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German Pages 92 Year 1926
PISTIS
SOPHIA
Ein gnostisches Originalwerk des dritten Jahrhunderts aus dem Koptischen übersetzt
In neuer Bearbeitungmit einleitenden Untersuchungen und Indices herausgegeben von
D. Dr. CARL SCHMIDT Professor der Theologie an der Universität Berlin
Leipzig J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung 1925
Copyright 1925 by J. C. Hinrichs'sche Buchhandlong, Leipzig Printed in Germany
Herrn Hofrat Röhrer-M
ünchen
dem wirksamen Förderer und treuen Begleiter auf der Sinai-Expedition um deren reiche Früchte der Weltkrieg die Wissenschaft und das Vaterland gebracht hat
Vorrede. Bei dem ungemein regen Interesse, welches in der heutigen Zeit in weiten Kreisen für die orientalische Theosophie und Mystik herrscht, kann es nicht wunder nehmen, daß der erste Band der „koptisch-gnostischen Schriften" 1 im Buchhandel vergriffen ist. Ich erhielt deshalb vom Verlage den Auftrag, die Pistis Sophia, auf welche sich das Hauptinteresse der Leser konzentriert, in neuer Bearbeitung herauszugeben, und kam dieser Aufforderung um so freudiger nach, als ich zugleich mit der Neuherausgabe des koptischen Textes für die Serie der Coptica betraut war, die mit Unterstützung des Institutum ßask-Oerstedianum in Kopenhagen unter der Leitung von Professor H. 0. L a n g e veröffentlicht werden. Diese Ausgabe ist soeben erschienen unter dem Titel: Pistis Sophia. Neu herausgegeben mit Einleitung nebst griechischem und koptischem Wort- und Namenregister von D. Dr. Carl S c h m i d t (Coptica II), Hauniae, Gyldendalske Bogliandel-Nordisk Forlag, 1925. Die Bearbeitung des koptischen Textes mußte natürlich auch der Übersetzung zugute kommen: vor allem wurde mir durch ein Reisestipendium von Seiten der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft die Möglichkeit gegeben, das Ms. noch einmal an Ort und Stelle einzusehen und eine Reihe von Problemen von neuem zu überprüfen. Ich fühle mich daher verpflichtet, Herrn Staatsminister Dr. Schmidt-Ott für die Unterstützung auch an dieser Stelle meinen besonderen Dank auszusprechen. Eine Vergleichung der jetzigen Ausgabe mit der früheren wird zeigen, daß die Übersetzung an zahlreichen Stellen eine Verbesserung erfahren hat, aber tiefgreifende Änderungen sind 1 In der Sammlung Die Griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Leipzig 1905.
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Vorrede.
nicht erfolgt. Freilich ist der textkritische Apparat weggelassen, da dieser nur die wenigen Kenner des Koptischen interessieren wird und diese in der Textausgabe das Material vorfinden. Leider mußten infolgedessen auch manche gelehrte Notizen ausgemerzt werden und alle koptischen Ziffern und Wörter bei der Beschreibung der Handschrift verschwinden, da der Verlag das größere Laienpublikum als Käufer in erster Linie berücksichtigt wissen wollte. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich eine eingehende Analyse des Inhalts behufs Einführung in die vorliegende gnostische Gedankenwelt hinzugefügt. Ebenso sind die Untersuchungen über Verfasserschaft und Zeit der Entstehung des Werkes bedeutend erweitert Auch die Fragen und Probleme über Handschrift, Sprache und Komposition sind ausführlicher behandelt; ich habe letzteren Teil fast unverändert in die Übersetzungsausgabe übernommen. Auf religionsgeschichtliche Untersuchungen habe ich mich nicht eingelassen, obwohl die Pistis Sophia zahlreiches Material dazu bietet. 1 Trotzdem hoffe ich auch den Kirchen- und Religionshistorikern manches Neue sagen zu können. So möge denn diese Übersetzungsausgabe in ihrem neuen Gewände neben den alten Freunden neue Liebhaber für die uns heute so seltsam anmutende gnostische Literatur gewinnen! B e r l i n , im Januar 1925.
Carl Schmidt.
1 Ich verweise Interessenten auf Liebleins Abhandlung „Pistis Sophia" in den Kristiania Videnskobs-Selskabs Forhan dlingen 1909 und dazu Maspero, Revue critique 1909, p. 192. Ohne Wert sind die Ausfährungen von Amélineau in seinem Essai sur le Gnosticisme égyptien, ses développements et son origine égyptienne [Annales du Musée Guimet, t. XIV], Paris 1887.
Bemerkungen zur vorliegenden Ausgabe. Da inzwischen m e i n e Neuausgabe des koptischen Textes erschienen ist, sind die betreffenden Seiten am Rande mit schrägen Ziffern angegeben; die geraden Zahlen bedeuten die Seiten der Ausgabe von Schwartze-Petermann. Die alte Kapiteleinteilung habe ich beibehalten, ebenso die Zerlegung der Psalmen und Hymnen in Verse. Die griechischen Wörter sind in Klammern beigesetzt, um dem Leser die griechische Grundlage der koptischen Übersetzung vor die Augen zu führen. Freilich habe ich den griechischen Index nicht wieder aufgenommen, da der Gelehrte ihn in meiner Textausgabe benutzen kann. Aus dieser Rücksicht auf das interessierte gebildete Laienpublikum sind die textkritischen Anmerkungen, wie ich in der Vorrede bereits bemerkt habe, fast ganz ausgemerzt. Die alt- und neutestamentlichen Parallelen sind dagegen angemerkt worden. Auch auf ein ausführliches Namen- und Sachregister glaubte ich nicht verzichten zu dürfen, um dem Erforscher des Gnostizismus und dem Religionshistoriker die Benutzung der Ausgabe als eines Nachschlagewerkes zu ermöglichen. Was die Zeichen betrifft, so bedeutet: < ) = auf Konjektur beruhender Zusatz, [ ] = zu beseitigender Einschub, * * * = Lücke, ? = zweifelhafte Übersetzung.
Inhaltsverzeichnis. Seite
"Vorrede Bemerkungen zur vorliegenden Ausgabe Einleitung 1. Qeschichte der Edition 2. Beschreibung der Handschrift 3. Sprache 4. Inhalt, Titel und Komposition 5. Verfasser, Ort und Zeit Nachträge und Berichtigungen Übersetzung des Textes Register I. Stellenregister 1. Altes Testament 2. Neues Testament 3. Außerkanonische Schriften II. Namen- und Sachregister
V YII IX—XCI IX XIII XIX XXIV LI XCII 1—286 287—308 289 289 291 291
Killleitung. 1. Geschichte der Edition. Das Ms. der Pistis Sophia ist in der gelehrten Welt unter dem Namen C o d e x A s k e w i a n u s bekannt. Es trägt diesen Namen nach dem ersten Besitzer Dr. A s k e w , aus dessen Nachlaß der Kodex im Jahre 1785 von dem British Museum für den geringen Preis von £ 1010 erworben wurde. Auf welchem Wege das Ms. in den Besitz von Dr. A s k e w gekommen ist, steht nicht fest. Nach der Mitteilung von Wo i d e in einem Briefe an Michaelis vom Jahre 1773 1 soll es bei einem Buchhändler — d. h. höchstwahrscheinlich in London — gekauft sein. Daraus geht die eine Tatsache hervor, daß Dr. A s k e w es nicht in Ägypten selbst erworben hat. Die Notiz von K o e s 11 i n, Theol. Jahrbücher, herausgeg. von Baur und Zeller, 1854, S. 1, Anm. 1, über das Brittische theolog. Magazin vom Jahre 1770, Bd. 1, Stück 4, S. 223, ist jetzt geklärt, nachdem ich ein Exemplar dieser seltenen Zeitschrift auf der Staatsbibliothek aufgespürt habe.2 Herr W o i d e , 1 Vgl. B u h l e , Literarischer Briefwechsel von Joh. David Michaelis (Leipzig). Vol. III (1796), p. 69. 2 Die Abhandlung ist betitelt: „Nachricht von dem Biichervorrath des Herrn Dr. Anton Askew in London, und von einigen griechischen Handschriften, die sich darin befinden." Daselbst lesen wir, daß Dr. Askew ein Arzt in London, Mitglied der königl. Londonschen Sozietät der Wissenschaften und anderer gelehrten Gesellschaften war. Er soll über 300 Pergamenthandschriften in lateinischer und griechischer Sprache in seiner kostbaren Bibliothek vereinigt haben, die sich besonders auf die Kirchenväter, die Bibel und die Arzneiwissenschaft bezogen. Auch von einer riesigen Sammlung ältester und erster Ausgaben lateinischer und griechischer Schriftsteller und Kirchenväter spricht der Berichterstatter. Die Hds. soll Dr. Askew auf seinen Reisen in Italien, Griechenland und besonders auf dem Berge Athos und anderen Orten erworben haben. Das ist die Notiz, auf die Koestlin anspielt, aber sie hat nichts zu tun mit unserem koptischen
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Fistia Sophia.
nach der Angabe von L e g g e damals Minister at the German Chapel at St. James Palace, bekannt als der Herausgeber des Cod. Alexandrinus, der sich in jenen Tagen mit koptischen Studien beschäftigte, hatte die erste Gelegenheit, bei dem ursprünglichen Besitzer das Ms. einsehen zu können und lenkte die Aufmerksamkeit der Bibelforscher auf das Werk in einer Abhandlung, abgedruckt In J. A. Cr am er s Beyträge zur Beförderung theologischer und andrer wichtiger Kenntnisse (Kiel und Hamburg) 1778, III, S. 55 f. und 154 f. Er führte die Schrift unter dem Namen Pistis Sophia ein, der seitdem allgemein üblich geblieben ist. Ferner verwertete er die vorkommenden neutestamentlichen Zitate in seinem großen Werke: Appendix ad editionem Novi Testamenti Graeci e códice Ms. Alexandrino a Carolo Godofredo Woide descripti, in qua continentur fragmenta Novi Testamenti juxta interpretationem dialecti superioris Aegypti, quae Thebaidica vel Sahidica appellatur, e codicibus Oxoniensibus maxima ex parte desumpta, cum dissertatione de versione Bibliorum Aegyptiaca, quibus subjicitur codicis Vaticani collatio, Oxonii 1799. W o i d e hatte eine Abschrift von dem Ms. genommen, denn er berichtet in Cramers Beiträgen p. 84: „Die sehr alte Handschrift hat mir Herr Dr. Askew und seine Erben 1 so lange gelehnet, daß ich sie völlig habe abschreiben und meine Abschrift mit dem Original vergleichen können", aber zu einer Publikation ist es nicht gekommen. Angeregt durch dessen Dissertatio, p. 148 sq., veröffentlichte im Jahre 1812 der dänische Bischof M ü n t e r , sicherlich nach einer Abschrift von W o i d e , die in der Pistis Sophia erhaltenen fünf pseudo-salomonischen Oden: Odae gnosticae Salomoni tributae thebaice et latine, praefatione et adnotationibus philologicis illustratae. Havniae 1812. Diese Oden sind, um dies hier schon vorwegzunehmen, durch die Entdeckung einer syrischen Kodex. Am Schluß folgt nämlich ein Verzeichnis der griechischen Hds. des Neuen Testaments nebst einem lateinischen Kodex der vier Evangelien. — Diese gelehrte Notiz stammt ohne Zweifel ans der Feder von W o i d e , der ja gerade für neutestamentliche Handschriften ein großes Interesse hatte. 1 Nach den liebenswürdigen Bemühnngen von Herrn M e a d ist Dr. A s k e w im J. 1772 zu Hampstead in der Nähe von London verstorben. Die erste Auktion seiner Bibliothek im J. 1775 brachte die Summe von £ 3993 und die zweite im J. 1785 die Summe von £ 1277.
Einleitung: 1. Geschichte der Edition.
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Handschrift von R e n d e l H a r r i s 1 als ein Teil der 42 alten Oden Salomos festgestellt worden; dadurch erledigt sich die frühere Literatur darüber.2 Während seines Aufenthaltes in England in den Jahren 1838—1840 konnte D u l a u r i e r eine Abschrift des Ms. nehmen; er stellte auch eine Publikation mit vollständigem Glossar in Aussicht,3 aber der Druck ist nicht ausgeführt. D u l a u r i e r s Ms. wird jetzt in seinem literarischen Nachlaß auf der Bibliothèque Nationale aufbewahrt. Da wurde im Jahre 1848 der junge Prof. M. G. S c h w a r t z e im Auftrage der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zum Studium koptischer Handschriften nach England geschickt. Es war nur zu natürlich, daß er sich auf den Cod. Askewianus stürzte und eine Abschrift anfertigte. Nach seiner Rückkehr begann er sofort mit den Vorbereitungen der Edition, aber an der Publikation selbst ist er durch den frühzeitigen Tod verhindert worden. Diese war glücklicherweise so weit druckfertig, daß sein intimer Freund und Kollege Prof. J. H. P e t e r m a n n , der bekannte Orientalist, die Ausgabe besorgen konnte, die dann im Jahre 1851 unter dem Titel erschien: Pistis Sophia, opus gnosticum Valentino adiudicatum e codice manuscripto coptico Londinensi descripsit et latine vertit M. G. Schwartze, edidit J. H. Petermann, Berolini, 1851. P e t e r m a n n hat sich darauf beschränkt, das zurückgelassene Ms. sorgfältig durchzuarbeiten und offensichtliche Fehler auszumerzen, auch hat er für den Text einige Verbesserungen beigesteuert und besonders die Übersetzung revidiert. Auf diese Weise kann der Editio princeps trotz mancherlei Mängel — besonders störend ist die eigentümliche Trennung der Wörter — nur uneingeschränkte Anerkennung gespendet werden. Die Akribie der Abschrift und die Sorgfalt der Übersetzung bedeuten in Rücksicht auf den damaligen Stand der koptischen Wissen1 The Odes and Psalms of Solomon, now first pnblished from the Syriac Version. Cambridge 1909. Dazu Worrell, The Odes of Solomon and the Pistis Sophia in Journ. of Theolog. Stud. XIII (1912), S. 29 fi. 2 R y l e a n d J a m e s , The Psalms of Solomon, Cambridge 1891, S. 155 ff. ; H a r n a c k , Über das gnostische Buch Pistis Sophia (T. u. U., Bd. VII, 2, S. 35ff.). B Notice sur le manuscrit copte-thébain intitulé: La Fidèle Sagesse (tpistis sophia) et sur la publication projetée du texte et de la traduction française de ce manuscript in dem Journal Asiatique, quatrième série, tom. IX, 1847, p. 634 ff.
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Pistis Sophia.
Schaft eine hervorragende Leistung; ja man könnte sogar der Meinung sein, eine erneute Publikation wäre überflüssig, wenn nicht der größte Teil der unverkauften Exemplare eingestampft wäre, so daß im antiquarischen Buchhandel nur selten ein Exemplar aufzutreiben ist. S c h w a r t z e hatte seine Übersetzung in lateinischer Form mit Beibehaltung der überaus zahlreichen griechischen Wörter veröffentlicht. Eine Übersetzung in moderner Sprache erschien zuerst aus der Feder von E. A m é l i n e a u : Iliatiç Zo