nichts werth. Freilich, wenn man es nicht ſo haben
kann, und im Kriege kommt das gar oft vor , dann muß es auch ohnedem gehen. Man ſchnallt dann die Säbelkuppel um ein paar Löcher enger um den Leib und denkt ein andermal
wird es ſchon beſſer werden, alſo man friſch darauf (os. " „ Gegen 8 Uhr Abends, ritten wir Ale gegen die Stadt zu. Ich hatte noch ſo einige Bauerknechte und ein Dußend große Jungen mit mir genommen, und ihnen befohlen , fie follten hinter uns bleiben, und wenn fie hörten , daß wir zu
ſchießen anfingen und riefen : „Hurrah hoch, der König von Preußen, " ſo ſollten ſie auch die8 rufen und vielen Lärm machen, ſo daß die Polacken vielleicht glauben könnten, eg ſeien dies noch mehr Soldaten von der Infanterie, die uns zur Reſerve nachrüdten. ,,Von meinen 10 puſaren nahm ich 6 Mann mit mir,
die übrigen 4 mußten aber auf einer Nebenſtraße auch in das Dorf rüden, und ich hatte ihnen befohlen , daß, wenn ſie uns ſchreien und ſchießen hörten ,1 fie mit lautem Geſchrei gerade auf uns zujagen ſollten .
„Jeßt alſo galt es , die Pferde bekamen die Sporen in die Rippen, und mit lautem „ Hurrah, hurrah hoch der König 1
von Preußen ," jagten wir in vollem Galopp in das Dorf
hinein , gerade auf den Plaß zu , auf dem die Polađen fich ihr Feuer angemacht hatten. Der Wachtpoſten derſelben mußte vorher wohl etwas geduſelt haben, ſo daß er uns nicht gleich bemerkt hatte. Wie er uns denn nu ſo wie die wilde Jagd auf ſich zujagen ſah , ſchoß er aus Angſt ſein Gewehr hoch in die Luft ab , und lief dann , laut auf polniſch ausrufend: Herr Jeſus, die Preußen ſind da , " auf die übrigen Injurs
genters zu , die um ihre Wachtfeuer lagen und meiſt ſchon ſchliefen , und wir ihm in vollem Galopp . nach. Jeßt ſpran gen zwar die Poladen auf, und liefen im erſten Schrec wie
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die Schaafe durcheinander, und welche griffen nach ihren Ges wehren und ſchoſſen nach uns , wir aber mit unſeren Pferden
mitten zwiſchen ſie hinein , und mit den Säbeln eingehauen, daß es nur ſo eine Art hatte. Und als nu auch von der anderen Seite meine Huſaren angejagt kamen und riefen :
„ Hurrah, hurrah hoc der König von Preußen , “ und als die Knechte und Zungen , die in der Dunkelheit geblieben waren, auch dies gröſten , und einen Mordslärm dabei machten , da glaubten die Poladen , weiß Gott wie viel Preußen da wäs ren, und kriegten es mit der Angſt, und warfen ihre Gewehre weg und riefen : „ dobre Prusky “ und „ Pardoun “ , oder nah men ihre Beine in die Hände, wie man zu ſagen pflegt, und liefen davon , als wenn der leibhaftige Teufel hinter ihrer
armen Seele daher wäre. Und meine şuſaren, die flabaſter ten noch hinter ihnen drein , und machten noch immer mehr einen Mordlärm.
Was aber der poladiſche Edelmann war,
der ſo den Anführer von den Inſurgenters machte, ſo hatte der Kerl Kourage im Leib , wie man ihm laſſen muß , wenn er auch ein Inſurgenter war, und in Unterhoſen und Mantel ſtürzte er aus dem Hauſe heraus , in dem er geſchlafen hatte, ſchoß einen Huſaren mit feiner Piſtole durch den Arm und haute dann wild mit ſeinem Säbel um ſich. Da er keinen Pardon , den wir ihm anboten, "nehmen wollte , ſo mußte er denn freilich mit dem Leben daran glauben , und Einer von 1
1
meinen Huſaren ſchoß ihn mit der Piſtole durch den Kopf,
daß er gleich auf der Stelle todt zuſammenſtürzte. „ So war uns denn unſer Ueberfall prächtig geglückt, und wir hatten den poladiſchen Inſurgenters ordentlich eins aufgebrannt. Fünf Mann von ihnen batten wir erſchoſſen oder
zuſammengehauen , und an die 17 oder 18 Mann gefangen genommen , die Anderen waren ſo weit weggelaufen , wie ihre Beine fie nur tragen wollten. Von uns war nur der eine
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Huſar durch den Arm geſchoſſen worden , und aud) ein Pferd hatte einen ſolchen Schuß durdy den Bug bekommen , daß ich .es auf der Stelle todtſchießen ließ, damit es ſich nicht länger zu quälen brauche. Hatten wir doch dafür ein gutes Pferd wieder erbeutet , was dem poladiſchen Edelmann gehörte. Sonſt nahmen wir bei dieſer Gelegenheit noch einige 30 Ges wehre, an die 150 Paar Stiefeln und an 200 Thaler Geld,
was die Inſurgenters alles auf einen Wagen mit 3 ſchlechten Pferden , der ihnen gehörte und jeßt unſere Beute ward , ge padt hatten. Alle ſolche Sadyen konnten wir aber beim Schill'ſdyen Korps gar prächtig gebrauchen , und ſo lohnte es idon der Mühe, daß wir den Ueberfall gemacht hatten . Was übrigens unſere Gefangenen für böſe Geſichter machten, als fie ſaben , daß wir nur 10 puſaren wären , die ſie Alle ſo in
die Flucht gejagt hatten, könnt Ihr Euch wohl denken, Kinder. Was ich aber mit all den Kerlen anfangen ſollte , das wußte ich wirklich nicht, denn dieſelben nach Greifenberg mitzuneh. men ,1 das lohnte nicht der Mühe, da es dort ſchon mehr überflüſſige Mäuler , wie überflüſſigen Proviant gab. Einer von meinen Huſaren mußte nun Jeden von dieſen Polacken
mit der Scheere einen tüchtigen Flitſch, von ſeinen Haaren abſchneiden, ſo daß eine fable Stelle auf dem Kopfe blieb und man ſo einen Geldorenen noch Monate lang wieder ers fennen konnte. Wir nahmen die Kerle noch eine Stunde mit auf unſern Marſch , und dann ließ ich fie laufen und befahl
ihnen, fich zu ihren Weibern und Kindern zu ſcheeren. Jeder von ihnen , der wieder gefangen dabei würde , daß er gegen Se. Majeſtät den König von Preußen ſich aufs Neue rebel liren wolle, der folle dann auf der Stelle erſchoſſen werden. Das ließ ich ihnen von einem Huſaren, der poladiſch ſprechen konnte, ſagen , und ſeşte nod ) ein ordentliches Donnerwetter .
drauf. Einer von dieſen Gefangenen, was ein junger, ſchmucker
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Burſche war , der wollte gern für immer bei uns bleiben und Dienſte nehmen, was ich ihm denn auch gern erlaubte. Als wir ihn denn erſt zu einem ordentliden Menſchen gemacht
hatten , was freilich etwas Mühe foſtete, ward ein tüchtiger pujar aus demſelben. Er diente ſpäter als Unteroffizier bei den braunen Huſaren , und iſt ango 13 ehrenvoll für Se. Majeſtät unſeren König auf dem Schlachtfelde geblieben. Später, wenn er mich ſah , war er noch immer ſehr vergnügt und dankte mir , daß ich ihn in jener Nacht von den Inſur
genters mitgenommen , und ihm ſo Gelegenheit gegeben hatte, noch ein guter Soldat zu werden. „ Wie mid , aber das freute, Kinder, daß uns der Ueber fall ſo ! ſchön geglückt war, das könnt Ihr Euch denken. Das gab mir gleich großes Vertrauen bei meinen Leuten , und wenn die Untergebenen zu ihrem Vorgeſepten fein Vertrauen
haben , ſo iſt dies im Kriege ein gar böſes Ding, und mag auch die Subordination ſonſt noch ſo groß ſein , es wird dann immer nicht ſo viel dabei herauskommen , wie es wohl ſollte. Aber auch der Herr Rittmeiſter von Schill und die anderen Herren Offiziere bei unſerer Schwadron , hoffte idy,
würden mit mir , für den Anfang wenigſtens, zufrieden ſein , und danach muß jeder brave Soldat ſich ſtets beſtreben , daß er ſich den Beifall ſeiner Vorgeſegten erwirbt. „Nachdem wir nun noch im Dorfe recht tüchtig gegeſſen und getrunken und in dem Wein , den wir im Quartier des
poladiſchen Edelmanns fanden , die Geſundheit Sr. Majeſtät
unſeres Königs ausgebracht hatten , ließ:id noch ſogleich in der Nacht wieder weitermarſciren, denn allzulanger Aufenthalt dünfte mir nidyt rathſam . Wenn fich die Inſurgenters erſt wieder von ihrem anfänglichen Sdhreck erholt und dann zu ſamengerottet hatten , ſo konnte es mir mit meinen 10 Huſaren doch noch dylecht gehen , und ſo ließ ich denn bald auffigen .
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Wir kamen denn auch glüdlich mit unſeren erbeuteten Wagen in Greifenberg wieder an , und wie ich mich bei dem Herrn Rittmeiſter v. Schil meldete und ihm die ganze Sache erzählt hatte , klopfte er mir auf die Achſel und ſagte: „ Es war gut ſo von Ihnen gemacht, Unteroffizier Erdmann , ich
bin mit Ihnen zufrieden , fahren Sie nur ſo fort Sr. Majes ſtät unſeren König zu dienen . " Das war denn eine große Ehre für mich, denn der Herr Rittmeiſter v. Schill, der ſelbſt ſo viel that, war nicht ſo leicht zufrieden zu ſtellen und von
vielen Worten und Lobredereien war er auch gerade kein Freund .
Eine luſtige Geſchichte, Kinder, die ich Euch noch gleich erzählen will, da es ſich hier ſo gut fißt und wir auch wohl noch länger werden hier bleiben müſſen," fuhr der alte Erd mann fort , der durch ſeine frühere Erzählung in erſichtlich gute Stimmung gerathen war , „ geſchah einige Tage darauf. 1/
Der Herr Rittmeiſter v. Schill batte mich denn wieder auf
einen kleinen Streifzug fortgeſchickt, und um das Dußend voll zu machen , hatte er mir noch zwei Huſaren mehr zugegeben , ſo daß 12 Mann bei mir waren. Lauter tüchtige Kerle, die das Herz am rechten Fleck hatten , und mit denen läßt fich 1
denn doch ſchon was Ordentliches unternehmen. Wir ſollten
ſo weit als möglich in das Weſtpreußiſche hineinſtreifen und -verſuchen einige feindliche Kriegskaffen aufzuheben, denn Geld war uns in Greifenberg lo nöthig wie das liebe Brod. Ein fißlicher Auftrag war dies freilich, denn von Franzoſen und Rheinbündlern lag es überall voll und wir mußten ſehen, wie wir uns zwiſchen denſelben hindurch ſchleichen konnten. Je mehr Gefahr, deſto mehr Ehre ," muß aber jeder ordentliche
preußiſche Huſar denken , und ſo waren ich und meine Kerle denn freuzfidel, wie wir ausritten. Schlechtes Wetter war es freilich und der Schnee fiel diď vom şimmel herab, aber das
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Spaßte gerade für uns, und deſto leichter konnten wir die vers dammten Franzoſen, die an die Kälte und vielen Schnee nicht i gewöhnt ſind und oft gewaltig weichlich thun, belauern. Dazus malen hatten ſte gerade in Berlin ein neues Lied auf unſern
Herrn Rittmeiſter v. Schill ſchon gemacht, wovon ein Vers, wenn mir recht iſt, denn ich habe es lange nicht mehr gehört, ſo anfing: „Man ſah der guten Jäger viel,
Die nahmen ſich genau auf's Ziel . Die Boltigeure , Und Reiter und Huſaren auch ,
Die hieben ein nach preußiſchem Brauch Auf die Chaſſeure."
Weiter weiß ich es jeßt nicht mehr, und das ſangen wir denn gar luſtig und friſch in Kälte und Schneegeſtöber hinein . „ Die erſten .paar Tage wollte ſich gar keine Gelegenheit finden , den Franzoſen eins beizubringen. Wir mußten hölliſch · aufpaſſen, daß fie uns nicht erwiſchten, denn in großen Haufen
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zogen ſie daher.
An die 8 Stunden haben wir bei dieſer
Gelegenheit einmal in einem Tannenwald ganz ſtill gehalten, da viele franzöſiſche Truppen vorbei marſcirten. Einer von
meinen Huſaren , der ritt einen Hengſt und der konnte oft das Wiehern nicht laſſen , wenn er fremde Stuten witterte, da hatten wir denn große Sorge , daß der uns verrathen könne, und wenn ſo die Franzoſen dicht bei uns vorbei marſchirten, dann banden wir ihm immer das Maul ſo zu , daß er nicht wiehern konnte. Als denn nun die franzöſiſchen Kolonnen erſt ein Paar Stunden bei uns vorüber waren , da brachen wir auch wieder auf und marſchirten eine ganze Strecke auf 1
.
derſelben Straße hinter ihnen her. Das hätte fid, der Bonaparte auch nicht träumen laſſen , daß ſo ein Dußend preußiſche Huſaren ſo wenig Scheu hatte und mitten zwi
Ichen ſeinen Regimentern hindurch marſchirte, 9
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„ A18 wir denn erſt in das Weſtpreußiſche kamen , da fand ſich aber eine gute Gelegenheit , ſo einen fetten Fang zu maden.
So ein Paar einzelne franzöſiſche Marodeure
und kleine Trupps von Nadizüglern hätten wir ſchon wohl vorher gefangen nehmen können , aber daran war uns ver flucht wenig gelegen . So etwas hätte leicht Lärm machen können, und wir wollten dies gern vermeiden. Endlich erfuhren wir denn , daß für die nädyſte Nacht
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in einem Edelhofe eine franzöſtiche Einquartierung von 18 Mann nebſt einem Kriegskommiſſair angeſagt wurde. Das war denn ſchon ein beſſerer Fang , denn wo ſo ein Kriegs kommiſſair iſt, da pflegt auch eine Kaſſe, oder doch anderer Vorrath nicht fern zu ſein , und ſo etwas lohnte ſchon der Mühe. Ich legte mich denn wieder auf das Auskundſchaften, nahm einem Bauer, der uns in den Weg kam , vorerſt Pudel müße und Kittel ab, um mich zu verkleiden , und ließ ihn dann ſo lange unter der Aufſicht meiner Huſaren, daß er nicht vors eilig Lärm machen ſolle. Wie id) mich denn ſo in der Dämmes
rung auf den Edelhof ſchleiche, ſo ſtehen richtig zwei volge
pacte franzöſiſche Munitionswagen auf dem Hofe und danes bea ein franzöſiſcher Soldat als Poſten. Das waren denn gute Ausſichten , doch ich mußte erſt das Nähere wiſſen . Da
es nicht mehr ganz hell war , ſo geh ich denn auch dreiſt auf den Franzoſen zu und frage ihn , ob das die Wagen ſeien, die wir am anderen Morgen weiter fahren ſollten. Der aber giebt mir keine Antwort und ſagt nur : „ Pasan, nicks verſteh." Das konnte mir denn freilich nicht viel helfen , und ſo mußte ich mir einen Anderen ſuchen, der beſſer Auskunft geben konnte. So treffe ich denn audy bald einen von den poladiſchen
Bauern , der die Wagen mit hierher zu fahren hatte helfen müſſen. An den, der ſo ein Bischen Deutſch verſtand, machte ich mich denn nu , und ſagte, daß id) ihn am andern Morgen
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ablöſen ſollte , worüber er eine große Freude hatte und mir Alles verrieth , was er wußte. So erfuhr ich denn , daß in
den beiden Wagen Flinten und Flintenpatronen ſeien , der Commiſſair aber , der die Aufſicht habe, noch einen kleinen Kaſten bei ſich führe , in dem gewiß Geld ſei, da er ihn nie
außer Augen laſſe und ihn immer mit in fein Zimmer ſchleppe. Das hörte ſich denn alſo gar gut an, und der Ueberfall mußte gewagt werden , das ſtand feſt bei mir. Gegen Mitternacht, wo ich glaubte, daß Alles wohl ſo am
Feſteſten ſchlafen
würde, rückte ich mit meinen Huſaren vor den Gutshof. Das Thor deſſelben war verſchloſſen , und das war eine verfluchyte
Sade, die uns leicht den ganzen Kram hätte verderben kön Mit Gewalt daſſelbe aufſprengen, was ſonſt wohl leicht
nen .
geweſen wäre , ging nicht, denn dann wären die Franzoſen zu früh erwacht und hätten ſchüſſen begrüßt. Hier mußte von meinen Huſaren mußten Pferde ſo vor mir her , als
uns tüchtig mit ihren Flintens alſo Liſt gebraudyt werden. Vier abſigen und ich trieb die leeren wenn es ein Zuggeſpann wäre,
während ich ſelbſt den Rolpack abnahm und mich ſo hinter meinem Pferde ſtellte , daß man mid in der Dunkelheit nicht
gut ſeben konnte. Meine übrigen Huſaren mußten aber hinter einigen Bäumen, die dicht vor dem Hofthor ſtanden , ſich mit ihren Pferden verſtecken. Nun bullerte ich gewaltig an das Hofthor und ſchrie: „ Aufmachen, aufmachen !" Bald fam auch die franzöſiſche Schildwache und rief in ihrer Sprache, was ich wolle , da fie aber mich nidyt und ich ſie nicht verſtand, ſo weckte fie den Gutsverwalter , der denn audy brummend
und Fluchend erſchien und fragte, was ich in der ſpäten Nacht wollte. Id ſagte ihm , id ſei der Bauer , der am anderen
Morgen vorſpannen folle und wohl jeßt etwas zu früh ges kommen ſei, und ſo bäte ich ihn denn , mich in den Hof eins
zulaſſen , damit meine Pferde etwas mehr in Schuß fämen. 1
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Der Verwalter , der durch das Gitter des Thores die vier
ledigen Pferde erkennen konnte , auch gar kein Arg daraus hatte, daß preußiſche Huſaren ſich ſchon ſo weit unter alle die Franzoſen herein gewagt haben fönnten , machte denn audy endlich unter vielen Brummen und Fluchen , daß ſo ein ver dammter Bauernferl ihn mitten im beſten Schlaf geſtört hätte,
das Thor auf. Kaum war der eine Flügel offen , ſo ſprang ich mit aller Faſt hinein und gerade auf den franzöſiſchen Soldaten zu, der im erſten Schred gar nicht wußte , wie ihm geſchah. Es war aber ein gewißter Soldat, wie ich ihm laſſen muß , und ſo feuerte er denn ſogleich ſein Gewehr auf mich ab , daß mir die Kugel den Kolpad vom Kopfe riß und
ſtürzte dann mit dem Bajonnet 'auf mich los. Zugleich machte er auf franzöſiſch ein Mordgeſdrei, daß ſeine Kameraden kom men ſollten . Raſd drückte ich nun aber mein Piſtol los und
der Franzoſe ſtürzte ſogleich ſchwer verwundet zu Boden. Wie der Blig waren jeßt audy meine übrigen Huſaren in den Hof gejagt gekommen , zugleich hatten ſich aber auch die franzöſi fchen Soldaten zu ſammeln angefangen , und waren nicht
Willens, fich ſo leicht zu ergeben. Polniſche Inſurgenters, die beim erſten Schuß davon liefen , waren es nicht, ſondern
tüchtige, reguläre Soldaten, die wohl wußten, was ſie in ſols chem Falle zu thun hatten. Unſer Glück nur war, daß ſte in der Dunkelheit nicht recht ſehen konnten ,1 wie viel Mann wir denn eigentlich zählten, und uns ſo, unſerem wilden Geſchrei nach), für ſtärker hielten. Dann hatten wir auch den großen Vortheil, daß
die Franzoſen nicht zuſammen ſchliefen , ſondern 6 Mann von ihnen in einem Nebenhauſe auf dem Hofe einquartiert geweſen was ren. Dieſe griffen wir denn zuerſt an , ohne uns um das Geſchieße der Anderen aus den Fenſtern des Wohnhauſes auf uns , wobei fie in der Dunkelheit doch keinen Schaden anrichteten, viel zu bekümmern. Die 6 Mann unten auf dem
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.
Hofe zogen fidy gegen unſere Uebermacht bald in ein Wirths ſchaftshaus zurück , da meine Huſaren, die faſt alle von den
Pferden abgeſprungen waren , ihnen mit den Karabinern arg zuſegten, und verrammelten ſich da von Innen. Gerade dies war aber unſere Abſicht.
Wir ſchoben nun ſchnell einen Bas
gen vor die feſte Thüre , ſo daß dieſelbe auch von Innen nicht mehr geöffnet werden konnte , und waren dadurch alſo dieſer Feinde für längere Zeit wenigſtens, ledig. Jeßt griffen wir Alle mit doppeltem Ungeſtüm die Soldaten an , welche noch immer aus den Fenſtern des Hauſes auf uns ſchoſſen ,
und ſuchten auch das Haus ſelbſt zu erſtürmen. Da die Franzoſen in den Zimmern Licht hatten ,1 weil es ſonſt gar zu finſter darin für ſie geweſen wäre, ſo konnten wir beſſer auf ſte ſchießen , wie ſie auf uns , die wir auf dem dunkeln Hof herumliefen. Dazu ließ ich einige Huſaren ganz ohne Lärm fortreiten , und dann wieder in vollem Galopp angejagt
kommen , als wenn wir neue Verſtärkung bekommen hätten, wie denn auch bald der Eine, bald der Andere aus dem Ges
wehr , was dem von uns überfallenen franzöftſchen Poſten gehört hatte, ſchießen mußte. Wohl eine halbe Stunde wehrs
ten ſich die Franzoſen noch recht gut , und drei von meinen Huſaren waren ſchon verwundet worden , und darunter Einer
ſehr ſchwer; endlich aber, als ſchon einige von ihnen gefallen waren und den Anderen die Munition ausgehen mußte, dach ten fie an das Ausfraßen. Sie ſprangen Alle aus den hins
teren Fenſtern des Hauſes , die in den Garten gingen , der wieder mit einem Wald zuſammenhing, hinaus, und entwiſch ten uns da in der Dunkelheit, was uns audy ganz recht war,
da wir die vielen Gefangenen doch nicht alle hätten forttranss portiren können. Id ließ zwar ein paar Fuſaren noch eine Weile hinter den Fliehenden berlaufen und einige Karabiners
ſchüſſe abfeuern, um ſie noch mehr zu ſchrecken , doch meinten
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wir es mit der Verfolgung gar nicht recht ernſthaft. Zwei todte und einen verwundeten Franzoſen fanden wir übrigens in dem Saale , in welchem dieſelben ſich vertheidigt hatten, liegen. Das Aergerlichſte war mir nur, daß mir der Kriegs 1
kommiſſair mit ſeiner Kaſſe bei all dem Geſchieße entwiſcht
ſein könne, denn auf den Kerl hatte ich es zumeiſt abgeſehen. In dem Zimmer, in dem er wohnte, lagen noch ſeine Uniform und eine Menge anderer ſchöner Sachen , welche meine Huſa: ren natürlich als gute Beute aufpackten. Weit konnte er alſo noch nicht ſein , das war nun einmal gewiß. Ich ließ alſo
das ganze Haus recht ſcharf unterſuchen , und denkt Eud), Kinder, wo wir den Kujon fanden - in der Haushälterinnen :
kammer, da hatte er ſich Frauenfleider angezogen und war dann in ſeiner Angſt, mitſammt ſeiner kleinen Kaſſe unter das Bett gefrochen . Ja, Kinder, das gefällt Euch , und Ihr lacht darü:
ber , Ihr könnt aber glauben , daß wir Alle noch viel mehr lachten, wie wir den fetten Vogel ſo unter der Bettſtelle fans den und ihn dann in Frauenkleidern an den Beinen hervors
zogen. Und als wir nun zu fluchen anfingen , und meine Huſaren ihm mit den Säbeln vor den Augen herumflankirteu und ſchrieen, er ſolle ſagen, wo er die Kaſſe verſteckt habe, da fiel er auf die Knie und weinte , und plapperte viel Zeug, 1
was ich nidyt verſtanden habe - und was das Beſte war,
zeigte uns die Raſſe. In dem Bettſtroh von der dicen Haus hälterin batte der Kerl dieſelbe verſteckt, und da hätten wir denn freiſidy lange vergebens ſudjen können. An die 3000
Thaler in Gold und Silbergeld fanden wir ſpäter in Greifen berg darin , und die konnte man wohl dort brauchen. Der Herr Rittmeiſter von Sdill machte aber auch ein ganz ver gnügtes Geſicht darüber, denn Geld war bei unſerem Korps ſtets knapp .
Er lobte uns ſehr und ſchenkte mir und Fedem
der Huſaren ein Trinkgeld von 10 Thalern.
Da aber
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gerade ein armer Kerl von uns zum Krüppel geſchoſſen war, und Se. Majeſtät unſer König zu der Zeit auch nur wenig Geld hatte, um für ſeine Invaliden zu ſorgen , wie er es ſonſt
gerne gethan hätte , ſo ſchoſſen wir dies Geld zuſammen und gaben es Alles unſerm armen Kameraden , ſo daß der ſich dafür ſo ein kleines Haus , die dazumalen wohlfeil waren, kaufen konnte.
„ Um aber wieder auf den franzöſiſdien Kommiſſair zu fom men , fo jab der Kerl auch in ſeiner Weiberkleidung zu publuſtig aus .
Es war ſo ein fetter, feiſter Mann , dem man es an
merkte , daß er ſeinen Wanſt gut zu füttern verſtehe, wenn auch die armen Soldaten ſeinetwegen hungern müßten. So unter dieſen Rommiſſairen und Proviantverwaltern iſt ſtets
viel Rackerzeug darunter, die gewiß überall, wo ſie nur köns nen, das Ripſen und Rapfen 'perdammt gut verſtehen, und die Soldaten um ihr Bischen Traftement und das trocene Kommißbrod noch zu betrügen verſuchen. Na, bei uns Preu Ben kann jeßunter ſo etwas nicht mehr vorfallen , denn da
wißt Ihr ſelbſt, daß ſtrenge Ordnung iſt und Jeder Alles, was ihm zukommt, auch richtig erhält. Aber ſo in den frü heren, alten Zeiten , da ließen ſich auch Stücke von dieſen Proviantfommiſſairen erzählen , und viel Þokus Pokus iſt da gemadit, und unſer König und ſeine Soldaten ſind oft teus felsmäßig betrogen worden . Und nun gar bei den Franzoſen, ſo ein Volk, was ſo das Rapſen verſteht, und nidit recht auf Treu und Glauben hält, da fönnt Ihr denken , wie es da oft zugegangen iſt. „ Na , unſer Kommiſſair, den wir jeßt gefangen hatten , der ſah auch recht wie ſo ein Habicht aus. Ueber ſeine gelbs flanellenen Unterhoſen hatte der Kerl jeßt den bunten Kattun
rock der dicen Haushälterin angezogen, der ihm aber nur bis
an das Knie ging , und eine alte, ſchmußige Nachtmüße von
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derſelben hatte er auf ſein dickes, rothes Geficht geſeßt. Und dabei klapperte die ganze , dicke Menſchengeſtalt förmlich vor Furcht, und rang die Hände , und gar als er ſah, daß wir den Geldkaſten anpadten, da verdrehte er die Augen ſo fläg lich, wie ein angeſtochenes Kalb. Ich konnte erſt gar nicht begreifen, wie der Huſar, der mir leiſe geſagt hatte, der fans zöſiſche Kommiſſair liege vielleicht unter dem Bette in der 1
1
Haushälterinnenkammer, ſogleich auf dieſen flugen Gedanken gekommen war. Als ich ihn ſpäter danach frug, geſtand er mir, ein Rüchenmädchen aus dem Schloß habe ihn bei Seite
genommen und heimlich geſagt, wir ſollten nur andemOrte nachſehen , da würden wir ihn wohl finden. Und richtig, ſo war es auch geweſen. So find aber die Weibsleute Alle, ohne einen Liebhaber kann Keine leben, und doch gönnt Eine der Anderen nie einen ſolchen , und jede klatſcht darüber ſo , wir uns oben im Guts viel fie nur ' kann. Uebrigens durften hauſe nicht gleich anfangs zu lange aufhalten , ſondern mußten erft die 6 franzöſiſchen Soldaten gefangen nehmen , die nocy immer in dem Zimmer unten im Wirthſchaftshauſe fidy ver rammelt hatten . Drei Huſaren hatte ich dabei aufgeſtellt, und die ſollten auf Alle ſchießen, die aus den Fenſtern fleigen wollten . Die Franzoſen, unter denen ein alter Storporal fich befand , waren brave Kerle, wie man ihnen laſſen mußte, wollten anfänglich fich nidt als Gefangene ergeben, und ſchoffen noch oft aus dem Fenſter heraus , ohne uns Schaden damit
thun zu können. Hätte ich die Thüre mit Herten aufhauen und dann das Zimmer ſtürmen laſſen , ſo wäre noch voraus fichtlich viel Blut gefloſſen , und ſo verſuchte ich denn, ob ich die Kerle nidyt auf eine beſſere Art in meine Gewalt befommen konnte. Id wollte fie nämlich ausräuchern , wie man wohl I
die Füchſe ausräuchert. So ließ ich denn einen großen Haufen
poll Stroh und Heu und Mift darunter , daß. es recht ſcharf 1
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ſtinfen ſollte, leiſe unter das Fenſter bringen und dann ans
zünden, und da wir ſchon alle Fenſterſcheiben entzwei geſchoſſen hatten , ſo mußte der Rauch redit in das Zimmer dringen. Richtig, wie ich gedacht hatte, ſo geſchah es auch. Das Feuer hatte kaum eine kleine Weile redit gequalmt von dem friſchen Miſt, ſo ſchrieen die Franzoſen in ihrem Zimmer, fie fönnten es nicht mehr aushalten und wollten ſich ergeben , wir mödyten
i
I
.
2
1
1
nur das Feuer ausmachen , oder die Thür öffnen . Erſt mußten fie nun alle ihre Flinten aus dem Fenſter ſchmeißen , und wie ſie das gethan hatten, ſo goſſen wir das Feuer aus und nahmen dann den Holzwagen, den wir vor die Thüre gezogen hatten, hinweg , ſo daß ſie heraus konnten . Ganz (dwarz geblödert ſahen die Kerle aus , und rufften und ſchlufſten zuerſt nicht wenig, bis ſie Alle den Rauch wieder los wurden. Nun , wir gaben ihnen denn tüchtig von dem Punſch zu trinken , den uns die dicke Haushälterin hatte kochen müſſen, und dazu große Stücke von dem falten Braten , den ſie uns vorſeşte, und ſo ward ihnen denn auch bald wieder beſſer im Gemüthe. Und als ſie ihren Kriegskommiſſair in dem Weiber 1
rock erblickten, da ſchlugen ſie ein helles Gelädter auf und
waren luſtig, und machten in ihrer wetſchen Sprache allerlei Wiße, die ich nicht verſtand, und ſchienen ihre Gefangenſchaft . ganz wieder vergeſſen zu haben. Sind gar ein ſchnadiges Volk, dieſe Franzoſen, heute ſo und im Handumdrehen gleich wieder ganz anders. Brave Soldaten ſind es , das muß man ihnen laſſen , obgleich wir Preußen uns auch keineswegs vor ihnen zu fürchten brauchen , und es alle Tage wieder mit
ihnen aufnehmen können, wenn es gerade ſo kommen ſollte, aber ſonſt iſt kein rechter Verlaß darauf , und ich mag nicht viel mit ihnen zu thun haben. ,, Als wir denn nun im Gutshofe noc recht brav gegeſſen
und getrunken hatten, da hieß es denn wieder abmarſchiren,
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denn allzu lange durfte es nicht dort ſicher für uns ſein . Der Gutsverwalter, denn der Herr war mit ſeiner Familie ver
reiſt, mußte uns noch an 8 friſche Pferde als Vorſpann geben , um die beiden Munitionswagen nach Greifenberg zu fahren , worüber ich ihm einen Quittungsſchein unterſchrieb. Er machte zwar ein verflucht ſaures Geſicht dazu und wollte erſt
nicht recht daran gehen, denn er ſchien kein gutes preußiſches Herz in ſeiner Bruſt zu haben und ſo ein halber Polacke zu ſein, allein allzuviel ſchöne Worte gab ich ihm gerade nicht darum, und ſo mußte er ſich denn wohl fügen und 4 tüchtige Gaule vor jedem Wagen vorſpannen. Plagen und Schinden und Ingebührliches von ihnen verlangen, muß man die Leute nie im Kriege und wenn es auch im Feindesland wäre, denn fie haben ſo ſchon genug Laſt davon zu tragen, und wer dies ſelbe noch muthwillig vermehrt, iſt gar nicht der Ehre werth, ein preußiſcher Soldat ſein zu dürfen , aber was einmal 1
nothwendig gebraucht wird, das muß auch ſo ohne Weiteres gegeben werden und viele Worte brauchen dabei nicht gemacht zu werden .
Luſtig war es noch mit unſern gefangenen Kriegskom miſſair, den wir natürlich mitnahmen. Er wollte erſt nod) gern ſeine Uniform anziehen , aber meine Huſaren fagten , da er in Frauenkleider gefangen ſei, ſo müſſe er audy dieſelben jeßt OT
anbehalten, und ſo mußte er denn in ſeinem Beiberrod auf
den einen Munitionswagen Klettern.
Da es ſehr kalt war
und er viel fror , ſo warfen wir ihm noch eine wollene
Pferdedecke zu , daß er fich erwärmen konnte. Dafür mußte er aber auch den Huſaren von uns, der ſo ſchwer verwundet war, daß er nicht reiten konnte, in ſeinen Armen halten, ſo daß derſelbe nicht von dem ſchmalen Siß auf dem Munitiones wagen herabfallen konnte, und auch ſonſt denſelben pflegen und
warten. Die 6 franzöſiſchen Soldaten , die wir gefangen
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hatten, mußten auch nody, ſo gut es gehen wollte, auf die Wagen oder auf die Zugpferde klettern, und dann trabten wir, als es gerade Morgen zu werden anfing, ſo ſchnell wie möglich fort. Allzu lange uns hier aufzuhalten , war nicht räthlich, denn da noch genug Franzoſen in der Nähe ſtanden , ſo konnten ſie uns gar leicht auf den Pelz rücken. So die 1
ſchöne Beute aber wieder aufzugeben, war ich gar nidyt Sin
nes und daher hieß es wohl die Augen im Kopfe weit auf: zumaden und gut ſich umzuſehen. „ Ein Glück für uns war es, daß ein ſtarkes Schneeges ſtöber einfiel und ſo unſere Spur wieder gleich verweht wurde. Auch marſdirte ich nicht auf der großen Straße, ſondern auf allerlei Kreuz- und Querwegen, fo daß fie uns bei der Vers
folgung nicht ſo leicht aufſpüren konnten. Einer der Knechte von dem Hofe, den wir zum Fahren mitgenommen hatten, ſagte mir, er ſei ein guter Preuße und möge nicht mehr unter einem ſo halbporadiſchen Inſpektor ſein , ſondern wolle ſeinem
König als ein ordentlicher Soldat fortan dienen. Der andere Knecht ſolle ſeine Pferde ſpäter wieder mit zu Hauſe nehmen, und er wolle bei uns bleiben .
Da dieſer Inedyt mit allen
Holzwegen, die dort in den großen Waldungen ſind, ſehr gut Beſcheid wußte , ſo war er uns von vielem Nugen. Ein Huſar mußte übrigens weit vorweg reiten und ein anderer
hinter uns zurückbleiben ; um Alles , was uns von Nußen oder Schaden ſein konnte, auszukundſchaften. Es war gerade am Nadımittag des erſten Tages und ich wollte in einem Holz eben etwas ausſpannen laſſen, da fam der Huſar, der
hinten zurückgeblieben war , angejagt und rapportirte, daß 1
eine ſtarke Patrouille franzöſtſcher Dragoner, wohl an die 30 Mann , in weiter Entfernung hinter uns angetrabt fäme. Das war denn eine verfluchte Geſchichte, denn wenn die uns eins
holten, mußte ich meine beiden Wagen wieder im Stich laſſen
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und ſehen, daß wir uns, ſo gut es ging, durchſchlügen. Zum Glück ſagte der Knecht, daß nicht weit von uns auf einer Waldwieſe große Haufen von Brennholz ſtünden , hinter denen
wir uns vielleicht verbergen fönnten. Da jagten wir denn in vollem Galopp darauf zu, und die Haufen waren gerade lang und hoch genug, daß wir uns bequem hinter denſelben
aufſtellen konnten, ohne geſehen zu werden. Den Gefangenen bedeutete ich aber , daß der Erſte von ihnen , der auch nur einen Laut von fich gebe , auf der Stelle erſchoſſen würde. Drei Huſaren , in jeder Hand eine Piſtole, deren Hahn ges .
fpannt war , mußten ſich neben die Kerle ſtellen, um ſogleich (oszufeuern, ſobald nur Einer das Maul aufmachen würde. Dem Korporal übrigens, dem ich am Wenigſten traute, denn er war ein beherzter , alter Soldat , ließ ich außerdem die Hände auf den Rücken binden und einen Knebel zwiſchen
die Zähne ſtecken , ſo daß er wohl ruhig bleiben mußte. Das war nun einmal nicht zu ändern, denn im Kriege, da kann es nicht immer ſo fein zugehen. ,, Eine halbe Stunde mochten wir wohl hinter dem Holz
haufen , der wohl an 40 Schritte von der Straße ablag, ges halten haben , da trabten auch die franzöſiſchen Dragoner einige 30 Mann ſtark vorbei. Bei dem Lieutenant der dies 1
felben kommandirte, ritt der Inſpektor von dem Gute, den
ich bisher nur für ſo einen halben Poladen gehalten, der aber jeßt recht zeigte , daß er ein ſchlecyter Kerl war, der es mehr mit den Franzoſen, wie mit ſeinem König hielt. Glücklicherweiſe war ießt ein gar arges Schneetreiben, ſo daß die Spur im Augenblick wieder verweht war, und ſo hatten denn die Franzoſen auch die unſrige nicht ſehen können. I
a
So hatten ſie denn gar fein Arges daraus, daß wir uns ſo ganz
nahe bei ihnen hätten verſtedt gehalten und trabten friſch darauf los , um uns wo möglich noch einzuholen. „Reitet
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ihr man zu , “ dachte ich , wie fie ſo bei uns vorbei waren, eure Pferde fönnen noch manche lange Beine machen und werden uns doch nicht fangen. “ Als denn ſo die franzöſiſchen Dragoner wieder ſo weit weg waren , daß man ſie nicht mehr abrufen konnte, ließ ich auch dem Korporal wieder den Knebel aus dem Maul nehmen und die Hände loebinden .
Einer
von unſern Huſaren, der , ich weiß nicht woher , gut fran zöſiſch ſprechen konnte , mußte ihm ſagen , daß wir ihn nur ſo gebunden hätten , weil wir vor ſeiner Courage ſolche Achtung gehabt, und daß er dies alſo als eine Art von Ehre 1
anſehen müſſe.
Und als ich ihm nun noch meine Schnappss
flaſche bot, und mit ihm zuſammen tüchtig einen hinter die Binde goß, da ward er wieder ganz freundlich und hielt mir
eine lange Rede, von der ich nur verſtand, daß oft die Worte „ bray " und „ Muſdüh" darin vorkamen , wobei er ſtets auf ; die Bruſt fich klopfte und mir dann einen Diener machte. Sind doch immer ein gar närriſches Volf , dieſe Franzoſen , meine Art iſt es nun einmal nicht und auch die Dänekens 1
dazu nicht.
„Da unſere Pferde alle ſehr müde und hungrig waren, und wir Menſchen ebenfalls, ſo ließ id denn hinter dem Holzſtoß, wo wir etwas vor dem Wind geſchüßt waren , eine lange Raſt von 5–6 Stunden machen, und alles Vieh und Menſchen ſids recht ſatt freſſen und ausruhen. Feuer durften wir leider dabei nicht anmachen, obſchon wir das ſchöne Holz in Menge dazu dicht vor der Naſe hatten, denn dies hätte uns
können verrathen, und ſo war es denn freilich ein Bischen ein kaltes Vergnügen. Gar der Kommiſſair, was ſo ein vora nehmes, weidhlichtes Herrchen war, ſo Giner, der wenn er nur ein paar Tropfen Regen auf die Haut bekömmt, gleich den Schnupfen und puſten fürchtet, jammerte ſehr. Da war ihm aber nicht zu helfen, und hatte er ſich ſo oft bei uns Preußen
-
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ſchon gewärmt, ſo konnte er jeßt zur Veränderung auch ein mal tüchtig bei uns frieren .
„Nach einigen Stunden , nachdem Alle fid ein Bischen ausgeruht hatten , ging es mitten in der Nacht wieder fort. Den geraden Weg wagte ich nicht einzuſchlagen , und ſo ging es denn querfeldein mitten durch große Wieſen , die zum Glück ziemlich hart gefroren waren , daß fie überhielten. Es
war aber eine verfluchte Fahrerei für die Wagen , und wenn wir nicht ſo große , ſtarke Gaule von dem Gutshofe mitge nommen hätten, ſo wären dieſelben kaum fortzubringen gewes
ſen. Jeßt mußten aber auch die gefangenen franzöſiſchen Soldaten von den Bodplägen herunter und zu Fuße gehen,
und oft tüchtig Hand mit anlegen , wenn ein Wagen über eine ſchlechte Stelle zu transportiren war. So fröpelten wir uns denn die ganze Nacht durch, und Menſchen und Vieh ſchwigten nicht wenig dabei , trojdem , daß es faſt ganz kalt war. Einen tüchtigen Faden hatten wir aber auf ſolche Weiſe gemacht, und die franzöſiſchen Dragoner konnten ſchon noch lange herumreiten , bis fie unſere Spur wieder fanden.
Am Morgen ſo gegen 10 Uhr, kamen wir bei einem Holz wärterhaus an, was ganz allein im Walde lag. Der Holz wärter, der ein guter Preuße und ſeinem Könige treu ergeben war, wie es ſich gehörte , ſagte, wir ſollten den Tag bei ihm uns ausruhen, was wir wohl brauchen konnten , und in der Nacht wolle er uns dann weiter auf Schleichwege führen. Das thaten wir denn auch, die Pferde kamen in den Stall, und wir Menſchen in die warme Stube, was Allen wohl that,
und da wir noch Fourage und Lebensmittel vom Gutshofe mitgenommen hatten , ſo konnten wir uns denn wieder recht ausfüttern 1, ohne dem Holzwärter ,1 der ſelbſt nicht viel 34 .
beißen hatte, weiter beſchwerlich zu fallen .
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„ Mit der Dunfelheit ging es wieder weiter, und der brave
Holzwärter führte uns die ganze Nacht hindurch ſo viele Schleichwege, daß wir keinen Franzoſen auch nur zu hören,
geſchweige denn zu ſehen bekamen . So marſchirten wir denn noch ein Paar Tage und Nächte auf Kreuz- und Querwegen umher, und hatten immer genug aufzupaſſen , daß wir nicht den Franzoſen in die Hände fielen. Einſt fam uns eine franzöſiſdhe Infanteriekompagnie bis auf die 1000 Schritte
ſchon entgegenmarſdjirt, hatte uns aber glüklidyerweiſe nicht geſehen , da Buſdywerk zwiſdien uns lag.
Da fönnt Ihr
denn wohl denken , Kinder, wie geſchwind wir , Rechts um
kehrt “ zu madjen wußten , und uns einen anderen Weg ſudyten. Zwei franzöſiſche Gensdarmen , die nichts ſorgend ſo ihren Weg zogen , nahmen wir denn audy noch ſo unverſehens bei den Ohren und führten ſie mit nady Greifenberg. Dadurch) I
waren wieder 2 Pferde mehr gewonnen , und da der Kriegs kommiſſair auch noch einen mächtigen , ſchönen Gaul hatte, den wir natürlich auch mitbrachten , ſo hatten wir audy drei Pferde bei dieſem Zug wieder erbeutet. „ In Greifenberg hatte man uns faſt ſchon verloren ges geben , da wir ſo lange ausgeblieben waren , freute fidy aber um deſto mehr, daß wir mit ſo guter Beute wieder einrüdten . ,
Als der Herr Rittmeiſter von Schil den franzöſiſchen Kriegs kommiſſair in ſeinem Weiberrock ſah, da fragte er zuerſt, wer denn das ſei, und warum wir denn ſo ein altes , häßliches Weib mitgebrad )t, und ſolches nicht lieber den Franzoſen ges laſſen hätten. Wie wir ihm aber die ganze Geſchichte erzähls ten, und daß dies kein Beib, ſondern ein franzöſiſcher Kriegss kommiſſair ſei, da lachte er viel , und all' die anderen Herren Offiziere, und die Huſaren alle, die herumſtanden, die lachten 1
nod, mehr. In den Munitionswagen fanden ſich viele tauſend Stück Flintenpatronen und 40 neue Gewehre, und da wir
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außerdem nody an 3000 Thaler und 3 gute Pferde, die 9 Ge: fangenen gar nicht gerechnet, mitgebracht hatten , ſo war der Herr Rittmeiſter von Schill ganz zufrieden mit uns. Der eine Knecht' bekam ein gutes Trinkgeld und konnte die acht Pferde, die freilich nicht wenig bei der eiligen Fahrt in den ſchlechten Wegen abgetrieben waren , wieder mit nach Hauſe nehmen , der andere , der ein ſehr braver Kerl war, blieb bei uns , und trat freiwillig bei der Infanterie ein. Schade nur war , daß der eine Huſar, der bei dem Ueberfall ſo ſchwer verwundet war, bald nachher an ſeiner Bleſſur in. Greifenberg ſtarb. Doch was wollte er auch weiter, war er doch im Dienſt
Sr. Majeſtät unſeres Königs geblieben , und damit muß im Kriege ein preußiſcher Huſar ſchon immer zufrieden ſein. „ So , Kinder, nu habe ich Euch denn wieder ſo ein paar luſtige Huſaren -Geſchichten aus der alten Zeit, wo noch keiner von Euch geboren war, erzählt. Jegt denke ich , wir machen für eine Weile Halt, denn nachgerade geht mir am Ende der 1
„ Puſt “ aus,“ meinte der alte Erdmann, indem er ſein Pfeif
chen ausklopfte und von dem großen Felsſtein , der ihm zum Siß gedient hatte, aufſtand.
Unterdeß kam auch der Fuſar, der als Ordonnanz fort:
geſchickt geweſen war , mit einem Dienſtbrief wieder zurück, und der Befehl war in demſelben enthalten , daß ſowohl Fü feliere wie Huſaren bis auf weitere Ordre hier ihr Bivouaf aufſchlagen ſollten. Da der Regen jeßt ganz aufgehört hatte und die liebe Sonne klar und hell von dem heiteren , blauen
Himmel herabſchien, ſo war die Mannſchaft gar nicht mißver
gnügt über dieſen Befehl. Zwar hätte ihr natürlich dies auch nicht im Mindeſten geholfen , denn da der Befehl da war, lo
hätte bivouafirt werden müſſen , und wenn auch der Regen mit Mollen vom Fimmel gegoſſen , aber ſo wie es jeßt ges ſchab, war es denn doch luſtiger.
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Das Erfte, was nun gethan wurde, war , daß die Sol daten es ſich einigermaßen bequem für ihr Bivouakiren einzu richten ſuchten. Den Unteroffizier Erdmann mit 4 Huſaren fandte der Lieutenant in das nächſte jütiſche Dorf, was eine gute halbe Stunde davon war , daß er Stroh und Heu für
die Pferde requirire und wo möglich auch Kartoffeln oder Grüße , zum Mittags- und Abendeſſen für die Mannſchaft, mitbringe ; Alles natürlich gegen dafür ausgeſtellte Requiſt tionsſcheine. Ein Haufen anderer Soldaten , Füſeliere und
Huſaren bunt durcheinander, ward in den nahen Tannenwald geſchickt, dort Holz zum Brennen zu holen. Sie brachten aber auch ſonſt noch ganze Haufen von langen, grünen Zwei gen mit, und davon flodhten geſchickte Hände gar ſchnell grüne +
Schirmdächer zum Schuß gegen Sonne und Wind. Wo es an rüſtigen , flinken Soldaten nicht fehlt, da dauert es nicht lange und ein Bivouak iſt den Umſtänden nach möglichſt bequem eingerichtet. Auch Kochlöcher, damit das Feuer beſſer brenne und nicht immer vom Winde ſo hin
3
und herflattere,
wurden gegraben , und aus der aufgeworfenen Erde kleine Bänke geformt und mit grünen Raſenfoden belegt , ſo daß
man bequem darauf fişen konnte. Und was ward bei dieſer Arbeit, bei der Ale I, außer den ausgeſtellten Poſten , mit an greifen mußten, und auch die einjährigen Freiwilligen fich nicht ſchonen durften , nicht gelacht, gewißelt und ſich allerlei luſtige Schabernacke geſpielt. Wie mühſam feuchte der ſtämmige Pommer unter der Laſt ſeiner grünen Tannenzweige daher, und merkte es gar nicht, daß der ſlaue Berliner ihm einen
dicken , knorrichten Aſt, der freilich ſchwer wog , heimlicher 1
Weiſe mit in dieſelben angebunden hatte. Da der Aft ein mal da war, ſo gab er für das Feuer gute Nahrung, obgleich
der Pommer freilich nicht wenig fluchte und dem Thäter, wenn er ihn entdeckt hätte, Strafe zuſdwor. 10
-
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In ungefähr 3 Stunden war Alles beendet und der Plas ſo eingerichtet, daß man bei dem warmen Sommerwetter, was jeßt einzutreten ſchien , es ſchon immer dort einige Nächte 1
aushalten konnte. Sept fam auch der Unteroffizier Erdmann
mit ſeinen Huſaren zurück, begleitet von einem kleinen Ein ſpännerwagen, der hoch mit Heu , Stroh und einigen Säcken Kartoffeln beladen war.
Es hat hart gehalten , Herr Lieutenant , daß ich dies Alles bekam, " meldete der Unteroffizier, „ die verfluchten jütis ſchen Bauern ſtellten ſich immer ſo an, als wenn ſie gar kein
Deutſch verſtänden , ſperrten die Mäuler weit auf, fragten ſich mit den Fingern in ihren ungefämmten Haaren, gloßten mich weit an und riefen immer aus „ nię , nir. “ Da mußte ich denn wohl mit meinen Hujaren ſelbſt Hand anlegen und zu
greifen, habe ihnen aber für Alles eine genaue Quittung aus geſtellt, Einer von meinen Huſaren , der wie ein Advokat ſchreiben kann , hat ſie geſchrieben , und ich habe meinen Na men darunter geſeßt, ſo daß Alles in Ordnung iſt .“ 1
Jeßt ging es denn an das Kochen der Kartoffeln und an das Pußen und Füttern der Pferde , daß auch , mit Aus nahme des Offiziers und der ausgeſtellten Poſten , keine Hand auch nur einen Augenblick müſſig bleiben durfte. Ein Stüdlein Speck als ſogenannte eiſerne Ration und etwas Brod hatte
noch jeder Soldat bei fich, und ſo konnte man denn mit der Abendmahlzeit von Speck und Kartoffeln in Aſche gebraten, im merhin zufrieden ſein . Gebratene Kalbskeulen, wie vorhin, kann der Soldat im Felde nicht immer verlangen, er würde ja auch dann ſich bald ſo einen Bauch aneſſen , daß keine Uniform ihm mehr paſſen fönnte. Dazu gab ein Bächlein , was ganz
in der Nähe ſeinen kurzen Lauf der Oſtſee zuführte, gar klares Trinkwaſſer, was auf den ſtark geſalzenen Speck nicht ſchlecht
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ſchmeckte. Freilich ein guter Sdnaps wär den Meiſten lieber geweſen , doch war bei dem Warten in der Regennadit eine folche Ebbe in allen Feldflaſchen eingetreten , daß auch nicht mehr nur ein Tröpflein in ihnen zu finden geweſen wäre, und wenn man ſelbſt einen blanken Thaler dafür hätte geben wollen . Das ſchadete aber nichts , die Mannſchaft war bei
dem klaren, hellen Wetter auch außerdem luſtig, und nach der
Mahlzeit da hatte ſich auf den Raſenbänken ein Kreis zuſam mengeſeßt, die ſangen mit gar friſchen, lauten Stimmen : Steh ich im Feld, Mein ift die Welt. Bin ich nicht Offizier,
Bin ich doch Füſelier, Steh in dem Glied wie er,
Weiß nicht wo es beſſer wär. Juchhe ins Feld, Mein iſt die Welt.
Stely ich im Feld, Mein iſt die Welt.
Hab ich kein eigenes Haus, Jagt mich doch Niemand heraus, Fehlt mir die Lagerſtätt, Boden biſt du mein Bett.
Juchhe ins Feld, Mein iſt die Welt.
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Steh ich im Feld . Mein iſt die Welt. Hab ich kein Geld im Sad , Morgen iſt Löhnungstag,
Bis dahin Jeder borgt, Niemand für’s Zahlen ſorgt. Juchhe ins Feld,
Mein iſt die Welt. 10*
148 Steh ich im Feld , Mein iſt die Welt.
Hab ich kein Geld im Sack, Hab ich doch Rauchtabak, Fehlt mir der Tabaf auch ,
Nußlaub giebt guten Rauch. Juchhe ins Feld, Mein iſt die Welt.
Steh ich im Feld, Mein iſt die Welt.
Kommen mir Zwei und Drei,
Haut mich mein Säbel freis Schießt mich der Vierte tudta Tröſt michy der liebe Gott. Judyhe ins Feld , Mein iſt die Welt .
Und dabei ſchien die liebe Sonne ſo hell und ſo klar, und das blaue Meer, was man von dem Lagerplaß weit überſehen
konnte , glißerte und blißerte , als wär es mit filbernen Flit tern überſäet. In ziemlicher Entfernung vom Ufer lagen die zwei däniſchen Kanonenböte, nicht weit von ihnen ein kleiner Kriegsdampfer, aus deſſen idywarzer Schlott ſich eine dunkle, idywarzgraue Rauchſäule in den blauen Himmel hineinkräuſelte. Oben am Maſte flatterte leiſe vom Winde bewegt die Danes brogsfahne. Gleich als ſolle dieſelbe den lagernden Soldaten 1
recht gezeigt werden , ſo fiel ſcharf das Licht im Sonnenſtrahl gerade auf das rothe Feld derſelben und ließ daſſelbe in Purpur erglühen und das weiße Kreuz derſelben hell hervor treten. Şübſch ſah dies zwar aus , aber für die Soldaten,
die ſo ihren übermüthigen Feind jahen , ihm aber doch nichts anbaben konnten, war dies nicht gerade ſehr erfreulid ).
„ Weeß der Teufel , daß ſo die Dänekens uns hier ooch gerade vor die Augen liegen müſſen, als wollten ſie uns einen
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Schabernad damit anthun ," brummte der alte Erdmann, der
fein Pfeifchen ſchmauchend fich auf den großen Feldſtein nies dergelaſſen hatte. „ Ja, ärgerlich iſt es, das ſo mit anſehen zu müſſen , doch was follen wir dagegen machen , wir Huſaren fämen doch nicht gegen die Kriegsſchiffe im Waſſer an , " meinte ein Huſar. 1
„Nee, das geht mal nich, Huſaren und Kriegsſchiffe, die müſſen weit auseinander bleiben ," lachte ein Füſelier. ,, Na das erſte Mal wäre es auch nicht, daß föniglich
preußiſche Huſaren ein Kriegsſchiff genommen haben ,“ erwie derte der alte Erdmann , der ſtets verdrießlich ward , wenn man glaubte,1 daß für einen Huſaren irgend etwas unmöglich fein fönne.
„ Oho , Vater Erdmann , Ihr Wort in glaube ich nicht, Huſaren ein Kriegsſchiff mehr wie eine Jagdgeſchichte. Ja, wer das viel vertragen ," wißelte ein junger Füſelier.
Ehren , aber das nehmen , das iſt glaubt, der kann Aber da fam er I
bei dem Alten gut an.
„ Ob Sie Gelbſchnabel das glauben oder nicht, das iſt mir ganz egal,“ ſchnaubte der ihn an . „ Und von Jagdges
ſchichten weiß ich nichts, fondern ich erzähle nur þuſarenges ſchichten , und die ſind wahr. Wollen ſo ein überkluger berr fein , der Alles zu wiſſen glaubt, und wiſſen das nicht einmal,
daß die preußiſchen Fuſaren auch Kriegsſchiffe nehmen können. Laſſen Sie ſich von ihrem Schulmeiſter das Geld wieder geben , was er Ihnen gekoſtet,“ und ſo ging es noch eine Weile fort und der junge Füſelier ward bald roth , bald blaß vor Verlegenheit, da alle anderen Soldaten ihn dazu noch
tüchtig auslachten , und nahm ſich feſt vor , niemals wieder die Glaubwürdigkeit des alten Unteroffiziers Erdmann zu bes zweifeln. Er hatte ſeinen Trumpf wegbekommen, wie man zu ſagen pflegt.
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,,So erzählen Sie uns die Geſchichte, Herr Unteroffizier," wandte fich endlich der ſchwarzbärtige Huſar, wie ſchon an: geführt, der Liebling des Alten, an dieſen . „ Ja , die Geſchichte iſt wahr ," wiederholte dieſer noch einmal,“ mein Vater ſeliger hat ſie uns Jungen viel Dußend Mal erzählt , und in Büdern jou fie audy-ſtehen, obſchon ich ſie da nicht geleſen habe, denn außer in das Geſangbuch ſtede ich die Naſe in kein Buch.
„ Das war unter des hochſeligen Königs Friße Maje ſtät,“ hier ſalutirte der Alte wieder ſehr ehrerbietig , als wir Preußen den großen ftebenjährigen Krieg hatten und darin alle die Anderen klopften , daß fie auf lange genug bekamen .
Schöne Zeiten müſſen das geweſen ſein , wie mein Vater les liger, der dazumalen Huſar war , wie ich Euch ſchon geſagt babe, oft erzählte. ,,Na , da waren denn auch unter all die anderen vielen
Feinde, die unſern großen König Friße Majeſtät zu Leibe wollten , auch die Sdyweden , was audy ſo balbe Dänekens
waren. Zu Lande hatten ſie freilich nicht viel zu ſagen und durften das Maul nicht aufthun, und kriegten Sdhläge, wenn fie ſich ſehen ließen, aber zu Waſſer, da machten ſie ſich denn
doch oft gar zu maufig. Da hatten ſie ſo ein Paar Krieg8s ſchiffe und mit denen ſegelten ſie an der Pommerſchen Küſte ſo hin und her und richteten viel Unheil an. Da lag dazit: malen das hochlöbliche von Belling'iche Huſarenregiment und der Oberſt davon , dem immer die Schweden wieder auf ihre
Schiffe wutſchten , gerade wie es jeßt hier die Dänekens mit uns madyen , wenn wir ſie ſo recht faſſen wollen, war darüber nicht wenig verdrießlich. Seinen langen Schnauzbart foll er ſich oft ganz grimmig durch die Finger geſtrichen haben , wie mein Vater ſeliger erzählte , und geflucht haben , er wolle es
den Schweden doch noch tüchtig geben 1, oder nicht die Ehre
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haben , Oberſt von einem Huſaren -Regiment in Dienft Sr. Majeſtät des großen Königs Friße (wieder ſalutirend) zu ſein. Gut alſo, es fing da tüchtig an zu frieren , denn bei dem hochſeligen König ward auch der Krieg den ganzen Winter 1
durch geführt, und ehe fie fichs verſahen , lag da ein ſchwedi ſches Kriegsſchiff nicht weit von Stettin im Eiſe feft, und das Eis war ſo did , daß es einen ganzen Frachtwagen zur
Noth hätte tragen können. War das eine Freude für den Herrn Oberſten von den puſaren , als er dies erfuhr. „, Aha ,“ ſoll er geſagt haben , hab ich jeßt euch Schweden , die ihr mir ſchon genug Aerger gemacht habt. Jeßt ſollt ihr aber ein Stücklein erfahren , was nur preußiſche Quſaren ausfühs ren können ."
„ In einer dunkelen Nacht ließ er an die 250 puſa: ren auffiken , lauter ausgeſuchte , tüchtige Kerle , die ihrem
Herrn Oberſten in die Hölle, wie viel mehr gegen ein ſchwes diſches Kriegsſchiff, was im Giſe feſtſaß, gefolgt wären. Allen Pferden mußten die yufe mit Stroh und alten Lumpen ums 1
wickelt werden , daß es auf dem Giſe nicht flapperte, und ſo
ganz fachte, mir nichts, dir nichts, wurde auf das Schiff zus Na da könnt Ihr denn deriken , Kinder , was die Sdweden auf ihrem Schiffe für Geftchter machten , als ſo plößlich die preußiſchen Huſaren ihnen dicht vor den Naſen waren . Zwar verſuchten ſie ſich noch zu vertheidigen , aber
getrabt.
das half ihnen Alles nichts , wie der Blig waren die meiſten
Huſaren aus den Sätteln, feuerten ihre Karabiner gegen das Verdeď und waren nun, die Säbel in der Fauſt, auf deſſelbe heraufgeklettert. Was wollten die Schweden machen, fie muß ten wohl Bardon nehmen , und ſo iſt denn die Geſchichte ge
kommen , daß preußiſche Quſaren ſogar ſchon ein Kriegsſchiff erobert haben , " ſchloß der Alte ſeine Geſchichte.
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Ja, des jloobe ich, wenn et Alles fo zu Eis is , daß man mit den Pferden darauf reiten kann , da laſſen ſich wohl Schiffc erobern. Sdwerenoth, wenn hier ſo das blaue Waſſer
vor uns auch ſo mit einem Mal zu Eis gefroren wäre , da follten es die Dänen kriegen. Wenn ſie auch ihre langen Balerbüchſen von Kanonen hätten , da wollten wir uns nicht
viel daraus machen, ſie ſollten ſchon ſehen , daß wir preußiſche Huſaren auch jeßt nocy Kourage haben , " ſprach der junge, fchwarzbärtige Fujar, ut ſein Auge ward , ſchon bei dem bloßen Gedanken daran , lebendiger. „Wenn all dies Waſſer hier ſo zu Eis würde, daß man mit Pferd und Wagen berüberkönnte, da wollten wir uns übers haupt nicht lange hier aufhalten . Da ſollten die Dänekens
ſchon ſehen , was es hieß , Preußen fich gegenüber zu haben,
und in drei Tagen ſchon verzehrten wir unſer Mittagsbrod in Kopenhagen ,“ ſagte ein Anderer. „ Das thäten wir doch nicht ," meinte jeßt ein Füſelier. „ Wenn auch noch ſo viel Eis da wäre , daß man ſo gut wie über die große Kurfürſtenbrücke in Berlin hinüber marſchiren könnte, nach Kopenhagen marſcyirten wir deshalb doch nicht.“ Ja, das möchte ich mal ſehen , wer uns das verwehren ſollt,“ rief ein Anderer , „ ſobald wir den Befehl dazu erhiel ten. Die paar Dänekens , wie Vater Erdmann fie nennt, doch gewiß nicht. Die wiſſen noch von Schleswig her , wie es thut, wenn die Preußen angreifen. „Aber den Befehl dazu bekommen wir nicht, das iſt ja die Sache ," ladyte Erſterer wieder. Doch laßt uns nidit unnük ſtreiten , vorläufig ift es Sommer , das Meer friert
noch nicht zu , und ſo fönnten wir auch ſelbſt beim beſten Willen nicht nach Kopenhagen marſchiren. Ein ſchönes Stüdlein weiß ich noch, Herr Unteroffizier,
was ſo Einer von der Kavalerie gemacht hat," fiel jeßt der
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vorhin ſo arg geſchmähte Freiwillige von den Füſelieren ein, erſichtlich beſtrebt, ſich wieder die verlorene Gunſt des alten
Erdmann zu gewinnen. „Na , ſo laſſen Sie es mal los , wollen mal hören , ob Sie aus allen Ihren Büchern auch was Gutes herausleſen. ,, Von dem General von Seydlig werden Sie wohl ſchon gehört haben," begann nun der Füßelier ſeine Erzählung. Dumme Frage das ," polterte der Alte , werde ich doch
von dem gehört haben.. Glauben Sie, daß unſereins gar nichts gelernt hat , wenn er auch nicht immer ſich die Augen mit den Büchern verdirbt. Der General von Seydlik, der war ja eben ſo ein großer General von unſeres hochſeligen
Königs Friße Majeſtät, wie der General von Ziethen bei den Huſaren, und der General von Schwerin und der alte Fürſt von Deſſau bei der Infanterie. Von ſolchen Generalen, und von dem Feldmarſchall von Blücher und all den anderen
Anführern von Anno 13 und 14 und 15 , wird doch wohl jeder preußiſche Unteroffizier etwas wiſſen, oder er müßte fich ja ſein ganzes Lebtag ſchämen ." ,, So hören Sie alſo ein verwegenes Reiterſtüdlein von dem General von Seydliß , was mir, obſchon ich bei der
Infanterie ſtehe, doch beſonders gut von ihm gefallen hat. Als der General von Seydlitz noch ein junger Cornet war,
da ritt er eines Tages im Gefolge des großen Königs , der auch erſt kurze Zeit vorher den preußiſchen Thron beſtiegen hatte , von einem großen Manöver bei Berlin zurück in die Stadt. Er hatte ſich ſoeben mit einem anderen jungen Dffi zier heftig geſtritten , ob ein Kavalleriſt ſich wohl mit Ehren gefangen geben dürfe, ſo lange er noch unverwundet im Sattel fäße und ſeinen Säbel regieren könne. Dabei war er nach ſeiner gewohnten Art , denn er hatte lebhaftes Blut in den Adern, etwas heftig geworden, und hatte ſo laut aus:
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gerufen, ,, ein Kavalleriſt, der ſich in folchem Falle gefangen gebe, ſei nach ſeiner Anſicht ein feiger Kerl," daß ſelbſt der König dieſe Worte hörte. Der hatte ſich denn dieſelben hinter die Ohren geſchrieben und ſich vorgenommen , den
Cornet von Seydlig dafür auf die Probe zu ſtellen , was er .
fehr geliebt haben ſoll. Wie fie denn nun in Berlin auf einer Brüde, die über die Spree hinüberführt wenn ich nicht irre, war es die Zeughausbrücke - reiten , ſo läßt der
König plößlich das Zuggitter derſelben aufziehen und ruft dem Cornet zu :
,, fteht Er, nun iſt Er ja doch mein Gefan gener , was will er nun anders machen ?" „ Mit nichten, Ew . Majeſtät ," ruft aber darauf der Cornet von Seodlitz aus , ſo leidyt ergebe ich mich nicht, und dabei reißt er ſein
Pferd in die Höhe, ſtößt demſelben tüchtig die Sporen in die Seite, und über das Geländer hinüber ſeßt er mit gewaltigem Sprung von der Brücke herab mitten in die tiefe Spree
hinein. Er läßt ſein Pferd darauf ruhig an das Ufer ſchwim men , galoppirt an Se. Majeſtät den König heran, und meldet fich wieder bei demſelben .
,,Das hat Er gut gemacht, Rittmeiſter von Seydlik," mit dieſen Worten empfing Sr. Majeſtät der König den fich Meldenden, und ſo avancirte derſelbe durch dieſen Sprung ſogleich vom Cornet zum Rittmeiſter; der große König verſtand ſich auf ſeine Leute und wußte, wen er gebrauchen konnte" mit dieſen Morten ſchloß der junge Füſelier ſeine Erzählung.
„Das war ein hübſches Stüklein , was mir wohl gefallen hat," fritifirte jeßt ſchmunzelnd der alte Erdmann. So etwas iſt auch gut für Euch zu hören, Kinder," wandte er fich dabei an ſeine Huſaren , „ das könnt Ihr Euch auch gleich merfen , und wenn der Fall gerade ſo kommen ſollte, auch danad) handeln. Ich hab es immer geſagt, es iſt ein ſchlech: ter preußiſcher Huſar, der ſich gefangen giebt, ſo lange er fein
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Pferd noch zwiſchen den Schenkeln, und ſeinen Säbel in der Fauſt halten kann .“
„ Da wir nu doch einmal ſo ſchön ins Erzählen hinein find, und ſo lange Zeit noch vor uns haben , ſo ſollten der verr Unteroffizier Erdmann auch wieder die Güte haben, uns noch mebr von dem Schillſchen Korps , und wie es da bei Colberg zuging , zu erzählen , hieß es jeßt. Der Alte, der jeßt wieder in ſehr guter Laune war , ließ ſich nicht lange bitten , ſtopfte fidy ſeinen Pfeifenſtummel aus dem Tas baksbeutel eines Freiwilligen aufs Neue , und begann dann wieder ſeine Geſchichte:
„ Ihr müßt aber nicht glauben , daß es blos ſo kleine Streifzüge, wie ich Euch vorhin ein Paar erzählte , bei dem Schill'ſchen Korps gab , ſondern wir wieſen den verdammten Franzoſen oft noch ernſthafter die Zähne. So war ich denn
mit meinen puſaren kaum erſt ein Paar Tage aus Weſtpreußen zurück, und unſere Pferde hatten ſich erſt etwas wieder auss geruht, da ging es wieder los. Am 18. Februar , bei einem Wetter, was ſo ſchlecht war , daß man keinen Hund hätte
vor ab. 150 von
die Thüre jagen mögen , marſchirten wir von Naugard Wir waren ſo vielleicht an 500 Mann Infanterie und Mann Kavallerie, und damit wollte der Herr Rittmeiſter Schill denn verſuchen, ob er nicht einen tüchtigen Schlag
machen könne. Wir wollten ſehen, ob wir nicht die Stadt
Stargard überrumpeln könnten, obgleich da an die 800 Mann welſche Truppen , welche der Bonaparte bei ſich hatte , in í Garniſon liegen ſollten. Das war zwar ein Bischen viel, aber der Herr Rittmeiſter von Sdill dachte, daß die Welſchen , welche die Kälte nicht gut vertragen konnten, fich Alle in den Häuſern hinter die warmen Defen verfrochen bätten , und da 1
wollten wir ſie denn überrumpeln und heraustreiben.
Diesa
mal aber hatten wir die Rechnung ohne den Wirth gemacht.
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-
Weiß der Teufel wie es fam , aber eine feindliche Ravalleries
patrouille, die auf Recognosciren ausritt, ſpürte uns aus, als wir uns eben an die Stadt heranſchleichen wollten . Da nahmen die franzöſiſchen Reiter denn ſchnell Reisaus und
wir in vollem Gejage ihnen nach, um noch mit ihnen zugleich in das Thor von Stargard hineinzudringen. Aber es ging nicht, wir holten fie nicht mehr ein und wie wir ankamen,
war uns das verdammte Thor kurz vor der Naſe zugeſchla gen. Na wir verſuchten nun das Thor' zu ſtürmen , unſere Infanteriſten arbeiteten mit Hebebäumen und Stangen das gegen an und die Paar kleinen Dingerchen von Kanonen, die wir bei uns hatten , ſchoffen zuleßt auch dagegen.
Aber vers
gebens , das Thor war und blieb zu , und die franzöſiſchen Tirailleurs, die ſich in die Gärten und hinter der Mauer ein geniſtet hatten , feuerten ſcharf auf uns und tödteten uns manche Leute, ohne daß wir ihnen wieder viel anhaben konns
ten . So mußten wir denn endlich mit langer Naſe abziehen, ohne daß wir unſeren Willen bekommen hatten, und das war eine verfluchte Geſchichte. Die Franzoſen wollten uns ſogar im freien Feld noch verfolgen , aber wir Kavalleriſten , unter unſerem braven Ferrn Lieutenant von Lüßow , zeigten ihnen , daß fie fich dort nicht viel maufig machten durften , und ſo
gaben ſie denn auch das Verfolgen bald auf. In der Nacht kamen wir denn wieder in Naugard an , und daß wir auf dem Wege -dahin mehr fluchten wie gerade fangen, das könnt Ihr Euch denken , Kinder. Iſt mit dem Fluchen auch ſo ein eigen Ding, es ſoll eigentlich wohl nicht ſein und hilft auch .
nicht, wenn man es ſo recht bedenkt, und doch wenn man verdrießlich iſt, ſo thut ein ordentliches „ Kreuz-Schod -Schwere noth“ ganz gute Dienſte und hilft die Galle von der Leber vertreiben. So lange es nun einmal Soldaten giebt, wird auch daø Fluchen nicht abkommen , das iſt nun ſo einmal
-
meine Anſicht.
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Na einen Tag ſpäter , da wurden die Fran
zoſen ſo dreiſt und machten uns in Naugard ſelbſt einen Bes ſud ). Es war die Möglichkeit, daß die Kerle fid ſo etwas unterſtanden , obſchon file in großer Zahl angepatícht famen . Mit einem Male, ſo um die Mittagszeit, wie wir gerade uns ſere Pferde abfüttern wollten, kamen die Kerle in hellen þaufen, mit vielen Ranonen anmarſchirt und das Geſchieße begann
denn auch ſogleich ganz tüchtig. Unſere Kanonen waren zu ſchlecht gegen die franzöſiſchen und die feindlichen Tirailleurs hatten auch beſſere Gewehre wie wir , und ſo ſchoſſen ſie uns denn viele Leute nieder.
Auch der Herr Rittmeiſter v. Sdil,
der immer da war, wo die Kugeln am Dickſten hagelten, bes fam einen tüchtigen Sdhuß am rechten Arm. Der machte ſich aber aus ſo etwas nicht viel ; id mußte ihm mein Taſchen tuch darum binden - denn er hatte mich für den Tag als
Ordonnanz-Unteroffizier zu ſich kommandirt , und ſo blieb er während des ganzen Gefechts auf den Beinen. Gegen Abend
zogen denn die Franzoſen wieder ab , bekamen aber von uns Huſaren noch das Geleite.
Wir waren fudisteufelwild und
hieben recht tüchtig ein und nahmen ſo dem Feinde nody an
die 80-90 Gefangene ab. „Ich bieb mich, wie mir noch ganz gut erinnerlid) iſt, lange Zeit mit einem franzöſiſchen Hauptmann herum , der mir einen kleinen Riß über den Kopf beibrachte. Da ward id, denn böſe , ſtellte midy hody im Bügel , nahm meine ganze Macht
zuſammen und haute mit meinem ſehr ſcharfen und ſchweren Säbel , der früher einen franzöſiſchen Offizier zugehört hatte, dem Hauptmann ſo über den Kopf , daß ich ihm denſelben gleich ſpaltete und er auf der Stelle todt aus dem Sattel
fiel. Mein Lebtag erinnere ich mich nicht, einen beſſeren Hieb gethan zu haben , aber idywar dazumalen auch noch ſo ein
recht friſcher, junger Kerl und nicht ſo ein alter Krüppen
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ſeßer wie jeßt. Aber fäme mir auch jeßt nur noch ſo ein Däneken ſo recht vor die Klinge, er ſollte doch ned ſpüren , daß der alte Erdmann ſeine Plempe zu führen verſtände.
„ Am andern Morgen waren die Franzoſen in noch grös Berer Menge wieder vor Naugard , und unſeren Artilleriſten und Jägern, welche der Herr Rittmeiſter von Schill daſelbſt als Beſaßung in dem großen Amtshauſe, was ein feſtes Ges bäude war, zurückgelaſſen hatte, ging es ſchlecht. Ein braver Offizier , der Herr Lieutenant von Fabe , der ſein preußiſches Herz lo redyt am Flede hatte, kommandirte dieſelben , und ſo wehrten ſie ſich denn, wie es ordentlichen preußiſchen Soldas
ten zukommt, bis auf den leßten Augenblick und fte die leßte Patrone verſchoſſen hatten , obſchon die Franzoſen gewiß an zehnmal ſo ſtark waren. Wie es denn am Ende auch nicht anders ſein konnte, lo ſtürmten die Feinde endlich das Amts baus, und an 120 Soldaten von dem Korps des Herrn Ritt
meiſter von Schill wurden bei dieſer Gelegenheit niederges hauen , während an 90 Mann meiſt auch alle ſchon bleſſirt, in die franzöftſche Gefangenſchaft kamen. Das war ein har ter Schlag für unſer kleines Korps, was eben erſt mit ſo gros Ber Mühe zuſammengebracht war , und Ihr könnt glauben, Kinder , das that unſerm Herrn Rittmeiſter viel weher , als .
der Schuß, den er ſelbſt in den Arm befommen hatte.
Aber
den Muth verlor er deshalb doch nicht, und für unſern das maligen, guten König , der jeßt auch ſchon ſo ein Paar Jahr hoch oben im Paradies iſt, bis auf den leßten Mann zu fech ten , gab er auch doch nicht auf. Gerade wenn es ſchlecht geht , dann erſt recht den Kopf oben zu behalten , dabei zeigt fich der brave Soldat , mag er nun General oder Korporal .
ſein. Wenn das Glüd gut iſt, ein luſtiges Geſicht zu mas
den und die Ohren hoch zu tragen , das kann jeder Fans. narr auch.
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„ Schlecht ging es uns nu aber noch längere Zeit , denn
die Franzoſen kamen mit immer mehr Soldaten gegen uns angerückt und drängten uns immer weiter bis auf Colberg zurück. Kleine Gefechte gab es faſt alle Tage , und wie die angeſchoſſenen Eber ſo wild und muthig , wehrten fidy dabei
oft unſere Rerle gegen die Uebermacht. Ein Fehler war übri gens theilweiſe bei dem Korps des Herrn Rittmeiſter von Schill, und beſonders bei der Infanterie, zu ſpüren, es fehlte nämlich oft etwas an ſtrenger Disciplin. Es waren zu wenig
Herren Offiziere dabei , als daß fie die Burſche alle fo recht in Mannszucht halten konnten , wie es ſich gehörte , und da wir viele luſtige oder wilde Kerle hatten , ſo ging es oft ets was zu frei zu, und der Dienſt ward nicht ſo auf die ordents liche Weiſe, wie es ſein ſollte, gethan. Gerade deshalb ſind den Franzoſen auch ein paar Mal ſo kleine nächtliche Ueber fälle geglüdt, was nicht geſdeben wäre, wenn all die Befehle des Herrn Rittmeiſter von Schill ganz ſtreng ſo ausgeführt worden wären, wie er gewollt hatte. Die allerſtrengſte Diss ciplin iſt den Soldaten aber nöthiger , wie das liebe Brod,
und wenn jeder Einzelne erſt zu denken anfängt und ſeinen
Kopf befragt, was er thun ſoll, und nicht blindlings alle Bes fehle, die ihm gegeben ſind , befolgt, dann hört Alles auf. So eine Truppe iſt dann nicht viel mehr werth, wie die Bers liner Bürgerwehr, oder wie ſo ein unordentliches Freiforp8, und eine Schande und Spott iſt es für jeden braven Soldaten , dabei zu ſtehen. Na, ſo weit war es freilich bei unſerm Korp8
des Herrn Rittmeiſter von Schill, noch lange nicht, 'und dazu
hätte er es auch nie kommen laſſen, denn dazu war er ein viel
zu tüchtiger Offizier, aber ein Bischen größere Ordnung hätte bisweilen bei uns ſein müſſen. Wie geſagt, hauptſäch
lich war Daran Schuld, daß bei den Infanteriſten zu wenig Herren Offiziere waren .
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„Jin Anfang März, den Tag weiß ich nicht mehr recht genau, überfielen die Franzoſen in einer redyt dunklen Nacht, wo man nicht fünf Schritt vor Augen ſehen konnte, uns wies
der, und hatten zuerſt Vortheil und nahmen uns eine kleine Kanone weg. Das durfte aber nicht ſo fort gehen, wir ſam melten uns wieder, und es hieß , es ſei eine Schande, daß
wir eine Kanone eingebüßt hätten und die müßten wir wieder haben, foſte es audy, was es wolle. Und mit lautem þurrah
ging es nun auf die Franzoſen los und wir nahmen ihnen die Kanone wieder ab und noch ein Paar Dußend Gefans gene dazu. Das hatte denn geholfen, und von nun an lies Ben ſie uns ein Paar Nächte in Ruh. Ießt ſchickte mich der Herr Rittmeiſter von Schill wies
der mit 10 Huſaren auf einen kleinen Streifzug weit weg, in den Rücken der Feinde, ſo daß ich an 12 Tage von Colberg
fórtfam . Wir ſollten womöglich ſehen , daß wir den Franzos fen Pferde abnehmen könnten, da großer Mangel an denſels ben war ; es wollte aber nicht ſo recht glücken. Ueberall, wos hin wir kamen, war es voll Franzoſen und Rheinbündler, und
ich begreife heutigen Tages noch nicht, wie wir überall ſo durchkriegen konnten, ohne daß fte uns pacten .
Manchmal
war es auch nur um einen Finger breit davon ab , daß wir in ihre Klauen fielen. So war ich einmal mit meinen 10 Mann
in einer Bauernſcheune aufgeſtellt, während ein ganzes französ ſiſdes Bataillon, dicht auf der Straße davor, vorbeizog. Es hätte zufällig nur einem Franzoſen einfallen können, die Scheu nenthür offen zu machen, und wir wären Alle wie in einer
Mausfalle gefangen geweſen. Ihr kennt denken , Kinder, daß uns nicht dabei allzu gut zu Muthe war, und wir in unſerer Seele froh waren, wie die Franzoſen 'wieder ſo weit fortzos gen, daß wir ihre Trommeln nicht mehr hören konnten. Einen recht luſtigen Spaß batten wir aber - wie mir eben einfällt -
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bei dieſem Streifritt, den will ich Euch noch erzählen. Wir ritten gerade durch einen Wald, wo weit und breit fein Haus zu ſehen war , da fommt uns ſo eine Rutſche in dem tiefen
Drede entgegengefahren . Vor dem Wagen waren vier präch tige Schimmel mit Stußſchwänzen und ein Kutſcher in bun : ter Fade , wie ſo ein Affe aufgepußt, fuhr dieſelben vom Sattel. Auf dem Bode ſaßen aber zwei Bedienten, mit Si bel und Piſtolen bewaffnet. Kaum ſind wir denn ſo an 30 bis 40 Schritt von der Kutide ab und die Bedienten moch
ten ſehen, daß wir preußiſche Þuſaren waren , ſo fangen die Lumpen ein Geſchrei an, als ob ſie am Feuer gebraten wer
den ſollten, ſpringen wie die Kaßen ſo geſchwind' von ihrem hohen Boďk herab und laufen in den Buſch hinein, als wenn der leibhaftige Teufel hinter ihnen drein wäre. Das Ding kam uns denn doch verdächtig vor, wir jagen auf die Kutſche los und bekommen gerade noch den Kutſcher ſo bei den Ohs ren zu faſſen, der auch auskneifen wollte. Der Kerl war ſo ein ächter Franzoſe, wie es nur einen gab , konnte aber ſchon ets
was deutſch ſprechen . In ſeiner Angſt, denn meine şuſaren fluchten wohl ein Bischen , ſagte er denn , daß Wagen und Pferde einem franzöſiſchen General gehörten , und in der Kutſche die Maitreſſe deſſelben mit ihrer Schweſter fäße. Das war denn ein ſpaßhafter Fang , den wir da gemacht hatten. Die 4 Schimmel , die konnten wir gut gebrauchen, und ich 1
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ließ ſie ſogleich ausſpannen , um fte mitzunehmen, denn als Eigenthum eines franzöftſchen Generals waren ſie unſere rechtmäßige Beute. Mittlerweile waren denn auch von dem
Gelärme die Frauensleute im Wagen , die geſchlafen haben mochten , aufgewacht und ſteckten die Köpfe aus den Fenſtern. Da hättet Ihr ſehen ſollen , Kinder , was die für Geſichter machten , als ſie ſo plößlich preußiſche bujaren , welche ihre
Pferde ſchon ausſpannten , um die Kutſche herum fanden . 11
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Das war ein Schreien und Weinen und Kreiſchen und Bitten in ihrer franzöſiſchen Sprache, als wenn man ein halbes Dugend Raßen zuſammen in einen Sad ſteckte und tüchtig Drei Weibsbilder waren e$,
mit einander durchſchüttelte.
vondenen die Eine ſo das Kammermädchen zu ſein ſchien. Bildſaubere Geficyter hatten alle drei , das muß wahr ſein,
und mir ſo ein hübſches Mägdelein blos zum Zeitvertreib zu halten , das hätte mir in meinen, jüngeren Jahren auch viel Vergnügen gemacht. Nun , ein preußiſcher Huſar , ſo lange er noch ein junger, hübſcher Burſd iſt , findet auch ſo immer
ſaubere Mädchen genug zum Kareſſiren und braucht kein ſchweres Geld dafür auszugeben , wie ein alter, franzöſiſcher General. Das iſt immer ſo geweſen und wird auch immer ſo bleiben , ſo lange die Welt ſteht. ,, Na , wir lachten denn die franzöftſchen Frauensleute aus und ſagten, fie ſollten nur nicht ſo ſchreien , wir wollten ihnen
nicht die Köpfe abſchneiden , oder ſonſt was thun , und ſo machten wir ſie denn endlich ganz zuthunlich. Aus dem Wagen nahmen wir nur ein halb Dußend Flaſchen voll ſtarken, füßen Wein, der uns gut ſchmeckte, und einen großen, 1
kalten Braten und noch ſo Allerlei zum Eſſen , was wir denn
auch auf der Stelle verzehrten , da wir nicht wenig hungrig und durſtig waren. Alle übrigen Sachen , und darunter auch ein großer Beutel mit Geld , ließen wir ruhig drin liegen, denn ein braver preußiſcher Soldat wird nie ein Frauen zimmer ausplündern. Der ſtarke Wein , von dem wir den Weibern auch welchen zu trinken gegeben hatten , war uns
etwas zu Kopfe geſtiegen , und meine Huſaren waren freuzfidel und fangen und lachten , und wenn der Weg nur nicht ſo ſchmußig geweſen wäre , jo hätten ſie am Ende noch gar zu .
tanzen angefangen. Und die Frauenzimmer im Wagen wurden zulegt auch ganz luſtig und lachten , und als beim Wegreiten
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endlich ein Huſar meinte, jede von ihnen ſolle uns noch einen Kuß geben, ſo- ließen ſie ſich denn auch nicht allzulange bitten , und wir füßten ſie zuleßt noch recht tüchtig durch.
So die franzöſiſchen Frauenzimmer, die ſind das viele Küſſen ſchon gewöhnt. Nun zulegt ließen wir ſie mit ihrer Kutſche aber doch ohne Pferde allein im Wege fißen , zeigten aber dem Kutſcher das nächſte Bauerndorf , wo er für Geld am Ende wohl Vorſpannpferde befommen würde. Mit unſeren
4 Schimmeln an der Hand, trabten wir aber nach Colberg zurück , und obſchon die Franzoſen uns oft hart genug au den Haden waren , glückte es uns doch , die Feſtung damit zu erreichen. Dort fonnte der Herr Rittmeiſter von Schill
die Pferde wohl gebrauchen , und ſo hatten wir denn doch etwas von unſerem Streifzug mit heimgebracht und brauchten nicht ganz mit leeren Händen zurückzukommen. „Ja, Ihr lacht wohl über die Geſchichte, Kinder, und ſie
hat Euch gefallen, das glaube ich, dabei hättet Ihr auch fein mögen , wo es ſo hübſche Mädchen zu fangen giebt.
In
Colberg bei uns hättet Ihr aber gewiß kein Vergnügen gehabt, denn eine traurige Zeit war da oft für uns Alle, und es ging Vieles ſo , wie es juſtement nicht gehen ſollte. Auch der alte Kommandant von der Feſtung Colberg hatte
keine rechte Schneide mehr, und gab unſerm Herrn Rittmeiſter
von Schil nicht die gute Unterſtüßung, die er wohl verdiente. Wäre es nach dieſem alten , ſchwachen Mann gegangen , ſo
hätte die Feſtung ſich am Ende doch noch an die Franzoſen Se. Majeſtät unſer hochſelige König Friedrich Wilhelm hatte aber ein gutes Einſehen hierin und ſdicte ſpäter einen neuen Rommandanten, der den verdammten Franzoſen ſchon zu zeigen wußte, wo Bartel den Moſt bolte. Das war der damalige Herr Major von Gneiſenau, der ſpäter ſo ein großer General geweſen iſt, daß ſelbſt unſer alter Feld
übergeben müſſen .
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marſchall von Blücher Ercellenz geſagt haben ſoll, wenn er der Doctor ſein ſolle, der den Bonaparte zum Lande hinauss
getrieben hätte , ſo wäre der General von Gneiſenau ſein Apothefer.
. Die Franzoſen , die immer mehr Regimenter herbeigezos
gen hatten, fingen jegt an , Colberg immer enger einzuſchlies ßen , ſo daß wir nicht viel Raum mehr hatten zu größeren Streifzügen. Es hätte nicht viel geholfen , wenn man außer halb auch Gefangene und Beute machte, da man ſie ja doch nicht durchbringen fonnte. Eine ordentlide Bataille hatten wir aber am 19. März wieder mit den Franzoſen und es ging
an dem Tage ſcharf her. Das fam aber ſo. Nicht weit von der Feſtung Colberg liegt eine große Saline , die wir noch beſeßt hatten , und dies war ein ſehr wichtiger Poſten für uns, denn man konnte von dort aus großen Schaden anrich ten . Die franzöſiſchen Befehlshaber waren nicht ſo dumm, daß ſie dies nicht einſehen ſollten , und hatten daher ſchon lange ihren Schmeder nach dieſer Saline und den großen Holzvorräthen , die dabei aufgeſtapelt waren , gehabt. Mit einem Mal, an einem Morgen früh , wo der Herr Rittmeiſter v. Schill eine Kompagnie von ſeiner Infanterie fortgeſchickt hatte, um einen größeren Streifzug zu verſuchen , kommen ſo an 1200 Mann Franzoſen anmarſchirt, fangen ein heftiges 1
Geſchieße an und trieben die 200 Mann preußiſche Soldaten ,
die bei der Saline Poſto gefaßt hatten, bald weg. Das war denn eine verfluchte Sadie, die leicht viel Unheil ſtiften konnte, wenn ihr nicht noch bei Zeiten ein ordentlicher Riegel vorgeſchoben wurde. Ich war gerade als Ordonnanz-Unters offizier mit 6 Huſaren dort auf dem Poſten bei der Infan
terie , wie die Franzoſen zuerſt in ſo großer Ueberzahl zu feuern anfingen . So raſch wie mein Gaul nur laufen konnte, Herræ mußte ich jept nach Colberg hineinjagen , um den berri
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Rittmeiſter v. Schill zu holen , daß er mit noch mehr Mann ſchaft zu Hülfe kommen ſollte. Der Herr Nittmeiſter litt zwar noch ſehr an dem Schuß im Arme, den er lekthin erhalten,
wie ich Euch ſchon erzählt habe , und auch ſeine Bleſſur im Kopfe, die er noch von der Schlacht bei Jena her hatte, war
auch noch nicht ganz geheilt. Er war aber doch gleich aus
dem Bette geſprungen, wie er nur das Schießen aus der Ferne gehört hatte und kam mir ſchon auf der Straße ent gegengelaufen.
Raum hattte ich ihm meinen Rapport gemacht,
To rief er aus : „ Da muß ja geholfen werden , oder Alles iſt verloren , “ und lief ſogleich zu dem Herrn Oberſten v. Louca dou hin , was der erſte Kommandant von Colberg war , dies
ſen zu bitten , daß er mit den erſten, beſten Soldaten , die man in der Eile zuſammenraffen könne , den Angegriffenen I
dort draußen zur Hülfe eilen dürfe. « Der Herr Oberſt, der den Herrn Rittmeiſter von Schill ſo nicht gut leiden konnte,
ſoll aber geſagt haben : „nicht eine Kaße und viel weniger einen Grenadier wolle er denſelben zur Hülfe geben ; hätten
die ſich da draußen eine ſchlechte Suppe eingebrođt , ſo könn ten ſie auch ſolche allein auseffen , ihm ginge das nichts an
und in ſo früher Morgenſtunde laſſe er ſich nicht gern aus ſeinem Sdycafe aufwecken ."
Ganz freideweiß im Geſicht vor Zorn kam der Herr Ritt
meiſter v. Schill wieder aus dem Kommandantenhauſe her: ausgelaufen und rief mir zu : „ Und wenn man mich auch deshalb ſpäter vor ein Kriegsgericht ſtellt und wegen Jnſubor dination erſchießen läßt, Hülfe muß da draußen werden. Id
werde ſogleich auf meine eigene Hand Generalmarſch ſchlagen laffen und
Alles zuſammenraffen, was ich man an Soldaten
auftreiben kann . Jagen Sie ſogleich wieder heraus und ſagen
Sie,man folle fich nur noch ein Paar Augenblicke Halten,
ich würde ſchleunig mit friſchen Truppen nachkommen .“ und
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richtig, ich war noch nicht aus der Feſtung heraus , ſo hörte ich ſchon den Generalmarſch ſchlagen , und es dauerte auch nicht lange, ſo kamen der Herr Rittmeiſter ſchon mit 2 Koms
pagnien nach. Es war dies aber auch die höchſte Zeit , denn draußen ſah es dredyt für uns aus. Die Saline hatten die
Franzoſen ſchon geſtürmt und wenn es ihnen geglückt wäre,
die Holzſtöße zu bekommen, ſo wäre Colberg leicht ganz vers ( oren gegangen .
„Na, uu fing denn erſt ein recht ordentliches Geknalle an, und wenn die franzöſiſchen Tirailleurs auch noch ſo viel hers umliefen und auch franzöſiſche Artillerie fid hören ließ, heraus mußten ſie doch wieder aus dem Salinengebäude, fie mochten wollen oder nicht; da half nun wieder kein Maulſpißen . Nach ein Paar Stunden hatten wir denn auch unſern
Willen erreicht und die Franzoſen mußten wieder mit langer Naſe abziehen, ohne daß ſie die Saline hätten halten können. An die 160 Todte und Verwundete hatten wir freilich gehabt, und das war fein kleiner Verluſt zu einer Zeit, wo Sr. Mas
jeſtät dem Könige die braven Soldaten ſo ſchon knapp genug waren. Aber auch mancher Franzmann hatte bei dieſer Ges legenheit hier ins Gras beißen müſſen, und das konnte ſchon tröſten . Jest befahl der Herr Rittmeiſter v. Schill, daß die Leute
von ſeinem Korps fid in ein kleines Gehölz , was dicht bei
dem Colberger Hafen liegt und die Maifühle genannt wurde, warum , das weiß ich ſelber nicht, verſchauzen ſollten. Wie die Maulwürfe mußten wir nun Alle in der Erde berum wühlen, und ſelbſt wir Fuſaren mußten mit daran arbeiten
helfen , obſchon wir eigentlich keine Pioniere waren. Wer nicht auf. Wache oder Patrouille war , der mußte ſchon den Gräber in die Hand nehmen, oder wie ein Sträfling im Karren gehen, da half denn weiter nichts dagegen. Das war denn
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freilich kein fo angenehmes Stück Arbeit, wie hübſche franzö
fiſche Frauenzimmer küſſen, oder ihnen den Wein auszuſaufen, aber im Kriege kann man nicht blos Vergnügen haben, es iſt oft auch Arbeit und Laſt mehr denn zu viel dabei. Aber ein braver Soldat darf ſich daraus nicht allzuviel machen , ſons dern muß immer denken : Nimm's wie es fommt." Darum fann ich mich jeßt über Euch audy ſo oft ärgern , wenn Ihr, 1
ſobald der Regen ein Bischen trüppelt, oder der Wind pfeift, oder es im Gras hier nicht ſo vornehm und bequem wie in
der Kaſerne iſt, gleich die Geſichter verzieht und das Maul hängen laßt.
„ Na, Anfangs April waren wir denn mit unſerer Vers ſchanzerei fertig und die Franzoſen ſollten harte Nüſſe aufzu fraden bekommen und manche blaue Bohne erſt koſten müſſen,
bevor ſie uns alle dieſe Schanzen erſtürmt und weggenommen bätten. Der Herr Rittmeiſter von Schill, der machte ſich ein Vergnügen und ſchickte mich als Parlamentair , einen blaſen den Trompeter an der Seite, zu dem nächſten franzöftſden
Vorpoſten . Die verfluchyten Franzoſen , die ſehr über uns vom Schill'ſchen Korps erboſt waren , weil wir ihnen ſchon ſu viel Schaden zugefügt hatten , wollten uns feinen Pardon 1
mehr geben . Die Hundsfötter behaupteten , wir ſeien feine res
gulären Truppen , weil wir nicht Alle vollſtändige Uniform anbätten , ſondern nur Räuberbanden , und ſo drohten ſie, Jeden , den ſie von uns einfingen , wenn er nicht eine ganz vollſtändige preußiſche Uniform anhätte , auf der Stelle auf
zuhängen oder doch wenigſtens vor den Kopf zu ſchießen . Jeft ließ der Herr Rittmeiſter von Schill den Franzoſen durch mich wieder ſagen : „ Wenn ſie noch mehr ſolche dumme Res
dengarten führten und nicht Jeden von uns, der das Unglück hätte, als Kriegsgefangener in ihre Hände zu fallen , ganz ſo behandelten, wie es ſich nach Kriegøgebrauch gehörte, ſo würde
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er fortan jeden gefangenen Franzoſen auf der Stelle an den höchſten Baum in der Maifühle aufknüpfen laſſen . Zugleich ſollte ich ihnen auch ſagen , daß jeßt unſere Verſchanzungen alle fig und fertig wären und es uns großes Vergnügen machen würde , wenn ſie dieſelben bald zu ſtürmen verſuchen follten. Der franzöſiſche Hauptmann, der die Vorpoſten kom mandirte und dem ich meine Botſchaft ausrichtete , konnte ſo
viel Deutſch, daß er ſie verſtand und fouterte und tobte nicht wenig über dieſelbe. Das hatte er aber umſonſt und ich füm merte mich wenig um alle ſeine böſen Worte, die er mir machte und um die Geſichter, die er dazu ſchnitt. Als er noch ſo berum ſchimpfte und fluchte , und idy
gerade wieder mit meinem Trompeter auf das Pferd ſteigen wollte, kam ein franzöſiſcher General angefahren , und neben ihm im Wagen ſaß das hübſche Frauenzimmer , was wir ges fangen und ſo viel geküßt hatten, wie ich Euch ſchon erzählte. Die ward ganz roth, wie ſie mich wieder fah, und lachte mir heimlich zu , und ich lachte auch wieder. So die Küſſe von uns preußiſchen Huſaren müſſen ihr doch gut geſdimeckt haben . 1
Der General aber , der fluchte noch vielmehr wie der Kapis
tain, und ließ mir ſagen , ich ſolle ſogleich machen , daß ich wieder fortkäme ; er wolle von uns gar keine Parlamentairs mehr haben. Das fonnte er denn auch bleiben laſſen , wenn
es ihm nicht geftel, ich lachte aus vollem Halſe, als er mir dies ſagen ließ , ſchlug mir erſt Feuer zu meiner Pfeife an, und trabte dann wieder ab. Wenn ein Preuße ſo den Fran zohen gegenüber iſt, muß er nur ja nicht blöde ſein und ſich von ihnen was gefallen laſſen. Das Volf iſt ebenſo hier wie die Dänekens, giebt man ihnen auch nur erſt den kleinen
Das Finger, ſo wollen fie gleich die ganze Band haben. Daß ſte unſeren Gefangenen fortan keinen Pardon mehr gaben,
das ließen die Franzoſen nach dieſer Botſchaft aber bleiben .
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Sie wußten , daß der Herr Rittmeiſter von Schill keinen Spaß verſtände und ſchon Port halten würde, und hatten keine Luſt, daß wir alle die Gefangenen , die wir von ihnen machten, aufknüpfen ſollten .
„ So blieben wir denn nun längere Zeit in Baraden, die wir uns gebaut hatten, in der Maifühle liegen, und das wir gerade viel Vergnügen da batten , läßt fich nicht ſagen.
Redyt traurig war es auch, als wir eines Tages eine Vors ſtadt von Colberg anzünden mußten , damit ſich die Franzoſen nicht darin feſtſeßen ſollten. Solch eine Brennerei iſt ſelbſt im Feindesland für einen Soldaten ein ſchlecht Stück Arbeit, und nur böſe Kerle können ein Vergnügen daran finden ; aber im eigenen Lande , wenn es des Königs gute Unters
thanen ſind, denen man ſo die Häufer über dem Kopf an ſtecken muß, dann iſt es noch viel unangenehmer. Doch der Befehl war dazu da ,1 und ſo mußte er denn auch ausgeführt
werden. Was weinten und jammerten aber viele Weiber und Kinder und felbſt Männer , als ſie aus ihren Gäuſern fort mußten und kaum noch ſo viel Zeit hatten , ihr Paar Hab ſeligkeiten mit fortzunehmen. Größtentheils nur kleine Leute, die von der Hand in den Mund leben mußten , wohnten in dieſer Vorſtadt, und ſo war das Unglück noch größer. Ein alter Mann war da in einem kleinen, netten Hauſe, der hatte ſchon weißes Haar, wie id) es jeßt habe. Als ich ihm ſagte, daß ſein Haus bald angeftedt werden ſollte, und der Anfang
von der Brandanlegung damit gemacht würde , antwortete er mir, das Häuslein habe ich mir in meinen jungen Jahren ſelbſt gebaut und mit meiner ſeligen Frau Hochzeit darin gehalten und meine zehn Kinder ſind darin geboren, und idy dachte auch bald darein meinen Sarg zu ſtellen. Da es aber zu meines guten Königs Nußen geſchehen ſoll, daß es jeft abgebrannt wird, ſo will ich mich gern darein fügen undauch
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gar nicht darüber klagen ,“ und damit ſteckte der alte Mann zuerſt den Pechkranz, den wir aus Theer und Werg gemacyt hatten , in Feuer , und half ſelbſt dazu , daß es auch gleich überall ordentlich brenne. Seht , Kinder , das war audio ein ächter Preuße , vor dem jeder brave Soldat die größte
Achtung haben mußte , obſchon es ſonſt nur ein gewöhnlicher Bürgersmann war. Solche ächte Preußen , die das Herz auf dem rechten Fled trugen und denen für ihren König fein Opfer zu groß war, gab es aber Viele in dem kleinen Cols berg, und darum baben die Feinde es auch nie nehmen föns
nen, weder die Ruſſen , die im Fiebenjährigen Kriege zweimal davor lagen , noch dazumalen die Franzoſen. So ſollte es aber überall in den preußiſchen Landen fein.
,, Am 12. April hatten wir nun wieder eine recht ordent liche Bataille mit den Franzoſen , und dies war auch das lepte Mal , daß ich bei Colberg unter des Herrn Rittmeiſters 1
von Schill eigener Anführung mit fechten konnte. Einer von den Herren Lieutenants in unſerem Korps , der Herr von
Gruben , ein fo braver Mann 1, wie nur je Einer die Ehre gehabt hat, die Offiziersuniform St. Majeſtät unſeres Königs zu tragen , hatte von dem Rittmeiſter den Befehl bekommen , einen weiten Streifzug zu machen. Das mußten denn die
Franzoſen erfahren haben und famen ſogleich mit ein Paar Regimentern und mehreren Kanonen an, um denſelben abzus ichneiden . und Herr Rittmeiſter von Schill wollte dies natür: lich nicht zugeben und nahm in der Gile Alles zuſammen , was er nur von Soldaten bekommen konnte, ſeinen Lieutenant
zur Hülfe zu kommen. Uns Huſaren fommandirte er an dem Tage perſönlic , denn wenn er es irgendwie thun konnte, To machte er dies am Liebſten . Ein mordichlechter Weg war
es , in dem wir reiten mußten ., denn es hatte in den leßten Tagen viel gethauet und geregnet, und ſo war denn alles ein 1
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Dred , daß man fich faum durcharbeiten konnte. Das half aber Alles nichts, es ſollte und mußte gehen, und ſo ging es auch , wenn auch die Pferde ein paar Spornſtöße mehr bes famen . Solche Kavallerie, die ſich durch ſchlechte Wege auf halten läßt , darf nicht die Ehre haben , eine königlich prens Biſche genannt zu werden. Wie wir denn an dem Ort des Gefechtes ankamen , ſo knallte es ſchon gewaltig dort , und die Infanterie und Jäger von dem Schill'ſchen Korps hatten 1
ſich ſchon nicht wenig mit den Franzoſen herumgeſchoſſen. Aber wir waren auch nicht umſonſt gekommen, und ,vorwärts , drauf, drauf, Kinder, auf die verdammten Franzoſen , gebt ihnen ordentliche preußiſche Hiebe “ rief der Herr Rittmeiſter von Schill aus, und ſo ging es vorwärts. Durch eine ſehr fumpfige Wieſe ging es , und unſere Pferde fonnten ſich kaum durch
arbeiten und wollten immer ſtecken bleiben, und dennoch ging es fort. Selten in meinem ganzen Leben , obſchon ich ſo oft eine Attaque machte, habe ich geſehen , daß Huſaren beſſer vordrangen, wie wir an dieſem Tage. Und unſere Jäger und Füſeliere, die Kerle ſchoffen, daß es eine Luſt war, und mans cher „ Parlez- vous" mußte einen Purzelbaum machen , um nie
wieder vom Boden aufzuſtehen. Was hatte das Volt auch in unſerem Pommerland zu thun , fie fonnten ja ruhig zu Hauſe bleiben . An dem heutigen Tage mußten fte aber wieder mit langer Naſe abziehen , und es war feine Rede davon,
daß fie ihre Abfidit durchgeſegt hätten. Leider fehlte es uns nur an Geſchüßen , ſonſt wäre es ihnen noch ſchlimmer gegans
gen. Die Franzoſen , als ſie retirirten , mußten eine lange Zeit auf einen ſchmalen Damm , der durch Wieſen führte , in gedrängten Haufen marſchiren, und hätten wir nun da ſo ein Paar Sechspfünder gehabt , um dazwiſchen zu knallen , zu Dußenden wären ſie gefallen. Aber auch ſo ſchon blieb ein ganzer Haufe von ihnen todt. Aus Colberg kam uns 1
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feine ſo rechte Unterſtüßung nach, wie es fich eigentlich gehört hätte, ſonſt glaube ich, hätten wir viele hunderte Franzoſen lebendig gefangen nehmen können. Was darüber Rittmeiſter von Schill Alles fluchte, und was er Rommandanten in Colberg ſagte , mag ich Euch mehr wiedererzählen , Kinder. Aber Recht hatte
der von gar der
Herr dem nicht Herr
Rittmeiſter doch , ſo viel ich das zu beurtheilen verſtehe , und es war großer Schade, daß immer der Kommandant ihn ſo wenig unterſtüßte. So entkámen an dieſem Tage , nachdem das Gefecht vom Morgen bis zum Abend gedauert hatte, die Franzoſen wieder , hüteten ſich aber , für die nächſte Zeit wieder etwas Ordentliches zu unternehmen. Aber auch wir hatten
für unſere wenige Mannſchaft nicht geringen Verluſt gehabt, und ein paar Dußend von uns waren todt, oder ſchwer verwundet.
Das hilft nun einmal im Kriege nicht, wo viel gebauen wird, da fallen auch viel Spähne ab. Ich hatte an dem Tage das Unglück, daß ſo mit der lebte Schuß , den ein franzöſiſcher Tirailleur auf uns abfeuerte , mein Pferd in die Bruſt traf, ſo daß es mit einem Saße todt unter mir zuſammen ſtürzte. 1
Tief im Dreď fam ich dabei zu liegen und das todte Pferd auf mir , ſo daß ich mich gar nicht wieder herausarbeiten konnte und die Kameraden dabei helfen mußten .
Wie ich
dabei ſchmußig ausſah, könnt Ihr Euch denken, faſt ganz ſo ſchwarz wie ein Schornſteinfeger im Geſicht. Na, das ſchadet nichts, rein konnte ich mich ſchon wieder waſchen, denn Waſſer war bei Colberg genug, aber ein gutes Pferd fand ich nicht gleid) wieder. So mußte ich denn zu Fuß dienen, und das iſt für einen Huſaren, der ſo gewohnt iſt ein Pferd zwiſchen
ſeinen Schenkeln zu halten , keine angenehme Sache.
Aber
aud) auf dem Waſſer mußte ich Dienſte leiſten , und das Stüd:
lein will ich Euch noch erzählen , das ging nämlich ſo zu . Am Abend noch nach dem Gefechte , von dem ich Euch To
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-
eben ſagte, ließ mich der Herr Rittmeiſter von Schill zu fich rufen und ſprach), da ich doch kein Pferd habe, ſo ſolle ich ihn in einem Boote zur See begleiten, denn er wolle ſuchen, daß er mit dem ſchwediſchen Obergeneral bei Swinemünde
eine Unterredung hätte. Das war zwar eine große Ehre für mich, denn es zeigte, daß der Herr Rittmeiſter von Sdid
Vertrauen zu mir hatte, aber ich kann nicht läugnen, daß mir ſonſt gar nicht ſo angenehm zu Muthe ward. Mein Lebtag war ich noch nie zur See geweſen, und was man nicht kennt, dazu hat man auch kein rechtes Vertrauen. Dazu war die
Nacht ſtodfinſter, der Wind heulte nur ſo, und die Wellen der Oſtſee ſchlugen ganz in weißem Schaum an den Strand. Wenn ich den Befehl bekommen hätte, mich allein mit ſo drei
Franzoſen herumzubauen, ſo wäre mir dies lieber geweſen, wie jeßt ſo in dieſer Nacht auf dem Waſſer zu fahren. Und
dazu war ich auch noch müde und hungrig, denn den ganzen Tag faſt waren wir ja im Gefecht geweſen, und von dem i Sturz mit dem Pferde thaten mir auch alle Knochen im Leibe noch weh.
Das durfte aber Alles . nid )t ſchaden , den Bes
fehl hatte ich, und ob mir derſelbe recht oder ſchlecht war, darauf fam am Ende nidyt viel an. Ein ordentlicher Soldat muß ſtets Ordre pariren , und nur bei den Rebellers und Demokraters thut Jeder, was ihm gefällt. Darum bringen es audy ſolche Kerle zu nichts, und mit einer Sdywadron Huſaren, oder einer Compagnie Infanterie kann man ganze
$ Haufen derſelben wegiagen , wenn man ſie auf freiem Felde hat.
Sechs Matroſen und ein alter Schiffskapitain waren in dem Boote, was am Strande auf uns wartete, denn außer mir hatte der Herr Rittmeiſter v. Schill nur noch ſeinen Bedienten mitgenommen . Schon beim Hereinſteigen ſchlugen uns die
Wellen ganz naß, ſo daß wir nicht mehr näſſer werden konnten, was aud) ſein Gutes hatte.
Ich dachte immer das Boot
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müſſe umſchlagen, ſo ſchief lag es auf einer Seite, als das Segeln anfing, und hatte ſchon meine Seele Gott meinem Herrn anbefohlen. Zwar wäre ich lieber mit dem Säbel in
der Fauſt auf freiem Felde gegen den Feind geblieben , wie es fid für einen pujaren gehört , ſtatt hier ſo in dunkler Nacht im Waſſer zu erſaufen, aber einen Tod kann man nur ſterben , dachte ich , und ein preußiſcher Soldat darf niemals
Furcht haben, komme was da wolle, und ſo bezwang ich denn bald meine Angſt. Sdjämte ich mich doch ordentlich vor den Matroſen, die ſo ruhig im Boote ſaßen und ihre Ruder eins
(dilugen, als wenn all das Stürmen und Schaukeln ſie auch gar nichts anginge. Freilich war dies ihr Geſchäft und fite ſolch ſchlechtes Wetter ſchon gewöhnt, da ſie alle Tage auf der See fahren mußten , aber wenn ſolche Matroſen keine Furcht hatten, ſo durfte ich es als ein Huſar doch auch nicht haben. Uud nun gar der Herr Rittmeiſter von Schill, der ſaß ſo feſt und ruhig in ſeinen Mantel gehüllt an dem einen Ende
des Bootes und ſchaute ſo kaltblütig in die tobenden Wellen, daß man von alle Furcht verlieren mußte , wenn man ihn nur anſah. Von aller Anſtrengung und dem vielen Blutver luft, den ſeine beiden Wunden ihm zugezogen hatten, ſab er ganz freideweiß im Geſicht aus, und wie er nun ſo ſtill und feſt daſaß, ohne auch nur zu zucken und das Licht einer Laterne , die vor ihm ftand, ſo ſcharf auf ſein Geſicht fiel, hätte man faſt glauben können , daß er ſo eine Figur aus Stein gehauen ſei, wie ſie den alten „ Ziethen “ eine in Berlin geſeßt haben. Wäre der Herr von Schill nur noch länger am Leben geblieben und hätte die Kriege von anno 13-15 gegen die Franzoſen mitmachen können , der wäre auch noch ein großer General geworden , dem man ein Standbild ges
ſeßt hätte. Alles Zeug, was dazu gehörte, hatte er vollkommen, das. fönnt Ihr mir glauben, Kinder.
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,, So fauften wir alſo bei Sturm und Wetter während
der ganzen Nacht durch das Meer , was fo viel Sprißwaſſer in unſer Boot ſchüttete, daß wir oft daſſelbe ausſchöpfen mußs Dem Herrn Rittmeiſter von Schil mußten viele böſe
ten .
Gedanken im Kopfe herum gehen , denn er ſprach fein Wort, aß und tranf auch nicht das Mindeſte und ſtrich rid oft mit der Hand über die Stirne. Vielleicht dachte er an das große
Unglück , was all die verdammten Franzoſen dazumalen über unſer armes Preußenland gebracht hatten , und wie es ſo viele ſchlechte Kerle gab , die ihnen darin beiſtanden und unſeru
guten König mit verrathen halfen , ſtatt daß ſie ihr Gut und Blut für denſelben hätten hingeben ſollen , wie es doch ihre
Schuldigkeit geweſen wäre. Mir gab aber der Herr Rittmeis ſter, der immer bei jeder Gelegenheit für ſeine Untergebenen ſorgte, von ſeinem mitgenommenen Kalbsbraten zu eſſen und aus ſeiner Rumflaſdie zu trinken , und als ich man erſt einen
Zug tüchtig hinter die Binde gegoſſen hatte , da ward mir auch wieder ganz gut im Gemüthe. Viel Branntwein zu trin fen taugt nichts, und vor dem Beſoffenſein muß ſich jeder brave Soldat wie vor der Peſtilenz bewahren, aber zu Zeiten
iſt ein guter Schnaps viel werth und giebt dem Körper Kraft und Wärme; das hab ich alter Kerl viel hundert Mal ſchon in meinem Leben erfahren.
„ Am Morgen legten wir denn wieder an das Land und
gingen in ein Fiſcherdorf, was dicht am Strand lag. Hier wollte der Herr Rittmeiſter von Schill nämlich einen Unters händler von den Schweden, die in Swinemünde und auf der Inſel Wollin ſtanden , erwarten , und mit ihnen die Verabs redung machen , daß er mit ſeinen Huſaren zu ihnen ſtoßen folle.
Aber wer nicht fam , das war der Schwede, und obs
ſchon wir den ganzen Tag auf ihn warteten ,1 ſo ließ er ſich doch nicht ſehen.
Da hättet Ihr den perrn Rittmeiſter von
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Schill fehen ſollen, Kinder , wie er vor Ungeduld gar nicht wußte, was er anfangen ſollte. Wohl viele Stunden lang ging er immer mit langen , feſten Schritten in der engen, niederen Fiſcherſtube auf und ab , und mochte weder efſen noch ſich hinlegen zu ſchlafen, ſo unruhig und ungeduldig war er. Da, ich machte es denn anders , ich aß erſt ordentlid) von den gekochten Fiſchen und Kartoffeln , die mir die Fiſcheros
feute gaben, und dann machte ich einen tüchtigen Schlaf, und war darauf wieder ſo friſch und munter , als wenn gar kein Gefecht am Tage vorher geweſen wäre. Was übrigens am Verdrießlichſten ſich zeigte , war , daß man gar keine.fichere Nachricht in dem Dorfe bekommen konnte, wie es denn eigent lich mit den Schweden ſtände. Der Eine wollte dies wiſſen, der Andere das , und wenn man ſo ein Dugend Bauern durchgefragt hatte, war man noch ebenſo klug wie vorher. „ Als ſich gegen Abend noch kein ſchwediſcher Offizier ges zeigt hatte, da ſagte der Herr Rittmeiſter von Schill, daß er felbſt nach Swinemünde wolle , ftch dort Nachricht zu holen. Zwar war ſein Arm mit der Bleſſur ganz dick angeſchwollen, 1
1
.
und er mußte viele Schmerzen haben, aber auf ſolche Kleinig keiten achtete der Mann nicht, wenn es galt , der Sache uns
feres Königs auch nur den mindeſten Nußen zu verſchaffen. Da in dem Dorfe nur Fiſcher wohnten , ſo waren auch nur kleine, einſpännige Leiterwagen , in denen die Fiſche zu Markt
gefahren wurden und ganz ſchlechte Pferde zu haben . Auf ſo einen Wagen mit Stroh angefüllt legte fich nun der Herr Rittmeiſter von Schill, ich regte mich neben den Mann , der fuhr , zwei alte Spindmähren , die kaum das Leben noch hatten , wurden vorgeſpannt, und ſo fuhren wir denn ab. Die Wege waren ſo ſchlecht, daß wir nur mit Mühe Schritt
vor Schritt durchkommen konnten , und dabei regnete es ſtark und die Nacht war ſo dunkel, daß man kaum die band vot
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Augen ſah. Eine elendere Fahrerei habe ich mein Leb : og tag nicht gemacht, denn wir mußten dazu nody immer auf 1
** Nebenwegen und halten , um nicht den Franzoſen in die Hände zu fallen, und ich mußte oft abſpringen vom Wagen und das Ohr auf die Erde legen und ſo hinhorchen, ob man
von den franzöftſchen Patrouillen nichts hören konnte. Denen war das Wetter aber zu ſchlecht, als daß fie aus ihren Häus
ſern friechen ſollten, und ſo hörten und ſahen wir denn glück licherweiſe nichts von ihnen. Freilich wenn ſie gewußt hätten, daß der Herr Rittmeiſter von Schill zu fangen geweſen wäre,
da hätten ſte gewiß alle ihre Voltigeure und Chaſſeure und wie ſie ihre Soldaten nod ſonſt alle nennen mögen , in helle
þaufen zu uns geſchickt. Auf den Mann hatten ſie großen Baß, und lieber als eine kleine Bataille zu gewinnen , wäre
ihnen ſeine Gefangennehmung geweſen. Er allein hat ihnen auch mehr Schaden gethan, als wie ein Paar hundert Mann
Soldaten zuſammengenommen , und hätte man ihm nur im mer ſeinen Willen gelaſſen und nicht aus Neid oder Dumm heit ihm oft die Macht verkleinert, ſo hätte er der guten Sache
unſeres Königs noch viel mehr genüßt. „ Na am anderen Mittag kamen wir denn auch glücklich in Swinemünde an , und hier traf der Herr Rittmeiſter einen hohen ſchwediſchen Offizier , der ſich ſehr freute, ihn zu ſehen und ſogleich mit ihm auf ein Zimmer ging und die Thür
hinter ſich zuſchloß , und an die zwei Stunden mit ihm zu ſammen blieb. Was die beiden Herren denn darin ſprachen
und mit einander ausmachten, habe ich nie erfahren und mich auch weiter nicht darum gefümmert. Ein Soldat muß nie
malo neugierig ſein und ſich voreilig um die Abſichten ſeiner
Vorgeſepten bekümmern. Seine Befehle bekommt er immer noch frühzeitig genug, und wenn er die nur nady beſten Kräf=
ten ausführt , ſo hat er ſeine Schuldigkeit gethan und das 12
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Weitere geht ihm nichts an . „ Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß ,“ iſt ein gutes Soldatenſprichwort, ſo iſt nämlich meine Anſicht.
„ Wie denn der Herr Rittmeiſter von Sdill wieder aus dem Zimmer fam , da hatte er ein vergnügtes Geſicht. Er rief mich zu ſich und ſagte ſo die Worte , die ich mir wohl gemerkt habe, obſchon es über die 40 Jahre her find, daß er fie ſprach. „ Erdmann , ich weiß , Sie find ein braver pujar 0
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und geben gern für unſers Königs Majeſtät Ihr Leben , was auch nur Ihre Schuldigkeit iſt. Da habe ich jeßt einen ver dammt fißlichen Auftrag für Sie, bei dem es Ihnen leicht an Kopf und Kragen geben kann, wenn man Sie erwiſdt; wollen Sie ihn ausführen ? "
Wie der Herr Rittmeiſter befehlen ," war natürlich meine Antwort.
„Ia befehlen geradezu mag ich Ihnen eigentlich ſo etwas nicht. Alſo hören Sie. Sie müſſen ſich nämlich verkleidet wieder nach Colberg zu ſchleichen ſuchen und an den Lieutes
nant von Brünnow ein Brieflein bringen , daß er mit aller unſerer Reiterei geradezu auf Kollin zu marſciren ſucht. Dort bin will ich denn mit den Sdyweden auch kommen und dann wollen wir die Franzoſen von der ganzen Oder-Mündung zu verjagen ſuchen. Faſſen die Franzoſen Sie , ſo kann es Ihnen leicht ſehr ſchlecht ergeben und darum mag ich es Ih
nen nicht geradezu befehlen, aber ſieb wäre mir es, wenn Sie es übernehmen wollten , denn ich hätte gern einen ſicheren Mann hierfür, " ſprad er weiter. Ich kann nicht läugnen, Kinder , daß ich mid denn doch einen Augenblic lang bes dachte , bis id Ja ſagte , denn es war ein bißeliches Ding.
Fingen die Franzoſen mich mit einem
ſolchen Brieflein ein,
To hingen fie mich als Spion ohne Weiteres an die nädyſte
beſte Weide auf, das war gewiß . Dod) nur eine kleine Weile
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kamen mir ſo verzagte Gedanken , dann ſagte ich friſch weg : „Ich will es verſuchen durchzukommen , Herr Rittmeiſter , mit 1
Gottes gnädiger Hülfe wird es wohl gelingen .“ ,,Nun mußte id) mir meinen Sdynurrbart, der eben erſt ein Bisdien wieder zu wachſen angefangen hatte, gleich wieder raßenfahl abſdyneiden und wieder in Bauernfleider hinein. Ein ganz dünnes Brieflein an den Herrn Lieutenant von Brünnow ,
der die Kavallerie fommandirte , gab mir der Herr Rittmeiſter noch mit und dies wurde in dem Knopf von der Pudelmüße, die ich auf den Kopf ſepte, eingenäht, und ſo machte ich mich denn am Abend wieder auf den Weg und ließ mid, über das Haf überſepen. Ein ſchlimmer Marſd bei den tiefen Wegen in der dunkeln Nacht war dies , wie Ihr wohl denken könnt, und ich hätte auch lieber im warmen Bett in Swinemünde
gelegen . Dody das half nun einmal nichts , mein Auftrag mußte ausgeführt werden , und ſo dachte ich den wieder an meinen alten Leibſprudy: „ Nimm's wie es kommt," ſo oft idy
in der Dunkelheit vom Wege abfam und in einen Graben fiel, was bisweilen geſchah. „ A18 e8 Tag wurde , kam ich in ein Dorf und ging in einen Krug, mich etwas auszuruhen, denn ich war ſehr marode. Kaum fige ich ein Bischen in der Wirthsſtube, da treten zwei
franzöſiſche Armee -Gensdarmen in dieſelbe herein. Daß dich das Donnerwetter, Ihr könnt denken, wie ich erſchrack. „ Ruhig Blut, Frize,“ dachte ich bei mir ſelbſt, und dody war mir gar nicht ruhig dabei zu Muthe. Der eine Gensdarm , was ſo ein Elſaßer war, der deutſd ſprechen konnte, wenn es audy ſchlecht
war, ging ſogleich auf mich zu und fragte, wer ich ſei, was id hier mache und ob id Papiere habe ? Ja, das war ſchlimm
für mich, denn wenn ich audy ſagte, daß ich ein Bauernknecht nicht weit von hier ſei und mir einen Dienſt ſuchen wolle, 12*
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ſo glaubten ſie mir dies nicht, wollten meine Papiere ſehen , und da ich ihnen keine zeigen konnte, ſo ſagten fie, ich ſei
ihr Arreſtant und ſolle zu dem nächſten franzöſiſchen Militair poſten gebracht und dort weiter verhört zu werden . Da fab
ich denn gut in der Patſche und konnte ſehen, wie ich wieder herauskam, denn entdeckten die Franzoſen, daß ich ein Schill's ſcher Unteroffizier ſei, ſo war mein Leben keinen Groſchen mehr werth. Die Gensdarmen ſtiegen denn nun auf ihre
Pferde und ließen mich als Arreſtanten mitten zwiſchen den ſelben gehen. Binden oder ſchließen thaten ſie mich aber nicht, denn ſie glaubten gar nicht daran , daß ich ihnen entwiſchen fönne, und das war mein Glüc.
Eine Meile mochte ich ſchon
ſo zwiſchen den Pferden gegangen ſein, wobei ich bemerkte, daß das eine Pferd. ein ſcheues Thier ſei, was von ſeinem Reiter nicht gut in der Gewalt gehalten wurde, als wir durch einen langen und dichten Wald famen. Hier mußte ich mich zu retten ſuchen und wenn ich auch dabei ums Leben kommen follte, das nahm ich mir vor. Als Schmiedejunge hatte ich ſo aus Narrerei von einem Geſellen gelernt, wie man mit dem Munde
ein ſolches Geſumſe machen könne, als wenn eine Stechbremſe angeflogen käme. Die meiſten Pferde können das nicht leiden und werden ſcheu , wenn ſie es in der Näbe hören, und ich hatte ſchon früher den Bauern die Pferde damit ſcheu gemacht und von meinem Meiſter oft derbe Maulſchellen oder auch
eine Tracht Schläge dafür erhalten. Diesmal aber ſollte ich hierdurch gerettet werden . Als wir ſo bei dem Walde waren, wo die kleinen Tan nen ſo recht dicht aneinander ſtanden , da brummte ich unver ſehens dem ſcheuen Pferd des einen Gensdarm, ſo an das Ohr, daß es ſich aufbäumte und ſcheu an die Seite ſprang. Den Augenblick benugte ich geſchwind und mit ein paar mächtigen Sägen war ich in den Wald,, bevor der andere
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Sensdarm mich daran verhindern konnte.
Zwar ſchoß der
ſelbe ſogleich mit ſeiner Piſtole nach mir, aber die Kugel
ſtreifte nur meine Jace, ohne mich weiter zu verwunden. Was ich nur konnte, kroch ich nun ſchnell in das Holz hinein , und bis der eine Sensdarm mit ſeinen Steifftiefeln und Pallaſch
mir nachfolgte, war ich ſchon weit demſelben aus den Augen . Wohl eine Stunde lief ich ſo ſchnell mid nur meine Füße
tragen wollten fort, obſchon ich bald von den Gensdarmen nichts mehr hörte und fah, dann wagte ich mich auf der an deren Seite des Waldes wieder vorſichtig auf das freie Feld. Ein alter Schäfer hütete da ſeine peerde, und da id) ans nehmen konnte , daß er ein guter Preuße ſei, der mich nicht
den Franzoſen verrathen würde, ſo ging ich dreiſt auf ihu zu und ſagte ihm , daß ich ein Unteroffizier von den Schill'ſchen Huſaren ſei und mich vor den Franzoſen retten müſſe. Der Schäfer, der ein braver Mann war, verſteckte mich den ganzen Tag über in ſeiner Hütte und gab mir zu eſſen und zu trin fen, ſo gut er es ſelbſt hatte, und brachte mich in der Nacht
noch ein gut Stück Wegs fort, daß ich nicht verirren konnte. So glückte es mir denn , nachdem ich am anderen Tage noch auf eine hohe Tanne hatte klettern müſſen , damit mich eine rheinbündleriſche Patrouille nidyt erwiſchte, nady vielen Müh:
ſeligkeiten und Gefahren , endlich in Colberg anzukommen und meinen Brief dem Herrn Lieutenant von Brünnow zu übergeben . Schon war Alles bereit, daß derſelbe ſich mit 3 Sdwadronen puſaren nach der Inſel Kollin zu den Schweden
durchſchlagen wollte, um mit denen zuſammen gegen die Fran zoſen zu fechten, als der Herr Rittmeiſter von Schill wieder Contreordre durch einen Sdiffer ſchickte.
Die
Schweden
hatten ſich von den Franzoſen überreden laſſen und einen Waffenſtillſtand mit denſelben geſchloſſen, und uns ſo im Stich gelaſſen. So ging in dieſer ſchlimmen Zeit alles quer und
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unſer guter König hatte keinen einzigen treuen Bundesgenoſſen, auf den er ſid) recht verlaſſen konnte, während dem franzö fiſchen Kaiſer eine Menge anderer Potentaten, und ſchändlicher Weiſe waren auch genug Deutſche darunter, die den ſogenann ten „ Rheinbund " verdammten Angedenkens geſchloſſen hatten, an die Hand gingen .
Da war es denn am Ende fein Wun
der, daß wir zuleßt unterliegen und auch auf ein paar Jahre „Duck dich“ madien mußten. Wir haben uns aber nadyher gut wieder aufgeraffelt und den Franzoſen den Weg aus Deutſdıland mit unſeren Säbeln gezeigt. Und wenn wir Preußen man immer treu zu unſerem König ſtehen und die übrigen Deutſchen , wie recht iſt, mit uns halten, denn ſoll mit Gottes Fülfe fein Franzoſe je wieder die Naſe nad Deutſch
land hineinſtecken , wo ſo ein Volf nichts verloren und alſo audy nichts zu ſuden hat. Das iſt ſo meine, des alten Unteroffiziers Erdmann, Anſicht, und ich glaube jeder preußiſche Soldat, der Ehre im Leibe bat, denkt mit mir Gleidyes. Für
heute Abend, Kinder, iſt es aber nun mit meinem Erzählen vorbei, das nächſte Mal erzähle id Eudy, wie die Franzoſen nody lange vor dem kleinen Colberg gelegen und es heftig mit vielem ſchweren Geldjük beſchoſſen haben und doch nicht ihren Willen bekommen und die Feſtung nicht einnehmen konnten ."
Mit dieſen Worten ſtand der Alte wieder auf und
ging nach ſeinem Pferde für daſſelbe zu ſorgen und die übris gen Huſaren folgten ſeinem Beiſpiele. Die Füſeliere aber rückten im Kreiſe zuſammen und fingen an ihr Lied zu fin gen , deſſen erſten Verſe lauteten : Wer will unter die Soldaten , Der muß haben ein Gewehr, Das er muß mit Pulver laden
und mit juvallera, jnvallera, lind mit einer Kugel ſchwer.
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Der muß an der linfen Seite Einen Säbel haben an, Daß er, wenn die Feinde ſtreiten , Schießen, juvalera, juvallera, Schießen und auch fechten fann .
und ſo ſangen fte noch eine gute Weile fort.
Endlich über
mannte die Müdigkeit Alle , da in legter Nacht Reiner auch
nur hatte einen Augenblick ſchlafen fönnen , und immer ſchwä cher und ſchwächer ward der Geſang, bis er zulegt gänzlich
verſtummte. ' Seche Füßeliere und 3 Huſaren, welche zuſammen 3 Poſten ausſtellen mußten , bildeten die Wadje und durften ſich dem Schlafe nicht hingeben , die Uebrigen ſtreďten und redten fid) ſo lang und breit wie möglich, und waren bald in feften Sdilaf verſunken .
Den Torniſter unterm Kopf,
das Gewehr zur Seite, den Mantel als Decke, ſo ſchläft es ſidy in einer Sommernacht gar prächtig im freien Felde. Und ſchön und milde , wie die Soldaten fte noch nidyt hier oben in Jütland gehabt hatten, war dieſe Nacht. Hell fun
felten die Sterne am dunkelblauen Himmelszelt, während das Meer leiſe rauſchend unfern vom Lagerplaß , der hinter einen Dünenhügel gewählt war, ſeine Wellen dem Strande zutrieb. Die däniſchen Kriegsſchiffe ſelbſt fonnte man in der Dunkel heit nicht ſehen, wohl aber leuchteten auf der fernen Meeres
fläche ihre Laternen am Bord gleich feurigen Punkten hervor und zeigten die Stellen , auf denen ſie ankerten . Eine tiefe Ruhe herrſchte in der Natur, und nur das Sdynauben und
Pruſten der Huſarenpferde, die ebenfalls ermüdet ſich meiſt der Länge nach hingeſtreckt hatten, hie und da auch ein lautes Schnarchen einzelner Schlüfer, waren die einzigen Zeichen lebender Weſen , welche die Poſten hörten. Nur aus dem Tannenwalde . eine Viertelſtunde abwärts , ſchallte bisweilen der klagende Ruf eines Käuzchen durch die ſtille Nacht herüber.
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Hören Sie den Todtenvogel, wie er ruft, das bedeutet,
daß bald Jemand von uns daran glauben muß, “ meinte ein
Füſelier zu einem Freiwilligen , wie eben das Käuzchen mehr mals hinter einander ſeinen Weberuf hatte ertönen laſſen. ,, Ady, dummes Zeug , glauben Sie doch an ſolche Kinderei nicht, das iſt eine Eule, die auf Raub ausgeht, weiter nichts“ ſpöttelte dieſer fich eben eine friſche Cigarre anbrennend. ,, Ne , das laß ich mir nicht ausreden , und wenn die
gelehrten Leute auch an all ſo was nicht glauben, wahr bleibt
es doch ,“ entgegnete der ſo zurecht Gewieſene. „Ich bin ein Todtengräber-Sohn , und . Jedesmal , wenn mein Vater am anderen Tag ein Grab graben mußte, ſcrie der Todtenvogel 1
in der Linde vor unſerem Hauſe. Das war ſo gewiß , daß mein Vater ſich ſchon immer den Gräber zurecht machte, wenn er den Vogel rufen hörte. Wenn man ſo allein , wie wir,
auf einem Kirchhofe wohnt, da hört und ſieht man ſo Mans dhes, was in Ihren Büchern freilich nicht ſtehen mag, " meinte n
er noch weiter , ohne ſeinen freigeiſtigen Kameraden gerade dadurch überzeugen zu können . Leiſe ſummte dabei der Füßes
lier, der auf dem Strandhügel ſtand, das Meer zu beobachten, ob auch vielleicht Böte von den däniſchen Kriegsſchiffen landen würden , ebenfalls ein Freiwilliger, vor ſich hin : Steh ich in finſtrer Mitternacht, So einſam auf der fernen Wacht, So denk ich an mein fernes Lieb, Ob's mir auch treu und hold verblieb. Su denk ich an mein fernes Lieb, Ob's mir auch treu und hold verblieb .
Sie liebt mich treu , ſie iſt mir gut,
Drum bin ich friſch und wohlgemuth, 1
185 Mein Herz ſchlägt warm in kalter Nacht, Wenn es an's ferne Lieb gedacht. Mein Herz ſchlägt warm in kalter Nacht, Wenn es an's ferne Lieb gedacht.
und beſſer freilich paßte dies Lied hier auf den einſamen Wachtpoſten am jütländiſchen Meeresſtrande , als wenn es
im glänzenden Concertſaal unter volltönender Begleitung von irgend einem fehlfertigen , geſpreizten Bravourſänger vorges tragen wird. Ruhig und ohne weitere Störung verging ſo
die Nacht, bis der Morgen zugleich auch mit neuer Ablöſung den Befehl zum Weitermarſch brachte. Zwar beſtand das Frühſtück nur aus einem fargen Biſſen trođenem Rommiß brod und klarem Waſſer ganz nach Belieben , denn alle Vor räthe in den Brodbeuteln und Kochgeſchirren waren bis auf das leßte Brödklein verzehrt , aber doch war man luſtig und
guter Dinge. Mit den Lerdhen um die Wette ſingend , mars ſchicten die Soldaten ab , voran die Huſaren , ihnen folgend die Füßeliere. Aber der Sommermorgen war auch ſo hell und freundlich , die Sonne ſchien ſo klar vom blauen Hims
mel , das Meer glizerte und blißerte ſo prächtig, daß man wohl frohen Sinnes dabei ſein mußte. Iſt im Felde nur gutes Wetter , da nimmt der Soldat gern mit einem Biſſen 1
trocknen Brod und einem Trunk flaren Waſſer verlieb ; es iſt ibm dies lieber dann , als wenn er bei Braten und Wein
im Regen und Dreck draußen liegen muß. Freilich wenn es der Dienſt ſo mit ſich bringt , darf man auch dies nicht ſcheuen . Eine lebhafte Kanonade fand unweit Friedericia zwi ſchen einer preußiſchen Batterie und däniſchen Kanonens böten ſtatt. Die Preußen wollten ein Haus , was über dem kleinen Belt fchon auf der Inſel Fünen lag, in Brand ſchießen, da die Dänen von demſelben aus Schaden thaten , und ein
paar däniſche Kanonenböte ſuchten daſſelbe zu vertheidigen.
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Es half ihnen nichts , wie gewöhnlich ſchlugen ihre Kugeln ganz nußlos und ohne nur den mindeſten Schaden gethan zu haben nieder. Iſt überhaupt in einem Kriege je nuklos Munition verſchoſſen worden , ſo geſchah dies von den dänis ſchen Kanonenböten auf ihre Feinde am Lande. Beſſer ges lang es der preußiſchen Batterie , ihr Ziel zu treffen , denn nach wenigen Schüſſen ſchon , ſtand das Haus drüben in bellen
Flammen. Wie jubelten ,und lachten die Artilleriſten , als ſie ſahen , daß ihre Geſdyiglichkeit fich ſo bewährt zeigte. Viele Mühe und mancher Schweißtropfen, den ſie auf den Grercier
pläzen hatten vergießen müſſen, fanden jegt hier ihren Lohn. Aber auch densyuſaren , die zur Bedeckung der Batterie mit geritten waren , und während der Kanonade einige hundert Schritt von derſelben, hinter einer Deckung bei ihren Pferden ſtanden , madyte die Kanonade vielen Spaß. Wenn ſie auch ſelbſt nicht bei derſelben thätig ſein konnten , ſo war es dody ein kleines Intermeßo im langweiligen Feldleben , und über ſolches freut der Soldat ſich immer. Und nun gar als der erſte Feuerſtrahl durch das Dach des feindlichen Hauſes zuckte, und ſo den Treffer der Artillerie zeigte , da brachen ſie uns willführlich in ein lautes Hurrab aus .
Wenn auch in den
Garniſonsſtädten im Frieden oft aus Langeweile ein Bischen Reiberei zwiſchen Artilleriſten und Kavalleriſten und Infantes riſten ſtattfinden mag , draußen im Felde fällt jeder derartige Streit fort. Da fühlen fich Alle als preußiſche Soldaten, die für ein und dieſelbe Sache und unter gleicher Fahne
fechten , und jede Waffengattung freut ſich ohne Neid über die glücklichen Erfolge der anderen. So ſoll es ſein, und ſo iſt es bisher auch glüdlicherweiſe immer in Preußens Heer geweſen .
„ Sind doch verfluchtige Kerle, unſere Kanoniere, da den Dänekens ſo über das breite Waſſer weg ein Haus in Brand
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zu ſchießen ," ſagte wohlgefällig am Abend nach der Kanonade der alte Erdmann , wie er von einem Dußend Huſaren ums geben vor ſeinem Quartier ſaß, behaglich ſein Pfeifchen ſdymau chend. Als ich noch bei den Kanonen war , da fonnte man noch nicht fo geſchickt ſchießen , und ſo raſch wie jest ging es
auch noch lange nidyt. Macht aber jeßt Alles Fortſchritte ," ſegte er noch hinzu. Aber was ſind Sie fte denn auch bei der Artillerie ges weſen," frug verwundert ein Huſar. „Wir glaubten, Sie hät ten ſtets nur bei den Huſaren gedient."
„ Ja , eigentlich hab ich das auch , uneigentlich bin ich aber auch ein Paar Monate Kanonier geweſen. Das ging aber ſo zu. Ich hab Euch doch erzählt , daß mir die Frans zoſen vor Colberg meinen Grauſdimmel todt geſchoſſen hatten und ich nicht ſogleich ein tüchtiges Pferd wieder bekommen konnte . So mußte ich denn zu Fuß gehen und das that mir zwar leid , war aber nicht zu ändern. ,,Nimm's wie es
kommt, “ dadyte id , du kannſt in der belagerten Feſtung dei nem Könige auch eben ſo gute Dienſte zu Fuß wie zu Pferd leiſten und das iſt am Ende doch die Hauptſache. Es fehlte
nun aber bei den Kanonen , die auf den Wällen ſtanden und jest don recht ordentlich auf die Franzoſen losbrummen muß .
teu, ſehr an tüchtigen, zuverläſſigen Artilleriſten. Da nun der Herr Nittmeiſter von Scill, der ſelbſt wieder nach Colberg fam, mit 3 Schwadronen Huſaren an die Grenze von Schwe-, diſch -Pommern abzog und ich ohne Pferd ihn doch nicht be
gleiten konnte , ſo meldete ich mich freiwillig zur Artillerie. Leid that es mir zwar ſehr, als ich mich bei dem Herrn Ritt meiſter beurlaubte, und ich wäre gern mit ihm durch die ganze
Welt gegen die Franzoſen gezogen , doch ging dies nun eins mal nidt anders. Auch ſagte der mir ſelbſt, daß es ſo am Beſten wäre und ich meinem Könige jeßt bei den Kanonen
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in Colberg mehr nüßen fönne , wie als Huſar draußen im Felde. So wie es aber nur anging, verſprach er mir , mich wieder zu ſeiner Schwadron zu nehmen, und das war mir eine große Freude. So kam ich denn zu den Feſtungskano nen und in den Paar erſten Tagen da ward mir der unges wohnte Dienſt bei denſelben verflucht ſchwer. Doch wenn man nur den guten Millen hat und geſunde , friſche Knochen und die Augen richtig im Kopf , und dazu an das Militairweſen
mit Ordnung und Subordination gewöhnt iſt, ſo kann man auch den Dienſt bei den Kanonen , ſo weit nöthig iſt , wenn
ein geſchickter Herr Lieutenant dazu kommandirt , leicht erler nen. Nad ) ein Paar Tagen ſchon konnte ich Dienſte leiſten , und hab während der Belagerung manchen guten Schuß auf
die Franzoſen abgefeuert. So ein ordentlicher Vierundzwan zigpfünder , der brummt einen ganz anderen Baß wie unſere
Piſtolen , und wo die Kugel hinfällt, da macht ſie ein gewal 1
tiges Loch.
„ Da wir aber nun doch einmal von Colberg und der Belagerung deſſelben ſprechen , ſo will ich Euch auch zugleich von einem Manne daſelbſt erzählen , der wohl verdient hat, daß jeder brave preußiſche Soldat ſein Andenken in Ehren hält. Er war zwar nur ein gewöhnlicher Bürgersmann , der früher Schiffskapitain geweſen war und jeßt ein Brauerei und Brennereigeſchäft trieb, und hieß Joachim Nettelbeck, aber
ein treueres Herz für unſeres Königs Majeſtät und unſer Preußenland hat Niemand, und wenn er ſelbft ein hoher Mi niſter wäre , gehabt. Ich mag es zwar ſonſten nicht leiden , wenn die Civiliſten fich viel um die Soldatenangelegenheiten
bekümmern , und auch ſtets ihr kluges Wort über die Milis tairfachen mit abgeben wollen , wie es heut zu Tage Mode
geworden iſt, denn ich denke immer : „ Bleibe Jeder bei dem Handwerk, was er gelernt hat , ſo kömmt Alles am Beſten
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durch , “ aber bei dieſem Nettelbeck, da war es eine andere Sache.
Der verdiente wohl, daß man ihn hörte , wenn über
die Vertheidigung der Feſtung die Rede war, und unſer neuer Kommandant, der Herr Major oon Gneiſenau , der dod) ge
wiß ein fluger Offizier war, ſpracy oft mit ihm über alle der artige Angelegenheiten. Tag und Nacht faſt war der alte Nettelbeck, denn er trug ſchon ſein graues Haar mit Ehren, auf den Beinen , und wo die Gefahr am größten war und die Kugeln am dickſten ftelen, da fehlte er gewiß nicht. Und dabei gab er Alles, was er nur im Vermögen hatte, für die Soldaten her , und die Belagerung hat ihm viel ſchweres Geld gekoſtet. Als ich noch mit den Hujaren in der Maifühle 1
lag , und wir Tag und Nacht idjanzten , wie ich Euch ſchon erzählt habe , da lernte ich ihn zuerſt kennen. Es ging uns da oft mit der Verpflegung ſchlecht und an Geld hatten wir immer mehr Mangel, wie gerade Ueberfluß , denn die Löh
nung wurde ſehr unregelmäßig ausgezahlt , da in den könig lichen Kriegskaſſen auch nicht allzuviel Baares ſein ſollte, und ſo war denn oft trockenes Kommisbrot für Manchen ſeine Frühſtücks- und Abendkoſt, und zu Mittag hatte er auch nicht viel mehr. Da kam denn der Nettelbeck jeden Tag mit einem großen Keſſel voll warmer Suppe , und Gemüſe und Fleiſch, und einem Tönnden yoll Branntwein zu uns herausgefahren , und gab den gar zu Hungrigen zu eſſen und zu trinken ,1 ſo viel er nur konnte. Und in der Stadt Haus bei Haus ĝing er herum , und ſammelte Strümpfe und Hemden und warmes Unterzeug für die Soldaten, und vertheilte das an diejenigen, die gar zu arm und abgeriſſen angezogen waren . So hat er manchen braven Kerl von uns von dem Krankwerden , ja ſelbſt von dem Tode gerettet. Mit unſerer Montirung beim Sdill'ſchen Korps ſah es womöglich noch ſchlimmer, wie mit unſerer Verpflegung aus , und von ſolchen guten Uniformen
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wie jeßt fonnte gar keine Rede fein . Bei der Infanterie hat ten viele Soldaten den ganzen Winter durch gar keine Män tel , und mancher brave Burſch mußte fich Stroh ſtatt der Strümpfe in die durclöcherten Stiefeln ſtecken und ſo den
ganzen Tag im Schnee und Dred herumpatſchen. War es doch für König und Vaterland, und ſo mußte es ſchon gehen. Und wenn wir in das Gefecht gingen, da fuhr der Nettelbeck mit ſeinen kleinen Einſpännerwagen uns immer nad), wenn auch das Feuer der Franzoſen noch ſo heftig war , und lud alle Bleffirte auf, und rettete ſo manche derſelben . Da fönnt Ihr Eudy wohl denken , Kinder , was wir Soldaten alle den
braven Mann gern hatten , und wie wir uns freuten , wenn wir ihn nur zu Geſicht bekamen. Auch Se. Majeſtät unſer König Friedrich Wilhelm hat von dem braven Nettelbed ges hört, und ihm eine große goldene Medaille gegeben, und auch .
ſpäter demſelben eine jährliche Penſion ausgelegt, da er von
ſeinem Vermögen ſo viel bei der Belagerung ausgegeben Das war denn gut angebracht , und jeder Preuße müßte ſich 1
darüber freuen, daß ſein König ko das Verdienſt zu belohnen wiſſe. Außer dem Nettelbed waren aber noch ſehr viele brave
Bürger in dem Colberg, die es treu und ehrlich meinten, und nicht blos das große Maul hatten und in den Tag hineins raiſonnirten, wie es jeßunter ſo viele thun, ſondern gern ihr Sab und Gut, ja ſelbſt ihr Leben daran ſepten, daß die ver dammten Franzoſen ihre Stadt nicht einnehmen ſollten. So etwas fonnte Einem denn ſchon freuen , und ließ auch die
Soldaten mit dem größten Eifer "fechten und feine Strapaze ſdheuen , wenn es galt , die Franzoſen von der Feſtung abzus
halten. Solch gutes Einvernehmen zwiſchen Bürgerſchaft und Militair ſollte eigentlich ſtets in jeder preußiſchen Stadt ſein, und wenn dies nicht der Fall iſt, ſo haben nur die Demos
fraters mit ihrem Schwäßen und Putſchen die Schuld davon.
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Nu , die werden ſich auch wohl bald das Maul verbrennen , oder zur Einſicht kommen , daß es am Beſten iſt, wenn alle 1
Preußen feſt zu ihrem Könige halten , und wie ein Mann
aufſtehen , ſo bald es wieder gegen die Franzoſen in den Krieg geht. Am 20. Mai, wenn mir recht iſt, war es, wo ich zuerſt 1
meine Kanone gegen die Franzoſen mit abfeuern half. In der ſogenannten „ Wolfsſchanze " einem Außenwerfe war ich ftationirt und hier ſtanden wir denn oft ſo recht im beftigſten Feuer. Als zum erſtenmal der Vierundzwanzigpfünder, bei dem ich ſtand, ſo ganz dicht bei meinem Kopfe losdonnerte, meinte ich, die Ohren müſſen mir zerſpringen , ſo ſaufte und braufte es im Kopfe, und das Blut ſtürzte mir aus Naſe und Ohren. Bald aber gewöhnte ich mich ſchon beſſer daran, ind nachdem nur erſt ſo ein Dußend Schüſſe gethan waren, ſtand
ich ſchon ebenſo ruhig, wie ein alter, ausgelernter Artilleriſt. Es kommt nur Alles auf dem Willen an , mit dem man eine
Sache anpackt, das könnt Ihr mir glauben, Kinder. Aber die Franzoſen mit ihrer Artillerie ſepten uns auch oft nicht wenig zu. Den ganzen Tag ließen ſie es manchmal frachen , daß
die Luft nur ſo zitterte und die Kugeln flogen an den Wall von unſerer Schanze, daß der ganz zerpflügt ausjah. So eine große Kugel aus einem ſchweren Belagerungsgeſchüß, die wühlt ſchon eine ordentliche Kühle in die Erde ein. In unſerer Sdanze da wehte , wie es ſid) von ſelbſt verſteht,
unſere ſchwarzweiße Preußenfahne hod) auf einem Flaggenſtoď , ſo daß die Franzoſen fie recht vor Augen haben konnten.
Die richteten denn oft ihr Geſchüß nach dieſer Fahne und eßliche mal waren die Kugeln ſchon dadurch gegangen. Eines Tages aber wie die Franzoſen wieder ſo recht heftig uns boms bardirten , traf eine Kugel den Stod oben am Knopfe, daß er brach, und die Fahne ſelbſt über die Bruſtwehr, der Schanze
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auf das freie Feld flog, „ Die Fahne müſſen wir wieder haben, die können wir da draußen im Felde nicht liegen laſſen, ſonſt
ſuchen ſich die Franzoſen am Ende dieſelbe und prahlen dann damit, daß ſie uns ſoldie abgenommen, “ rief der Artilleries Offizier, der unſere Kanonen befehligte. „ Will kein Frei
williger herauslaufen , um ſie zu holen ? “ Das war zwar ein gefährliches Ding , denn die franzöſiſchen Kugeln ſchlugen gewaltig gegen die Bruſtwehr an, aber ein Artilleriſt und ich wir riefen zu gleicher Zeit aus. „Wir wollen ſie ſchon holen,
Herr Lieutenant,“ und ſprangen dann über die Bruſtwehr und liefen dann auf die Fahne zu, die wohl an 20 Schritt davon auf dem Felde lag. Der Artilleriſt hatte längere Beine wie ich,
kam zuerſt bei der Fahne an und hatte ſte ſchon aufgehoben, um fie fortzutragen . In demſelben Augenblick ſauſte aber eine franzöſiſche Kanonenfugel daher, und riß ihm ſo glatt
den Kopf ab, als wenn er mit einem Schwerte geköpft wäre, und ſein Blut ſprißte hell auf die Fahne und färbte das
Weiß derſelben ganz roth. Jeßt ſprang ich aber raſch hinzu, zog die Fahne unter dem todten Leichnam hervor und lief, ſo ſchnell mich meine Beine nur tragen konnten, mit derſelben
in die Schanze zurück. Zwar ſauſten noch einige franzöſiſche Kanonenkugeln mir dicht am Kopfe vorbei, und Eine die hart vor mir einſchlug, beſchüttete mich noch ganz mit Erde, duch traf mich feine, und ich kam glücklich mit meiner geretteten Fahne bei unſeren Stanonen an. Mit allgemeinem þurrah empfingen mich hier die Soldaten und eben ſo hißten wir unſere Fahne wieder auf. Wenn auch das Weiß derſelbe viele rothe Flecken hatte, ſo ſchadete das nichts, denn es war Blut eines preußiſchen Soldaten, der bei ihrer Rettung ehrenvoll ges fallen war, und ſoldie Flecken bringen keiner Fahne Schande. So dauerte die Kanonade gegen uns in der Wolfs.
ſchanze noch manche Tage fort und Ihr könnt glauben Kin
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der , daß es für uns kein Vergnügen war , in derſelben zu ſein.
Von unſerer Mannſchaft waren ſchon Viele getödtet
oder verwundet, und in der ganzen Schanze konnte man kaum ein Fleckchen noch finden , wo nicht ſchon Kugeln hingeſdyla gen waren. Tag und Nacht hatten wir oft kaum eine Stunde Ruh, ſo heftig ließen die Franzoſen ihr Geſchüß gegen uns ſpielen. Na, wir hatten tüchtige Offiziere und fochten für König und Vaterland, und ſo hielten wir denn aus, ſo lange es nur irgendwie gehen wollte. ,, Am 10. oder 11. Juni, da machten die Franzoſen aber eine Kanonade aus allen ihren Werken gegen uns , ſo arg ,
wie ſie noch nie geweſen war. Die einzelnen Schüſſe konnte man gar nicht mehr zählen, ſo ſchnell folgten ſie auf einander,
und es war nur ein ſtetes Gekrache, als wenn die Erde uns unter den Füßen berſten wolle. Die Franzoſen haben ſpäter
ſelbſt erzählt , daß fie in einer Stunde an 360 Schüſſe auf unſere Schanze gethan haben , und da könnt Ihr denn wohl denken , wie das gefracht haben muß .
„ Den ganzen Tag hielten wir uns aber tapfer im Feuer, obſchon die bei uns einſchlagenden Kugeln ſchon an die Hälfte der Mannſchaft getödtet oder auch ſchwer verwundet, und uns zulegt faſt alle Rononen demontirt hatten.
Gar viele gute
Schüſſe haben wir auch bis zuleßt noch gethan, und mancher Franzoſe hat daran glauben müſſen. Endlich gegen 5 Uhr Nach
mittags wollte es ſich nicht länger thun laſſen , denn die Paar eiſernen Kanonen, die wir noch in der Schanze hatten, waren von dem vielen Geſchieße ſchon ſo heiß geworden,
daß wir gar nicht mehr damit feuern konnten. Da nahmen wir denn endlich unſere ſchwarz-weiße Fahne , die fdon ſo
zerſchoſſen war, daß nur noch die einzelnen Feken davon berabhingen, fort, und ſteckten eine weiße Fahne zum Parlas 13
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mentiren auf. So etwas iſt ein verfluchtes Gefühl für einen braven Soldaten , was einem faſt das Herz im Leibe um
drehen möchte und weher thut , wie noch ſo eine ordentliche Bleſſur. Es geht aber unter Umſtänden ſelbſt beim beſten Willen nicht anders, und auch die tapferſten Soldaten haben
ſchon eine Parlamentairfahne aufhiſſen müſſen. Die Fran zoſen, die ſogleich mit dem Feuern aufgehört und einen Par: lamentair auf, halbem Wege uns entgegengeſchickt hatten , wie fie die weiße Fahne geſehen , machten zuerſt gewaltige Bedins gungen . Sie wollten , daß wir ihnen die Schanze mit allen den Geſchüßen übergeben , und ſelbſt in die franzöſiſche Kriegs gefangenſchaft ziehen ſollten . Als man dem Offizier, der in der Schanze kommandirte , ſolche Zumuthungen ſagte , rief er aus : ,, Gin Hundsfott wolle er heißen, wenn er auf dieſe Weiſe
die Schanze übergeben würde. So viel Pulver hätten wir nod , daß wir uns mit Alem, was darin wäre, in die Luft
ſprengen könnten , und dies ſei beſſer, als wie in franzöſiſche Gefangenſchaft zu geben."
Und wir Soldaten riefen auch
aus : „ Nein , nicht in die franzöſiſche Gefangenſchaft, lieber man gleich mit dem Pulver in die Luft geſprengt .“ Als nun der franzöſiſche Offizier, der den Unterhändler machte , ſah, daß dies Alles unſer wahrer Ernſt war, ſo zog er audy bald andere Seiten auf. Wir erhielten freien Abzug nac, Colberg hinein und konnten unſere Fahne und alle Geſchüße mit dahin nehmen . Mehr konnten wir unter ſolchen Umſtänden
nicht verlangen , und ſo hatten wir denn unſere Ehre wenig ftens gerettet. Das war ſchon viel und konnte doch ſchon Troſt geben. Wie die Schornſteinfeger ſo ſchwarz ſaben wir Kanoniere aber von all dem Pulverdampf aus , und die
Augen waren uns im Kopf ganz roth unterlaufen. Hören konnten wir in den erſten Tagen auch noch kaum , ſo arg hatten die Kanonen immer um uns gedonnert , und auf dem
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till is linken Dhr bin ich von dem Tage an mein Lebtag ein Bischen im fdwerhörig geblieben . ine „ In Colberg ſelbſt war übrigens auch nicht viele Freude
ti bin und die feindlichen Kugeln flogen zu Dußenden in die Stadt,
Eclat tödteten oder verwundeten viele Soldaten und Bürger , und or zündeten alle Tage faſt ein oder das andere Haus in hellen 18 in Flammen an. Beſonders ſeitdem die Franzoſen die „ Wolf8
Et huy chanze" uns abgenommen und ſich in derſelben feſtgelegt
culty & hatten , thaten ſie uns mit ihrem ſchweren Geſchüß von da m13 aus vielen Schaden. Da ward denn in einer ſtürmiſchen ,
vitae dunkeln Regennadyt ein heimlicher Ausfall von der Feſtung Fint, ? ajt, uri nito the
aus angeordnet , um wo möglich dieſe „ Wolfsſchanze " wieder zu erſtürmen. Mich ärgerte es noch immer gewaltig , daß ich mit hatte dabei ſein müſſen, wie wir ſie den Franzoſen übers geben mußten , und ſo verſchaffte id; mir denn eine Muskete und Patrontaſche, und ſchloß mich den Grenadieren des hocha löblichen Bataillons von Waldenfels, welche den Ausfal mas
hen ſollten, als Freiwilliger an. Wollte mich doch auch ein
city0, mal bei der Infanterie verſuchen, nachdem ich nun ſchon Huſar und Artilleriſt geweſen war. //
Es war ſo dunkel , daß man nicht Hand vor Augen
er2 as ſehen konnte, und der Regen plätſcherte nur ſo herab , daß .
and b wir auch in den erſten fünf Minuten keinen trođenen Faden am ganzen Leibe mehr hatten, wie wir gerade um Mitternacht
Llnit in aller Stille aus den Thoren von Colberg hinausmarſchirs hrberi noi ten. Juſt ſo ein Wetter war es ., wie wir es brauchen konns corte
ten, denn bei ſchlechtem Wetter und dunkeler Nacht, da glücken jukust1 alle Ueberfälle am Beſten. So kamen wir denn auch glücklich 1 bis an den Fuß des Walles an , ohne daß die Franzos 1
ſen etwas gemerkt hatten. Da feuerten zuerſt die franzöft inſden Poſten , nachdem ſie auf ihr „ Kiwitt “, wie ſie zu rufen 1241 MB pflegen, keine Antwort bekommen hatten , und der Tanz bes ;;
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gann. Zuerſt war ein lebhaftes Flintenfeuer von beiden Sei ten , und in allem Regen und Sturm piffpaffte es ſo durch die Nacht, daß es eine Luſt war.
Aber bei dem Geſchieße
in der dunkelen Nacht, wo man nicht auf den Feind zielen konnte , kam nicht allzuviel heraus , das merkten wir bald, und ſo rief denn der Herr Hauptmann von Waldenfels, was
ſo der zweite Kommandant von Colberg war, der dieſen gans zen Ueberfall kommandirte : „ Mit dem Bajonnett drauf los, Kerle , und gebt den franzöſiſchen Hunden pommerſche Kol benſchläge zu koſten , Hurrah der König von Preußen , “ und ſo ſprang er auf die Schanze und wir mit gefälltem Bajon nett hinter ihm her. Eine Kugel traf gleich den tapferen Herrn Hauptmann gerade in die Bruſt, daß er alsbald zu ſammenſtürzte. Nur wüthender wurden wir darüber und wollten ſeinen Tod rächen, und wenn auch die Franzoſen fidy mit Macht vertheidigten, es half ihnen Alles nichts, wir war fen ſie endlich doch aus der Schanze heraus und tödteten ihnen viele Offiziere und Soldaten. Aber Donnerwetter , war das
ein Gefecht, Mann gegen Mann , das war ſo ein rechtes Gaudium , wie wir auf einander loshauten , und ich dachte, daß es mitunter doch auch eine ganz gute Sadie ſei, bei der Infanterie zu ſtehen , denn wir Huſaren hätten mit unſeren Pferden nicht in eine ſolche Schanze hineinjagen können. Gegen mich fuhr ein franzöſiſcher Grenadier mit ſeinem Bas jonnett los, und ehe ich es pariren konnte, ſtach er mir durch 1
die linke Seite meines Mantels , ohne mich jedod recht zu
treffen , denn nur ſo ein Bischen riſchte die Spike des Bas jonnetts meine Haut. „ Aha,. guter Freund , kommſt Du mir fo, fomm ich Dir wieder ſo ," dachte ich , und drehte meinen Kuhfuß, von dem das Bajonnett, was nur ſchlecht daran bes feſtigt geweſen , abgefallen war , zum Schlag um . Ehe nun
noch der Franzoſe ſeine Flinte wieder zurückziehen konnte,
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holte ich zu einem guten, pommerſchen Fiebe mit beiden Hän den aus, und mein Kolben krachte dem Franzoſen ſo auf den Schädel , daß er nach einem zweiten Schlag fein Verlangen mehr hatte , ſondern gleich todt umfiel. Ja , ſo ein guter Kolbenſchlag, wenn man noch rechtes Mark in den Armen hat , der thut ſchon ſeine Dienſte, und beſonders anno 13, da haben die Rolbenſchläge der preußiſchen Landwehr manchem 1
Franzoſen das Ropfweh für immer vertrieben .
„ Einen Gefangenen , der mir ſpäter recht dankbar war, machte ich in der Nacht, oder vielmehr am Morgen, denn die
Dämmerung war bei all' tem Fechten ſchon angebrochen, noch in der Schanze. Ein fleiner, franzöftſcher Tambour , ſo ein Jüngelchen von kaum 14 Jahren , mit recht frohen Augen in dem braunen Geſidyt, ſtand munter in den erſten Reihen und trommelte mit ſeinen Schlägeln den Sturmmarſch , als wenn all' die Kugeln, die um ihn herumpfiffen, nur ſo Schneeballen wären. So eine Kourage gefiel mir , und wenn der Junge auch ein Franzoſe war , und ich auch die ganze Raſſe ſonſt gar nicht leiden kann, den modyte ich doch gern . Schon wollte ein Grenadier, der neben mir ſtand , auf den Tambour anles gen und ihn zuſammenſchießen, ich rief ihm aber zu, „ er folle doch ſo einen firen Jungen leben laſſen, es wäre Schade, ibn todt zu ſchießen ," und ſo ſprang ich vor, und da die Franzoſen eben zurüdwichen, holte ich ihn ein, padte ihn mir nichts dir
nichts um den Leib, und trug ihn mit ſanemt ſeiner Trommel aus der Schanze zu dem Ort hin , wo unſere Gefangenen aufbewahrt wurden . Der Junge trampelte zwar gewaltig mit den Beinen und wollte mich fragen und beißen , aber ich
machte mir nichts draus, und rettete ihm ſo das Leben. Spä ter anno 15 , wo wir ſo unter unſerem Feldmarſchall von
Blücher Ercellenz den Franzoſen zum Zweitenmal einen Beſuch in Paris machten , was nicht mehr wie recht und billig war,
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und auch jeßt wieder alle Tage geſdehen kann , wenn ſie fich allzu maufig machen ſollten , da traf ich meinen ehemaligen Tambour ganz unvermuthet wieder an. Ich hatte auch noch während er in Colberg als Gefangener war , für ihn geſorgt, und ſo 'fannte er mich denn gleich wieder und war ſehr er freut, mich zu ſehen. Aus dem kleinen Trommelſchlägerjungen
war in all den Jahren ein großer Herr Offizier geworden, dem ſie aber bei Leipzig ein Bein abgeſchoſſen hatten. Ob ſchon er nun ein Franzoſe und ich ein guter Preuße war , ſo
vertrugen wir uns doch ganz vortrefflich mit einander, gingen in ein Wirthshaus und ſtachen ein paar Flaſchen Wein aus. Als uns der Wein etwas zu Kopfe geſtiegen war, da ließ der ehemalige Offizier ſeinen Napoleon Bonaparte hoch leben und ich natürlich Se. Majeſtät unſern König Friedrich Wilhelm. Kommt da , wie wir noch im beſten Rufen und Trinken ſind,
ſo ein gelbhäutiger Kerl im Civilanzug herein , und ſagte, er ſei der Mähre des Orts und wolle den ehemaligen Offizier arretiren , weil er den Napoleon habe leben laſſen , was jest 1
verboten ſei. Wie eine lahme, dürre Mähre, die kein Menſch mehr brauchen kann, ſah der Kerl auch aus, daß er ſich aber unterſtand , ſo mit drein zu reden , wo wir preußiſchen Fuſas
ren , die im Zimmer waren , es doch dem Franzoſen erlaubt hatten, den Napoleon , unter dem er ſo viele Schlachten mit 1
gefochten, leben zu laſſen, war doch zu unverſchämt. Nu, wir
ſchmiſſen den Mähre denn auch ſogleich aus dem Zimmer
heraus, wie es ſich gehörte, und ſagten ihm , wenn preußiſche Huſaren jeßt einem ehemaligen franzöſiſchen Offizier erlaubten, auf die Geſundheit des Napoleon ſein Glas zu trinken , ſo folle er dies thun können , und wenn alle Mähren in ganz
Frankreid dagegen wären. Damit hatte der Kerl denn ſein Theil und marſchirte wieder ab, wir aber blieben noch lange
luſiig * und vergnügt in dem Wirthszimmer beiſammen ,
und
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tranken von dem guten Wein , den man in Frankreich ſo billig bekömmt, und das iſt auch das Beſte, was ſie in dem ganzen Rande da haben.
„ Na,. um aber wieder auf unſere „ Wolfsſchanze " anno 1807 vor Colberg zu fommen , ſo trieben wir denn endlich nach vieler Gegenwehr die Franzoſen wieder aus derſelben heraus und eroberten uns ſo dieſelbe, obſchon es uns viel Blut gekoſtet hatte. Lange aber ſollte die Freude nicht dauern, denn mit ganzen Regimentern ſtürmten die Franzoſen wieder gegen uns an . Wir konnten die Schanze nicht halten , und wenn es uns aud hart genug ankam , ſo mußten wir am Ende doch wieder in die Feſtung zurück, ohne daß wir unſeren Millen bekommen hatten. Das war denn eine verfluchte Geſchichte, und Ihr könnt denken, Kinder, wie wir alle fuchs teufelwild darüber waren , und man in Colberg unter den
Soldaten an dem Abend gerade nicht viel Singen, aber deſto mehr wilde Redensarten hörte.
Beſonders die Grenadiere
von dem hodlöbliden Bataillon von Waldenfels waren am Erboſten , denn ſie hatten ihren Herrn Hauptmann , der ein
ſo braver Offizier geweſen war, verloren, und da mußten ſie wohl Gift und Galle darüber ſein . Auch hatten fie ſich die
Schanze nehmen laſſen , und das wurmte ſie noch immer, obſchon es nicht ihre Sduld war.
Am 19. Juni verſammel
ten ſich die Greuadiere und Unteroffiziere, und wählten fo an 6–8 Mann aus und ſchickten die zu dem Herrn Rom mandanten hin mit der gehorſamſten Bitte, er möge die Gnade haben, zu erlauben , daß ſie nochmals einen Ausfall unters nehmen dürften um zu verſuchen , die „Wolfeſchanze“ wieder zu erobern. Nun lag auch in Colberg dazumalen noch das hochlöbliche Füſelier- Bataillon von Möller , auch lauter brave
Rerle, obſchen es der Zufall gewollt, daß ſte hier bei der Belagerung noch nie ſo recht ins Feuer gekommen waren.
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Als die das hörten, daß die Grenadiere ſo eine Bitte thaten, ſchidten ſie aud) eine Abtheilung an den Herrn Kommandanten und ließen denſelben gehorſamſt bitten, er möge ihr Bataillon 1
an die Spiße der Sturmfolonne ſtellen. Die Grenadiere feien immer im Vorzug geweſen und hätten bisher das meiſte Stürmen gethan , und das müſſe ſie, die Füſeliere, ärgern, die dody audy gern zeigen wollten , daß fte eben ſo gut wie dieſe für Se. Majeſtät ihren König zu fechten verſtünden .
Seht, Kinder , ſo muß es in der königlich preußiſchen Armee immer ſein , nur wenn es recht Gefahr gilt und ein ordent: 1
licher Sturm zu machen iſt, dann muß jedes Regiment gern den Vorzug haben wollen und am erſten Plaß ſein , ſonſt aber muß fich feins über das andere erheben und ſich ſtolzer dünken, mögen es nun Grenadiere oder Füſeliere, Küraffiere oder puſaren ſein, obſdyonſt es ſich bei uns, jo nach meinem Guſto , doch am Beſten dient.
„ Nu, unſer Herr Kommandant von Gneiſenau der freute fich über die Bitte der Grenadiere und Füſeliere, und befahl,
daß beide Bataillone noch am ſelbigen Nachmittag den Uus fall zuſammen machen ſollten . Daß ich wieder als Freiwilliger mit lief , fönnt Ihr Euch wohl denken , Kinder , denn batte
ich nun ſchon zweimal aus der verfluchten Schanze heraus gemußt, ſo wollte ich denn verſuchen, ob ich nicht zum dritten Mal wieder hereinkommen konnte. ,, Eine ſchwediſche Fregatte, auf die der alte Pettelbed , der immer da war, wo die Gefahr am Größten, fid als Steuer
1
mann geſtellt hatte, fam uns mit zur Hülfe und legte ſich ſo dicht als möglich an den Strand , von da aus die Schanze zu beſchießen . Nun unſere Feſtungskanonen waren auch nicht faul und thaten das Maul verflucht weit auf, und ſo krachte
es denn nicht wenig, wie wir den Sturm begannen. 1
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1.Die Franzoſen verſtehen ſich wohl auf das Kriegsfüh ren und paßten gut auf , das muß man ihnen laſſen, und ſo machten ſie denn ,1 wie wir an den Paliſaden der „ Wolfs
ſchange " anlangten, aus großer Nähe ein gar gewaltiges Kar dätſchenfeuer auf uns. Schwerenoth, die Kugeln, die praſſel ten man ſo in unſere Glieder , als wenn der dicke Hagel im
April an die Fenſterſcheiben ſchlägt, und wir verloren grauſig viele Leute. Nie in meinem ganzen Leben wieder und ſelbſt nicht bei Leipzig habe ich geſehen , daß in ſo kurzer Zeit und auf ſo kleinem Fleck ſo viele Soldaten zuſammenſtürzten wie bei dieſem Sturm auf die „ Wolfsſchanze. " Immer noch wieder los ſtürmten wir, wenn audy die Glieder immer ſchwä der wurden , immer nod riefen wir unſer „urrah, þurrah,
hoch der König von Preußen , “ wenn auch die Kugeln ganze Dußende zuſammenriſſen ,1 allein es wollte nicht geben , die Schanze war zu voll von Kanonen und feindlicher Mannſchaft, wir famen nicht berein. An die 500 Mann an Todten und 0
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Schwerverwundeten verloren die beiden ſchwachen Bataillone in furzer Zeit hier an der Schanze, daran fönnt Ihr ſehen,
wie wild es bei dieſem Gefechte zuging. Aber auch die Fran zoſen haben manchen Soldaten hier eingebüßt , denn es kam auf der Bruſtwehr der Schanze zum Handgemenge und wir flopften nicht wenig darauf los .
Neben mir ſtand ein Gres
nadier von den Waldenfelſern , ſchon ein alter, gedienter Kerl, aber noch von voller Kraft, der hatte ſeine Uniform abgewor fen und ſtand mit offener Bruſt und bloßem Kopfe da , und überall lief ihm das Blut herunter , den er hatte ſchon viele fleine Bleſſuren am ganzen Leibe bekommen. Davon ließ er fich aber nicht im Mindeſten anfechten , ſondern hatte einen Hebebaum von einer Kanone genommen , denſelben mit beiden
Händen gefaßt und haute nun rechts und links mit gewal tigen Streichen den anſtürmenden Franzoſen auf die Köpfe.
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Wohl an ein Dußend derſelben hatte er die Schädel oder
Knochen eingehauen , denn wo er hinſchlug, da -wuchs kein Gras mehr, und ordentlich wie eine Art Wall lagen die feinds lichen Leichname um ihn herum und er hatte einen freien Plaß vor ſich , denn keiner traute fich mehr an ihn heran.
Da legte aber ein kleiner Franzoſe ſeine Muskete auf ihn an und ſchoß den Grenadier gerade durch die Bruſt. Noch im leßten Aufblucern vom Leben machte er einen gewaltigen Sprung mitten zwiſchen die Franzoſen hinein und that noch einen tüchtigen Hieb auf ſie, dann ſtürzte er todt zuſammen. Auch einen Herrn Lieutenant von den Grenadieren ſah ich, dem hatte eine feindliche Kugel den linken Arm vom Elbogen
an ſchon ganz fortgeriſſen. Dennoch aber ging er nicht zu rüd, ſondern haute mit ſeinem Säbel immer gegen die Bajon nette an, bis er endlich noch einen Stich bekam , daß er todt
umfiel. Solche Geſchichten , wo ſich Leute von uns bis auf den legten Blutstropfen mit den Franzoſen herumhieben, könnte Eudy noch viele erzählen. Auch ich ſelbſt hatte an dem ich Euch Abend vollauf zu thun , und obſchon ich wieder einen kleinen Somiß in die Seite befommen hatte , ließ ich den Kolben
von meinem Gewehr doch noch fleißig auf den Köpfen der Franzoſen herum tanzen und hieb drauf los ,1 als wenn ich in der Schmiedewerkſtätt vor dem Amboß ſtände. ,, Doch was half dies Alles , die Schanze konnten wir nicht nehmen , die blieb franzöſiſch, und wir mußten endlich
wieder zurück , nachdem faſt die Hälfte der Mannſchaft, die zum Sturm ausgezogen , dort als todt liegen geblieben war. Beſonders von dem ganzen bochlöblichen Grenadier-Bataillon von Waldenfels , was früher ſchon ſo viele Leute verloren hatte , war nur noch ein ſo kleiner Haufe übrig , daß man
- kaum eine Kompagnie daraus bilden konnte. Ja ſo ein Krieg, wenn er mur recht ernſthaft betrieben wird , der koſtet Mens
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iden , und es geht dann oft ganz anders her, wie hier gegen
die Paar Dänekens, die immer wieder auf ihre Schiffe gehen, wenn wir ſie recht anpacken wollen .
,,Am anderen Morgen da ward ein Parlamentair aus Colberg an die Franzoſen geldigt, daß ſie erlauben möchten, all die Todten , die vor der Sdanze liegen geblieben wären, zu beerdigen. Die Franzoſen erlaubten dies , und ſo ging
ich denn mit dem alten Nettelbeck und noch ein Paar Dußend Mann hinaus , um eine große, tiefe Grube zu machen , in welche wir die vielen Todten alle legen konnten. Das war denn ein grauſeliges Stück Arbeit , und lieber will ich gegen eine Schanze anſtürmen , als ſo ein paar hundert Todte , die meiſt von Kardätſchenkugeln zerriſſen waren , begraben helfen. Ganze Haufen voll abgeriſſener Arme und Beine und Köpfe,
und aufgeſchlißter Leiber trugen wir zuſammen in die Gruben. Anch manche Verwundete fanden wir noch , welche die ganze Nacht unter allen dieſen Leidynamen hatten liegen müſſen, und nun ſchrieen und klagten , daß es ein Jammer war, fie
anzuhören. So fand ich einen Füſelier, einen jungen , hüb ſchen Burſchen, dem war ein Arm und ein Bein abgeſchoſſen , und er lag wie todt da.
Als ich ihn eben aufheben wollte,
um ihn auf den Wagen , der die anderen Todten in die Grube fuhr, zu werfen , da ſchrie er auf und ich merkte, daß
noch Leben in ihm war. Könnt Ihr glauben, daß der Füſc lier im Hospital wieder geheilt ward, und noch manches Jahr geſund und munter gelebt - hat. Ja , ſo lange man junges , gutes Blut in den Adern hat , da iſt man ſo zäh wie eine Kaße , und Manches heilt wieder, was man kaum glauben ſollte. Mit mir altem Kerl wäre es ießt freilich ein anderes
Ding , und wenn mir ſo ein Arm oder Bein abgeſchoſſen würde, dann wäre es auch gleich pfutſch mit mir aus. Nun , ich könnte aud damit am Ende zufrieden ſein , habe meinem
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Könige in Ehren und treu und redlich lange Jahre genug gedient. In Colberg ging ießt übrigens das Bombardement erſt recht an. Die Franzoſen , die waren wüthend , daß die kleine, ſchwache Feſtung ihnen ſo lange widerſtand, und woll ten ſie auf jeden Fall haben. Aber Proſtemahlzeit, es wurde ihnen nichts daraus, und ſie mußten mit langen Mäulern wieder abziehen. In Colberg hat kein Franzoſe , außer als Gefangener, unſer Brod zu foſten befommen, undofo muß es +
ſtets in jeder preußiſchen Feſtung ſein . Der Bonapaxte, der
ſoll übrigens verdammt geflucht haben , daß ſeine Generäle Colberg nicht haben nehmen können , und ihnen ſo grobe Briefe geſchrieben , daß fie ſolche gewiß nicht hinter den Spiegel geſteckt haben. Er ſoll geſchrieben haben , er würde 1
am Ende ſelbſt fommen , und dann wolle er die Feſtung ſchon
in zwei Tagen nehmen. Na , er hätte nur kommen ſollen, wir hätten uns am Ende vor ihm auch weiter nicht gefürchtet und er ſich ſeine Zähne an unſeren Wällen und Mauern
auch vergebens ausbeißen müſſen. War zwar nur eine kleine Feſtung, dies Colberg, die auch nach der alten Mode gebaut ſein ſoll, wovon ich als Unteroffizier von den Huſaren freilich nichts verſtehe, aber brave Kerle , die ein ächtes preußiſches Herz in ihrem Leib hatten , ſtanden hinter den Wällen , und das iſt am Ende doch die Hauptſache, worauf es am Meiſten ankommt.
„ Geſchoſſen ward aber von den Franzoſen noch gar ges waltig auf uns , und beſonders des Nachts , da flogen die feurigen Bomben immer ſo funkelnd und ziſchend über den dunkeln Himmel, daß es eine wahre Luſt geweſen wäre , fie anzuſehen , wenn dieſe 'verfluchten Dinger nur nicht gar ſo viel Schaden gethan hätten. Über Unheil richteten dieſe Bom
ben genug an , das könnt Ihr Euch denken, Kinder. So ſteh id, in einer Nacht auf dem Wal an einer Feſtungskanone
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und will eben den Wiſcher anfeßen , da kömmt ſo ein ziſchen der Satan gerade auf uns zugefahren und ſchlägt kaum an 5 Schritt von der Kanone in die Erde. Da galt kein langes
Beſinnen , und im Umſehen warfen wir uns Alle der Länge lang auf die Erde , um ſo mehr vor dem Zerſpringen der Bombe geſchüßt zu ſein. Die Bombe zerſprang aber ſo un glüdlich , daß zwei Mann von unſerer Bedienungsmannſchaft an der Kanone gleich getödtet und drei mehr oder weniger verwundet wurden , das war denn doch genug von dem ein I
zigen Schuſſe. Cinem der Kanoniere , der dicht neben mir lag , zerriß ein Stück der Bombe den ganzen Kopf , ſo daß das Gehirn und Blut weit herausſprigte und mir gerade in
das Geſicht. Id hatte Augen und Mund ſo voll von dieſem Blut bekommen, daß ich mich erſt ordentlich abwiſchen mußte, bevor ich wieder ſehen konnte. So eine Ladung ins Geſicht
iſt auch gar nicht angenehm . Der Kanonier , der fo getödtet wurde, ein junger Kerl noch, der erſt vor einigen Monaten als Rekrut eingetreten war , hatte ein paar Stunden vorher noch die Ahnung gehabt , daß er dieſe Nacht ſterben müſſe. Er war ſonſt immer luſtig und lachte und ſang viel , wenn die Franzoſen uns auch noch ſo ſtark beſchoſſen , an dem Abend aber ſann er immer ſo ſtill vor ſich hin und that das Maul gar nicht auf. Ich frug ihn noch , was ihm fehle und ob er frank ſei, da antwortete er* mir, frank ſei er zwar nicht , ſon:
dern ganz geſund, aber ſterben müſſen er dieſe Nacht doch. Dabei zog er ſeine filbette Uhr heraus und einen kleinen
Lederbeutel, in dem an 5 Thaler Geld war , und gab mir »
Beides und bat midy, ich möge es ihm aufheben, und wenn ได้
die Belagerung aus ſei, es ſeiner Mutter geben, die als Eins liegerfrau nicht weit von Stettin in einem Dorfe, was er mir auch nannte, wobne. Id) lachte ihn noch mit ſeinen Todes gedanken aus und ſagte , er ſolle fich nicht ſolche dumme
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Grappen in den Kopf ſeken , aber er blieb doch dabei , daß es ſo kommen würde, und richtig , ein paar Stunden darauf ward er erſchoſſen. Später, anno 13 und 14, find mir nocy mehr ſolche Fälle paſirt, wo die Leute eß ganz genau vorher
wußten , wenn ſie bald fallen ſollten . So hatten wir auch anno 13 einen blutjungen Herrn Lieutenant bei unſeren Hus ſaren, der an alle ſolche Vorgedanken gar nicht glauben wollte. ,,Unſinn ,1 nichts wie Uuſinn , lieber Unteroffizier Erdmann“, ſagte er mir einſt , wie wir des Abends am Bivouaffeuer faßen , und ich ihm auch ſo eben dieſe Geſchichte von dem
„ Kanonier erzählt hatte. „Wer wird denn wohl an ſolche Kindermährchen glauben , über ſo etwas ſind wir in jebiger Zeit ſchon weit hinweg .“ Ein paar Tage darauf ſagt er plöß lich zu mir , wie wir ſo in einem Hohlweg neben einander 1
1
ritten :
„ Geben Sie Adyt, Erdmann , beute Abend bin ich
ſchon todtgeſchoſſen .“ Das fuhr mir denn gewaltig durch den Kopf und ich erwiderte ihm , wir wären ja weit von dem Feinde ab und hätten gar keine Ausſicht , daß es heute noch zu einem Gefechte kommen würde.
,,Das ſchadet Alles nichts , " erwiderte er , ,, todt bin ich heute Abend doch noch. " Und faum waren wir eine Viertel ſtunde weiter geritten , da knallt aus dem Holze ein einzelner Schuß heraus und durch die Bruſt getroffen fällt der Herr Lieutenant ſogleich vom Pferde und war auf der Stelle todt. Wir jagen eiligſt gleid in das Holz hinein und es glückt uns,
den Kerl, der geſchoſſen hatte, noch einzufangen. Es war ſo Einer von den inſurgenteriſchen Bauern , die der Bonaparte gegen uns aufgewiegelt hatte. Nun, wir hingen den Kujon ſogleich, wie er es verdiente, an den nächſten Baum auf, aber unſern Herrn Lieutenant hatten wir damit nicht wieder lebens dig gemacht, und begruben ihn noch am ſelbigen Abend. Ja, wenn man ſo viele Jahre , wie ich, als Soldat ſchon dient,
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da erlebt man freilich manche Geſchichten , von denen die ge lehrten Herren, die immer den ganzen Tag ihre Naſen in die Bücher ſteden , nichts wiſſen . - Den anderen Abend, nachdem die Bombe ſo dicht an unſer Geſchüß eingeſchlagen hatte,
hätte eine andere Bombe beinahe noch mehr Unheil angerich Unſer Herr Kommandant von Gneiſenau , der Tag und Nacht faſt auf den Beinen war , ſtand init dem Bürger Net
tet.
1
telbed, der viel bei ihm war , nicht weit von mir auf dem
Wall und ſah nach den franzöſiſchen Batterien hin , die uns heftig beſchoſſen. Da fömmt denn wieder ſo eine große, fran zöſiſche Bombe durd) die Luft geſauſt, ſchlägt an 10-12 Schritt von dem Herrn Kommandanten ein und fängt an die Erde aufzuwühlen . Herr Gott, dachte ich, wenn die Bombe plagt und am Ende den Herrn Kommandanten trifft, das wäre ein Unglück , wie es nicht größer für die Feſtung ſein könnte. Aber der liebe Gott, der hatte ein gnädiges Eins ſehen und ließ die Bombe plagen , ohne daß der Herr von
Gneiſenau yon all den herumziſchenden Stücken getroffen wurde. Nur ganz mit Erde und Schmuß überworfen ward er, und ich ſprang ſogleich hinzu, ihn wieder abzuwiſdien. Ja,
wenn der Herr von Gneiſenau uns ſo geblieben wäre , das hätte ein großes Unglück für das ganze preußiſche Land ab gegeben .
„ Der ſchlimmſte Tag in der ganzen Belagerung war aber der 1. Juli. Die Franzoſen hatten noch friſche Truppen und
mehr Belagerungsgeſchüß bekonimen, und fingen nun ein Boma bardement an , als wenn in ganz Colberg kein Stein mehr 1
auf dem andern bleiben ſollte. An allen Ecken und Kanten
der Stadt brannte és , überall hörte man das Krachen der einſdlagenden Kugeln und das Praſſeln der Dächer, die zu: 1 ſammenſtürzten . Und all die Weiber und Kinder, die heulten und ſchrien und liefen in der Stadt herum, und ſuchten nach
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einem Plaß , wo ſie Schuß finden könnten , und ſolcher war nirgends zu finden. Das war denn ein Jammer und Elend, wie ich es Euch gar nicht ſagen kann. So lief eine Frau mit einem kleinen Kinde dicht bei uns auf dem Wall vorbei und (drie nach einem Chirurgus, daß er fommen ſollte, denn
ihrem Manne ſeien ſo eben beide Füße abgeſchoſſen worden. Und wie fte noch ſo ſchreit, kommt wieder eine Kugel anges flogen und reißt die Frau mit ſammt dem Kinde ſo ausein ander, daß ſelbſt die Fleiſchfeßen bis zu uns an die Kanonen heran flogen. Ueberall brannte es und ſelbſt das Rathhaus
ſtand in bellen Flammen, und nur mit vieler Mühe der Bür gerſchaft und der Soldaten , die nicht im Dienſt auf den
Wällen waren , ward das Feuer ſo weit gelöſcht, daß nicht das ganze Haus bis auf den Grund darniederbrannte. Wie viel Häuſer ſonſt nody in Brand famen oder halb zuſammen:
geſchoſſen wurden , und wie viel von der Bürgerſchaft außer den Soldaten getödtet wurden , habe ich wieder vergeſſen ; eine ganze Zahl war es aber , das weiß ich noch. Ja, dies Colberg, dus hat während der Zeit der Belagerung viel aus: zuſtehen gehabt, und mancher Einwohner hat gewiß noch lange
Jahre danach mit Schrecken daran zurüdgedacht. Aber in all dem Gefrache verloren die Meiſten doch nicht den Muth und
von Uebergabe hat kein Einziger nur zu ſprechen gewagt. Es hätte ihnen auch freilich nichts geholfen, denn der Herr Kom mandant von Gneiſenau der hätte die Feſtung nicht den Frans zoſen übergeben, und wenn dieſe noch zehnmal ärger uns bes ſchoffen und kein Haus mehr ſtehen geblieben wäre. Des Stö
nig8 Majeſtät hatte ihm die Feſtung anvertraut, und ſo mußte er mit ſeiner Ehre als ein preußiſcher Soldat dafür bürgen
und ſich um nichts anderes fümmern , als daß keine Franzo ſen hineinfamen , und ſollte auch der ganze Ort darüber zus
ſammengeſchoſſen werden.
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„Das Schlimmſte bei der ganzen Sache war übrigens, daß wir mit unſeren Kanonen von den Wällen herab den verdammten Franzoſen nicht immer wieder ſo auftrumpfen konnten, wie ſie es verdienten . Unſere Kanonen waren meiſt von Eiſen und altes, ſchlechtes Zeug , und wenn man 8-10
Schüſſe raſch aus denſelben gethan hatte , ſo wurden ſie ſo heiß , daß man eine Weile mit Schießen aufhören und fie wieder mit Waſſer begießen mußte , das koſtete immer viel Zeit und Arbeit, und hielt lange auf. Auch zerſprangen oft die Kanonen, und manche brave Artilleriſten haben auf dieſe 1
Weiſe ihr Leben, oder doch ihre geſunden Gliedmaßen vers loren . Um aber immer Waſſer für das Abkühlen unſerer
Kanone zu haben , hatten wir uns bei derſelben einen frei willigen Artilleriſten beigelegt, über den ich jept nach ſo vielen, langen Jahren noch immer lachen muß , wenn ich an ihn denke. War da in Colberg ein dicker, reicher Jude , ſo ein ächter Schmuſer, der die armen Leute zu ſchinden und zu plagen verſtand, obſchon er weder Weib noch Kind hatte.
Als nun die Belagerung anfing und, alle braven Bürger fich in Korps zuſammengethan hatten, und entweder auf den Wälen bei den Kanonen mit halfen, oder eigene Löſchkom
pagnien bildeten , da wollte dieſer dicke Jude von alledem .
nichts wiſſen.
Einen tiefen Keller ließ er ſich graben und
mit Mift bedecen, daß die Bomben nicht durchſchlagen konnten, und in dem verkroch er ſich immer mit allen ſeinem Geld
und ſeinen Lebensmitteln , ſowie das Geſchieße anfing. Und da nun der Brandwein anfing theuer zu werden und er ſich mehrere Faß davon vorher eingekauft hatte, ſo verkaufte er
denſelben zu hohen Preiſen wieder , und ließ ſich ſelbſt von den Soldaten für ein kleines Schnappsglas voll ein paar Groſchen bezahlen. Ganz das Gegentheil von dem braven Nettelbed , der Alles was er hatte an die Soldaten hergab, 14
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und Tag und Nacht ſelbſt mit half, wo es am Gefährlichſten
zuging, war dieſer dicke, reidhe Jude. Wir bei unſerer Kanone waren aber beſonders faljd auf ihn , da er uns einſt eine
Flaſche Brandwein , die wir für einen Verwundeten haben wollten , rund abgeſchlagen hatte. Was geſchah ihm aber auch dafür.
Ginmal , wo das Kanonieren auf ein Paar
Stunden aufgehört hatte , da wir einen Parlamentair zu den Franzoſen geſchickt, damit ſie die Kirche, die zum Lazareth eingerichtet war , nicht mit beſchießen möchten , kommt mein 1
lieber Jude aus ſeinem Loche herausgetrochen und ſpaziert mir nichts dir nichts auf dem Wal berum , wieder ein Bischen
friſche Luft zu ſchnaufen. Mit ſeinem dicken, runden Geſicht und dem feinen, langen Rock ſah er recht hochmüthig auf uns herab, die wir kaum die nothdürftigſte Uniform , zerriſfen und vom beſtändigen Pulverdampf beſchmußt, anhatten, und auch nur mager und abgefallen ausſahen , denn Arbeit gab es 1
genug , Eſſen und Trinken und Ruhe aber nur verdammt
wenig. Das ärgerte uns denn nicht wenig , daß der dide Jude jo ftolz berumlief, und Einer der Ranoniere rief aus,
laßt uns den Schmuhl greifen und mit zu unſerer Kanone nehmen , daß er immer Waſſer holen muß. Da waren wir denn Alle dabei, und ehe er ſich es verſah , hatten wir den Juden beim Kragen und ſchleppten ihn zur Kanone. Seinen Rod zogen wir ihn aus , einen alten, zerlumpten Soldaten mantel , der einem erſchoſſenen Kanonier gehört hatte , aber dafür an, und drohten ihn jeßt auf der Stelle niederzuhauen, wenn er nicht als Artilleriſt zur Kanone ſchwöre, daß er, ſo lange die Belagerung dauere, bei derſelben mit als Kanonier helfen wolle. Was da der Kerl „Auwaih, auwaih, und helf 1
mir Gott der gerechte“ ſchrie, und ſich wand und drehte, als wie eine Made, die man an den Angelhaken ſtecken will, fönnt Ihr wohl denken , Kinder. Aber es half ihm alles nichts,
2
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immer mehr Artilleriſten kamen um ihn herum und lachten
und ſchrien „ der fud ſölle aufgehangen werden , wenn er nicht Soldatwerden wolle,“ und ſo mußte er denn wohl das Verſprechen geben und bei uns bleiben , und immer mit dem Eimer nach den Brunnen laufen , um Waſſer zum Abkühlen
des Geſchüßes heranzuſchleppen. Wenn denn manchmal die feindlichen Kugeln ſo recht dicht bei uns einſchlugen, und die Bomben ( auſten und krachten , da hättet Ihr ſehen ſollen, was der Kerl immer aus lauter Angſt für Geſichter ſchnitt und hin und her hopſte, daß ihn keine Kugel treffen möchte, und klagte und ſchrie und Abraham und Moſes und die Propheten zum Schuß anrief. Wir haben über den Kerl oft mitten in der ärgſten Kanonade ſo gelacht, daß uns die Seiten ſchütterten, ſo puſluſtig war ſein Gejammer anzuhören. Einmal wollte er uns entwiſchen , wir holten ihn aber wieder ein, ſteckten ihn mit dem Kopf in den ledernen Feuereimer,
und hieben ihn mit dem Stock, an dem dazumalen noch die Lunte bei der Artillerie befeſtigt war , ſo ein Stücker Zwanzig auf ſeinen diden H. , daß er mit den Beinen in der Luft herumſpattelte und ſchrie, als wenn er am Spieße ſtede, I
obſchon man es aus dem hohlen Eimer heraus nur dumpf
hören konnte. So mußte denn der Jude , er mochte wollen
oder nicht, die leßten 8 oder 10 Tage ſo als Freiwilliger bei unſerer Kanone mit helfen und manchen Eimer Waſſer für
dieſelbe heranſchleppen. Der Kerl fiel dabei ordentlich vom Fleiſche und iſt in der kurzen Zeit gewiß um 50 Pfund leichs ter im Gewicht geworden. Als ich ſo an 15 Jahre ſpäter wieder einſt durch Stettin kam , da ſtand der reiche Jude, der wieder noch viel dider geworden war , in einem bunten,
ſeidenen Schlafrock vor ſeiner Thür und ſchmauchte aus einem großen Meerſchaumpfeifenkopf. Er kannte mich nicht wieder,
und riß anfänglich die Augen weit auf , wie ich ihn auf die 14*
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Schulter ſchlug und ſagte: „ Na, guten Tag, Herr Kamerad, wie gehts Euch. " Als ich ihn aber da an die Belagerung von Colberg und die Kanone erinnerte, da ward er ganz
freundlich und lud mich ein , eine gute Flaſche Wein mit ihm zu trinken , und meinte , es ſei eine ſchlechte Zeit damals geweſen , aber jeßt, da ſte vorbei, wäre es doch ſchön für ihn, fagen zu fönnen, daß er auch mit bei der Artillerie geſtanden und gegen die Franzoſen lo tapfer gefochten habe , und ſo ſprach er noch viel und ſchenkte mir immer friſch ein und gab mir viele Cigarren , damit ich nicht in der Stadt erzählen 1
follte, daß er damals ſo feig geweſen war.
Uebrigens gab
es in Colberg auch viele brave Juden , die ganz ihre Schul digkeit thaten, wie es ſich gehörte, und denen etwas Schlechtes nachzuſagen nicht recht wäre. Auch bei dem Schill'ſchen Korps habe ich einen ſehr braven Juden gekannt , der als ein guter Soldat für ſeinen König geblieben iſt. „ Am 2. und 3. Juli währte das Gefrache noch immer ſo fört und wir hatten weder bei Tag noch Nacht auch nur einen Augenblick Ruhe an unſeren Geſchüßen . Kaum fonn ten wir uns noch vor Müdigkeit auf den Beinen halten, und die Füße waren uns ſchon ganz dick angeſchwollen. Auch Ar tilleriſten bei unſeren Sanonen, die zuſammen aufgeſtellt waren, blieben noch manche, und es war zulegt kaum noch eine hin reichende Mannſchaft da, dieſelben gehörig zu bedienen. Einem
jungen Herrn Lieutenant , der auch vor einem Jahr erſt aus dem Berliner Kadettenhaus entlaſſen worden war , riß eine Kugel nody zuleßt den Bauch auf , daß alle Gedärme weit
heraushingen. Der ſchrie und jammerte in dem furchtbaren Schmerz ſehr und bat, wir möchten ihn doch mit einer Flinte erſchießen und ſo ſeinen Qualen ein Ende machen , da er ja doch nicht wieder werden könne .
Reiner von uns mochte dies
thun ,! denn es iſt nicht recht, einen noch ſo ſchwer Verwun
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deten zu tödten , da man ja nicht wiffen kann , ob Gott in
ſeiner Barmherzigkeit ihn vielleicht wieder geſund werden läßt.
Da fam wieder eine feindliche Kugel angeflogen und
zerſchmetterte dem ſo Liegenden den Kopf ganz zu Brei, ſo daß er im Augenblick von allen ſeinen Schmerzen erlöſt war. „ Wie wir denn noch am Nachmittag des 3. Juli im beſten Schießen ſind und alles kracht und donnert und ſchmettert, da plößlich ſchweigen bei den Franzoſen mit einem Male alle
ihre Batterien und eine große weiße Fahne wird aufgeſteckt. Wir wußten faum wie uns geſchah , ſo wunderlich fam das
mit einem Male. Jeßt kam ein Parlamentair in königlich preußiſcher Uniform mit einem franzöftſchen Offizier, Beide mit weißen Tüchern winkend , auf unſere Baſtion zu , da wir ſogleich mit Schießen aufgehört hatten , wie wir die weiße Fahne bei den Franzoſen geſehen. Da machten wir denn zuerſt gar verwunderte Augen und konnten gar nicht begreifen, was das Alles zu bedeuten hatte. Aber der preußiſche Herr Lieutenant , den bald die Herren Offiziere, die auf unſere Baſtion gekommen waren , Perſönlich kannten , rief ſchon aus der Ferne, ehe er noch in das Ausfallpförtchen galaſſen war : ,, Friede, Friede." Er war als Kourier von Sr. Majeſtät una ſerem König an den franzöſiſden General , der die Belage
rungsarmee kommandirte, abgeſchidt worden, um dieſem angus zeigen , daß vorerſt ein langer Waffenſtillſtand abgeſchloſſen
und ſo die Belagerung aufgehoben ſei. So hatten wir denn Colberg gerettet, und die Franzoſen bei allem ihren Bombar dement doch ihren Willen nicht befomnen.
Na, Kinder, was
das für eine Freude und Jubel, beſonders unter der Bürgers ſchaft war, wie ſo plößlich das Beſchießen aufhörte, das fönnt Ihr Euch wohl denken, Jung und Alt, Kranke und Geſunde, Männer und Frauensleute, Alles lief auf den Wall und auf die Straßen und ſchrie laut auf vor Freude und Vergnügen,
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und ließ unſeren König hoch leben. Und unſer dicker Jude, der bei der Kanone dienen mußte, der war der Allervergnügs
tefte, und hatte alle Schläge und Knüffe und Rippenſtöße, die wir ihm ſo viele gegeben hatten , ganz vergeſſen , warf ſeinen alten Soldatenmantel ſogleich ab , und brachte Bier und Brandwein herbei, und gab uns ſo viel zu Effen und zu Trinken , wie wir nur mochten ; Alles aus lauter Frende, daß er nun nicht mehr bei der Kanone zu dienen brauchte. Aber auch wir Soldaten freuten uns für den Augenblick nicht wenig , obgleich freilich , was wir aber erſt ein Paar Wochen nachher erfuhren , der Friede, den unſer guter König hatte 1
abſchließen müſſen , ein ſo ſchlechter war , daß jeder ädyte
Preuße, gleichviel vom Militair oder Civil, ſeinen Zorn dar: über haben mußte. „ Der Herr Oberſtlieutenant von Gneiſenau , denn das war
er jeßt geworden, kam noch gleich an demſelbigen Abend auf unſere Baſtion und ſagte, daß er mit uns während der Belas
gerung zufrieden geweſen ſei, und wir uns als brave preus biſche Soldaten gehalten hätten . Solche Worte von einem Mann , wie der Herr Oberſtlieutenant von Gneiſenau war, die fonnten uns wohl freuen, und wir ließen ihn auch ſogleich boch leben und riefen aus : „Unter ſo einem Kommandanten wie er wäre , hätten wir Colberg noch manchen Tag gegen
die Franzoſen halten wollen , und wenn auch der Bonaparte Das war aber keine Lüge , denn wenn die Franzoſen uns auch noch ſo arg bombardirt hätten, für's Erſte hätten ſie Colberg noch nicht bekommen und man: chen Sdhuß noch deshalb thun müſſen .
felbft gekommen wäre. "
„ Den Abend tranken und aßen wir noch recht tüchtig,
denn auch viele Bürger gaben von ihren aufgeſparten Vor räthen in ihrer Herzensfreude das Beſte an die Soldaten her, und dann warfen wir uns vor Müdigkeit bei unſeren Kanonen
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hin, und machten einen gar langen und feſten Schlaf. Wenn man, wie wir , ſo viele Nächte in einem fort das Donnern von den Kanonen und all den anderen Lärm, den ein Bom bardement macht, gehört hatte, ſo kam Cinem die Ruhe und
Stille, die jeßt ſo herrſchte, ganz wunderlich vor und man mußte fich ordentlich erſt daran gewöhnen. „So, Kinder, das habe ich Euch erzählt, wie ich auch bei
der Artillerie gedient habe , denn mit der Belagerung von Colberg hörte auch mein Dienſt bei den Kanonen auf, und ) ich trat bald wieder zu den Huſaren zurück, und nun denke ich
machen wir für heute auch mit dem Erzählen ein Ende." Mit dieſen Worten klopfte der alte Erdmann ſeine Pfeife aus, ſtand auf und ging auf die Scheunendieble, wo allen Huſaren eine reichliche Streu , auf der es ſich ſehr gut ſchlafen ließ, aufgeſchüttet war. Ein ſchöner, heller Sommermorgen war es , wie die Huſaren -Schwadron , die man jeßt wieder zuſammengezogen 1
hatte , dahinmarſcirte. Die Luft war rein und klar , weder zu beiß noch zu falt , und die breite Chauſſee hatte ſu viel
Regen bekommen , daß ſie auch nicht im Geringſten ſtäubte, wie es ſonſt bei einem Marſch der Ravallerie ſo ſehr zu ges
ſchehen pflegt. So marſchirte es ſich denn gar prächtig fort, und die Huſaren waren luſtig und guter Dinge, und fangen ihre Lieder ſo laut und friſch , daß ſie weit über die Ebene hinwegſchalten.
Kein beſſeres Leben iſt Auf dieſer Welt zu denken, Als wenn man trinkt und ißt lind läßt ſich gar nicht kränken, Denn ein Hujar im Feld , Seinem König dient er treu, Hat er gleich nicht viel Geld, Hat er doch Chr dabei.
Sudhe, vallera, juchhe hurrah.
216 Wenn's heißt, der Feind rückt an, Und die Kanonen bligen, Da freut ſich Jedermann , Zu Pferd muß Alles ſißen .
Man rückt ins weite Feld, Und ſchlägt ſich tapfer herum,
Der Feind kriegt Schläg für's Geld, Wer's Glück hat, kommt davon . Juchbe, vallera, juchhe hurrah . Bekomm ich einen Schuß, Vom Pferde ich muß ſinken, Hab weder Weib noch Kind,
Die ſich um mich befränken ; Sterb ich nun auf dem Feld, Sterben iſt mein Gewinn , Sterb ich auf friſcher That,
Vorm Feind geſtorben bin. Juchbe, vallera, juchhe hurrah. Wenn ich geſtorben bin, So thut man mich begraben Mit Trompeten und mit Spiel, Wie's die Huſaren haben . Drei Salven giebt man mir Ins tiefe Grab hinein , Das iſt Soldaten-Manier,
Laßt Andre luſtig ſein . Juchbe, vallera , juchhe hurrah.
So ſangen die Huſaren fort und fort, und ſelbſt der alte Erd: mann ſtimmte hin und wieder in eine der Strophen mit ein, 1
ſtets ein Zeichen, daß er ſich in der beſten Laune befand. Iſt doch ein prächtiges Vergnügen , ſo als Huſar in der Welt herumzureiten, werde, wenn ich meine Zeit abgedient habe, mein ganzes Leben mit Luſt daran zurückdenken ," meinte der junge Fufar, der neben dem Unteroffizier ritt, wie ſoeben der laute Geſang ein Weilchen geſchwiegen hatte.
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„ Ja, das glaube ich gern , " gab jener zurück. „ Wenn ein junger , geſunder Menſch kein Vergnügen daran findet, ein königlich preußiſcher Huſar zu ſein , ſo muß ihm wahr haftig der Kopf ganz vernagelt ſein. Und gar jeßt, wo ſelbſt der gemeine Huſar ſo wie ein Prinz behandelt und per Sie titulirt werden muß, und von Schläge gar keine Rede mehr ſein darf. Aber auch ſchon in den Zeiten, wo ich die Ehre hatte einzutreten, da war Jeder ſtolz darauf, in einem fönigl. preußiſchen Huſaren - Regiment dienen zu dürfen , und das Deſertiren fam bei uns nur ſelten vor. "
„ Wie ſind Sie denn wieder zu den Huſaren gekommen, Vater Erdmann , Sie erzählten uns ja neulich , daß Sie in Colberg bei den Kanonieren zulegt geweſen wären , " frug Erſterer wieder. 11
„Ja , das ging ſo zu , " fing der alte Unteroffizier nun wieder zu erzählen an. Als denn nun im Jahre 1807 unſer hochſeliger König, der jeßt auch ſchon den himmliſchen Frieden hat, den Krieg mit dem Bonaparte und den Franzoſen auf hören ließ, ſo fam denn auch bald darauf der Herr Rittmeiſter von Schill wieder nach Colberg. Unſer König , der immer ein Auge auf Jeden hatte, der fich auszeichnete, und nie ein ordentliches Verdienſt im Kriege ohne Lohn ließ , der vergaß 1
denn auch natürlich den Herrn von Sdill nicyt. Ganz außer
der Tour machte er denſelben zum Major, ſo daß er in noch nicht zwei Jahren vom Lieutenant zum Stabsoffizier vorrückte, und befahl, daß aus der Stavallerie vom Schill'ſchen Korps
ein reguläres Huſarenregiment von 4 Schwadronen gemacht werden ſollte , was den Namen „ brandenburgiſches Huſaren
Regiment“ und den Verrn Major als Anführer erhielt. Was das denn für eine Freude bei uns Schill'ſchen machte , und
wie wir juchzten und unſeren König hoch leben ließen, als die Nachricht davon fam , können Sie ſich denken. Daß ich nun
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gleich wieder zu den Huſaren ging und die Kanonen , bei denen nun doch nichts mehr zu thun war , im Stich ließ, war eine Sache, die fich von ſelbſt verſtand. Der Herr Major
von Schill nahm mich denn auch gleich wieder als Unter offizier an und ſorgte dafür , daß ich ein gutes Pferd bekam. Gin hübſcher Brauner war es , ſo von der lithauiſchen Raſſe,
ich feh ihn noch jeßt ſo in ſeiner Geſtalt ganz deutlich vor mir ſtehen, obſchon nun ſchon ſo viele Jahre ſeitdem vorüber ſind. Aber ein gutes Pferd, was ihn im Kriege getragen hat, das vergißt ein Huſar ſein ganzes Leben nicht wieder. Bei Stral ſund , anno 9 , da gaben die verdammten Dänekens den
Braunen auch einen tüchtigen Schuß, und ſo war es ſchon das dritte Pferd, was von dem Feind unter mir getroffen war.
„ Se. Majeſtät unſer König hatte auch zu befehlen ges
ruht, daß das Schill'ſche Huſaren -Regiment nach Berlin in Gar: 2
niſon kommen ſollte. was natürlich eine große Ehre für daſ: ſelbe war. War das aber ein Jubel und eine Freude , wie
wir denn in Berlin zuerſt unſern Einmarſch hielten , ſolchen Feſttag habe ich nicht oft in meinem ganzen Leben gehabt. Alle die Herren Generäle und anderen hohen Offiziere, welche dazumalen in Berlin ſich aufhielten , waren dem Regiment
eine ganze Strede entgegengeritten, um es feierlichſt einzuhos len. Mit voller Muſik, den Herrn Major von Schill an der Spiße , ritten wir denn nun in Berlin ein. Alle Straßen waren ſo voll von Menſchen , daß wir kaum durchkommen fonnten, und in den Fenſtern , von all den Häuſern ſtand es voller Frauenzimmer, jung und alt, hübſch und häßlich, Alles ſo durch einander. Die webten mit ihren Schnupftüchern und .
warfen Kränze und Blumen auf unſern Herrn Major herab, und hatten ſich ſo gewaltig , als wenn ſie Alle in ihm bis
zum Sterben verliebt geweſen wären. Und die Jungens auf
der Straße und die Bürger dazu, die ſchrien Hurrah und
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juchzten und warfen die Hüte und Müßen in die Luft, und machten ſonſt ſo einen Mordípektafel , daß uns die Pferde
faſt ſcheu darüber geworden wären. Das Schreien und Lärm machen verſtehen die Berliner ſo recht aus dem Grunde , und die Mäuler hat ihnen unſer lieber Herrgott aud nicht um ſonſt gegeben ; das war dazumalen ſo und wird aud) jeßt wohl noch nicht anders geworden ſein. Na, es war bei un
ſerem Einzug aber gut gemeint und wir Huſaren Alle wir freuten uns ſehr, daß die Berliner doch ihren Stolz daran hatten , daß unſer Herr Major von Sdill ſich ſo ausgezeich net und was nur in ſeinen Kräften lag, den Franzoſen Scha den gethan hatte. Der Bonaparte aber, der ſoll gewaltig ge flucht haben , wie er in der Voffiſchen Zeitung geleſen , daß der Major von Schill ſo einen ſchönen Einzug in Berlin ges halten habe. Er hat ihn gar nicht leiden können, ebenſo auch wie unſern General von Blücher Ercellenz, gegen den er aud) großen Verdruß gehabt und immer auf ihn geſchimpft hat. Dies waren von jeher aber die beſten Preußen , gegen weld )e die Franzoſen den meiſten Aerger hatten und immer am Lau teſten gegen ſie ſchimpften. So die fazenbudligen Kerle , die immer bei ihnen herumſcharwenzelten und in ihrer Sprache
welſchten , die haben ſie ſtets am Liebſten gehabt. Wie wir denn ſo in Berlin einrückten , es war am 10. December 1807,
ſo batten uns die Bürger am Abend auch einen großen Ball gemacht. Jede Schwadron tanzte für ſich allein in einem ſchönen Saal , der prächtig aufgepugt war und wo auf dem
Ehrenplaß auch ein großes Schild hing , auf dem mit goldes nen Buchſtaben ſtand : „ Boch lebe unſer König Friederich Wil helm der Dritte,“ was denn gar ſchön ausſah. Unter dieſem großen Schilde hing denn ein viel kleineres , wie es ſich ge hörte , und auf dem ſtand in rothen Buchſtaben : „ Boch der brave Herr Major von Schill und ſeine getreuen Huſaren ,“
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was uns Allen natürlich eine große Ehre war . Auch noch andere Schilder von buntem Papier , auf denen die Namen General von Blücher Excellenz und Oberſtlieutenant von Gneiſes
nau ſtanden , hingen umher, und dazwiſchen Fahnen und lange Kränze von Laub und Blumen, ſo daß alles ſo recht prächtig
ausſah , wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht ges fehen hatte. Und Eſſen und Trinken gab es auf dem Ball, wie man es ſich gar nicht beſſer wünſchen konnte.
Kalbøbra
ten und Kartoffelſalat, und Kuchen in ſo großer Menge, daß ſelbſt die ärgſten Freßmäuler in der Schwadron ihre Portios nen nicht aufbekommen konnten , und guten Punſch konnte Jeder ſo viel trinken, wie er nur mochte. Die Huſaren hatten ſich aber das Wort gegeben , daß Keiner fich beſaufen und 1
Lärm machen wolle, und wo denn Gin oder der Andere wohl
ein Bischen über den Durſt geladen, da brachten ihn die Ans deren gleich im Stillen fort. So ward denn bei allen vier Schwadronen bis an den hellen Morgen getanzt und alles
ging ſo luſtig und vergnügt zu , wie es nur ſein konnte und Lärm und Streitigkeiten kamen gar nicht vor. Auch der Herr Major von Schill gab uns die Ehre und kam zu jeder Schwa dron auf ihren Ball und tanzte mit einer hübſchen Bürgerstochter einen Tanz mit. Was das denn immer für ein Jubeln und Lebes hochrufen war, als der øerr Major eintrat, können Sie ſich denken . Dazumalen war ich denn ja audy noch ſo ein junger, friſcher Kerl, dem die Unteroffiziersuniform gut ſtand, und der was auf fich im Anzug hielt und ſtets recht propre und.adret umher ging . Und tanzen konnte ich wie Einer und ſchlug mit den I
Hacken in der Luft zuſammen, daß die Sporn ſo recht flirrten . Da war denn auch auf dem Ball eine rechte hübſche Bürgers tochter, achtbarer Leute Kind, eine Jungfer mit blauen Angen,
die ganz gewaltig blißten, und rothen Baden, ſo ſchön friſch, wie ein guter Apfel. Und auf dem Fußwerk ging die Kleine
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ſo fig, daß des Herrn Majors Paradepferd ſeine Beine nicht 9 drehen und tanzen vermochte ſie, beſſer ſeßen konnte, und 1ſich es war eine rechte Luft ſie nur anzuſehen, und ſelbſt der Herr Rittmeiſter von unſerer Schwadron, der den ganzen Abend mit auf dem Bal war, ſagte, er hätte ſogar in den vorneh:
men
Edelmannshäuſern in Pommern fein gnädiges Fräulein
geſehen, die beſſer einen Walzer machen könne. Das Mädchen ftach mir denn gleich gewaltig in die Augen, und ich mochte ihr aud nicht ſchlecht gefallen haben, und wie das denn ſo unter jungen Leuten zu gehen pflegt, wie Sie ſelbſt wohl am Beſten wiſſen werden, wir machten noch am ſelbigen Abend mit einander aus , daß wir uns recht lieb haben wollten. Nicht ſo eine Huſaren - Liebſchaft , wo es heißt , ,, ein ander
Städtchen, ein ander Mädchen“ und man dann beim Weg reiten fingt: ,, Geh Du nur hin, ich hab mein Theil, ich lieb Dich nur aus langer, langer Weil, ohne Did fann id) ſchon ſeben,
ohne Dich kann ich ſchon ſein ," ſondern wasman ſo nennt eine Lieb ſchaft, die aufs Heirathen ausgeht, und etwas tiefer im Herzen fißt. ,,Auch mit dem Vater, von meinem Mädden die Louiſe,
wie unſere hochſelige Königin hieß, der ein Fuhrmann und ein ganz vermöglicher Mann war, machte ich einige Tage darauf meine Bekanntſchaft, und wenn er aud) anfänglich etwas grob
that und gerne einen reichen Schwiegerſohn haben wollte, ſo gab er ſich denn doch bald und ſagte, wenn ſeine Tochter mich denn mit Gewalt haben wolle, ſo ſolle es ihm am Ende auch Recht ſein. Nur meinen Abſchied ſolle ich dann nehmen und
zu ihm ins Haus ziehen und auch ein Fuhrmann werden, denn einem Unteroffizier bei den Soldaten wolle er ſeine Tochter nicht geben. Auch dieſe, ſo ſehr ihr ſonſt mein knapper Dolman mit den vielen Schnüren gefiel, wollte nicht die
Frau eines Unteroffiziers, der alle Tage in den Krieg mars ſchiren und todt geſchoſſen werden könnte, werden. Dagegen
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war denn freilich von ihrer Seite nicht viel zu ſagen, aber deſto mehr von meiner. Meinen Abſchied wollte ich in das
maligen Zeiten , wo es ſo leicht kommen konnte, daß unſer König ſeine Soldaten gegen die verdammten Franzoſen ge brauchen würde, nicht nehmen , und ich hielt viel zu ſehr von unſerm Herrn Major von Schill, als daß ich ſo ohne Weites
reß um einer Heirath willen von ſeinem Regimente fortgegan gen wäre. So tröſtete ich denn die Louiſe von Monat zu Monat , und da wir Beide noch jung waren ,. ſo konnten wir denn auch noch uns ein Bischen gedulden und abwarten, was die Zeit uns bringen würde. Na, die brachte uns denn, daß ich wieder mit unſeren Herrn Major ausmarſchirte und bei Stralſund es uns ſchlecht ging , und meine Louiſe, der das Warten endlich zu lange ward, nachdem ſie ſo viele Mos nate nichts von mir gehört hatte, fich einen andern Mann nahm und ſpäter eine reiche Schlächtersfrau in Berlin ges worden iſt. Ein anderes Mädchen hat mir aber mein ganzes Leben nicht wieder ſo gut gefallen, daß ich ſie hätte heirathen mögen, und ſo iſt es denn gekommen , daß ich ledig und bis auf den heutigen Tag ein Unterøffizier Sr. Majeſtät unſeres Königs von Preußen geblieben bin . „ Wenn es auch bei unſerem Einmarſch in Berlin luſtig zuging , ſo waren ſonſt im Itebrigen doch verflucht ſchlechte Zeiten dazumalen in ganz Preußen, der Bonaparte mit ſeinen Franzoſen, der haufte im Lande , als wenn es ihm allein zus I
gehörte, und unſer König, der noch ſtets in Königsberg wobs nen blieb, gar keine Macht mehr haben ſollte. Was wir denn
da oft geflucht und gewettert haben , wenn wir hörten , daß ſo ein franzöſiſcher General bald da bald dort wieder für
eine Gewaltthat verübt hatte, das können Sie ſich wohl den ken . Jeden Tag lieber wie den anderen wären wir gerne wieder in den Krieg gezogen und hätten auf die Franzoſen
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losgehauen , wenn unſer König nur die Ordre dazu gegeben hätte.
Alle Soldaten und auch die guten Bürger dachten ſo,
* und die Wenigen , die es mit den Franzoſen dazumalen hiels ten , das war ſo infames , ſchuftiges Volk , was feine Ehre im Leibe hatte und denen alle Schande ganz egal war, wenn
fie nur gut zu freſſen und zu ſaufen und den Beutel voll Geld hatten. Solche ſchlechte Kerle, die jeder preußiſche Sol dat man immer in das Geficht ſpucen ſollte, wenn er ſite ſteht, hat es ſtets gegeben und die Raſſe wird auch nie ganz ausſterben. Am Grimmigſten war aber unſer Herr Major von Schill ſelbſt, der feinen Franzoſen auf hundert Schritte weit leiden konnte , und immer ein böſes Geſicht machte, wenn er einen ſo hochmüthigen „Monſchů“, wie ſie damals waren, her kommen fah. f
-
Der Herr Major , ſo ſtrenge er auch ſonſt im Dienſt
war , ſprach doch oft mit mir , und pflegte dann wohl zu ſa 1
I
gen : „ Erdmann, Erdmann, wenn ich an der Stelle von Sr.
Majeſtät unſerm König wäre , die Franzoſen , die wollte ichy mir Alle aus dem preußiſchen Land heraushauen, oder es müßte mit dem Teufel zugehen . Aber geben Sie nur Acht,
wir kommen doch noch wieder mit denſelben zuſammen und dann wollen wir auch einhauen , daß ſie am Leben verzagen ſollen . Wenns aber nur bald wäre , ich kann die Zeit kaum mehr erwarten , “ und dabei ſtampfte er mit den Hacken auf den Boden , daß es fo klirrte , und drehte fid feinen langen
Schnauzbart. „ Da fingen die Deſterreicher wieder den Krieg mit den Franzoſen an und ſchlugen ſich mit Macht mit denſelben herum . Als wir das hörten, da freuten wir uns nicht wenig,
denn die Kaiſerlichen ſollten gute Soldaten ſein, wie es allers wärts in Berlin hieß , und wenn wir Preußen unter unſernm
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großen König Friße Majeſtät" hier ſalutirte der Alte wies der fie auch manchmal geſchlagen hatten , ſo wären wir -
doch jeßt ihnen gerne zur Hülfe gekommen und hätten mit
auf die Franzoſen losgehauen. Ich hab mein Lebtag ſonſt nicht viel die Zeitungen geleſen , denn ich denke immer , was darin ſteht, davon braucht ein föniglich preußiſcher Huſaren Unteroffizier nicht viel zu wiſſen und erfährt Alles noch zeitig genug aus dem Ordrebuch , aber dazumalen, entfinne ich mich
noch, hab ich jeden Abend in die „ Vofftſche“ meine Naſe ges ſteckt und herausſtudirt, was über Deſterreich in derſelben ſtand. Leider war man viel verlogenes Zeug dazwiſchen , wie das immer zu gehen pflegt, und es war nicht andem , daß die Deſterreicher den Franzoſen eine große Bataille abgenommen hätten . Umgekehrt war's der Fall, denn der Bonaparte vers
ſtand ſein Handwerk gut, wie man ihm laſſen muß , und hat viele Schlachten gewonnen , bis unſer General von Blüchei Ercellenz fam und ihm zeigte, daß er es doch noch beſſer vers ſtünde , und als uns da die Deſterreicher wie brave Kamera den zur Gülfe famen und ihr Feldmarſchall Schwarzenberg das Oberkommando bei Leipzig hatte, da wars mit den Frans zoſen aus.
,, Daß der Herr Major von Schill uns nicht viel Ruhe in
Berlin ließ und wir mehr draußen auf dem Exercierplaß wie zu Hauſe in der Kaſerne waren , können Sie glauben. So gehört es ſich audy, denn der Huſar muß auch in Friedens I
zeiten mehr im Sattel wie im Wirthshauſe ſein , und aus Lan
gerweile verfallen die Kerle ſonſt nur oft auf dummes Zeug und ſeßen ſich allerhand Flauſen in den Kopf. Id weiß wohl, daß jeßt die Herren Freiwilligen oft ſogar über das viele Eyers cieren brummen und lieber jo herumbummeln möchten , aber
das iſt nur ſo auswendig, denn wenn ſie inwendig redyt nachs denken, werden ſie einſehen, daß ihnen das Exercieren nöthiger
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wie das liebe Brod iſt, und ſte ohnedem feine braven Sols
daten für unſers Königs Majeſtät werden können. „Na, unſer Herr Major, der ließ uns auch viel Felddienſt üben und große Uebungsmärſche machen , und ſo waren wir denn auch oft ganze Tage von Berlin fort. So rü&ten wir denn auch am 28. April 1809 auf der
Potsdamer Straße am Nachmittag zum Exercieren, ohne daß wir Unteroffiziere und Soldaten uns etwas Abſonderliches dabei dachten. Zwar hatte es ſchon oft bei uns gemunkelt, wir würden bald wieder gegen die Franzoſen marſchiren , und wir hatten uns ſehr darüber gefreut und unſere Säbel ſcharf machen laſſen , aber was Beſtimmtes wußte von uns gemeinen Soldaten Seiner darüber. Wir hatten uns auch nicht viel darum
zu bekümmern , ſondern vorerſt nur zu thun , was uns der Herr Major befahl, dem Se. Majeſtät der König das Kom mando über das Regiment gegeben. Als wir ſo eine Stunde ungefähr von Berlin fortgeritten waren , da ließ der Herr Major uns aufmarſchiren , jagte vor die Front und hielt uns eine ſchöne Rede , in der er ſagte, daß wir zuerſt die große Ehre haben ſollten , gegen die Franzoſen zu marſchiren und .
mit Gottes Hülfe das ganze Land wieder frei zu machen und für unſeren gnädigen König wieder zu erobern. „ Und wie er ſo geſprochen hatte , denn der Herr Major konnte ſo ſchön reden wie der Prediger auf der Kanzel, und oft noch ein Bischen beſſer , da zogen wir die Säbel und ſchwangen ſie in der Luft und riefen : „Hoch lebe unſer Kö nig und ſein Major von Schill und wir gehen hin , wo Sie
uns führen, und ein Hundsfott iſt, der nicht mit Freuden den legten Tropfen Blut jept hergeben wollte ." Und ſo riefen die Herren Offiziere und wir Anderen riefen es nach , und das war nicht bloßes Geſchrei, ſondern wir hatten auch den Willen, das zu halten, was wir verſprachen , und die Schuld 15
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von uns Huſaren war es nicht, daß es nicht beſſer glücken wollte. Id weiß nicht recht, ob unſer Herr Major recht that, daß er uns ſo ausmarſchiren ließ , denn nachher hab ich oft gehört, er habe gar nicht den Befehl dazu gehabt , und unſer guter König wäre ſehr böſe darüber geweſen. Wenn das ſo iſt, dann hat er Unrecht gehabt, uns ausmarſchiren zu laſſen, und er hätte immer ſo lange warten müſſen , bis er von Sr.
Majeſtät dem König die Ordre dazu bekommen. Subordinas tion, denk ich mir ſo , muß auch ein Major haben und nicht blos ein Unteroffizier, und wenn Jeder thun wollte, was ihm gefiel, würde bald alle Ordnung aufhören, und die muß doch gerade vom Militair mit ausgeben. So viel weiß ich aber, ein trcueres Herz, was mehr für ſeinen König und die Ehre vom Preußenlande fühlte,' wie bei unſerm Serrn Major von Sdill, hat nie unter einem preußiſchen Dolman geſchlagen, und das will viel ſagen. Und für uns Huſaren war er ein guter Anführer, wie wir ihn nur wünſchen konnten , mochte dies nun in der Kaſerne, oder beim Einbauen auf den Feind ſein, und darum werde ich ſein Andenken ſtets hoch in Ehren halten ,“ .To ſdiloß der alte Erdmann jeßt ſeine Rede, und trau
rige Erinnerungen ſchienen ihn zu bewegen , denn er ließ ſos gar ſeine Pfeife ausgeben und gab auf mehrere Fragen , die der Freiwillige an ihn richtete, keine Antwort mehr. Für einige Stunden machte die Schwadron gegen Mittag Halt 1, die Pferde etwas zu füttern und zu tränken , da erſt gegen Abend das Nachtquartier zu erreichen war. Ein hübs ſches Bild ſoldatiſcher Regſamkeit bot dieſelbe dar , wie ſie ſo auf einer kleinen , grünen Wieſe einige hundert Schritt von der Straße in langen Reihen aufmarſchirt war.
Nicht eng
wie im Gliede ſtanden die Pferde aneinander , ſondern man batte ſie ſo ſtehen laſſen, wie ſie in den ungeraden Nummern
beim Abfißen vorgeritten waren, ſo daß die Huſaren ungehins
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dert zwiſchen denſelben herumgehen konnten. Die Zäume was ren den Thieren abgenommen und behaglich fauten fie den
Þafer aus den ihnen vorgehängten Futterbeuteln . In kleinen 2. Gruppen vereinigt , denn allzuweit durfte fich der Reiter von Es ſeinem Roß nicht entfernen , da er ſtets ein wachſames Auge auf daſſelbe haben mußte, ſtanden die Huſaren umher, ſchwabend, & lachend , rauchend , oder auch ihr einfaches Mahl aus freier
and mit dem
Taſchenmeſſer verzehrend.
Aus Brod mit
Butter, bei Manchen auch wohl noch mit etwas Schinfen ,
# Speck, einem Stüdlein Wurſt, oder einem fauſtdicen Schnitt Lederkäſe, oder was er ſonſt noch im Quartier beim Ausrücken hatte bekommen können , beſtand das Mittagseſſen. Mancher
ſogar, dem das Glück nicht günſtig geweſen , mußte ſein trođes nes, grobes Brod herunterwürgen , wenn nicht, wie es in der Regel geſchah , gutherzige Kameraden ihm hie und da ein Bröðlein von ihren Vorräthen mittheilten. Häufig machten die kleinen , grünen Schnapsbouteillen mit gutem Korn oder Kümmel , auch wohl mit leichtem , weſtindiſchen Rum gefüllt, die Runde in den Gruppen , ſo die trođene Roft anzufeuchs ten , damit ſie beſſer die Kehlen heruntergleiten könne. Da war denn cft ein gegenſeitiges Austauſchen , und ein Stück Schinken ward gern für einen tüchtigen Zug aus der Küms melflaſche hingegeben , und ſo bekamen denn am Ende Alle doch faſt ihr Theil und hielten aus freier Fauſt ein ſo luſtiges und beſonders auch vom beſten Appetit gewürztes Mahl unter Gottes freiem Himmel , wie man es nicht oft in den glän zendſten Häuſern finden wird . Und nun gar die Offiziere, I
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die unweit von der Sdwadron ſich auf einigen großen , mit
Moos bewachſenen Feldſteinen , unter dem Schatten zweier Eichen niedergelaſſen hatten , wie waren die gar (uſtigen Hus mors.
Der Rittmeiſter war ein Feinſdymecker , der , wenn es
anging , ſich ſtets einen möglichſt guten Biſſen zu verſchaffen 15*
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wußte , und ſo brachte denn auch heute ſein Burſche einige gebratene, falte Hühnchen , ſauber in Papier gewickelt, herbei. Für ſchweres Geld hatte derſelbe ſie auf Befehl ſeines Herrn im lepten Nachtquartier von der mürriſchen, jütiſchen Bauern frau erſtanden und dann noch einige Stunden der Nacht
ruhe opfern müſſen , dieſelben in der rauchigen , ſchlechten
Bauernküche zu braten. Die anderen Offiziere hatten erträg lichen Rothwein aufgetrieben , und etwas Wurſt, Schinken und geräucherten Mal batten ihre Burſchen auch noch für fie auf
bewahrt, und ſo war Speiſe und Trank denn in genügender Menge vorhanden. Man ließ es fich trefflich ſchmeden , denn der lange Ritt hatte den Appetit bedeutend geſchärft und der
kleine, filberne Feldbecher des Rittmeiſters , mit der eingravir ten Freiherrnkrone darauf , mußte die Runde oft machen. .
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War der Wein dod , den man lange im nahen Bache abges
fühlt hatte, auch bei der Hiße gar ſo erquickend, und funkelte er aus der inneren Vergoldung des Bechers ſo verlodend entgegen . Auch der alte Unteroffizier Erdmann, der in dienſts licher Meldung bei dem Rittmeiſter zu thun hatte, erhielt ſeinen
Becher mit Wein , den er mit gebührendem Anſtand leerte. Ein preußiſcher Offizier wird gegen einen alten , verdienten Veteranen, wenn er auch nur Unteroffizier iſt, ſtets alle mög. lichen Rückſichten haben , und ſo erhielt denn auch der alte Erdmann von den Offizieren ſeiner Schwadron , ſo oft wie nur thunlich , einen guten Biſſen, oder einen friſchen Trunk Wein . Wie es einem alten Soldaten geziemt , mit An ſtand und Ehrerbietung , aber ohne die mindeſte Striecherei nahm er ſo kleine Begünſtigungen an , natürlich dabei weit entfernt von jeglichem Schmaroßerthum . Nachdem die Menſchen ſo ihren Durſt geſtillt , famen die Pferde an die Reihe , und die einzelnen Beritte wurden an den naben Bac) geführt, um dort getränkt zu werden. Wie
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ruhig und fromm gingen die Roſſe neben ihren Reitern her, ohne daß dieſe nöthig hatten, ihnen die Zäumung , die beim Tränken nur gehindert hätte, wieder aufzulegen. Nur einige Wochen im Felde mit einander vereinigt, und faſt jedes Pferd wird ſeinem Reiter, wenn er es nur einigermaßen gut behan delt , faſt mit der Treue eines Fundes folgen .
Eins der
Handpferde der Offiziere, ein junger , feuriger Hengſt von edlem Blute, hatte ſich bei dem Tränken losgeriſſen und galoppirte mit munterem Gewieher einigemal um die Roſſe 1
der Schwadron herum . Die Nüſtern weit aufgeriſſen , den Schweif gerade in der Luft tragend , die feinen Füße weit ausſtredend, ſo ſprengte das muthige Thier umher, ſich ſeiner augenblicklichen Freiheit erfreuend. Wie aber ſein Herr her vortrat und laut beim Namen es rufend, ein Stüdlein Brod ihm hinhielt, da machte es noch einen kleinen Bogen, bänmte fich noch einmal wie aus innerem Kraft- und Luſtgefühl empor, und trabte dann ruhig auf denſelben zu, das Brod aus ſeiner Hand zu freſſen und ſich den ſchlanken Hals mit dem feinen, glänzenden Haar ſtreicheln zu laſſen , worauf es ſich vom
Burſchen ruhig wieder aufzäumen und an ſeinen Plaß zurüd führen ließ.
Doch die Zeit des Aufbruches für die Schwadron war
gekommen , nachdem die paar Stunden Ruhe Thieren wie Menſchen ſehr wohlgethan hatte. „ An die Pferde,“ erſcholl das Kommando des Rittmeiſters, und eifrig tummelten die Huſaren fich, das Zaumzeug derſelben
wieder völlig in Ordnung zu bringen. „ Fertig zum Aufſißen, “ ertönte es wieder. - „ Aufgeſeſſen , " und klirrend, ein Mann wie der andere, in gleichem Taft und Zug, ſchwangen ſich die Huſaren wieder in ihre hochbepacten Sättel. „Nicht Euch ,“ hieß es. Die Glieder wurden wieder ausgefüllt, eine ſcharfe Richtung derſelben erſt vorher vom Rittmeiſter wieder vor.
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genommen , denn auch im Felde iſt dieſe Regelmäßigkeit ſehr 1
gut, damit der Soldat wo möglich auch keinen einzigen Tag nur außer Zucht und Ordnung komme, und dann der Weiters marſch angetreten . Mit lautem Geſang zog die Schwadron
bald wieder auf der Straße ihrem Nachtquartier zu. Das luſtige Mittagsmahl und der gute Trunk Bein,
den er dabei erhalten, hatte den alten Erdmann wieder ganz munter gemacht und die böſen Erinnerungen, denen er zulegt ſich hingegeben, völlig verſcheucht. So durfte denn der Freis willige, der wieder an ſeiner Seite ritt , es wagen , das Ge ſpräch von vorhin nochmals aufzunehmen und den Alten nach den näheren Umſtänden des Schill'ſchen Zuges zu fragen . 1
„ Ia , “ ſagte der , „ das iſt eigentlich ſo eine verfluchte Geſchichte, von der ich nicht gern allzuviel ſpreche, denn wenig Gutes, aber viel Böſes, fam bei dieſer ganzen Sache für uns Alle heraus. Doch , da Sie gern davon wiſſen wollen und es ſich jest bei dem langſamen Reiten Schritt vor Schritt ſo kommode ſchnacen läßt und die Zeit gut dabei hingeht, ſo will ich Ihnen denn doch erzählen , wie wir das erſtemal wieder mit den verdammten Franzoſen zuſammen kamen . Sie werden (don daraus merken, daß wir Huſaren wenigſtens
es nicht daran fehlen ließen , unſere Schuldigkeit zu thun, und wir ſo gut einbauten, wie wir ſelbſt anno 13 nicht beſſer zu thun vermochten. Unſere Schuld war es nicht, daß das
Ganze nicht beſſer glücken wollte , das mußte uns tröſten. Das Hauptunglück war , daß all die vielen Schreibälſe, die 1
vorhin das Maul ſo weit aufgeriſſen hatten und unſern Herrn
Major angeputſcht, er ſolle den Zug nur machen , das ganze Volk würde aufſtehen und ſich ihm anſchließen , jeßt wo es galt, Kopf und Kragen zu wagen und ſich uns anzuſchließen, gleich wieder „ Duc dich " , machten und nicht für uns thun
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wollten.
Von vielen Tauſenden , die ſich uns gegen die Fran
zoſen anſchließen würden, wenn wir uns ſehen ließen ,1 hatte man unſerem Herrn Major vorgelogen , und nachher waren es faum einige hundert Mann , und wir mußten die böſe Sache ganz allein ausfreſſen. ,,Bei Dodendorf war es, nicht weit von Magdeburg, da machten wir den erſten, blutigen Tanz. Von der Magdeburger Garniſon hatten fte ſo ein Paar Tauſend Mann Infanteriſten mit einigen Kanonen abgeſchickt, die ſollten uns fangen, und der franzöſiſche Kommandant von Magdeburg , der ſoll ſchon I
die Kaſematten haben einrichten laſſen , in denen er uns ein
ſperren wollte. Aber Proſte Mahlzeit , ſo leicht ging dies nicht, fte bekamen noch erſt gehörige Kloppe von uns. E8 waren Weſtphälinger und Franzoſen, Alles bunt durcheinander, die in drei dichten Haufen gegen uns aufgeſtellt waren , uns den Weitermarſd) abzuſchneiden.
Einer unſerer Herrn Lieutes
nants 1, ein ſo braver , junger Mann , wie nur je Einer die Ehre gehabt hat , die föniglich preußiſche Offiziersuniform tragen zu dürfen , ritt ganz allein gegen die Weſtphälinger, die dazumals einen Bruder von dem Bonaparte zum König bekommen hatten, vor, um ſie aufzufordern, als brave Deutſche nicht mehr mit den verdammten Franzoſen zuſammen zu die nen, ſondern mit uns gegen dieſelben gemeinſdhaftliche Sache zu machen . Und wie er nun noch mit ihnen ſo ſpricht und
von den Weſtphälingern ſchon welche Luſt zu haben ſchienen, nicht mehr gegen uns zu fedyten , da knallt ein Scuß, und unſer Herr Lieutenant fällt, im Rücken getroffen , todt vom Pferde. Und in demſelben Augenblick fing es denn nun auch von allen Seiten gegen uns zu dießen an. Da rief der Herr Major von Lügom , der die erſten drei Schwadronen
Huſaren von unſerem Regiment kommandirte : „ Iegt vor wärts, drauf, Kinder, laßt uns die Schurken zuſammenhauen ,“
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und „ hurrah, hurrah ," riefen wir und die Pferde befamen die
Sporen, und in vollem Galopp ging es nun auf die Infan terie los. Was fiel, das fiel, wir Anderen ließen uns davon nicht abhalten , denn hinein in das Quarree mußten wir und wollten wir , und ſo famen wir auch hinein . Das können
Sie mir glauben 1, iſt immer ſo der Fall, wenn der Boden nur nicht gar zu ungünſtig iſt und die Kavallerie fich nur
recht darauf losſtürzt, ſo muß fte immer in die Infanterie hineinkommen, oder es müßte mit dem Teufel zugehen. Mein Vater feliger pflegte auch zu erzählen, daß unſers hochſeligen hier ſalutirte der Alte wieder Königs Friße Majeſtät “ ,,eine Ordre gegeben hatte, daß jedes preußiſche Kavalleries Regiment , was ſich nicht, ſowie es den Befehl dazu erhielte, ſogleich mit verhängtem Zügel auf den Feind losſtürze, ſpäter nach der Bataille abſiken und zu einem Garniſons-Regiment -
n
1
gemacht werden ſolle. Ja , der olle Friße, der wußte wohl,
was er ſeinen Preußen zumuthen konnte, und darum ging es auch damit , und wir haben in dem großen fiebenjährigen
Krieg, wo ſte Alle gegen uns waren , doch endlich den Sieg davon getragen , ſo daß wir jeßt noch ſingen können : Und wenn der große Friße kommt, Und klatſchet auf die Hoſen , So läuft die ganze Reichsarmee, Panduren und Franzoſen .
Na, als wir denn bei Dodendorf erſt in die Quarrees hinein
waren , wobei wir " freilich manchen braven Kerl verloren hatten, da fanden unſere Säbel auch gleich ein gutes Stüd Arbeit.
Herrgotts Donnerwetter, wie hauten wir drein , es war , als wenn wir Huſaren all dem Ingrimm , den wir gegen die .
Franzoſen hatten , hier Luft machen ſollten.
Wie die Blige
fauſten unſere Säbel den Feinden auf die Köpfe , und wer
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einen ordentlichen Hieb bekommen hatte, der vergaß gewöhnlich das Aufſtehen wieder. Dazu war von unſerer erſten Schwa dron der Herr Lieutenant von Dieczelsky , der uns komman
dirte, und von dem wir Alle viel hielten, geblieben, und nun wollten wir ſeinen Tod wenigſtens noch an den Feinden rächen . Da mußte denn mancher Franzoſe und Weſtphälinger hier ins Gras beißen. So jagten wir denn ihre Quarrees auseinander und nahmen ihnen ein paar hundert Gefangene und einige Kanonen und Pulverkarren fort. Das wäre denn freilich ein guter Anfang für uns geweſen, wenn wir ihn nur nicht ſo verflucht theuer hätten bezahlen müſſen. Von unſeren Herren Offizieren waren 5 todt und 3 ſdhwer verwundet, und auch von uns Huſaren hatten an 70 Mann todt oder ſchwer
bleſſirt aus dem Sattel müſſen. Dies war ein ſehr ſchwerer Verluſt für unſer Regiment, denn wir waren ſo ſchon viel zu ſchwach und konnten nicht viel brave Kerle mehr verlieren .
Sonſt pflegen die Soldaten , wenn ſie ein Gefecht gewonnen 1
haben, am Abend dann immer recht munter zu ſein und zu fingen und all das Uebele zu vergeſſen ; an dem heutigen Abend war dies aber nicht der Fall.
Wir bivouafirten ſtill
und traurig, kein Huſar ſtimmte auch nur ein Lied an, und von Lachen und Juchzen war gar kein Zeichen. Zu viele, gute Kameraden hatten wir verloren , und überall in den Gliedern
fehlten die Nebenleute. Aber ſte waren doch wenigſtens als brave, preußiſche Huſaren ehrenvoll vor dem Feind geblieben, und dies mußte etwas tröſten. Selbſt der franzöſiſche Kom mandant in Magdeburg batte unſern Muth anerkannt.
Wir
fingen ein Paar Tage ſpäter einen Kourier auf , den er an einen anderen General im Hannoverſchen geſchickt hatte, um
Hülfe von da zu holen. In dem franzöftſd geſchriebenen Briefe, den dieſer Rourier bei fidy batte, ſoll geſtanden haben , daß die Schil'ſchen Huſaren ſich bei Dodendorf nicht wie
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gewöhnliche Soldaten , ſondern wie wahrhaft heldenmüthige geſclagen hätten. Ja, wir hatten auch manche arge Rechnung noch mit dieſen Franzoſen auszugleichen , doch ſollte damals die Zeit dafür noch nicht kommen , ſondern ein paar Jahre ſpäter , wo wir ihnen dann Alles mit Zinſen wieder zurüds 1
1
gaben.
Ein paar Tage nach dieſem Gefecht las uns der Herr Major von Schill, deſſen Pferd dabei auch einen Schuß bes kommen hatte , einen Befehl von dem weſtphäliſchen König, dem Bruder vom Bonaparte, vor, worin ſtand, daß wir eine Räuberbande ſeien und für den Kopf unſeres Herrn Majors
ein Preis von ein paar tauſend Thaler bezahlt werden ſollte. Und als wir dies hörten, da wurden wir wüthend und ſchlus gen an die Säbel und riefen : Hoch lebe unſer Herr Major von Schill, und wir ſind keine Räuber, ſondern brave, preu
Biſche Huſaren , und wenn wir den weſtphäliſchen König in die Hände bekommen , dann mag er ſeinen Budel nur in Acht nehmen ," und was nod ſo mehr der Art war.
„ Ein luſtiger Streich bei dieſem Zuge, der ſonſt ſo trau rig war, fällt mir noch ein und den will ich Ihnen auch gleich erzählen , da wir doch noch weit von unſerem Nacht quartier ab zu ſein ſcheinen. Hier in Jütland haben ſie auch oft Meilen , die der Fuchs gemeſſen und den Schwanz ſtets dabei zugegeben zu haben ſcheint, ſo lang find fie. Der Herr Major von Schill batte mich mit einem Dußend puſaren
wieder ſo allein auf eine Streiferei ausgeſchickt, wie er ſchon von Colberg her zu thun gewohnt war. Das war denn ſtets
ein großes Vergnügen für mich, denn ſo mit einem Dußend tüchtigen Kerlen allein herumzuſtreifen, iſt für einen Huſarens Unteroffizier das Beſte, was er nur haben fann. In die 1
Gegend von Halberſtadt ſollte ich , dort einem reichen Dos mainenbeamten einen Beſuch abzuſtatten . Der Schuft war
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zwar ein Deutſcher, hatte aber ſo wenig Ehre im Leibe, daß er es ganz offen mit dem hergelaufenen Franzoſen , der jest fich König von Weſtphalen nennen ließ , hielt , und ſid, alle Mühe gab , demſelben , wo er nur irgendwie konnte , Dienſte zu leiſten. So machte er denn auch immer den Spion für , die franzöſiſchen Generäle, und wir hatten einen Brief aufge
fangen, in dem er dem Kommandanten von Magdeburg über uns geſchrieben und darin geſagt , wenn er den Schill man erſt am Galgen ſehe, ſo wolle er 100 Thaler an die franzö fiſchen Soldaten geben . ,, Der Kujon mußte Strafe dafür haben und ſollten wir
und unſere Pferde auch dabei zu Grunde gehen. Wir ritten ſcharf zu , und ſo glückte es uns denn , am Abend auf dem
Hofe, wo dieſer Beamte wohnte, anzukommen , ohne daß Je mand etwas davon gemerkt hätte. Als wir an dem Hauſe 1
zu Fuß ankamen , denn ich hatte 2 Huſaren mit unſeren Pfer den nicht weit davon in einem kleinen polze verſteckt zurück
gelaſſen , waren alle die Fenſter hell erleuchtet und eine luſtige Tanzmuſik ließ fich hören. Das mußte denn was Beſonderes zu bedeuten haben , und wir hielten uns ganz ſtill, bis es uns endlich glüdte , einen Bedienten , der die Naſe aus der Thür ſteckte, heimlid zu erwiſchen.. Der erſchreckt zuerſt ſo, als wenn er in der „Gottſeibeiuns “ leibhaftige Krallen ges rathen wäre , ließ ſich denn endlich aber beruhigen und ſagte, daß drei franzöſiſche Offiziere bei ſeiner Herrſchaft in Geſell ſchaft wären, und eben ein vergnügtes Tänzchen mit einander machten. Da waren denn die Ausſichten für uns noch beſſer und wir brachten gleich ein paar ſo „ Parlez -vous“ als Ge fangene mit zurüd. Dem Bedienten , der noch immer gewal tig zittrig fich anſtellte, ward nu eine Piſtole vor den Kopf gelegt und ihm geſagt, daß er ſogleich ohne Weiteres todt 1
geſchoſſen werden ſolle, wenn er nicht Alles thue , was ihm
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befohlen würde. Der verſprach denn Alles, und wir konnten ficher ſein , daß er es auch aus Angſt vor uns ſchon hielt.
Nun mußte der Bediente 5 Huſaren durch eine Hinterthür ohne Lärm in das Haus führen , während ich mit den andern 5 Mann durch die Hauptthür auf die Diele ging, dabei aber auch möglichſt ſtill auftreten ließ , ſo daß fie im Saal bei
ihrer Mufik nichts von uns gehört hatten. Jeßt riß ich nun ſo mit einem Mal, wie der alte Ziethen aus dem Buſch , die
Saalthür auf , und meine Huſaren ſtürmten , den Karabiner mit geſpanntem Hahn zum Schießen bereit , in die Thür herein , während von der gegenüberliegenden Thür ebenſo die anderen 5 puſaren eindrangen . Da hätten Sie mal ſehen ſollen , was das in dem Saal für ein Geſchrei gab , als wir
ſo eindrangen. Die Muſik war plößlich ſtill, die Frauenzim mer freiſchten und ſchrien und liefen durch einander, als wenn
der Fuchs ſo in eine Gänſehuude einbricht, und die franzöſi ſchen Offiziere wollten nach ihren Säbeln ſtürzen, die in einer Ede ſtanden. Ich war aber flinker wie fie, ſprang gleich zu dieſen Säbeln bin, ſtellte mich davor und rief ihnen dann zu,
daß meine Huſaren alsbald Feuer auf ſie geben würden, wenn ſie ſich nicht ſogleich zu Gefangenen erklärten. Na , ſo viel Deutſch konnten ſie denn doch ſchon , daß ſie dies verſtanden ,
zumal fte die angeſchlagenen Karabiner fahen , und ſo riefen fie denn ganz ſchnell „ Pardon, pardon . “ Vorerſt mußten fich denn dieſe drei franzöſiſchen Offiziere in eine Ecke des Zim
mers ſtellen und zwei andere junge Herren vom Civil, die im Saal waren , auch dazu , und zwei Huſaren , den Karabiner 1
mit geſpannten Hahn , ſtellte ich als Poſten daneben und gab ihnen laut den Befehl, ſogleich zu ſchießen , ſobald ſich von den Gefangenen nur Giner rüppeln und rühren wolle. Ebenſo
ließ ich an jeder Thür des Saals einen Poſten , der seinen weder aus noch ein laſſen durfte, und ging dann mit den ,
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anderen Fuſaren in die Bedientenſtube , dort die Reitknechte
der franzöſiſchen Offiziere und die anderen Bedienten gefans gen zu nehmen, die ebenfalls dann in den Saal gebracht und zu ihren Herren geſtellt wurden. Ießt ſuchyte ich mir denn meinen Herrn Domainen-Beamten auf, daß der mir die Kaſſen abliefern ſolle. Können Sie ſich denken , der Kerl war in ſeiner erſten Angſt fogleich unter einen ſchon gedeckten Tiſch
gefrochen , der in einer Ecke des Saals ſtand, und puſtete und ſdwigte ſehr unter demſelben , denn er hatte einen ges waltig dicken Bauch, und man ſah ihm gleich an , daß er von vielem Eſſen und Trinken ein großer Freund ſein mußte. Na , wie wir denu da ladyten , als wir das dide
Vieh ſo unter dem Tiſch ſtecken fanden , können Sie glau ben. Auf Händen und Füßen mußte er hervorkriechen, und da er nicht ſchnell genug damit fertig werden konnte, hieb ihm ein Huſar noch einige gutgemeinte Tachteln mit der flachen Klinge über ſeinen dicken .... Da jam merte und ſchrie der Kerl denn gewaltig und wußte gar flink zu friechen . Wie ich denn nu dieſe Geſtalt mit ihrem Fettbauch und dem dicen Geſicht ſo vor mir ſtehen und immer einen Diener nach dem andern machen und ſich vor Angſt frümmen und winden ſah , da ward id erſt recht wüthend,
daß ſolch ein Kerl, der nicht einmal als Trainknecht zu ges brauchen geweſen wäre , es gewagt hatte, ſo deſpeftirlid) über unſern Herrn Major von Sdil zu ſchreiben und uns Huſa ren alle eine Räuberbande zu heißen. Ich zog den Brief aus der Säbeltaſche, hielt ihm denſelben vor die Naſe und frug, wie er ſich habe unterſtehen können , ſo einen Brief über uns
zu ſchreiben , und ob er ſich nicht in die Seele hinein ſchäme, daß er als ein Deutſder für die Franzoſen den Spion mache. 1
Da fing jept erſt der Schuft ein Winden und Zappeln an, ärger wie ein Schwein , was abgeſtochen werden ſoll, und
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wollte mir die Hände füſſen, und brachte in einem Athem wohl an die zehn Lügen und Entſchuldigungen heraus. Dabei ſtieg mir die Galle aber erſt recht auf, und als ein Huſar ausrief:
„ Der Kerl ſollte den ganzen Brief hier nur gleich vor uns ſeren Augen auffreſſen müſſen , das wäre noch die geringſte
Strafe für ihn,“ da gefiel mir dies gleich und ich befahl dem Amtmann, daß er auf der Stelle den ganzen Brief mit ſammt dem Siegel vor unſeren Augen verzehren ſolle. Es war ein großer Bogen von diđem Papier mit mächtigem Siegel daran,
und ſo hatte er denn eine lange Mahlzeit an demſelben. Das hätten Sie ſehen ſollen, wie der Kerl denn das Kauen und Würgen begann und die Augen dabei ſo kläglich verdrehte
und die Baden ihm ganz roth anſchwollen. Er hatte ſein Lebtag gewiß nichts Anderes wie fetten Gänſebraten, oder andere ſo gute Sachen gegeſſen , und ſo mochte es ihm denn freilich ungewohnt vorkommen , jeßt ſo einen großen , dicen Bogen Papier verſchlingen zu müſſen . Warum war er aber auch ſo ein Hundefott und ſchrieb ſo infamige Briefe , das war doch am Ende feine zu harte Strafe dafür, und etwas
Spaß mußten wir doch auch bei der Sache haben. Was wir aber dabei lachten , fönnen Sie ſich denken , noch jeßt ſteigt
mir faſt das Lachen dabei auf. Selbſt die franzöſiſchen Offi ziere in der Ede, obſchon fie ſonſt böſe Geſichter genug über ihre Gefangenſchaft machten, konnten ſich oft das Lachen nicht ganz verbeißen und von den Bedienten und Reitknechten lachs
ten manche hell auf , und man ſah es ihnen an , was für
einen Spaß fie dabei hatten , ihren Herrn zu ſehen . Der Kerl ſoll ſtets ein ſchlechter Leute geweſen ſein, was ſich denken läßt, da im Leibe hatte, und ſo gönnten ſte ihm denn zeit gewiß von ganzem Herzen. Manchmal I
ſo Papier freſſen Herr gegen ſeine er ſo wenig Ehre dieſe zähe Mahls hielt er ein Biss
chen inne und bat mich , ich möchte ihm das Uebrige doc) ers
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laſſen , da es gar zu ſchlecht ſchmede. Wenn ich aber ihm ein böſes Geſicht machte und mit dem Säbel flierte und ihm ſagte , er müſſe raſch zufreſſen , oder das Donnerwetter folle
drein fahren, da fing er wieder haſtig zu kauen und zu ſdlucken an, und ſeine Zähne arbeiteten mit voller Madyt gegen das zähe Papier. Zulegt bat er gar zu kläglich , wir ſollten ihm nur ein Glas Wein trinken laſſen , denn ſonſt bringe er das Zeug nicht mehr herunter und müſſe erſticken . Wein bekam
er nun freilich nicht, aber Waſſer erlaubte ich ihm zu trinken To viel er mochte , und ſo würgte er denn zuleßt aud glück lich ſeinen ganzen großen Bogen mit ſammt dem Siegel her ,
unter. Na, der wird ihm noch lange hart genug im Magen gelegen haben, und er hatte ſo eine verdiente Strafe , daß er
gewagt, ſo ſchlecht über unſeren Herrn Major von Schill zu ſchreiben. Als der Amtmann mit ſeinem Bogen Papier fertig war, ließ ich denn nun für uns ein gutes Abendbrot an der Tafel, die im Saal ſtand, anrichten. Ein Paar Huſaren muß
ten abwechſelnd bei den Gefangenen Poſten ſtehen und Ans dere nach den Pferden ſehen , die ich jeßt auch nach den Hof hatte holen laſſen , wir Uebrigen ließen uns den fetten Braten und all die anderen guten Sachen , die für die Gäſte gekocht waren, wohl ſchmecen und tranken ein Paar Flaſchen Wein dazu. Auch die franzöſiſchen Offiziere bekamen ihr Theil und Jeder von ihnen konnte auch ſeine Flaſche Wein trinken , der Amtmann aber, der mußte mit aufwarten helfen und den Hu ſaren ſtets friſche Teller geben und die leeren Gläſer wieder vollſchenken. Was das dieſen denn für einen Spaß machte und wie ſie dem dicen Kerl noch für vielfachen Schabernack ſpiel ten, können Sie denken. Der Eine rief : „ Louis, nod ein Glas Wein ,“ der Andere : ,, Jean , mein Teller iſt leer," und was
ſie ihm ſonſt noch für Kellnernamen , wie ſie in Berlin in I
Gebrauch waren , gaben. Dann ſchrie ein Dritter wieder, ſo
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einen dicken Bedienten hab er noch ſein Lebtag nicht geſehen, und ein Anderer meinte , wir ſollten ihn nur mitnehmen und beim Train anſtellen , dann würde er bald mager werden , und was denn noch dergleichen Redensarten mehr waren . Und der dickbäuchige Amtmann , der mußte umherlaufen, daß ihm der Schweiß nur ſo auf ſeinem feiſten , rothen Geſicht ſtand. Bald ſah er ſo böſe und grimmig aus , als wenn er uns Alle mit Säbel und Sporen auffreſſen möchte, dann aber
wieder ſo kläglich und bittend wie ein Schaf, was der Schlach: ter abſtechen will.
„ Nicht ſo ſchlecht ging es den jungen Frauenzimmern, von denen 4 oder 5 Stück im Saal waren ,1 worunter einige , die verflucht glatte Geſichter hatten. Die ſchienen auch den diden
Amtmann nicht gerade allzu gern zu haben, denn wie er vors hin das Papier freſſen mußte, ſo konnten ſte faum das Lachen
verbeißen , und ihre Augen , die fahen ſo vergnüglich drein, als wenn ihnen dieſe ganze Geſchichte nur Spaß machen thät. Nun waren unter meinen Huſaren zwei junge Freiwillige, éhes malige Studenten , ebenſo luſtige und fidele Springinsfelde,
wie Sie einer find , und die konnten es denn nicht laſſen, 1
den hübſchen Frauenzimmern ſchöne Blide zuzuwerfen und ih nen allerlei verliebte Worte zu ſagen.
So etwas mag ein
junges Mädchen immer gern von einem ſchmuđen Huſaren leiden, wie Sie auch wohl öfters an ſich ſelbſt werden erfahs
ren haben , und ſo wurden die denn ſchon bei Tiſche ganz gut Freund mit einander. Und als nachher den Huſaren der Wein etwas in den Kopf geſtiegen war, da plagte ſie der Teufel und ſie fragten mich , ob fte nicht noch ein luſtiges Tänzchen mit den hübſchen Mädchens hier machen dürften ?
Da ich
mich doch noch etwas hier im Hauſe aufhalten wollte , damit unſere Pferde fich gut ausfreſſen und ausruhen könnten , ſo
batte ich denn nichts dagegen. Der dicke Amtmann mußte
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nun den Brummbaß ſtreichen, wobei er gar böſe Geſichter ſchnitt und ein Paar von meinen Huſáren hopſten mit den jungen
Mädchen im Saal herum . Das war denn doch gewiß eine luſtige Geſchichte, daß wir Schill'ſchen Huſaren da dymauſten
und tanzten, wo eben die franzöfiſchen Offiziere fid hatten ein Vergnügen machen wollen. Daß die Poſten der Gefangnen und an der Saalthür dabei ſtets mit dem Karabiner im Arm ſtehen blieben , verſtand ſich von ſelbſt.
„ Gegen 2 Uhr in der Nacht madyte ich denn nun dem Spaß ein Ende , und nun fam für den dicken Amtmann erſt der volle Ernſt, wobei das Gejammer erſt recht anging. Zuerſt
mußte er mir gegen Quittung die herrſchaftliche Kaſſe , die dem weſtphäliſchen König zugehörte, abliefern, und dies machte an die 1800 Thaler aus. Das ging ihm zwar ſchon ans Herz , aber er tröſtete ſich noch , aber wie er auch für ſeine eigene Perſon 100 blanke Goldſtücke als Contribution zahlen .
mußte und ich 4 gute Pferde aus ſeinem Stall, die wir
wohl für die Huſaren brauchen konnten , mir außerdem zum Mitnehmen ausſuchte, da ging das Gejammer erſt recht an, und er meinte, jeßt ſei er für ſeine ganze Lebzeit ein geſchla gener Mann . Das war aber nicht an dem , denn der Kerl follte ſehr reich ſein , und ſo lachte ich ihn denn aus und
drohte, wenn er das Maul nicht hielte, ſo müſſe er zu guters legt noch einen ganzen Bogen Papier auffreſſen. Davor hatte er denn gewaltige Angſt, und ſo fand er ſich bald ruhig in ſein Suidſal. Die gefangenen franzöſiſchen Offiziere frug ich , ob ſie mir ihr Ehrenwort geben , daß ſie uns uns 1
terwegs nicht zu entwiſden verſuchen wollten . Der Gine von ihnen , der deutſch ſprechen konnte, ſagte aber , er könne als 1
Offizier nur wieder einem Offizier fein Ehrenwort geben , nicht aber einem Unteroffizier.
Nun da batte er denn wohl
nicht ſo ganz Unrecht und ich konnte ihm dies nicht verdenken , 16
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-
und von unſeren Herren Offizieren hätte gewiß auch keiner ſein Ehrenwort einem bloßen Unteroffizier gegeben. Unterſchied muß nun einmal auf der Welt ſein und zumal beim Militair,
von dem doch alle Ordnung ausgehen ſoll. So ſagte ich denn dieſen franzöſiſchen Offizieren, in dieſem Fall müßten fie mir es aber nicht übel nehmen , wenn ich ihnen die Hände
binden ließe, da ich auf dem Marſch zu wenig Leute hätte, um ſie gehörig bewadyen zu können. Da fouterten fte darüber
wohl nicht wenig, aber mußten fich am Ende doch fügen , und ſo wurden ſie mit gebundenen Händen denn auf ihre eigenen Pferde geſeßt, welche von den Huſaren am Zügel genommen wurden.
„ Gegen drei Uhr Morgens brachen wir denn auf und ließen uns noc Brod und Fleiſch und Wein und aud) Kafer
für unſere Pferde in guter Menge auf die ledigen bandpferde packen. Die hübſchen Mädchen ſchienen ganz traurige Augen darüber zu machen, daß meine freiwilligen Huſaren wieder mit fort mußten und hätten es gewiß viel lieber geſehen , wenn ich dieſelben dagelaſſen und ſtatt deſſen den alten , dicken Domainen - Amtmann mit fortgenommen hätte. Das ging aber nun einmal nicht, der Kerl hatte jept Strafe genug bes kommen und weiter mußte man ihn nicht nuklos quälen.
Können Sie fich aber wohl denken, daß eine von dieſen hüb. fchen Mäddyen , die eine Bruderstochter von dem dicen Amts
mann geweſen ſein ſoll, ein Paar Jahre' drauf einen von 1
den jungen Huſaren noch geheirathet hat? der iſt ſpäter Paſtor in der Gegend geworden und da hat er ſie wieder geſehen und ſie haben ſich noch leiden mögen und anno 12 haben fie ſich geheirathet. Ich bin als wir zulegt aus Frankreich zus rückmarſdirten bei ihnen einen Tag im Quartier geweſen und da haben ſie eine große Freude gehabt, mich wieder zu ſehen,
und wir haben noch viel darüber gelacht, wie wir ſo mir
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nichts dir nichts in den Saal geſtürmt wären und der dice Amtmann das Papier hatte freſſen müſſen. Der Kerl foll noch ein Paar Tage davon und von all dem Aerger und Schreck frank geweſen ſein und hat ſich vom Doctor was
verſchreiben laſſen, das Zeug wieder aus dem Leibe loszuwerden.
„ Bei unſerm Rückmarſch mußte ich übrigens ordentlich drauf lostraben laſſen, daß uns am Ende doch nicht noch die Franzoſen, oder von den weſtphäliſchen Truppen , die in der Nähe viel herumſtanden einholten, wo es uns denn leicht ' ſehr ſchledyt hätte ergeben fönnen. Sie hatten hier nur in der Gegend feine Savallerie, ſondern nidyts wie Infanterie ſtehen , das wußte ich und die konnte mir nicht ſo leicht den
Marſch verlegen. Die franzöſiſchen Offiziere konnten ſich mit ihren zugebundenen Händen und ohne Zügel ſehr ſchwer auf ihren Pferden erhalten und hopſten gewaltig im Sattel, wenn wir zu traben anfingen ,. und waren oft nahe am Abfallen. Da wollten welche von meinen Huſaren ſie denn darüber
auslachen, was ich aber ſtrenge verbot, denn einen Gefangenen auszulachen , oder gar unnöthiger Weiſe ſchlecht zu behandeln, ſchickt ſich nicht für einen königlich preußiſchen Soldaten. Um es nun den Franzoſen bequemer zu machen, ließ ich ihnen die Hände losbinden “und gab ihnen die Zügel wieder, um ſich daran zu halten, da es nur ſchlechte Reiter waren. Ihren Pferden ließ ich aber das Gebiß aus dem Maul nehmen , ſo
daß ſie dieſelben nicht lenken konnten und ſo ſchon bei uns bleiben mußten .
Einen Spaß hatten wir noch unterwegs, den will ich Ihnen noch erzählen. Es war ſchon am hellen Morgen, da meldete einer der drei þuſaren , die als Spige wohl an 1000 Schritt vorausritten, daß ein ganzer Haufe von Bauern, die alle einen Sad auf dem Rücken und einen Sad in der Hand hatten, des Wegs gegen uns zu anmarſchirt fämen. Ich ließ 16*
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denn nun meine Mannſchaft halten und jagte mit den drei Huſaren von der Spiße auf dieſen Trupp zu. Wohl an 60—70 Bauernburſden waren es, die anfänglich gewaltig ſtuß ten , als ſie ſo 4 preußiſche Huſaren auf ſich zu jagen ſahen. Ungefähr an 30 Schritt von dem Baufen hielt ich nun an und befahl ihnen auch ſtehen zu bleiben, da ich ſonſt auf die
Vorpoſten ſchießen laſſen würde. Jeßt rief ich ihnen zu, wer fie ſeien und wohin fie wollten , und ſie antworteten wieder, fie wären Refruten für die weſtphäliſchen Regimenter und
wollten nach Magdeburg, ſich dort einkleiden zu laſſen . Ich aber ſagte ihnen darauf, ob fte fich nicht als Deutſche idyamen
müßten , ſo einem hergelaufenen franzöſiſchen König als Solda ten zu dienen, ſie ſollten nur nicht nach Magdeburg gehen und lieber zu dem Schil'ſchen Korps kommen , da wäre es viel beſſer. Da meinten ſie nun , ſte hätten auch gar keine Luft nach Magdeburg zu gehen und für den weſtphäliſchen
König Soldat zu werden, aber ſie wären nur an ihre Marſch routen gebunden und mit dem Todtſchießen bedroht worden, wenn fie von denſelben abgingen .
Nun ließ ich ſie immer
zu Zweien zu mir kommen und mir ihre Marſcrouten geben und riß dieſelben entzwei und ſagte ihnen , ſie ſollten machen, daß ſie nach Hauſe kämen, wenn ſie nicht Courage genug
hätten, ſich uns anzuſchließen. Zwei Polizeidienern oder ſo eine Art Leute, welche dieſe Rekruten beaufſigytigen ſollten, unterſchrieb ich mit den Bleiſtift auf ihrer Marſchroute, daß fie von einem Unteroffizier des Huſaren-Regiments des Herrn
Majors von Schil gefangen genommen und dann nach Hauſe geſchickt worden wären , ſo daß ſie dadurch außer alle Ver
antwortung famen . Mit uns zu geben und in die Infanterie einzutreten , die der Herr Major von Schil errichtete, hatten nur 4 oder 5 von den Burſchen die Courage, die Anderen machten lange Geſichter dazu und wollten lieber nach Hauſe.
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So ließ ich ſie denn laufen , wohin ſte wollten, denn feige Kerle konnten wir bei unſerem Korps nicht gebrauchen, wir mußten muthige, entſchloſſene Leute haben, die bereit waren, Alles aufs Spiel zu ſepen. Ob die weſtphäliſche Regierung ſich die Refruten, die wir ihr ſo auseinander gejagt hatten, fich ſpäter doch noch wieder einfing, weiß ich nicht, vor der Hand konnte ſie aber ihre Regimenter nicht damit verſtärken. Uns Quſaren madyte dies aber viel Spaß und auch der Herr Major von Schill lachte darüber, wie ich ihm dies erzählte. Uebrigens hätten ſie uns bei dieſem Streifzug doch noch faſt eingeholt. Der Domainen-Amtmann, dem wir den Beſuch gemacht, hatte ſogleid ), wie wir fort waren, nach Soldaten, die in dem nächſten Ort lagen, geſchickt und die waren denn
( dynell hinter uns hergeeilt. Damit die Infanteriſten uns raſder einholen ſollten, hatte man 4 große Wagen mit dens ſelben beſegt und die fuhren denn im Trab hinter uns her. Das war denn eine ſchlechte Geſchichte und wir mußten unſere
Pferde tüchtig austraben laſſen, daß ſie uns nicht einholten. Zum Glück kamen wir über einen kleinen Fluß, der hoch im Waſſer ging, da im Harzgebirge gerade der Schnee ſehr ſchmolz. Kaum waren wir über die Brücke, die über den Fluß ging hinweg, ſo mußten 6 Huſaren mit aller Gewalt dieſelbe abzubrechen ſuchen, was auch glückte , da ſte nur von Holz war. Wir
waren eben damit ſo weit fertig, daß kein Wagen mehr darüber fahren konnte , wie die erſten Feinde angejagt kamen , die konnten denn freilich nun mit ihren Wagen nicht mehr berüber und wenn ſie auch durch das Waſſer hätten waten wollen, ſo würde ihnen dies auch nicht viel genugt haben, da ſie uns
zu Fuß doch nicht einholen konnten. Sie ſchickten uns nun noch ein Paar Kugeln nad), von denen einem der gefangenen franzöſiſchen Offiziere die Müße vom Kopfe geriſſen wurde. Das ſchadete uns aber nicht, wir lachten ſie noch laut aus
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und trabten dann raſch fort, ſo daß wir ſie bald aus den
Augen verloren. So kamen wir denn auch glüdlich bei unſern Hauptforps unter dem Herrn Mujor von Schill wieder an und der war ſehr zufrieden, daß ich Pferde und Geld mitges bracht hatte, was wir Beides wohl gebrauchen konnten. Dies war aber auch der einzige, luſtige Zug, den ich anno 1809 bei dieſem Korps mitmachte, denn ſonſt gab es wahrhaftig
Unheil genug bei demſelben und es war überall, als wenn der leibhaftige Böſe ſein Spiel dabei treiben wollte. ,,So, nun mag ich für heute Abend nicht weiter erzählen, und da fie ſo eben da vorne ein gutes Soldatenlied zu ſingen
anfangen , will ich auch man ſo ein Bischen mitbrummen, wenn es audy nicht viel mehr hilft, denn mit der friſchen Stimme iſt es jeßt ſchon lange vorbei," meinte der Alte. .
„ Als die Preußen marſchirten vor Prag ,
Vur Prag, die ſchöne Stadt,
Sie haben ein Lager geſchlagen, Mit Pulver und Blei ward's betragen, Kanonen wurden drauf geführt,
Graf Schwerin der hat ſie kommandirt. Drauf rückte Prinz Heinrich heran
Wohl mit achtzigtauſend Mann, Meine ganze Armee wollt ich drum geben, Wenn mein Schwerin noch wär am Leben, O , iſt das nicht eine große Noth,
Schwerin der iſt geſchoſſen todt. Drauf ſchickten fie den Trompeter hinein, Ob ſie Prag wollten geben ein , Oder ob ſie's ſollten einſchießen . Die Bürger ließen ſich nicht verdrießen , Sie wollten die Stadt nicht geben ein,
Es ſollte und mußte geſchoſſen ſein.
247 Wer hat denn dies Liedlein erdacht, Das haben drei Huſaren gemacht, inter Seydlig find ſie geweſen,
Sind auch bei Prag ſelbſt mit geweſen. Bictoria !
Victoria !
Der König von Preußen iſt ſchon da."
So ſangen die Huſaren fort und fort, bis endlich im röthlichen Schein der Abenddämmerung die erſten Häuſer des Dorfes, welches ihnen zum Nachtquartier beſtimmt war , entgegens
ſchimmerten. Das iſt denn immer nady einem langen Tages ritt ſtets ein erfreulicher Anblick und ſelbſt die Pferde ſchienen es zu fühlen , daß fie bald am Ziele ihres Marſches ſein 1
würden, denn es war wirklich, als wenn von ſelbſt ihr Schritt raſcher würde, daſſelbe bald zu erreiden . Große Behaglidyfeit war freilich wohl nicht in dem Dorfe zu erwarten , was aus der Ferne viel beſſer wie in der Nähe ausſah. So reizend auch die Oſtküſten Jütlands find , wo das Meer in vielen 1
größeren und kleineren Buchten ſeine klaren Gewäſſer zwiſchen üppig grünende Wieſen, fruchtbare Kornfelder und mannig faltig geformte Hügel und Thäler, die oft mit den prächtigſten Buchenwäldern bedeckt ſind , eindringen läßt , ſo düſter und eiuförmig iſt die Mitte des Landes , und gerade auf dieſer befand ſich jeßt die Huſaren - Sdwadron .
Lange Streden
mit dunklem Haidekraut bewachſen , ermüden das Auge , das ſich oft vergeblich nach einem Baum oder hohem Gebüſch, an dem es einen Ruhepunkt finden fönnte , ſehnt. Wo die
Haide aufhört, ſind oft große , ſich Meilen weit erſtreckende. Moore , deren dürftige Bewachſung mit Gras und einzelnen kleinen Birkenbüſchen die Einförmigkeit der Gegend nur noch vermehrt. Menſchliche Wohnungen ſteht man ſelten , und oft muß man mehrere Stunden weit reiten, bis ſchlecht angebaute Felder , denen dann bald ein ärmliches Dorf folgt, die An
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weſenheit lebender Weſen verkünden . Und wie elend, ſchmußig und von Innen wie Außen verwahrloſt, ſieht dann gewöhnlich ein ſolches jütländiſches Haidedorf , wie das war , in welches die Schwadron eben einritt, aus.
Die kleinen , niederen
Wohnungen deſſelben mit ihren ſchlecht gehaltenen Rohrs dächern , lagen mitten im Schmuß der unordentlichen Miſt ſtätten. Hie und da ein kleiner Kartoffel- und Rohlgarten
mit niedrigen, halb verfallenen Zäunen, welche die eine Seite des Bauernhauſes , an dem Viehſtall und Scheune zugleich mit angebaut war , von dem Nadybargehöfte trennte. Die breite Dorfſtraße, der man es anſab , daß fid niemals auch nur eine einzige Hand zu ihrer Ausbeſſerung geregt hatte, war von den vielen Regen , der in den legten Tagen gefallen, noch nicht wieder ausgetrocknet, und durch manche Pfüßen
mußten die Huſarenpferde in derſelben noch treten, was ihren Reitern , denen dadurch vermehrte Arbeit beim Pußen bevor ſtand, oft einen zwar nur halblauten, aber ſonſt doch kräftigen Fluch über die Faulheit der jütiſchen Bauern hervorrief. Bes haglidy trieben ſich ganze Heerden von Ferkeln und Gänſen in dieſen Schmußlachen auf den Höfen und der Straße um her, und machten ſchnatternd und quidend und grunzend oft nur langſam den Huſaren Plaz. „Hätten wir die Dinger nur ſo am Spieß , einen guten Braten ſollten die ſchon ab: geben und das ſchlechte Nachtquartier nicht wenig verbeſſern helfen ," flüſterte Mancher der Reiter ſeinem Nebenmanne zu ,
begehrliche Blicke denſelben nadyſendend.
Doch verbotene
Schäße blieben es für ſie , denn jede Requiſition und über:
haupt ungebührliche Beläſtigung der Wirthe war ſtrenge vers boten , und fand bei der trefflichen Mannszudyt , die jedes preußiſche Regiment auszeidynen wird , natürlich audy Befol. gung. Von felbft aber feßten die jütiſchen Bauern ihren
ungebetenen Gäſten , den preußiſchen Huſaren , gewiß keinen
in
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Gänſebraten vor, deſſen konnte man gewiß ſein. Außer den Offizieren, oder hie und da vielleicht einigen Freiwilligen oder wohlhabenden Bauernföhnen, die zuſammengeſchoſſen und ſich für ihr eigenes Geld eine Gans fauften und von der oft dabei noch ſehr ſtörriſchen Bauernfrau dann braten ließen, befamen die übrigen Soldaten daher wohl häufig genug Gänſe zu ſehen, aber nur ausnahmsweiſe deren Braten zu ſchmecken .
Nun, waren doch ſonſt die gelieferten Rationen ſtets' gut und reichlich , und ſo konnte man denn Gänſebraten am Ende auch entbehren .
Schwerfälligen Schrittes, die großen , gewichtigen Holz Tchuhe, die ſo recht für den Schmuß paßten , an den Füßen , 1
famen die Bauern daher geſchlürft, den Einzug der Huſaren Schwadron in ihr Dorf mit anzuſehen. Den Geſichtern der ſelben mit den ftieren , nidytsſagenden Blicken , merkte man es
deutlich an , daß nur ausnahmsweiſe eine flüchtige Waſchung ihnen zu Theil ward , und ſtruppig hingen die meiſt dunklen Haare, die nur ſelten ein Ramm durchfuhr, über die niedere
Stirn . Das häufige, fraßende Verweilen der Hände in dieſen Haarbüſchen, verkündete , daß ſie zahlreich von den kleinen Thieren , die in Jütland alle fremde Soldaten ſo ſehr fürch teten , bewohnt wurden.
So waren die Ausſichten der Huſaren für ihr diesmaliges
Nachtquartier beſchaffen, und man ſieht, fie boten keine große Hoffnungen dar. Wie viel angenehmer wäre Allen ein Bi vouaf draußen auf freiem Felde , bei helbrennenden Wacht feuern und reichlichem Lagerſtroh geweſen. Doch ging dies heute nicht, und ſo mußte man ſich denn auch fügen und die Pferde in die engen, niederen Ställe ziehen , und ſich ſpäter
in den ſchymußigen Häuſern ſo gut es gehen wollte, ein Unter kommen zu bereiten ſuchen . Man hat im Felde nicht ſtets
Luſt und Freude, es iſt auch oft nicht zu vermeiden, daß recht
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viele langweilige und beſchwerliche Stunden , ja ſelbſt Tage oder gar Wochen eintreten. Ein guter Soldat muß auch dieſe fröhlichen Sinnes ertragen lernen, und wenn es recht ſchlecht geht, dann den Gedanken nicht verlieren, daß jeßt gewiß bald wieder die guten Zeiten kommen werden. So ging es auch der Huſaren -Schwadron ; nach dem ſchlechten Nachtquartier, was ſie an dem Abend in dem armen Haidedorf erhielt,
folgten bald auch wieder recht gute in den wohlhabenden Gutshöfen an der Oſtküſte Jütlands , wo es ganz anders 1
ausſchaute.
So einen vergnügten Tag, wie den heutigen , hatte der alte Unteroffizier Erdmann ſeit lange nicht mehr in Jütland gehabt.
Eine größere Patrouille, die er befehligte, war mit
einer däniſchen Dragoner- Patrouille zuſammengekommen , und es hatte eine kleine Klopferei, wie der Alte zu ſagen pflegte, gegeben. Das war denn eine vrdentliche Luſt für ihn ges .
weſen , und wirklich um ein Dußend Jahr jünger faſt ſah er
aus, ſo ſehr hatte ihn das Gefecht vergnügt gemacht. So ein kleines Reitergefecht auf freiem Feld unter heiterem Fim mel iſt aber auch das Vergnüglichſte, was ein guter Huſar ſich nur wünſchen kann. Die Pferde pruſten und ſchnauben und tanzen förmlich auf den Hinterfüßen herum , die Säbels
klingen blißen durch die Luft und fahren klirrend gegen eins ander, hie und da knallt auch ein Piſtolenſchuß und eine kleine, filbergraue Dampfwolke erhebt ſich fräuſelnd in die blaue
Luft und ein fröhliches „Hurrah, hurrah, " oder ein muthiges „Drauf, drauf , man immer drauf ,“ wird gehört. Und das ſind denn gar ſchöne Töne für ein Soldatenohr, viel ſchöner wie die Triller unſerer Opernfänger, die für ſchweres Geld den Leuten ihre Kunſtſtücke vorinachen.' Feſt im Sattel zu fitfen gilt es dann und das Pferd gut zwiſchen Schenkel und Zügel zu halten , daß man es faſt auf einem Teller herum
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werfen kann, und dem Gegner die linke Seite abzugewinnen vermag und nun den feindlichen Stahl feſt im Auge behals
ten , um ihn pariren zu können und dann ſelbft mit voller Kraft des Armes drauf gehauen. Da kann ein braver Reiter8 mann ſeine Geſchidlichkeit und Stärke und Muth ſo recht
zeigen, und ſpäter in voller Wahrheit fingen : „Im Felde. da iſt der Mann noch was werth, Da wird ihm das Herz noch gewogen, Da tritt kein Anderer für ihn ein,
Auf ſich ſelber ſteht er da ganz allein .“
und das iſt nicht allein ein ſchöner , ſondern was noch mehr iſt, auch ein wahrer Vers. So war es denn auch am heutigen Morgen geweſen, und
tüchtige Biebe hatten die preußiſchen Huſaren mit den däni ſchen Dragonern gewechſelt und Leştere doch endlich völlig in die Flucht geſchlagen , obgleich ihre Patrouille an 6-7 Mann ſtärker geweſen war. Einen däniſchen Dragoner hatte
man mit ſammt ſeinem Pferde gefangen genommen und einen zweiten hatte der alte Erdmann ſeinen Säbel ſo in die Rip pen gebohrt , daß er gleich todt auf dem Plaße liegen blieb ; von den Anderen , die floben , hatten audy etliche noch tüch
tige Denkzettel mitgenommen und machten ihren Chirurgen gewiß noch manche Wochen viel zu ſchaffen. Von den preus Biſchen Huſaren hatten nur einige leichte Schmiſſe und meh rere noch blau und braune Striemen über die Bruſt und
Schultern bekommen, denn die däniſchen Dragoner hieben aus
Ungeſchicklichkeit vielfach nur flachy. So ein Striemen oder leichter Riß ſchmerzte zwar etwas , aber wurde dann tüdytig mit Brandwein ausgewaſchen und ſchadete dann nicht weiter. Nur einer der Huſaren , der junge Freiwillige, der neulich neben dem alten Unteroffizier ritt, hatte einen tüchtigen Hieb
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in den rechten Arm wegbekommen und mußte denſelben gewiß noch mehrere Wochen in der Binde tragen. Mit der Sorgs falt, die ein Vater nur für ſeinen einzigen Sohn haben kann, pflegte der alte Erdmann am Abend den Verwundeten , nach: dem der Schwadronsarzt demſelben den erſten Verband an. gelegt und den Arm in die Binde gebracht hatte. Da die Luft ſchön und milde draußen war, im niederen Zimmer aber
viel Dumpfheit herrſchte, ſo hatte der Alte dem Verwundeten draußen im Garten einen bequemen Siß bereitet. Aus Heu: haufen , die man mit Pferdedecken belegte , war unter einem großen Aepfelbaum eine Art Lagerſtätte gemacht worden , auf welcher derſelbe gemächlich ruhen konnte. Ein hübſches Pläß: 1
den war es hier und die Gegend ringsum ſo freundlich und
gleidyſam anheimeInd, wie man ſie nur wünſchen konnte. Dicht an dem Garten floß ein murmelnder Bach und trieb unweit
davon in einer kleinen Thalſd)lucht eine alterthümliche Waſſer mühle, welche die Ausſicht auf eine dem Auge wohlgefällige Weiſe ſchloß. Zehn Buchen und Linden umgaben im ftatt
an g
lichen Kranze die Mühle , vor der ein kleiner , klarer Teich lag , der von vielem Waſſergeflügel belebt war. Auch der Garten ſelbſt , der zu einem Nebengehöft der Mühle gehörte , fah ſorgfältig gepflegt aus und hatte beſonders viele große , ſchattige Obſtbäume, durch deren belaubte Zweige die Sonne ihre ſchon ſinkenden Strahlen warf und ſo goldene , vielges ſtaltige Arabesken auf den grauen Grasboden zeichnete. Und dabei war eine Ruhe und ein Frieden in der Natur , was be ſonders auf einen Kranfen nur ſehr angenehm einwirken fonnte.
Dicht neben den Berwundeten , der wohl nicht ohne
Schmerzen war, hatte ſich der alte Erdmann auf einen kleinen Holzſdemel geſeßt, eifrig bemüht , die unbequem werdenden Müfen mit dem gerade nicht allzu wohlriechenden Rauch aus
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ſeiner Tabakspfeife zu vertreiben .
Auch einige andere þu .
faren hatten ſich nach und nach an dieſem Plage eingefunden .
Einige klopften die Scharten wieder aus, die ihre Säbel von dem heutigen Gefecht bekommen. Andere pußten die Piſtolen von dem Pulverſchlamm rein , ja Einer ſekte ſich mit unter 1
geſchlagenen Beinen auf den Grasboden nieder und begann mit langen Stidien einen großen Riß wieder zu flicken , den ihm ein däniſcher Dragoner-Säbel in ſeinen Dolman ges
hauen hatte. So im Felde da muß ein Soldat oft in die verſchiedenſten Handwerke hineinpfuſchen und fich auf allerlei Weiſe ſelbſt zu helfen ſuchen. Und dabei waren Alle ſo luſtig und trällerten, oder pfiffen, oder erzählten ſich mit Lachen und Scherzen von dem heutigen , kleinen Gefechte, und man merkte es ihnen noch an , wie ſehr ſie daſſelbe erfreut hatte. Selbſt der Verwundete, obgleich er noch ein Bischen blaß und matt ausſah und erſidytlich bisweilen mit einem heftigen Schmers
zensruck , den er aber herzhaft niederbiß , zu kämpfen hatte, konnte doch öfters ein zufriedenes Lachen über manche Späße und Miße nicht unterdrüden .
,, Das iſt recht von Ihnen , lachen Sie man immer ein Bisken, da vergeht die Wehdage am Erſten, das weiß ich von mir ſelbſt, denn ich habe an 4 ſolche Hiebe und 2 Schüſſe auf meinem Leib figen ," meinte der alte Erdmann. „ Na , Sie ſind doch eigentlich gut genug noch davon gekommen und in vier Wochen iſt der Hieb wieder geheilt und Sie ſind friſc) und geſund wie nur Einer, und dann macht Ihnen das Ganze nur Vergnügen , wenn Sie daran zurückdenken ,“ fuhr er wieder fort. Die däniſche Rothjacke, die Ihnen den ieb gab , hat auch ihr Theil wiederbekommen und der Feldſcheer wird noch lange an ihm genug zu doktern haben ." 1/
„ Sie ſollten mir nur noch etwas wieder erzählen , von dem Tod des Herrn von Schill und dem Untergang ſeines
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Korps , dann vergeht mir die Zeit am Schnellſten und ich brauche auch nicht zu ſprechen ,“ erwiederte der Verwundete.
„ Ja, wenn Sie es gern hören mögen, will ich das wohl thun, obſchon das ſonſt eigentlich eine ſo traurige Geſchichte iſt, daß ich nicht gern davon ſprechen mag. Doch heute , wo
wir ſo die Dänekens , die an dem Tod des Herrn Majors von Schill die meiſte Schuld hatten, mal wieder tüchtig klopf ten und ich Einem von ihnen vom Pferde geholfen habe,
läßt ſich ſo etwas noch am Beſten erzählen.
Gerade von
dem Stralſund her hab ich noch ſo einen gewaltigen Zorn
gegen all dieſe däniſchen Rothjacken , daß ich mich immer freue, wenn ich ſo einen von ihnen unter meine Plempe bekomme,
und anno 13, da haben ſie es auch wieder mit den Franzoſen gegen uns Preußen gehalten , “ meinte der Alte. „ Aber da fällt mir ein altes Lied ein , was ſie dazumalen auf den Tod des Herrn Majors von Schid machten und was ich ſo oft gehört , daß ich es noch jeßt im Kopfe behalten, das wil ich
erſt Ihnen herſagen und dann meine Geſchichte weiter erzäh. len.
Das heißt ſo : O Schill, o Schill, Du tapfrer Held, Was ſind Dir für bübiſche Neße geſtellt, Viel ziehen vom Lande, es ſchleidhet vom Meer Der Däne mit ſeinen Rothjacken daber. D Schill, o Schill, Du tapfrer Held, Was ſprengſt Du nicht mit den Neitern ins Feld, Was ſchließeſt Du in Mauren die Tapferkeit ein,
Bei Stralſuud, da follſt Du begraben ſein.
Stralſund, du trauriges Straleſund, In dir geht das tapferſte Herz zu Grund,
Eine Kugel durchbohrt das tapferſte Herz Und Buben , die treiben mit Helden Scherz.
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Sie trugen ihn ohne Sang und Klang, Dhne Pfeifenſpiel und ohne Trommelflang, Ohne Kanonenmuſik und Flintengruß, Womit den tapfern Soldaten man begraben muß. Sie ſchnitten den Kopf von dem Rumpf ihm ab lind legten den Leib in ein ſchlechtes Grab, Da ſchläft er nun bis an den jüngſten Tag, Wo Gott ihn zur Freude erwecken mag.
ſagte der alte Unteroffizier in zwar kunſtloſer und etwas ein förmiger, dabei aber doch nicht wirkungsloſer Weiſe, dieſe Verſe her.
„ Das iſt das ſogenannte Schill'ſche Lied, was wir früher ſo vor anno 13 gar oft geſungen haben. Nun aber zu meis nem Erzählen. Daß wenig Freude , aber viel Verdruß bei dem ganzen Zuge war, hab ich ſchon leşthin , wie die Sprache darauf fam , geſagt. Es wollte Alles nicht ſo recht auf ein
ander paſſen, und es kam mir oft vor , als wenn man einem guten Pferde einen ſchlechten Sattel, der nicht zu ihm gehört,
aufgelegt hätte , und das iſt denn immer eine gar verdammte Reiterei. Gewiß kam viel Unglück bei dem ganzen Zuge das ber , daß Se. Majeſtät unſer König nicht ſo recht ſeine Ers laubniß zu demſelben gegeben hatte. Wäre dies geweſen , ſo hätte Mandjes beſſer gehen können , das iſt ſo wenigſtens meine Meinung. Wir kamen nun zuerſt über die Elbe in
das medlenburgiſche Land und nahmen da ſo eine kleine Feſtung, deren Namen ich ſchon wieder vergeſſen habe, was aber auch nichts -zur Sache thut , durch Ueberrumpelung ein. Das Mauſeloch war aber ſo ſchlecht und verfallen , daß wir uns da doch nicht gegen all die Franzoſen hätten halten föna nen , und ſo zogen wir denn bald mit unſerm Herrn Major wieder ab. Von unſerer Infanterie und von den Jägern, die
zuſammengeworben waren , blieben ein Paar hundert Manu
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in der Feſtung zurück, und die haben ſich mit den Franzoſen immer noch ein paar Tage herumgeſchoſſen, bis ſie ihren Abs zug nahmen . Es waren viele Kerle unter unſerm Korps, die wohl Haare auf den Zähnen hatten, wie man zu ſagen pflegt, und gar unſere Herren Offiziere, die waren meiſt alle ſo brav, wie nur je welche, die die Ehre hatten , königlic preußiſche 1
Uniform zu tragen.
„ Nun zogen wir wieder quer durch das medlenburgiſche Land und ich fam wieder durch Gegenden, wo ich ſchon anno 6, als wir mit dem Herrn General von Blücher Excellenz da durchmarſchirten , geweſen war. Dazumalen ging es uns
ſchlecht, aber jeßt noch viel ſchlechter , und ſo hat dies Meds lenburg nur ſtets Unheil gebracht. Weiß der Kufuf, wie dies zuging, denn es ſoll doch ſonſt ein gutes Land ſein, und uns fere hochſelige Königin Louiſe Majeſtät war von dort geboren und unſer General von Blücher Ercellenz auch , und unſer
hochſelige König hat ja auch ſeine Prinzeſſin Tochter dahin verheirathet, und ſo muß eigentlich jeder gute Preuße es gern
haben und die Medklenburger uns Preußen wieder , da wir denn doch ſo halbe Verwandte ſind und faſt ſo zu einander gehören.
„Im Mecklenburgiſchen, da liegt eine Stadt , Roſtock, in der auch unſer General von Blücher Excellenz geboren iſt, und da glückte es einem Theil der Infanterie vom Schill ſchen Korps Schiffe zu bekommen und ſich nach Rügen eins zuſdiffen. Wir Huſaren aber , unter unſerem Herrn Major ſelbſt, hauten uns durch und warfen uns in die Feſtung Strals ſund, die dazumalen noch nicht den Preußen , ſondern den Schweden gehörte, wo aber auch franzöſiſche Beſaßung ſtand. Da in Stralſund ging denn nu das legte Fechten , von dem ich Euch erzählen will , erſt recht an. Zuerſt gleich mußten wir , wie wir in die Stadt einritten , auf dem Markt dort
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mehrere franzöſiſche Artilleriſten zuſammenhauen. Was wahr iſt, muß auch wahr bleiben , und ſo kann ich ſelbſt es nicht anders ſagen , als daß dieſe Franzoſen fich bis auf den letz ten Blutstropfen in Stralſund tapfer wehrten, wie es braven
Soldaten auch zukommt. Mehrere von ihnen wollten gar keinen Pardon annehmen , und ſo mußten ſie denn niederge ſchoſſen werden , obſchon die Meiſten zuleßt , als ſie ſahen , daß eine weitere Vertheidigung doch nichts helfen würde, das Gewehr wegſdimiſſen und ſich gefangen gaben . „ Na, Stralſund mit vielen ſchönen Geſchüßen und ſonſt viel Pulver und Blei, hatten wir denn alſo glüdlich erobert, und das war nichts Geringes für uns. Den erſten Anlauf der Franzoſen und der Dänen und Holländer, die der Bonas
parte fich zur Hülfe geholt hatte , konnten wir zur Noth jest ſchon aushalten, und ſo ſehen , wie ſich die Sache denn weiter machen würde. würde. Recht in Ordnung , ſo wie es ſich gehört ,
war die Feſtung dazumalen gerade nicht, und das erſte was unſer Herr Major von Schill nun vornahm , war , daß er Alles ſo gut, wie es in der Eile gehen wollte, wieder herſtellen ließ. Da ich von Colberg her noch ſo ein Bischen mit dem Feſtungsweſen und den Kanonen Beſcheid wußte , und wir Huſaren ohnedem ſonſt nicht viel zu thun hatten , ſo mußte ich denn wieder bei der Artillerie die meiſten Dienſte thun. Alzuviel frug ich nun zwar nicht danach , und hätte mich ſo lieber im freien Felde herumgehauen , doch ging dies nun 1
einmal nicht anders , und ein ordentlicher Soldat muß thun ,
was ihm befohlen wird, und nicht blos, wozu er gerade Luft bat.
Geſchieht dies nicht, ſo wird er nicht viel mehr wie ſo
ein bloßer Freiſdýärler, wie ſie die Kerle jeßt nennen , und die find denn doch im Felde nicht ſehr zu gebrauchen , wenn ſie auch noch ſo viel Kourage haben mögen . So weit zwar
fießen es unſer Herr Major und die anderen Herren Offiziere 17
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bei uns nicht kommen, und Jeder mußte am Ende doch thun, was ihm befohlen ward , obſchon es ſonſt mandmal mit der Disciplin bei uns immer ein Bischen beſſer hätte ausſehen
können . Ja, wäre die ſtets ordentlicher bei uns geweſen , ſo hätte das Unglück bei Stralſund auch noch nicht ſo leicht ges ſchehen und wir den Franzoſen am Ende doch noch zur See entkommen fönnen. Aber au das Unheil kam daher , daß unſer Herr Major nicht ſo recht im Namen von unſerem
König auftreten konnte, wie Anno 7 bei Colberg, und ſagen : ,,Se. Majeſtät unſer König haben das zu befehlen geruht, und damit baſta .“ So wollte denn , wenn Kriegsrath gehalten ward , jeder von den Herren Offizieren oft ſeine eigene Meis
nung haben , und ſo fam denn oft nicht viel bei demſelben heraus, und das Ganze ging nicht, wie es wohl hätte geben ſollen. Unſer Herr Major von Schill, der es ſo gut gewollt hatte, war oft ſehr finſter darüber, und man ſah es ihm an, welch böſe Gedanken immerzu ihm durch den Kopf gingen. -
So kam er einſt zu mir auf den Mall, - denn Tag und Nacht
ſchonte er ſich nicht und war immer auf den Beinen und ſah überall ſelbſt nach , wo es fehlte, und ſolchenfalls dann abzuhelfen wüßte – wo ich gerade an die hundert Arbeiter, die wir aus
der Gegend zuſammengetrieben hatten , fleißig zum Schanzen antrieb. „Recht ſo , Erdmann," rief er mir zu , ,,nur Alles ſtark befeſtigt, dann ſollen ſich die verfluchten Franzoſen noch manchen Zahn hier ausbeißen , bis ſie uns gefreſſen haben." „ Ja ," antwortete ich, Herr Major, „ wir wollen es hier wie bei Colberg machen , das konnten ſie auch nicht bekommen, und mußten endlich mit langer Naſe davon wieder abziehen .“ ,, Ja Colberg," ſagte er da in einem ganz traurigen Tone zu mir, wie ich ihn noch nie von unſerem Herrn Major , der
ſonſt immer ſo friſch und unverzagt war , gehört hatte, „ in Colberg ging es uns auch oft zwar ſchlecht genug , aber doch
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war es dort viel beſſer wie hier. Da fonnte ich doch im
Namen Sr. Majeſtät unſerem König auftreten , aber jeßt darf ich das auch nicht,“ und dabei drehte er das Geſicht von mir ab, und ſchwieg lange ganz ſtill. Endlich ſagte er aber wieder. „Das hilft aber Alles nicht mehr, haben wir die Sache
nun einmal angefangen , ſo müſſen wir ſte auch als brave Soldaten bis zulegt durchführen. Nicht wahr, Erdmann, Ihr Huſaren alle habt noch Vertrauen zu mir , und helft mir bis
zum legten Blutstropfen , daß wir wenigſtens nicht wie feige Hundsfötte auseinander laufen , ſondern auch zulegt noch zu fechten wiſſen , wie es ehrlichen Preußen zukommt? "
Da rief ich aus : „ Gewiß, gewiß, Herr Major, das wollen wir, und auf Ihre Huſaren fönnen Sie fich verlaſſen , wir bleiben Ihnen getreu und gehorſam und hauen ein , ſo lange Sie es befehlen.“ Darauf gab er mir die Hand und ſagte : 1
„ Ja, Ihr ſeid gute Soldaten , das weiß ich, und Euch ver
traue ich auch,“ und damit ging er fort. Das ſind denn die legten Worte, die ich ſelbſt aus dem Munde des Herrn Major von Schill gehört und daher nie vergeſſen habe. Gleicyſam von trüben Erinnerungen überwältigt, ſchwieg hier der alte Unteroffizier Erdmann einige Augenblicke, und paffte in hefs tigen Zügen den Rauch ſeiner Pfeife in die Luft. Auch die
Huſaren waren ſtill geworden und hatten ihre luſtigen Späße von vorhin jeßt bei dieſer Erzählung von dem traurigen Untergang des tapferen Schill ganz vergeſſen. Nach einer kleinen Weile nahm der Alte wieder ſeine
Erzählung auf und fuhr fort: „Am 31. Mai war denn der Tag, an dem Stralſund von den Feinden angegriffen ward. In der Nacht war ich noch mit 15 Huſaren auf einer Rekogs noscirpatrouille an zwei Meilen weit fortgeweſen um Nachricht zu bringen, wie weit die Feinde ſchon vorgerückt wären. Da famen wir denn unverhofft mit einer Patrouille von däniſchen 17 *
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Huſaren zuſammen , die ebenſo wie wir vorgeſchickt waren. Das war denn ein gefundenes Freſſen für uns , denn wir waren voll Gift und Galle , daß ſo die Dänen dem Bonas
parte zur Hülfe gekommen und gegen uns gezogen waren,
obſchon wir Preußen ihnen doch gar nichts zu Leide gethan hatten . Mit lautem Hurrah jagten wir auf dieſe Dänen zu und es kam noch zu einem herzhaften Gefloppe , wobei wir fie denn ganz ſo wie heute Morgen endlich zurückwarfen und ihnen ein Paar Mann dabei niederhieben . Weiter verfolgen, wie wir gern gethan hätten , konnten wir ſie aber nicht, denn eine ſtarke Abtheilung von den holländiſchen Küraſſieren kam ihnen zur Hülfe. Es war nur ein Glück für uns , daß dieſe ſo große, ſchwere Pferde, die nicht recht laufen konnten, ritten , ſonſt hätten ſie uns am Ende doch eingeholt, und dann wäre és um uns geſchehen geweſen, denn ſie waren wohl über das dreifache ſo ſtark wie wir. Gegen 5 Uhr Morgens famen
wir denn wieder in Stralſund an und machten die Meldung, daß der Feind in ſtarken Colonnen in Anmarſch ſei, und ſich bald zeigen würde. Und ſo war es denn auch , an die 6000 Mann Holländer und Dänen , Alles bunt durcheinander ges
mengt , mit Kanonen und Huſaren und Küraſſieren dabei, 1
famen bald anmarſchirt, und der Tanz begann. Wir von der Kavallerie, die der Herr Rittmeiſter von Brünnow fommans
dirte, hofften nun noch , der Herr Major von Smill würde uns zuerſt noch aus der Feſtung herauslaſſen , um noch mal erſt eine tüchtige Attaque auf die Feinde zu machen. Gar Manchen derſelben hätten wir noch in das ewige Leben bes fördert, das weiß ich gewiß , denn wir Huſaren Alle waren recht zum Einhauen aufgelegt und der Säbel juckte uns gewaltig in der Fauſt, wie man zu ſagen pflegt. Auch unſere Pferde, die ſich in Stralſund gut wieder ausgefreſſen hatten, waren munter und friſch, und ſo hätten die Feinde doch noch
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verſpüren ſollen , was ein Einhauen preußiſcher Huſaren zu bedeuten habe. Warum aber der Herr Major nicht den Be fehl dazu gab, habe ich nicht begreifen fönnen. Mich hatte der Herr von Brünnow mit an das Thor geſchickt, daß ich ihn immer darüber rapportiren ſollte, wie es dort zuging, und ſo hab ich denn das Meiſte von dem Angriff mit eigenen Augen geſehen. , A18 denn nun zuerſt die Dänen und Holländer gegen die 'Wälle vordrangen , befamen ſie von unſeren Geſcyüßen
einen ſo warmen Gruß, daß Viele von ihnen ſogleich in den Staub purzelten und die Anderen wieder umkehrten. Der Anfang war alſo gut für uns und wir freuten uns ſchon darüber, aber das Unglück wollte, daß das böſe Ende bald genug nachkommen ſollte. Die Feinde ſammelten ſich bald wieder und drangen vom Friſchen vor, und es glückte
ihnen, eine Stelle aufzufinden , wo die Wälle noch nicht wies der hergeſtellt waren , ſo daß man leicht daran heraufflettern konnte. Zwar ſchoſſen unſere Kanonen ſo viel fie fonnten, allein es fehlte uns meiſtens an ordentlichen Ranonieren, die
etwas verſtanden , und ſo gingen die Schüſſe häufig zu hoch und thaten wenig Schaden . Ja , hätten wir nur an dem Tage ſo ein Paar Compagnien von unſeren „Schwarzkrägigen" bei uns gehabt , die Feinde wären an dem Tage gewiß nicht in Stralſund hinein gefommen, obſchon ſie wohl an vier mal ſo ſtark waren , wie wir ſelbſt. Wie das Geſchieße mit den
Kanonen anfing , hatte ich mein Pferd an einen Pfahl in der Nähe gebunden , und ſelbſt eine Kanone mit bedienen helfen , da ich mich noch von Colberg ein Bischen darauf ver ftand. Wir waren aber nur 4 Mann bei dem großen, eiſernen Feſtungsgeſchüß, und ſo konnten wir daſſelbe denn nur ſchwer handhaben und unſer Schießen war ſehr langſam und unſicher.
So drangen denn die Feinde bald über den Wall und nahmen
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das Thor ein. Die Mannſchaft, die dort fand, war größtens theils ſogenannter Landſturm , den der Herr Major hatte in den leßten Tagen von der Inſel Rügen herkommen laſſen, lauter ungeübte Bauernbengels, die kaum mit einer Flinte um zugehen verſtanden und bei denen vom eigentlichen Militair weſen gar keine Rede war.
Wie die nun ſaben , daß die
Sache recit ernſthaft zu werden anfing und es ihnen an Kopf und Kragen geben konnte, da warfen fte meiſt ihre Ges wehre weg und liefen wie die Hafen, hinter denen der Winds hund her iſt, nach dem Hafen zu, dort fid Böte zu ſuchen
und wieder nach ihrer Inſel zurückzufahren. So konnten denn freilich die Feinde das Thor erſtürmen und ſich der Stadt bemächtigen. Wir an unſeren Geſchüßen wehrten uns noch zuleft recht tüchtig gegen die däniſchen Infanteriften, die mit den Bajonnetten gegen uns anſtürmten, und die Meiſten von uns wurden da an den Kanonen niedergeſchoſſen. Mich hatten die Rerle auch ſchon faſt in ihrer Gewalt und Einer hatte mir ſchon mit feinem Bajonnett dicht am Ropfe vorbei
geſtoßen, da padte ich denn noch glücklicherweiſe einen
Kanonenwiſcher, der mit Eiſen beſchlagen war, mit beiden Hän den und ſchlug ſo gewaltig um mich , das Alle mir Plaß machten und ich ſo zu meinem Pferde hinlaufen konnte. Wie der Bliß ſprang ich in den Sattel, hieb den Strick, mit dem ich
daſſelbe angebunden hatte durch und jagte davon in die Stadt hinein. Hier war denn eine grausliche Unordnung, viel ärger noch wie 1806 , als die Franzoſen bei Lübeck ſtürmten. Immer mehr Dänen und Holländer drangen nun in die Thore ein und trieben uns immer weiter zurüd. Was ſo die eigentlichen , ächten Soldaten von dem Schill'ſchen Korps waren , die noch mit bei Colberg gefochten , die wichen nicht
ſo leicht zurück , ſondern vertheidigten ſich faſt Alle bis auf den legten Mann. Die Jäger hatten ſid meiſt in die einzels
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nen øäuſer geworfen und ſchoſſen von dort friſch weg auf die Feinde heraus, von Pardon geben war keine Rede, ſo wild und erbittert ſchoß und hieb und ſtach Alles auf einander lus. Da iſt noch manche däniſche Rothjade und mancher Hollän
der in den Straßen geblieben, denn ſo leicht gaben ſich die Schill'ſchen nicht verloren . Ich hatte mich mit vieler Mühe bis zum Marktplaß durchgeſchlagen , wo unſere meiſten vu ſaren noch aufmarſchirt waren.
Mehrere Schüſſe waren mir
dabei durch den Pelz gegangen und auch die Säbelſcheide batte mir eine Kugel abgeriſſen , doch ich ſelbſt war noch nicht getroffen worden .
„, Auf dem Marktplaß ging aber das Handgemenge jeßt erſt recht an, denn die Feinde waren auch dahin ſchon vorge drungen . In lauter einzelnen Haufen , wie wir uns gerade zuſammenfanden , hauten wir uns da mit den Dänen herum, und tüchtige Fiebe gab es. Da fam plöglich unſer Herr Major
von Schill angejagt und hinter ihm etliche Huſaren
und
freiwillige Jäger zu Pferde. Donnerwetter, wie ſah der aus, es war wirklich nod eine Freude ihn zu ſehen, ſo traurig es uns in dem Augenblick auch ſonſt ging ! So ein alter Stümper ich auch jeßt ſchon bin, ſo hab ich den Anblick dodh noch nicht vergeſſen. Als wenn er die Feinde allein Alle in die Pfanne hauen wollte, ſo gefechtsluſtig glühte ſein Geſicht, und die Augen blikten und funkelten man ſo in demſelben. Weit vorne über dem Kopf zum Einhauen ſchwang er den Säbel, und ſein Pferd, das jagte nur ſo über das Pflaſter, daß die Funken danady ſtoben. Wahrhaftig, wenn ein Maler, der ſo die ſchönen Schlachtenbilder für die Schlöſſer machen thut,
es recht malen wollte , wie ſo ein königlich preußiſcher Fuſar auf den Feind einbauen muß, ſo hätte er fich in dem Augens blid unſern Herrn Major von Scil abzeichnen müſſen. „Mir nach, mir nach ," rief er mit ſeiner Baßſtimme, daß es weit
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durch all das Gelärme zu hören war, und wer irgend von
uns Huſaren konnte, der folgte ihm darauf. In vollem Galopp
ging es jeßt mitten in die Feinde hinein, wo deren Kaufen am Dickſten ſtanden, und der Vorderſte von Allen war unſer
Herr Major.
Auf einen vornehmen, holländiſchen Offizier,
der hoch zu Pferde mitten zwiſchen Infanteriſten hielt, jagte
er zu, und mit den Worten „ Hundsfott, beſtell mir Quartier," hieb er demſelben ſo zuſammen, daß er gleich auf den Boden purzelte. Jeßt ſchoſſen aber die Infanteriſten aus großer Nähe auf uns und der Herr Major bekam einen Schuß in
die Seite, daß er gleich ſo im Sattel hin und her zu ſchwan fen anfing und ſich kaum auf dem Pferde nod; halten zu können ſchien. Ganz bleich, wie der Tod war ſchon ſein Ges ficht, wie ich ihn noch zuleßt fah. Auf der Stelle, wo wir einhauten, konnten wir aber nicht durchkommen, da die ganze enge Straße haufendicť vol feindlicher Infanteriſten ſtand.
Wir wendeten nun die Pferde, um uns einen anderen Aus weg zu ſudjen, nachdem noch manche Huſaren von uns todt, oder ſchwer verwundet hierbei aus den Sätteln gefallen waren. Auch ich ſelbſt bekam einen leichten Streifſchuß in die Seite,
auf den ich aber gar nicht achtete, ſo in Rage war ich. Da hier viele enge, krumme Straßen in einander liefen und man 1
von all dem Pulverdampf nicht recht vor fich weg ſehen und vor dem Gefnalle aud fein Stommando hören konnte , fo
famen wir jeßt bei dem Umwenden Alle auseinander, welche hier, andere dort hin. So verlor ich denn auch unſern Herrn Major von Schill aus dem Geſicht und habe ſeitdem nichts wieder von ihm geſehen . Ob er nun gleich darauf an ſeiner
Schußwunde vom Pferde geſtürzt und todt geblieben iſt, oder ob er ſich noch weiter mit den däniſchen Fuſaren, die jeßt in
den Straßen umherjagten , geſchlagen hat und von dieſen
dann wieder gehauen ward, weiß ich nicht zu ſagen. Jedens
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falle aber hat er ſich bis zum legten Augenblick nocy tapſer ges wehrt und iſt wie ein braver, preußiſcher Offizier ehrenvoll vor dem Feinde geblieben. Da ſein Zug ſo verunglückte, ſo hat er den Tod ſelbſt ſich geſucht, wie man deutlich ſehen konnte, als er ſo mitten in die Feinde hineinjagte, wo dieſe am 1
Dickſten ſtanden , und dies war, wenn man es recht bedenkt, auch noch das Beſte, was er thun fonnte. In die Gefangen 1
ſchaft der Franzoſen durfte er nicht fallen, denn dieſe hätten
am Ende noch Schande und Spott mit ihm getrieben , ehe fie ihn todt ſchießen ließen, wie ſie es mit den 11 gefangenen Herren Offizieren von unſerm Korps gemacht haben. Nadidem fie ſolche nod lange im weſtphäliſchen Lande herumgeſchleppt und überall ſo ſchlecht behandelt batten , wie man wohl mit Räubern und Mördern, nicht aber mit königlich preußiſchen Offizieren umgeht , ließen ſie dieſelben in Weſel erſchießen . Aber wie ächte Soldaten ſterben müſſen , muthig und unver
zagt dem Tod ins Auge geblickt, mag er nun im Gefecht, oder auf andere Art kommen , ſollen dieſe 11 Herren Offiziere zum Richtplatz gegangen ſein . Auf freiem Felde vor Weſel hat
man ſie mit Stricken aneiuander gebunden hingeſtellt und fran zöſiſche Grenadiere ihnen gegenüber aufmarſchiren laſſen. Als man ihnen die Augen hat verbinden wollen , haben ſie das nicht gelitten , ſondern geſagt, fie hätten die Ehre föniglich preußiſche Offiziere zu ſein und wären als ſolche gewohnt, ohne Furcht in die franzöſiſchen Flinten zu blicken. Darauf haben ſie denn ihre Müßen in die Luft geworfen und im legten Athemzug gerufen : wħoch lebe unſer König von Preußen ,“ und darauf hat Einer ſelbſt Feuer kommandirt und die Fran zoſen ſchoſſen , und zehn von ihnen fielen todt zu Boden . Nur der elfte hat nicht gleid, den Tod befommen und fidy wieder aufgefrappelt und ſeine Weſte aufgeriſſen und laut
ausgerufen : „ Hierher, Grenadiere ! könnt Ihr nicht beſſer treffen ?
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hier ſißt das preußiſche Herz !“ Darauf haben ſie denn nocha male geſdorfen und er iſt auch todt umgefallen . „ Auch etliche 14 puſaren und Unteroffiziere von unſes rem Korps , die aus dem weſtphäliſchen Lande, was früher
unſerem König gehört hatte, gebürtig waren, haben die Frans zoſen in Braunſdweig über den Haufen ſchießen laſſen. Die braven Kerle ſind denn auch geſtorben , wie es fich gehörte und haben dem preußiſchen Namen feine Unehre gemacht. Giner von ihnen, Mühlberg hieß er, und ich hab ihn gut ges kannt , denn er diente als Unteroffizier mit mir in derſelben
Schwadron , wo wir Alle ibu immer gut leiden konnten, ſoll zu dem franzöſiſchen Kriegsgerichte noch geſagt haben : „ Sie wä ren gute Preußen und nur die Sache ihres Vaterlandes und
ihres Königs habe ſte bewogen , gegen die Franzoſen zu fecha ten. Würde ihnen feine Gnade, ſo wüßten ſie auch als Sol: daten zu ſterben .
Auf dem Wege zum Richtplaß haben
welche von ihnen noch ganz ruhig ihre Pfeife geraucht und alle ſind muthig geſtorben , obſchon die Franzoſen drei Mal
haben Feuer geben müſſen , bis ſie alle todt waren. Seht, Kinder, es muß einem preußiſchen Soldaten doch das Herz
im Leibe lachen , wenn er ſo etwas hört , und obſchon man ſonſt, wie ich Euch ſchon ſagte, kein Vergnügen über den uns glüdlichen Ausgang von dem Unternehmen des Herrn Majors von Schill haben fann und ich auch gewöhnlich gar nicht gern darüber ſpreche, ſo giebt mir doch jept noch der Ges danke an die große Kourage , welche die Meiſten von meinen
Kameraden dabei zeigten, Stolz und Freude. Daß aber uns ſer Herr Major von Schill vor dem Feinde blieb , war , wie geſagt, ein Glück für ihn. Er hatte einen leichten Soldaten tod gefunden und mehr kann ein Huſar im Kriege am Ende auch nicht verlangen. Nach Preußen hätte er wohl auch nicht
wieder zurückkehren mögen und fönnen , denn Se. Majeſtät
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unfer König Toll ſehr böſe über ihn geweſen fein , daß er ſo ohne gehörigen Befehl den Ausmarſch unternommen , und er hätte gewiß eine harte Strafe dafür bekommen. Er ſoll auch ſelbſt ein Paar Tage vor ſeinem Tode zu ſeinem Adjutanten
geſagt haben : „Ießt , wo unſere Sache ſo verunglügt iſt,
kehre ich niemals wieder lebendig nach Preußen zurück und ſchieße mir lieber felbſt die Kugel vor den Kopf.“ Da war es denn doch beſſer , daß die Feinde dies thaten und er ſo einen ehrlichen Fuſarentod fand , als daß er ſelbſt Hand an fic legte, was doch immer eine Sünde bleibt. Eine Schande
aber iſt es , daß die Feinde den Leichnam des Herrn Majors von Schill nicht auf eine ordentliche Weiſe, wie es fich ge hörte, begraben haben. Auf einen Wagen mit Strob haben
fie den Körper gelegt und ihn ſo ohne Weiteres auf dem Kirchhofe in Stralſund eingeſcharrt, ſo daß man ſein Grab hat gar nicht wieder auffinden können Den Kopf rollen ſte ihm gar abgeſchnitten und in Holland in ein großes Glas mit
Spiritus gelegt und ſo für Geld gezeigt haben , was ſo nach meiner geringen Anſicht allen Denen , die dabei geholfen has ben, feine Ehre, wohl aber nur Schimpf und Schande machen fann .
„Na , um Euch nun aber die Geſchichte zu Ende zu er zählen , nachdem ich ſie auf Euer Bitten einmal angefangen habe, ſo kam ich, wie geſagt, mit noch mehreren Huſaren von .
unſern Herrn Major ab und in eine andere Straße. Hier
waren auch noch viele däniſche Fuſaren, auf die wir denn zu: jagten , um uns durch ſie durchzuhauen , denn anders war keine Rettung mehr für uns. Da ging denn wieder ein or dentliches Gefloppe an und die Säbel flogen ſo recht nady Fuſarenart gegen einander. Ich fam mit zwei däniſchen Fu faren zuſammen und hieb mich nach Leibeskräften mit den
felben herum. Pardon wollte ich nicht haben und, hätte
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auch wohl doch keinen bekommen , ſo voll Muth waren wir
gegeneinander , und ſo blieb mir denn nichts anderes übrig, als mein Leben ſo tbeuer wie möglich zu verkaufen. Gegen .
den einen Fuſaren konnte ich mich wohl recht gut vertheis
digen , aber der andere fekte mir deſto mehr zu und hatte
mir ſchon einen tüchtigen Hieb gegeben , der zum Glück flach fiel, als plößlich oben von dem Dache eines Hauſes ein Büch:
ſenſchuß knallte und der Däne, der ſoeben zu einem zweiten
Hieb gegen mich ausholte, durch den Kopf getroffen todt aus dem Sattel fiel.
Das war denn fülfe in großer Noth und
dem Schuſſe verdankte ich wohl mein Leben. Wie ich das Geficht
aufwärts richtete, um zu ſehen, wer mir ſo gut zur Hülfe gekom men war , ſah ich oben auf dem Dache eines Hauſes, gerade
mir gegenüber, einen von unſeren Jägern hinter einem Schorn ſtein rittlinge ſißen , der ſoeben nochmals ſeine Büchſe laden wollte , noch ſo einen Dänen das Lebenslicht wieder auszu puſten. Der zweite Huſar , der mich angriff, war einen Au
genblick über dieſen Schuß von oben herab ganz wie verdon nert und ſo gab ich ihm denn ſchnell einen tüchtigen Hieb über das Maul, ſo daß er Plaß machte und mich durchließ. 1
So glückte es mir denn mit noch 4 oder 5 von unſeren Hu faren durch die Straße zu kommen und einen freien Plaß vor dem Thore zu erreichen. Hier war denn unſer Herr Ritt meiſter von Brünnow , der wohl noch an 160 Huſaren ge ſammelt hatte, und Ihr könnt Euch wohl meine Freude den: fen, Kinder , wie ich wieder zu dem Haufen ſtieß. Aber die
Gefahr war jept für uns noch lange nicht vorüber, wir muß ten ihr noch tüchtig entgegenreiten. Aus einer Straße , die auf den Plaß führte , über den wir jagen mußten , um aus dem Thore zu kommen , erhielten wir noch ein Kardätſchen feuer auf den Weg, was manchen Reiter und manches Pferd zum
Fallen
brad te.
Wir Uebrigen famen aber, endlicy
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doch glüdlich durch , erreichten das Thor und waren ſo anf freiem Felde. Aber hier waren wir auch noch nicht von den
Feinden befreit, ſondern drei Schwadronen holländiſcher Küs raſſiere und einige däniſche Fuſaren mit Kanonen kamen von allen Seiten auf uns zugerüdt. „ Wir ſollten uns ergeben und Pardon nehmen , dann ſolle uns das Leben geſchenkt wer den , “ ließ ung der General , der die Holländer komman dirte , durch einen Parlamentair ſagen. Unſer Herr Ritt meiſter von Brünnow , der lachte aber hell auf , wie er ſoldie Worte hörte, und antwortete dem holländiſchen Pars lamentair, ,, er möge den , der ihn geſchict habe , vielmals 1
grüßen und ihm wieder ſagen , eine ſtarke Schwadron preußis ſcher Huſaren ergebe fidy auf freiem Felde nicht ſo ohne Wei teres an ein paar feindliche Sdwadronen als Gefangene, ſon dern würde bis auf den leßten Mann ſich wehren , um ſich durchzubauen. Das wäre ſo die Anſicht von jedem einzelnen Huſaren , der unter ſeinem Befehl ſtünde." Der Holländer ließ uns nun wieder ſagen , das hälfe uns Alles doch nichts mehr , denn der Major von Schill ſei ſchon getödtet und Stralſund erobert worden. Wie nun unſer Herr Rittmeiſter .
das nicht recht glauben wollte, ſo erhielt er die Erlaubniß,
zwei von unſeren Herren Offizieren unter holländiſcher Eskorte nach Stralſund zu ſchicken , um ſich von der Wahrheit deſſen zu überzeugen. Wir blieben ſo lange, bis ſie wieder heraus kamen, ruhig auf einige hundert Sdritt den Feinden gegenüber halten und jeder Angriff war verboten, ſo hatte man es gegen feitig miteinander ausgemacht. Viele einzelne Huſaren und aud Haufen von unſerer zerſprengten Infanterie , die aus den Thoren gelaufen kamen , ſammelten ſich hier zu uns , ſo daß wir wohl an 170 Reiter und an faſt 300 Mann Fußa volt zulegt zählten. Nach einer guten Stunde kamen denn auch unſere beiden Herren Offiziere, die in der Feſtung gea 1
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weſen waren , wieder zu uns zurück. Die Thränen ſtanden ihnen in den Augen , denn ſie hatten , wie wir Alle , unſeren Herrn Major von Schill ſehr gern gehabt, als ſie uns ſagten, daß fte denfelben wirklich als Leichnam geſehen hätten. Ganz zerhauen im Geſicht ſoll er geweſen ſein , ſo daß die beiden Herren Lieutenants ihn ſelbſt nur mit Mühe haben wieder erkennen können , und ſeine Uniform hatten ihm die Plündes 1
1
rer auch ſchon ausgezogen , und ſo hatte man ihn faſt nadt
auf einen Tiſch im Kathhaus hingeworfen. Und als die Herren Offiziere dies ſo erzählten , da bekamen viele von uns Huſaren das helle Waſſer in die Angen, ſte wußten nicht wie. Es waren gar Viele unter uns , die nicht mit dem Geſicht gezuckt hätten , wenn es mitten auf eine feindliche Batterie, die mit Kardätſchen geſchoſſen , losgegangen wäre , aber hier über den Tod unſeres Herrn Majors von Schil ſchämten
fte ſich nicht, ein paar Tropfen zu weinen. Das iſt auch feine Schande für einen braven Soldaten , und wenn es auch hie und da noch Kerle giebt, die ſo etwas behaupten , ſo lüs gen fie entweder in den Tag hinein und wiſſen nicht, was fte reden , oder ſie ſind ſo rob wie das Vieh und jeder thut
gut , fte fich ſo weit wie möglich vom Leibe zu halten. Ein Soldat kann eben ſo gut ein Herz wie jeder andere Menſch unter ſeiner Uniforın baben und braucht ſich deſſen nicht zu ſchämen , und dies ſage ich , der alte Unteroffizier Erdmann , und Ihr könnt es Euch immer merken.
„ Wie wir denn nun die Gewißheit hatten , daß unſer Herr Major von Schill todt und Stralſund von den Feinden erobert ſei, da ließ uns der holländiſche Oberſt zum zweiten mal auffordern, uns zu ergeben. Unſer Herr Rittmeiſter von 1
Brünnow antwortete ihm aber , das thäte er nicht und er
würde ſich bis zum legten Mann ſchlagen , wenn die Hollän der uns nicht freien Abzug mit Pferd und Waffen in das
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preußiſche Land zugeſtehen würden. Anfänglich wollte der holländiſche General nicht viel davon wiſſen , aber unſer Herr Rittmeiſter blieb feſt dabei und ließ ſchon zum Einbauen blas ſen .
Wir buſaren aber hatten Rourage genug dazu und
riefen laut : „ Lieber wollen wir uns ſo lange herumſchlagen, biß auch der lebte Mann von uns geblieben iſt, als wie in
franzöſiſche Kriegsgefangenſchaft gehen ,“ und das war unſer voller Ernſt, und mordsmäßig hätten wir uns noch herum
gebauen und mander Holländer und Däne wäre dabei ges blieben , das war nun einmal gewiß. Wenn aber ſo faſt an
200 Huſaren und an 300 Infanteriſten den feſten Willen haben, lieber den Tod zu ſuchen , wie ſich in Gefangenſchaft zu geben, ſo fönnen die noch immer etwas Tüchtiges ausrich ten und dem Feinde noch vielen Schaden thun , wenn ſie zu left auch endlich von der Uebermacht zuſammengehauen wer den ſollten . Das modyte auch der holländiſche General bes denken und nicht recht Luſt haben , ſo viele von ſeinen Leuten
noch hinzuopfern , ohne am Ende was Anderes damit zu er reichen , als uns in die Pfanne gehauen zu haben , was dem Bonaparte für den Augenblick auch weiter keinen Vortheil ges bracht hätte. ,,Wie er denn nun ſab , daß es unſer bitterer Ernſt da
mit war, und unſere Herren Offiziere eben ſo es wollten wie die Huſaren , da gab er zuleßt doch noch nach und unſer Herr Rittmeiſter von Brünnow bekam die Kapitulation , die er haben wollte. Wir durften unſere Pferde und Waffen, und die Infanteriſten ihre Torniſter , wenn fie welche hatten, und Gewehre behalten , unſere Herren Offiziere mußten aber
verſprechen , uns auf dem nächſten Wege und ohne weitere Feindſeligkeiten in das preußiſche Land zu führen. Das war denn doch eine recht ehrenvolle Kapitulation , womit wir, den Umſtänden nach, vollauf zufrieden ſein konnten und die dem
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preußiſchen Namen feine Schande machte. Was ſollten wir denn auch jeßt , nachdem unſer Herr Major von Sdill todt war , noch Beſſeres thun , als nach Preußen zurüdreiten und dort erwarten , was Se. Majeſtät unſer König über uns bes ſchließen würde. So marſchicten wir denn ab, und zwar die Infanteriſten gegen Demmin zu und wir Quſaren nach Pas ſewalk. Ein trauriger Marſch war dies aber , wie Ihr Euch 1
wohl denken könnt , Kinder , ganz ohne Sang und Klang, und es kam uns immer vor, als wenn wir hinter einer Leiche einherritten. In Preußen mußten wir denu nun zuerſt die Waffen abgeben, und dann wurden die meiſten Soldaten und Unteroffiziere von uns in verſchiedene Regimenter vertheilt. Unſere Herren Offiziere aber die kamen auf die Feſtung und ein Kriegsgericht wurde über ſie niedergeſeßt. Das war auch nur in der Ordnung, denn ſie hatten ja den Ausmarſch ohne den Befehl Sr. Majeſtät unſerm König unternommen , und
Subordination muß unter den Soldaten ſein, oder die Welt würde umfallen. Na , aber unſer General von Blücher Ers
cellenz, der präſidirte dem Kriegsgericht, und da ward denn die Sache ſo böſe nicht, und Jeder von ihnen fam mit 6 Mo
naten Feſtungsarreſt davon , was ſeiner Ehre weiter feinen Schaden that , ſo daß die Meiſten anno 13 und 15 noch
tüchtig mit auf die Franzoſen haben losſchlagen helfen. „Solches iſt denn das Ende von dem Zug des Herrn Major von Schill Anno 1909 gegen die Franzoſen , und Ihr ſeht, Kinder, daß dies keine vergnügliche Geſchichte war, wenn wir auch ſonſt, was die Kourage und das gute Dreinbauen anbelangt, dem Namen der preußiſchen Quſaren keine Scande gemacht haben. "
Mit dieſen Worten ſtand der alte Erdmann auf , flopft
feine Pfeife aus und ging ſchweigend aus dem Garten fort. Lange noch blieben die Huſaren unter den grünen Bäumen
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beiſammen ſiken und auch der Verwundete zog den Aufent
halt daſelbſt dem in der engen , dumpfen Stube vor. Es war auch ein ſo warmer, ſchöner Sommerabend, wie man ihn hier oben in Jütland nicht häufig trifft. In goldenem Glanze war die Sonne ſo eben verſunken und ein purpurner Schein
färbte nod) den unteren Saum des Abendhimmels , während auf der anderen Seite deſſelben ídon der Mond mit ſeinem
bleichen Lichte heraufſtieg. Theils die Ruhe und Schönheit des Abends, mehr aber noch die Erzählung des alten Unters, offiziers Erdmann , hatte die meiſten Huſaren in eine mehr ernſtere Stimmung verſeßt, und das Ladien und Wigemachen, was Einige verſuchten, wollte nicht recht auffommen. Mehrere von ihnen , die ſich zuſammen im Geſange ſehr gut eingeübt hatten , fingen endlicy an einige Soldatenlieder zu ſingen, aber unwillkührlich faſt wählten ſie ſolche von mehr ernſtem , wie gerade luſtigem Inhalt. Manch wackrer Held mit Freudigkeit Hat zugeſept Leib und Blute, Starb ſel'gen Tod auf grüner Haid, Dem Vaterland zu Gute.
Kein ſchön'rer Tod iſt in der Welt,
Als wer vor'm Feind erſchlagen Auf grüner Haid, im freien Feld, Darf nicht hör'n groß Webklagen. Mit Trommelflang und Pfeifengetön Manch wacrer Held ward begraben, Auf grüner Haid gefallen ſchön. Unſterblichen Ruhm thut er haben.
So ſangen die Huſaren nod ; und ähnliche Lieder wechſelten damit ab. Da ließ ſich plößlich der Hufſchlag eines ſchnell trabenden Pferdes in den ſtillen Abend hinein hören , und wie die Sißenden aufſprangen , um zu ſehen , was Dies zu bedeuten habe , erkannten ſie eine şuſaren -Odonnanz, welche
raſch auf das Gehöft zugeritten fam . Eine Marſchordre für die Nacht nod) brachte dieſelbe und in zwei Stunden ſchon 18
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follte aufgebrochen werden , um wahrſcheinlich aus Jütland zurück in die Heimath zu marſchiren. Gar viel gab es daher zu thun, und ſtatt der früheren Ruhe trat bald überall ges
(dhäftige Thätigkeit ein . „ Na, das iſt denn gut , daß ich Euch heute die legte Geſchichte erzählt habe. Das hat ſich auch gleich ſo treffen follen , daß der Schluß zur rechten Zeit da war. Kommen wir mal wieder ſo zuſammen und es trifft ſich die Gelegens
heit danad ), dann erzähle ich Euch von den Kriegen anno 13 und 14 und 15 , wo wir unter unſerem dazumaligen
Feldmarſchall von Blücher Excellenz, der nachher ja auch ein 1
Fürſt von Wahlſtadt geworden iſt, zweimal in Paris einzos
gen und den Franzoſen noch recht oft preußiſche Hiebe zu koſten gaben. Und das hört ſid, denn viel luſtiger an , wie
die Geſchichten von anno 1806 und 7 und 9 und ein preus Biſches Herz kann ſich mehr darüber freuen . Aber ſo dieſe ſchlimmen Jahre , die mußten auch ſein, denn in ſelbigen ward unſer Preußen erſt recht groß und
ſtark und lernte ſein Militärweſen ſo gut in Ordnung brins gen , daß es nachher die Franzoſen oft zu ſchlagen vermochte. Und ſollten ſie jeßt , wie es heißt , wieder das Maul ſo weit aufthun und feinen Frieden halten wollen , ſo können ſie mit
Gottes gnädiger şülfe nochmals die ſchönſten Klopfe bekoms men. Wir preußiſchen Quſareti wenigſtens wollen es gewiß an nichts fehlen laſſen und ebenſo wieder , wie anno 13, mit
Gott für König und Vaterland drein (dlagen. Und dies ſage ich, der alte Unteroffizier Friş Erdmann. “ Mit dieſen Worten begab ſich der Alte in den Stall, um . nachjetnem Pferde zu fehen und alle übrigen Huſaren folgs ten ſeinen Beiſpiele . Drud von Friedrich Andrá in Leipzig.
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